161 Naturnaher Garten als Bewirtschaftsform im...

96
161 Naturnaher Garten als Bewirtschaftsform im Kleingarten Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. Gemeinnützige Organisation für das Kleingartenwesen

Transcript of 161 Naturnaher Garten als Bewirtschaftsform im...

161

Naturnaher Garten als Bewirtschaftsform im Kleingarten

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. Gemeinnützige Organisation für das Kleingartenwesen

Schriftenreihe des Bundesverbandes

Deutscher Gartenfreunde e.V., Berlin ( BDG )

Heft / 2002 24. Jahrgang

Tagung: vom 13. bis 15. September 2002 in Wismar Herausgeber: Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. Platanenallee 37, 14050 Berlin Telefon 030/ 30 207 140/141 Telefax 030/ 30 207 139 Präsident: Ingo Kleist Seminarleiter: Jürgen Sheldon Präsidiumsmitglied des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e.V. Zusammenstellung: Ute Gabler Nachdruck und Vervielfältigungen (fotomechanischer und anderer Art) - auch auszugsweise - dürfen nur mit Genehmigung des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde erfolgen.

ISSN 0936-6083

Auflage: 1.000

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

Diese Tagung wurde durch das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, 53107 Bonn finanziell gefördert. I N H A L T S V E R Z E I C H N I S S E I T E V o r w o r t 5 Jürgen S h e l d o n Präsidiumsmitglied des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e.V. Naturnaher Garten – was ist das? 7 Dr.–Ing. Gunter B a r t h o l m a i Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur und Planung der TU München Freising-Weihenstephan Lebensräume im naturnahen Garten? 21 Reinhard C o n r a d Biologe Gera Neue Obstsorten und ihre Verwendung im Garten mit 45 erforderlichen Pflegeformen Prof. Dr. Christa F i s c h er Dresden Integrierter Pflanzenschutz im naturnahen Garten erforderlich? 59 Adalbert G r i e g e l Diplomgärtner Dorsheim Naturgerechte Bewirtschaftung von Gärten 77 Heinrich L e u m e r Bremen

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

Bericht der Arbeitsgruppen AG I. „Naturnaher Garten / Aber wie?“ 87 Berichterstatter: Joachim Roemer Landesverband Niedersächsischer Gartenfreunde e.V.

AG II. „Integrierter Pflanzenschutz ist im naturnahen Garten nötig!“ 89 Berichterstatter: Günter Langner Landesfachberater Landesverband Berlin e.V. AG III. „Naturgerechte Bewirtschaftung“ 91 Berichterstatterin: Elfriede Falk Fachberaterin Landesverband Hessen der Kleingärtner e.V.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-5-

Vorwort Als Veranstaltungsort für die zweite Fachberatertagung für Multiplikatoren und Führungskräfte wurde die Hansestadt Wismar gewählt, da sich hier die Information auf der Landesgartenschau des Landes Mecklenburg-Vorpommern an Hand von Mustergärten vertiefen ließ. Mit dem Besuch des Lehr- und Demonstrationsgartens Großstieten bei Wismar und seinem Lehr- und Naturpfad konnte das Gesamtthema „Naturnaher Garten als Bewirtschaftsform im Kleingarten“ noch mehr verdeutlicht werden. Herr Dr. Gunter Bartholmai, Freising, hat in seinem Referat die drei – Naturenmodelle in verschiedenen Naturebenen beschrieben. Hier wird das Verhältnis des Menschen zur Natur erklärt, bzw. die Aneignung von Natur durch den Menschen erläutert. In dem Beispiel der Modellkleingartenanlage in Regensburg wurde der naturnahe Garten in seiner Entwicklung in Wort und Bild vorgestellt. In seinem Vortrag „Lebensräume im naturnahen Garten“ erläuterte Herr Reinhard Conrad, Gera, als Biologe, welche Möglichkeiten es gibt, die Artenvielfalt zu erhalten, bzw. welche noch zu steigern ist. Wer seinen Garten naturnahe entwickeln will, muss bedenken, dass ein solcher nicht zu erzwingen ist. Organismen wandern bei Zusagen der Qualität in die geschaffenen Lebensräume ein und verlassen sie auch wieder mit zunehmender Verschlechterung, z.B. bei Fehlen des Nahrungsangebotes. Mit ihrem Beitrag „Neue Obstsorten und ihre Verwendung am Beispiel des Apfels“ konnte Frau Professor Dr. Christa Fischer aus Dresden das Wissen über die RE-Sorten (Resistenz) aus Pillnitz vertiefen. Sie sind inzwischen für den Kleingärtner unverzichtbar geworden, da sie die unterschiedlichsten Verbraucherwünsche bezüglich Reifezeitstaffelung, Geschmacksrichtung und Verwendungsmöglichkeiten erfüllt. Herr Dipl. Ing. Adalbert Griegel, Dorsheim, konnte mit seinem Vortrag die Frage „Ist integrierter Pflanzenschutz im naturnahen Garten erforderlich?“ beantworten. Beginnend mit den indirekten Maßnahmen, wie Arten- und Sortenwahl, Ernährung und Düngung, Bodenbearbeitung, Fruchtfolge und Mischkulturen, Pflanzabstände, Aussaat und Pflanzzeit, Erntezeit und Pflanzenstärkung, bzw. Wasserversorgung, bis hin zu direkten Pflanzenschutzmaßnahmen . Dazu wurden

- mechanisch – physikalische Maßnahmen - biotechnische Maßnahmen - biologische Maßnahmen - chemische Maßnahmen

vorgestellt und ausführlich erläutert. In seinem Beitrag hat Herr Heinrich Leumer, Bremen, die naturgerechte Bewirtschaftung von Gärten vorgestellt. In Wort und Bild wurden seine Erfahrungen als Landesfachberater, zum naturnahen Obst- bzw. Gemüsegarten, praxisnah weitervermittelt. Jürgen Sheldon Präsidiumsmitglied Fachberatung des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde e. V.

-7-

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

Naturnaher Garten – was ist das? Dr.-Ing. Gunter B a r t h o l m a i Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur und Planung der TU München Freising-Weihenstephan

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-8-

Naturnaher Garten – was ist das? Das Thema enthält eine Frage, die nur beantwortet werden kann, wenn geklärt ist, was wir heute unter Natur verstehen, wodurch unser Verhältnis zur Natur geprägt ist und was die historische Entwicklung dahin war. Es schwingen dabei Begriffe wie Ökologie, Landschaft und Umwelt mit, die kurz besprochen werden sollen und die für

die Behandlung des Themas wichtig sind. Es geht (zweitens) um den Garten und sein sich immer wieder veränderndes Verhältnis zur ‚Natur‘. Im dritten Teil des Referats möchte ich Ihnen eine Anlage und ihre konzeptionellen Regeln vorstellen, die – mittlerweile fast 15 Jahre alt – als Modellanlage für naturnahe Kleingärten entworfen und gebaut wurde und betrieben wird.

Begriffe Begriffe wie Garten, Natur, Landschaft und Ökologie sind uns so geläufig und selbstverständlich, dass sich weiteres Nachdenken darüber fast nicht mehr lohnt. Trotzdem wirken sie häufig missverständlich oder doch unklar, weil sie subjektiv mit unterschiedlichen Inhalten und Erfahrungen verknüpft werden. Natur kann nicht Garten sein – und Gärten sind das Gegenteil von Natur. Wollen Gärten dichter an der Natur sein, müssen sie bestimmte Merkmale ihrer kulturellen Identität aufgeben, bzw. sie sind für ehemals wichtige Garteninhalte nicht mehr brauchbar. Kleingärten und Kleingartenanlagen können und sollen sich biologischen Prozessen annähern und damit einen ökologisch positiven Beitrag leisten

- Kleingärten sind aber keine Naturschutzgebiete – sie haben weitere Aufgaben zu erfüllen.

Was meint „naturnaher Garten“? Nach „naturnahen Regeln“ entwickelte Konzepte machen „ökologische Prinzipien“, wie haushälterischen Umgang mit den Ressourcen, Nachhaltigkeit und vernetztes Denken zur Grundlage einer zukünftigen Entwicklung. Die Anforderungen lassen sich konkret benennen und gelten für den Bau und den Betrieb – und wie in Wismar diskutiert selbstverständlich auch für den zunehmend wichtiger werdenden Umbau - von Anlagen: • sparsamer Umgang mit den natürlichen Ressourcen Boden, Wasser und

Luft • sparsamer Umgang mit Energie und Material

Mustergärten der Anlage Regensburg (8.2002)

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-9-

• Berücksichtigung von Langlebigkeit und/oder Wiederverwendbarkeit • 'Rekultivierung' ehemals belasteter Flächen • soziale Mischung und Integration

Kleingärtner haben eine lange soziale und gärtnerische Tradition, die im Umgang mit Pflanzen und Menschen, mit dem Boden und dem Wasser, mit dem Experiment und der Erfahrung geübt sind. Den Umgang mit Pflanzen zu vermitteln, von der Aussaat bis zur Ernte, vom richtigen Zeitpunkt bis zum Haltbarmachen, vom Erziehen und Veredeln bis zum Rückschnitt sind Wissen und Erfahrungen, die heute kaum mehr direkt vermittelt werden oder abgeguckt werden können.

Naturbeobachtung – Wetter, Wildtiere, Wildpflanzen – sind bei der Gartenarbeit Selbstverständlichkeiten. Den Garten auch als sozialen Ort, integrativen und integrierenden Raum zu verstehen, war immer Basis dieser Garten-Kultur und muss weiter entwickelt werden. Naturnähe - so wie wir sie verstehen - ist die Nähe zu biologischen Prozessen mit Kompostwirtschaft, standortgerechter Pflanzenwahl, Schonung der Trinkwas-serreserven, reduziertem Stromverbrauch usw. – nicht das nierenförmige ‚Feucht-biotop‘ aus wiederverwerteten Kunststoff aus dem Baumarkt Über Natur Der Naturbegriff kennt viele Definitionen: philosophische, naturwissen-schaftliche, technische, künstlerische, politische, religiöse, usw.. Sie alle haben miteinander zu tun, unterscheiden sich aber bezüglich ihrer jeweiligen disziplinären Fragestellung. ‚Wo immer im Wandel von Verhältnissen des menschlichen Lebens und Erkennens ein Fundament, eine Sicherheit und Festigkeit gesucht wird, liegt deshalb der Rückgriff auf Naturbestimmung nahe. ... Das ‚naturgemäße Leben‘ wird als Norm gegenüber einer verunsicherten Zivilisation angeboten. Die ‚Natur‘ soll uns zeigen, wie die Kinder zu erziehen seien, in welcher Lebensform wir uns einzurichten hätten, wie der Staat zu organisieren ist, welche Besitzverhältnisse dem Menschen angemessen usw. Das ;Zurück zur Natur‘ hat nur deshalb seine Zugkraft, ja das Beschwörende einer Zauberformel, annehmen können, weil es weit ausserhalb des Rousseauschen Gedankengutes auf eine primäre Einstellung und Sehnsucht traf: überhaupt in etwas Festem und Beständigem, das nicht von der Wandelbarkeit menschlicher Einstellungen tangiert ist, seinen Halt zu finden – und sei es um den Preis der Verdrängung der eigenen Ungesichertheit und Vergänglichkeit‘.(11ff) Schäfer, Lothar: Wandlungen des Naturbegriffs in: Zimmermann, Jörg (Hrsg.) Das Naturbild des Menschen, Wilhelm Fink Verlag, München, 1982

Kleingarten um 1955

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-10-

Nachdem sich unser alltägliches Leben weitestgehend von natürlichen Prozessen und Abhängigkeiten emanzipiert hat (wir arbeiten jahreszeiten- und wetterunabhängig, essen Erd-beeren im Winter und verschen-ken ganzjährig Rosen), ist 'die Natur' für viele von uns ein Symbol mit einem gesell-schaftlich hoch akzeptierten Wert.

Unsere heutige Vorstellung von Natur ist die einer ‚Gegenwelt‘ zur individuellen und gesellschaftlichen Wirklichkeit. Natur wird in die Regionen des Nicht-Alltags gedrängt. – und in der Produktwerbung wird mit dieser Vorstellung häufig gespielt – Natur gilt als das Reine, Unschuldige und Unbelastete. Hier, der durch die Stadt und die Zivilisation, die Technik und die

Arbeitsprozesse verdorbene, veränderte, eingezwängte Mensch - dort, die freie ‚Natur‘ mit unschuldigen Tieren, freiwachsenden Pflanzen, Sonne und Regen, (sauberen Produkten) - und freien Menschen, die nichts anderem unterworfen sind als dem Gang des Tages.

‘Natur ist das, was von selbst da ist, also nicht durch menschliche Kunst; Natur ist das Naive, also Unreflektierte; Natur ist das Wilde und Primitive, also das Nichtzivilisierte; Natur ist das Unschuldige und Freie, der un- und vorgesellschaftliche Ort, nach dem sich der Mensch sehnt, seitdem und wann immer er an der Gesellschaft leidet.’ Böhme, Gernot (1989); Für eine ökologische Naturästhetik Es gibt verschiedene Modelle für die Definition von Natur und ihren unterschiedlichen Ebenen. Für unser Thema scheint das ‚3-Naturen-Modell‘ besonders geeignet. Die ‚Erste Natur‘ ist diejenige Natur, die ohne den zivilisatorischen Einfluss des Menschen oder menschlicher Gesellschaften existiert. Ein Zustand, der in Mitteleuropa und weiteste Teile der Erde schon lange nicht mehr existiert. Selbst die entlegensten Teile unserer Erde (z.B.

Arktis und Antarktis, Wüsten, Regenwälder) und die höchsten Regionen der Berge unterliegen neuerem oder ältestem Nutzungswillen des Menschen (denken Sie an ‚Ötzi‘).

Caspar David Friedrich: Der Wanderer über dem Nebelmeer (1818)

Gebirgslandschaft Karwendel

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-11-

Die ‚Zweite Natur‘ Als ‚Zweite Natur‘ gilt die ‚Kultur-Landschaft‘, die zuerst geprägt ist von Land- und Forstwirtschaft, die aber auch die Siedlungsentwicklung - und damit auch die Städte-, die Infrastruktur (also die Strassen und Bahnlinien, Kanäle und Leitungstrassen, usw.) umfasst.

‚Desgleichen besitzt der Mensch die uneingeschränkte Herrschaft über die Güter der Erde: Wir nutzen die Ebenen und die Berge, uns gehören die Seen, wir säen Korn, wir pflanzen Bäume; durch Bewässerungsanlagen machen wir unsere Ländereien fruchtbar, wir stauen die Flussläufe, bestimmen ihre Richtung und leiten sie ab; kurz, mit unseren Händen unter-nehmen wir den Versuch, innerhalb der Natur gleichsam eine zweite Natur zu schaffen.‘

Marcus Tullius Cicero (106-43 v.Chr.), in: Franzen, Brigitte (2000) Seite 217 Die „Dritte Natur“ ‘ Der Garten wäre – als reiner Gebrauchs- und Nutzgegenstand – der ‚zweiten Natur‘ zuzuordnen, würde er sich nicht durch seine gestaltete und ästhetische Dimension von einem Weizenfeld unterscheiden. Diese ‚Dritte Natur‘ wurde schon in der Renaissance als Ergänzung zur ‚unberührten Natur‘ und zur ‚bearbeiteten Natur‘ beschrieben und meint die Garten- und Landschaftsgestaltung als ästhetisches (Kunst-)Werk. Innerhalb dieser ‚Drei Natur‘ lassen sich die Gärten als etwas einordnen, das in hohem Masze mit unseren heutigen gesellschaftlichen Anforderungen und Ausdrucksmöglichkeiten zu tun hat. Sie gehören zur ‚Dritten Natur‘ ohne dabei ihre Beziehungen zur ‚Ersten‘ und ‚Zweiten‘ leugnen zu wollen – aber mit der eindeutigen Anforderungen nach einer zeitgemässen und gesellschaftlichen Nutzungs-möglichkeit.

Natur und Landschaft sind also Ideale oder Konstruktionen; Ideale, die vom technischen und zivilisatorischen Fortschritt provoziert wurden und werden und die so als Gegenbild oder Gegenwelt des Alltags, die Sehnsucht nach dem ‘einfachen Leben’ beschreiben. Einen Garten anzulegen ist immer auch ein Stück persönlicher Schöpfung mit eigener Kreativität. Gärten sind deshalb immer auch Ausdruck

Äcker und Obstwiese in Nordhessen

Landschaftsgarten Wörlitz

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-12-

einer individuellen Auffassung des Verhältnisses zur Natur als gestaltetes Stück Landschaft. Über Ökologie und Naturgarten Ökologie ist eine Naturwissenschaft, die sich nicht mit dem Symbolischen beschäftigt, sondern nach dem Objektiven sucht. 'Ökologie ist die gesamte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Aussenwelt, wohin wir im weiteren Sinne alle Existenzbedingungen rechnen können'. Haeckel, in OdumE.P.;1980 Die Ökologie als Naturwissenschaft untersucht Zusammenhänge und beschreibt Abhängigkeiten. Sie will objektive Zustände analysieren. 'Sie beschreibt, in welcher Weise alle Lebewesen mit ihrer belebten und unbelebten Umwelt in vielfältigen und verschlungenen Zusammenhängen verbunden und auf diese Zusammenhänge angewiesen sind: als Konsumenten, und Produzenten, als Jäger und Gejagte, als Eltern und Nachkommen, als Eroberer und Vertriebene'. Dahl, Jürgen (1984) Verteidigung des Federgeistchens Der Ökologie ist es egal, ob etwas schön ist oder man sich im Garten wohl fühlt. Sie ist eine beschreibende, wertfreie Wissenschaft. Die ‚Naturgarten-Bewegung‘ Ökologische Anforderungen und der Garten näherten sich in den 80er Jahren in der 'Natur-Garten-Bewegung' so stark an, dass bis heute dieser Begriff erklärt werden muss. Ab etwa 1970 gab es in Mitteleuropa eine Entwicklung, die als Teil der Ökologie-Bewegung, den Fortschrittsglauben und den Glauben an das technisch Machbare kritisierte und ein Umdenken im Umgang mit dem öffentlichen Grün in den Städten und den Gärten forderte. ‘Unsere Gärten sind echte Kunstwerke. Das Stück Natur hat mit Natürlichkeit nicht viel zu tun. Zwar blühen Sommerflor und Rosenbeet in aufdringlichen Farben, aber wo bleibt das Leben, wo die Vielfalt, das bunte Durcheinander von Pflanzen und Tieren? ... In solchen künstlichen Gärten führen wir einen ständigen Kampf gegen die wahre Natur, gegen wildlebende Pflanzen und Tiere, die eigentlich dort heimisch wären. Wir bezeichnen sie als Unkraut und Ungeziefer und verfolgen sie mit viel Fleiß und nach mehr Gift.’ Breitmoser ,Urs + Urs Schwarz(1981), Der Naturgarten

Die Naturgärtner forderten ein Umdenken im Umgang mit Pflanzen, Tieren und Flächen im besiedelten Raum. Die Standortgerechtigkeit und das Einheimische werden zum obersten Gebot erklärt. Unkräuter werden zu ‘Wildkräutern’ befördert und die Einteilung in Nützlinge und Schädlinge wird aufgehoben. Mit ihnen wird das Prinzip des Schutzes durch Ausgrenzung

Naturgarten in Leuwwarden NL

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-13-

umgekehrt. Nicht mehr die kulturelle Leistung des Gartens muß vor der Wildnis geschützt werden, vielmehr wird 'scheinbare Natur' vor dem Zugriff der Zivilisation geschützt. Auf einen definierten Areal wird einer ‘Ersatz-Natur Asyl gewährt. Hier soll wachsen, was unter alltäglichen Bedingungen unseren Ansprüchen nicht genügt. Allerdings werden auch Arten ausgegrenzt; nämlich solche Arten, die nicht ‘einheimisch’ sind. Gärten Gärten waren und sind besondere Orte – sowohl im städtischen Umfeld wie auch für die Menschen, die sie betreiben, pflegen, in ihnen arbeiten und feiern. Mögen sich die Gärten vom grossen Villengarten zur kleinen Parzelle, vom Schlossgarten zum Reihenhausgarten verändert haben, ihre grundsätzlichen Inhalte sind geblieben: Abbild des Paradieses zu sein, d.h. losgelöst von alltäglichen Bedingungen und Zwängen andere Ziele zu verfolgen, anderen Bedingungen zu unterliegen und Experimente zu machen und damit in anderen Zusammenhängen zu denken als den alltäglichen Zwängen.

Gärten sind also einerseits Wunschbilder einer Harmonie zwischen Mensch und Natur, der ‚wirkliche‘ und ‚verwirk-lichte‘ Traum vom Paradies und andererseits kulturelle Leis-tung, die die Pflanze aus ihrer natürlichen Umgebung isoliert, sie züchtet und verfeinert, um sie speziellen menschlichen Anforderungen anzupassen, die verschiedene Kenntnisse integriert und hilft neue Entwürfe zu realisieren.

Aktuell ist der Garten auch Alternative zu kommerziellen Freizeitangeboten und alltäglicher Gegenpol zur Arbeitswelt mit ihren Zwängen und Verpflichtungen. Gärten ermöglichen selbstbestimmte Arbeit, Kreativität im weitesten Sinne, Kommunikation und soziale Kontakte – auch Verpflichtung. Ausserhalb technischer und formalisierter Zwänge waren Gärten immer 'Freiräume' für 'ungezwungenes' Verhalten und formlosen Aufenthalt. Die gestalterischen Leitbilder werden gesellschaftlich formuliert und sind davon geprägt, welches Verhältnis eine Gesellschaft zu ihrer ‚Natur‘ hat. Einige historische Beispiele für das Mensch-Natur-Verhältnis und dessen Ausdruck im Garten sollen das belegen: Schon die frühen Gärten – selbst Bauerngärten - waren niemals ausschliesslich Produktionsstandort, sondern immer auch Orte sozialen Lebens, Gärten für die Sinne, also gestaltete, ästhetische Räume. Die Natur galt den Menschen des Mittelalter bedrohlich, feindlich, undurchdringlich und dunkel (erinnern Sie sich an einige unserer Märchen).

Laube in Regensburg 1990

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-14-

Der Garten war dagegen überschaubar, hell und heiter, süß und bunt. Die Pflanzen wurden sortiert in Beeten kultiviert, Tiere wurden in Volieren und Käfigen gehalten. Der Garten des Mittelalters gilt als Abbild einer von Gott gegebenen Ordnung, war nachempfundenes ‚Paradies’. Er war der Natur abgerungen und mußte gegen ihre ständigen ‘Angriffe’ verteidigt werden. Wilde Tiere und wilde Pflanzen bedrohten diesen ‘zivilisierten Landschaftsteil’, der nur durch beständige Arbeit erhalten werden konnte. Dieses einfache Verhältnis Mensch - Natur verändert und kompliziert sich mit der weiteren gesellschaftlichen und technischen Entwicklung. Ab etwa 1720 vermischt sich die Kritik am Absolutismus französischer Prägung mit der Kritik am französischen Garten. Jean Jaques Rousseaus ‘retour a la nature’ kritisiert den durch die Stadt und die Zivilisation verkommenen und deformierten Menschen und stellt als Ideal den ‘guten Wilden’ oder das einfache Leben auf dem Land, den Sennhütten und Dörfern vor. Diese politische und gesellschaftliche Kritik findet im Landschaftsgarten oder dem ‘Englischen Garten’ seine gartenkünstlerische Entsprechung. Aber der Landschaftsgarten ist nicht Natur, sondern stellt Natur und Landschaft dar, wird mit hohem finanziellen Aufwand und viel Arbeit ideal nachgebildet. Es sind ‘echte Gärten’.

Landschaftsgarten Branitz

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-15-

Modell-Kleingartenanlage Regensburg Diese theoretischen Überlegungen und Ziele wurden vor ca. 15 Jahren in einem Forschungsvorhaben ‘Naturnahe Kleingärten’, gefördert vom Bayerischen Ministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, auf zwei Modell-Kleingartenanlagen angewandt. Es ging nicht darum, den Biotop-Charakter von Kleingärten nachzuweisen, sondern wir wollten neue naturnahe Kriterien entwickeln, die die historischen Aufgaben des Kleingarten -Nahrungsmittelproduktion und soziale Kontakte- mit den neuen Anforderungen -Freizeit und Erholung- und mit stadtökologischen Anforderungen verknüpft. Die Naturnähe von Kleingärten und Kleingartenanlagen entsteht nicht durch ein 'natürliches Erscheinungsbild' von Gärten und Erschließung, sondern mit den Wirtschaftsweisen und den Bautechniken. Ziele für die Entwicklung der Anlagen wie für die Einzelgärten sind - Wirtschaftsweisen mit reduzierter Energiezufuhr, - reduziertem Trinkwasserverbrauch, - ohne den Einsatz von chemischen Düngemitteln, - ohne Pestizideinsatz. Eigenentwickelte Resistenz, interne Stoffkreisläufe und eine Sensibilisierung der Kleingärtner für ökologische Probleme waren weitere definierte Ziele. Beim Bau der Anlage und der Gärten sollten - alternative Bautechniken, - Materialrecycling, - passiver Holzschutz und Selbstbau, - extensive Dachbegrünung, - passive Sonnenenergienutzung, u.a. Es sollten Neugier und Experimentierfreude gefördert werden, um unkonventionelle Verfahren auszuprobieren.

Die theoretischen und inhaltlichen Vorstellungen, sowie die Umsetzungsmög-lichkeiten wurden zwischen den Beteiligten -Planern, Garten-amt, Umweltministerium, Klein-gartenverband und nicht zuletzt mit den Garten-interessenten- vor Beginn des Bauens diskutiert, es wurde kritisiert und gemeinsam nach Lö-sungen gesucht. Den Interessenten wurden die

Gemeinsame Arbeit an Trockenmauer, Regensburg (1988)

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-16-

Wirtschaftsweisen und Bau- und Anbau-Techniken in Informationsveranstaltungen vorgestellt und eine Sammlung von Arbeitsblättern konnte helfen, grundlegende Kenntnisse zu vermitteln. Organisation der Anlage Aufbau und innere Struktur der Anlage in Regensburg unterscheidet sich kaum von konventionellen Anlagen. Die Parzellierung nutzt das vorhandene Grundstück optimal aus. Extensive Obstwiesen, Mischhecken als Abgrenzung zur Nachbarbebauung und Steinschüttungen sollten neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen bieten und die Erlebnismöglichkeiten erweitern.

