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16. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG Stenografischer Bericht – öffentliche Anhörung – – ohne Beschlussprotokoll – 88. Sitzung des Innenausschusses 31. Oktober 2007, 13.05 bis 14.35 Uhr Anwesend: Vorsitzender Abg. Horst Klee (CDU) CDU Abg. Holger Bellino Abg. Peter Beuth Abg. Armin Klein Abg. Dr. Walter Lübcke Abg. Klaus Peter Möller Abg. Reinhard Otto Abg. Helmut Peuser Abg. Claudia Ravensburg Abg. Mark Weinmeister SPD Abg. Karin Hartmann Abg. Günter Rudolph Abg. Sabine Waschke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abg. Sigrid Erfurth Abg. Jürgen Frömmrich Abg. Frank-Peter Kaufmann FDP Abg. Jörg-Uwe Hahn

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  • 16. Wahlperiode

    HESSISCHER LANDTAG

    Stenografischer Bericht – öffentliche Anhörung – – ohne Beschlussprotokoll – 88. Sitzung des Innenausschusses 31. Oktober 2007, 13.05 bis 14.35 Uhr Anwesend: Vorsitzender Abg. Horst Klee (CDU) CDU Abg. Holger Bellino Abg. Peter Beuth Abg. Armin Klein Abg. Dr. Walter Lübcke Abg. Klaus Peter Möller Abg. Reinhard Otto Abg. Helmut Peuser Abg. Claudia Ravensburg Abg. Mark Weinmeister SPD Abg. Karin Hartmann Abg. Günter Rudolph Abg. Sabine Waschke BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abg. Sigrid Erfurth Abg. Jürgen Frömmrich Abg. Frank-Peter Kaufmann FDP Abg. Jörg-Uwe Hahn

  • HT/mm – 2 – INA/16/83 – 29.08.2007 FraktAss Dr. Erik Nils Voigt (Fraktion der CDU) FraktAss Ralf Sturm (Fraktion der SPD) FraktAssin Ulrike Gauderer (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) FraktAss Dr. Michael Bruder (Fraktion der FDP) Landesregierung:

  • HT/mm – 3 – INA/16/83 – 29.08.2007 Anzuhörende:

  • HT/mm – 4 – INA/16/83 – 29.08.2007 Weitere Teilnehmer: dbb Tarifunion: Boris Budrus Harald Heinrich Walter Röder Thomas Welter GdP: Erika Büttner Marianne Diefenthäler Doris Hämmerle Annerose Meierewert Elke Oswald Bernd Petri Heidemarie Rüdig Günter Sabietzki Ute Schaft-Paetow Alexandra Stehr Ruth Steinberg Harald Dobrindt Bernd Kuske-Schmittinger ver.di: Kurt Arnheiter Michael Becker Jürgen Fröhlich Ute Heyder Kirsten Holley Graziella Kärnbach Thorsten Lesser Bruno Müller Karin Sacher Thomas Schenk GEW: Weitere Teilnehmer Protokollierung: Herbert Tauer RORin Heike Thaumüller

  • Ta – 5 – INA/16/88 – 31.10.2007 Vorsitzender: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie sehr herzlich zur 88. Sitzung des Innenausschusses des Hessischen Landtags begrüßen. Ich rufe auf: Öffentliche mündliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der CDU für ein Hessisches Gesetz über Ein- kommensverbesserungen für Tarifbeschäftigte im öffent- lichen Dienst des Landes Hessen (GEVerbTöD) – Drucks. 16/7637 – und dem Dringlichen Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Verletzung von Gewerk- schaftsrechten und Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG durch die CDU-Fraktion – Drucks. 16/7715 hierzu: Stellungnahmen der Anzuhörenden – Ausschussvorlage INA/16/77 – Teil 1, 2, 3 (verteilt nach Eingang an Mitgl. INA, MdI, RH und Fraktionen: Teil 1 am 19.10.07, Teil 2 am 24.10.07, Teil 3 am 30.10.07) Ich darf besonders begrüßen die Landesregierung, vertreten durch Frau Staatssekretä-rin Scheibelhuber, und alle Anzuhörenden, die zugesagt haben. Ich will etwas zum Prozedere sagen, wie diese Anhörung heute Nachmittag hier mit Ihrem Einverständnis ablaufen soll und wie das bei uns im Innenausschuss üblicher-weise gehandhabt wird. Ich rufe in Blöcken auf; nach jedem Block wird unterbrochen, und die Abgeordneten können an den jeweiligen Block Fragen stellen. Die Redezeit ist auf maximal zehn Minuten begrenzt. Denn die Abgeordneten sind des Lesens kundig,

    (Abg. Jürgen Frömmrich: Der eine mehr, der andere weniger!) und die umfangreichen Stellungnahmen sind eingegangen. – Auch in Nordhessen, Herr Frömmrich.

    (Abg. Günter Rudolph: Er sagte: „Der eine mehr, der andere weniger“!) – Herr Rudolph, ich bedanke mich für die freundliche Unterstützung. – Auf jeden Fall bitte ich darum, dass die Anzuhörenden noch einmal die Hauptpunkte nennen, die aus

  • Ta – 6 – INA/16/88 – 31.10.2007 ihrer Sicht wesentlich und wichtig sind, sodass wir dann nach den einzelnen Blöcken jeweils eine Fragerunde durchführen können. Ich habe hier – das ist ein gewisses Drohpotenzial, wie ich zugebe – eine große Uhr, die ich hin und wieder auch einmal umdrehen kann, damit jeder sieht, dass die von mir angegebene Redezeit wirklich der Tatsache entspricht. Ich beginne nun mit den Kommunalen Spitzenverbänden. Der Landkreistag ist wohl nicht vertreten, der Hessische Städte- und Gemeindebund ebenfalls nicht. Aber ich ha-be vom Hessischen Städtetag Herrn Dr. Risch gesehen. – Herr Dr. Risch, Sie haben das Wort. Herr Dr. Risch: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Ab-geordnete! Wir sehen bei diesem Gesetz keine Betroffenheit der Kommunen. Wir geben deshalb keine eigene Stellungnahme ab, folgen aber der Diskussion mit angespanntem Interesse. Vorsitzender: Die nicht ausgeschöpfte Redezeit kann den weiteren Rednern nicht gut-geschrieben werden. Gibt es an Herrn Dr. Risch Fragen der Abgeordneten? – Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich den nächsten Block, die Wissenschaft, auf, zunächst das Institut für Ar-beits- und Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln. Prof. Dr. Martin Henssler hat abge-sagt. Herr Dr. Stefan Greiner ist aber da. – Bitte schön, Herr Dr. Greiner, Sie haben das Wort. Herr Dr. Greiner: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf vorausschicken, dass die Position, die ich hier vortrage, mit Prof. Dr. Ulrich Preis aus Köln abgestimmt ist. Wir halten das Sachanliegen, das mit dem Gesetzentwurf verfolgt wird, für absolut nachvollziehbar und verständlich. Was wir für problematisch halten, ist der Weg, der mit diesem Gesetzentwurf eingeschlagen werden soll. Dabei könnte es sich um eine Ver-letzung der Tarifautonomie, Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz, handeln. Die schwierigen Grundlagenfragen des Schutzbereichs und der Grundrechtsschranken von Art. 9 Abs. 3 können dabei aus unserer Sicht sogar offen bleiben. Aber der geschützte institutionelle Kernbereich der Tarifautonomie ist durch dieses Gesetz möglicherweise bedroht. Diese Institution der Tarifautonomie erfordert es, dass die Entgeltfindung als solche Aufgabe der Tarifpartner bleibt und der Staat sich hier eigener Regelungen grundsätzlich enthält. Insofern ist die vorgesehene Regelung abzugrenzen von Mindestlohnregelungen oder Tariftreueregelungen, weil sie in ihrem Regelungsinhalt deutlich darüber hinausgeht. Eine Mindestlohnregelung beschränkt sich darauf, eine ganz punktuelle gesetzliche Regelung von Mindestvorgaben zu schaffen, die den Tarifparteien in dem Raum dar-über hinreichende Betätigungsfreiheit und Vereinbarungsfreiheit belässt. Das ist etwas ganz anderes als das, was typischerweise am Ende von Tarifverhandlungen steht. Der Gesetzentwurf dagegen bestimmt letztlich das Verhältnis von Leistung und Gegenleis-

  • Ta – 7 – INA/16/88 – 31.10.2007 tung neu, und damit bestimmt er Kernmaterien der tarifautonomen Gestaltung. Er nimmt sozusagen das Ergebnis vorweg, das am Ende von Tarifverhandlungen stehen könnte. Dadurch wird, wenn man sich die praktischen Konsequenzen anschaut, aus künftigen Tarifverhandlungen eigentlich der gesamte Verhandlungsdruck der Gewerkschaftsseite herausgenommen. ver.di hätte z. B. nach einer Entgeltsteigerung um 2,4 % durch Ge-setz erhebliche Probleme, die Arbeitnehmer gegebenenfalls zu einem Arbeitskampf zu motivieren, um noch eine weitere minimale Entgeltsteigerung zu erzielen. Letztlich führt dieser Gesetzentwurf also zu einer Schwächung der gewerkschaftlichen Verhandlungs-position. Wenn man das zuspitzt und sich vorstellt, dass das zu einer gängigen Praxis im öffentlichen Dienst würde, dann würde in der Tat die Funktionslosigkeit der Gewerk-schaften im öffentlichen Dienst drohen. Man kann hier auch nicht mit einem Regelungsversagen der Tarifautonomie argumen-tieren, weil ja durchaus der Ablauf der Meistbegünstigungsklausel absehbar und inso-fern die Prognose gerechtfertigt ist, dass es nach diesem Ablauf zu einer tarifautono-men Regelung kommen könnte. Auch die tarifdispositive Konzeption des Gesetzentwurfs ändert aus unserer Sicht nichts an diesem Befund, weil eine Unterschreitung des gesetzlich festgelegten Niveaus oh-nehin nicht realistisch ist. Aber auch eine Überschreitung in nachfolgenden Tarifver-handlungen wäre aufgrund des dargestellten Effekts des sinkenden Verhandlungs-drucks der Gewerkschaft nicht realistisch. Schließlich kann man aus unserer Perspektive auch nicht damit argumentieren, dass eine ähnliche Strategie auch der private Arbeitgeber wählen kann, indem er in laufen-den Tarifverhandlungen die Gehälter erhöht. Die Situation ist hier eine ganz andere, weil der private Arbeitgeber Grundrechtsträger ist. Er kann also kraft seiner individuellen Vertragsfreiheit auch arbeitsvertragliche Regelungen mit den Arbeitnehmern vereinba-ren. Der Landesgesetzgeber hingegen ist nicht Grundrechtsträger, sondern er ist grund-rechtsverpflichtet und kann daher anders als der private Arbeitgeber der Tarifautonomie kein eigenes Grundrecht entgegensetzen, das diese dann aufwiegen könnte. Da der Landesgesetzgeber mit dem Gesetz in einer hoheitlichen Handlungsform agieren möch-te, kann er sich auf die Vertragsfreiheit nicht berufen. Die Waagschale bei dieser Abwä-gung neigt sich aus unserer Perspektive eindeutig zugunsten der Tarifautonomie. Was man erwägen könnte, wäre möglicherweise, diese Handlungsform, die eigentlich der Kern des Problems ist, zu vermeiden und den Weg über das Arbeitsvertragsrecht zu wählen, also eine rein haushaltsrechtliche Regelung zu schaffen und dann eine ent-sprechende Ausgestaltung mit den Handlungsmitteln des Arbeitsvertragsrechts zu fin-den. Vorsitzender: Ich rufe nun auf: Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht, Di-rektor Prof. Dr. Volker Rieble. Bitte schön. Herr Prof. Dr. Rieble: Grüß Gott! Lesen können heißt ja nicht immer, auch verstehen können. Deswegen werde ich, weil es relativ kompliziert ist, das doch noch einmal ganz kurz wiederholen.

