15.Jg.,KommPspezial - demografie-wertgutachten.de · Herausforderung Demografie – warum sich...

6
KommunalPraxis spezial KommP spezial ISSN 1617-3759 · B 1392 Art.-Nr. 69318 501 1 | 2015 15. Jg., KommP spezial Fachzeitschrift für Verwaltung, Organisation und Recht Herausforderung Demografischer Wandel Wie Kommunen ihre Zukunft gestalten Fachbeiträge Auswirkungen des Demografischen Wandels auf die Kommunen Auswirkungen der demografischen Veränderungen auf den kommunalen Haushalt Auswirkungen demografischer Effekte auf den Haushalt für Sozialausgaben Schulpolitische Herausforderungen für die Kommunen durch den demografischen Wandel Auswirkungen der demografischen Entwicklungen auf die Daseinsvorsorge Hin und weg im ländlichen Raum? – Wie Angebote der Daseinsvorsorge auch ohne eigenen Pkw erreichbar bleiben Vom Aufwerten bis zum Aufgeben – viele Gebäude und Infrastrukturen benötigen kommunales Handeln Herausforderung Demografie – warum sich Kommunen auch mit der Immobilien- bewertung auseinandersetzen müssen Wissensmanagement bei der Bezirksregierung Arnsberg

Transcript of 15.Jg.,KommPspezial - demografie-wertgutachten.de · Herausforderung Demografie – warum sich...

KommunalPraxisspezial

Kom

mP

spez

ial

ISSN 1617-3759 · B 1392

Art.-Nr. 69318 501

1 | 201515. Jg., KommP spezial

Fachzeitschrift für Verwaltung,Organisation und Recht

Herausforderung Demografischer WandelWie Kommunen ihre Zukunft gestalten

FachbeiträgeAuswirkungen des DemografischenWandels auf die Kommunen

Auswirkungen der demografischenVeränderungen auf den kommunalenHaushalt

Auswirkungen demografischer Effekte aufden Haushalt für Sozialausgaben

Schulpolitische Herausforderungen für dieKommunen durch den demografischenWandel

Auswirkungen der demografischenEntwicklungen auf die Daseinsvorsorge

Hin und weg im ländlichen Raum? –Wie Angebote der Daseinsvorsorge auchohne eigenen Pkw erreichbar bleiben

Vom Aufwerten bis zum Aufgeben –viele Gebäude und Infrastrukturenbenötigen kommunales Handeln

Herausforderung Demografie – warum sichKommunen auch mit der Immobilien-bewertung auseinandersetzen müssen

Wissensmanagement bei derBezirksregierung Arnsberg

TypoScript GmbH Di 10.03.2015 18:23:48 z:/wk/KommP/264-Spezial/kspez15-01-tit S.1schwarz gelb cyan magenta

Herausforderung Demografie – warum sichKommunen auch mit der Immobilienbewertungauseinandersetzen müssenvon Lothar Scharold, Dipl.-Betriebswirt (FH), langjähriges Mitglied im Gutachterausschuss des Main-Kinzig-Kreises und Roland Peter, Abteilungsleiter im Amt für Bodenmanagement Homberg (Efze), langjähriger Vorsit-zender im Gutachterausschuss des Landkreises Hersfeld-Rotenburg sowie stellvertretender Vorsitzender desSchwalm-Eder-Kreises

Die Auswirkungen des demografischen Wandels, die insbesondere durchSchrumpfung und Alterung der Bevölkerung zum Ausdruck kommen,machen sich bevorzugt, aber nicht nur, im ländlichen Raum bemerkbar.Auch in Städten treten vermehrt Leerstände von Wohn-, Büro- und Gewer-begebäuden auf, gefolgt von einem mancherorts bereits dramatischenVerfall von Immobilienwerten. Kommunen müssen sich mit diesen Aus-wirkungen, wie z.B. dem Leerstandsproblem und seine Folgen für dieStadtentwicklung, auseinandersetzen.