Entwurf der Modellanlage ‚Naturnahe Kleingärten‘ Regensburg ca 1988 Die optimierte Ausrichtung der Laube mit ihrem Anlehngewächshaus nach Süd-Süd-West und die Verhinderung gegenseitiger Verschattung war eine erste wichtige Bedingung, die Auswirkungen auf die Anlage hatte. Das Gemeinschaftshaus mit der Geschäftsstelle des Stadtverbandes sollte einfach zu finden sein und als Orientierungshilfe in der Anlage dienen. Die Gartengruppen Ein wichtiges Merkmal der Anlage in Regensburg ist die Zusammenfassung von bis

zu sechs Parzellen zu Gartengruppen mit gemeinsamen Nutzungsrechten und Unterhaltspflichten, so z.B. die Betreuung der Obstwiesen und Teiche, die Giess-wassersammlung und Verteilung, die Kompostierung. Um gegenseitige Benachteiligung zu verhindern, wurden die Laubenstandorte und Zonen für höhere Pflanzungen planerisch festgelegt. Andere Elemente konnten die Kleingärtner einer Gruppe frei entscheiden und durchführen. Es

Entwurf einer Gartengruppe, Regensburg (1987)

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-17-

wurden feste ‘Kernzonen’ von Parzellen beschrieben und andere Flächen, die sich den veränderten Ansprüchen anpassen, z.B. nach mehr Selbstversorgung durch entsprechende Flächenausdehnung, bzw. weniger Gartenarbeit durch Flächenabgabe an die Gruppe ( diese Flexibilität wurde nicht erreicht, die Parzellengrössen wurden festgelegt und nicht mehr verändert). Für die Gärten wurden verschiedene Gartentypen mit den Interessenten besprochen. Sie haben den Neu-

Gärtnern geholfen, ihre Ansprüche zu formulieren. Innerhalb der Gartengruppe sollte ein reger Austausch über den Anbaumethoden, über Naturschutz im Garten, über alternative Techniken stattfinden und Selbsthilfe organisiert werden – was auch gut funktioniert. Es wurden vier Typen vorgestellt: der Selbstversorger-Garten, der Familien-Garten, der Erholungs-Garten und der Naturbeobachtungs-Garten. In jeder Gartengruppe

sind extensive und intensive bewirtschaftete Gärten gemischt. Die Gärten der ersten Gartengruppe sind zwischen 280 und 336 qm groß. Es gibt 29 Gärten in 5 Gruppen. Das Regenwasser-System Um den Verbrauch von Trinkwasser als Gieß- und Brauchwasser zu reduzieren, wurde angestrebt, nur einen Trinkwasseranschluß am Gemeinschaftshaus anzubieten. Dieses

Konzept liess sich nur kurzzeitig beibehalten, heute haben alle Gärten einen Trinkwasseranschluss. Jede Gartengruppe ist an ein ‘Regenwassersammel-System’ angeschlossen. In dieses System wird abgegeben oder entnommen. Ein Bach bildet das Rückgrat des Wassersystems, speist den Teich vor dem Gemeinschaftshaus. Das ‘Biotop-System’

In den Anlagen gibt es keine Tabuzonen oder mit restriktiven Ordnungsmaß-nahmen belegte Flächen. Verschiedene Substrate und punktuelle Material-anschüttungen aus Natursteinen fördern eine differenziertes Vegetationsmuster. Sie bringen eine Konfrontation mit ‘Wildkräutern’, die einen Gewöhnungs-prozess in Gang setzen sollen, der die

Tor zu einer Gartengruppe

Weg durch die Anlage (2002)

Steinschüttung in der Regensburger Anlage (2002)

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-18-

Toleranz gegenüber Nichtkulturpflanzen erhöhen und eine differenzierte Betrachtung zwischen Nützlingen und Schädlingen fördern soll. Die Laube Unter gärtnerischen und energetischen Gesichtspunkten war die passive Nutzung von Sonnenenergie ein wichtiges Anliegen des Modellvorhabens. Es wurde ein Laubentyp entwickelt, der im Selbstbau oder in Gemeinschaftshilfe errichtet werden kann, der auf einen Grundtyp - der Kernlaube- aufbauend additiv erweitert werden kann. Im Endausbau besteht die Laube aus der Kernlaube mit dem extensiv begrünten Dach und dem Anlehngewächshaus. Speicherwände aus massivem Ziegelsteinmauerwerk -bereits in der Kernlaube enthalten- speichern die Wärme ebenso wie der Erdkörper und

geben sie später ab. Damit kann die Vegetationsperiode gegenüber konven-tionellen Gärten ohne Gewächshaus um drei Monate im Jahr verlängert werden und es können andere Pflanzen kultiviert werden. Für den Kleingärtner sind sie die größte finanzielle Investition und eine wichtige Voraussetzung für die Nutzung des Gartens. Durch Standardisierung, industrielle Vorproduktion oder Teilproduktion, einfache Konstruktion und Selbstbaumöglichkeiten konnten Kosten gesenkt und individuell angepaßte Lösungen angeboten werden.

Lauben der Mustergärten während der Bauphase ca. 1988

Laube am Hang (2002)

Speicherwand im Anlehngewächshaus (1990)

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-19-

Die Mustergärten Um die angestrebten naturnahen Wirtschaftweisen langfristig zu sichern, sind Informationen und Überzeugung notwendig. Drei Mustergärten wurden gemeinsam von Kleingärtnern, Studenten und Kollegen des Lehrstuhls gebaut. Hier wurden Techniken ausprobiert, wurde Handwerkliches trainiert und wurden Beispiele für die anderen Gärten gegeben.

Kleingärtner und Studenten bauen gemeinsam Zusammenfassung Naturnahe Kleingärten sind eine Reaktion auf ein verändertes gesellschaftliches und individuelles Bewusstsein der Umwelt gegenüber. Sie fordern mehr Toleranz gegenüber der ‘Natur’, den Pflanzen und Tieren, auch den Menschen. Naturnahe Gärten sind kein (Garten)Trend, sondern Gärten werden häufig aus rationalen Gründen naturnah bewirtschaftet. Kleingärtner sollten sich ihrer guten Erfahrungen besinnen und neue Fragen stellen und nach anderen als den gewohnten Antworten suchen. Wenn man auf den Perfektionismus im Ausbau seiner Laube und dem Garten, auf akkurate und überstrapazierende Pflege verzichtet und den eigenen Ordnungsbegriff in diesem Sinne überdenkt und insbesondere unser manipuliertes Schönheitsempfinden revidiert, entsteht eine andere Ordnung und Schönheit, deren Reiz, Qualität und Erlebnisreichtum wir bisher kaum abschätzen können. ‚Der Garten ist der letzte Luxus unserer Tage, denn er fordert das, was in unserer Gesellschaft am seltensten und kostbarsten geworden ist: Zeit, Zuwendung und Raum‘. Dieter Kienast, 1990 Dr.-Ing. Gunter Bartholmai Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur und Planung der TU München Am Hochanger 6 85354 Freising-Weihenstephan E-Mail: [email protected]

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-20-

Quellen: Böhme, Gernot (1989) Für eine ökologische Naturästhetik,

Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main Breitmoser, Urs Der Naturgarten und Urs Schwarz (1981) in: Grün in der Stadt, Rowohlt Verlag, Hamburg Dahl, Jürgen (1984) Der unbegreifliche Garten und seine Verwüstung Verlag Klett-Cotta, Stuttgart Franzen, Brigitte (2000) Die vierte Natur: Gärten in der zeitgenössischen Kunst Verlag Buchhandl. W. König, Köln Kienast, Dieter (1990) Sehnsucht nach dem Paradies

in: Prof. für Landschaftsarchitektur ETH Zürich (Hrsg.) (2002), Dieter Kienast – Die Poetik des Gartens Birkhäuser Verlag, Basel, Boston, Berlin

Odum, Eugene, P.(1980) Grundlagen der Ökologie Stuttgart: Thieme Verlag Schäfer, Lothar (1982) Wandlungen des Naturbegriffs

in: Zimmermann, Jörg (Hrsg.) Das Naturbild des Menschen, Wilhelm Fink Verlag, München

-21-

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

Lebensräume im naturnahen Garten? Reinhard C o n r a d Biologe Gera

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-22-

Lebensräume im naturnahen Garten?

A. Vorbemerkungen B. Notwendige Begriffe C. Auswahl von Lebensräumen und in ihnen lebenden Organismen D. Zusammenfassung

Vorbemerkungen: Im Vortrag “Lebensräume in Kleingärten - ihre Pflanzen- und Tierwelt“ wurden 1997 acht Gesichtspunkte formuliert, die sicher auch für den naturnahen Garten gelten (vgl. CONRAD 1997). Während im Kleingarten die individuelle Bewirtschaftung für den Eigenbedarf traditionsbedingt das Primat besitzt (Gärten haben auch ihre Wurzeln in den seit Jahrhunderten vorhandenen Bauern- und Kräutergärten der Klöster und Burganlagen), muss in einem Garten mit dem erläuternden Begriff “naturnaher Garten“ anders gewichtet werden. Die gegenwärtigen globalen Klima- und Witterungsveränderungen und die allgegenwärtigen antropogenen Eingriffe in unsere Umwelt bewirken weltweit eine erschreckende Gleichförmigkeit wichtiger Lebensräume (Grasfelder, Baumplantagen u.a.). Diese Uniformität verursacht die (sicherlich meistens nicht beabsichtigte) Verdrängung von Arten bis hin zum Aussterben gebietstypischer, stenotoper1 Arten. Die Beeinträchtigung der Artenvielfalt ist ein schleichender Prozess. In der Regel werden wir erst dann aufmerksam, wenn von diesem Prozess auffällige und große Arten betroffen sind oder wirtschaftliche Schäden uns daran erinnern, dass das filigrane Netzwerk in der belebten Natur irreparablen Schaden genommen hat. Durch Erhaltungszuchten vom Aussterben bedrohter Tiere, Samenbanken für Pflanzen und eine Fülle weiterer außerordentlich kostenintensiver Hilfsmaßnahmen wird dann punktuell versucht, wenigstens einige grobe Schäden in diesem feinmaschigen Netzwerk zu flicken. Der Erfolg solcher oft Jahrzehnte währenden Projekte (z. B. bei Tierarten) steht auf tönernen Füssen, denn wir sind nur ansatzweise in der Lage, den künstlich herangezogenen Jungtieren jene Strategien zu vermitteln, die wildlebende Tiere von ihren Eltern erhalten und die ihnen das Überleben in der Natur unter Feinddruck sichern (gegenwärtig misslingt die Auswilderung des Film-Orkas – er bettelt vor Norwegen nach Futter). Der Orka ist aber ein hochspezialisiertes Säugetier! In diesem Ringen um den Erhalt von heimischen, für eine Landschaft typischen, stenotopen Organismen bekommen Gärten, die mehr oder weniger bewusst naturnah bewirtschaftet werden, bundesweit in ihrer Gesamtheit einen kaum abschätzbaren Stellenwert für die Vermehrung vieler gefährdeter Organismen. Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass bei einem abrupten Wechsel in der “naturnahen Bewirtschaftung“ genau solche Gärten zur Falle für die dort unter naturnahen Bedingungen sich entwickelnden Organismen werden. Das Wegsterben vieler unscheinbarer Organismen macht sich alsbald auch für weniger aufmerksame Beobachter im Wegbleiben der nahrungssuchenden Vögel bemerkbar. An Beispielen sollen einige Aspekte der vielschichtigen Problematik vorgestellt werden. Die regionalen Unterschiede sind groß, und die Wichtung im

1 Unter stenotopen Arten versteht man Organismen, die nicht weit verbreitet sind und sich nur in gleichartigen Biotopen entwickeln können. Es sind Arten mit einer geringen ökologischen Valenz.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-23-

Detail ist oft sehr schwierig oder gar nicht möglich, so dass nur Denkanstösse möglich sind. Eine unverzichtbare Voraussetzung für den Gedankenaustausch sind wichtige Begriffe, die die Inhalte der Problematik beschreiben. Begriffe : Lebensraum

- Vom Geographen RATZEL am Ende des 19. Jahrhundert geprägter Begriff für die räumliche Umwelt des Menschen. Später Verbindung mit der sozialdarwinistischen Geschichtsauffassung (Begriffserweiterung). Nach dem I. Weltkrieg wurde der Begriff Lebensraum von der deutschen Schule der Geopolitiker um K. Haushöfer zur Begründung für eine Ausdehnung des Siedlungsraumes höher kultivierter Völker mit politischen, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln genutzt. Hitler nahm das Schlagwort vom Lebensraum in den zwanziger Jahren auf. Im Zusammenhang mit dem rassistischen, weltanschaulichen Vernichtungskampf gegen Judentum und Marxismus wurde die Ausdehnung deutschen Lebensraumes im Osten zu einer zentralen Säule seiner in die Vernichtung führenden Politik (Definition dem Lexikon entnommen).

In der Ökologie wird der Begriff zur räumlichen Abgrenzung des Vorkommens einer Organismenart genutzt. Der Lebensraum umfasst also den gesamten Raum, in dem das Dasein eines Lebewesens abläuft. In der Zoologie wird der Begriff noch unterteilt in Territorium und Revier. Beispiel A: Weißstorch 1. Lebensraum (Winter- und Sommerquartier und Zugstraßen), 2. Revier (Biotop) sind z.B. Gärten, Wiesen, Felder, wo täglich Nahrung gesucht

wird 3. Territorium ist die kleinste Raumeinheit, die ein Paar zur Fortpflanzung nutzt und

gegen jeden Eindringling verteidigt Beispiel B: Spitzmaus

1. Territorium: unterirdisch - Revier: Nahrung oberirdisch (auch mitunter unterirdisch)

Die Inhalte der beiden Begriffe überschneiden sich und sind deshalb nur mit aufwendigen Methoden voneinander abgrenzbar. Beispiel C: Wanderfalter Admiral (Vanessa atalanta) & Distelfalter (Vanessa cardui) – Wanderfalter Eiablage einzeln an Brennnesseln und Disteln – Raupenfraß - Stürzpuppe an der Futterpflanze – Man hat beobachtet, daß Admiral-Männchen zur Fortpflanzungszeit das Revier über mehrere Tage gegen Eindringlinge verteidigen – Einwanderung der Falter Ende IV aus dem Mittelmeergebiet – Ei – Larve – Puppe – Falter – Nahrungsaufnahme im Herbst an Obst oder spät blühenden Sträuchern [z. B. Japanischer Sommerflieder (Buddleja japonica) und Hybriden vom

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-24-

Gewöhnlichen Sommerflieder (Buddleija davidii)] - Rückwanderung oder Überwinterung der Falter. Beispiel D: Baum aus “Bäume im Lebensraum Stadt“ (1993) Band 3 der Augsburger ökologischen Schriften:

„Auch die Jacobervorstadt wird von einem Alleering eingerahmt; der Lebensraum der Roßkastanien ist stark eingeschränkt; der Asphalt reicht bis an die Stämme“ (S. 104). Die obige Formulierung verführt den Leser zu der Annahme, der Lebensraum eines Baumes sei die Erdoberfläche, die durch Asphalt eben stark eingeengt wurde. Auf Pflanzen und viele andere Organismen sind die Begriffe Territorium und Revier nicht anwendbar. Zum Begriffsinhalt „Lebensraum“ für einen Baum gehört sein Wurzelsystem, die Bodenoberfläche über diesem und der gesamte Kronenaufbau samt Stammbereich. Für Bäume und Pflanzen hat sich der Begriff Standort2 statt des mit den unterschiedlichen Inhalten belegten Begriffs Lebensraum eingebürgert. Den Standort darf man nicht mit dem Begriff Fundort (auch Wuchsort) verwechseln, der den Ort beschreibt, an dem eine Pflanze oder ein Baum wächst. Häufig wird

der Begriff “Lebensraum“ dem Begriff Biotop gleichgesetzt, mitunter auch das Wort “Lebensstätte“ zur Beschreibung des Umfelds genutzt, in dem ein Organismus lebt. Dazu formuliert STUGREN (1978): „Als Biotop, Standort oder Lebensraum wird landläufig der engere Raum bezeichnet, in dem ein individueller pflanzlicher oder tierischer Organismus lebt, dazu die Gesamtheit der auf ihn einwirkenden Umweltfaktoren“. Der oder das Biotop3 : 1. Das Biotop ist der natürliche, abgrenzbare Lebensraum einer Lebensgemeinschaft von Tier- und Pflanzenarten, die sich in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen im ökologischen Gleichgewicht befinden, wie z. B. Wiese, Wald, Gewässer, Moor. Biotope sind also Lebensräume mit vielfältigem Leben. 2. Der Begriff Biotop wird aber auch zur Bezeichnung des Lebensraumes einer einzelnen Art verwendet. 2 Die Gesamtheit aller auf eine Phytozönose einwirkenden Umweltfaktoren (abiotische -, biotische -, antropogene Faktoren) wird als Standort bezeichnet (seit dem Botanikerkonkreß in Brüssel vor hundert Jahren). Häufig genutzt in der Forstwissenschaft und in der Geobotanik. 3 Der Lebensraum einer Biozönose wird als Biotop bezeichnet. SCHWERDTFEGER (1975): „Der Biotop ist gekennzeichnet durch seine topographischen, edaphischen, hydrischen und lokalklimatischen Eigenheiten, durch die Gesamtheit der örtlichen abiotischen Bedingungen.

Stark eingeengter Stammfuß der Eiche in Königsdorf, Augustusstr. 8.7.2001 Foto. U. Conrad

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-25-

Häufig wird für eine charakteristische Lebensstätte von Tieren der Begriff „Habitat“4 genutzt, wobei man auch in diesem Fall die Gesamtheit aller an einem Standort auf eine Lebensgemeinschaft, eine Population oder ein Individuum einwirkenden Umweltfaktoren versteht. Biotopanpassung Die speziellen Anpassungserscheinungen einer Art an die Gegebenheiten ihres Lebensraumes (Lebensraum, Lebensstätte, Biotop). Die Lebensgemeinschaft von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen in einem Biotop wird als Biozönose bezeichnet. Eine Biozönose ist also eine Lebensgemeinschaft mit jener Artenzusammensetzung an einem bestimmten Ort, die sich aus den ähnlichen Ansprüchen dieser Arten an abiotische und biotische Verhältnisse ergibt. Anmerkungen: Der Käfer Arpidiphorus orbiculatus kommt in allen Bundesländern (Fundort) in Gärten, Parks, Auen u. Wäldern in Schleimpilzen (keine Pilze) an morschem, faulendem Holz, seltener auch in diesen auf anderen Substraten vor (vgl. CONRAD 1994), in denen sich seine Larven entwickeln. Thienemanns biozönotische Grundprinzipien (1920):

1. Je variabler die Lebensbedingungen einer Lebensstätte (Lebensraum), um so größer die Artenzahl der zugehörigen Lebensgemeinschaft.

2. Je mehr sich die Lebensbedingungen eines Biotops (Lebensraumes) vom Normalen und für die meisten Organismen Optimalen entfernen, um so artenärmer wird die Biozönose, um so charakteristischer wird sie, d. h. der Individuenreichtum einzelner Arten kann zur Plage werden (Artenarmut wird also durch Individuenreichtum kompensiert).

JACCARD (1928) formuliert aus vegetationskundlicher Sicht

1. Der Artenreichtum eines bestimmten Gebietes (Lebensraum) ist zur Mannigfaltigkeit seiner ökologischen Bedingungen proportional

2. Die ökologische Mannigfaltigkeit, welche von den Standortfaktoren Klima, Boden, Relief u.a. abhängig ist, wächst mit zunehmender Oberfläche und nimmt mit wachsender Einförmigkeit ab, ganz besonders in Abhängigkeit von extremen Erscheinungen der Temperatur, der Trockenheit oder der Salzkonzentration.

Gesetz (THIENEMANN 1954): Die Artenvielfalt ist um so größer, je verschiedenartiger die Lebensbedingungen sind, und in artenärmeren Lebensgemeinschaften kommen charakteristische Arten unter Umständen in großen Individuenzahlen vor.

4 Der Begiff wurde von LINNE benutzt und stammt vom Verb habitare = wohnen

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-26-

Biodiversität (Vielfalt) bedeutet Vielfalt im Sinne von Verschiedenartigkeit, Mannigfaltigkeit, Variabilität und Komplexität der Lebewesen

1. Arten-Diversität: Artenvielfalt einer Lebensgemeinschaft (bei Pflanzen eines mehr oder weniger homogenen Bestandes) Heterogenität bzw. strukturelle Diversität

2. Räumliche Diversität – fördert die Artendiversität und 3. räumliche Diversitätsverluste führen zu Verlusten in der Artendiversität und

zur Störung der Stabilität in einem Ökosystem bis hin zum Zusammenbruch Biosköne und (Biochorien) Das Bioskön ist der kleinste Lebensbezirk mit gleichförmigen Lebensbedingungen und besonderer pflanzlicher und tierischer Bevölkerung. Zum Bioskön gehören auch Teile des physischen Substrates (Boden – Wasser). Der Maulwurfshügel besteht aus mindestens zwei Bioskönen – Oberfläche mit den Tieren und die Gänge mit den darin lebenden Organismen. Im Garten ist eine Pfütze in einer Baumhöhle, in der sich Mückenlarven entwickeln, ein Bioskön. Nach TISCHLER (1955) sind Biochorien Aktionszentren von Organismen mit einer bestimmten Qualität. Es sind räumlich begrenzte und häufig auch zeitlich sich rasch verändernde Kleinstlebensräume mit ihren Lebensgemeinschaften. (Insekten in einem Schleimpilz, Lebewesen an bzw. in Kot, Gemeinschaft der Aaszersetzer). Unter der ökologischen Valenz einer Art versteht man den Toleranzbereich, in dem sich die Umweltfaktoren verändern können, ohne das dauerhafte Überleben einer Art zu zerstören. Geringe ökologische Valenz besitzen Organismen, die sich in ihrer evolutionären Entwicklung spezialisiert haben (z. B. Lycoperdina bovistae). Die meisten Arten der Roten Listen gehören zu diesen. Sie werden als stenöke Arten bezeichnet. Stenöke Arten besitzen also eine geringe ökologische Valenz, d. h. sie sind an besondere Umweltbedingungen angepasst und sterben aus, wenn sich diese relativ schnell verändern. Neuerdings werden Tierarten auch als stenotop bezeichnet, die nicht weit verbreitet sind und sich nur in gleichartigen Biotopen entwickeln können. Es sind ebenfalls Arten mit einer geringen ökologischen Valenz. Beispiele: Wanzen-Knabenkraut Orchis coriophora D RL 15 Quendel-Sommerwurz Orobanche alba D RL 3 Safrangelber Weichporling6 Hapalopilus croceus D RL 1 5 Rote Liste Deutschland (D RL) 1 – vom Aussterben bedroht, 2 - stark gefährdet, 3 - gefährdet 6 Reliktart mit der Tendenz des Aussterbens. Fehlende Entwicklungsmöglichkeiten führten zur Verinselung und Dezimierung der Art. Eine Ausbreitung aus diesen Refugien ist ohne menschliche Hilfe unwahrscheinlich.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-27-

Igel-Stachelbart Hericium erinaceum D RL 2 Heide-Laufkäfer Carabus nitens D RL 2 Kiefernwipfel-Tiefaugenbock Cortodera femorata D RL 3

Stenöke Arten mit möglichen Vorkommen in Gärten Eine solche stenotope Käferart ist der Eremit (Osmoderma eremita). Der europaweit sehr seltene Käfer ist in Deutschland stark gefährdet (Rote Liste Kategorie 2) und wurde in der FFH-Richtlinie als prioritäre Art ausgewiesen. Osmoderma eremita ist pholeophil (dämmerungsaktiv) und xylodetriticol (lebt im Mulm alter Laubbäume). Waldränder, alte Alleen, Parks und Straßenbäume sind wichtige Habitate, in denen der Eremit Entwicklungsstätten finden kann. In diesen Habitaten entwickeln sich die Engerlinge des Eremiten im Mulm hohler Bäume. Die Höhlungen müssen eine bestimmte Größe haben, was nur in alten Bäumen möglich ist. Genutzt werden Hohlräume anbrüchiger Laubbäume (Aesculus, Tilia, Quercus, Salix, Fagus, Fraxinus) und Obstbäume (besonders Malus). Hinsichtlich des Lebensraumes ist Osmoderma eremita tatsächlich stenök

bzw. stenotop, hinsichtlich der Wirtsbäume, in denen die Käfer sich entwickeln können, aber euryök. Da sich die Tiere auch im Mulm von Kopfweiden (Salix) entwickeln, sind in einem Garten vorhandene Kopfweiden ein außerordentlich interessanter potentieller Lebensraum für die Art. Der Erhalt von Kopfweiden und Salweiden in einem Garten bietet auch vielen anderen Organismen Überlebensmöglichkeiten. Gärten mit bereits vorhandenen Kopfbäumen besitzen eine Fülle von Nischen zum Überleben von Organismen, so dass eine Voraussetzung für Naturnähe ohne Zutun erfüllt ist (vgl. Artikel zu Lamia textor und zu Protaetia aeruginosa).

Quendel – Sommerwurz (Orobanche alba) schmarotzt auf Thymian

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-28-

Eremit entwickelt sich im Mulm hohler Bäume Grüner Edelscharrkäfer (Gnorimus nobilis) auf

Holunderblüte, entwickelt sich im Mulm hohler Stämme und Äste von Laubbäumen

Als euryök werden jene Arten bezeichnet, die eine weite ökologische Valenz besitzen und demzufolge in verschiedenen Biotopen leben können (z. B. Wander-Ratten, aber nicht die Haus-Ratte), also in der Lage sind, sich in Lebensräumen zu etablieren, die große Unterschiede in den Umweltfaktoren aufweisen (umgangssprachlich werden solche Arten als Allerweltsarten bezeichnet). Beispiele euryöker Arten Mauer-Zymbelkraut7 (Cymbalaria muralis) – Neophyt in Deutschland Von Gera in Ostthüringen erstmals von HOPPE (1774) mit genauer Fundortangabe genannt (vgl. Conrad 2000). Inzwischen in verschiedenen Lebensräumen an Mauern, Felsen und auf Gesteinschutt vorkommend und sich noch immer ausbreitend. Auch in Gärten an Mauern wachsend. Interessant wegen langer Blütezeit.

7 Neubürger aus Süd-Europa, der sich dank der Ameisenverbreitung (Myrmekochorie) sehr schnell immer neue Lebensräume erschließt. Inzwischen von den Mauerfugengesellschaften mancherorts in Pflanzengesellschaften der Schuttflächen von Felsformationen eingewandert.

