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4 Wirrbachtalbrücke – Entwurf und Ausführung einer schlanken
Bogenbrücke im Thüringer Wald bei Geschwenda
Dipl.-Ing. Helmut Roesler
Leonhardt, Andrä und Partner
Beratende Ingenieure VBI GmbH, Erfurt
Dipl.-Ing. Rolf Jung
Leonhardt, Andrä und Partner
Beratende Ingenieure VBI GmbH, Dresden
4.1 Allgemeines
Die Bundesstraße B 88 ist eine wichtige Verbindungsstraße entlang dem nördlichen Rand des Thü-
ringer Waldes mit Anschluß an die neue Autobahn A 71 nahe den Orten Geraberg und Geschwenda.Die zukünftige Verkehrsbelastung als Autobahnzubringer und die enge Ortsdurchfahrt erfordern dieOrtsumfahrung von Geschwenda, bei der das tief eingeschnittene Wirrbachtal in ca 40 m Höhe gequertwird.
4.2 Entwurf
Die Bundesstraße B 88 ist im Bauwerksbereich in einer Kurve mit einem Radius von R = 540 m tras-siert. In Längsrichtung liegt die Gradiente in einer Wanne mit einem Ausrundungshalbmesser von6100 m. Die Längsneigung beträgt am südlichen Widerlager (Achse 10) 1,1 %, am nördlichen Wi-derlager (Achse 140) 4,9 %.
Die Fahrbahnbreite auf der Brücke beträgt infolge des großen Schwerlastanteils auf diesem Streckenab-schnitt 8,00 m, die Gesamtbreite zwischen den Geländern 11,50 m. Die Brücke wird für zivile Verkehrs-klassen der Brückenklasse 60/30 nach DIN 1072 bemessen, für Militärlasten nach STRANAG 2021 imEinbahnverkehr für MLC 100 im Zweibahnverkehr für MLC 50/50.
4.2.1 Bauwerksgestaltung
In der Vorplanung wurden mehrere Brückenlösungen untersucht und in Hinblick auf folgende Randbe-
dingungen bewertet:
Talform tief eingeschnittenes V-Tal
Lage der Brücke Exponierte Lage in landschaftlich reizvoller Umgebung
Sichtbeziehungen Die Brücke liegt ortsnah in Höhe der Bebauung. Die zwischen Dorfrand undStandort der Brücke gelegene Kuppe verhindert die Sicht vom Ort in den Talgrund und gibt nurden Blick auf den Brückenüberbau knapp über dieser Kuppe frei. Eine weitere Sichtbeziehungbesteht von der Tank- und Rastanlage Geraberg und dem Ostportal des Tunnels ‚Alte Burg‘.
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Bild 4.1: Ansicht und Grundriß
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Umwelt Im Tal befindet sich ein weitgehend natürlicher Bachlauf mit begleitendem Gehölz, die Hän-ge sind stark bewaldet.
Gründung Im Bereich der Talflanken läßt der anstehende untere Muschelkalk Flachgründungen zu.Im Talgrund werden durch bis zu 10 m mächtige Lockergesteinsablagerungen Gründungen sehraufwendig.
Die exponierte Lage mit vielfältigen Blickbeziehungen und ungünstigen Gründungsverhältnissen imTalgrund führte zur gut in die Landschaft eingefügten, schlanken Bogenbrücke mit der Gesamtlängevon 235 m und der Bogenstützweite von 100 m.
4.2.2 Geometrie und statisches System
Die Talbrücke über den Wirrbach ist insgesamt 235 m lang mit Stützweiten zwischen 14 und 24 m.Der Überbau ist ein zweistegiger konstant durchlaufender Plattenbalken aus Spannbeton B 45 mit einerKonstruktionshöhe von 1,40 m. Der Überbau ist im Bogenscheitel auf 14,50 m Länge mit dem Bogenmonolithisch verbunden. Somit bildet sich der Festpunkt der Brücke in Bogenmitte aus.
Die Pfeiler auf dem Bogen sind schlanke Rundstützen mit einem Durchmesser von 0,8 m. Die übrigenPfeiler sind als schlanke Scheiben mit einer Dicke von 60 cm bzw. 80 cm ausgebildet. Sämtliche Pfeilerbzw. Rundstützen sind ohne Lager und Fugen fest mit dem Überbau verbunden. In den Pfeilerachsen 20und 130 sind aufgrund der größeren Dehnwege Betongelenke zwischen Überbau und Pfeiler angeord-net. Die Rundstützen auf dem Bogen sind ebenfalls über Betongelenke mit dem Überbau verbunden.Nur an den Widerlagern sind Verformungsgleitlager eingebaut.
Die 4 Stützenreihen auf dem Bogen ermöglichen eine gute Transparenz und ergeben statisch-konstruk-tive Vorteile. So werden durch die schlanken Rundstützen keine Momente in den in Querrichtung emp-findlichen Bogen eingeleitet. Querlasten werden konzentriert an den Kämpferscheiben abgeleitet. DieKämpferscheiben sind zur Kurvenaussenseite stark verbreitert. Diese Pfeilerform zeigt dem Betrachter,
daß hier größere Kräfte abgetragen werden müssen. Die übrigen Pfeilerscheiben werden ihrer unterge-ordneten Funktion gemäß ohne Anzug ausgebildet.