I. Einleitung

»Der demografische Wandel mit dem damitverbundenen Bevölkerungsrückgang sowieanderen Phänomenen ist in der Bundesre-publik Deutschland im ländlichen Raum –bei gleichzeitigen großen kleinräumlichenUnterschieden – am stärksten ausgeprägt.Ein immer größeres Problem stellt der Ver-fall und Leerstand von Immobilien dar;parallel dazu verlieren die umliegenden,noch bewohnten Immobilien an Wert. «

Dieses Zitat aus dem Fachbuch derAutoren1 bringt es auf den Punkt. Nebenallen anderen Problemen, die mit demRückgang der Bevölkerung in einer aufWachstum ausgerichteten Gesellschaftverbunden sind, ist der Werteverfall vonImmobilien eine für alle Beteiligten ernstzu nehmende Erscheinung. Wie drama-tisch die Auswirkungen sein können,wird deutlich, seit die Wertverluste, die in

vielen Regionen Deutschlands immerklarer zutage treten, durch die Anwen-dung der Methodik zu beziffern sind.

Abb.1: Gebäudebestand und -verfall als eine der Folgen des demografischen Wandels miterheblichen Auswirkungen nicht nur auf die Grundstückswerte in den betroffenenGemeinden

II. Was bedeutet das für dieKommunen?

Kommunen sind mit regional unter-schiedlicher Ausprägung vom demografi-schen Wandel direkt betroffen. Dort, woer schon vor Jahren begonnen hat undsich seitdem immer stärker auswirkt,wird deutlich, dass entgegen vielfach pro-pagierter anderslautender Meinungen dieVeränderungen weder aufzuhalten, nochzu beherrschen oder gar wieder umzu-kehren sind. Ebenso wenig spielt es fürden Fortgang dieses Schrumpfungspro-zesses eine Rolle, ob wir ihn zur Kenntnisnehmen wollen oder nicht; der Unter-schied liegt für uns allein darin, ob wirdiesen aktiv mitgestalten können oder

uns – zu einem Zeitpunkt, bei dem dieFrage nur noch lautet, wann er eintritt –vor vollendete Tatsachen gestellt sehenwollen. Die Realität sieht doch vielmehrso aus, dass alle Kommunen in ihrerZukunftsfähigkeit direkt, wenn auch inunterschiedlichem Ausmaß, betroffensind, d.h. letztlich damit unmittelbar dieGesellschaft, also wir alle in allen Berei-chen des gesellschaftlichen Lebens undHandelns!

Jahrzehntelang waren wir darangewöhnt, ausschließlich über Wachstumzu reden, dieses zu messen und zu vertei-len. In der Realität ist diese Vergangen-heit allerdings immer noch Gegenwart;die Erkenntnis über die Änderung derVerhältnisse ist in den Köpfen nochimmer nicht ausreichend angekommen –die Phrase »Wachstum« wird gebetsmüh-lenartig in allen Medien, von Politikernund anderen Wirtschaftsgrößen bis heuteimmer wieder gepredigt. Die Gründedafür sind sehr vielfältig und reichen ineinem weiten Bogen über »Bequemlich-keit, Gewohnheit« oder »es funktioniertdoch (noch) alles« bis hin zu »dass nichtsein kann, was nicht sein darf/soll«.

Mit diesem Phänomen befasst sich u.a.auch die Deutsche Landeskulturgesell-schaft2; ein Blick auf deren Internetseiteeröffnet mit Sicherheit interessanteErkenntnisse. Auch hier wird festgestellt,dass der »Wandel in den Köpfen«3 als»überfällig« einzustufen ist. Aus derErfahrung der Autoren setzen Wahrneh-mung und Erkenntnis erst ein, wenn dieAuswirkungen nicht mehr zu übersehensind. Zahlreiche Gestaltungsmöglichkei-ten sind dann vertan, die bereits eingetre-tenen Veränderungen und ihre Wirkun-gen sind ungesteuert und zufällig. Amts-zeiten, Wahlperioden, Förderzeiträume,parteipolitische Befindlichkeiten oderÄhnliches dürfen nicht länger den Blickauf die Notwendigkeit der Anpassungund das dabei Machbare verstellen. DasZiel darf nur noch die gemeinsame aktive

TypoScript GmbH Di 10.03.2015 18:22:34 z:/wk/KommP/264-Spezial/kspez15-01 S.40

Immobilienbewertung

KommP spezial 1 |2015

40

schwarz gelb cyan magenta

Gestaltung der Zukunft »Projekt Hei-mat« sein, getragen von der Bevölkerungund Politik. Dabei wird es keinen»Königsweg« geben, jede Kommunemuss, ihrer Individualität Rechnung tra-gend, ihren eigenen Rahmenplan ent-wickeln.