Mauer-Zymbelkraut auf lockerem Felsschutt, bei Saalfeld, Thüringen

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-29-

Nördlicher Zinnoberschwamm (Pycnoporus cinnabarinus) Der Pilz hat sich in den letzten 40 Jahren explosionsartig ausgebreitet und auch ständig neue Substrate besiedelt: Betula, Prunus avium, Sorbus, Fagus, Prunus spinosa, Populus, Quercus, Acer, Alnus, Carpinus, Corylus, Fagus, Tilia, Juglans und auch seltene Arten wie Amelanchier ovalis [(vgl. auch Verbreitungskarte 1 u. 2 in Dörfelt, H., Kreisel, H. & D. Benkert (1988): Karten zur Pflanzenverbreitung in der DDR. 7. Serie: Ausgewählte Makromyceten (II)]. Kommt auch in Gärten an liegendem Holz vor. Der Pilz ist „Lebensraum“ für verschiedene Pilzkäfer.

Nördlicher Zinnoberschwamm an einem oberirdischen Wurzelabschnitt einer Süßkirsche Streifenwanze (Graphosoma lineatum) Sie ist erst seit wenigen Jahrzehnten in einer ständigen Ausbreitung begriffen, auf Doldenblüten in nahezu allen mitteleuropäischen Biotopen anzutreffen und auch in Städten, Parks und Gärten präsent

Paarung von Streifenwanzen

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-30-

Überlegungen zu dem gegensätzlichen Wortpaar “Naturnähe – Naturferne“8 Ein begrenzter und den natürlichen Einflüssen (Wind, Witterung, Sonneneinstrahlung usw.) entzogener Raum (staubfreie Produktionsräume, Büroräume) ist sicher als naturfern zu bezeichnen. Bei der Verwendung des Wortes “naturfern“ für den Garten, ergibt sich zwangsläufig eine Differenzierung des Wortes Naturferne für einen Garten. Ein Garten ist dann „naturfern“, wenn in ihm beängstigende Stille herrscht. Andererseits kann es keinen Garten geben, auf den des Wort “naturnah“ ohne Einschränkungen anwendbar ist. Der Garten ist und bleibt ein von Menschenhand geschaffener unvollkommener Lebensraum. Naturnähe kann man an verschiedenen Parametern festmachen. Je mehr von diesen Parametern in einem Garten vorhanden sind, desto mehr Naturnähe kann in ihm realisiert werden. Als Maßstab wären wenig beeinflusste Lebensräume mit ihrer Artendiversität in der Nachbarschaft eines Gartens (z. B. Flächennaturdenkmale, Schutz- und FFH-Gebiete) vergleichend zu nutzen. Einige wichtige Parameter

1. Keine Bodenversiegelung, höchstens Wegeführung durch Trittsteine 2. Fließende Übergänge von der Krautschicht zur Strauchschicht und zur

Baumschicht (d.h. in einem naturnahen Garten wachsen neben einjährigen auch mehrjährige heimische Pflanzen in enger Nachbarschaft autochthoner Sträucher und Bäume9). Die Pflanzung nach landschaftsästhetischen Gesichtspunkten stört die Artendiversität nur geringfügig.

3. Beim Pflanzen heimische Arten bevorzugen und darauf achten, dass es keine genetisch veränderten Arten sind und das Pflanzgut aus zertifizierten Gehölzpflanzungen stammt (Ernte der Samen aus regional vorhandenen Beständen (vgl. z. Fachtagung: „Anzucht und Verwendung einheimischer Gehölze in der offenen Landschaft. Forstbaumschule Tonndorf 2001).

4. Bevor man heimische Arten im Garten pflanzt, sollte man die heimische Wildflora im Gartenumfeld studieren (nicht die Neophyten). Stechpalme gehört nicht in mitteldeutsche, Schwarze Heckenkirsche nicht in norddeutsche Gärten)

5. Möglichst keine Gartenbegrenzung aus Betonwänden oder Ziegelmauern schaffen

6. Im Windschatten der Hecke sollte eine Fläche sich selbst überlassen, d. h. nur der Wildwuchs über eine bestimmte Größe einmal im Spätherbst beseitigt werden. In eine solche natürlich entstehende Pflanzengesellschaft wandern sehr schnell flugfähige Tierarten ein. Darunter sind Nützlinge, die auch in anderen Gartenteilen als Gesundheitspolizei wirksam werden (z. B. Blattläuse vertilgen)

7. Reicht der Platz für Bäume nicht, kann man in gemeinsamer Absprache mit dem Nachbarn auch Hecken als Zaun nutzen. Attraktiv sind Heckenbegrenzungen aus geleiteten Hainbuchen und besonders artenreich geleitete Hecken mit Schlehen und Wildobst (Apfel, Birne, Kornelkirsche)

8 Diese Worte haben nur in der Umgangssprache Bedeutung. 9 In Florenatlanten wurde die Verbreitung der wildwachsenden Arten dokumentiert (vgl. Literaturverzeichnis)

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-31-

Naturnähe kann also mehr oder weniger bewusst vom Gartenbesitzer beeinflusst werden. Das kann für verschiedene Organismen förderlich sein, andere aber können bis zur völligen Vernichtung der Population reduziert werden. Deshalb sollte man sich beim Anlegen eines naturnahen Gartens oder Gartenteiles der Verantwortung und der Langfristigkeit eines solchen Schrittes bewusst sein. Mit dem Einwandern regional seltener (also stenöker) Arten in solche Gartenbereiche trägt man die Verantwortung für sie. Kurzzeitige Veränderungen des Lebensraumes können für viele Organismen tödlich sein. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich aus unseren mangelhaften Kenntnissen über Lebensweise und Bedürfnisse vieler Organismen. Selbst viele größere Insekten haben keinen deutschen Namen, und bei manchen Menschen löst das bloße Nennen des Namens von Tiergruppen (z. B. Spinnen) Antipathien und Aversionen aus. Da aber selbst in der uns umgebenden Umwelt überall der ständige Eingriff durch den Menschen die natürliche Entwicklung von Lebensgemeinschaften beeinflusst, ja bis hin zur Auslöschung verändert, ist es gut, wenn Organismen in nicht intensiv genutzte Gärten ausweichen können, um in ihnen zu überleben. Intensiv bewirtschaftete Selbstversorgergärten haben nur eine temporäre Bedeutung, bedeutsamer ist der funktionsgerechte Erholungsgarten für ältere Bürger, und am wertvollsten sind jene Gärten, in denen heimische Wiesenblumen, Trockenmauern mit Hohlräumen und artgerechte Gartenteiche mit Rinnsalen eine breite Palette von Nischen für Organismen mit unterschiedlichsten Lebensraumansprüchen realisieren, wobei der extensiven Bewirtschaftung eine hohe Wertigkeit zukommt. Werden solche Lebensräume geschaffen, stellen sich alsbald Reptilien und auch Lurche ein (sofern noch eine Verbindung zur unverbauten Umwelt existiert und in dieser solche Tierarten noch vorhanden sind). Allerdings dringen mit beängstigender Schnelligkeit auch Neozoen, Neophyten und Neomyceten in die Gärten ein und nutzen den Lebensraum “Garten“, der von konkurrenzschwachen heimischen Arten benötigt wird, für sich. Auf diese interessanten Zusammenhänge kann hier nicht eingegangen werden, auch nicht auf die möglichen Nischen, die mit dem Bau von Gebäuden realisiert werden können. Einen naturnahen Garten erkennt man daran, daß in ihm viele Insekten aus den verschiedenen Ordnungen [(z.B. Ohrwürmer (Dermaptera), Laubheuschrecken (Ensifera), Feldheuschrecken (Caelifera), Wanzen (Rhynchota), Käfer (Coleoptera), Hautflügler (Hymenoptera)10, Schmetterlinge (Lepidoptera), Schnabelfliegen (Mecoptera) und Zweiflügler (Diptera)] und Kleinsäuger (Igel, Bilche und Spitzmäuse) vorhanden sind und während des gesamten Jahres Vögel den Garten zur Nahrungsaufnahme nutzen. In dem naturnah gestalteten Garten müssen Sträucher und Bäume vorhanden sein, auch ältere mit Stammwunden bis hin zu abgestorbenen Baumruinen. In ihnen entstehen Biosköne. In einem naturnahen Garten darf es keine großflächigen Versiegelungen geben (Versieglungen zerschneiden Lebensräume im Boden, verhindern das Eindringen von Sauerstoff in die oberen belebten Bodenhorizonte, das Eindringen von Niederschlägen in den Boden und befördern die Bodenerosion usw.) Häufig minimiert man die negativen Auswirkungen durch Trittsteinverlegung. Unter Trittsteinen entstehen im Edaphon spezielle Lebensräume [Abfolge von 10 Vgl. KERPA, K.-D. (2001): Wildbienen, liebenswerte und interessante Insekten mit großer Bedeutung für den Kleingarten. Grüne Schriftenreihe des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde 152, 35-65

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-32-

Bodenschichten (Biosköne). Bodenoberflächenschichten bestehen aus Bodenalgen, Moose, Pilze, der Bodenstreu]. Ein Edaphon ist also die senkrechte Abfolge der Bodenhorizonte samt der Bodenflora und -fauna. Es schließen sich oberirdische Schichten an (Feld- oder Kraut-, Strauch- u. Baumschicht). Zusammenstellung von ökologisch wertvollen Lebensräumen Unverschnittene & verschnittene Hecken, Spaliere Die frei sich entfaltende Hecke ist artenreicher und hat für das Kleinklima eine höhere Wertigkeit als die verschnittene Hecke. Wenn man mehrere Heckenpflanzen nutzt, vermeidet man ein einförmiges Erscheinungsbild. Durch interessante Schnittformen kann auch die landschaftsästhetische Wirkung gesteigert werden. Auf sauer bis neutral reagierenden Böden: Stechpalme (Ilex aquilifolium), Buchs (Buxus sempervirens), Hainbuche (Carpinus betulus), Traubenkirsche (Prunus padus), Faulbaum (Frangula alnus), Vogelkirsche (Sorbus aucuparia) und, ganz besonders wertvoll, Sal-Weide (Salix caprea) Neutrale bis kalkreiche Böden Berberitze (Berberis vulgaris), Sommerfliederarten (Buddleja davidii und B. japonicum), Kornelkirsche (Cornus mas), Weißdorn (Crataegus), Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus), Holzapfel, Wild- u. Holzbirne, Vogel- u. Traubenkirsche, Schlehe und Steinweichsel (Prunus mahaleb) sowie Ribes- und Rosa-Arten. Sehr interessant sind auch Zieräpfel und Zierkirschen, wenn man auf Obst verzichten will. Im Frühjahr sind es die Blüten, im Sommer und Herbst die Früchte und die schöne Laubfärbung, die ästhetisches Vergnügen bereiten und nebenbei Nahrung für Tiere bieten. Liguster ist eine beliebte Heckenpflanze, da leicht zu pflegen bzw. zu verschneiden. Die Artendiversität ist jedoch niedrig. Ligusterhecken wirken wie Fremdkörper in der Landschaft und bieten nur wenigen Organismen Lebensraum. Für Spaliere bieten sich gezogene Obstsorten an. Für die Artendiversität ist die Waldrebe (Clematis vitalba) außerordentlich wertvoll. Sie ist besonders im Herbst ein großartiges Schmuckelement Andere Spalierklimmer sind z. B. Kürbis Cucurbita pepo Weiße & Rotbeerige Zaunrübe Bryonia alba & B. dioica Große Kapuzinerkresse Tropaeolum majus Gewöhnlicher Hopfen Humulus lupulus Weinrebe Vitis vinifera Fünfblättriger Wilder Wein Parthenocissus inserta Gewöhnlicher Efeu Hedera helix Wald-Geißblatt Lonicera perclymenum Jelängerjelieber Lonicera caprifolium Schwarze Heckenkirsche Lonicera nigra (nur im Bergland) sehr wertvoll für langrüßlige Insekten wie Schwärmer sind die Lonicera-Arten)

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-33-

Rotbeerige Zaunrübe an Mauern von Gärten

Fünfblättriger Wilder Wein

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-34-

Trockensteinmauern sind dort in Gärten, wo eine hohe Sonneneinstrahlung vorhanden ist oder an Grundstückgrenzen, oder zur Überwindung von Höhenunterschiede sehr wertvolle Lebensräume. Eine Mauer aus kalkhaltigen Gesteinen nützt mehr Organismen als eine aus Silikatgesteinen. Fugen zwischen den Steinen sind nicht mit Zement abzudichten und durchlaufende Fugen unbedingt zu vermeiden. In solchen Mauern kann man Gewürzkräuter anbauen (Basilikum), aber auch zeitig blühende Polsterpflanzen, die im Frühjahr Hummelköniginnen Nahrung bieten. Eine ähnliche Bedeutung haben Steinwälle, die uns als Lesesteinhaufen im dörflichen Umfeld bekannt sind. Allerdings entsteht Artendiversität nicht sofort, und Veränderungen sollten unbedingt vermieden werden, da manche Organismen auf Störungen sehr empfindlich reagieren. Beispiele in der Kleingartenanlage in Mönchengladbach In Mönchengladbach wurde in einer Gartenanlage mit viel Engagement ein Insektenhotel integriert. Bei einer solchen Anlage muss man bedenken, dass für Wildbienen auch genügend Nahrung vorhanden sein muss. Das Angebot an Nistplätzen ist abhängig vom Nahrungsangebot, das wiederum die Fortpflanzungsrate stimuliert. Deshalb sollte man dafür sorgen, dass vom Frühjahr bis zum Herbst Pflanzen blühen. Stengel von Doldengewächsen (z. B. Liebstöckel), kleinere Mengen von Ästen unterschiedlicher Dicke und Schneckenhäuser der Weinbergschnecke sollten vorhanden sein und im Garten nicht als nutzloser Detritus entsorgt werden.

Insektenhotel – Kleingartenanlage Mönchengladbach Güdderath

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-35-

Ökologisch sehr wertvoll: Gestapeltes Schnittholz, KGA Mönchengladbach Güdderath Generell ist festzuhalten, dass ein reich strukturierter Garten ohne versiegelte Flächen und monotone Rasenflächen, ohne Chemikalien aller Art die Tiere magisch anzieht. Allerdings ist es für ordnungsliebende Menschen ein Unding, die Pflege so zu reduzieren, dass der Garten einen „unbewirtschafteten Eindruck“ beim Beschauer hervorruft. Die naturnahe Bewirtschaftung gerät in Konflikte mit den traditionellen, über viele Jahrzehnte als richtig angesehenen Bewirtschaftungsformen, in denen Sauberkeit, Übersichtlichkeit und Ordnung die Maßstäbe sind, an denen der Garten samt Besitzer gemessen wird. Eine weitere Einschränkung resultiert aus Grenzabständen zu benachbarten Grundstücken. Nachbarschaftsstreit beschäftigt unzählige Gerichte. Ehe man sich der etwas natürlicheren Bewirtschaftung zuwendet, sollte man prüfen, ob andere Interessen tangiert werden und absichern, dass Nachbarn über die Art und Weise und den Umfang der naturnahen Pflege Kenntnis haben und diese nicht grundsätzlich ablehnen, denn Organismen wandern und finden vielleicht Nachbars Garten attraktiver. Das kann aber zu unabsehbaren Konsequenzen führen. Unter Gehölzen sind bodendeckende Pflanzen zu empfehlen, die heimischen Organismen Lebensraum bieten wie Ajuga reptans Kriechender Günsel Allium ursinum Bär-Lauch Asarum europaeum Haselwurz Gagea lutea Wald-Goldstern Galium odoratum Waldmeister Glechoma hederacea Gewöhnlicher Gundermann,Gundelreb Lamium argentatum Silberblättrige Goldnessel Lamium galeobdolon Gewöhnliche Goldnessel

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-36-

Lamium maculatum Gefleckte Taubnessel Pulmonaria obscura Dunkles Lungenkraut Ranunculus ficaria Scharbockskraut Vinca minor Kleines Immergrün Viola reichenbachiana Wald-Veilchen Viola riviniana Hain-Veilchen Zur Problematik der Nützlinge Im natürlichen Kreislauf gibt es keine Schädlinge. Alle Organismen sind in irgendeiner Weise in den Stoffkreislauf integriert und sorgen für das reibungslose Funktionieren von Werden und Vergehen. Dieses Netzwerk kann zerstört werden:

- indem natürliche Gegenspieler abgetötet werden, - indem ein Überangebot an Nahrung vorhanden ist, - indem Pflanzen an solchen Standorten gepflanzt wurden, an denen sie ohne

Zutun des Menschen nicht wachsen würden (Falsche Wuchsbedingungen bewirken auch das Kränkeln der Pflanze z. B. Alpenrosen auf Kalkböden). In diesen Fällen helfen zwar Nützlinge wie Erdkröten, Laufkäfer, Marienkäfer, Wespe, Kamelhals-, Skorpions-, Flor- und Schwebfliegen, Pandemien zu reduzieren. Doch man muss bedenken, dass sich auch diese Arten bei optimalem Nahrungsangebot weit stärker vermehren als unter natürlichen Bedingungen und das Überangebot an „Nützlingen“ später an Nahrungsmangel eingeht. Untersuchungen über die Auswirkungen eines solchen Artensterbens der Nützlinge sind mir nicht bekannt. Solange aus der natürlichen Umwelt neue Individuen nachrücken, fällt uns das Problem auch kaum auf. Verschleiert wird es auch durch die geringe Größe vieler zu „Nützlingen“ erklärter Arten. Weitere ökologisch interessante Insekten:

- Feldwespen (Gallische Feldwespe) - Hornissen - Langkopfwespen

(Mittlere Wespe; Norwegische Wespe, Sächsische Wespe, Waldwespe) Kurzkopfwespen (Rote Wespe, Deutsche Wespe, Gewöhnliche Wespe)

- Skorpionsfliegen z.B. (Panorpa communis) - Schwebfliege z.B. (Arten der Dasysyrphus und Syrphus) - Kamelhalsfliegen z.B. (Raphidia notata) - Taghafte z.B. (Hemerobius humulinus) - Staubhafte z.B. (Semidalis aleyrodiformis) - Braune Florfliege z.B. (Drepanepteryx phalaenoides) - Goldauge z.B. (Chrysopa perla) u. weitere Arten

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-37-

Zusammenfassung Der Titel “Lebensräume im naturnahen Garten?“ wurde nicht von ungefähr mit einem Fragezeichen versehen, denn viele widersprüchliche Argumente stehen im Raum. Nach wie vor wissen wir zu wenig über die Organismen in dem von Menschenhand für individuelle Bedürfnisse geschaffenen umfriedeten Lebensraum “Garten“. Unbestritten ist, dass Gärtner Naturfreunde sind. Ein bedeutsamer Faktor für naturnahes Handeln im Garten ist aber die gesellschaftliche Akzeptanz, insbesondere dort, wo es sich um Gemeinschaftsanlagen handelt. Wer seinen Garten naturnah entwickeln will, muss ferner bedenken, dass ein solcher nicht zu erzwingen ist. Organismen wandern bei zusagender Qualität der geschaffenen Lebensräume ein (das kann mitunter Jahre dauern) und verlassen diese mit zunehmender Verschlechterung (z. B. häufige Störung, fehlendes Nahrungsangebot usw.). Ein wichtiger Schritt zum naturnahen Garten ist bereits das Schaffen von einzelnen Nischen (z. B. Reisighaufen als Versteck und Wohnung für den Igel). Der Artenreichtum darf nicht an den “Passanten“ gemessen werden, die Gärten kurzzeitig aufsuchen, sich in diesen (in der Regel) aber nicht entwickeln (z. B. Admiral). Bereits das Dezimieren von Nadelbäumen (Fichten, Weymouths-Kiefern, Wacholder) in Gärten hilft, Pandemien an Obstgehölzen [(Blasenrost an Schwarzen Johannisbeeren (Cronartium ribicola), Gitterrost an Birnen (Gymnosporangium sabinae)] zu senken. Schon mit der Integration eines naturnahen (in der offenen Landschaft in Gartennähe) vorhandenen Lebensraums kann viel zum Artenschutz beigetragen werden. Freilich, es ist nicht spektakulär, aber es ist wirksam! Auch ist zu bedenken, dass die Förderung von Nützlingen nur sinnvoll ist, wenn für sie genügend Nahrung vorhanden ist. Hochwirksame Chemikalien wirken auch toxisch auf Nützlinge! Ein mit Chemikalien behandelter Garten wird nicht einmal von häufigen und anspruchslosen Arten aufgesucht. In ihm herrscht „Friedhofsstille“ Ein Gradmesser für einen naturnahen und gesunden Garten ist die Anwesenheit von Minen in den Blättern von Wildpflanzen und von Gallen. Allerdings war die Suche nach solchen Phytoparasiten in einem Stadtgarten, in dem Chemikalien bisher nicht eingesetzt wurden, ergebnislos. Möglicherweise sind Minen und Gallen an Wildpflanzen in einem Garten Indikatoren für eine hohe Artendiversität in diesem. Literatur: ADLER, W., OSWALD, K. & FISCHER, R. (1994): Exkursionsflora von Österreich. Stuttgart und Wien BINOT, M. et al. (1998): Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands. Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz. Heft 55. Bonn - Bad Godesberg BRINGMANN, H. D. (1992): Zum gegenwärtigen Vorkommen des Weberbockes (Lamia textor) in Ostdeutschland (Col., Cerambycidae). Entom. Nachr. & Ber. 36, 126-129 CONRAD, R. (1992): Kartierung von Pilzkäfern. Beiträge zur Kenntnis der Pilze Mitteleuropas VIII, 65-84 CONRAD, R. (1994): Zur Verbreitung und Gefährdung ausgewählter Blatthorn-käferarten (Coleoptera: Scarabaeiden) Thüringens. Naturschutzreport 7 (1), 247-262 CONRAD, R. (1997): Lebensräume in Kleingärten – ihre Pflanzen- und Tierwelt. Schriftenreihe Bundesverband Deutscher Gartenfreunde Band 127, S. 31-59

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-38-

CONRAD, R. (2000): Neozoen, Neophyten und Neomyceten im Mittleren Elstergebiet (Ostthüringen). Veröff. Mus. Gera Naturwiss. R. 27, 80-136 CONRAD, R. & CONRAD, U. (1994): Beitrag zur Käferfauna Thüringens (Insecta, Coleoptera). Thür. Faun. Abhandlungen l, 64-77 DÖRFELT, H., KREISEL, H. & D. BENKERT (1988): Karten zur Pflanzenverbreitung in der DDR. 7. Serie: Ausgewählte Makromyceten (II), S. 85-86 u. 93-94 HEINRICH, D. & M. HERGT (1994): dtv-Atlas zur Ökologie. München KOPP. R. (2000): Verwendung autochthoner Gehölze in der hessischen Flur-neuordnung. Jahrbuch Naturschutz in Hessen 5, 246-249 KRATOCHWIL, A. und SCHWABE, A. (2001): Ökologie der Lebensgemeinschaften. Biozönologie. Stuttgart LUDWIG, G. & SCHNITTLER, M. (1996): Rote Liste gefährdeter Pflanzen Deutschlands. Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz, Heft 28. Bonn - Bad Godesberg MARZINI, K. (2000): Ergebnisse von Versuchspflanzungen regionaler Gehölze für Extremlagen und im Rahmen von Flurbereinigungsverfahren und Resolution. Jahrbuch Naturschutz in Hessen 5, 252-255 REIF, R. (2000): Die Verwendung autochthoner Gehölze bei Pflanzungen in der freien Landschaft – Stand der Diskussion. Jahrbuch Naturschutz in Hessen 5, 242-245 RIPBERGER, R. & HUTTER, C.-P. (1992): Schützt die Hornissen. Stuttgart& Wien SCHMIDT, R. K. (1993): Augsburger Straßenbäume und Alleen – Situation heute. Augsburger Ökologische Schriften 3, 89 – 151 SCHÖNBORN, W. (1961): Untersuchungen über die Schichtung im Hypolithion. Biol. Anzeiger 80, 180-197 SCHÖNBORN, W. (1963): Die Biochorien, ihre Abgrenzung und Einteilung. Monatsber. D. Akad. Wiss. Berlin 5, 220-227 SCHWARTZ, A. (1982): Zum gegenwärtigen Vorkommen von Protaetia (Cetoni-schema) aeruginosa (DRURY) in der DDR. Faun. Abhandl. Staatl. Mus. Tierkdr. Dresden 9 (2), 101-107 STIFTUNG LEBENSRAUM in Thüringen (2001): Fachtagung „Anzucht und Verwendung einheimischer Gehölze in der offenen Landschaft“. Forstbaumschule Tonndorf, 1-87 STUGREN, B. (1974): Grundlagen der Allgemeinen Ökologie. Jena WERNER, D. J. (1996): Beobachtungen zur Biologie und Ausbreitung der Streifenwanze Graphosoma lineatum L. (Heteroptera; Pentatomidae). Verh. Westd. Entom. Tag Düsseldorf, 171-184 Florenwerke BENKERT, D., FUKAREK, F. & H. KORSCH (1998): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Ostdeutschlands. Jena. SCHÖNFELDER, A. & A. BRESINSKY (1990): Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Bayerns. Stuttgart HAEUPLER, H, & P. SCHÖNFELDER (11989): Atlas der Farn- und Blütenpflanzen der Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart HARDTKE, H-J. & A. IHL (2000): Atlas der Farn und Blütenpflanzen Sachsens. Dresden GARVE, E. (1994): Atlas der gefährdeten Farn- und Blütenpflanzen in Nieder-sachsen und Bremen. Hannover

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-39-

KRIEGLSTEINER, J. G. (1991): Verbreitungsatlas der Grosspilze Deutschlands (West). Teil A. Nichtblätterpilze. Stuttgart SCHWERDTFEGER, F. (1975): Ökologie der Tiere BD.III. Synökologie. Hamburg, Berlin

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-40-

Anlage I Beispiele für die Nutzung naturnaher Gärten zum Erhalt und zur Förderung der Artenvielfalt 1. Beispiel:

1. Skabiosen-Flockenblume (Centaurea scabiosa L.) an Trockenmauern u. in naturnahen Bereichen - Wirtspflanze für Phytophage, Wildbienen u. andere Organismen

Abbildungen: Bildatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands, Nr. 2 872 Die Blüten-Pflanzen Mitteleuropas, Band 4, S. 447 Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs, Band 6, S. 276-278 Steckbrief der Pflanze: I - indigen, urwüchsig, H - Hemikryptophyt, s - sommergrün, 8 - Hochsommerpflanze, Blühsippe, ethnobotanische Bedeutung als Zauberpflanze, Hexenpflanze u.a., A, AV, M1-2, F, K - Alpen bis Nordsee, RL- nicht gefährdet, Z - Zierpflanze, Pflanzen-Höhe: 30-200 cm; Blühzeit: VI-X, Pflanze enthält Flavone

- Magerrasen auf Fels (Silikat u. Kalk),- Trocken- und Halbtrockenrasen (kalkreich)