Bild 4.2: Regelquerschnitt
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4.2.3 Bogen
Der 100 m weit gespannte Bogen ist als massiver Rechteckquerschnitt mit einer Bauhöhe von 1,30 mam Kämpfer und 90 cm im Scheitel ausgebildet. Dies ergibt Schlankheiten von l/h = 77 am Kämpferbzw. l/h = 111 am Scheitel. Der Bogen folgt im Aufriss der Form einer Parabel zweiten Grades.
Aufgrund der im Radius verlaufenden Trasse wurde eine asymetrische Form des Bogens gewählt. DieBogeninnenseite verläuft im Grundriss in einem Radius von 399 m. Die Bogenaußenseite verläuft imRadius von 3 000 m. Die Bogenbreite beträgt am Kämpfer 9 m und nimmt bis zum Scheitel auf 5,60 mab. Die so gewählte Asymetrie verringert die Exzentrizität des Bogens im Grundriss und somit auch dieTorsion infolge Eigengewicht.
Der Bogen ist in Stahlbeton B 45 ausgeführt.
Bild 4.3: Gründung Kämpfer
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4.2.4 Gründung
Die Widerlager wurden flach auf einer Dammvorschüttung gegründet. Die Höhe der endgültigen Trassen-Dämme beträgt ca. 6,0 m. Die Pfeiler in Achse 20, 30 und 120 wurden auf dem verwitterten Festge-stein flach gegründet. Teilweise wurden Ausgleichsschichten in unbewehrtem Beton B 15 ausgeführt.
An den Kämpfern in Achse 40 und 110, sowie an der Achse 130 wurden auf Grund der starken Klüf-te und Verbrüche im Festgestein Verpreßpfähle GEWI 63,5 mit einem Pfahldurchmesser von 150 mmerforderlich.
4.3 Bauausführung
Bild 4.4: Traggerüst Bogen
Nach der Herstellung der Kämpfer wurde ein flach gegründetes Traggerüst bestehend aus insgesamtfünf Gerüsttürmen symmetrisch zum Bogen aufgebaut. Die Gerüsttürme sind untereinander mit je-weils vier Rüstträgern, die gleichzeitig die Schalung aufnehmen, am Kopf verbunden. Die seitlichenGerüsttürme wurden zur Aufnahme von Horizontalkräften zu den Kämpfern hin rückverankert.ZumAusgleich von Baugrundsetzungen wurden die Gerüsttürme auf Stellringpressen gelagert.
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Die Bogenbetonage erfolgte in fünf Bauabschnitten ohne Konterschalung, wobei jeweils die ersten vierBauabschnitte zur Vermeidung großer Horizontalkräfte symmetrisch von beiden Seiten gleichzeitigbetoniert wurden. Vor der Betonage des Bogenscheitels wurden die aufgetretenen Setzungen durchHochfahren der Pressen so ausgeglichen, dass keine Zusatzmomente infolge der Bogenherstellung anden Kämpfern auftraten.
Nach der Herstellung der Rundstützen und Pfeilerscheiben wurde der Überbau beginnend von Ach-se 140 in insgesamt 10 Bauabschnitten mit einer selbstfahrenden Vorschubrüstung errichtet. Zur Auf-nahme der Horizontalkräfte im Bauzustand wurde am Widerlager140 ein temporärer Festpunkt einge-baut. Nach Herstellung des 3. Bauabschnittes konnte dieser entfernt werden, da die Pfeiler ausreichendSteifigkeit besitzen, um die auftretenden H-Kräfte aufzunehmen.
Durch die asymetrische Betonierfolge des Überbaus im Bogenbereich mußte zur temporären Ausstei-fung des Bogens das Traggerüst unter dem Bogen verbleiben. Zur Minimierung der Vertikalverfor-mungen wurde jedoch das Traggerüst zunächst abgelassen, so dass der Bogen selbsttragend für seinEigengewicht wirkte. Zur Herstellung des Überbaus wurde das Traggerüst wieder kraftschlüssig ange-drückt. Die Betonierlängen des Überbaus betrugen zwischen 16 m und 29 m.
Bild 4.5: Vorschubrüstung Bild 4.6: Brückenansicht von Süden
4.4 Projektbeteiligte
Bauherr: Bundesrepublik Deutschland, Freistaat Thüringen vertreten durchdie DEGES, Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau
GmbH, BerlinEntwurf: Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI, GmbH
Auftragnehmer: Ingenieur- und Tiefbau Stetzler, Leipzig
Genehmigungs- undAusführungsplanung: Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI, GmbH
Prüfingenieur: Dr-Ing. Zichner, Berlin
Bauüberwachung: Köhler und Seitz, Nürnberg
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Bild 4.7: Brücke in der Landschaft
4.5 Datenblatt
Länge der Brücke: 235 m
Breite zwischen Geländern: 11,5 m
Baubeginn: Januar 2001
Verkehrsfreigabe: 5. Juli 2003
Baukosten (brutto): 4 Mio.e
Verpresspfähle: 3600 m Beton
Beton Unterbauten: 2920 m3
Betonstahl Unterbauten: 327 t
Ortbeton Überbau: ca. 1740 m3
Betonstahl Überbau: 212 t
Spannstahl Überbau: 73 t
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