Doch warum wird diese Entwicklung,die uns vor die größte gesamtgesellschaft-liche Aufgabe unserer Zeit stellt, bisherüberwiegend in der Theorie auf Demo-grafiegipfeln etc. in der Regel verbal, the-oretisch und akademisch behandelt, inder Realität bzw. Praxis aber oft noch ver-drängt oder negiert? Erfolge gibt es bes-tenfalls punktuell.

Ein wichtiger Grund für die abwar-tende Haltung mag sein, dass »Rück-gang« oder »Schrumpfung« in unserer»Wachstums«-Gesellschaft allzu häufigdirekt mit »Niedergang« gleichgesetztwerden, einer ganz klar negativen Bewer-tung. Die Signale sind aber eindeutig: Somancher Bürgermeister beklagt, dass derVorteil eines niedrigen Bodenpreisni-veaus nicht mehr wirke und Objekteauch unterhalb der »Schmerzgrenze«kaum mehr Käufer fänden. Vielerortssind die Auswirkungen tatsächlich schonlange und deutlich erkennbar, beispiels-weise durch die zunehmende Zahl anLeerständen, schlechtere Versorgungoder die signifikante Veränderung derAltersstruktur. Dabei ist die Entwicklungmeist schleichend, wodurch eine gewisse»Betriebsblindheit« begünstigt wird.Letztlich können auch die Resignationvor dieser Mammutaufgabe oder dieAngst vor dem Treffen unangenehmerEntscheidungen dazu führen, sich in dasvermeintlich Unabänderliche zu fügen.

Was dabei eindeutig zu kurz kommt,ist die Erkenntnis, dass die Facetten derEntwicklung sehr vielfältig sind und injeder Veränderung immer auch Chancenstecken – die sich allerdings nur zeigen,wenn man zum richtigen Zeitpunktgenau hinschaut! Diese i.d.R. zeitlichbegrenzten Chancen müssten aber vonden Beteiligten – der Bevölkerung undden politisch Verantwortlichen – erkanntund konsequent genutzt werden.

Solche Umdenk-, Lern- und Umge-staltungsprozesse brauchen auf jeden FallZeit und in der Regel professionelleUnterstützung bei der umfassenden Ein-beziehung der Bevölkerung. Der güns-tigste Zeitpunkt für den Beginn ist derje-nige, an dem erste Indikatoren bereits aufVeränderungen hinweisen, die Struktu-ren aber im Wesentlichen noch intakt

sind. Diejenigen Kommunen, die recht-zeitig aus echter Überzeugung aktiv wer-den und zusammen mit ihrer Bevölke-rung nach Lösungen suchen, werdenlangfristig klar im Vorteil sein.

Die Themen sind dabei so vielfältig(Kostendruck beim Erhalt der Infrastruk-tur, wegbrechende Steuereinahmen,immer weniger Gebührenzahler, Preis-verfall und Leerstände bei Immobilien –auch bei gemeindeeigenen –, immerschlechtere Versorgungssituation in allenBereichen usw.) wie überlagernd, sodasseine fundierte Bestandsaufnahme unab-dingbar ist. Sinnvolle Maßnahmen sindnur möglich, wenn ihre Konzeption aufeiner entsprechenden Datengrundlagebasiert; das Motto lautet auch hier: »Bittegenau hinschauen«.

Wie die »Vorbereitenden Untersu-chungen« bei Sanierungsverfahren isthier ebenso eine entsprechende Analysedes »Status quo« der Kommune, gezieltergänzt um die individuellen demografi-schen Entwicklungen, vorab zu erstellen.Es ist hierbei unerlässlich, nicht mehr All-gemeinplätze wie z.B. »demografischerWandel« oder Ähnliches zu verwenden,sondern exakt und klar die Kriterien zubenennen und die Daten dazu zu ermit-teln, mit denen man künftig arbeitenmöchte.