  • Ta – 8 – INA/16/88 – 31.10.2007 Das Land Hessen kann selbstverständlich – darin stimme ich dem Vorredner ausdrück-lich zu – auf arbeitsvertraglichem Wege die Löhne und Gehälter beliebig erhöhen. Da-gegen kann die Gewerkschaft überhaupt nichts einwenden. Ich brauche nur mit Blick auf das Haushaltsgrundsätzegesetz und die Landeshaushaltsordnung einen Haushalts-ansatz dafür. Wenn ich also die Löhne und Gehälter ohne Weiteres durch Vertrag um 2,4 oder auch 3,5 % erhöhen darf – dabei spielt die Frage, ob das Land Grundrechts-träger ist oder nicht, gar keine Rolle, weil auch dem Staat als Fiskus Vertragsfreiheit zukommt und weil das Tarifvertragsgesetz beim sogenannten Günstigkeitsprinzip über-haupt nicht zwischen öffentlichen und privaten Rechtsträgern unterscheidet –, dann fragt man sich: Worin soll denn jetzt das Unrecht liegen, wenn genau diese Entgelter-höhung, die ich unproblematisch mit dem Instrument des Arbeitsvertrags vollziehen kann, nun durch Gesetz vollzogen wird? Das ist doch nur ein vereinfachendes Verfah-ren, damit ich nicht jeden einzelnen Arbeitnehmer sozusagen zu einem Vertragsschluss bewegen muss. Die Handlungsform allein macht nicht die Verfassungswidrigkeit aus, denn es handelt sich um ein arbeitsvertragsersetzendes und nicht um ein tarifersetzen-des Gesetz, und deswegen halte ich es nicht für verfassungswidrig. Ich will in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass vielfach bei Privatisie-rungen im öffentlichen Dienst genau dasselbe, und zwar auf Wunsch der Gewerkschaf-ten, gemacht wird, nämlich dass den Beschäftigten, die an privatisierte Rechtsträger überlassen werden, ein betriebsübergangsähnliches Schutzrecht entsprechend § 613a BGB durch Gesetz geschaffen wird – in Hamburg und anderswo. Offenbar ist etwas nur dann verfassungswidrig, wenn es dem Wunsch der Gewerkschaft zuwiderläuft.

    (Widerspruch) Das würde letztlich darauf hindeuten, dass die Tarifautonomie von einer subjektiven Willensrichtung getragen wird. Das eigentliche Problem sehe ich auch nicht in nachfolgenden Arbeitskämpfen. Ob es tatsächlich schwerer wird zu streiken, wenn man nicht von null auf 3,5 %, sondern von 2,9 auf 3,5 % will, kann man überhaupt nicht sagen. Die Erfahrungen in der Privatwirt-schaft zeigen, dass es vielfach Streiks auch in Unternehmen gibt, die bereits übertarif-lich bezahlen und in denen die Tariferhöhung das übertarifliche Maß überhaupt nicht erreicht. Also das ist eine reine Mutmaßung, für die die empirische Grundlage fehlt. Au-ßerdem setzt der von Herrn Greiner als vollkommen unproblematisch dargestellte Weg, es über einen Arbeitsvertrag zu machen, die Gewerkschaft genau derselben Bredouille aus. Selbst wenn man aber eine Beeinträchtigung der Tarifautonomie sähe, wäre diese aus meiner Sicht durch die mit der Meistbegünstigungsklausel bewirkte Blockadehaltung der Gewerkschaften jedenfalls gerechtfertigt. Das Bundesverfassungsgericht hat im Ent-scheid zum Hochschulrahmengesetz seinerzeit ausdrücklich betont, dass der Unwille der Tarifparteien, die Frage vernünftig zu regeln, ein Eingreifen des Gesetzgebers ge-rechtfertigt hat. Zu sagen: „2008 ist der Tarifvertrag Meistbegünstigungsklausel dann ja ausgelaufen“, hieße letztlich, dass ver.di es in der Hand hätte, durch die Meistbegünsti-gungsklausel zu entscheiden, dass alle öffentlich Bediensteten des Landes Hessen im Jahr 2007 überhaupt keine Lohnerhöhung bekommen. Aus dem Blick geraten ist aus meiner Sicht in der Betrachtungsweise auch, dass der Staat zwar nicht Grundrechtsträger ist – das ist richtig –, dass er aber für die Beschäf-

  • Ta – 9 – INA/16/88 – 31.10.2007 tigten des öffentlichen Dienstes eine besondere Verantwortung hat, die in Art. 33 des Grundgesetzes zum Ausdruck kommt. Selbstverständlich darf der Staat sich – –

    (Unruhe) Vorsitzender: Darf ich einmal ganz kurz unterbrechen. Ich habe die Bitte, dass, auch wenn es dem einen oder anderen schwerfällt, sich jeden Einzelnen anzuhören, Ruhe herrscht. Beifalls- und Missfallenskundgebungen in einer Anhörung gibt es bei uns nicht. Herr Prof. Dr. Rieble: Diese Blockadehaltung darf der öffentliche Arbeitgeber überwin-den. Er darf es zweifelsfrei mit dem Instrument des Arbeitsvertrags, er darf es nach meiner Auffassung auch mit dem Instrument des Gesetzes tun. Die eigentlich spannen-de Frage ist die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz, ob also das Land die Ar-beitsbedingungen seiner nicht beamteten Beschäftigten kraft eigener Gesetzgebungs-kompetenz regeln darf. Auch das, glaube ich, kann man bejahen, weil die Föderalis-musreform gerade die Rahmengesetzgebungskompetenz beseitigt hat und damit inzi-dent eine grundsätzliche und ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder bejaht hat. Vorsitzender: Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat abgesagt. Ich rufe die Universität Frankfurt am Main auf. Prof. Dr. Manfred Weiss, bitte schön. Herr Prof. Dr. Weiss: Sehr geehrte Damen und Herren! Im Gegensatz zu meinem Kol-legen Rieble gehe ich davon aus, dass Sie nicht nur lesen können, sondern auch ver-stehen, was Sie lesen. Deswegen will ich mich kurz fassen. Ich möchte nicht alles wie-derholen, was ich geschrieben habe. Ich liege im Wesentlichen auf der Linie der Herren Preis und Greiner. Ich möchte aber einige Punkte noch einmal kurz hervorheben. Der erste Punkt ist der, dass wir davon ausgehen müssen, dass die Tarifverhandlungen deswegen nicht voran-kamen, weil es diese Meistbegünstigungsklausel gibt. Wäre ein Angebot des Landes angenommen worden, das unter dem Level des anderen Tarifvertrages liegt, dann hätte in der ganzen Republik neu verhandelt werden müssen. Dies wäre ein Unding gewe-sen; das muss man sehen. Die Situation ändert sich grundlegend ab 01.01.2008. Dann könnte man ohne Weiteres einen Tarifvertrag schließen zu ganz normalen Konditionen wie sonst auch. Das Zweite ist, dass anders, als der Kollege Rieble es dargestellt hat, sich aus der in-zwischen recht zahlreichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deutlich ergibt, dass nicht nur eine unmittelbare, sondern auch eine mittelbare, nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine faktische Beeinträchtigung der durch Art. 9 Abs. 3 ge-schützten Tarifautonomie als Eingriff ausreicht – was übrigens mein Kollege Wieland als Verfassungsrechtler auch so sieht. Die Schwelle für den Eingriff liegt umso niedri-ger, je gewichtiger die Materie ist. Bei Löhnen werden wir ja wohl nicht sagen können, sie sei unwichtig für das Tarifgeschäft. Das scheint mir auf der Hand zu liegen. Gerecht-fertigt ist ein solcher Eingriff nur – das möchte ich auch noch einmal betonen –, wenn

  • Ta – 10 – INA/16/88 – 31.10.2007 entweder Grundrechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Belange dies rechtfertigen und das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachtet ist. Wenn wir das nun als Maßstab nehmen, dann müssen wir erst einmal sehen, dass hier – wie ich meine, unzweifelhaft – ein faktischer Eingriff vorliegt. Der faktische Eingriff besteht darin, dass der Verhandlungsspielraum der Tarifvertragsparteien eingeengt wird. Das engt natürlich, Herr Rieble, die Streikbereitschaft der Gewerkschaften ein. Im Übrigen führt ein solches Gesetz, das ja im Anschluss an Tarifverhandlungen beschlos-sen wird, zu einem Angriff auf die Organisationsbereitschaft der Arbeitnehmer und schwächt die Gewerkschaften, weil die Arbeitnehmer sich sagen: „Warum sollen wir noch den Gewerkschaften beitreten, wenn der Gesetzgeber eh alles allein macht?“ Zweitens soll mit dem, was hier geschieht, offensichtlich eine tarifpolitische Weichen-stellung getroffen werden. Denn es soll dafür gesorgt werden, dass man für die nächste Zeit mit Druckpotenzial der Gewerkschaften in diesem Bereich nicht zu rechnen braucht. Im Gegensatz zum Kollegen Rieble bin ich aber ganz entschieden auch der Meinung, dass der Gesetzgeber hier, solange er im Kontext einer Tarifauseinandersetzung steht – und das ist der Fall –, nicht einfach zum Mittel des Gesetzes greifen darf. Natürlich, Herr Rieble, hat er die Gesetzgebungskompetenz. Aber darauf kommt es doch nicht an. Das heißt, wir haben hier mit dem Gesetz ein Mittel, von dem der Gesetzgeber Gebrauch machen darf, aber nicht als Arbeitgeber, der in eine Auseinandersetzung mit der anderen Seite involviert ist. Das könnte übrigens der private Arbeitgeber auch nicht. Der hat kein Gesetz verfügbar. Schon hieran sieht man, dass das nicht gehen kann. Wie sieht es nun mit der Rechtfertigung aus? Ich kann hier kein verfassungsmäßig ge-schütztes Recht Dritter sehen, und ich kann auch keine gemeinrechtlichen Belange von Verfassungsrang sehen, die hier eine Rolle spielen würden. Man könnte an zweierlei denken. Das eine ist das Sozialstaatsprinzip, das übrigens – ich sage das, weil das hier ständig herumschwirrt – bei Mindestlohnregelungen eine Rolle spielt. Das ist die Rechtfertigung für Mindestlohnregelungen. Aber wir haben hier doch eine ganz andere Situation. Es geht doch nicht darum, die Bediensteten im öffent-lichen Dienst in Hessen aus der Verarmung herauszuholen, sondern es geht um etwas ganz anderes. Zweitens könnte man daran denken, dass der Gleichheitssatz dieses Vorgehen gebiete, weil, wie wir ja wissen, ein Gesetz für die Beamten gemacht worden ist und die Arbeit-nehmer im öffentlichen Dienst insoweit gleichgestellt werden sollen mit den Beamten. Aber diese Gleichstellung hinkt deswegen, weil eben – da muss man nur ein bisschen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts studieren – die Alimentation bei den Beamten und die Besoldung der übrigen Arbeitnehmer zwei grundverschiedene Dinge sind und das Bundesverfassungsgericht es mehrfach ausdrücklich abgelehnt hat, den Gleichheitssatz hierauf anzuwenden. Das heißt auf gut Deutsch: Ich sehe keine Rechtfertigung. Wenn es keine Rechtferti-gung gibt, brauchen wir auch nicht mehr auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip einzuge-hen. Schlussergebnis für mich: Das, was hier geplant ist, ist nach meiner Einschätzung nicht verfassungsgemäß.