- Staudenfluren und Säume trockener Standorte, - stickstoffreiche Standorte (z. B. Bahndämme), - in kurzzeitigen Ruderalfluren, - Siedlungsbegleiter, - an Burganlagen,

- autobahnbegleitende Pflanze, - unversiegelte Parkplätze Lichtzahl 7 (Halblichtpflanze); Temperaturzahl x; Feuchtezahl 3 (Trockniszeiger); Reaktionszahl 8 (schwacher Kalkzeiger); Stickstoffzahl 4 (an mäßig stickstoffreichen Standorten) - X – indifferentes Verhalten Wichtige Begleiter: Wiesen-Salbei (Salvia pratensis), Saat-Esparsette (Onobrychis viciifolia), Kleine Bibernelle (Pimpinella saxifraga), Stengellose Kratzdistel (Cirsium acaule), Kleiner Wiesenknopf (Sanguisorba minor), Tauben-Skabiose (Scabiosa columbaria), Großblütige Braunelle (Prunella grandiflora), Ovalblättriges Sonnenröschen (Helianthemum nummularium ssp. obscurum), Büschel-Glockenblume (Campanula glomerata), Kriechende Hauhechel (Ononis repens), Feld-Thymian (Thymus pulegioides) u.a. Tiere, die sich an Skabiosen-Flockenblumen entwickeln und gefördert werden könnten: Gallwespe, Isocolus scabiosae - entwickelt sich im Wurzelhals Rüsselkäfer, Larinus planus - entwickelt sich im Blütenkopf Blattkäfer, Sphaeroderma rubidum - Minierer in Blättern Skabiosen-Flockenblumen-Rüsselkäfer, Rhynchaenus ermischi - Mine der Larve an den Blattspitzen der Fiedern, Larven überwintern in der Galle Klein-Schmetterling, Coleophora didymella - Mine in Blättern, Larve überwintert Skabiosen-Flockenblumen-Bohrfliege, Phytomyza cinerea

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-41-

- mehrere Larven in der Blattmine Blauer Kräuterbock (Agapantia violacea) - Larve entwickelt sich auch in Stengeln von Knautia, Echium u. Salvia Blütenbesuch durch geschützte Tagfalter (Blutströpfchen), Wildbienen der Gattungen Anthidium, Dasypoda, Heriades, Hylaeus, Osmia, Tetralonia, Andreana, Anthophora, Ceratina, Halictus, Lasioglossum, Megachile Blüten werden als Nahrungsquelle von Vogelarten genutzt, weitere Insekten- und Spinnenarten nutzen die Blüten als direkte Nahrungsquelle bzw. als Plattform zum Beutefang

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-42-

Anlage II Beispiele für die Nutzung naturnaher Gärten zum Erhalt und zur Förderung der Artenvielfalt . 2. Beispiel: Zitronenfalter – Gonepteryx rhamni (L., 1758) Insekt des Jahres 2002 F r ü h j a h r s b o t e Abbildungen: Band 1 EBERT, G. (1991): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs, S. 269-276 Steckbrief der Art: Flugzeit vom 1.1. bis 25. 12. (Beobachtungen in Baden-Württemberg), Schlupf der neuen Falter im Sommer ab Juni bis Mitte August, Falter besuchen gern violette Blüten zur Nahrungsaufnahme (z. B. Blutweiderich - Lythrum salicaria). Im Frühjahr ist das „Sonnenbaden“ - eine leicht zu beobachtende Ausrichtung der Flügel senkrecht zu den Sonnenstrahlen – auffällig (Fachbegriff: Absorptionssonner). Nahrung im Frühjahr: Blüten mit violetten Farbanteilen wie Lerchensporn (Corydalis), Veilchen (Viola), Lungenkraut (Pulmonaria), auch gelb blühende Löwenzahn (Taraxacum) Geschlechtsdimorphismus: Flügel der Weibchen grün-weißlich gefärbt – die der Männchen gelb gefärbt Raupennahrung: Purgier-Kreuzdorn - Rhamnus cathartica L. Faulbaum - Frangula alnus Mill. Imaginalhabitate: Alle Lebensräume, in denen es Sonne und Blumen gibt. Gärten, Kleefelder, Waldsäume, Heckenränder und städtische Anlagen – Sehr wichtig sind Pflanzengesellschaften mit langen Blühphasen Kratzdistelgesellschaften oder steinkleereiche Ruderalfluren (für Ernährung) Spätblühende Sommerfliederarten (Buddleja) und bis zum Spätherbst blühende Blumenrabatten sind bedeutsame „Falter-Ernährungsstellen’. In der offenen Landschaft sind die Blüten von Cirsium oleraceum u. Cirsium palustre die wichtigsten Nahrungsquellen des Zitronenfalters Überwinterung im Freien auf der Unterseite immergrüner Pflanzen: Gewöhnliche Stechpalme (Ilex aquifolium), Gewöhnliche Mahonie (Mahonia aquifolia), Gewöhnlicher Efeu (Hedera helix) Brombeeren (Rubus) u.a. Gesamtverbreitung: Nordwestafrika, Europa, Kleinasien, Kaukasus, Ural bis China (fehlt in Nord-Skandinavien, Nord-Schottland, Madeira, Kanarischen Inseln und Kreta)

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-43-

Zitronenfalter im Garten sind ein deutliches Indiz für einen naturnahen Garten!

-45-

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

Neue Obstsorten und ihre Verwendung im Garten mit erforderlichen Pflegeformen Prof. Dr. Christa F i s c h e r Dresden

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-46-

Neue Obstsorten und ihre Verwendung im Garten mit erforderlichen Pflegeformen Gärten, Parks und Kleingartenanlagen sind Symbole und Kleinode der Kultur einer Gesellschaft. Sie reflektieren die Wertvorstellungen und Werte derer, die sie geschaffen haben. Ihre Wirkung für Freude, Erholung und Betätigung ist aus unserer Zeit nicht mehr wegzudenken. Unsere Kleingärten reflektieren auch eine große Breite der fachlichen Betätigung im Hinblick auf den Anbau von Obst. Vielseitige und spezifische Interessen und Kenntnisse sind für die verschiedenen Obstkulturen erforderlich, um ihnen den Erfolg zu sichern. Obst hat eine lange Kulturgeschichte. Seit Adam und Eva ist der Apfel zu einem Symbol geworden. An seinem Beispiel wird am deutlichsten, wie sich eine Obstart im Laufe der Jahrhunderte bis heute verändert hat, welchen unterschiedlichen Anforderungen er genügen muss. Betrachten wir die verschiedenen Nutzungsrichtungen für den Apfel, kommen wir schnell zu der Schlussfolgerung, dass nicht alle Apfelsorten für alle Nutzungsrichtungen geeignet sind. Die hauptsächlichen Nutzungsrichtungen für Obstsorten sind: Nutzung für den Erwerbsobstbau Bioanbau Haus- und Kleingarten Landschaftsgestaltung und Streuobstbau Industrielle und häusliche Verarbeitung. Bei der Obstart Apfel hat man durch eine Vielzahl von alten und neuen Sorten eine reiche Auswahl für die unterschiedlichen Nutzungsrichtungen. Diese Sortenvielfalt beim Apfel ermöglicht es auch, für den Anbau im Kleingarten die richtigen Sorten nach den eigenen Wünschen zu finden. Für den Anbau im Kleingarten sind aber bei der Sortenwahl einige Grundsätze zu beachten: • Sorten, die in den Kaufhallen angeboten werden, gehören im Anbau nur in die

Hände eines Fachmannes. • Für die Auswahl im Kleingarten müssen nicht nur der Geschmack, sondern vor

allem das Krankheitsverhalten einer Sorte beachtet werden, da in der Regel ein ordnungsgemäßer Pflanzenschutz unterbleibt.

• Von einigen bekannten alten Sorten sollte man sich trennen, da es genügend gute neue Sorten gibt, die weniger Probleme bereiten, wie z.B. die resistenten Sorten, u.a. die Pillnitzer Re-Sorten.

• Man sollte Bäume nur in anerkannten Baumschulen kaufen. Dort können Sie sicher sein, richtig beraten und beliefert zu werden.

• Zur Sorte gehört immer die richtige Unterlage. Diese richtet sich nach den Bodenverhältnissen in Ihrem Garten. Lassen Sie sich beraten und achten Sie beim Kauf darauf! Ansonsten stehen irgendwann einmal ‘Holzfabriken’ in Ihrem Garten, falls Sie eine stark wachsende Sorte wählen.

Der Kleingärtner, der eine nicht zu kleine Parzelle bewirtschaftet und geschickt plant, kann Äpfel für das ganze Jahr aus eigenem Anbau genießen. Zunächst erhalten Sie einen Überblick über Sorten in den verschiedenen Reifezeiten, die gut für den Kleingarten geeignet sind.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-47-

Sommer: Die ersten Früchte im Juli kann man vom ‘Weißen Klarapfel’ ernten, danach kommen ‘Piros’, nach ‘Piros’ dann ‘Reka’ und ‘Retina’ (stark wachsend !). Sie erinnern sich: Re-Sorten sind die resistenten Pillnitzer Neuzüchtungen, die Pi-Sorten stammen ebenfalls von Pillnitz, sind zwar nicht resistent, aber relativ robust und widerstandsfähig gegen Krankheiten. Herbst: Dankbare frühe Herbstsorten sind ‘Reglindis’, ‘Pia’ und ‘James Grieve’, danach reifen ‘Carola’, ‘Alkmene’, ‘Oldenburg’ (Massenträger !), ‘Pikant’, ‘Dülmener Rosenapfel’ (stark wachsend!). Auch ‘Resi’ und ‘Piflora’ sind ab Mitte September schon genußreif, diese halten sich aber schon etwas länger. Gleiches gilt für ‘Shampion’, wenn sich jemand an dieser Sorte versuchen will. Spätherbst bis Weihnachten: Noch häufig im Anbau anzutreffen sind die bewährten Sorten ‘Albrecht’, ‘Danziger Kantapfel’; ‘Berlepsch’, ‘Gascoynes Scharlachroter’, ‘Kaiser Wilhelm’, ‘Herrnhut’, ‘Jonathan’. Neuere Sorten, die sich bei entsprechendem Anbau als kleinkronige, lichte Spindel mit hervorragend gefärbten Früchten bedanken, sind ‘Elstar’ und ‘Jonagold’, weiterhin ‘Gala’. Auf Grund ihrer Resistenz-Eigenschaften können für den Selbstanbau von diesen roten Sorten aber lediglich empfohlen werden: ‘Berlepsch’, ‘Breuhahn’, ‘Herrnhut’, evtl. auch ‘Kaiser Wilhelm’ (stark wachsend!), in höheren Lagen auch ‘Albrecht’ (Massenträger). Die anderen Sorten sollten dem Fachmann vorbehalten bleiben. Natürlich bietet das neue Pillnitzer Sortiment ebenfalls exzellente Äpfel in dieser Reifegruppe. Aus der Pi-Serie sind vor allem die großfrüchtige Sorte ‘Pikant’ und ‘Pikkolo’ zu nennen. Von den resistenten Pillnitzer Sorten sind vor allem die etwas kleinfrüchtige, geschmacklich hervorragende Sorte ‘Resi’ sowie bei guter Ausreife auch ‘Reanda’ zu nennen. Auf die 2 neuen Sorten aus Pillnitz, ‘Rebella’ und ‘Regine’ sei schon einmal hingewiesen. ‘Rebella’ ist eine schön rotgelb gefärbte Frühwintersorte, die auf alle Fälle das Weihnachtssortiment ergänzen sollte. Winter: Bei guten Lagermöglichkeiten (kühler, feuchter Keller) können ‘Breuhahn’, ‘Kaiser Wilhelm’, ‘Berlepsch’, ‘Reanda’, aber auch ‘Renora’, ‘Resi’ und ‘Rewena’ einige Wochen über Weihnachten hinaus gelagert werden. Wer den Anschluß an die neue Ernte erreichen will, sollte die Sorten ‘Pilot’, ‘Pingo’, ‘Regine‘ und ‘Ontario’ wählen. ‘Pilot’ und ‘Ontario’ schmecken ab Februar / März erst richtig. ‘Regine’ schmeckt ab Januar gut. ‘Regine’ ist die am spätesten reifende Pillnitzer Re-Sorte und sollte künftig in ein ‘Ganzjahressortiment’ aufgenommen werden. Besonders sei noch auf ‘Pinova’ hingewiesen, eine Sorte mit hervorragendem, süßen Geschmack, die bereits ab Oktober genußreif ist, sich aber bei kühler und genügend feuchter Lagerung bis April im Keller halten kann. Allerdings verlangt die Sorte obstbauliche Kenntnisse bezüglich Schnitt, Ausdünnung und Baumerziehung, da die Früchte sonst auf Grund des überreichen Ertrages zu klein bleiben. Von ‘Jonagold’, ‘Golden Delicious’ oder ‘Elstar’, die sich alle gut lagern lassen, ist abzuraten. Mit denen wird nur der Fachmann fertig. Alle genannten neuen Pi-Sorten ("Pi" von Pillnitz) und Re-Sorten („Re“ von Resistenz) haben die für Gärten und kleine Anlagen so vorteilhafte geringe bis mittlere Wüchsigkeit gemeinsam (außer ‘Retina’, diese wächst stark - beim Kauf auf schwach wachsende Unterlage achten !). Dabei tragen sie reich und regelmäßig und ihre Früchte sind sehr ansprechend gefärbt und ohne Rost. Im Schnitt bereiten sie keine besonderen Probleme und sind für alle Obstbau-Enthusiasten im Garten

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-48-

beherrschbar. Ihre Krankheitsanfälligkeit ist gering. Allein schon mit den Pillnitzer Sorten kann eine ganzjährige Apfelversorgung erreicht werden. Es sind sehr viele Eigenschaften einer Sorte, die es zu berücksichtigen gilt. In der Züchtung und in der Genbank Obst werden mehr als 40 Merkmale bewertet, um eine Sorte einigermaßen zu charakterisieren. Aussehen der Früchte oder ihr Verhalten auf dem Lager sowie zahlreiche Krankheiten oder Schädlinge spielen eine große Rolle. Andererseits können bestimmte Geschmacksrichtungen auch einen ausgesprochenen Liebhaberwert einer Sorte ausmachen, dort nimmt man dann andere Nachteile gern in Kauf. Wer zum Beispiel auf eine ‘Goldparmäne’ nicht verzichten will, muss mit ihrer Alternanz, ihrem Wuchs und ihrer Empfindlichkeit für Blutläuse vorlieb nehmen. Die Re-Sorten haben sich international als Begriff für Resistenz (= aus Pillnitz stammende Sorten mit Resistenz gegen verschiedene Krankheiten) etabliert. Von der ersten Generation dürften sich RETINA und REGLINDIS als wohlschmeckende Frühsorten durchgesetzt haben. Mit REWENA, RENORA und REANDA stehen drei mehr säuerliche Sorten im Angebot. Zahlreiche Verkostungen mit Früchten dieser Sorten zur richtigen Reifezeit überzeugten vor allem diejenigen, die gern säuerliche Sorten verlangen, wobei Reanda immer bestens bewertet wurde. ‘Rewena‘ ist zudem ein sehr guter Apfel für Diabetiker. Einzelheiten über diese Sorten sind in zahlreichen Veröffentlichungen beschrieben worden. Mit der neuen Generation von Re-Sorten, die ab 1995 von Pillnitz zur Vermehrung freigegeben wurden, dürfte den Pillnitzer Züchtern auch der Durchbruch zu aromatischen und mehr süßen Sorten gelungen sein. RESI als Spätherbst- bzw. Frühwintersorte schmeckt bereits vom Baum ausgezeichnet und findet mehr und mehr Liebhaber. Diese Sorte ist nur richtig auszudünnen, um zu ausreichenden Fruchtgrößen zu kommen. REBELLA wird in ihrer Resistenz von keiner bisher bekannten Tafelapfelsorte übertroffen. In der Genbank Obst in Pillnitz war ‘Rebella‘ die einzige von 1000 (!) geprüften Sorten, die ohne jede Fungizidbehandlung auch ohne jeden Schorf- und Mehltaubefall blieb. Sie ist zusätzlich noch resistent gegenüber Feuerbrand, Spinnmilben und Bakterienbrand und toleriert tiefe Wintertemperaturen sehr gut. In Geschmackstests schnitt sie in mehreren Versuchsanstalten immer ausgezeichnet ab. Mehrere Re-Sorten sind gerade wegen ihrer Unempfindlichkeit gegenüber Feuerbrand eine echte Alternative zu den anfälligen Sorten. Und - darauf sind die Pillnitzer Züchter auch ein wenig stolz - das hebt die Re-Sorten auch gegenüber zahlreichen neuen resistenten Sorten aus dem Ausland besonders hervor. Für Kleinanbauer und Freizeitgärtner sind die Re-Sorten inzwischen unverzichtbar. Hier ist die angebotene Palette willkommen, erfüllt sie doch die unterschiedlichsten Verbraucherwünsche bezüglich Reifezeitstaffelung, Geschmacksrichtung und Verwendungsmöglichkeiten. Ihre Akzeptanz nimmt ständig zu. Der Bedarf an aufklärenden Informationen ist ungebrochen. Dem soll auch weiterhin Rechnung getragen werden. Auf einige besondere Aspekte für die Pillnitzer Apfelsorten möchte ich hier hinweisen:

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-49-

Die Pillnitzer konventionellen und resistenten Apfelsorten wurden auf ihre Eignung für verschiedene Nutzungsrichtungen geprüft. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt. Zahlreiche Ergebnisse liegen über das Resistenzverhalten der Pillnitzer Re-Sorten® im Vergleich zu resistenten ausländischen Apfelsorten vor (Tabelle 2). Ein besonderes Markenzeichen der Re-Sorten ist ihre Mehrfachresistenz. Damit lassen sich gegen verschiedene Schaderreger Pflanzenschutzmaßnahmen stark einschränken. Da die Apfelsorten nicht selbstfruchtbar (selbst bestäubend), wie z. B. die Sauerkirschensorte ‘Schattenmorelle‘, sind, brauchen wir für die Fruchtbildung Befruchtersorten. Für zahlreiche neue Apfelsorten liegen gesicherte Ergebnisse dazu vor (Tabelle 3). Im Folgenden sollen verschiedene Pillnitzer Neuzüchtungen beschrieben werden. Pi-Sorten für den Frischverzehr PIROS (Helios x Apollo), Sortenschutz, Zulassung 1985 ‘Piros’ ist eine attraktive, qualitativ hochwertige Sommersorte mit der Genußreife im August und ersetzt ‘Klarapfel’, ‘Vista Bella’ und ‘Stark Earliest’. Die Sorte wächst mittelstark, verzweigt aber schwach und bildet viel kurzes Fruchtholz. Die Krone ist locker und erfordert nur geringen Schnittaufwand. Als Unterlagen werden M 26, Supporter 4 (Pi 80) und auf sehr guten Böden M 9 empfohlen. Der Ertrag setzt früh aber langsam ein, ist später hoch und regelmäßig. Geeignet für Erwerbs- und Bioanbau sowie Anbau im Haus- und Kleingarten. PIA (Idared x Helios), Sortenschutz, Herausgabe 1996 ‘Pia’ ist eine farbige Spätsommersorte mit hoher Fruchtqualität mit der Genussreife im September/Oktober. Sie kann auf Grund ihrer geringen Neigung zu Krankheiten in der Reifegruppe ‘Mantet’, ‘Summerred’ und ‘James Grieve’ ersetzen. Die Sorte wächst mittelstark, verzweigt sich ähnlich der Elternsorte ‘Helios’ nur wenig. Als Unterlage wird M 9 empfohlen. Auf M 26 kann die Sorte bei optimalen Wachstumsbedingungen schon zu stark wachsen. Der Ertrag setzt früh ein und ist mittelhoch. Geeignet für Erwerbsanbau sowie Anbau im Haus- und Kleingarten. PIRELLA -Synonym ‘Pirol’- (Golden Delicious x Alkmene), Sortenschutz, Herausgabe 1996 ‘Pirella’ ist eine attraktive, farbige Herbstsorte mit hervorragender Fruchtqualität und regelmäßig hohen Erträgen in der Genussreifezeit September bis November. Sie wächst mittelstark, verzweigt sich gut und erfordert einen mittleren Schnittaufwand. Als Unterlagen eignen sich M 9 und M 26. Winterfrostlagen sollten vermieden werden. Der Ertrag setzt sehr früh ein und ist sehr hoch. Geeignet im Erwerbsanbau. PIFLORA (Idared x Golden Delicious), Sortenschutz, Herausgabe 1996 ‘Piflora’ ist eine farbige Frühwintersorte mit sehr guter Fruchtqualität und gleichmäßig mittelhohen Erträgen in der Genussreifezeit von Oktober bis Januar. Die Sorte wächst mittelstark mit mittlerer Verzweigung. Der Schnittaufwand ist mittelmäßig. Als Unterlagen werden M 9, Supporter 4 und M 26 empfohlen. Der Ertrag setzt früh ein und ist mittel bis hoch. Geeignet im Erwerbsanbau sowie Anbau im Haus- und Kleingarten.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-50-

PINOVA (Clivia x Golden Delicious), Sortenschutz, Zulassung 1986 ‘Pinova’ ist eine attraktive, qualitativ hochwertige, sehr ertragreiche und ertragssichere Winterapfelsorte in der Genussreifezeit November bis Mai. Die Sorte wächst schwach bis mittelstark, verzweigt sich gut und eignet sich sehr gut zur Erziehung als schlanke Spindel. Ein regelmäßiger Fruchtastumtrieb ist erforderlich. Als Unterlagen eignen sich M 9, Supporter 4 und M 26. Der Ertrag setzt sehr früh ein und ist sehr hoch. Auf Grund der sehr hohen Fruchtbarkeit der Sorte ist Fruchtausdünnung erforderlich. Geeignet im Erwerbsanbau. PINGO (Idared x Bancroft), Sortenschutz, Herausgabe 1996 ‘Pingo’ ist eine dunkelrote Winterapfelsorte mit sehr guter Fruchtqualität und hohen Erträgen in der Genussreifezeit November bis Mai. Die Fruchtqualität von ‘Pingo’ ist besser als die von ‘Idared’. Die Sorte wächst stark mit mittlerer bis starker Verzweigung. Der Schnittaufwand ist etwa so hoch wie bei ‘Golden Delicious’. Als Unterlagen sind schwachwachsende Unterlagen wie M 9 geeignet. Der Ertrag setzt früh ein und ist hoch. Geeignet im Erwerbs- und Bioanbau für Frischverzehr und Verarbeitung sowie für Anbau im Haus- und Kleingarten. PILOT (Clivia x Undine), Sortenschutz, Zulassung 1988 ‘Pilot’ ist eine attraktive, ertragreiche Spätwintersorte mit hoher Fruchtqualität in der Genussreifezeit von Februar bis Juni/Juli. Die Sorte wächst mittelstark bis schwach, verzweigt sich locker und eignet sich als schlanke Spindel. Der Schnittaufwand ist daher gering. Als Unterlagen werden M 26, Supporter 4 und M 9 empfohlen. Der Ertrag setzt früh ein, ist hoch und regelmäßig. Geeignet im Erwerbs- und Bioanbau für Frischverzehr und Verarbeitung. Re-Sorten® für den Frischverzehr RETINA (Apollo x schorfresistenter Zuchtstamm), Sortenschutz, im Handel seit 1991 ‘Retina’ ist eine mehrfach resistente, attraktive Spätsommersorte mit hoher Fruchtqualität in der Genussreifezeit August/September. Die Sorte wächst sehr stark und verzweigt sich stark. Daher sollte die Sorte nur auf schwach wachsende Unterlagen, M 9 und schwächer, veredelt werden. Der Schnittaufwand ist mittel bis hoch. Der Ertrag setzt früh ein und ist mittelhoch. Die Sorte ist resistent gegen Schorf und Spätfröste und nur gering empfindlich für Mehltau und Obstbaumspinnmilbe. Geeignet für Erwerbs- und Bioanbau sowie für Landschaftsgestaltung und Streuobstbau, für Haus- und Kleingarten. REGLINDIS (James Grieve x schorfresistenter Zuchtstamm), Sortenschutz, Zulassung 1990 ‘Reglindis’ ist eine mehrfach resistente, attraktive Frühherbstsorte mit hoher Fruchtqualität und hohen Erträgen in der Genussreifezeit September bis November. Die Sorte wächst mittelstark mit mittlerer Verzweigung und baut eine lockere Krone auf. Der Schnittaufwand ist mittelmäßig. Als Unterlagen können M 9, Supporter 4 und M 26 empfohlen werden. Der Ertrag setzt früh ein, ist hoch und regelmäßig. Die Sorte ist resistent gegen Schorf und Obstbaumspinnmilbe, gut verträglich für Winterfrost und Spätfröste und nur mäßig empfindlich für Mehltau und Feuerbrand. Geeignet für Erwerbs- und Bioanbau sowie für Anbau im Haus- und Kleingarten.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-51-