III. Hilfe durch dieImmobilienwertermittlung

Beim Thema Immobilienbewertung sinddie Vorschriften, vor allem die Immo-bilienwertermittlungsverordnung vom19. Mai 20104 eindeutig: »Die allgemei-nen Wertverhältnisse auf dem Grund-stücksmarkt bestimmen sich nach derGesamtheit der am Wertermittlungs-stichtag für die Preisbildung von Grund-stücken im gewöhnlichen Geschäftsver-kehr (marktüblich) maßgebendenUmständen wie nach der allgemeinenWirtschaftslage, den Verhältnissen amKapitalmarkt sowie den wirtschaftlichenund demografischen Entwicklungen desGebiets« (§ 3 Abs. 2 ImmoWertV).Damit ist ein eindeutiger Auftrag zurBerücksichtigung des Einflusses derdemografischen Entwicklung bei derImmobilienbewertung erteilt, dem dieGutachter nachkommen müssen. Wiedie demografische Entwicklung selbstsind auch die Auswirkungen auf dieImmobilienwerte spürbar, wenn festzu-stellen ist, dass alle in der Praxis gängigenAbschläge nicht ausreichen, einen vom

Markt akzeptierten Wert zu ermitteln.Unverzichtbare Grundlage hierfür ist dievorherige spezifische Zusammenstel-lung von Daten und daraus folgend derBau des Mosaikbildes. Aus der Erfahrungder Autoren heraus ist diese Vorgehens-weise auch auf die Bedürfnisse der Kom-munen analog übertragbar.

Seit etwa 1995 hat sich Lothar Scha-rold, seit 2009 dann mit Unterstützungvon Roland Peter, mit dem Themabeschäftigt, wie die Lücke zwischenAnspruch und Wirklichkeit geschlossenwerden kann. Aus der gleichzeitigenWahrnehmung der Durchführung unter-schiedlicher städtebaulicher Maßnah-men (z.B. Sanierung, Konversion etc.)und der gutachterlichen Tätigkeit hatLothar Scharold bereits frühzeitigerkannt, dass das Instrument, das inScharold & Peter (2014) dargestelltwird – im Folgenden kurz als »Methodik«bezeichnet–, auch geeignet ist, Kommu-nen den Aufbau ihres spezifischen Mosa-ikbildes zu ermöglichen. Auch bei derErmittlung von Immobilienwerten ist esnotwendig, die Abschätzung der Wert-veränderungen durch die demografischeEntwicklung, basierend auf einer defi-nierten Datengrundlage, vorzunehmen.Die für die Methodik entwickelte Daten-grundlage ist dazu geeignet, die Kommu-nen in ihren Entscheidungsprozessen zuunterstützen und dabei eine gute, detail-lierte und fortschreibbare Beurteilungs-und Entscheidungsgrundlage zur Verfü-gung zu stellen.

IV. Die Methodik im kurzenÜberblick

Von allen Kriterien, die denkbar sind,den demografischen Wandel zu beschrei-ben und daraus den Auswirkungsgrad derEinflüsse auf die Immobilienwerte unddamit auf die Kommune abzuleiten, sindnach eingehenden Untersuchungen undDiskussionen die im Folgenden darge-stellten übrig geblieben. Dies nichtzuletzt deshalb, damit ein für die Praxistaugliches Instrument zur Verfügunggestellt wird, das ohne unverhältnismäßi-gen Erhebungsaufwand Ergebnisse lie-fern kann.

1 »Harte Faktoren«

Erstes, wichtigstes und bestimmendesKriterium ist die Entwicklung der Bevöl-kerungszahl. Eingeschlossen sind alleEinflüsse und Maßnahmen, die geeignet

TypoScript GmbH Di 10.03.2015 18:22:34 z:/wk/KommP/264-Spezial/kspez15-01 S.41

Immobilienbewertung

KommP spezial 1 |2015

41

schwarz gelb cyan magenta

sind, die Bevölkerungszahl zu beeinflus-sen. Weitere Kriterien, die zur Stützungder ersten Einschätzung, aber auch zurMinderung oder Verstärkung führenkönnen, sind die Altersstruktur, die Ent-wicklung der Arbeitsplätze, die Leer-stände, die Entwicklung auf dem Immo-bilienmarkt und die Bodenpreise im Ver-hältnis zu den Erschließungskosten.

Aus der Erkenntnis heraus, dass einspürbarer Rückgang der Bevölkerung mitall seinen Begleiterscheinungen zu einemRückgang des Preisniveaus bei Immobi-lien führt, war die Frage zu beantworten:»Wann geht der Wert der betreffendenImmobilie praktisch gegen Null?

Die Studie von Steffen Kröhnert5

sowie die empirischen Untersuchungender Geschäftsstelle beim Amt für Boden-management Homberg/Efze6 zeigen hierebenfalls eindeutige Abhängigkeiten auf.

