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enkma i l Nachrichten der Initiative Denkmalschutz Nr. 10 / Februar–März 2012 www.initiative-denkmalschutz.at – Streichergasse 5/12, 1030 Wien – Telefon: +43 (0)699 1024 4216 – eMail: [email protected] Die Initiative Denkmalschutz ist ein unabhängiger Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter in Österreich [] 175 Jahre Eisenbahn in Österreich ISSN 2219–2417 | 8 € Der 23. 11. 1837, als der erste plan- mäßige Personenzug seine Fahrt von Floridsdorf nach Deutsch-Wagram er- folgreich absolvierte, gilt als Geburts- stunde der Eisenbahn in Österreich. Das 175-Jahr-Jubiläum ist dieses Jahr Anlass für zahlreiche Veranstaltungen und Sonderfahrten, öfters als sonst wird man dieses Jahr das immer wie- der beeindruckende Schauspiel einer Dampflokomotive in Aktion erleben können. Österreich besitzt eine Reihe von Museumsbahnen und Eisenbahn- vereinen, die sich mit Enthusiasmus und Leidenschaft des historischen Erbes annehmen. Einige von ihnen stellen sich mit Beiträgen in dieser „Denkma[i]l-Ausgabe vor. Doch die geschichtliche Dimension beschränkt sich nicht auf die Dampflok am Mu- seumsgleis. In den aktuellen Aussendungen der ÖBB ist mehr von der Zukunft die Editorial (Fortsetzung auf Seite 3)

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enkma i lNachrichten der Initiative Denkmalschutz

Nr. 10 / Februar–März 2012

www.initiative-denkmalschutz.at – Streichergasse 5/12, 1030 Wien – Telefon: +43 (0)699 1024 4216 – eMail: [email protected]

Die Initiative Denkmalschutz ist ein unabhängiger Verein für den Schutz bedrohter Kulturgüter in Österreich

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175 Jahre Eisenbahnin Österreich

ISSN 2219–2417 | 8 €

Der 23. 11. 1837, als der erste plan-mäßige Personenzug seine Fahrt vonFloridsdorf nach Deutsch-Wagram er-folgreich absolvierte, gilt als Geburts-stunde der Eisenbahn in Österreich.Das 175-Jahr-Jubiläum ist dieses JahrAnlass für zahlreiche Veranstaltungen

und Sonderfahrten, öfters als sonstwird man dieses Jahr das immer wie-der beeindruckende Schauspiel einerDampflokomotive in Aktion erlebenkönnen. Österreich besitzt eine Reihevon Museumsbahnen und Eisenbahn-vereinen, die sich mit Enthusiasmusund Leidenschaft des historischenErbes annehmen. Einige von ihnen

stellen sich mit Beiträgen in dieser„Denkma[i]l-Ausgabe vor. Doch diegeschichtliche Dimension beschränktsich nicht auf die Dampflok am Mu-seumsgleis.

In den aktuellen Aussendungen derÖBB ist mehr von der Zukunft die

Editorial

(Fortsetzung auf Seite 3)

Seite 2 Nr. 10 / 2012

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Medieninhaber und Herausgeber: Verein Initiative Denkmalschutz (ZVR-Zl. 049832110), Streicherg. 5/12, 1030 Wien,Österreich. e-Mail: [email protected] http://www.initiative-denkmalschutz.at Tel. +43(0)699 1024 4216

Chefredakteur: Mag. Wolfgang Burghart Redaktion: Markus Landerer, Claus SüssLayout: Ing. Viktor Zdrachal Nachdruck nur mit Genehmigung der AutorenRedaktionsschluss: 22. Februar 2012Mitgliedsbeitrag: € 25, ermäßigt: € 20 (Zusendungvon Druckwerken als PDF per e-Mail), Förderer: € 250 Bankverbindung: Konto-Nr. 28938762500, BLZ 20111; BIC: GIBAATWW, IBAN: AT86 20111 289 387 625 00Grundlegende Richtung: Information der Vereinsmitglieder überAktivitäten des Vereins und Problematiken im Bereich des Denk-malschutzes in Österreich. Namentlich gekennzeichnete Artikelgeben die Meinung der Autoren wieder und stimmen nicht un-bedingt mit jener der Redaktion überein.