  • Ta – 11 – INA/16/88 – 31.10.2007 Vorsitzender: Universität Frankfurt am Main: Prof. Dr. Joachim Wieland ist nicht da. Dann ist der Block der Professoren und der Wissenschaft abgeschlossen, und wir kommen nun zur ersten Fragerunde der Abgeordneten. Das Wort hat der Kollege Ru-dolph. Abg. Günter Rudolph: Eine Frage an Herrn Prof. Dr. Rieble: Wie sehen Sie denn zu-künftig den Status der Tarifautonomie gewahrt, der ja immerhin in unserer Verfassung, dem Grundgesetz, geregelt ist, wenn man per Gesetz diese Tarifautonomie aushöhlen kann? Es ist ja eben schon anschaulich, finde ich, dargelegt worden: Es gibt Tarifver-handlungen. In Hessen gab es Vorgespräche, Tarifgespräche – nennen wir es, wie wir wollen –, und die Regierung sagt: Immer dann, wenn ihr nicht macht, was wir wollen, regeln wir Einkommenserhöhungen oder -verbesserungen per Gesetz. Wie soll dann die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie in der Praxis noch umgesetzt werden? Die andere Frage: Wenn dieses Instrument aus Ihrer Sicht nahezu folgerichtig und zwingend ist, warum machen das alle anderen Länder nicht, und warum hat sich eigent-lich die Praxis der Tarifautonomie in den vergangenen Jahren bewährt? An Sie, Herr Prof. Dr. Weiss, noch eine Frage: Sehen Sie in der Tat die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie durch dieses Gesetz verletzt? Damit wäre es in der Konse-quenz verfassungswidrig. Könnten Sie dazu noch etwas sagen? Abg. Peter Beuth: Ich darf eine Frage an Herrn Prof. Dr. Weiss richten. Sie haben eben erläutert, dass ein Arbeitgeber, der nicht Gesetzgeber ist, nicht mit einem Gesetz han-deln kann. Das ist sicherlich richtig. Aber meiner Ansicht nach braucht er das ja auch nicht, denn er kann sozusagen bestimmen, dass er Löhne und Gehälter steigert. Wenn der Gesetzgeber nun handelt und Geld auszahlen möchte, muss er das zwingend per Gesetz machen, entweder mit Haushaltsgesetz oder mit dem, was wir jetzt gerade hier vorschlagen. Können Sie mir den Gedankengang, den Sie hier vorgetragen haben, noch einmal erläutern? Denn ich meine, das passt nicht ganz zusammen. Abg. Frank-Peter Kaufmann: Herr Prof. Dr. Weiss, Sie haben gesagt, der Gesetzent-wurf sei Ihrer Einschätzung nach verfassungswidrig. Am Ende ist eine Verfassungswid-rigkeit ja durch Gericht festzustellen. Die Frage jetzt von mir als Nichtjurist: Welches Gericht wäre das? Ich unterstelle einmal: das Bundesverfassungsgericht. – Die zweite Frage: Wer könnte dort für den Fall, dass das Gesetz zustande kommt, den Antrag stel-len, die Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen? Abg. Jürgen Frömmrich: Ich habe eine Frage an beide Herren, weil wir es hier ja auch mit einem Systemwechsel zu tun haben. Bisher war es immer so, dass bei der Besol-dung von Beamten und von Tarifbeschäftigten die Beamten dem Tarifbereich gefolgt sind. Jetzt haben wir zum ersten Mal per Gesetz den Fall, dass der Beamtenbereich geregelt worden ist und jetzt die Regelungen, die für den Beamtenbereich ausgehandelt und dann Gesetz geworden sind, nun für den Tarifbereich übernommen werden sollen. Was halten Sie von dieser Systemänderung?

  • Ta – 12 – INA/16/88 – 31.10.2007 Vorsitzender: Gibt es weitere Fragen aus dem Kreis der Abgeordneten? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich zunächst Herrn Prof. Dr. Rieble und dann Herrn Prof. Dr. Weiss, weil dieser den größten Fragenblock zu beantworten hat, um Beantwortung der gestell-ten Fragen. Herr Prof. Dr. Rieble: Die erste Frage ging dahin: Wie wäre es denn, wenn das immer wieder geschieht? Das ist ja, soweit ich das sehe, bislang gar nicht beabsichtigt, son-dern es geht nur darum, die Blockade – –

    (Lachen) – Sie mutmaßen doch etwas. Ich habe hier einen Gesetzentwurf, der eine punktuelle Einkommensverbesserung im Jahr 2007 vorsieht, in dem aufgrund der Meistbegünsti-gungsklausel ausnahmsweise keine Tarifeinigung möglich ist. Das ist der erste Punkt. Etwas anderes ist gar nicht beabsichtigt, jedenfalls nach dem, was man lesen und ver-stehen kann. Man kann natürlich mutmaßen: Was wäre, wenn die das immer machen? Da darf ich auch sagen: Selbstverständlich kann das Land Hessen entscheiden – was es sich poli-tisch wahrscheinlich nicht traut –, auf Dauer tariflose Zustände anzustreben. Ob das dann noch durch Gesetz geht, ist eine andere Frage. Aber das Land Hessen könnte sich in Zukunft jedem Tarifabschluss verweigern und alles auf arbeitsvertraglicher Basis regeln. Das ist vollkommen erlaubt. Es gibt viele Arbeitgeber, die das tun. Ich nenne nur die SAP in Walldorf mit fast 20.000 Beschäftigten. Diese haben keinen Tarifvertrag, und sie werden auch nie einen Tarifvertrag bekommen. Hier gilt der Spruch aus der „Fisherman’s Friend“-Werbung: „Sind sie zu stark, bist du zu schwach.“ Es ist also Sache der Gewerkschaften, sich einen gewissen Organisati-ons- und Streikerfolg selbst zu organisieren, und wenn sie die Leute nicht dazu kriegen, haben sie halt Pech gehabt. Tarifautonomie ist keine Erfolgsgarantie, sondern Tarifau-tonomie gibt den Gewerkschaften das Recht, aus eigener Kraft für angemessene Ar-beitsbedingungen zu sorgen. Wie gesagt: Es geht nicht um die Frage der dauerhaften Beeinträchtigung. Warum machen andere öffentliche Arbeitgeber das nicht? Es gab eine stillschweigende Übereinkunft, die aber in keinem Gesetz und auch nicht in der Verfassung steht, dass man die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst immer durch Tarifvertrag regelt. Ich halte das im Grundsatz auch für vernünftig, aber nicht für rechtlich geboten. Dass das Land Hessen als einziges Bundesland die durch die Meistbegünstigungsklausel verur-sachte Tarifblockade zu überwinden trachtet, zeigt doch nur, dass das Land Hessen sich vielleicht mehr um die eigenen Beschäftigten kümmert als die Gewerkschaften und die anderen Bundesländer.

    (Lachen) Das ist aus meiner Sicht eine logische Schlussfolgerung. Zur Streikorganisation will ich sagen: Natürlich ist es schwerer, wenn schon eine Lohn-erhöhung, egal ob durch Gesetz oder durch Arbeitsvertrag, als Sockel da ist, noch dar-über hinauszugehen. Aber auch dann ist es eine Frage, wie die Gewerkschaft die eige-nen Leute zum Streik mobilisieren kann. Warum hat ver.di nicht im Jahr 2007 das Land

  • Ta – 13 – INA/16/88 – 31.10.2007 Hessen mit einem Streik zum TVöD gezwungen? Das hätte ver.di ja machen können und kann es auch trotz dieses Gesetzes immer noch, denn das ist ja tarifdispositiv. Wenn ver.di das halt nicht schafft, dann ist ver.di vielleicht zu schwach. Aber wenn ver.di zu schwach ist, heißt das nicht, dass das Gesetz verfassungswidrig ist. Herr Prof. Dr. Weiss: Ich versuche, auf die Fragen zu antworten. Die erste Frage war, warum ich denke, das Gesetz sei verfassungswidrig. Ich meine, es ausgeführt zu haben. Aber vielleicht sollte ich noch Folgendes sagen: Wenn man sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der letzten Jahre ansieht, dann stellt man fest, dass der Schutzbereich der Tarifautonomie, also der Schutzbereich des-sen, was wir im Arbeitsrecht das kollektive Koalitionsrecht nennen, sehr viel weiter ge-zogen wird, als er lange Zeit gezogen wurde. Das hat natürlich Rückwirkungen für den Eingriff. Damit ist sehr viel schneller ein Eingriff passiert, als wenn man die alte Vorstel-lung, die an diesem Kernbereich festhielt, noch weiterschleppen würde. Deswegen komme ich zu der Aussage: Diese faktische Eingrenzung, die wir hier haben und die ich vorhin expliziert habe, zusammen mit der Einsetzung des Mechanismus Gesetz in eine Auseinandersetzung mit der anderen Tarifseite, das ist der Eingriff. Wenn das richtig wäre, was der Kollege Rieble sagt, dass man sich ohne Weiteres des Gesetzes bedienen könnte, weil man ja auch arbeitsvertragliche Regelungen treffen könnte, dann ist das ungefähr so, wie wenn man im privaten Bereich sagen würde: Al-les, was man individualvertraglich regeln kann, kann man auch durch Betriebsvereinba-rung regeln. Das ist eben gerade nicht der Fall. Hier dürfen nicht Dinge durcheinander-gebracht werden. Ich meine, der Eingriff ist hier evident. Die eigentlich wichtige Frage ist die Frage: Gibt es einen Rechtfertigungsgrund? Und beim besten Willen – ich habe mir alles durch den Kopf gehen lassen und habe alles nachgeprüft – finde ich keinen. Das Sozialstaatsprinzip kann es nicht sein und das Gleichbehandlungsgebot auch nicht – aus den Gründen, die ich genannt habe. Die zweite Frage war: Wie sei denn das nun haushaltsrechtlich zu bewerkstelligen? Schade, dass mein Kollege Wieland nicht da ist, der ein großer Experte auf diesem Ge-biet ist. Aber ich sage Ihnen Folgendes: Erstens ist es ja keine Schwierigkeit, Rückstel-lungen zu treffen. Zweitens möchte ich Folgendes deutlich machen: Ab 01.01. wäre es überhaupt kein Problem, in ganz normale Tarifverhandlungen einzutreten und einen Tarifvertrag miteinander auszuhandeln. Das gilt für die Einmalzahlung genauso wie für diese fortlaufenden Zahlungen, die Arbeitszeitregelung etc. Dies will man aber offen-sichtlich nicht, weil das Datum interessant ist. Ende Dezember läuft die Meistbegünsti-gungsklausel aus. Danach will man eine Regelung, die übrigens erst im März in Kraft tritt. Natürlich könnte man bis März längst einen Tarifvertrag machen; man könnte die Einmalzahlung dann rückwirkend vornehmen. Das wäre alles kein Problem. Aber das will man offenbar nicht, weil man möglicherweise andere Dinge damit bewerkstelligen will. Ich will jetzt nicht sagen, es habe etwas mit der Wahl zu tun.

    (Unruhe) Die Frage war dann: Wie wäre es, wenn man zum Bundesverfassungsgericht gehen will? Jede Fraktion kann eine Normenkontrollklage einreichen. Ich kann Ihnen nur sa-gen: Ich halte diese Normenkontrollklage für überaus aussichtsreich. Ich kann Sie dazu nur ermuntern.