Es ist nach Auffassung der Autorendavon auszugehen, dass ab einerbestimmten Größenordnung des Rück-gangs der Immobilienmarkt praktischzusammenbricht, d.h., dass die Wertevon Immobilien – unabhängig von densonstigen wertbeeinflussenden Fakto-ren – gegen Null gehen. In der hier vorge-stellten Methodik wird dafür von einemSchwellenwert von 50 % Bevölkerungs-rückgang (im Verhältnis zur Einwohner-zahl zum Zeitpunkt des Wendepunktes,an dem der nachhaltige Rückgang derBevölkerung eingesetzt hat) ausgegangenund eine Funktion für die Abschlägeermittelt, die im Vorfeld bis zur Errei-chung des Schwellenwertes anzubringensind.

Maßgeblich für die Höhe des Abschla-ges ist der Zeitraum in Jahren, bis derSchwellenwert voraussichtlich erreichtsein wird. Diese Prognose wird aus derEntwicklung in der Vergangenheit abge-leitet und ist jährlich zu überprüfen.Damit wird gewährleistet, dass sowohlpositive Ansätze in einer Gemeinde, diezu einer Abschwächung oder gar Umkehrder Talfahrt führen, als auch eine mögli-che Beschleunigung des Abwärtstrendsoffengelegt und berücksichtigt werdenkönnen. Sind es z.B. nach der Prognosenoch 75 Jahre, bis der 50 %-Rückgangerreicht ist, wäre nach den Vorgaben derMethodik ein nach üblichen Methodenermittelter Verkehrswert um 2 % zusätz-lich zu mindern; bei nur noch 20 Jahren,die bis zur Erreichung des Schwellenwer-tes verbleiben, betrüge der Abschlagbereits 32 %! Der Zusammenhang zwi-schen den Jahren bis zur Erreichung des

Schwellenwertes und dem Werteverfall,hier ausgedrückt durch einen prozentua-len Abschlag, lässt sich am anschaulichs-ten in einer Kurve mit negativem (blaudargestellt) und positivem (rötlich dar-gestellt) Verlauf beschreiben (s. Abb.2).

Abb.2: Grafische Darstellung der demografisch bedingten Zu- und Abschläge

Seit 2012 in der Praxis erfolgreichangewendet, ist die Methodik inzwischenin den am Markt noch teilnehmendenTeilbereichen empirisch bestätigt; imBereich von 35 Jahren oder weniger biszum Erreichen des Schwellenwertesbricht die für eine Beurteilung vorhernoch ausreichende Datengrundlage inder Regel teilweise oder gänzlich weg. Dieweiteren Untersuchungskriterien wieAltersstruktur, Arbeitsplätze, Leerständeusw. wie auch die weichen Faktoren, diefür die Entwicklung einer KommuneBedeutung haben, dienen dazu, den ausder Bevölkerungsentwicklung gewonne-nen Eindruck zu bestätigen, zu verstär-ken oder auch abzuschwächen.

2 »Weiche Faktoren«

Ein wesentlicher Unterschied zu der bis-herigen Betrachtungsweise, die in deneinschlägigen Studien etc. zur Anwen-dung kommt, besteht darin, dass dieMethodik erstmalig den sog. »weichenFaktoren«, quasi dem »sozialen Potenzial«der Gemeinde, die seiner Wichtigkeitgebührende Aufmerksamkeit schenkt.Eine umfassende Beurteilung der Situa-tion einer Kommune nur unter Berück-sichtigung der harten Faktoren ist unvoll-ständig und damit unmöglich. Bei ihrenRecherchen sind die Autoren auf mögli-che Konstellationen der »weichen Fakto-

ren« gestoßen, die allein für sich geeignetwaren, die Zukunftsfähigkeit einer Kom-mune oder eines Ortsteiles gegen Nullgehen zu lassen.