Bildnachweis (Abb.): Gerhard Bauer: 1; BezirksmuseumMariahilf: 75; Manfred Böckl: 35-37; Bund Heimat undUm welt: 61; Wolfgang Burghart: 3, 24; Günter Dinhobl:4-20, 69; Prof. H.R. Figlhuber: 40; Rupert Gansterer: Titel-bild, 21-23; Ute Georgeacopol: 46, 47, 50; Gryffindor (Crea-tive Commons): 72; Thomas Haberl: 34; Gerhard Hertenber-ger: 38, 51-53, 71, 76; Hugo Koestler: 49; Markus Landerer:64; Lichtbildstelle Wien: 70; Franz Josef Maringer: 67; InesMüller: 68; Johannes Schendl: 74; Österr. Staatsarchiv: 48;Norbert Pachner (Creative Commons): 59, 73; Photoglob AG,Zürich (Public Domain): 26; Harald Rietsch: 39; Karl Schel-lauf: 30; Erich J. Schimek: 65; Christian Schuhböck: 25;Christian M. Springer: 54-58; Ernest Steiner: 66; RolandTusch: 27-29, 42-44; Ludwig Varga: 41; Jens Uwe Zipe-lius: 1; Viktor Zotter: 63

Wir haben uns bemüht, sämtliche Inhaber von Bildrechten aus-findig zu machen. Sollte dennoch eine Urheberrechtsverletzungvorliegen, ersuchen wir um Meldung an obige Adresse.

Titelbild: Ein Dampfbetriebstag im Eisenbahnmuseum Strass-hof, Niederösterreich

Seite 1,3 Editorial: 175 Jahre Eisenbahn in Österreich

Seite 4 175 Jahre Eisenbahn in Österreich. Eine Spurensuche

Seite 10 Eisenbahnmuseum Strasshof „Das Heizhaus“

Seite 12 Denkmalschutz und Eisenbahn

Seite 13 Die Demontage des Weltkulturerbes Semmeringbahn

Seite 16 Die Wächterhäuser an der Semmeringbahn

Seite 18 Die Feistritztalbahn – Geschichte und Denkmalschutz

Seite 19 Die Wachau und die Bahn Krems – Grein, 1909-2010

Seite 22 Zukunft braucht Herkunft: Kulturerbe Ybbstalbahn

Seite 23 Die Werkstatthalle der Preßburgerbahn in Schwechat

Seite 24 Historischer Bahnhof Perchtoldsdorf: Rettung in letzter Minute

Seite 25 Das Mödlinger Stadtverkehrsmuseum

Seite 26 Der Bahnhof Wien Meidling

Seite 27 Die Wiener Stadtbahn

Seite 29 „Unvergessen“ – Der Aspangbahnhof in Wien Landstraße

Seite 30 Salzburg Hauptbahnhof – 1860 bis 2012

Seite 32 Die Alte Brauerei Schwechat

Seite 34 Historische Brauereien in Österreich

Seite 37 Das Wiener Wasserschloss: Schloss Laudon

Seite 39 iD-Hintergrund: Kulturelles Erbe, Landschaft und Umwelt- ein europäischer Paradigmenwechsel für eine bewahrende Kulturlandschaftsentwicklung (Fortsetzung)

Seite 41 Kurzmeldungen

Seite 42 Vereinspost: Adolf Loos, feuchtes Parkett und 1500 Dach-ziegel: Die Geschichte einer Renovierung

Seite 43 Termine / Veranstaltungen

Weitere Veranstaltungen: www.bahn-fuer-oesterreich.at

Inhalt Impressum

Abb. 1: Die Badlwandgalerie der Südbahn in der Steiermark. Das Pionierbauwerk von 1844 ist akut gefährdet (vgl. S. 5)

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

Seite 3Nr. 10 / 2012

Rede als von der Vergangenheit, dieErfolgsgeschichte, die die Eisenbahnohne Zweifel ist, soll fortgeschriebenwerden. Derzeit läuft „ein historischesInvestitionsprogramm, um die Bahn„zukunftsfit“ zu machen“ - wie Infra-strukturministerin Doris Bures gernebetont. Im Vordergrund stehen dabeiGroßprojekte wie die Neue Westbahnoder die geplanten Tunnel unter Sem-mering, Koralm und Brenner, Pro-jekte, die schon aufgrund ihrer Di-mensionierung und Kosten Kritik her-vorrufen. Sinnvoll sind sie unter ande-

rem dann, wenn sie bestehende Stre-cken nicht ersetzen, sondern ergän-zen – wie dies nach derzeitigem Infor-mationsstand beim Semmering-Basis-tunnel der Fall sein wird: Die Welterbe-Strecke kann hier durch den Tunnelentlastet und besser geschützt wer-den. Am wichtig sten aber scheint viel-leicht die Signalwirkung, die von dengenannten Projekten ausgeht: DieBahn ist lebendig, stellt sich neuentechnischen Herausforderungen.