  • Ta – 14 – INA/16/88 – 31.10.2007 Was nun diese Systemänderung angeht, so ist natürlich richtig, was der Kollege Rieble gesagt hat: dass es keine Anzeichen dafür gibt, dass auch künftig der Gesetzgeber so vorgeht. Wir wissen nicht, was der Gesetzgeber künftig machen wird. Wir können nur feststellen, dass im Moment in dieser Tarifauseinandersetzung das geschieht. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Die Systemänderung besteht darin, dass man die Struktur der Tarifautonomie nicht mehr ernst nimmt und bis zu Ende geht, sondern dass man versucht, sie gewissermaßen abzuhacken und als Gesetzgeber einzuschrei-ten. Darf ich die Sache vielleicht noch ein bisschen zuspitzen? Dann wird es überdeutlich. Stellen Sie sich vor, wir wären mitten in einer Tarifauseinandersetzung, wir hätten einen Streik um einen Tarifvertrag und dann käme das Land Hessen auf die Idee, zu sagen: Jetzt machen wir ein Gesetz. Ist es nicht evident, dass das verfassungswidrig ist? So weit sind wir von dieser Situation nicht entfernt. Ich wurde darauf angesprochen, dass es bisher faktisch so war, dass es immer erst einen Tarifvertrag gab und man dann diesen in das Gesetz für die Beamten mehr oder weniger übernommen hat. Dies besagt gar nichts. Denn das Entscheidende ist – darauf kommt es rechtlich an –: Ist Beamtenbesoldung und Vergütung der Arbeitnehmer et-was, was wir als Gleiches ansehen können? Ich muss Ihnen sagen: Nach allem, was das Bundesverfassungsgericht bisher dazu gesagt hat, ist es das nicht, weil das Ali-mentationsprinzip mit dem Vergütungsprinzip nicht vergleichbar ist.

    (Beifall) Ich darf Ihnen dazusagen: Ich bin jemand, der politisch über diese Unterscheidung nicht sehr glücklich ist. Aber das spielt keine Rolle. Rechtlich ist sie so. Abg. Peter Beuth: Herr Prof. Dr. Weiss, ich darf noch einmal nachfragen. Vielleicht ha-be ich eben nicht klar genug gefragt. Wenn wir nicht von einem öffentlichen, sondern von einem privaten Arbeitgeber ausgehen, kann dieser vertraglich dafür Sorge tragen, dass die Mitarbeiter mehr Geld bekommen. Gibt es da Korridore, in denen er das nur kann, oder kann er das eigentlich immer? Jetzt zur Frage der Unterscheidung. Der private Arbeitgeber ist derjenige, der das von sich aus kann; der öffentliche Arbeitgeber braucht dazu eine Rechtsgrundlage, sprich ein Gesetz. Ich bitte Sie, mir diesen Unterschied noch einmal so aufzudröseln, dass ich das richtig auf die Reihe bekomme. Ich habe noch eine Frage an Herrn Dr. Greiner. Sie hatten eben davon gesprochen, dass dieses Gesetz am Ende die Motivation zum Arbeitskampf durch die Zahlung von 2,4 % untergrabe und dass dann ein sinkender Verhandlungsdruck da wäre. Ich über-setze das einmal: sinkende Kampfbereitschaft. Aber es gibt doch keine Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers, seine Mitarbeiter möglichst schäbig zu behandeln. Oder sehe ich das falsch? Herr Prof. Dr. Weiss: Das Problem ist doch folgendes: Natürlich kann der private Ar-beitgeber jederzeit durch eine vertragliche Gestaltung die Konditionen regeln. Darüber brauchen wir doch nicht zu reden. Aber – damit wir uns richtig verstehen – das kann der

  • Ta – 15 – INA/16/88 – 31.10.2007 öffentliche Arbeitgeber auch. Der öffentliche Arbeitgeber kann natürlich allen Arbeit-nehmern im öffentlichen Dienst eine bestimmte Regelung der Arbeitsbedingungen an-bieten. Das ist ausgesprochen unpraktikabel – das ist eine andere Sache –, aber ma-chen kann er es natürlich. Ich bekomme permanent wie andere auch die Briefe des In-nenministers, in denen uns erzählt wird, welche Konditionen geregelt sind. In meinem Fall ist das etwas anderes; ich bin Beamter. Aber das ginge natürlich auch gegenüber sonstigen Arbeitnehmern. Es wäre nur in höchstem Maße problematisch. Denn stellen Sie sich einmal vor, eine Reihe von Arbeitnehmern würde dann sagen: „Wir wollen die-ses Angebot nicht annehmen, weil wir darin ein Unterwandern der Tarifautonomie se-hen.“ Dann kommt das Land in furchtbare Schwulitäten. Deswegen würde ich denken, das ist kein praktikabler Weg. Aber das sagt noch nichts aus über die Rechtmäßigkeit eines solchen Weges. Er würde aus meiner Sicht wahrscheinlich nicht ein milderes Mit-tel sein als der Tarifvertrag oder als die Gesetzgebung, weil es, wie gesagt, zu Schwie-rigkeiten in der Praxis kommen würde. Aber strukturell gibt es hier keinen Unterschied. Herr Dr. Greiner: Natürlich gibt es keine Verpflichtung des Arbeitgebers im öffentlichen Dienst, seine Mitarbeiter möglichst schäbig zu behandeln. Das Problem, das wir sehen, ist nicht das Ziel, das angestrebt wird, sondern der gewählte Weg, also die hoheitliche Handlungsform durch Gesetz, die einen Eingriff in den Kernbereich, in Kernmaterien der Tarifautonomie beinhaltet und gerade in dieser hoheitlichen Handlungsform zu Be-einträchtigungen des tarifautonomen Aushandelns führt. Wie schon gesagt, der ent-scheidende Unterschied liegt in der Handlungsform. Eine arbeitsvertragliche Umsetzung dieser Gehaltserhöhung wäre aus unserer Sicht auch im öffentlichen Dienst verfassungsrechtlich weniger bedenklich, wobei natürlich auch da die faktischen Auswirkungen auf die Arbeitskampfbereitschaft gegeben wären. Gleichwohl wäre durch die andere Handlungsform der hoheitliche Charakter dieses Eingriffs nicht mehr vorhanden. Abg. Günter Rudolph: Ich frage Sie, Herr Prof. Dr. Weiss, wie Sie Folgendes juristisch bewerten: Herr Bouffier ist auf der einen Seite Mitglied der Landesregierung und als Innenminister zuständig für Tarifverhandlungen; auf der anderen Seite ist er Landtags-abgeordneter und damit Vertreter der Legislative. Ich weiß, dass gewisse Leute mehre-re Sachen gleichzeitig machen; da gibt es keine Probleme. Aber ergeben sich juristisch aus Ihrer Sicht jetzt daraus Probleme, die nicht in Einklang mit der Verfassung zu brin-gen sind: einerseits Verhandlungen zu führen als Mitglied der Exekutive und gleichzeitig als Landesgesetzgeber zu entscheiden, dass per Gesetz Tariferhöhungen vorgenom-men werden? Sehen Sie da möglicherweise irgendwelche Kollisionspunkte? Herr Prof. Dr. Weiss: In diesem Doppelmandat sehe ich keinerlei Probleme. Hier bin ich ausnahmsweise einmal jemand, der keinerlei Schwierigkeiten sieht. Ich darf Ihnen übrigens sagen, dass das nicht etwas Besonderes ist. Solche Doppelmandate gibt es allenthalben, und sie werden hingenommen. Vorsitzender: Ich sehe im Moment keine weiteren Fragen aus dem Kreis der Abgeord-neten. Dann darf ich diesen Block schließen.

  • Ta – 16 – INA/16/88 – 31.10.2007 Ich darf bekannt geben, dass der Bund der Steuerzahler Hessen abgesagt hat und dass der Bundesarbeitgeberverband Chemie, der angefragt worden ist, ebenfalls abgesagt hat. Ich komme nun zum Block der Gewerkschaften und darf zunächst aufrufen: dbb tarif-union, Berlin. – Bitte schön, Herr Russ, Sie haben das Wort. Herr Russ: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Ich bedanke mich zunächst für die Möglichkeit, hier die Position der dbb tarifunion in dieser in der Tat sehr pikanten Angelegenheit darzulegen. Ich möchte eine Vorbemerkung machen. Wir sind – für Außenstehende vielleicht nicht ganz ersichtlich – innerhalb des dbb zwei voneinander unabhängige Institutionen. Der dbb Beamtenbund und Tarifunion, wie der vollständige Name heißt, ist nicht föderativ aufgebaut. Wir haben eine Tarifunion mit Sitz in Berlin, die für die Arbeitnehmer zustän-dig ist. Daneben haben wir natürlich Landesbünde oder Landesgliederungen wie z. B. den dbb Hessen, der allerdings nur in der Frage des Beamtenrechts zuständig ist. Ich sage das ausdrücklich in dieser Deutlichkeit, denn das hat ja im Vorfeld zu – ich sage es einmal sehr diplomatisch – einigen Irritationen geführt. Ich darf, ohne dass ich hier bei Adam und Eva anfange – das bietet sich auch bei zehn Minuten Redezeit sicherlich nicht an –, zunächst einmal auf unsere schriftliche Stel-lungnahme verweisen und dann, anschließend an das, was ich eben sagte, ausführen: Wir vertreten als dbb tarifunion die Auffassung, dass – gerade nach der Föderalismus-reform im Beamtenbereich – die Gestaltung der Einkommens- und Arbeitsbedingungen der beiden Statusgruppen – auf der einen Seite Beamte, auf der der anderen Seite Ar-beitnehmer – unabhängig voneinander zu geschehen hat. Ein einfaches Überklappen, wie wir es hier in Hessen sehen, von einmal gefundenen Ergebnissen wird den unter-schiedlichen Grundlagen, die hier auch schon die Vorredner, insbesondere Herr Prof. Dr. Weiss – einerseits Alimentation, andererseits Arbeitsrecht –, erwähnt haben und denen die Arbeit der jeweiligen Statusgruppen nach dem Willen des Gesetzgebers zugrunde liegt, nicht gerecht. Wir sehen als dbb tarifunion die große Gefahr – auch aufgrund zahlreicher Tarifgesprä-che mit dem Hessischen Minister des Innern –, dass hier eine neue Begrifflichkeit einer hessischen Tariflandschaft, also eines Systems hier in Hessen, versucht, Platz zu grei-fen. Das lehnen wir als dbb tarifunion ab. Sowohl in den schriftlichen Stellungnahmen als auch in der Begründung des Gesetz-entwurfs, aber auch hier in der Anhörung ist so sehr von der Meistbegünstigungsklausel die Rede. Darüber könnte man jetzt stundenlang streiten; das möchte ich nicht tun. Aber ich möchte sehr deutlich machen, dass für uns als dbb tarifunion diese Meistbe-günstigungsklausel in den Tarifgesprächen, in den Sondierungsgesprächen zwar eine Rolle gespielt hat, aber nicht eine signifikante; denn was wir nach wie vor wollen, ist eine tarifrechtliche Übernahme des Ergebnisses, welches mit allen Bundesländern in Deutschland mit Sonderfall Berlin, das aus anderen Gründen nicht in der Tarifgemein-schaft deutscher Länder ist, vereinbart wurde. Wir wollten diesen TV-L auch für das Land Hessen zur Grundlage machen. Dabei wa-ren wir bereit – in den Gesprächen auf der Arbeitsebene wie auch auf der Spitzenebene waren wir schon sehr weit –, auf hessische Besonderheiten Rücksicht zu nehmen. Aber