3 Fragebogen Teile A und B

Zur Gewinnung eines möglichst umfas-senden Mosaikbildes von der Situation ineiner Kommune wurde von den Autorenein spezieller Fragebogen zur »Erhebungvon kommunalen Daten und Fakten zurErmittlung der demografisch bedingtenAnpassung« entwickelt. Er dient hierbeiausdrücklich nicht als Grundlage lang-fristiger Vorhersagen, sondern zurBeschreibung der Situation zum Zeit-punkt der Untersuchung! Das hierbeidargestellte Bild wird mit jeder jährlichdurchgeführten Fortschreibung deutli-cher, die Konturen schärfer. Der Fragebo-gen ist quasi die Anleitung bzw. der »roteFaden«, an den man sich bei der Ersterhe-bung, aber auch bei der Fortschreibung,halten kann. Die Ersterhebung erforderteinen höheren, aber einmaligen Auf-wand, die jährliche Fortschreibung istunproblematisch. Die so gewonnenenErkenntnisse können nicht nur derGemeinde selber bzw. ihren Nachbarndienen, sondern auch den Geschäftsstel-len der Gutachterausschüsse wertvolleInformationen liefern, deren Auswertun-gen dann im Rückfluss wieder denGemeinden zugutekommen können.Eine wesentlich intensivere Zusammen-arbeit zum beiderseitigen Vorteil bietetsich an.

Im Teil »A« werden sehr spezifischeDetails erfragt mit dem Hintergrund,

TypoScript GmbH Di 10.03.2015 18:22:35 z:/wk/KommP/264-Spezial/kspez15-01 S.42

Immobilienbewertung

KommP spezial 1 |2015

42

schwarz gelb cyan magenta

Funktion und Qualität des gemeindlichenMiteinanders zu eruieren und Potenzialeoder Fehlentwicklungen darzustellen. DieBetrachtung schließt hierbei das Umfeld,d.h. die Nachbargemeinden mit ein, dasich die demografischen Auswirkungennicht durch die einmal gezogenenGemeinde-, Kreis- oder Landesgrenzenbeeinflussen lassen. Neben diesen Wech-selwirkungen ist zu beachten, dass aberauch innerhalb der Kommune die Verhält-nisse sehr differenziert zu betrachten sind;Ortsteile oder einzelne Siedlungsgebietekönnen sich bezüglich der relevanten Ver-hältnisse enorm vom Mittelwert der Kom-mune bzw. der angrenzenden Gebieteunterscheiden.

Teil »B« stellt die »harten Faktoren«zusammen; hier ist besonders auf dieAnleitung zur Erstellung eines aussagefä-higen Leerstandskatasters hinzuweisen.Wichtig ist, dass sich die Kommunen hiereine gemarkungsfeine Datensammlungals fortschreibungsfähige Entscheidungs-grundlage erarbeiten können, die gleich-zeitig ein objektives und unbestechlichesKontrollinstrument zur Beurteilung derWirksamkeit und vor allem der Nachhal-tigkeit von gemeindlichen Maßnahmendarstellt. Positive Auswirkungen dieserMaßnahmen kommen hierbei angemes-sen zum Ausdruck. Zu beachten ist hier-bei, dass der Punktekatalog der beidenTeile »A« und »B« keinen Anspruch aufVollständigkeit erhebt; gemeindespezifi-sche und/oder regionale Besonderheitenkönnen hier jederzeit nach Bedarf ergänztund so berücksichtigt werden.

Durch die Anwendung der Methodikin der Praxis der Immobilienwertermitt-lung, aber auch durch verschiedene wis-senschaftliche Arbeiten, konnte nachge-wiesen werden, dass die Methodik umfas-send angewendet werden kann; selbstgrößere Kommunen können daraufzurückgreifen, da sie in der Regel keinehomogenen Gebilde darstellen, sondernsich vielmehr in eine mehr oder wenigergroße Zahl von Quartieren, Vororten etc.aufgliedern, die sich wie die Ortsteileeiner ländlichen Kommune, räumlichgegeneinander abgrenzen lassen, unab-hängig und z.T. höchst unterschiedlichentwickeln und sich dabei gegenseitigbeeinflussen. Dies ist auch bei Städtenfeststellbar, die gemeinhin, wie z.B.Frankfurt/M., München etc. als »Gewin-ner« gelten. Denn nicht alle städtischenBereiche profitieren von der Zuwande-rung gleichermaßen; bei genauem Hinse-hen kann man feststellen, dass manche

stagnieren oder sich sogar gegen deneigentlichen Trend entwickeln.7

V. Demografische Entwicklungim Bereich des Amtes fürBodenmanagement Homberg/Efze (AfB)

Die Autoren der Methodik haben dieseerstmalig selbst erprobt und auf die imAmtsbezirk des AfB Homberg/Efze imBundesland Hessen liegenden Kreise an-gewendet sowie die dafür erforderlichen»harten« Daten flächendeckend zusam-mengestellt. Dabei hat sich klar gezeigt,dass die Prognose des Hessischen Statisti-schen Landesamtes von der Realität inallen Bereichen übertroffen wurde.