REBELLA (Golden Delicious x Remo), Sortenschutz, Herausgabe 1998 ‘Rebella’ ist eine sehr attraktive, mehrfach resistente Spätherbstsorte mit hoher Fruchtqualität und regelmäßig hohen Erträgen in der Genussreifezeit Oktober bis Januar. Die Sorte wächst mittelstark und breit in Form der schlanken Spindel und verzweigt sich mittelmäßig. Als Unterlagen eignen sich M 9 und M 26. Der Ertrag setzt früh ein und ist sehr hoch. ‘Rebella’ ist resistent gegen Schorf, Mehltau, Feuerbrand, Bakterienbrand, Obstbaumspinnmilbe, Spätfröste und Winterfrost. Geeignet im Erwerbs- und Bioanbau sowie im Haus- und Kleingarten. RESI (Clivia x schorfresistenter Zuchtstamm), Sortenschutz, Herausgabe 1996 ‘Resi’ ist eine farbige, mehrfach resistente Spätherbst-/Frühwintersorte mit hoher Fruchtqualität und hohem Ertrag in der Genussreifezeit Oktober bis Februar. Die Sorte wächst schwach, hat eine lockere Krone, verzweigt sich gut, regelmäßiger Fruchtastumtrieb ist erforderlich. Als Unterlagen werden M 26, Supporter 4, MM 106, A 2 und auf sehr guten Böden M 9 empfohlen. Der Ertrag setzt früh ein, ist hoch und regelmäßig. Bei sehr starkem Fruchtbehang ist Fruchtausdünnung erforderlich. Die Sorte ist resistent gegen Schorf, Bakterienbrand, Spätfröste und nur schwach anfällig für Feuerbrand, aber bis mittel anfällig für Mehltau. Geeignet im Erwerbs- und Bioanbau sowie im Haus- und Kleingarten. REANDA (Clivia x schorfresistenter Zuchtstamm), Sortenschutz, im Handel seit 1993 ‘Reanda’ ist eine mehrfach resistente, rote Wintersorte mit guter Fruchtqualität und hohen Erträgen in der Genussreifezeit von November bis Februar. Die Sorte wächst schwach, verzweigt sich wenig und neigt bei zu wenig Schnitt zur Verkahlung. Der Schnittaufwand ist gering. Als Unterlagen eignen sich die stärker wachsende Unterlagen Supporter 4, M 26 und MM 106. Der Ertrag setzt früh ein und ist hoch. Die Sorte ist resistent gegen Schorf, Feuerbrand, Spätfröste und wenig empfindlich für Mehltau. Geeignet im Erwerbs- und Bioanbau, für Frischverzehr und Verarbeitung. REGIA (Clivia x schorfresistenter Zuchtstamm), Sortenschutz, Herausgabe 2002 ‘Regia‘ ist eine mehrfach resistente, farbige Winterapfelsorte mit guter Tafelapfelqualität in der Genussreifezeit von Oktober bis Februar. Die Sorte wächst schwach bis mittelstark und breit, im Innern der Krone verkahlend. Der Schnittaufwand ist gering. Als Unterlagen eignen sich M 9, M 26 und MM 106. Der Ertrag setzt früh, ist mittelhoch und regelmäßig. Die Sorte besitzt eine stabil hohe Resistenz gegen Schorf, ist resistent gegen Mehltau, Feuerbrand und Bakterienbrand, ist winterfrosthart, aber empfindlich für Blütenfrost. Geeignet für Erwerbs- und Bioanbau sowie für den Haus- und Kleingarten. RENORA (Clivia x schorfresistenter Zuchtstamm), Sortenschutz, Herausgabe 1996 ‘Renora’ ist eine farbige, mehrfach resistente Winterapfelsorte mit guter Tafelapfelqualität und mittelhohen Erträgen in der Genussreifezeit Dezember bis April. Die Sorte wächst mittelstark, verzweigt sich mittelmäßig mit langem Neutrieb. Der Schnittaufwand ist mittel. Als Unterlage wird M 9 empfohlen. Der Ertrag setzt früh ein und ist mittel bis hoch. Die Sorte ist resistent gegen Schorf und nur mäßig empfindlich für Mehltau, Spätfröste und Winterfrost. Geeignet im Erwerbs- und Bioanbau sowie im Haus- und Kleingarten.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-52-

REGINE (Kurzcox x schorfresistenter Zuchtstamm), Sortenschutz, Herausgabe 1998 ‘Regine’ ist eine rote, mehrfach resistente Spätwintersorte mit guter Fruchtqualität und hohen Erträgen in der Genussreifezeit von Januar bis Juni. Die Sorte wächst schwach, verzweigt sich locker und neigt bei zu wenig Schnitt zur Verkahlung. Als Unterlagen eignen sich M 26 und M 9. Der Ertrag setzt früh ein und ist mittel bis hoch. Die Sorte ist resistent gegen Schorf, Feuerbrand, Obstbaumspinnmilbe, Winterfrost und Spätfröste, nur wenig empfindlich für Mehltau und Bakterienbrand. Geeignet im Erwerbs- und Bioanbau sowie im Haus- und Kleingarten. Re-Sorten® für die Verarbeitung REMO (James Grieve x schorfresistenter Zuchtstamm), Sortenschutz, Zulassung 1990 ‘Remo’ ist eine weinrote Herbstsorte für die Verarbeitung zu Säften, in sonnenreichen Lagen auch als Tafelfrucht. Die beste Verarbeitungszeit liegt von September bis November. Der Wuchs ist schwach mit einer lockeren Krone und dünnen Trieben. ‘Remo’ sollte auf stärker wachsende Unterlagen wie Supporter 4, M 26, MM 106, A 2 gepflanzt werden. Der Ertrag setzt sehr früh ein, ist sehr hoch und regelmäßig. Die Sorte ist resistent gegen Schorf, Mehltau, Feuerbrand, Winterfrost und Spätfröste. Geeignet für den Bioanbau und zur Verarbeitung, auch für den Haus- und Kleingarten für Liebhaber säuerlicher Früchte. REWENA (/Cox Orange x Oldenburg/ x schorfresistenter Zuchtstamm), Sortenschutz, im Handel seit 1991 ‘Rewena’ ist eine rote, mehrfach resistente Wintersorte für die Verarbeitung zu Säften und für den Frischverzehr in der Reifezeit Oktober bis Januar. Der Wuchs ist schwach, die Krone locker verzweigt. Der Schnittaufwand ist gering. ‘Rewena’ sollte auf stärker wachsenden Unterlagen stehen, Supporter 4, M 26, MM 106, A 2. Der Ertrag setzt früh ein, ist sehr hoch und regelmäßig. Die Sorte ist resistent gegen Schorf, Mehltau, Feuerbrand, Bakterienbrand und Spätfröste. Geeignet für den Bioanbau, Haus- und Kleingarten und zur Verarbeitung. ‘Rewena‘ hat sich als Apfel für Diabetiker bewährt. RELEIKA (Clivia x schorfresistenter Zuchtstamm), Sortenschutz, Herausgabe 1996 ‘Releika’ ist eine kräftig rote, mehrfach resistente, kleinfrüchtige Herbstapfelsorte für die Verarbeitung als Zucker- und Aromaträger in der Reifezeit Oktober bis Dezember. Für den Frischverzehr eignet sie sich sehr gut als süßer Kinder- und Weihnachtsapfel und für den Hobbygärtner als Zierbaum. Die Sorte wächst schwach, verzweigt sich gut und bedarf eines mittleren Schnittaufwandes. Als Unterlagen eignen sich M 9, Supporter 4, M 26, MM 106. Der Ertrag setzt sehr früh ein und ist sehr hoch. Die Sorte ist resistent gegen Schorf, Bakterienbrand, Obstbaumspinnmilbe, Spätfröste und nur wenig empfindlich für Feuerbrand. Geeignet für den Anbau im Haus- und Kleingarten speziell als Kinderapfel. RELINDA (Undine x schorfresistenter Zuchtstamm), Sortenschutz, im Handel seit 1993 ‘Relinda’ ist eine farbige, mehrfach resistente Spätwinterapfelsorte für die späte Verarbeitung zu Säften, in warmen Lagen auch für den Frischverzehr. Der Verarbeitungszeitraum liegt von November bis Mai. Der Wuchs ist mittel bis stark, mit guter Verzweigung, dichter Krone und mittlerem Schnittaufwand. Als Unterlagen werden M 9, Supporter 4 und M 26 empfohlen. Für den Streuobstanbau sind

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-53-

starkwachsende Unterlagen notwendig wie MM 106, A 2 oder M.Slg. Der Ertrag setzt etwas später als bei den anderen Re-Sorten ein, ist mittel bis hoch und regelmäßig. Die Sorte ist resistent gegen Schorf, Bakterienbrand und Winterfrost, und nur wenig empfindlich für Mehltau und Spätfröste. Geeignet für Bioanbau und zur Verarbeitung, für Landschaftsgestaltung und Streuobstbau. Spezielle Empfehlungen für Apfelsorten zum Anbau im Haus und Freizeitgarten sind in Tabelle 4 dargestellt: In den Spalten Pflück- und Genussreife sind die Monate angegeben, A, M, E = Anfang, Mitte, Ende. Die Zahlen in den folgenden Spalten sind sogenannte ‘Boniturwerte’, d.h., daß die ‘9’ der höchste Wert, also die beste Ausprägung des Merkmals ist, die ‘1’ die schlechteste. Fruchtgröße ‘5’ ist also ‘mittelgroß’, manche würden sie auch schon als ‘klein’ bezeichnen. Wirklich kleine Äpfel sind die Zieräpfel (Bonitur ‘1’ oder ‘2’). Sie werden diese Bonitur unter ‘5’ in der Tabelle nicht finden. Ähnliches gilt für den Geschmack: Es gibt wesentlich schlechter schmeckende Sorten als die ‘5’, die also immer noch geschmacklich mittelmäßig und damit vertretbar ist. Für die Bewertung der Krankheitsresistenz gilt die ‘9’ für ‘resistent’, also ohne Befall, die ‘1’ für hochgradig anfällig. Die Bewertungen in den Spalten ‘Resistenz gegenüber...’ sind zu wichten: Schorf z.B. kann man ohne ordentlichen Pflanzenschutz nicht bekämpfen, also ist Schorfresistenz wesentlich wichtiger als Mehltauresistenz. Mehltau kann man z.B. durch Abschneiden befallener Triebe im Garten durchaus beherrschen, wenn der Befall nur mäßig bleibt (d.h. bis Bonitur ‘5’ oder ‘6’). Ein Leerfeld in der Spalte ‘Feuerbrandresistenz’ heißt, dass wir noch nicht genügend sichere Ergebnisse vorliegen haben, also eine Bewertung noch nicht vornehmen können. Leider sind fast alle Sorten hochanfällig und es kommt darauf an, auf schnellstmögliche Beseitigung des Erstbefalls zu achten. Die Re-Sorten stellen bezüglich ihrer Unempfindlichkeit für Feuerbrand eine echte Alternative zu den anfälligen Sorten dar. Der Spalte ‘Bemerkungen’ können Sie auch bei den empfohlenen Sorten viele Besonderheiten entnehmen. Man muss aber bei Sortendiskussionen immer wieder darauf hinweisen, dass es DIE IDEALSORTE nicht geben wird und nicht geben kann, dazu sind die Ansprüche zu unterschiedlich und die biologische Vielfalt zu groß. Jede Sorte ist also ein Kompromiss. Auch hier gilt: Wer die Wahl hat, hat die Qual... Aber wer konkrete Vorstellungen über Reifezeit, Lagermöglichkeiten oder Geschmacksrichtung hat, wird sicher schnell fündig. Anschrift der Verfasser: Prof. Dr. Christa Fischer, Söbrigener Str. 15, D-01326 Dresden; Prof. Dr. Manfred Fischer, IPK Gatersleben, Genbank Obst Dresden-Pillnitz, Bergweg 23, D-01326 Dresden

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-54-

Tabelle 1 Sortenempfehlung für die Nutzung der Pillnitzer Apfelsorten (M. Fischer, 2002) Pi-Sorten aus der konventionellen Züchtung für Erwerbsanbau Piros, Pia, Pirella, Piflora, Pinova, Pingo, Pilot für Bio-Anbau Piros, Pingo, Pilot für Haus- und Kleingarten Piros, Pia, Piflora, Pingo für Landschaftsgestaltung keine Empfehlung und Streuobstbau für Verarbeitung Pikant, Pingo, Pilot Re-Sorten® aus der Resistenzzüchtung für Erwerbsanbau Retina, Reglindis, Resi, Reanda, Rebella, Renora, Regine, Regia für Bio-Anbau Retina, Reka, Reglindis, Resi, Reanda, Rebella, Rewena, Regia, Renora, Regine, Relinda für Haus- und Kleingarten Reglindis, Resi, Rebella, Regia, Renora, Regine, Retina – nur auf M9 spezifisch für Kinder Releika für Landschaftsgestaltung Retina, Reka, Relinda, Rewena und Streuobstbau für Verarbeitung Remo, Rewena, Rene, Relinda (Reglindis, Reanda, Renora)

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-55-

Tabelle 2 Multiple Resistenz im Pillnitzer Re-Sortiment im Vergleich zu ausländischen resistenten Apfelsorten (C. Fischer, 2001) Re-Sorten® Resistenz gegen

Schorf Res.- quelle

Mehlt. Feuer-brand

Bakt.-Brand

Obstb.-Spinn Milbe

Spät-frost

Winter-frost

Reanda x Vf (x) x o # x o Rebella (x) Vf x x x x x x Regia Regine

x x

Vr Vf

x (x)

x x

(x) (x)

o x

o x

x x

Reglindis x VA (x) (x) o x x x Reka x Vr (x) o x # # (x) Releika x Vf o (x) x x x # Relinda x Vf (x) o x # (x) x Remo (x) Vf x x o o x x Renora x Vf (x) o o o (x) (x) Resi x Vf o (x) x # x # Retina (x) Vf (x) o o (x) x # Rewena

x

Vf

x

x

x

o

x

o

Prima x Vf (x) (x) # Liberty (x) Vf o (x) Freedom x Vf o o Goldrush x Vf # # Enterprise x Vf o (x) Florina x Vf # o # Topaz (x) Vf o # Rubinola (x) Vf o # Rosana (x) Vf # # ___________________________________________________________________ x: resistent (x): mäßig resistent o: mäßig anfällig #: anfällig

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-56-

Tabelle 3 Befruchtersorten für wichtige und neue Apfelsorten (FISCHER 2001)

Vät

er

Elst

a r

Gal

a

Gol

den

Del

.

Idar

ed

Jam

es G

rieve

Jona

gol d Pia

Piflo

ra

Pilo

t

Ping

o

Pino

v a

Piro

l

Piro

s

Que

rina

Rea

nda

Reb

ella

Reg

ine

Reg

lindi

s

Rek

a

Rel

eika

Rel

inda

Rem

o

Ren

e

Ren

ora

Res

i

Ret

ina

Rew

ena

Rub

inet

te

Sham

pio n

Braeburn x x x x x x x Cox Orange x x x x

x x

Delbarestivale x x

Elstar u x x x u x x x x x x x x x x u Fiesta x x x x Fuji x x x x x Gala x u u x x u o u x x x o Golden Del. x u u x x u

x o x x x x x x x x x x x x x x x x o

Idared x u x x x x x x x x x x x x x x x x x x x Jonagold o x u x x u x o o x o x o o u x u Pia x x x x u x x x x x x x x x x x x x x x Piflora x o x x x u x x x x x x x x x x x x x Pilot x x x u x x u x x x x x x x x x x o Pingo x x x x o x u x x x x x x x x x Pinova x x x x u x x x x u x x x x x x x x x x x x Pirol x x x x x x x x x u x o x x x x x x x x x Piros x x x u x x x x x u x x x x x x Querina x x x x u u x x

Reanda x x x x x x o x u x x x x x x x x x

Rebella x x x x x x x x x x u x x x x x x x

Regia x x x x x x x x x x x x

Regine x x x x x x x x x x x x x u x x x x x x x Reglindis x x x o x x x x u x x x x x Reka x x x x x x x x u x x x x x x Releika x x u x Relinda x x x x x u x x x x x x Remo x x x x x x x x x x x x x u x x x x x Rene x x x x x x u x x Renora x x x x x x x x x x x u x x x Resi x x x x x x x x x x x o u x x Retina x x x x x o x x x x x x x x u x Rewena x x x x x x x x x x x x x x x x x u Rubinette x x x x

x x u

Shampion o o x x u

x x u

x Kombination fertil, Fruchtansatz über 15 % o Kombination teils fertil, Fruchtansatz 8 bis 15 % u Kombination steril ohne nicht geprüft Christa Fischer, 2001, Institut für Obstzüchtung Dresden-Pillnitz, BAZ

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-57-

Apfelsorten nach M. Fischer, Genbank Obst Dresden-Pillnitz, 1997) für den Haus - und Freizeitgarten

gegenüber

Resistenz

Empfehlung

Pflückreife

Genussreife

Ertrag

Fruchtgröße

Geschm

ack

Wuchsstärke

Unterlagen

Schorf

Mehltau

Feuerbrand

Winterfrost

für Haus- und

Bemerkungen

Kleingarten Alkmene M9 9 bis 11 8 6 8 8 M9 6 7 6 5 ja blütenfrostempfindlich Berlepsch M10 11 bis 3 7 6 8 7 M9, M26 3 6 3 5 bedingt nur für geschützte Lage Boskoop (Roter B.) E10 11 bis 3 6 8 7 9 M9 6 6 4 5 nein triploid, alterniert Braeburn A11 12 bis 4 5 7 6 6 M9, M26 3 2 3 5 nein nur für den Fachmann Breuhahn E9/A10 10 bis 4 5 6 6 5 M26, MM106 5 4 5 6 ja Früchte druckempfindlich Carola E9 9 bis 11 7 7 7 5 M26, MM106 7 6 5 5 ja neigt zur Alternanz Cox Orangen 9 9 bis 11 5 5 9 6 M26 8 2 3 4 nein nur für den Fachmann Discovery M8 8 bis 9 5 5 7 6 MM106 9 8 3 7 ja für geschützte Lagen Dülmener Rosen M9 9 bis 12 5 8 5 6 M26, MM106 9 7 3 6 ja

druckempfindlich, nicht winterfest

Elstar A10 10 bis 3 6 6 9 9 M9 3 2 3 4 nein nur für den Fachmann Florina 10 11 bis 3 7 6 5 8 M9 9 7 6 7 bedingt für wärmere Lagen Fuji E 10 12 bis 5 7 7 5 7 M26 5 8 3 7 neiin zu spät reif

Gala E9 10 bis 3 8 4 7 6 M9, M26, MM106 5 6 2 3 nein sehr süß, kleinfrüchtig

Gloster 10 11 bis 4 8 8 5 8 M9 5 8 3 4 nein zu stark wüchsig Golden Delicious 10 10 bis 5 8 6 6 5 M9, M26 1 5 5 5 nein nur für den Fachmann

Goldparmäne 9 10 bis 1 6 6 7 8 M9, M26 8 7 2 3 nein krankheitsempfindlich (Blutläuse)

Granny Smith E11 1 bis 5 7 6 4 5 M26 1 2 2 7 nein reift bei uns nicht aus Havelgold E9 9 bis 3 7 7 7 7 M9, M26 2 1 4 5 bedingt blütenfrostempfindlich

Herrnhut E9 10 bis

12 6 5 6 6 M26, MM106 8 6 3 9 ja auch für rauhe Lagen

Holsteiner Cox M9 10 bis

12 6 7 7 7 M9, M26 7 3 5 nein triploid, nicht windfest

Idared 10 12 bis 6 7 8 4 4 M9, M26, MM106 2 1 1 5 bedingt sehr guter Lagerapfel

Ingol E9/A10 11 bis 1 7 8 6 8 M9 5 5 4 7 bedingt gut im Norden

Jamba 8 8 bis 9 7 8 7 7 M9, M26 5 6 4 7 bedingt gut im Norden, stippegefährdet

James Grieve A9 9 bis 10 8 7 7 5 M26, MM106 3 6 4 5 ja folgernde Reife Jerseymac M8 8 bis 9 6 6 6 7 M26 2 6 3 7 nein stark folgernd Jonagold 10 10 bis 4 8 8 9 9 M9 3 5 3 2 nein nur für den Fachmann Jonagored 10 10 bis 4 8 7 8 8 M9 3 2 3 2 nein nur für den Fachmann Jonica 10 10 bis 4 8 8 9 9 M9 5 2 3 2 nein nur für den Fachmann

Kaiser Wilhelm 10 11 bis 4 7 7 5 8 M9, M26, MM106 6 5 8 ja sehr robust, triploid

Karmijn de Sonaville 9 9 bis 1 6 6 7 8 M9, M26 6 1 5 5 bedingt triploid, srhr anspruchsvoll Mantet E7 7 bis 8 4 7 7 6 M26, MM106 4 6 4 7 bedingt anspruchsvoll

McIntosh M9 10 bis

12 6 7 6 7 M9, M26 1 2 1 8 bedingt für Liebhaber, sehr frostfest

Melrose 10 12 bis 5 6 7 7 8 M9, M26 5 3 3 7 bedingt anspruchsvoll. gute Lagerfähigkeit

Mutsu 10 11 bis 5 7 8 7 8 M9 1 6 5 3 nein nur für den Fachmann, tripoloid

Oldenburg 9 9 bis 11 8 6 6 6 M9, M26, 5 7 1 7 ja nicht windfest

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-58-

Apfelsorten nach M. Fischer, Genbank Obst Dresden-Pillnitz, 1997) für den Haus - und Freizeitgarten

gegenüber

Resistenz

Empfehlung

Pflückreife

Genussreife

Ertrag

Fruchtgröße

Geschm

ack

Wuchsstärke

Unterlagen

Schorf

Mehltau

Feuerbrand

Winterfrost

für Haus- und

Bemerkungen

Kleingarten MM106

Ontario 10 3 bis 6 6 9 5 5 M26, MM106 2 3 5 2 ja frostgefährdet Pia E8 8 bis 10 7 9 8 6 M9, M26 2 5 3 5 ja edle Frühherbstsorte

Piflora E9 10 bis 2 7 7 8 7 M9, M26 5 6 5 5 ja pflegeleichter Frühwinterapfel

Pikant 9 9 bis 12 6 9 6 8 M9 5 6 2 7 ja attraktiver Weihnachtsapfel Pikkolo 9 10 bis 1 7 6 7 7 M9, M26 5 3 4 4 bedingt schleudernder Wuchs Pilot 10 2 bis 6 8 6 7 6 M9, M26 4 5 6 7 ja erst ab Februar genussreif Pingo 10 1 bis 5 7 8 7 7 M9, M26 4 6 3 5 ja Ersatz für Idared

Pinova 10 10 bis 4 9 6 8 4 M26, MM106 4 3 5 7 bedingt fachmännischer Schnitt erforderlich

Piros A8 8 6 7 8 6 M26 5 6 4 7 ja qualitativ beste Sommersorte

Reanda E9 10 bis 2 7 8 7 5 M9, M26 9 7 8 4 ja etwas säurebetont Reglindis A9 9 bis 11 7 6 9 6 M9, M26 9 7 7 7 ja attraktive Früchte Reka E8/A9 9 8 7 6 7 M9 9 8 5 6 ja nicht windfest

Relinda 10 11 bis 5 7 7 5 7 M26, MM106 9 8 5 7 nein für Streuobst, sehr robust, säurebetont

Remo 9 9 bis 11 9 7 5 4 M26, MM106 9 7 8 9 bedingt für warme Lagen, sonst nur für Saft

Renora 10 12 bis 4 7 7 7 7 M9, M26 9 5 7 6 ja ab Dez. genussreif, etwas säurebetont

Resi 9 9 bis 2 8 5 9 5 M26 9 5 7 3 ja idealer Kinderapfel Retina E8 8 bis 9 5 7 8 8 M9 9 5 6 4 ja nur auf M9 Rewena E9/A10 11 bis 2 8 6 6 4 M26, MM106 9 8 9 5 ja säurebetont, überreif fettend Rubinette 9 9 bis 12 6 5 9 7 M26 2 2 5 nein nur für den Fachmann

Shampion 9 9 bis 12 8 9 6 6 M26, MM106 2 5 3 3 bedingt nur virusfreies Pflanzgut verwenden

Summerred M8 8 bis 9 6 6 7 7 M26, MM106 1 2 7 bedingt für wärmere Lagen Vista Bella E7 7 bis A8 7 7 6 8 M9, M26 1 6 2 3 nein fällt stark, folgert

-59-

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

Integrierter Pflanzenschutz im naturnahen Garten erforderlich? Adalbert G r i e g e l Diplomgärtner Dorsheim

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-60-

Integrierter Pflanzenschutz im naturnahen Garten erforderlich?“ Da es sich bei Kulturpflanzen um verschiedene, durch Kreuzung und Veredelung hochgezüchtete Sorten handelt, könnten die Exemplare in einem natürlichen Biotop, den Konkurrenzkampf um den Standort gegen die "wilden" Lebensgenossen ohne Einbußen sicherlich oft nicht bestehen. Viele könnten vielleicht biologisch überleben. Ihre sortenspezifischen Eigenschaften aber, wie z.B. die typische Gestalt, prachtvolle Blüten, die Fähigkeit, einen großen Fruchtertrag anzusetzen und ihn bis zur Ernte ernähren zu können, Aussehen und Geschmack der Früchte, ein hoher Vitamingehalt sowie vieles andere, müsste geopfert werden. Wem geopfert werden? Mit welchen Gegenspielern haben die Kulturpflanzen zu kämpfen, lautet die Frage. Bis die Früchte und Blüten überhaupt für uns, und vorher vielleicht noch für die schädlichen Lebewesen, wie Krankheiten oder Schädlinge, zur Verfügung stehen können, werden die Pflanzen den unbelebten Wachstumsfaktoren, wie Klima, Boden und Chemikalien ausgesetzt. Belebte, parasitäre Schadursachen unterteilt man in Krankheiten, Unkräuter und Schädlinge. Krankheiten werden durch Mikroorganismen verursacht, die aktiv oder passiv in die Pflanze eindringen und dort eine Reaktion des Patienten auf diesen Angriff verursachen. Verfärbungen, Flecken, Formveränderungen, Ausscheidungen, Welkerscheinungen und Absterben der einzelnen Organe sind die bekanntesten Krankheitssymptome. Je nach der Aggressivität des Krankheitserregers und des Erkrankungsumfangs können die Krankheiten bei unterlassener Hilfe zum Tode des betroffenen Patienten-Pflanze führen. Unter „Unkräutern“ versteht man die Pflanzen einer Pflanzengemeinschaft, die dort wachsen, wo sie nicht wachsen sollen. Sie können an konkreten Standorten im Garten aus vielerlei Gründen unerwünscht sein.

- Sie konkurrieren mit den gewünschten d.h. mit den sog. Kulturpflanzen um die Nährstoffe und um das Wasser.

- Sie konkurrieren um Licht - sie beschatten die Kulturpflanzen. - Durch das Verdichten der Räume zwischen den Kulturpflanzen verhindern

die Unkräuter deren schnelles Abtrocknen, was die Infektion durch die Krankheiten begünstigt.

- Sie können Zwischen- oder Nebenwirte für Krankheiten und Schädlinge sein, was einen Befall der Kulturpflanzen erleichtert.