  • Ta – 17 – INA/16/88 – 31.10.2007 den materiellen Gehalt des TV-L – das ist weitab von jeder Vereinbarung der Meistbe-günstigungsklausel – wollen wir auch den Beschäftigten hier in Hessen anbieten. Daher kann ich nur noch einmal die Landesregierung auffordern – wir haben das mit einem Schreiben vom 15.10. nochmals dokumentiert –, den ordnungspolitisch richtigen Weg zu gehen und noch in diesem Jahr wieder in Tarifverhandlungen einzutreten, um zu einem Tarifvertrag auf der Basis des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder zu kommen. Zu den hier in der Anhörung behandelten rechtlichen Aspekten möchten wir keine Äu-ßerung abgeben. Wir sehen den Vorgang in erster Linie als einen politischen Vorgang und haben uns deshalb auf diesen Aspekt begrenzt. Vorsitzender: Ich rufe nun auf: Deutscher Gewerkschaftsbund, Landesbezirk Hessen. Frau Bemmann, bitte schön. Frau Bemmann: Sehr geehrter Herr Vorsitzender Klee, sehr geehrte Damen und Her-ren! Ich möchte mich zunächst einmal für die Möglichkeit bedanken, hier im Namen des Deutschen Gewerkschaftsbundes Stellung zu beziehen. Ich möchte gleich zu Beginn ganz deutlich sagen, dass wir hier einen klaren Angriff auf die Tarifautonomie sehen, den wir völlig unakzeptabel finden und der auch ein bundes-weit einmaliger Vorgang ist, der durch nichts zu rechtfertigen ist, sondern einen offen-sichtlichen Versuch darstellt, die Gewerkschaften weiter zu schwächen. Mein Vorredner hat es angesprochen: Das klingt sehr nach System Hessen. Das kommt ja nicht von ungefähr. Es ist ungeheuerlich, dass sich überhaupt eine Regierung und eine Land-tagsmehrheit trauen, das Grundrecht infrage zu stellen. Die Landesregierung hat ja nicht nur Vorreiterfunktion für Tarifverhandlungen, sondern sie hat auch die Pflicht, Grundrechte zu gewährleisten. Bisher war es üblich – das ist auch schon gesagt worden –, dass zunächst Tarifver-handlungen geführt werden und dann das Tarifergebnis auf die Beamtinnen und Beam-ten übertragen wird. In diesem Kontext sehen wir jetzt auch den Gesetzesvorschlag als eine Fortführung und eine Zuspitzung der bedenklichen Entwicklung, dass nicht mehr Tarifverhandlungen im Vordergrund stehen, sondern dass man versucht, die Arbeitsbe-dingungen per Gesetz zu regeln. Welche Ausstrahlungswirkung das hat, kann man sehr gut an dem Bereich Beamtinnen und Beamte sehen, wo nach Einführung der Öffnungs-klauseln das Weihnachtsgeld in den Bundesländern gekürzt und in Sonderzahlungen umgewandelt, Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld teilweise auch abgeschafft und die Ar-beitszeit verlängert wurden. Das hatte Ausstrahlung auf sämtliche Tarifverhandlungen in allen anderen Branchen. In diesem Zusammenhang muss man auch den Versuch, der jetzt heute hier diskutiert wird, sehen. Das ist nicht einfach nur ein einzelner Vor-gang, sondern der ist im politischen Kontext zu sehen und wird Auswirkungen auf weite-re Tarifverhandlungen haben. Die andere Seite ist, wie hier die Regierung mit den Gewerkschaften umgeht. Ich möch-te nur kurz an den Dienstrechtsreformkongress im Mai und die Vorgeschichte erinnern. Nach Abschluss der Föderalismusrefom hatten der DGB und Innenminister Bouffier am 30. August ein Spitzengespräch, in dem uns eine qualifizierte Beteiligung in allen Fra-gen, die das Beamtenrecht betreffen, angeboten wurde. Der nächste Termin war dann

  • Ta – 18 – INA/16/88 – 31.10.2007 der Dienstrechtsreformkongress, der auch noch angekündigt wurde – ich zitiere aus der Einladung –, „um den Diskussionsprozess mit den Gewerkschaften anzustoßen“.

    (Abg. Günter Rudolph: Hört, hört!) Einen Tag vorher durften wir, die DGB-Gewerkschaften, dann der Presse entnehmen, dass eine Vereinbarung mit dem Beamtenbund getroffen wurde, nach der das, was heute auch Inhalt für die Tarifangestellten ist, nämlich dass die Arbeitszeit bei 42 Stunden bleibt und dass es eine Besoldungserhöhung um 2,4 % geben soll, die weit unter dem Tarifergebnis liegt, das die Tarifgemeinschaft der Länder abgeschlossen hat, jetzt auch für die Beamten in Hessen gelten soll. Das war schon vor dem Kongress festgelegt. Ministerpräsident Koch hat gemeinsam mit Innenminister Bouffier in einem Schreiben an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung angekündigt, dass dies die Basis der kommenden Tarifauseinandersetzung sein soll. Das sollte man berücksichtigen, wenn jetzt behauptet wird, die Gewerkschaften hätten die Tarifver-handlungen platzen lassen. Ganz im Gegenteil: Wir waren die ganze Zeit verhand-lungsbereit und gesprächsbereit. Wir fordern die Landesregierung auf, sofort die Tarif-verhandlungen wieder aufzunehmen. Vorsitzender: Ich rufe auf: Gewerkschaft der Polizei, Landesbezirk Hessen. Herr Jörg Bruchmüller, bitte schön. Herr Bruchmüller: Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Grundsatz kann ich mich den Ausführungen von Frau Bemmann anschließen. Die schriftliche Stellungnahme von ver.di liegt Ihnen vor, der wir uns anschließen. Aber gestatten Sie mir zunächst einmal allgemeine Ausführungen zu diesem Gesetz-entwurf. Aus unserer Sicht haben seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland beide Seiten, sowohl die Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst, manchmal schweren Herzens mit Streiks – das wissen wir alle, wenn wir uns noch an die Ausei-nandersetzungen zwischen Möllring und Bsirske erinnern –, dafür gestritten, dass ein fairer Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern im öffentlichen Dienst da war. Ich denke, ein Stück weit hat unser Land, die Bundesrepublik, davon profitiert. Das hat auch etwas mit sozialer Ruhe zu tun. Ich denke, damit waren und wä-ren wir auf dem richtigen Weg. Nun müssen wir einen Paradigmenwechsel zur Kenntnis nehmen. Frau Bemmann hat gerade eben ausgeführt, dass am 15.05. ein Besoldungsdiktat vollzogen worden ist, nachdem man angekündigt hatte, dass es eine qualifizierte Beteiligung aller geben soll-te mit einer Auftaktveranstaltung am 16.05. hier in Wiesbaden. Da ist man schon ver-wundert, wenn dann das Wort gebrochen wird und am 15.05. entgegen diesem Ver-sprechen auf einmal mit dem Beamtenbund, Landesverband Hessen, sage ich ganz ausdrücklich – ich schließe mich den Ausführungen von Herrn Russ an –, etwas ver-kündet wird und Ministerpräsident Koch in seinem Mitarbeiterbrief, der eine Stunde spä-ter für alle Landesbeschäftigten auf dem Bildschirm war, im Absatz 4 sinngemäß keinen Zweifel daran lässt, dass es nunmehr gilt, dieses Ergebnis, dieses Besoldungsdiktat auf die Tarifbeschäftigten zu übertragen. Das hat natürlich aus der Sicht der Gewerkschaft schon ein „Gschmäckle“, wenn man im Vorfeld Sondierungsgespräche führt und dann

  • Ta – 19 – INA/16/88 – 31.10.2007 auf einmal ein solches Besoldungsdiktat zustande kommt – jenseits der qualifizierten Beteiligung und des fairen Umgangs. Darüber muss man schon etwas länger nachden-ken. Neben diesen allgemeinen Ausführungen gestatten Sie mir jetzt auch noch besondere Ausführungen. Ich kann es mir nicht verkneifen, noch auf § 2 Abs. 3 des Gesetzent-wurfs einzugehen. Da steht drin, dass ein Anreiz geschaffen werden soll mit 500 € brut-to – nicht pro Monat, sondern pro Jahr;

    (Zuruf: Einmal!) ja, einmal –, damit die Arbeitszeit für die Tarifbeschäftigten von 38,5 auf 42 Stunden erhöht werden soll. Da machen wir doch einmal folgende Rechenoperation: Wenn ich davon ausgehe, dass wir 52 Wochen Jahresarbeitszeit haben, und davon Urlaub und Krankheit abziehe und als Berechnungsgrundlage 42 Wochen nehme und das mit 3,5 Stunden Mehrarbeit multipliziere, dann komme ich auf eine Zahl, die knapp unter 150 liegt. Jetzt nehme ich den Bruttobetrag von 500 € und teile den durch 150 Stunden und komme dann auf einen Stundenlohn von 3 Komma etwas, wofür wir netto unter 2,50 € die Stunde ausgerechnet haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir schon im Ehrenamt – ich spreche als Vertreter der Gewerkschaft der Polizei, der ein Stück weit hier auch für die innere Sicherheit sprechen darf – mittlerweile in Hessen 7 € die Stunde – ich weiß, dass das die Kommunen bezahlen, aber die Landesregierung hat es ja initiiert – haben, dann stellt sich natürlich die Frage, welche Wertschätzung damit verbunden ist, wenn man den Tarifbeschäftigten jetzt 2,35 € netto zahlen möchte. Mit dieser Feststellung, Herr Dr. Rieble, lande ich mit meinen Gedanken bei Ihnen. Denn Sie haben wörtlich gesagt – im Zweifelsfall wird es ja im Protokoll nachzulesen sein –: Um die Landesbeschäftigten kümmert sich die Landesregierung offensichtlich mehr, als die Gewerkschaften es tun. Vor diesem Hintergrund der Wertschätzung der Arbeit mit 2,50 € oder 2,35 € darf ich Sie herzlich bitten, Ihre Ausführungen an dieser Stelle noch einmal zu überdenken. Ich habe nun schon einige Anhörungen in diesem Hause mitgemacht. Aber so betroffen wie heute war ich eigentlich noch nie. So etwas habe ich noch nicht erlebt.

    (Beifall) Vorsitzender: Ist der Beifall zu Ende? – Gut. Dann machen wir weiter. Ich rufe auf: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Landesverband Hessen. Herr Jochen Nagel, bitte schön. Herr Nagel: Schönen guten Tag, Herr Vorsitzender! Guten Tag, meine Damen und Her-ren! Auch von mir der Dank dafür, dass wir hier unsere schriftliche Stellungnahme, die wir in Absprache mit der Partnergewerkschaft ver.di eingereicht haben, noch mündlich ergänzen können. Aus unserer Sicht ist neben vielem, was schon gesagt wurde, bereits die Problembe-schreibung zu diesem Gesetzentwurf das Problem. Bereits der erste Satz beinhaltet das, was hier am Anfang in Abrede gestellt wird, nämlich einen grundlegenden Sys-temwechsel in der Frage der Findung der Tarife für die Beschäftigten im öffentlichen