Vernachlässigt wird, was in kurzermarktwirtschaftlicher Perspektive un-rentabel ist: Die lange und traurigeGeschichte der Nebenbahn-Still -legungen gehört hier an erster Stellegenannt. Auch der Denkmalschutzscheint bei den ÖBB kein Anlass zurBegeisterung, verursacht er dochMehrkosten, wo allenthalben Ver-schlankung an der wirtschaftlichenTagesordnung steht. Leider haben die

ÖBB von Bundesseite nur einen Wirt-schafts-, aber – anders als in derSchweiz - keinen Kulturauftrag. Nichtmehr benötigte Bahn-Liegenschaftenwerden verkauft, in Wien etwa diegroßen Areale der FrachtenbahnhöfeNord bzw. Süd, wo Wohnhausanlagengeplant sind. Das Nordbahnhofge-lände war 1987, zum 150-Jahr-Jubiläum der Bahn in Österreich,noch ein zentraler Schau- und Veran-staltungsort. Mittlerweile ist das his-torische Heizhaus dort ebenso ver-schwunden wie jene des ehemaligenOstbahnhofs.Ablesbar ist die Tendenz zu strikterWirtschaftlichkeit auch am Schicksal

der Bahnhöfe: Die großen Knoten-punkte, die Großbahnhöfe der Lan-deshauptstädte wurden bzw. werdenim Zuge der Bahnhofsoffensive sei-tens der ÖBB umgebaut und neu ge-staltet, was in Fällen wie Graz oderauch des in Bau befindlichen WienerHauptbahnhofs positiv zu sehen ist.Zäh war das Ringen um den Salzbur-ger Hauptbahnhof, wo eine vorbildli-che Rekonstruktion der Kassenhalleein wenig über den Verlust des Mar-morsaales hinwegtrösten kann. DieSanierung der Wiener Westbahnhof-halle kann ebenfalls als gelungen an-gesehen werden, gleichzeitig mar-kiert die monströse Transformationdes Bahnhofs zur Bahnhofscity denherrschenden Bedeutungswandel:nicht mehr das Reisen, das umsatz-trächtige Shoppen steht im Mittelpunkt.Dort, wo sich diese Möglichkeit einerUmnutzung nicht bietet, in den länd-lichen Regionen mit schlechter demo-

graphischer Ausgangslage, sieht dieSituation düster aus: An den zahlrei-chen stillgelegten Bahnstrecken Nieder - österreichs, im Thayatal, im Wein-und Waldviertel stehen sie bereits –Geisterbahnhöfe, die ohne Nachnut-zung dem Verfall preisgegeben sind.Verloren gehen damit Verkehrs-Infra-struktur und Geschichte ganzer Re-gionen. Leider wird bei den ÖBB wei-ter in diesem Bereich gespart: Land-bahnhöfe sind heute keine lebendi-gen Orte mehr, den klassischenBahnhof mit Schalter und Warteraumersetzt heute ein kahler Bahnsteigmit zugigem Unterstand und Fahr -kartenautomat. Die Empfangsge-

bäude, einst Aushängeschilder einesOrtes so wie Kirche und Rathaus,drohen zu verkommen - eine Ent-wicklung wie in Deutschland, wo fastvon einem Bahnhofsbau-Sterben ge-sprochen werden kann, sollte Öster-reich erspart bleiben. Gleichzeitig gibtes Beispiele aus Südtirol, der Schweizund vereinzelt auch Ostdeutschland,wo bereits privatisierte oder in Trä-gerschaft der Länder übernommeneStrecken vom Publikum angenom-men werden, sofern ein täglicher Be-trieb eingerichtet ist, bei dem Pla-nung, Taktung und Service stimmen.

Hoffen wir in diesem Sinn, dass unsneben aller technischen Innovationauch eine Renaissance der Regional-bahn in 25 Jahren noch stolzer aufdie Eisenbahngeschichte zurück -blicken lässt, als es dieses Jahr derFall ist.

Mag. Wolfgang Burghart

Abb. 2 (links) und 3 (oben) - Kontraste: Der ehemalige Bahnhof Pulkau (NÖ) an der aufgelassenen Pulkautalbahn und der 2011 als „Bahnhofcity Wien West“ neu eröffnete Westbahnhof

Fortsetzung von Seite 1Editorial

Eisenbahnen in Österreich tragen seitnunmehr 175 Jahren zur Mobilitätvon Menschen sowie Gütern bei. Seitdiesen 175 Jahren erfolgt die Er-schließung des Landes durch neueStreckenbauten und mittels unter-schiedlichster Fahrzeuge. Ebenso er-folgt seit 175 Jahren die Aufrechter-haltung des tagtäglichen Eisenbahn-betriebes durch Streckensanierungenund -umbauten sowie durch Fahr-zeugsanierungen und -umbauten.