- Sie erschweren die Pflegemaßnahmen. - Manche, wie z.B. Moos, erhöhen Rutsch- und dadurch die Unfallgefahr. - Sie entsprechen nicht den individuellen, subjektiv legitimen Schönheits- oder

Ästhetikwünschen des Gartenbesitzes. Tierische Schädlinge verursachen bei den Pflanzen Gewebeverluste, sei es durch die Saug-, sei es durch die Fraßtätigkeit. Es kommt hier nicht auf die Größe des Tieres oder die seiner Mundwerkzeuge an. Die kleinsten Tierchen sind dabei

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-61-

meistens die gefährlichsten, weil sie sich bei günstigen Wetterverhältnissen, ungestört durch die Nahrungsknappheit, natürliche Feinde oder den Gartenbesitzer oft in relativ kurzer Zeit zu Millionen vermehren können. Und darauf kommt es an. Der Verlust des Pflanzengewebes durch die Fraß- oder Saugtätigkeit ist nicht der einzige, obwohl sicherlich der Hauptschaden. Durch die Verletzungen trocknet die Pflanze aus. Die Wunden werden zu Eintrittspforten für die früher genannten Krankheiten. Pflanzenschutz bedeutet - Pflanzen schützen Der Pflanzenschutz versucht durch geeignete Maßnahmen, Schäden durch Krankheitserreger, Schädlinge, Unkräuter und unbelebte Schadursachen an der Pflanze zu verhindern. Der "Pflanzenarzt" hat, genau wie der Human- und Tiermediziner, im Prinzip die gleiche Aufgabe: lebende Organismen vor Schäden zu schützen und, wenn möglich, die Gesundheit seiner Patienten wiederherzustellen. Die Pflanzenschutzmaßnahmen im Erwerbsgartenbau oder in der Land- bzw. Forstwirtschaft unterliegen strikter Rationalität. Sie werden erst dann durchgeführt, wenn die sog. wirtschaftliche Schadensschwelle überschritten wird. Das bedeutet, eine Vorbeugung bzw. Bekämpfung sollte erst bei der prognostizierten bzw. tatsächlichen Befallsstärke, bei der der zu erwartende Schaden bei Nichtbekämpfung höher zu werden droht als die Bekämpfungskosten, durchgeführt werden. Ein sogenannter ökologischer Anbau unterliegt dabei denselben Zwängen und Prinzipien. Da die Bekämpfungsbereitschaft dort niedriger als bei dem traditionellen Anbau ist und die Effizienz der Maßnahmen aufgrund des Verzichtes auf manche erfolgsgarantierenden chemischen Substanzen geringer wird, sind die Erträge schwächer und dadurch die Kosten pro geerntete Einheit höher. Diese Anbaubetriebe können nur dann existieren, wenn der Endverbraucher = Käufer bereit ist, eventuelle Schorfflecken auf den Äpfeln bzw. manche Schönheitsmakel der Zierpflanzen in Kauf zu nehmen. Da er daran glaubt, weniger belastete Pflanzen und dadurch gesündere Nahrungsmittel erworben zu haben, akzeptiert er die viel höheren Preise. Im Hobbybereich, also auch im naturnahen Nutz- und/oder Ziergarten, wo der „Zwang“ der Wirtschaftlichkeit prinzipiell fällt, braucht die Bekämpfungsbereitschaft sicherlich nicht immer rationell begründet zu werden. Ob der Hobbygärtner bereit ist, auf die Teile der Ernte oder der Blüte- bzw. der Blätterpracht zu Gunsten der Schaderreger zu verzichten oder vielleicht als ein Schönheitsfetischist mehr an Arbeit und Kosten zu investieren bereit ist, damit seine Pflanzen prachtvoller als die des Nachbarn sind, ist seine subjektive Entscheidung. Jeder Bürger eines demokratischen Landes, also auch wir, die Freizeitgärtner, haben das Recht darauf, selbst entscheiden zu dürfen, ob und inwieweit wir unser Eigentum, in diesem Fall unsere Pflanzen, vor Angriffen von außen schützen dürfen. Wie schützen? – das ist das nächste Thema.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-62-

Indirekte Pflanzenschutzmaßnahmen im Rahmen des integrierten Pflanzen-schutzes Wie ich schon früher angedeutet habe, sind viele unbelebte Wachstumsfaktoren die wichtigsten Erfolgsvoraussetzungen für gesunde Pflanzen überhaupt. Wir versuchen jetzt alle Maßnahmen zu systematisieren, die zwar keine Schadorganismen bekämpfen, aber trotzdem die Gesundheit der Pflanzen positiv beeinflussen. Sie sind demnach nicht als direkte Bekämpfungsmaßnahmen, sondern als indirekte, meistens kulturtechnische Schutzmaßnahmen zu sehen. Arten- und Sortenauswahl Ich habe schon gesagt, dass durch den Verzicht auf "Exoten" viele Probleme im Garten zu vermeiden sind. Nicht in jeder Region vom Bodensee bis nach Flensburg werden z.B. Weinreben angebaut. Die nördlichsten Weinbaugebiete sind eben die Mosel im Westen und Saale-Unstrut im Osten und das ist kein Zufall. Bei der Entscheidung für oder gegen die Hausrebe, sollte diese klimabedingte Tatsache durch den Freizeitgärtner in seinem eigenen Interesse berücksichtigt werden. Dazu kommt die Tatsache, dass Empfindlichkeit und (im Gegensatz dazu) Resistenz gegen Schaderreger erbliche, sortenspezifische Eigenschaften sind. Diese Kenntnisse sollten unbedingt bei Neupflanzungen berücksichtigt werden. Bei Radieschen z.B. kann man sich, im Falle der Unzufriedenheit, laufend für eine andere Sorte entscheiden. Bei Bäumen und auch bei Sträuchern handelt es sich um mehrjährige Pflanzen, deren eventuelle Auswechslung im Falle der unberücksichtigten Empfindlichkeit, relativ große Probleme und Kosten mit sich bringt. Ein Kompromiss zwischen den Vor- und Nachteilen einer gepflanzten Pflanzensorte muss bewusst getroffen, und darf nicht dem Zufall überlassen werden. Uns muss aber auch klar sein, dass Natur oft schneller und flexibler als die Züchtung ist. Die Resistenz der Sorten muss immer wieder relativiert werden. Manche Stachelbeersorten die z.B. noch vor einigen Jahren als resistent gegen den Stachelbeermehltau gekauft worden sind, sind inzwischen, als sie gerade reichlich zu tragen begannen, empfindlich geworden. Mehltau entwickelte eben Krankheitsstämme, die die Resistenz überbrückt haben. Soll man diese Sträucher ohne Rücksicht auf Verluste ausrotten um neue, heute noch als resistent geltende zu kaufen und zu pflanzen? Bei Pfirsichsorten und der Kräuselkrankheit, und praktisch überall bei allen resistenten Sorten, gilt das gleiche. Ernährung – Düngung Alle Pflanzen verlangen eine Vollernährung. Eine einseitige Ernährung gleicht der „Trennkost“, und das fördert bekanntlich die Abnahme des Gewichts, also auch die der gewünschten Ernte. Bittersalz liefert nur Magnesium, Hornmehl nur Stickstoff, Knochenmehl nur Phosphor und Kalzium – dies wird viel zu oft vergessen. Mit Hilfe von durchgeführten Bodenanalysen (alle paar Jahre) kann sowohl der pH-Wert als auch die allgemeine Nährstoffversorgung ermittelt und infolgedessen optimiert werden.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-63-

Ein armer Boden kann keinen reichen Ertrag und keine Blütenpracht bringen. Eine zu spät im Jahr durchgeführte oder einseitige Düngung schadet den Pflanzen mehr als sie hilft. Entsprechend dem individuellen Bedarf ernährte Pflanzen sind widerstandsfähiger – lautet die oft zitierte Devise. Für die sog. Schwächeparasiten gilt das schon. Vielen Schädlingen schmecken aber die optimal ernährten und deshalb „saftigen“ Früchte oder Blätter auch besser – kann man es ihnen verübeln? Nein, aber sich bewusst machen schon. Die optimale Ernährung stärkt prinzipiell die sortenspezifischen Eigenschaften. Wenn die Sorte aber erbgutbedingt empfindlich ist, wird sie dadurch nicht resistenter. Bodenbearbeitung und Humuswirtschaft Alle Maßnahmen, die die Wärme und Feuchtigkeit im Boden halten, helfen gleichzeitig den Luftaustausch des Bodens zu garantieren, sind aus Wachstums– und deshalb auch aus Pflanzenschutz-Gesichtspunkten günstig. Eine besondere Aufmerksamkeit verdient hier das Anreichern des Bodens mit organischer Masse, die einerseits die optimale Krümelstruktur des Bodens verbessert, andererseits die Nährstoffe liefert, und den Boden, mit leider oft nicht nur nützlichen Organismen versorgt. Damit Kompost dem Boden und dadurch den Kulturpflanzen nur Vorteile bringt, sind einige Hygieneprinzipien schon bei der Absicht der Kompostierung und auch darüber hinaus unbedingt zu beachten. Die Gemüsebeete sollten, aus dem Blickwinkel des Pflanzenschutzes, im Herbst umgegraben werden, damit die auf der Bodenfläche befindlichen schädlichen Mikroorganismen in die tieferen Schichten versetzt werden und die Schädlinge, die im Herbst die Bodentiefe gesucht haben, um sich vor dem Frost zu schützen, nach oben gebracht werden. Der Frost hat hier nicht nur eine "desinfizierende" Wirkung, sondern die Struktur des Bodens wird dadurch auch verbessert. Optimale Bodeneigenschaften fördern die „Selbstentseuchung“ des Bodens. Sie können viele Krankheits- und Schädlingsrisiken reduzieren und deshalb sollen sie zweifelsfrei gefördert werden. Alle Gefahren ausschalten können sie auch nicht. Fruchtfolge und Mischkulturen Die Pflanzen und auch ihre Reste scheiden verschiedene Substanzen aus, die das Wachstum der benachbarten und darauf folgenden Pflanzen positiv oder negativ beeinflussen können. Jede Pflanzenart entzieht dem Boden, um wachsen zu können, die Nährstoffe in einem für sie spezifischen Verhältnis. Ein mehrjähriger Anbau der gleichen oder verwandten Pflanzenarten auf demselben Beet führt zu einer einseitigen Verarmung des Bodens. Zusätzlich kumulieren sich im Boden ständig die früher erwähnten spezifischen Pflanzenausscheidungen. Die Population der pflanzentypischen, nicht nur bodenbürtigen Schaderreger wird immer höher. Infolge dieser Prozesse wachsen die gleichen Pflanzenarten auf demselben Beet Jahr für Jahr immer schwächer. „Bodenmüdigkeit“ ist der Begriff dafür.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-64-

Aus allen diesen Gründen ist zumindest ein 3-4jähriger Fruchtwechsel, in dem verschiedene spezifische Anforderungen der nacheinander folgenden Pflanzen berücksichtigt werden, das A und O des Gärtners. Bei manchen aufgetretenen Schadorganismen, wie z.B. Nematoden, ist der notwendige zeitliche Abstand zwischen den Wirtspflanzen auf demselben Beet noch länger. Durch die sog. Mischkulturen kann die gegenseitig positive Auswirkung von Pflanzen genutzt werden. Auch bei diesen, eindeutig förderungswürdigen agrotechnischen Maßnahmen müssen wir sachlich und realistisch bleiben. Unsere Gärten sind eben klein, die Entfernung der Beete sehr gering. Zusätzlich wird durch die Pflegemaßnahmen und oft leider mit dem Kompost vieles „Querbeet übertragen“, was man durch die Fruchtfolge eigentlich vermeiden wollte. In manchen Jahren, bei einem starken Befallsdruck und bei manchen Pflanzen, versagen auch diese Maßnahmen sogar gänzlich. „Petersilien-Bodenmüdigkeit“ ist das gravierendste Beispiel dafür. Abstand zwischen den Pflanzen, Pflanzenform Durch einen ausreichenden Reihen- und Pflanzenabstand wird nicht nur die verletzungsfreie Pflege der Pflanzen erleichtert. Der größere Abstand erschwert schlicht und einfach die gegenseitige Infektion durch Schaderreger. Zusätzlich findet eine bessere Lüftung des Mikroklimas zwischen den Pflanzen sowie ein schnelleres Abtrocknen der Pflanzen und der Erdfläche nach dem Regen oder Gießen statt. Da die meisten Pilzsporen und Bakterien nur in Wassertropfen keimen können, haben sie dadurch weniger Zeit, die Pflanzen zu infizieren. Der Pflanzenabstand und die gewählte Baumform sollten der Wachstumsstärke angepasst werden. Hier sind sowohl die Wachstumsstärke der Baumunterlage als auch die der Edelsorte zu berücksichtigen. Durch einen sachgerechten Schnitt sollte für lockere Kronen gesorgt werden, die nach Niederschlägen und morgens schneller abtrocknen. Auch der Schnitt der Gurkenpflanzen oder das Ausgeizen der Tomaten und deren Führung an Gerüsten oder Stützpfählen dient demselben Zweck. Zusätzlich werden dabei selbstverständlich auch die Lichtverhältnisse und dadurch die Assimilationsprozesse positiv beeinflusst, was schließlich auch der Gesundheit der Pflanzen zugute kommt. Auch die Unkrautbekämpfung ist nicht nur eine Entfernung der Konkurrenz, sie begünstigt das Mikroklima zwischen den Pflanzen. Die Infektionsgefahr durch pilzliche und bakterielle Krankheiten, die eine lang anhaltende Befeuchtung der Pflanzenorgane brauchen, wird dadurch leider nur reduziert, nicht beseitigt. Wenn der „Wettergott“ nicht mitspielt, nutzt es relativ wenig. Aussaat- und Pflanzzeit, Erntezeit Durch einen frühen oder späteren Zeitpunkt der Aussaat oder des Pflanzens kann die Hauptzeit der Eiablage mancher Schädlinge, z.B. der Möhrenfliege, „aus dem Weg" gegangen werden.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-65-

Die nach Ablauf der Vegetationsperiode länger als nötig auf den Beeten gelassenen Gemüsepflanzen können nicht nur durch Frost gefährdet werden. Leider können nur einige Probleme durch diese Maßnahmen gelöst werden. Pflanzenpflege und Pflanzenstärkung Alle kulturtechnischen Pflegemaßnahmen, die dem optimalen Wachstum der Pflanzen dienen, stärken die Abwehrkräfte und reduzieren dadurch das Erkrankungs- und Beschädigungsrisiko. Nicht mehr und nicht weniger. Verschiedene Pflanzenauszüge, Jauchen oder Tees, die von Generation zu Generation als "Oma-Wunder-Hausrezepte" gepriesen werden, bewirken zwar keine Wunder, aber sie stärken oft die Pflanzen. Da nicht alles Natürliche für Mensch und Tier ungefährlich ist, ist auch beim Umgang mit solchen Hausmitteln ein vernünftiger Menschenverstand gefragt. Auch die Industrie bietet "Pflanzenstärkungsmittel" an, die die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen gegen schädliche Organismen erhöhen. Diese Produkte dürfen, genau wie alle Pflanzenschutzmittel, nicht durch die Selbstbedienung verkauft werden. Der Gesetzgeber hat sich schon etwas dabei gedacht. Die Stärkung der eigenen Abwehrkräfte reduziert nur das Befallsrisiko, und nur dann, wenn sie rechtzeitig durchgeführt wird. Sie beugt keinen Befall vor und diesen bekämpfen, kann sie in keinem Fall. Wasserversorgung und Gießgewohnheiten Das übermäßige Austrocknen der Wurzelballen soll, genauso wie die Staunässe, vermieden werden. Abgestandenes, also nicht zu kaltes, meistens weicheres Regenwasser wäre für das Gießen das Optimalste. Der größte Fehler, der zur Förderung der Infektion durch viele Krankheiten führt, lässt sich durch den Verzicht auf abendliches Pflanzengießen - besonders Sprengen vermeiden. Die am Abend befeuchteten Pflanzen bleiben meistens nachtsüber, also stundenlang feucht. Das reicht aus, damit die Pilzsporen auf den Blättern, Blüten oder Früchten keimen können. Durch eine Folienüberdachung kann die Blattbefeuchtung durch Regen und dadurch das Infektionsrisiko durch manche Pilze erfolgreich reduziert werden. Direkte Pflanzenschutzmaßnahmen im Rahmen des integrierten Pflanzenschutzes Diese Gruppe von Maßnahmen gilt direkt dem Krankheitserreger, dem Schädling bzw. der Unkrautpflanze. Das Ziel dieser Maßnahmen ist, den Schaderreger zu beseitigen oder den Schaden durch einen direkten Angriff zu verhindern. Dazu gehören:

- mechanisch-physikalische Maßnahmen - biotechnische Maßnahmen - biologische Maßnahmen - chemische Maßnahmen

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-66-

Mechanisch-physikalischer Pflanzenschutz Durch verschiedene mechanische Barrieren kann der Zugang der Schädlinge zu den einzelnen Pflanzen oder ganzen Beeten erschwert, und dadurch die Beschädigung ausgeschlossen oder zumindest reduziert werden. Das Pflanzen der Bäume in Drahtkörben schützt gegen die Wühlmäuse, wie auch die Abdeckung der Beete mit Kulturschutznetzen gegen die Gemüsefliegen und andere Schädlinge schützt. Auch die Schneckenbarrieren funktionieren nach demselben Prinzip. Der Schnitt der befallenen Organe, ein Chirurg würde es eine Amputation nennen, wird meistens bei Krankheiten empfohlen, wo es darum geht, die Infektionsherde (z.B. Monilia Spitzendürre, Apfelmehltau, Krautfäule der Tomaten usw.) zu entfernen. Auch die Entfernung des Falllaubes kann einen Sinn haben, wenn dadurch die weitere Ausbreitung des Schaderregers zumindest beschränkt werden kann. Diese Maßnahmen müssen, wenn sie einen Sinn haben sollen, rechtzeitig (am besten noch im Herbst) durchgeführt werden, bevor es im Frühjahr zur Bildung von Millionen, für die Verbreitung verantwortlichen Pilzsporen kommt. Apfelschorf oder Kastanienminiermotte können hier die Beispiele sein. Bei vielen Rostkrankheiten kann durch eine ausreichende Entfernung der Nebenwirte die Weiterentwicklung der Krankheit total unterbrochen werden. In Gärten, besonders in der Nähe der Friedhöfe oder Parkanlagen, ist eine solche Einigkeit bei allen Beteiligten praktisch unmöglich. Deshalb werden Jahr für Jahr im Frühjahr von den Wacholdern die Birnen und im Herbst umgekehrt, ständig infiziert. Die Entfernung der ganzen Pflanzen ist dann notwendig, wenn die Pflanzen mit vertretbaren Mitteln nicht mehr zu retten sind, oder wenn von den Pflanzen die Gefahr ausgeht, andere Pflanzen mit schwer oder sogar überhaupt nicht bekämpfbaren Krankheiten, manchmal auch Schädlingen, zu infizieren. Manche Krankheiten, wie der bakterielle Feuerbrand, fallen aufgrund ihrer enormen Gefährlichkeit für ganze Bestände sogar unter die Quarantänebestimmungen. Die Rodung befallener Bäume kann in solch einem Fall behördlich angeordnet werden. Auch bei manchen pilzlichen Krankheiten, wie z.B. Rhizomfäule der Erdbeeren, ist es für den restlichen Bestand besser, die erkrankten Pflanzen samt des ganzen Wurzelballens aus dem Garten zu entfernen. Der größte Fehler wäre, den Komposthaufen mit solchen Pflanzen bzw. Pflanzenteilen zu "verseuchen". Auch bei vielen Schädlingen kann der Schnitt der Triebe (z.B. mit dem Ringelspinner) oder die Entfernung der Blätter (z.B. Stachelbeerblattwespe) die Beseitigung der Eigelege und dadurch die Reduzierung weiterer Schäden bedeuten. Auch die Schädlinge selbst, einzeln oder in ganzen Kolonien (z.B. Kartoffelkäfer, Schnecken oder Gespinste der Apfelbaumgespinstmotte) können, bevor sie weitere Schäden anrichten, mechanisch entfernt bzw. beseitigt werden. Für die Verpuppungskokons (z.B. Fruchtschalenwickler), die befallenen Knospen (z.B. Erdbeerblütenstecher) oder die befallenen Früchte (z.B. Schwarze Pflaumensägewespe) gilt das gleiche Prinzip. Bei kleinsten, meistens in großer Zahl auftretenden Schädlingen, wie z.B. Blattläuse oder Spinnmilben usw., ist eine mechanische Bekämpfung der einzelnen Exemplare

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-67-

praktisch undurchführbar. Aber auch bei so kleinen Schädlingen kann es vernünftig sein, die ganzen befallenen Triebabschnitte (z.B. die mit einer Kolonie der Mehligen Blattlaus) zu entfernen, bevor die Schädlinge auf die nächsten Triebe übergreifen. Eine rechtzeitige Entfernung der "Rundknospen" beim Befall durch die Johannisbeergallmilbe gehört auch zu dieser Gruppe der Maßnahmen. Auch Unkräuter werden im Garten in den allen meisten Fällen mechanisch durch Jäten oder Hacken bekämpft. Nicht alles aber kann und will per Hand abgepflückt oder zerdrückt werden, auf das Ausmaß des Befalls kommt es an. Durch die Entfernung der ganzen, unter Umständen heilbaren Pflanzen oder deren Teilen tun wir das, was die Schaderreger machen, wir reduzieren nämlich sogar eigenhändig die Assimilationsfläche, entfernen das, was wir eigentlich schützen wollten. Der Sinn solcher Maßnahmen müsste gründlich überlegt werden. Biotechnischer Pflanzenschutz Bei biotechnischen Pflanzenschutzmaßnahmen werden natürliche Reize oder Reaktionen der Schädlinge ausgenutzt. Abschreckstoffe, die sog. Repellens, werden in Zukunft sicherlich auch im Garten an Bedeutung gewinnen. Durch Vogelscheuchen oder akustische Signale können Vögel z.B. von reifen Kirschen ferngehalten werden. Manche Insekten werden von spezifischen Farbtönen angelockt. Geleimte Gelbfallen werden zum Fangen der Kirschfruchtfliegen und der weißen Fliege verwendet, was zur Reduktion des Befalls führt. Von der weißen Farbe fühlen sich die Sägewespen (Apfelsägewespe und Pflaumensägewespe), von der blauen Farbe manche Thripse angelockt. Die Leimtafeln werden deshalb zur Reduzierung des Befalls oder zur Feststellung des Schädlingsaufkommens genutzt. Sexuallockstoffe, auch Pheromone genannt, gewinnen besonders im Obstgarten Jahr für Jahr an Bedeutung. Apfelwickler- und Pflaumenwicklerfallen werden sogar als Produkte für den Hobbygärtner angeboten. Die männlichen Falter werden dabei durch den "Weibchenduft" in die Falle gelockt, wo sie auf dem Leim kleben bleiben oder chemisch bekämpft werden. Die Weibchenbefruchtung wird dadurch reduziert, was sich besonders bei schwachem Befallsdruck auf die Zahl der wurmigen Äpfel oder Pflaumen positiv auswirkt. Bei den Leimgürteln handelt es sich zwar um eine physikalische Barriere, bei der Frostspanner-Bekämpfung allerdings werden auch diese als biotechnische Produkte gesehen. Die flügellosen Weibchen des Frostspanners krabbeln nämlich, getrieben durch ihren natürlichen Vermehrungsdrang, den Baumstamm empor, um auf dem Baum von den beflügelten Männchen begattet zu werden. Die auf dem Stamm aufgelegten Leimringe werden ihnen zum Verhängnis. Mit Fanggürteln aus Wellpappe kann man die Raupen des Apfelwicklers oder die des Pflaumenwicklers dazu provozieren, diese als Verstecke zur Verpuppung zu nutzen. Eine regelmäßige Kontrolle und anschließende Beseitigung der sich darin

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-68-

befindenden Larven fällt schon in den mechanisch-physikalischen Bekämpfungsbereich. Auf die „Kohlkragen“ werden Eier der Kohlfliege abgelegt, die dann samt der Manschetten entfernt werden können. Alle hier genannten Fallen-Arten reichen erfahrungsgemäß bei schwachem bis mittelstarkem Befall, und leider nur für einzelne Schädlingsarten, aus. Bei einem starken Befallsdruck können und sollen sie als ein perfektes standortspezifisches Prognoseinstrument genutzt werden. Sie helfen nämlich zu entscheiden, ob überhaupt, und wenn ja, wann exakt die Schädlinge biologisch oder chemisch am effizientesten zu bekämpfen sind. Der biotechnische Bereich, die sehr kontrovers diskutierte Gentechnik gehört auch dazu, verspricht die größten Entwicklungsfortschritte. Leider, wie es beim Fortschritt manchmal ist, verbirgt er auch Risiken. Biologischer Pflanzenschutz Der biologische Pflanzenschutz bedeutet den Einsatz von natürlichen Feinden der Schädlinge. Im breiteren Sinne wird auch die Schonung der in der Natur lebenden natürlichen Gegenspieler mit Recht dazugezählt. Manche versuchen unter dem Begriff „biologischer Pflanzenschutz“ auch andere Maßnahmen unterzubringen. Es geht nämlich um den Einsatz von pflanzlichen Extrakten, Jauchen oder Tees für die Bekämpfung der Schädlinge. Da es sich hier nicht um lebende Organismen, sondern um die zwar aus der Natur hergestellten, aber doch durch ihre Chemie wirkenden, ab gewissen Konzentrationen unter Umständen auch für den Anwender und für Nützlinge gefährlichen Stoffe handelt, müssten sie eindeutig als chemische Maßnahmen gesehen werden. Tabakbrühe (Wirkstoff Nikotin) und die Brennnesselbrühe (Ameisensäure und andere Wirkstoffe) sind die unrühmlichsten Beispiele dafür. Im Garten gibt es eine ganze Reihe von nützlichen Tieren, die als natürliche Feinde der Blattläuse, Schildläuse, Spinnmilben und anderer Schädlinge gelten. Die bekanntesten nützlichen Tierchen sind die Florfliege, Marienkäfer, Schwebfliege, Raubwanze, Schlupfwespen, Gallmücken, Raubmilben, aber auch Igel und viele Vögel zu sehen. Alle haben eines gemeinsam - sie ernähren sich von Pflanzenschädlingen, und das macht sie nützlich und dadurch auch schonungswürdig. Alle nützlingsschonenden Pflanzenschutzmaßnahmen müssten deshalb eindeutig bevorzugt werden. Eine Nützlingszucht und deren Einsatz hat sich bis jetzt in erster Linie für Gewächshäuser und Wintergärten etabliert. Im Freiland und dadurch auch im Garten ist das Freisetzen der Nützlinge leider meistens nicht effektiv genug. Dort hat sich der Einsatz von räuberischen Nematoden besonders gegen die Larven des Dickmaulrüsslers bewährt. Sie werden leider oft im Mai/Juni ausgesetzt, wenn die frischen „Buchtenfraßschäden“ der Käfer auf den Blättern festgestellt werden. Gegen die Käfer wirken sie aber nicht und die Larven treten erst im Juli in Erscheinung. Auch der Einsatz von Trichogramma-Eiparasiten gegen den Apfelwickler scheint, zumindest bei einem schwachen Befall, ausreichend wirksam zu sein.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-69-