Die Prognose für 2030 auf der Basis derDaten von 2008 sagt einen leichten Bevöl-kerungsrückgang (-1,1%) im Bereich derRegierungspräsidiums Darmstadt voraus.Dabei verzeichnet die Stadt FrankfurtZuwächse (+4,8 %), während im Oden-waldkreis der stärkste Rückgang (-8,5 %)vorhergesagt wird. Die Zahlen der Regie-rungspräsidien Gießen (-7,7%) und Kas-sel (-11,2%) sehen da schon etwas drama-tischer aus, schaut man sich die »Hitliste«der Kreise an, ergibt sich folgendes Bild(siehe Tab.1):

Kreis Prognosebis 2030

jährlich

1. Werra-Meiß-ner (WMK)

-17,8% -0,81%

2. Hersfeld-Rotenburg(HEF-ROF)

-14,8% -0,67%

3. Vogelsberg -14,7% -0,67%

4. Schwalm-Eder (SEK)

-14,5% -0,66%

5. Waldeck-Frankenberg

-12,4% -0,56%

6. Kassel -11,1% -0,50%

7. Lahn-Dill -9,3% -0,42%

8. Odenwald -8,5% -0,39%

Tab.1: Übersicht der am stärksten vomBevölkerungsrückgang betroffenenKreise

Den Zuständigkeitsbereich des AfBHomberg bilden also die auf 1, 2 und 4platzierten Kreise, die Region ist die amstärksten betroffene in Hessen. Die Prog-nose für 2030 auf der Basis von 2008 sagtdabei nur die halbe Wahrheit, der Rück-gang hat schon viel früher begonnen undist stärker ausgeprägt (siehe Abb.3). Nacheiner Periode des Zuwachses in den Jah-ren nach der Wende und einer unter-schiedlich stark ausgeprägten Stagnation

setzte früher oder später der bis heuteanhaltende Rückgang ein.

Die Kommunen, die über ein kommu-nales Geoinformationssystem (GIS) ver-fügen, haben die Möglichkeit, die für dieKriterien zusammengetragenen Datenund Tabellen in einer Grafik als Über-sichtskarte, wie z.B. in der Abb. 4 zurBevölkerungsentwicklung der drei ge-nannten Kreise, darzustellen.

VI. Kurzbeschreibung desmöglichen Vorgehens

Schritt 1 ist das Treffen der Entscheidunginnerhalb der Gemeindegremien aus derÜberzeugung bzw. Erkenntnis heraus,dass Handlungsbedarf besteht und dassman parteiübergreifend gemeinsam andie Aufgabe gehen möchte.

Schritt 2 ist die möglichst genaueErhebung der Daten und Fakten nachden Vorgaben der Methodik mitanschließender Auswertung und Darstel-lung. Eventuell muss am Anfang Hilfe-stellung bei der Interpretation der Ergeb-nisse und der Möglichkeiten geleistetund hierfür professionelle Hilfe hinzuge-zogen werden.

Schritt 3 ist die Einbeziehung derBevölkerung in den Entscheidungs- undGestaltungsprozess. Dazu müssen zu-nächst die offenen und wahrheitsgemä-ßen Informationen über die Datenlageund die daraus gewonnen Ableitungenerfolgen, um gemeinsam die Entwick-lung und Weichenstellung für dieZukunft abzuleiten. Die Bürgerbeteili-gung schließt dabei die Einbindung vonKirche, Sparkassen und Volksbanken(wegen ihrer Gebietsbindung), Organisa-tionen, Vereinen, Firmen und anderenanerkannten Personen in der Gemeindesowie der Bürgerschaft insgesamt mit ein.Offenheit und Klarheit sind für alles Wei-tere die unabdingbare Vertrauensbasis.

Die nächsten Schritte sind erst danndarstellbar, wenn in dem zuvor beschrie-benen Prozess entsprechende Erkennt-nisse gewonnen, Ziele formuliert oderMaßnahmen erarbeitet werden konnten.Für die Nachhaltigkeit von Maßnahmenist es aus der Erfahrung heraus unerläss-lich, dass diese von der Bürgerschaft ausÜberzeugung mitgetragen werden!