  • Ta – 20 – INA/16/88 – 31.10.2007 Dienst. War es jahrzehntelang geübte Praxis, zunächst Tarifverhandlungen abzuschlie-ßen und anschließend die Übertragung dieser Tarifergebnisse auf die Beamtinnen und Beamten vorzunehmen, wird jetzt genau diese Praxis umgekehrt. Mit dieser Umkeh-rung, die schon 2003 vom Ministerpräsidenten angekündigt war – auch dies muss man sehen; daher ist dies keine singuläre Angelegenheit –, wird versucht, die trotz hessi-scher Verfassung faktisch schwächere koalitionsrechtliche Stellung von Beamtinnen und Beamten zu nutzen, um Tarifdiktate vorzunehmen. Insofern muss man auch die Aussage in der Problembeschreibung zurückweisen, dass die Meistbegünstigungsklausel einer Einigung entgegengestanden habe. Einer Einigung steht entgegen, das das Land Hessen als Arbeitgeber beabsichtigt, seine im öffentli-chen Dienst Beschäftigten deutlich schlechter zu stellen, als dies alle anderen Bundes-länder dieser Republik tun. Ich sage ganz klar: Auch ohne Meistbegünstigungsklausel wäre ein solcher Abschluss von uns nicht unterschrieben worden. Das hat mit der Qua-lität des Angebots, mit der Frage der Schlechterstellung hessischer Beschäftigter zu tun und nicht mit einer Formel, die da Meistbegünstigungsklausel heißt. Das ist eine inhalt-liche Frage. Hier ist soeben gefragt worden, ob es denn sozusagen die Pflicht zur schäbigen Be-handlung gäbe. Ich kann nur demjenigen, der diesen Einwurf gemacht hat, empfehlen, in die Schulen, in die Dienststellen in Hessen zu gehen, um nachzufragen, wie sich die Beschäftigten nach drei Jahren Nichtgehaltserhöhung behandelt fühlen. Jetzt kommt dieses Diktat, und dies in Anbetracht der Situation, dass wir bereits 2,3 % Inflation nachgewiesen bekommen. Wie da davon die Rede sein kann, dass man die Tarifbe-schäftigten an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben lassen will, kann ich nicht nachvollziehen. Nach drei Jahren Reallohnverlust jetzt vielleicht gerade einmal eine Reallohnsicherung, die dieses Gesetz beinhalten soll, ist für uns nicht akzeptabel. Letzter Punkt: Alternativen, die in dem Gesetzentwurf unter D. angesprochen sind. Die Alternative ist völlig klar: Wir fordern die Landesregierung auf, mit einem akzeptablen Angebot – d. h. keine Schlechterstellung der hessischen Beschäftigten im öffentlichen Dienst – an den Tisch der Verhandlungen im Tarifbereich zurückzukehren. Auf dieser Basis lässt sich für die Beschäftigten ein sinnvolles Ergebnis schaffen. Das hat dann – und das ist eines der zentralen Probleme dieses Gesetzes – auch befriedende Wirkung nach unten und nach innen in die Betriebe hinein. Ich sehe mit Sorge als Vertreter von Schulen, dass sich Hessen von dem erklärten Ziel, Bildungsland Nummer 1 zu werden, immer weiter entfernt. Hören Sie sich die Stimmung in den Schulen an. Dann müssen Sie schlichtweg Befürchtungen haben, was das für Auswirkungen hat. Vorsitzender: Ich rufe auf: IG Bauen-Agrar-Umwelt. Herr Volker Diefenbach, bitte schön. Herr Diefenbach: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Die IG Bauen-Agrar-Umwelt schließt sich der Stellungnahme des DGB und insbesondere der schriftlichen Stellungnahme von ver.di an. Wer nicht gut verhandeln kann, der versucht zu diktieren. Das ist nicht nur juristisch zweifelhaft, weil man sich hier des Instruments eines hoheitlich wirksamen Gesetzes anstatt vertraglicher Regelungen bedienen kann. Das ist neben der juristischen Zweifel-haftigkeit auch mitarbeitermissachtend, insbesondere dann, wenn die ganze Übung

  • Ta – 21 – INA/16/88 – 31.10.2007 zum Ziel hat, die hessischen Beschäftigten schlechter zu stellen als die übrigen Be-schäftigten des öffentlichen Dienstes in der Bundesrepublik Deutschland. Das zu sa-gen, sind wir hier. Zu mehr dient diese Übung nicht. Das ändert nichts daran, wie wir uns als Gewerkschaft mit dieser Tarifauseinanderset-zung, in der wir uns befinden, beschäftigen. Das wird so ablaufen wie immer. Ein Ge-setz ändert auch nichts daran, wie die Gewerkschaften hierauf reagieren werden. Vorsitzender: Ich rufe nun auf: ver.di, Landesbezirk Hessen. Ich darf Herrn Christian Rothländer bitten, seine Stellungnahme vorzutragen. Herr Rothländer: Verehrter Herr Vorsitzender, meine sehr verehrten Damen und Her-ren! Zunächst einmal vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit, dass wir zu dem Gesetzesvorhaben Stellung nehmen können. Ich will noch einmal, ohne jetzt unse-re schriftliche Stellungnahme vorzulesen, auf zwei, drei zentrale Punkte eingehen, die aus unserer Sicht neben der juristischen Auseinandersetzung im Vordergrund stehen. Erster Punkt: Wenn man schon in dem Gesetzentwurf mit der Problembeschreibung einerseits und der amtlichen Begründung andererseits falsch startet, kann man nicht zu inhaltlich richtigen Ergebnissen kommen. In der Problembeschreibung und in dem ers-ten Teil der amtlichen Begründung steht:

    Im Laufe der Sondierungsgespräche ist jedoch übereinstimmend festgestellt worden, dass einer Einigung noch im laufenden Jahr 2007 der … Tarifvertrag über die Vereinbarung einer Meistbegünstigungsklausel … entgegensteht.

    Das ist sachlich falsch. Es ist nicht einvernehmlich so entschieden worden, sondern wir haben gesagt, dass dieses zeitliche und inhaltliche Vorgehen der Landesregierung, ei-nerseits eine gesetzliche Regelung für den Beamtenbereich zu machen und dann ande-rerseits zu sagen: „Das ist nicht nur Basis für nachfolgende Tarifverhandlungen,“ – wie das ja fälschlicherweise im Mitarbeiterbrief drinsteht – „sondern das ist Ober- und Un-tergrenze gleichzeitig“, einer Einigung im Jahr 2007 entgegensteht und nicht etwa der Tarifvertrag Meistbegünstigungsklausel. Das bedeutet – ich will das deutlich sagen –: Wenn die Landesregierung in der Lage gewesen wäre, in den Sondierungsverhandlungen auch nach Mitte Mai 2007 zu akzep-tieren, dass dieses Vorgehen nicht möglich ist, und ein Angebot auf der Basis des Tarif-vertrags Einmalzahlung vorzulegen, wie wir und auch andere ihn mit der Tarifgemein-schaft deutscher Länder vereinbart haben, dann wäre ganz selbstverständlich im Jahr 2007 eine Einigung möglich gewesen. Diese hätte nicht nur das Jahr 2007, sondern sogar das ganze Jahr 2008 umfasst, weil dieser Tarifvertrag Einmalzahlung mit der TdL bekanntermaßen auch eine lineare Einkommensentwicklung ab dem 1. Januar 2008 für insgesamt 14 Bundesländer vorsieht. Der zweite Punkt ist – um das noch einmal zu verdeutlichen –: Der Tarifvertrag Meist-begünstigungsklausel beinhaltet einen Schutz der öffentlichen Arbeitgeber, die sich ta-rifgebunden fühlen und sich daher den Spielregeln verpflichtet fühlen, wie sie in der Bundesrepublik nach 1945 üblich wurden und, wie das hier einige auch schon gesagt haben, zur großen Übereinstimmung auch im Bereich der privaten Arbeitgeber geführt haben. Das bedeutet, ins Deutsche übersetzt: Tarifflucht werden wir nicht belohnen.

  • Ta – 22 – INA/16/88 – 31.10.2007 Genau das hätten wir aber getan, wenn wir das unsittliche Angebot des Landes ange-nommen hätten, nachgehend das zu tarifieren, was gesetzlich vorgegeben wurde, näm-lich die bekannten Einkommensentwicklungen im Beamtenbereich. Das hätte in der Tat den Tarifvertrag Meistbegünstigungsklausel ausgelöst und hätte die TdL und auch an-dere in die Situation versetzt, genau dieses materielle Ergebnis für sich zu reklamieren. Das hätte bedeutet: Für – jetzt über den Daumen gepeilt – 70.000 Landesbeschäftigte hätten wir einen Tarifvertrag gemacht, der gleichzeitig mehr als 1 Million Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer in anderen Bundesländern benachteiligt hätte, nämlich da-durch, dass wir eine bereits ins Auge gefasste Einkommensentwicklung zunichte ge-macht hätten. Das ist der Hintergrund dieser gesamten Auseinandersetzung. Deshalb sagen wir noch einmal klipp und klar, dass es erstens keine Übereinstimmung an diesem Punkt gab und zweitens dieser Tarifvertrag Meistbegünstigungsklausel, der in dem Gesetzentwurf mehrfach zitiert wird und auch heute hier schon mehrfach eine Rolle gespielt hat, einen Schutz derjenigen Bundesländer und im Übrigen auch der kommunalen Arbeitgeber, die sich tarifgebunden verhalten, gegenüber denjenigen darstellt, die Tarifflucht betrei-ben. Das werden wir auch in Zukunft nicht akzeptieren. Daher ist es auch außerhalb jeglicher Vorstellungswelt, dass wir beispielsweise nach Ende der Gültigkeit dieses Tarifvertrags irgendwelche Billiglöhne oder Billigarbeitsbe-dingungen mit dem Land Hessen vereinbaren würden, weil dies an der Drucksituation der Gewerkschaften insgesamt gegenüber der TdL und gegenüber den kommunalen Arbeitgebern überhaupt nichts ändern würde. Die würden sagen: „Wenn ihr das mit de-nen vereinbart, dann mit uns auch.“ Insofern ist auch dieses formale Argument „1. Januar 2008 oder Bindung bis zum 31.12.2007“ nur eine formale Begründung. Inhaltlich würde sich auch im Januar 2008 nichts ändern, insbesondere deshalb – um das noch einmal deutlich zu sagen –, weil der Tarifvertrag Einmalzahlung eine Einkommensperspektive bereits für das Jahr 2008 in anderen Bundesländern beinhaltet und nicht etwa die Situation ist, wie sie sich im Bereich des TVöD darstellt, wo wir im nächsten Jahr eine Einkommensrunde haben. Der nächste Punkt ist – das ist schon mehrfach gesagt worden –, dass es aus unserer Sicht überhaupt nicht darum geht, jetzt irgendeine tarifvertragliche Regelung als Grund herbeizuziehen – das ist ja nur vorgeschoben –, weshalb man jetzt so vorgeht, wie man vorgeht. Aus unserer Sicht geht es in der Tat darum, auch durch die Verwendung des Begriffs der eigenen Tariflandschaft Hessen Duftmarken zu setzen, um erstens deutlich zu machen: „Das können wir alles auch alleine, ohne dass die Beschäftigten einbezo-gen werden“, und zweitens: „Wir werden auf diesem Weg erfolgreich sein.“ Dahinter steckt die Hoffnung, durch dieses Vorgehen – jetzt greife ich beide Aspekte heraus, sowohl die gesetzliche Regelung vom Mai dieses Jahres als auch das Vorge-hen mit diesem Gesetzentwurf – würde man in Bezug auf die tarifrechtliche Situation des Landes einerseits und die Situation nach der Föderalismusreform andererseits „Ruhe im Karton“ haben. Diese Ruhe gibt es nicht und wird es auch nicht geben. Wir haben am 26.09. erstmalig in der über 60-jährigen Geschichte des Landes einen Warnstreik, bezogen nur auf den Landesbereich, durchgeführt mit landesweit guter Be-teiligung und einer sehr guten Beteiligung an einer der zahlreichen Kundgebungen, die wir insgesamt an diesem Tag durchgeführt haben, hier in Wiesbaden. Es ist kein Ge-