Die Anwendung von Mikroorganismen als Krankheitserreger der Schädlinge hat im Pflanzenschutz jahrelange Tradition. Die bekanntesten Bio-Präparate sind die mit dem Bakterium "Bacillus thuringiensis", die gegen einige Schmetterlingsraupen wirksam sind. Sie werden im Spritzverfahren auf die befallenen Pflanzen ausgebracht und gelangen durch den Fraß der Raupen in den Darmtrakt der Raupen hinein. Durch diese "Darminfektion" können z.B. die jungen Raupen des Frostspanners, des Kohlweißlings und andere bekämpft werden. Für den biologischen Pflanzenschutz im Obstgarten werden auch erste virose Krankheitserreger angeboten. Sie beinhalten den sehr selektiv, nur gegen die Larven des Apfelwicklers, die sog. Obstmaden, wirkenden "Granulose-Virus". Die beiden biologischen Pflanzenschutzmittel sind, genauso wie die weiter beschriebenen chemischen Pflanzenschutzmittel, zulassungspflichtig. Pilzliche Krankheitserreger, die gegen Pflanzenschädlinge im Garten eingesetzt werden können, werden sicherlich in den nächsten Jahren auch Produktreife erreichen. Die biologische Schädlingsbekämpfung ist sicherlich sehr umwelt- und anwenderfreundlich und sie soll eindeutig stärker als bis jetzt in den Vordergrund gestellt werden. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Verfahren ist leider z. Zt. noch äußerst unzureichend und ihre Wirksamkeit ist nur bei sehr exakten, rechtzeitigen Bekämpfungsterminen ausreichend. Chemischer Pflanzenschutz Chemischer Pflanzenschutz bedeutet der Einsatz von chemischen Substanzen, um Pflanzen vor Schadorganismen oder unbelebten Schadursachen zu schützen. Im Wesentlichen geht es darum, die Schaderreger zu beseitigen. Das bedeutet sie zu vergiften, zu verätzen, zu ersticken oder sie anderweitig an ihrer weiteren Entwicklung und dadurch weiteren Schädigung der Pflanze zu hindern. Die aktuell zugelassenen Pflanzenschutzmittel sind nach heutigem Wissensstand bei sachgerechter Anwendung - und nur bei sachgerechter Anwendung - sowohl für die Pflanzen, als auch für den Anwender und die Umwelt unschädlich. Bei Missbrauch können sie, genauso wie auch Medikamente, Alkohol oder z.B. Autos, schädlich oder sogar tödlich wirken. Aus diesem Grund ist bei der Handhabung und Anwendung Vorsicht und ein gesunder Menschenverstand gefordert. "So wenig Chemie wie möglich und so viel wie notwendig!" lautet die einzig vernünftige Devise der Krankheits- und Schädlingsbekämpfung, und zwar nicht nur im Garten und nicht nur an den Pflanzen als Patienten. Integrierter Pflanzenschutz im naturnahen Garten Allen vorher genannten außerchemischen Maßnahmen sollte man im Garten eindeutig Vorrang einräumen. Wir sollen uns alle permanent darum bemühen zu versuchen, die in unseren Gärten entstehenden Probleme so naturnah wie nur möglich zu lösen. Wir haben noch viel zu lernen. Je mehr man nämlich über die Pflanzen selbst, insbesondere über die Schadfaktoren und die Schaderreger weiß, und je tiefer das Wissen darüber ist, desto erfolgreicher und umweltgerechter können diese behoben und u.U. bekämpft werden.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-70-

Die Wissenschaft, Züchtung und die Industrie soll sich verstärkt weiter darum bemühen, weitere Verfahren, Sorten und Produkte zu entwickeln und zu etablieren, die die weitere Reduktion oder sogar in Einzelfällen ein Verzicht auf chemische Maßnahmen ermöglichen. Bei manchen Krankheitserregern und Schädlingen kann aber, besonders bei starkem Befallsdruck, das Zurückgreifen auf die chemischen Bekämpfungsmaßnahmen zur Zeit noch notwendig werden. Das, was für den Humanmediziner gesunde Lebensweise, Naturheilkunde, Vorsorge, nicht medikamentöse und letztendlich, wenn das alles nicht hilft, die medikamentöse Behandlung bedeutet, ist für den Pflanzendoktor der "Integrierte Pflanzenschutz". Integrierter Pflanzenschutz ist eine Kombination von Maßnahmen, bei denen unter vorrangiger Berücksichtigung Anbau- und kulturtechnischer mechanischer, biologischer sowie biotechnischer Maßnahmen, die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß beschränkt wird. Eine medikamentöse Behandlung, in diesem Fall der chemische Pflanzenschutz, soll in beiden Fällen als Ultima ratio (allerletztes Mittel) gesehen werden ! Vorteile, Bedenken, Nachteile des chemischen Pflanzenschutzes

- Durch die Zulassung bestätigte ausreichende Wirksamkeit

- Schnelle Wirkung

- Wirksamkeit oft auch bei einem späteren Befallsstadium, wenn die anderen Maßnahmen versagen

- Bei manchen Maßnahmen eine heilende Wirkung möglich

- Breite Palette gegen die meisten Schaderreger wirkenden Maßnahmen

Es gibt noch heute, sowohl im Pflanzenschutz genauso wie auch in der Humanmedizin, leider generell unheilbare Krankheiten und im besonderen die unheilbaren Krankheitsstadien. Der medizinische Erfolg kann deshalb nur durch die Kompetenz und Rechtzeitigkeit der Diagnose, durch die Richtigkeit der Maßnahmen- und der Mittelauswahl sowie durch die sachgerechte Durchführung der Maßnahme selbst erreicht werden. Sonst werden die oben genannten Vorteile zu Nachteilen.

- Höchste finanzielle Effizienz – günstigstes Verhältnis zwischen dem Arbeits- und Kostenaufwand einerseits, und der Ertragsteigerung anderseits.

Wird dieser Vorteil in einem Freizeitgarten gebraucht? Rationell und objektiv gesehen – nicht unbedingt. Subjektiv aber, wie schon früher gesagt, oft ja. Und das muss von der Gesellschaft, von der Politik und deshalb auch von den gesetzgebenden Organen und durchführenden Behörden akzeptiert werden.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-71-

Bequemlichkeit und ökonomisches Denken, besonders dort, wo es Not tut, darf auch im Garten durch die Behörden nicht unterbunden oder sogar strafbar gemacht werden.

- Durch die Zulassung belegte Ungefährlichkeit für die Pflanzen, den Anwender und die Umwelt.

Die Gegner des chemischen Pflanzenschutzes behaupten gerade das Gegenteil davon und gerade dies führt oft zu prohibitiven Entscheidungen des Gesetzgebers. Die Ungefährlichkeit ist selbstverständlich nur, ich betone ausdrücklich nur, bei der sachgerechten, alle Auflagen befolgenden Anwendung des Mittels gewährleistet. Jeder Missbrauch kann selbstverständlich gefährden. B 1 – Produkte gefährdet die Bienen nicht, wenn man sie nicht in die Blüte, nicht bei honigtautragenden Pflanzen und nicht im Umkreis von 60m um Bienenstock herum spritzt. Die Produkte mit der W-Auflage gefährden das Grundwasser nicht, wenn man sie nicht in einen Wasserschutzgebiet anwendet. Usw., usw. Wenn ein Pflanzenschutzmittel trotz seiner sachgerechten Anwendung unvertretbar gefährlich wäre, bekäme es doch keine Zulassung oder bei neuen diesbezüglichen Kenntnissen würde es diese sofort verlieren! Gilt dieser Missbrauchvorbehalt praktisch nicht für alles, womit wir zu tun haben? Für Autos, trotz der achttausend Unfalltodesfälle jährlich, für die Medikamente, sogar für das Messer und die Gabel auch? Eigentlich ja, nur scheinbar nicht für die Pflanzenschutzmittel. Die Hobbygärtner werden unisono zu den „Umweltsünderböcken der Nation“ erklärt. Warum? Weil sie anscheinend, trotz einer Zahl von 18 Millionen, keine Lobby haben. Pflanzenschutzgesetz – sein Einfluss auf die Möglichkeiten des integrierten Pflanzenschutzes im naturnahen Garten Schwerpunkt des Pflanzenschutzgesetzes von 1998 war die notwendige Anpassung an das EG-Recht bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln. Es entstand, im Großen und Ganzen, ein vernünftiges Werk, das aber in manchen Punkten über das Ziel hinaus schoss und für die Durchsetzung der politisch vernünftigen Absichten sogar kontraproduktiv sein kann und sicherlich sein wird, wenn manche „Falten“ nicht schnellstmöglich „ausgebügelt“ werden. Die Priorität der „guten fachlichen Praxis“ und dadurch des „integrierten Pflanzenschutzes“ wurde durch das neue Pflanzenschutzgesetz vorgeschrieben. Es ist gut so. Da herrscht ein Konsens zwischen dem Gesetzgeber und uns allen. Die im Profianbau und dem industriellen Nahrungsmittelkomplex immer wieder vorkommenden Pannen und Affären (zuletzt der Nitrofenskandal) wurden in den letzten Jahren von den „Berufsgegner“ des Pflanzenschutzes sehr erfolgreich dazu genutzt, den Schutz der Pflanzen auf den Einsatz von „Pestiziden“ zu reduzieren und dies wiederum zu einer Gefahr für die ganze Gesellschaft zu stilisieren. Durch meistens unsachliche, populistische, oft sogar demagogische Schlagwörter und Argumente wurde Angst geschürt und dadurch ein politischer Druck erzeugt, der bei dem Gesetzgeber und besonders den Zulassungsbehörden in prohibitiven Entscheidungen mündete.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-72-

Bevor ich mich mit der Analyse mancher kritischer Punkte und mit den Verbesserungsvorschlägen befasse, lege ich großen Wert darauf, vor denjenigen, die mich und meine Aktivitäten noch nicht kennen, als unermüdlicher Verfechter des umwelt- und anwenderschonenden Integrierten Pflanzenschutzes zu bekennen. Stimmten die Vorwürfe über den übermäßigen Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln in Gärten, die als Begründung für die Verschärfung ihrer Anwendung im Haus- und Gartenbereich führen, überhaupt? Die Situation des Pflanzenschutzes, besonders in 18 Millionen Haus- und Kleingärten, wird immer aussichtsloser - die Zahl der mit den für Haus- und Kleingarten zugelassenen Produkten unbekämpfbaren Schaderreger immer größer. Nachfolgend einige Beispiele: Pilzkrankheiten des Obstgartens, die zur Zeit chemisch nicht bekämpft werden dürfen (strafbar bis 50.000 €) - Beispiele Kernobst (Apfel, Birne, Quitte) Monilia Fruchtfäule Monilia Spitzendürre Phyllosticta - Blattfleckenkrankheit Gleosporium Fruchtfäule Kragenfäule Obstbaumkrebs Weißfleckenkrankheit der Birne Birnengitterrost Quittenbräune Kirsche Schrotschusskrankheit Blattbräune Pfirsich/Aprikose Kräuselkrankheit Schrotschusskrankheit Pfirsichschorf Pfirsichmehltau Monilia Fruchtfäule Pflaume Zwetschgenrost Taschenkrankheit Fleischfleckenkrankheit Erdbeere Erdbeermehltau Lederfäule Stachelbeere/Johannisbeere Blattfallkrankheit

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-73-

Stachelbeermehltau an Johannisbeere Säulenrost der Schwarzen Johannisbeere Himbeere/Brombeere Rutenkrankheit Rost Walnuss Marssonina-Krankheit Im Gemüsegarten, Ziergarten und auch bei Schädlingsbekämpfung sieht es nicht viel besser aus! Lösungsvorschläge Wenn man bei den für den Haus- und Kleingarten als geeignet zugelassenen Pflanzenschutzmittel, auch alle für den Erwerbsobstbau zugelassenen Indikationen ausschöpfen würde, wäre die Mehrheit der zur Zeit nicht bekämpfbaren Schaderreger, bekämpfbar. Nur die übertriebenen Abtriftgefahren sprechen dagegen. Die Kriterien für die Eignung des Mittels für diesen Bereich wurden doch durch den §15 des Gesetzes eindeutig formuliert. Es sind „Eigenschaften der Wirkstoffe, die Dosierfähigkeit, die Anwendungsform und die Verpackungsgröße“. Die zusätzlichen, durch die Zulassungsbehörden scheinbar unter politischem Druck formulierten, weit übertriebenen Abtrift-Kriterien schossen eindeutig über das Ziel hinaus. Sie sollen schnellstens, der realistischen Situation entsprechend, überarbeitet werden. Die Orte der Anwendung eines Pflanzenschutzmittels wurden schon ausreichend durch die eventuellen Auflagen, wie Wasserschutzgebiete, Abstand zu den Gewässern usw., geregelt. Die Abtriftkriterien für die Anwendung im Haus- und Kleingarten sollten schnellstens revidiert werden, damit die für den Erwerbsgartenbau zugelassenen Indikationen auch für den Haus- und Kleingarten gelten. Die Situation würde sich noch weiter gravierend verbessern, wenn die als „Lückenindikationen“ ausgesprochenen Genehmigungen nicht nur für den Erwerbsgartenbau gelten würden. Warum auch? Durch den Trend, die Zulassungen der zukünftigen Indikationen verstärkt nur über den §18 zu erwirken, wird die Gefahr immer größer, dass im Garten immer weniger erlaubt wird. Die Genehmigungen nach dem §18 (Lückenindikationen) sollten schnellstens auch für den Haus- und Kleingarten ihre Geltung haben. Wenn man zusätzlich im Rahmen, der in der Zulassung ausgewiesenen Pflanzen, Anwendungszeiten, Konzentrationen und allen sonstigen Auflagen, auch diese Schaderreger direkt bekämpfen dürfte, bei denen die Nebenwirkung allgemein bekannt ist (manchmal sogar in anderen Ländern durch die Zulassung bestätigt),

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-74-

wären fast alle Schaderreger, deren Bekämpfung zur Zeit zwar möglich, aber verboten ist, auch offiziell bekämpfbar. Der Verweiß auf die Nebenwirkungen ist doch erlaubt. Wofür eigentlich? Die klassischen Beispiele, wo man heute mogeln müsste, um sich nicht strafbar zu machen sind: Baycor oder Polymam gegen Birnengitterrost (Zulassung gegen Birnenschorf) oder Polyram gegen Taschenkrankheit (Zulassung gegen Pflaumenrost). Ein noch gravierendes Beispiel: Roxion ist an Zierpflanzen gegen saugende Insekten, nicht aber gegen die beißenden, Spruzid flüssig dagegen gegen beißende, nicht aber gegen die saugenden Insekten zugelassen. Ein Anwender z.B., dessen Rosen sowohl durch die Rosenblattwespe als auch durch die Rosenzikade befallen sind, müsste mit beiden Produkten spritzen, um konform mit dem Gesetz zu sein. Jedes einzelne Produkt würde ausreichen. Kann dies das Ziel des Gesetzes sein? Es sollte schnellstens Klarheit geschaffen werden, dass die Pflanzenschutzmittel an der ausgewiesenen Pflanzenart, im Rahmen der zugelassenen Menge, Konzentration, Anwendungszeit und der geltenden Wartezeit, nicht nur gegen die direkt zugelassenen, sondern auch gegen andere Schaderreger gezielt empfohlen und angewendet werden dürfen, wenn z.B. die wissenschaftlichen Kenntnisse, eine entsprechende Zulassung in anderen Länder oder die „gute fachliche Praxis“ eine entsprechende Wirkung bestätigen. Wenn ein aktuell zugelassenes Pflanzenschutzmittel bei sachgerechter Anwendung, das bedeutet unter Berücksichtigung aller durch die Zulassung festgesetzten Auflagen, ungefährlich für Mensch, Tier und Naturhaushalt ist (sonst würde es die Zulassung verlieren), kann es auch im Garten ungefährlich angewendet werden. Auf den Anwender, seine Sachkundigkeit und seine Zuverlässigkeit kommt es an. Nach dem Gesetz macht sich z.B. ein sachkundiger Winzer oder Obstbauer dann strafbar, wenn er nach der Beendigung der Behandlung seiner Wein- bzw. Obstanlage mit dem in das 5l Spritzgerät umgefüllten Spritzbrüherest seine Weinpergola oder einige Obstbäume im Hausgarten behandeln würde. Auch dann, wenn das Mittel sogar in einer Kleinpackung für den Haus- und Kleingartenbereich zugelassenen ist. Er hatte doch mit einer Großpackung gearbeitet! Weit über eine Million berufstätige oder pensionierte Gärtner, Landwirte, Forstwirte usw., die ihr fachliches Wissen, ihre Erfahrung und sogar ihre formelle Pflanzenschutz-Sachkundigkeit im eigenen oder benachbarten Garten oder als Fachwart in einem Obst- und Gartenbauverein bzw. Kleingartenverein einsetzen könnten, dürfen manche, sonst zugelassene medikamentöse Behandlung der Pflanzen nicht durchführen. Auch ich selbst, Diplomgärtner mit langjähriger Berufserfahrung, jemand der schon Tausende auf die Sachkundeprüfung - Pflanzenschutz vorbereitet hat, ein Preisträger des Bundeswettbewerbes Integrierter Pflanzenschutz, jemand, der durch unzähligen Publikationen und durch Fachbücher hundert Tausende von Profi- und Hobbygärtner berät, wird schlicht und ergreifend als unfähig und unmündig erklärt, mit zugelassenen Pflanzenschutzmitteln im eigenen Hausgarten vernünftig umgehen zu können. Ist das nicht eine typische deutsche Übertreibung?

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-75-

Den sachkundigen Anwendern sollte schnellstens erlaubt werden, die zugelassenen Anwendungen nicht nur im Erwerbsgartenbau, sondern auch im Haus- und Kleingarten durchzuführen. Mein letztes Anliegen. Am 30.06.2001 sind alle Übergangsfristen abgelaufen, und ab dem 01.07.2001 dürfen in Haus- und Kleingartenbereich nur die entsprechend gekennzeichneten Pflanzenschutzprodukte, und diese nur in den durch die Zulassung festgelegten Anwendungsgebieten verwendet werden. Es wäre auch töricht, teuer und nicht zumutbar wenn, wie durch manche Experten gefordert, alle auch davor mit gutem Gewissen von Hobbygärtnern gekauften Kleinpackungen, als nicht gesetzlich konform entsorgt werden müssten. Wenn bei einem Pflanzenschutzmittel seine generelle Zulassung am 30.06.2001 auslaufen würde (man könnte sich darauf einstellen, da das Datum in dem BBA-Verzeichnis publiziert wurde), dürfte das Mittel bis 31.12.2003 angewendet werden. Die Produkte, über die wir hier sprechen, bleiben sogar nach wie vor zugelassen. Nur ihr Zulassungsumfang hat sich geändert. Und diejenigen, die die Produkte schon zu Hause haben? Es wäre schlicht und ergreifend logisch, dass diese Produkte, ohne dass deren Besitzer kriminalisiert würden, zumindest bis zu der beim Zulassungsablauf angeräumten Frist 31.12.2003 angewendet werden dürfen. Die Ausbringungsfrist von den nicht mehr für den Haus- und Kleingarten zugelassenen Pflanzenschutzmitteln sollte zumindest bis zum 31.12.2003 verlängert werden.

-77-

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

Naturgerechte Bewirtschaftung von Gärten Heinrich L e u m e r Bremen

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-78-

Naturgerechte Bewirtschaftung von Gärten Aufbauend auf den Vortrag "Naturgerechte Bewirtschaftung von Gärten" - I, den ich anlässlich einer Fachberaterschulung in Freising vom 12. - 14.09.97 (Grüne Schriftenreihe 126) gehalten habe, möchte ich näher auf die Einzelheiten im naturnahen Hobbygarten eingehen. Trotz intensivem Erfahrungsaustausch und Schulungsangeboten der Vereine und Landesverbände haben sich die Gegner und Befürworter von einer naturnahen Wirtschaftsweise nicht angenähert. Einen wesentlichen Schritt in Richtung umweltverträglicher Bewirtschaftung hat das neue Pflanzenschutzgesetz gebracht. Verbote und Mengenbeschränkungen verschiedener Mittel geben dem Gartenfreund Anlass zum Nachdenken. Der Gartenfreund muss sich einfach von der Zwangsvorstellung von lochfreien Blättern und maximalen Erträgen freimachen. Optimale Erträge können auch ohne die Hilfe giftiger Agrarchemie erreicht werden. Früchte, die man ohne Schälen vom Baum und Strauch essen kann, sind für den Gartenfreund und seine Familie ein großes Stück Lebensqualität. Die Verbände, die den Markt mit naturnah erzeugten Produkten beliefern, werden immer zahlreicher und stärker. Dies ist zwar sehr begrüßenswert, aber leider wird immer wieder einmal ein Etikettenschwindler ertappt. Der Hobbygärtner hat es nun selbst in der Hand, den Bedarf der Familie an Obst und Gemüse zwar nicht ganz lückenlos, aber doch zum großen Teil, abzudecken. Erfahrungen aus dem Ziergarten Man sollte immer standortgerechte Sträucher und Stauden anpflanzen und auf genügend Abstand achten. Bei der Wege- und Standortplanung muss man daran denken, dass die meisten Pflanzen ihre schöne Seite (Gesicht) zum Licht ausrichten. Für ein Wohlfühlen der Gartenfreunde sollte die Betrachtungsmöglichkeit immer vom Süden aus geschehen. Bewährt hat sich eine dauernde Mulchschicht. Beachtung des Kalkbedarfes der Pflanzen (pH-Wert) ist für das gute Gedeihen wichtig. Anregung kann man sich bei Schriften über Pflanzenvergesellschaftungen holen. Es ist Unsinn, Moorbeetpflanzen mit kalkliebenden (Seidelbast, Clematis, Christrosen) Pflanzen im engen Abstand zu pflanzen. Richtiger pH-Wert und ausreichende Ernährung macht viele Pflanzenschutzmaßnahmen oft überflüssig. Einen Naturrasen anzulegen bedarf es einiger Überlegungen, sonst hat man nur eine Unkrautwildnis. Die Vorstellung einer blühenden Wiese wie im Allgäu kann man nur im Allgäu verwirklichen. Einheimische und ortstypische Wildpflanzen stellen sich sehr schnell ein. Um einigermaßen eine bunte Fläche zu bekommen, sollte man auf jeden Fall Stauden mit in den Rasen pflanzen. Man mäht diese Wiesen erst, wenn der Samen der Kräuter ausgefallen ist. Wer einen Gebrauchsrasen anlegt, sollte im zeitigen Frühjahr immer mit Kompost düngen. Damit erspart man sich die synthetischen Dünger, auch die Moosbekämpfung Ende Februar bis Anfang März streut man Kompost über den Rasen. Nach einigen Regenfällen harkt man dann die groben Teile wieder ab. Der Mäher wird auf mindestens 4 cm Höhe eingestellt. Mehr braucht man an der Rasenfläche nicht zu machen.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-79-

Im Ziergarten lassen sich einige Nützlinge gut zur direkten Bekämpfung oder Einschränkung der Schädiger einsetzen. Am bekanntesten sind Gelbtafeln bei den braunen Knospen der Rhododendren und Nematoden zur Dickmaulrüsslerbekämpfung. Es ist aber nicht damit getan, indem man einfach loslegt. Die Gelbtafeln müssen schon Anfang bis Mitte August vor den Rhododendren aufgehängt werden, nicht in die Pflanze, da dann zu wenig Zykaden auf den Leim gehen. Der Nematodeneinsatz ist von der Temperatur des Bodens abhängig. Bei zu niedrigen Temperaturen sind sie wirkungslos. In einer ruhigen Ecke des Ziergartens mit andauernder Mulchschicht können sich auch einmal Feld- und Wühlmäuse einfinden. Gegen Feldmäuse kann man Mausefallen, bestückt mit Erdnüssen, aufstellen. Achtung! Die Fallen dürfen von den Vögeln nicht erreicht werden. Die Wühlmäuse lassen sich durch unangenehme Gerüche vertreiben. Man sollte frische Holundertriebe oder Knoblauchstücke in die Gänge stecken. Die Geruchsstoffe müssen bis zum Erfolg jeden zweiten Tag erneuert werden. Anpflanzungen von Vertreibungspflanzen, wie Wolfsmilch und Knoblauch, Kaiserkronen oder ähnlichen, sind meist zwecklos. Diese Pflanzen strömen keinen oder nur einen sehr schwachen Duft aus, wenn sie unberührt stehen, um eine Vertreibungswirkung zu erreichen. Beobachtungen in diese Richtung sind reiner Zufall. Es bieten sich im Naturziergarten einige Möglichkeiten zur Förderung der Nützlinge an, wie z.B. Streu- oder Mulchschicht als Unterschlupf im Winter für Marienkäfer und andere Nützlinge sowie Astquirle in Sträuchern als Halt für Nester, Blütenangebot für viele Insekten, Früchte zur Winterfütterung der Vögel, Sommerblumenvielfalt als Randbepflanzung zur Verbesserung des Bodenlebens und Nahrungsangebot für Insekten, verbleibende Blütenstängel im Winter als Unterschlupf für Insekten und Samenstände als Nahrungsquelle für Vögel. Naturnaher Obstgarten Grundlage im Obstbau - auch bei den Beeren - ist das Pflanzen von standortgerechten Arten und Sorten, wobei nicht nur der klimatische, sondern auch der Bodenstandort beachtet werden muss. Pflanzen, die sich in dem Klima - wobei man auch das lokale Kleinklima beachten muss - und auf der falschen Bodenart nicht wohl fühlen, sind von vornherein gegen Schwächeparasiten und Wachstumsstörungen anfälliger. Ein Ausweichen auf resistente Sorten ist immer mehr möglich. Da Obstbäume und -sträucher stets für längere Zeit im Garten verbleiben, bedarf es einer Überlegung und Beratung am besten durch eine örtliche Baumschule. Supermärkte und Kataloge sind selten der richtiger "Berater". Kleinbaumformen in allen Spielarten sind in Bezug auf Pflege, Schnitt und Pflanzenschutz leicht zu bearbeiten. Wenn nach sachgemäßem Pflanzschnitt auch ein Erziehungsschnitt über mehrere Jahre erfolgt, können licht- und luftdurchlässige Kronen gebildet werden. Lockerer Kronenaufbau und auch genügender Pflanzenabstand beugen vielen Pilzkrankheiten vor. Die vielerorts noch übliche Austriebsspritzung muss auf jeden Fall unterbleiben. Man vernichtet zwar Überwinterungsformen von Schädlingen im eigenen Garten - aber auch