VII. Was bleibt zum Schluss?

Nach Auffassung der Autoren führt andem Thema Demografie kein Weg vor-bei. Jede Kommune muss allerdings für

TypoScript GmbH Di 10.03.2015 18:22:35 z:/wk/KommP/264-Spezial/kspez15-01 S.43

Immobilienbewertung

KommP spezial 1 |2015

43

schwarz gelb cyan magenta

sich prüfen, ob und in welchem Umfangsie sich der Aufgabe stellen will, dieZukunft wieder aktiv zu gestalten. DieVerantwortlichen mögen aber dabei

bedenken, dass es sich nicht nur um dieErhebung von Daten und Fakten han-delt, sondern vielmehr auch um derenAnalyse und die Entwicklung von Visio-

nen. Dabei werden Entscheidungen not-wendig, die das Schicksal ihrer gesamtenBevölkerung zukünftig bestimmen wird.

Abb.3: Tatsächliche Bevölkerungsentwicklung im Amtsbezirk AfB Homberg/Efze8

Abb.4: Grafische Darstellung der Bevölkerungsentwicklung 20109

Die Vielfalt Deutschlands in seinenRegionen und Kommunen macht denReiz unserer Heimat aus, erfordert aberauch ein entsprechend individuelles Vor-gehen. Für Kommunen, die sich der Auf-gabe stellen, bietet sich die Chance fürdie Gestaltung eines zukunftsfähigenGemeinwesens in all seinen Ausprägun-gen – dies ist doch die Aufgabe der kom-munalen Selbstverwaltung schlechthin.

Richtig angegangen ist das großeThema »Demografie« und die damit not-wendigen Umbrüche geeignet, den Gradder Zusammenarbeit – intern wieextern – auf eine ganz neue Ebene zuheben und auch das Heimatgefühl unddie Identität von Kommune und Bürger-schaft wieder zu wecken oder zu verstär-ken. Von der außerdem gewonnenen bes-seren und verfeinerten Erkenntnislageprofitieren langfristig alle Beteiligten –auch über eventuelle Grenzen hinaus. Esgibt keinen Anlass dafür, die Auswirkun-gen der demografischen Veränderungenzu fürchten oder daraus Horrorszenarienzu entwickeln; einzig bedenklich sindhierbei Untätigkeit und Wegsehen.

1 Scharold/Peter, Immobilienwertermittlungunter Berücksichtigung demografischer Ein-flüsse – eine Methodik aus der Praxis für die Pra-xis, Berlin/Offenbach 2014.

2 S. www.dlkg.de.3 Zitat aus der Deutsche Landeskulturgesellschaft,

33.Bundestagung, Wetzlar, 25./26.09.2012 zumThema »Wandel in den Köpfen!? Wie kanndurch Veränderungsprozesse die Zukunft instrukturschwachen Räumen gestaltet werden?«

4 BGBl.2010 I S.639.5 Kröhnert, Wohnen im demografischen Wandel,

Der Einfluss demografischer Faktoren auf diePreisentwicklung von Wohnimmobilien. Ber-lin – Institut für Bevölkerung und Entwicklung.Berlin 2012.

6 S. dazu Peter, Herausforderung Demografie –Empirik und Erfahrungen, April 2013,http://www.demografie-wertgutachten.de/Herausforderung_Demografie_Empirik.pdf(Stand: 29.01.2015).

7 Weitere Informationen sind auf www.demogra-fie-wertgutachten.de (Stand: 26.01.2015) in derRubrik »Fachmeinungen/Fachbeiträge« (hierspeziell die Master- bzw. Diplomarbeiten vonMöck und Koch) und in der Rubrik »Herausfor-derung Demografie« zu finden.

8 Auswertungen der Geschäftsstelle Gutachteraus-schuss beim AfB Homberg/Efze auf der Grund-lage von Daten des Hessischen Statistischen Lan-desamtes.

9 Auswertungen der Geschäftsstelle Gutachteraus-schuss beim AfB Homberg/Efze auf der Grund-lage von Daten des Hessischen Statistischen Lan-desamtes.

<Ar-264.1501-00009>

TypoScript GmbH Di 10.03.2015 18:22:36 z:/wk/KommP/264-Spezial/kspez15-01 S.44

Immobilienbewertung

KommP spezial 1 |2015

44

schwarz gelb cyan magenta