  • Ta – 23 – INA/16/88 – 31.10.2007 heimnis – seit gestern Abend ist das ja auch öffentlich –: Wir planen, dies noch in die-sem Jahr fortzusetzen – alles verbunden mit dem Ziel, deutlich zu machen, und zwar jetzt nicht gegenüber dem Landtag, sondern gegenüber dem, der für uns eigentlich der Verhandlungs- und Ansprechpartner ist, nämlich dem Innenminister, dass wir sagen: Vorrang muss die tarifvertragliche Regelung haben und nicht irgendwelche gesetzgebe-rischen Akte, weil es auf dieser Ebene überhaupt keine Ruhe und keine befriedende Situation geben kann. Das wird auch – das ist schon in einigen Punkten deutlich ge-macht worden – verstanden; einer der Wissenschaftler hat das vorhin ja auch gesagt. Selbst wenn der Gesetzentwurf in diesem Jahr verabschiedet werden sollte, wer in aller Welt garantiert denn, dass im nächsten Jahr alles so bleibt? Gesetze können jederzeit geändert und korrigiert werden. Das unterscheidet sie nun einmal von geschlossenen Tarifverträgen und Vereinbarungen, zu denen beide Seiten dauerhaft jedenfalls so lan-ge stehen müssen, bis sie ausgelaufen oder gekündigt sind. Bis dahin gelten sie weiter. Das kann man von gesetzgeberischen Regelungen überhaupt nicht erwarten. Deshalb ist die mit dem Gesamtvorgehen verbundene Hoffnung, dass damit Ruhe ein-treten würde, nicht gerechtfertigt. Vielleicht hat es ja in der Tat etwas mit der Beeinflus-sung des Wahlverhaltens am 27. Januar zu tun. Dieser Erfolg wird sich nicht einstellen. Das wissen wir, und das werden wir auch in den nächsten Tagen nochmals unter Be-weis stellen. Letzter Punkt: Wir haben nach dem 26.09. den Innenminister schriftlich in Absprache mit allen beteiligten Einzelgewerkschaften aufgefordert, ein verhandlungsfähiges Ange-bot vorzulegen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Darauf gab es jeden-falls bis gestern Abend keine schriftliche Reaktion. Wir warten jetzt noch ab. Ich will nur noch einmal deutlich machen, dass alle betroffenen Einzelgewerkschaften, so wie wir hier sitzen, jederzeit für Tarifverhandlungen zur Verfügung stehen. Jederzeit heißt in der Tat auch jederzeit; da spielt die Uhrzeit keine Rolle. Wir haben jederzeit die Möglichkeit, die Verhandlungen, die wir im August abgebrochen haben, wieder aufzunehmen. Es muss aber klar sein, dass wir, wenn wir uns zusammensetzen, auf der Ebene von Ver-handlungen reden und nicht auf der Ebene von einseitigen gesetzgeberischen Akten oder Drohgebärden: Wenn ihr nicht willig seid, so benutzen wir den Gesetzgeber. Das wird mit uns nicht funktionieren. Wir sind der Auffassung, dass auch jetzt noch, bevor tatsächlich das Parlament in die-ser Sache entschieden hat, immer noch Spielräume für Tarifverhandlungen vorhanden sind, die wir kurzfristig aufnehmen können und die dann im Übrigen Aktivitäten des Ge-setzgebers obsolet machen würden. Wir würden hier auch gerne einen Beitrag zur Ent-bürokratisierung und zur Entlastung des Parlaments leisten, indem wir sagen: Das kann man dann alles zurückziehen, und wir legen die streitige Angelegenheit in die Hände derer, in die sie eigentlich gehört, nämlich in die der Tarifvertragsparteien.

    (Beifall) Vorsitzender: Danke schön, Herr Rothländer. Das war eine Punktlandung: genau zehn Minuten. Ich rufe nun zur Fragerunde auf. Die erste Wortmeldung ist die des Kollegen Beuth. Ihm folgt der Kollege Rudolph.

  • Ta – 24 – INA/16/88 – 31.10.2007 Abg. Peter Beuth: Ich habe überlegt, ob ich das dem Kollegen Nagel noch mitgebe: Dass ich ein ständiger Gast in Schulen und Polizeistationen bin, möchte ich hier her-vorheben. Das wollte ich Ihnen zumindest noch kurz mit auf den Weg gegeben haben. Die Frage, die ich habe, bezieht sich auf das, was Herr Rothländer gesagt hat. Zu dem Begriff Diktat habe ich eine eigene Auffassung, will ihn aber trotzdem, weil er hier ge-nannt worden ist, aufgreifen. Wenn die Verhandlungsposition der Gewerkschaften war: „Unter TV-L und unter TVöD ist mit uns sowieso nichts zu machen“, könnte man dann nicht auch zu der Auffassung kommen, dass das gegenüber dem Landesgesetzgeber ein Diktieren von Bedingungen ist?

    (Lachen) – Ich würde gerne in der Anhörung Fragen stellen und wäre sehr dankbar, wenn wir uns hier an die parlamentarischen Gepflogenheiten halten könnten. – Die Frage ist, ob das nicht ein Punkt ist, den man auch als ein Diktieren von Bedingungen bezeichnen könn-te. Die zweite Frage, die ich habe, ist: Was wäre denn passiert, wenn bei Verhandlungen TV-L oder TVöD unterschritten worden wäre? Wie wäre denn dann die Meistbegünsti-gungsklausel, die hier zitiert worden ist, zum Tragen gekommen? Abg. Günter Rudolph: Jetzt wollen wir nicht so wehleidig sein. Ich kenne auch die Stimmung in den Dienststellen des Landes. Insofern kann ich schon nachvollziehen, dass die ca. 130.000 Beschäftigten nicht amüsiert sind über die Vorgehensweise. Konkrete Frage an Sie, Herr Rothländer: In dem Gesetzentwurf steht unter der Prob-lembeschreibung, man habe einvernehmlich in den Sondierungsgesprächen festge-stellt, dass die Meistbegünstigungsklausel einem Tarifvertrag entgegenstehe. Erstens: Ist das so? Zweitens: Diese Meistbegünstigungsklausel läuft ja am 31.12.2007 aus. In dem Ge-setzentwurf sind Einkommenserhöhungen ab 1. April 2008 vorgesehen. Wenn es zur Aufnahme von Tarifgesprächen käme – Sie haben ja gesagt, Sie stünden bereit –, hiel-ten Sie es dann für möglich, dass man sich innerhalb einer kurzen Frist verständigen könnte, sodass dann die Tarifverhandlungen in ein Ergebnis münden, das auch ab 01.04.2008 wirksam werden könnte? Zu dem, was der Kollege Beuth zu den Tarifgesprächen gesagt hat: Ich weiß aus der Vergangenheit, als es noch eine andere Regierung gab, dass es nicht immer so war, dass das, was die Tarifpartner – auf der einen Seite die Gewerkschaften – gefordert haben, immer 1 : 1 umgesetzt wurde. Man hat sich auseinandergesetzt. Da gibt es die Instrumentarien, gegebenenfalls bis hin zum Streik. Das ist eben Ausdruck der Tarifau-tonomie. Am Schluss gibt es in aller Regel irgendeinen Kompromiss. Da gab es dann Gewinner und Verlierer. Das hat sich im Laufe der Jahre ausgeglichen. Deswegen die Frage: Wie offen sind Sie in den Tarifgesprächen, und – noch einmal zur Klarstellung – welchen Zeitraum würden Sie dafür als realistisch ansehen? An Herrn Diefenbach eine Frage, weil das Thema im Laufe der letzten Wochen durch die Presse geisterte: Stichwort Waldarbeiter. Diese tauchen ja in dem Gesetzentwurf nicht auf. Gibt es irgendwelche Signale oder Hinweise, dass auch diejenigen, die im

  • Ta – 25 – INA/16/88 – 31.10.2007 Wald unter harten Bedingungen arbeiten – sie sind ja auch besonders betroffen durch PVS und Ähnliches –, irgendwann an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilha-ben sollen? Wie schätzen Sie das ein, und wie sehen die rechtlichen Möglichkeiten aus, dass auch Waldarbeiter, die nun nicht zu den Spitzenverdienern zählen, einmal an der allgemeinen Einkommensentwicklung teilhaben dürfen? Abg. Sigrid Erfurth: Ich habe eine Frage an die Vertreter von ver.di und dbb tarifunion, weil ich nur heute die Gelegenheit habe, sie das persönlich zu fragen. Es geht dabei um zwei Begriffe aus dem Gesetzentwurf. Es heißt hier – Sie haben es auch schon zitiert, Herr Rothländer –: Es ist übereinstimmend festgestellt worden, dass eine Einigung nicht mehr erzielt werden könnte. – Aus dem Sinnzusammenhang inter-pretiere ich das so, dass der Herr Innenminister und Sie als Verhandelnde gemeinsam gesagt haben: Es wird jetzt nichts mehr mit der Tarifeinigung. – Es heißt hier weiter: „Vor diesem Hintergrund haben die Landesregierung und die Gewerkschaften die Son-dierungen einvernehmlich vertagt.“ Das ist – so lese ich es – die Interpretation der CDU, die offensichtlich aus den Verhandlungen geschlossen hat, dass es eine große Einver-nehmlichkeit gab. Ich würde gerne von Ihnen wissen, wie Sie diese Einvernehmlichkeit empfunden haben und wo Sie den Punkt sehen, an dem die Landesregierung gesagt hat: „Es wird jetzt nichts mehr“, und aus welcher Handlung Ihrerseits die Landesregierung geschlossen haben könnte, dass Sie kein Interesse mehr an einem Tarifvertrag haben. Ich möchte das gern geklärt haben, weil in dem Gesetzentwurf der Anschein erweckt wird, als seien Sie da gemeinsam mit der Landesregierung in eine Richtung marschiert. Abg. Jürgen Frömmrich: Einen Teil hat die Kollegin Erfurth schon gefragt. Ich hätte auch die Frage an Herrn Diefenbach zu den Waldarbeitern und zu dem, was Hessen-Forst betrifft. Ich würde Sie gerne bitten, dazu etwas auszuführen. Eine weitere Frage betrifft die Tarifunion. In Ihrer Stellungnahme erwähnen Sie, dass die Abschlüsse im Bereich der TdL nicht nur tarifliche Erhöhungen betreffen, sondern weit darüber hinausgehen und sich auch auf die Modernisierung des Tarifrechts bezie-hen. Das sind ja Punkte, die jetzt im Land Hessen nicht übernommen werden. Vielleicht könnten Sie dazu noch etwas sagen. Herr Rothländer: Herr Beuth, zu Ihrer Frage: Um es salopp auszudrücken: Unterhalb des Tarifvertrags Einmalzahlung zwischen den Gewerkschaften und der TdL geht gar nichts, oberhalb geht alles, und innerhalb des materiellen Ergebnisses des Tarifvertrags Einmalzahlung geht auch einiges. Ich bitte um Nachsicht, dass ich jetzt zitieren muss. § 1 Satz 1 des sehr häufig zitierten Tarifvertrags Meistbegünstigungsklausel besagt: Sofern die vertragsschließenden Ge-werkschaften abweichende Inhalte abschließen, die für die Arbeitgeber günstigere Re-gelungen enthalten, wirkt sich das – um gleich Ihre zweite Frage zu beantworten – so aus, dass dieser Abschluss gleichzeitig ein Angebot an den Arbeitgeber Bund und an die kommunalen Arbeitgeberverbände ist.

  • Ta – 26 – INA/16/88 – 31.10.2007 Unterm Strich – das habe ich schon im ersten Statement gesagt – bedeutet dieser Ta-rifvertrag: Es darf auf keinen Fall sein, dass bei einem Arbeitgeber, der nicht tarifgebun-den ist, Tarifflucht finanziell belohnt wird zulasten der Arbeitgeber – in diesem Fall Ar-beitgeber Bund und VKA –, die tarifgebunden sind. Das hat auch etwas zu tun mit der Einheitlichkeit von Beschäftigungsbedingungen im öffentlichen Dienst, und das hat auch etwas mit einem fairen Umgang derjenigen miteinander zu tun, die Vertragspartner sind, nämlich Arbeitgeber Bund und VKA einerseits und die Gewerkschaften des öffent-lichen Dienstes andererseits.