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-80-

viele Nützlinge. Bringen der Wind oder die Ameisen die Läuse zurück, bleiben die Nützlinge aber beim Nachbarn, weil sie da noch Nahrung haben. Gute Maßnahmen gegen Frostspanner sind Leimringe von Anfang Oktober bis Januar. Um einige Schädiger zu fangen, helfen im Sommer Wellpappringe. Aber Vorsicht, es können sich auch Nützlinge darunter verbergen. Ameisen dürfen im Obstgarten auf keinen Fall geduldet werden. So nützlich sie auch sonst im Naturhaushalt sind, im Garten darf man sie nicht dulden. Sie verbreiten die Blattläuse, pflegen sie auch und verbeißen deren Feinde. Absuchen der Raupennester der befallenen Zweige ist bei Kleinbaumformen leicht zu bewerkstelligen. Man kann auch versuchen, ab Mitte Mai bei Apfel- und Pflaumenwickler mit Geruchsfallen zu arbeiten. Bei Schnittmaßnahmen ist Pflanzenhygiene erforderlich. Fruchtmumien im Winter und ebenso krankes Laub und befallene Äste aus der Nähe des Baumes sind zu entfernen. Es bringt aber in Bezug auf einen Neubefall überhaupt nichts, diese zu verbrennen. Eine ordnungsgemäße Kompostierung reicht vollauf. Wer Bedenken hat, Zweige mit Krankheiten zu kompostieren, kann sich folgendermaßen helfen. Die befallenen Zweige werden gehäckselt und in einem Plastiksack in der Sonne gelagert. Die Fermentations- und Gärungsvorgänge vernichten auch den schlimmsten Pilz. Krebsbefall an Bäumen Kleine und dünne Äste müssen bis in das gesunde Holz hinein ausgeschnitten werden. Bei Stämmen oder dicken Ästen werden die Wunden soweit ausgeschnitten, bis überall das gesunde Holz zu sehen ist. Die Wunde wird mit in Alkohol oder Spiritus aufgelöstem Propolis (Kitharz der Bienen) ausgestrichen. Die Heilung, bzw. das Stoppen der Krankheit geschieht wesentlich besser als bei herkömmlichen Krebsbehandlungspasten. Beim Beerenobst sollte man die Rundknospen mit Johannisbeermilbenbefall ausbrechen und rechtzeitig die Raupen der Stachelbeerblattwespe abschütteln und vernichten. In Lagen, in denen besonders stark die Himbeerrutenkrankheit verbreitet ist, solle man auf den Anbau von Herbsthimbeeren ausweichen. Da die Triebe nach Frostbeginn (Ernteschluss) am Boden abgeschnitten werden und die Infektion im Winter an vorhandenen Trieben geschieht, hat man mit dieser Krankheit keine Sorge mehr. Für den Obstgarten ist die Förderung der Insekten besonders wichtig. Da die Honigbiene bei schlechter Witterung nicht fliegt, diese aber oft während der Obstblüte gerade da ist, sind wir auf Wildbienen, Solitärwespen und ähnliche Nützlinge für die Bestäubung angewiesen. Zur Blattlaus- und Raupenbekämpfung brauchen wir Marienkäfer, Florfliegen, Libellen, Schlupfwespen, Ohrwürmer, Hornissen und Wespen. Die Förderung geschieht am besten durch Nist- und Unterschlupfmöglichkeiten. Naturgemüsegarten Das "A" und "O" eines guten und gesunden Gemüseertrages ist der Boden. Ein intaktes Bodenleben mit ausreichend Regenwürmern ist die Grundvoraussetzung für einen naturnahen Gemüseanbau. Ausreichende Nährstoffversorgung, aber keine Überdüngung, lässt die Pflanzen zügig wachsen. Diese Pflanzen haben eine natürliche Widerstands- und Abwehrkraft. Verhungerte oder mit zuviel Stickstoff geil gewachsene Pflanzen sind anfällig gegen viele Schädiger. Den Bedarf der Pflanzen kann man in

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-81-

Tabellen nachsehen. Auch bei Mischkultur kann man für sich Werte erstellen. Niemand ist jedoch in der Lage, vom Anblick des Bodens her zu sagen, wieviel Nährstoffe vorhanden sind. Aus diesem Grunde schickt man alle 4 - 5 Jahre eine Bodenprobe zur Untersuchung. Im Hobbybereich sind viele Böden überfrachtet. Meistens reicht eine natürliche Stickstoffgabe in Form von Hornspänen oder Rizinusschrot. Auch mit Kompost kann man überdüngen. Der in einem 400 qm großen Garten anfallende Kompost und die zusätzlich mitgebrachten Küchenabfälle reichen fast für den Garten aus. Oft düngt der Gartenfreund aber nur sein Gemüsebeet. Dies führt automatisch zur Überfrachtung, besonders bei Phosphor, da dieser wenig benötigt und überhaupt nicht ausgewaschen wird. Zur Vollversorgung einer vierköpfigen Familie benötigt man 300 qm Gemüseland und dabei muss man noch etwas Winterkartoffeln hinzu kaufen. Die Mühe, einen naturnahen Gemüsebau zu betreiben, lohnt sich aber nur, wenn die Familie auch zu Hause isst. Für die Gesundheit lohnt es sich, von Kantinen- und Imbisskost abzukommen. Es ist nicht nur eine große Kostenersparnis, sondern die eigenen Produkte sind unbelasteter, gesünder, frischer und wohlschmeckender. Die Bodenprobe und die Überlegungen über Nachdüngung und Nährstoffversorgung muss man schon im Winter anstellen. Naturdünger brauchen mindestens vier Wochen, ehe sie den Pflanzen zur Verfügung stehen. Die Aufbereitung durch das Bodenleben kann natürlich auch nur zügig geschehen, wenn es in Ordnung ist. Ein wesentlicher Faktor im Gemüsebau ist der pH-Wert. Die Annäherungswerte kann man selbst mit einem einfachen Test, erhältlich im Fachhandel, feststellen. Ja nach Bodenart ist der pH-Wert etwas schwankend. Am besten ist es, alles im Faltblatt des Bundesverbandes (Nr. 10 - "Die Bodenreaktion") nachzulesen. Bei der Arten- und Sortenwahl spielt auch der Bedarf und Geschmack der Familie eine Rolle. Möglichst Arten und Sorten wählen, die für den Boden und das Klima passen. Schwere Böden lockert man am Anfang mit einer reichlichen Gabe von scharfem Sand. In Sandböden sollte man möglichst Lehm einbringen. Sollte dies nicht möglich sein, so kann man sich bei Sandböden mit Gesteinsmehlen helfen. Zum Mischen der einzelnen Gemüsearten gibt es auf dem Markt genügend Tabellen. Am Anfang stellt man fest, dass viele Tabellen recht unterschiedlich sind und sich gelegentlich widersprechen. Die Verträglichkeiten sind viel vom Boden, der Gartenlage, der Himmelsrichtung und dem Kleinklima abhängig. Was in dem einen Garten wunderbar funktioniert, gilt oft nicht für den anderen. Am Anfang sollte erst einmal munter darauf zugearbeitet werden. Bei der Mischkultur wird, damit die Großen die Kleinen nicht unterdrücken, nur die Höhe und Breite der jeweiligen Pflanzen beachtet. Als zweites ist zu bedenken, dass man die Pflanzenfamilien trennt. Bei den Pflanzen ist es oft wie bei den Menschen, in der Familie verträgt man sich am wenigsten. Dies hat bei den Pflanzen mit dem gleichen Nährstoffbedarf und den gleichen Wurzelausscheidungen zu tun. Wenn man die Pflanzen nun so richtig durcheinander bringt, kann auch der Schädling der einen Art nicht so schnell zur nächsten Pflanze, weil die ihm nicht schmeckt (Barrierewirkung). Der Duft - auch manchmal die Ausscheidungen - der einen Pflanze gefällt der anderen und alle Pflanzen wachsen besser. Dies bedarf einer Beobachtung. Hat man nun schon einmal so etwas, wie gegenseitige Förderung oder Behinderung der Pflanzen, beobachtet, so fallen einem später immer mehr "Naturereignisse" auf. Als allgemeine Regel bei der Mischkultur gilt, die frühen und fertigen Arten aus dem Beet herauszuernten und wenn die Nachbarpflanze den Platz nicht benötigt, wird die Lücke gleich wieder mit einer anderen Pflanze geschlossen. Die fast dauernde Bedeckung des Bodens ist auch beim Gemüsebeet wichtig.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-82-

Schattengabe, geringer Wasserverlust, bessere Ausnutzung des Kohlendioxides aus dem Boden und weniger Unkraut sind die Vorteile eines bedeckten Bodens. Es muss nicht immer eine Mulchschicht sein, sondern eine volle Platzausnutzung durch Mischkultur erzeugt die Effekte. Auch wenn man dann noch die Geduld aufbringt, das Unkraut erst zu ziehen, kurz bevor es die Kulturpflanzen bedrängt, ist schon viel zum Fördern unseres Gemüses erreicht. Besonders vorteilhaft ist es, wenn man die Vogelmiere duldet. Sie unterdrückt fast nie eine Kulturpflanze, bedeckt den Boden und macht keine Wurzel- oder Nährstoffkonkurrenz. Nachweislich ist zum Beispiel Kohlrabi mit Vogelmiere 14 Tage eher erntefähig als ohne. Pflanzenschutz im Gemüsegarten ist nicht ganz einfach. Der schlimmste Schädiger ist der Kohlherniepilz. Die Wurzelverdickungen an den Kohlpflanzen haben schon manchen Gartenfreund fast verzweifeln lassen. Eine weitgestellte Fruchtfolge von 7 Jahren ist in kleinen Gärten aus Platzmangel nicht immer möglich. Außerdem schleichen sich immer einmal wieder Kreuzblütler als Unkräuter ein. Voraussetzung, diesen Pilz einigermaßen in den Griff zu bekommen, ist, niemals Kreuzblütler (Senf, Raps, Rübsen) als Gründünger zu verwenden. Eine zusätzliche kleine Verbesserung bringt die Anhebung des pH-Wertes. Die befallenen Kohlstrünke zu vernichten, bringt nicht soviel, wie man vermuten möchte. Im Boden verbleiben zu viel Reste und Sporen des Schleimpilzes. Um einigermaßen doch noch Kohl anbauen zu können, empfehle ich das Eintauchen der Jungpflanzen in eine Algenkalkbrühe. Man nimmt ca. 1 kg Algenkalk auf 10 Liter Wasser. In einem breiten Eimer oder einer Schüssel lässt man dann die Jungpflanzen ca. eine Viertelstunde wässern. Etwas Erfolg bringt es auch, die Pflanzlöcher mit Algenkalk auszustäuben. Beim Chinakohl versagen aber diese kleinen Hilfen. Hier kann man zum Erfolg kommen, indem man resistente oder unempfindliche Sorten verwendet. Zweiter großer Ärger im Garten sind die Schnecken. Alle Abwehrmaßnahmen, wie Häcksel, Sand, Eierschalen und Schneckenzäune, werden bei feuchter Witterung mehr oder weniger leicht überwunden. Selbst ganz gut funktionierende Schneckenzäune verlieren ihre Wirkung, wenn Schnecken oder deren Eier mit Pflanzerde eingeschleppt werden. Die praktischste und preiswerteste Lösung sind immer noch ausgelegte Bretter. Diese müssen allerdings morgens auf der Unterseite kontrolliert und die Schnecken getötet werden. Ein Absuchen der Schnecken und in die Umgebung zu bringen ist sinnlos. Die Schnecken kommen zurück! Bierfallen sind eine teure Angelegenheit. Die neuerdings umgehende Ablehnung der Bierfallen, weil sie die Schnecken aus der Umgebung anziehen, ist nicht richtig. Schnecken werden auch von ihren Lieblingspflanzen angezogen. Wenn die Bierfallen einen größeren Radius schneckenfrei halten, kann das nur ein Vorteil sein. Das auf dem Markt befindliche ungiftige Schneckenkorn hat den Nachteil, dass man die Jagdbeute nicht sieht und damit die Wirkung in Frage stellt. Unsere Helfer bei der Schneckenjagd, Igel, Kröten und Frösche, sind zwar sehr nützlich, schaffen aber nicht die gewünschte Leistung. Fäulnispilze können im Gemüsebeet durch richtigen Abstand und Vermeiden von feuchten Blättern über Nacht etwas eingedämmt werden. Raupen kann man absuchen und gelegentlich auftretende Läuse haben durch Mischkultur kaum Chancen sich zu verbreiten (Barriereeffekt). Pflanzenjauchen im Gemüsebeet sind nicht zu empfehlen. Erstens haben sie fast keine Wirkung und sind außerdem unhygienisch. Braunfäule bei Kartoffeln und Tomaten kann rein natürlich nur durch Regenschutz bekämpft werden. Bei den Kartoffeln sollte man, sobald die Phytophtera auftritt, die Knollen ernten, damit der Pilz nicht auch noch die Knollen befällt. Bei den Tomaten reicht meist ein nach Süden offener Tomatenschutz aus Plastik. Auch

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-83-

die naturwirtschaftenden Erwerbsbetriebe haben ihre Sorgen mit der Braunfäule. In Gewächshausanlagen wird auch mit Hilfe von Umluft die Feuchtigkeit auf den Blättern verhindert oder aber es werden zugelassene Präparate, meist Kupfer, eingesetzt. Der Pflanzenschutz im Gemüsebau hat noch viele Tricks, wie Mäusefallen, halbe Kartoffeln gegen Drahtwürmer und Vogelnetze, um die Erbsen zu retten. Darren der Zwiebeln gegen Schosse und viele Möglichkeiten, die empfohlen werden, sollte man ausprobieren und nicht von vornherein ablehnen oder verspotten. Erst die lange Erfahrung und Beobachtung im eigenen Garten bringen einigermaßen gesicherte Erkenntnisse. Der Mensch muss sich mit der Natur total befassen und nicht nur einige Punkte herausgreifen. So wird es gelingen, gesundes Gemüse zu ernten.

-85-

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

Bericht der Arbeitsgruppen zu den Themen: AG I. „Naturnaher Garten / Aber wie?“ AG II. „Integrierter Pflanzenschutz ist im naturnahen Garten nötig!“ AG III. „Naturgerechte Bewirtschaftung“

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-87-

Bericht aus der Arbeitsgruppe zum Thema „Naturnaher Garten / Aber wie? Berichterstatter: Joachim Roemer Landesverband Niedersächsischer Gartenfreunde e.V. Der naturnahe Garten steht in Abhängigkeit zu seiner Umwelt, und ist ein Schutzgut des Naturschutzes. Einige Kriterien, wie Naturnähe zu bestimmen sind:

• Die Ausrichtung der Lauben nach Südwest, dadurch wird die passive Nutzung der Sonnenenergie genutzt.

• Verwendung geeigneten Materials - hierzu zählt die Lärche. Zum passiven Holzschutz werden unter anderem die Dachüberstände oder Begrünung gezählt.

• Sammeln des Regenwassers in Tonnen oder Zisternen. • Dachbegrünung - hierzu reichen 6 cm Substrat und Pflanzen, Flies und Folie,

Bretter und Sparren. • Fassadenbegrünung.

Boden Um den genauen Zustand des Bodens zu ermitteln, sollte eine Bodenanalyse erstellt werden. Man sollte auf wenig Einbringung von Fremdenergie achten, d.h. eigenen Kompost einsetzen, gezielte Zuführung von Nährstoffen, Gründüngung verwenden (auch zur Ausmagerung von Böden). Kompostierung: ist auch in Gemeinschaftsanlagen wichtig, ggf. durch Grünabfuhr gegen Kompost. Auf einen ordnungsgemäßen Kreislauf ist zu achten. Bodenbegrünung: ganzjährig Bodenbegrünung Rasensorten sollten je nach der Nutzung z.B. Spielen oder Sitzen ausgesucht werden. Auch unterschiedliche Bereiche, die das Auskommen verschiedener auch krautiger Pflanzen zulassen. Für die Randbereiche eignen sich Hecken und Zäune. Zusammenfassung: Kriterien, die Naturnähe bestimmen sind z.B. inhaltliche Beispiele wie das Bauwesen, Umgang mit den Elementen. Es bedarf sehr viel Überzeugungsarbeit nach naturnahen / ökologischen Kriterien zu arbeiten. Es sollte Spaß machen und den Regeln des Kleingartenwesens entsprechen.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-89-

Bericht aus der Arbeitsgruppe zum Thema „Integrierter Pflanzenschutz ist im naturnahen Garten nötig!“ Berichterstatter: Günter Langner Landesfachberater Landesverband Berlin e.V. Schnell einigte sich die Arbeitsgruppe auf ein klares „Ja“. Der integrierte Pflanzenschutz ist im Pflanzenschutzgesetz seit 1987 definiert, dass erst

biologische, biotechnische, biomechanische und nützlingsfördernde Maßnahmen ausgelotet werden müssen, bevor der Einsatz von chemischen Mitteln als ultima ratio (letzte Erkenntnis) in Frage kommt.

Unter biologischen Maßnahmen versteht man, dass man die Fruchtfolge, die Nützlingsförderung, den Pflanztermin, die Standortfrage, die Düngung und den Einsatz resistenter Sorten beachtet. Es kam zur Sprache, dass der Garten als Nahrungsquelle für Mensch, Tier und Pflanze als Einheit, also als Biotop anzusehen ist. Es müssen Licht, Luft, Wärme und Feuchtigkeit in einem ewigen Kreislauf berücksichtigt werden. Der Vergleich von Mensch und Pflanze zeigt das Prinzip von Justus von Liebig im „Gesetz vom Minimum“. Das Minimum vom wichtigsten Nährstoff der Pflanze regelt prozentual die Verfügbarkeit der anderen Nährstoffe. Beim Menschen nutzt alles Geld nicht, wenn es an der Gesundheit mangelt. Fruchtfolge bedeutet, dass man keine Bodenmüdigkeit durch stets gleiche Frucht auf gleicher Fläche aufkommen lassen darf. Viele Pflanzen reagieren mit Unverträglichkeit auf sich selbst. Nützlingsförderung kann man betreiben, in dem Insektenhotels, Florfliegenhäuser, Vogelkästen, Federsack, Totholzhaufen, Trockenmauern und ähnliches errichtet oder aufhängt. Pflanztermine beachten - auch Verfrühung und/oder Verspätung beim Aussäen - z.B. Möhren Standortfrage ist sehr wichtig, da die Lichtverhältnisse stimmen müssen. Es gibt Pflanzen, die lieber an einem sonnigen, halbschattigen oder schattigen Ort gepflanzt werden müssen. Düngung: hierbei unterscheidet man die natürliche Düngung, den Kompost, oder die mineralische Düngung. Es sollte darauf geachtet werden, dass nicht über- und nicht unterdüngt wird. Resistente Sorten: es wird dabei unterschieden zwischen Immunität, Resistenz oder Toleranz.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-90-

1. Es kann physiologisch oder mechanisch erreicht werden. 2. Biotisch = eine Reaktion gegen Befall wird ererbbar. 3. Abiotisch = die Pflanze ist widerstandsfähig; eine Krankheit wird ertragen.

Gerade im Kleingarten muss die wirtschaftliche Schadensschwelle, die gegenüber dem gewerblichen Obstbau erheblich niedriger ist, beachtet und zur Richtlinie des Handelns erhoben werden. Resümee Biologisch: Vogelpflege, Trychogramma, Nematoden vergrämen, Mischkulturen Physikalisch: Mulchen, Pflegemaßnahmen Technisch: Baumschnitt, Mulchen, Bodenbearbeitung (Grubbern) Chemisch: gemäß Zulassung für Haus- und Kleingärten Entscheidung der Kleingärtner für gutes Gärtnern und Arbeit als Multiplikatoren.

Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e.V. - Grüne Schriftenreihe 161

-91-

Bericht aus der Arbeitsgruppe zum Thema „Naturgerechte Bewirtschaftung“ Berichterstatterin: Elfriede Falk Fachberaterin Landesverband Hessen der Kleingärtner e.V.

- Für einen naturnahen Garten muss man Kompromisse eingehen und sich freiwillig dazu entscheiden. Es ist hierbei wichtig, dass die Familie und evtl. auch die Nachbarn mitmachen. Er nimmt viel Zeit in Anspruch, da man jeden Tag im Garten sein muss, und schaut, welche Arbeiten heute wichtig sind.

- Zu einer naturnahen Bewirtschaftung gehören z. B., dass es keine

gemeinschaftlichen Spritzungen oder Spritzpläne mehr gibt, also dass man von der Chemie wegkommt. Statt dessen sollte man z. B. Mehltauzweige und Monilazweige abschneiden, Leimringe gegen den Frostspanner anbringen, Fallobst wegräumen. Läuse sollten abgesammelt oder mit einem kalten Wasserstrahl abgespült werden. Ebenso werden die Kohlraupen abgesammelt. Um das Gemüse zu schützen, kann man Netze einsetzen, Tomaten können überdacht werden. Des weiteren sollte man morgens die Schnecken unter Brettern oder großen Blättern einsammeln.

- Besonders wichtig ist auch in einer freien Gartenecke z.B. Totholzhaufen zu

schaffen, Insektenhotels zu bauen oder Nistkästen für Vogel aufzuhängen.

- Für die standortgemäße Bepflanzung sollte man wissen, was wo am Besten wächst im Garten, oder ob man Blumen (Tagetes, Ringelblumen) und Stauden zwischen den Gemüsebeeten anpflanzt.

- Die Vielfalt im naturnahen Garten ist sehr wichtig. Für die Bodenbearbeitung

ist zu beachten, dass nur umgegraben wird, wenn ein schwerer Lehmboden vorhanden ist. Genauso wichtig ist das Mulchen oder die Grüneinsaat.

- Jeder Kleingärtner muss in seinem Garten seinen eigenen Erfahrungswert

einbringen.

- Der Verein, das Umfeld und die Anlage müssen die Bedingungen für einen naturnahen Garten schaffen. Dazu gehören unter anderem, dass Vogelschutz- und Totholzhecken, Feuchtbiotope oder Heidegärten geschaffen werden. Schautafeln und Aushängekästen sollten aufgestellt werden. Wegen der Befruchtung könnten Kräutergärten angelegt werden. Igel- und Vogelkästen sind ebenfalls sehr sinnvoll. Von großer Wichtigkeit ist außerdem das Anlegen eines gemeinsamen Kompostplatzes. Damit sich möglichst viele Bürger einen Eindruck über die Anlage verschaffen können, sollten die Tore geöffnet bleiben.

- Bei einer Gartenübergabe sollten stets die Fachberater dabei sein. Er sollte in

einem persönlichen Gespräch den Neupächter beraten und eine naturnahe Bewirtschaftung erörtern.

Leitthemen der Schriftenreihe 115 1996 Würzburg Aktuelle Fragen des Vereins- und Kleingartenrechts 115a 1996 Cottbus Das Bundeskleingartengesetz in seiner sozialpolitischen und

städtebaulichen Bedeutung 116 1996 Lünen Die Position des Kleingartens im Pflanzenschutz 117 1996 Osnabrück Ehrenamtliche Tätigkeit - Freizeit - Kleingarten 118 1996 Nürnberg Die Novellierung des § 3, 1 Bundeskleingartengesetz und deren

Auswirkungen auf die Nutzung und Bewirtschaftung des Kleingar-tens

119 1996 Grünberg Die Rolle der Stauden und Küchenkräuter im Kleingarten 120 1996 Gera Natur- und Umweltschutz in Kleingärten 121 1996 Erfurt Probleme des Kleingartenrechts in Theorie und Praxis 122 1997 Schwerin Haftungsrecht und Versicherungen im Kleingartenwesen 123 1997 St. Martin Pflanzenschutz und die naturnahe Bewirtschaftung im Kleingarten 124 1997 Berlin Lernort Kleingarten 125 1997 Gelsenkirchen Möglichkeiten und Grenzen des Naturschutzes im Kleingarten 126 1997 Freising Maßnahmen zur naturgerechten Bewirtschaftung und umweltge-

rechte Gestaltung der Kleingärten als eine Freizeiteinrichtung der Zukunft

127 1997 Lübeck-Travemünde Der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen 128 1997 Karlsruhe Aktuelle Probleme des Kleingartenrechts 129 1998 Chemnitz Aktuelle kleingartenrechtliche Fragen 130 1998 Potsdam Die Agenda 21 und die Möglichkeiten der Umsetzung der lokalen

Agenden zur Erhaltung der biologischen Vielfalt im Kleingartenbe-reich

131 1998 Dresden Gesundes Obst im Kleingarten 132 1998 Regensburg Bodenschutz zum Erhalt der Bodenfruchtbarkeit im Kleingarten

Gesetz und Maßnahmen 133 1998 Fulda Der Kleingarten - ein Erfahrungsraum für Kinder und Jugendliche 134 1998 Wiesbaden Aktuelle kleingartenrechtliche Fragen 135 1998 Stuttgart Kleingärten in der / einer künftigen Freizeitgesellschaft 136 1998 Hameln Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU von 1992 im

Bundesnaturschutzgesetz und die Möglichkeiten ihrer Umsetzung im Kleingartenbereich

137 1999 Dresden (Kleine) Rechtskunde für Kleingärtner 138 1999 Rostock Gute fachliche Praxis im Kleingarten 139 1999 Würzburg Kind und Natur (Klein)Gärten für Kinder 140 1999 Braunschweig Zukunft Kleingarten mit naturnaher und ökologischer Bewirtschaf-

tung 141 1999 Hildesheim Biotope im Kleingartenbereich

- ein nachhaltiger Beitrag zur Agenda 21 142 1999 Freiburg Zukunft Kleingarten 143 2000 Mönchengladbach Recht und Steuern im Kleingärtnerverein 144 2000 Oldenburg Pflanzenzüchtung und Kultur für den Kleingarten

von einjährigen Kulturen bis zum immergrünen Gehölz 145 2000 Dresden Die Agenda 21 im Blickfeld des BDG 146 2000 Erfurt Pflanzenschutz im Kleingarten unter ökologischen Bedingungen 147 2000 Halle Aktuelle kleingarten- und vereinsrechtliche Probleme 148 2000 Kaiserslautern Familiengerechte Kleingärten und Kleingartenanlagen 149 2000 Erfurt Natur- und Bodenschutz im Kleingartenbereich 150 2001 Rüsselsheim Vereinsrecht 151 2001 Berlin Kleingartenanlagen als umweltpolitisches Element 152 2001 Mönchengladbach Natur- und Pflanzenschutz im Garten 153 2001 St. Martin Das Element Wasser im Kleingarten 154 2001 Gelsenkirchen Frauen im Ehrenamt - Spagat zwischen Familie, Beruf und Freizeit 155 2001 Erfurt Verbandsmanagement

156 2001 Leipzig Zwischenverpachtungen von Kleingartenanlagen - Gesetzliche Privilegien und Verpflichtungen

157 2002 Bad Mergentheim Kleingartenpachtverhältnisse 158 2002 Oldenburg Stadtökologie und Kleingärten – verbesserte Chancen für die

Umwelt 159 2002 Wismar „Miteinander reden in Familie und Öffentlichkeit – was ich wie

sagen kann“ 160 2002 Halle Boden – Bodenschutz und Bodenleben im Kleingarten