    (Abg. Peter Beuth: Heißt das, dass Sie niemals unterhalb abschließen können?) – Wir hätten niemals unterhalb abschließen können und selbstverständlich auch nicht wollen. Sie sagen nun: Wir sprechen von einem Diktat der Landesregierung, und Sie halten uns entgegen, unsere Haltung sei auch eine Art von Diktat. Dieser Tarifvertrag Meistbe-günstigungsklausel hätte aber ausreichend Spielräume in der Gesamtverteilung belas-sen. Er sagt ja nur – ich zitiere es noch einmal –: wenn in bestimmten Bereichen Inhalte vereinbart sind, die für die Arbeitgeber günstigere Regelungen enthalten. Das heißt in der Gesamtsicht muss die Kostenbelastung gleich geblieben sein. Das hätte bedeutet: Wir hätten bei den Punkten Sonderzahlung, Zuwendung, Urlaubsgeld, Einmalzahlung, Übergangskosten durchaus Spielräume bei der Frage der Verschiebung gehabt. Inso-fern waren wir da verhandlungsfähig. Aber es kann nicht sein, dass wir während des laufenden Tarifvertrags Meistbegünstigungsklausel – zu der Frage, was dann ab Januar 2008 wäre, habe ich schon einiges gesagt – günstigere Regelungen vereinbart hätten. Noch einmal zu Ihrer zweiten Frage: Hätten wir das vereinbart, was uns als Diktat von der anderen Seite vorgelegt worden ist, hätte unsere Unterschrift unter diese Regelung bedeutet, dass das gleichzeitig ein rechtsverbindliches Angebot gegenüber der VKA und gegenüber dem Arbeitgeber Bund ist. Um eine tarifvertragliche Regelung für – über den Daumen gepeilt – 70.000 Landesbeschäftigte zu bekommen, hätten wir Millionen andere mit in den Abgrund gezogen. Dass das eine freie Organisation nicht mit sich machen lassen kann, muss ich, glaube ich, nicht besonders erwähnen. Das, was Herr Abg. Rudolph gefragt hat, ist, glaube ich, jetzt zum Teil schon beantwor-tet worden. Ich will noch einmal die Zeitabläufe schildern: Wir haben im März 2007 mit den vorsichtigen Sondierungsverhandlungen begonnen, weil auch auf Landesseite die derzeitige tarifrechtliche Situation als nicht besonders glücklich eingeschätzt wurde. Deshalb haben wir gesagt: Wir starten Sondierungsverhandlungen und schauen einmal, wozu diese führen können. Unser eigentliches Ziel, Herr Abg. Rudolph, ist natürlich, dass das Land Hessen als Ar-beitgeber in die Tarifgemeinschaft deutscher Länder zurückkehrt und man sich damit den ganzen Aufwand, der auch mit Kosten und Verfahren verbunden ist, sparen könnte. Denn durch die Wiederherstellung einer unmittelbaren Tarifbindung bräuchte man sol-che Anhörungen wie die heutige nicht durchzuführen. Im Vordergrund der Verhandlungen stand dann zunächst einmal natürlich die Situation der Einkommensentwicklung, weil wir mit dem Tarifvertrag Einmalzahlung für die Be-schäftigten der Länderverwaltung – ich lasse jetzt den Bereich der Kommunen und des Bundes beiseite – eine Einkommensperspektive inklusive des Jahres 2008 vereinbart

  • Ta – 27 – INA/16/88 – 31.10.2007 hatten und wir sehen müssen, dass das vor dem Hintergrund der Einkommensentwick-lung auch im Bereich des TVöD ein vorrangiges Ziel ist. Zweitens haben wir aber auch gesagt: Es geht nicht nur darum, sondern es geht auch um die Vereinbarung eines Mantelrechts, wie wir das nennen, also all dessen, was mit den sonstigen grundsätzlichen Fragen des Beschäftigungsverhältnisses zu tun hat: Wann wird man Arbeitnehmer, wie gestaltet sich das Personalaktenrecht, welche Ur-laubsansprüche gibt es etc.? Im Übrigen noch mit dem kleinen Schmankerl nebenbei, dass wir als Gewerkschaft versuchen, auch im Landesbereich das zu erreichen, was wir woanders schon vereinbart haben, nämlich dass diese unselige Trennung zwischen Arbeiterinnen und Arbeitern einerseits und Angestellten andererseits endlich aufgeho-ben wird. Denn diese Trennung gibt es derzeit nur noch in Hessen. Alle anderen rings-um – ähnlich wie bei Asterix und Obelix – kennen das mittlerweile schon nicht mehr. Dann kam es in der Frage der Einkommensentwicklung zu einem Konflikt, von dem ge-wissermaßen alles überlagert wurde. Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen – Frau Bemmann hat es schon zitiert –: Das Land Hessen oder der Innenminister hat sel-ber erklärt, dass das, was im Mai an Besoldungsentwicklungen vereinbart wurde, Basis für Tarifverhandlungen sein soll. Das ist schwierig genug; aber damit hätten wir noch leben können, wenn man das wirklich wörtlich hätte nehmen können. „Basis“ heißt ja: Da startet man, und von da aus geht man dann weiter. So war es aber nun gerade nicht. Für die andere Seite war das Mindestgrenze und Höchstgrenze zugleich. Etwas anderes geht überhaupt nicht. Das ist der eigentliche Punkt. Mit anderen Worten: Man ist gesetzgeberisch in einem Bereich vorgeprescht, und hat dann gesagt: „Entweder das oder gar nichts.“ Das ist jetzt nicht aus der Luft gegriffen; man kann es ja nachle-sen. Man muss ja nur die beiden Gesetze – das ist ja mittlerweile veröffentlicht, das an-dere liegt als Entwurf vor – nebeneinanderhalten, um zu erkennen, was da Inhalt war. An diesem Punkt ist es dann in die Binsen gegangen. Damit habe ich, glaube ich, auch die Frage von Frau Erfurth beantwortet. Um es noch etwas deutlicher zu machen: Auch nach dem Mai haben wir vergeblich auf ein schriftli-ches Angebot der Vertreter der Landesregierung in Bezug auf Einkommensentwicklun-gen gewartet. Selbst nachdem der Mitarbeiterbrief des Ministerpräsidenten und des In-nenministers veröffentlicht war, worin erklärt wurde, die gesetzgeberische Regelung im Beamtenbereich werde jetzt Grundlage für Tarifverhandlungen, kam in den darauffol-genden Sondierungsgesprächen noch nicht einmal ein solches Angebot.

    (Abg. Günter Rudolph: Aha!) Das haben wir dann erst einfordern müssen mit dem Hinweis, ob das, was Ministerprä-sident und Innenminister erklärt haben, vielleicht jetzt nicht mehr so verbindlich sei; wir würden jetzt zumindest auf dieses Angebot warten. Erst auf mehrfache Nachfrage un-sererseits ist dieses „Angebot“ dann vorgelegt worden. Wie wir dieses inhaltlich bewer-ten, haben wir nun schon mehrfach gesagt. Um es zum Abschluss zu bringen: So konnte man im Mittelalter agieren. So kann man im Jahr 2007 mit freien Gewerkschaften und selbstbewussten Beschäftigten nicht agie-ren. Herr Diefenbach: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Es ist in der Tat so, dass die Waldarbeiter des Landes Hessen derzeit nicht von dem Gesetzentwurf erfasst

  • Ta – 28 – INA/16/88 – 31.10.2007 werden; sie sind ausgenommen. Dieses Missgeschick könnte passiert sein, weil die Waldarbeiter nicht dem fortwirkenden Manteltarifvertrag für Arbeiter bzw. dem Bundes-Angestelltentarifvertrag unterliegen, sondern einen eigenen Manteltarifvertrag für Wald-arbeiter haben. Es scheint aber so zu sein, dass im Innenministerium dieser Sachver-halt aufgefallen ist. Dem Vernehmen nach gibt es derzeit Kontakte, um da irgendetwas zu korrigieren. Uns als IG Bauen-Agrar-Umwelt tangiert allerdings aus drei Gründen nicht wesentlich, dass dieses Missgeschick passiert ist. Zum einen lehnen wir eine Regelung per Gesetz ohnehin ab. Zum Zweiten ist, nachdem der TV-L mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vereinbart ist, jetzt auch über den Manteltarifvertrag für Waldarbeiter eine Eini-gung mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder erzielt worden, sodass wir hier auch in Hessen verhandlungsfähig sind. Und zum Dritten haben wir in diesem Bereich einen Organisationsgrad von 70 %, also deutlich besser als SAP, und da werden wir das oh-nehin regeln.

    (Beifall) Vorsitzender: Das war klar und deutlich.

    (Abg. Günter Rudolph: Eine klare Ansage!) Herr Russ: Ohne jetzt Dubletten zu machen, möchte ich, Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, Sie an einer Stelle noch einmal mit in diese Gespräche bei den Ta-rifverhandlungen mitnehmen. Wir haben seit dem Zeitpunkt 1. April 2004, als das Land Hessen aus der TdL ausgetreten ist, immer wieder versucht, auch noch zu Zeiten, als der TV-L mit der TdL verhandelt wurde, Herrn Bouffier in Gesprächen davon zu über-zeugen, dass der sinnvolle Weg, damit das Land Hessen nicht hinten ist, der ist, dass das Land Hessen wieder in die TdL geht. Aber – ich sage jetzt etwas platt – genauso, wie der Teufel das Weihwasser meidet, hat Herr Bouffier gesagt: „In diesen Club gehen wir nicht zurück.“ Dann haben wir gesagt: „Okay. Dann machen wir den TV-L zu einem TV-H, zu einem Tarifvertrag Hessen.“ Wir können uns sehr wohl einen hessischen An-strich vorstellen, aber keine Tariflandschaft Hessen. Das wäre ein Systembruch. Ich will hier noch einmal sehr deutlich machen: Für uns war etwas unverständlich, dass wir über Monate auf der Arbeitsebene sehr konstruktiv mit den leitenden Damen und Herren des Ministeriums sondiert haben und dort relativ weit vorangekommen sind, es dann aber plötzlich am 10. August eine Notbremsung gab und man dann auf einmal sagte: „Es geht eigentlich gar nichts, weil wir nicht mehr zu bieten haben, als den Beamtenabschluss 1 : 1 überzuklappen.“ Das war zu wenig. Einen „TV-L light“ machen wir nicht mit. Vielleicht noch eines, weil das immer unter den Tisch fällt, leider auch jetzt in der Dis-kussion: Wir haben es mit vielen Komponenten zu tun. Wir haben es mit Einmalzahlun-gen zu tun, wir haben es mit einer linearen Komponente zu tun, und wir haben es vor allem mit einer einprozentigen Leistungskomponente zu tun, die man nicht einfach non-chalant unter den Tisch fallen lassen kann. Hierzu haben wir keine Angebote gesehen. Auch das Beiwerk – ich sage es etwas despektierlich –, sprich die kompletten Mantel-regelungen inklusive der jetzt in Kürze anstehenden Verhandlungen über eine neue Entgeltordnung, wird es dann in Hessen in dieser Form auch nicht geben. Denn der

  • Ta – 29 – INA/16/88 – 31.10.2007 TV-L, auf den wir hier als Referenz verweisen, weist dies alles vor und weist es als ein modernes Tarifrecht aus. Von diesem modernen Tarifrecht werden die Beschäftigten hier in Hessen abgekoppelt. Sie bleiben weiterhin in einem statischen BAT bzw. den entsprechenden Arbeiterregelungen. Dann wird leider – ich sage das jetzt sehr politisch – aus „Hessen vorn“ „Hessen hinten“. Abg. Peter Beuth: Herr Diefenbach, ich möchte noch einmal die Frage zu den Waldar-beitern aufgreifen. Sie haben davon gesprochen, dass die Einbeziehung der Waldarbei-ter vergessen worden sein könnte. Deswegen die nur rhetorische Frage: Ist es richtig, dass in der Begründung unter Ziffer 7 die Waldarbeiter explizit erwähnt worden sind und der Sachverhalt, der zur Nichtberücksichtigung geführt hat, geschildert wurde? Herr Diefenbach: Ob das richtig ist, was in der Ziffer 7 steht, weiß ich nicht. Diese habe ich ja nicht geschrieben. Es ist in der Tat so, dass durch die Ziffer 7 ein Teil der Be-schäftigten, 800 Personen, noch nicht einmal in den Genuss dieser 2,4 % kommen. Das ist festzustellen. Vorsitzender: Es gibt keine weiteren Fragen mehr. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf mich sehr herzlich für die konzent-rierte Form der Anhörung bei allen Beteiligten bedanken. Ich schließe die Anhörung und wünsche Ihnen einen guten Nachhauseweg. Wiesbaden, 6. November 2007 Für die Protokollierung: Der Vorsitzende:

    Heike Thaumüller Horst Klee