»Durch die Eisenbahn verschwindendie Distanzen, die materiellen Interessen werden gefördert, dieCultur wird gehoben und verbreitet«lautet das von Carl Ghega, dem Bau-leiter der Semmeringbahn aufge-stellte Motto zu Beginn des Eisen-bahnzeitalters. Eine Spurensuchequer durch diesen Zeitraum sollZeugnis geben über das Aufkommenund die Weiterentwicklung dieserTransporttechnologie: Elektro- und

Diesellokomotiven haben die Dampf-lokomotiven abgelöst, Ziegel undStein als Baumaterial wurden durchStahl und heutzutage durch den‚Kunststein’ Beton ersetzt. Die Ab-wicklung des fahrplanmäßigen Zugs-verkehres erfolgt durch unterschied-liche Signal- und Betriebstechniken,und deren Weiterentwicklungenhaben die erforderlichen Kapazitäts-steigerungen dieses Massentrans-portmittels ermöglicht. >>

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175 Jahre Eisenbahn in Österreich. Eine Spurensuche

Nr. 10 / 2012

1841, Wien/Niederösterreich: Nordbahn – Dampflokomotive Ajax (Abb. 4)

Die Kaiser Ferdinands-Nordbahn von Wien über Gänserndorf nach Brünn ist die erste moderne Eisenbahn Österreichs: sie vereinteerstmals die Spurführung durch das Rad-Schiene-System und die Anwendung der mechanischen Kraft durch die Dampfmaschine.Die Dampflokomotive mit dem Namen Ajax wurde im Jahr 1841 in England gebaut und zerlegt in Kisten verpackt nach Österreichgebracht. In Wien wieder zusammen gebaut, befand sich die Lokomotive ab 1841 bis in das Jahr 1874 in täglichem Eisenbahnbe-trieb. Die Bedeutung der Maschine ist schon frühzeitig von der privaten Eisenbahngesellschaft erkannt worden und schließlich erfolgte 1911 die Übergabe an das damalige Österreichische Eisenbahnmuseum. Heute befindet sich die Ajax im TechnischenMuseum Wien.

Die folgende Spurensuche zur 175-jährigen Geschichte der Eisenbahnenin Österreich möchte die Vielfalt unddie Entwicklungen an Hand von bisheute existierenden und geschütztenEisenbahnobjekten aufzeigen: Gegen -wärtig sind mehr als 500 Eisenbahn-bauwerke und mehr als 90 Fahrzeugeund Waggons als national schutzwür-dig gemäß Denkmalschutzgesetzausgewiesen; teilweise kommt ihnensogar der Status des UNESCO-Welt-

erbes zu, was dessen auch interna-tional herausragende Bedeutung un-terstreicht. Die ausgewählten Bei-spiele befinden sich in Museen, abergroßteils doch ‚auf der Strecke’ derEisenbahnunternehmen Österreichsund sind oftmals nahtlos in den Alltagintegriert. Dass die Erhaltung des Eisenbahn-Erbes für alle Akteure –sowohl für die Bahnbetreiber als auchfür den Denkmalschutz – eine nichtimmer einfache Herausforderung

bedeutet, aber trotzdem in einem gewissen Rahmen lösbar und lebbarist, soll die folgende Spurensucheaufzeigen.

Dr. Günter Dinhobl Österreichischer National Representative desinternationalen Denkmalrates für das Indus-trieerbe TICCIH, Autor und Herausgeber vonmehreren Büchern zur Semmeringbahn, u.a.

„Panorama Welterbe Semmeringbahn (Innsbruck Studien-Verlag 2010)

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

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1844, Steiermark: Südliche Staats-bahn – Badlwand-Galerie (Abb. 5)

Beim Bau der Südbahn zwischen Mürzzu-schlag und Graz musste im Murtal beiPeggau die Talenge durch ein höchst inno-vatives Bauwerk bewältigt werden: Nach-dem eine Felswand abgesprengt wurde,um der Eisenbahn die notwendige einglei-sige Trasse zu ermöglichen, konnte nurdank einer 363 m langen Galerie dieschon vor dem Bahnbau vorhandene‚Commercialstraße’ ebenso die Talenge –nun aber auf dem ‚Dach’ der Galerie –passieren. Durch die Verlegung der Bahn-trasse auf die andere Murseite in den1960er Jahren sowie die Verlegung derStraße vom Dach der Galerie auf die Auf-schüttung des später hinzugekommenenehemaligen zweiten Gleises vor der Gale-rie wurde diese selbst funktionslos. Unter-bliebene Wartungsarbeiten führten seithersukzessive zum Verfall dieses Pionier-Bau-werks. Die Badlwand-Galerie dürfte nachgegenwärtigem Wissenstand ein inEuropa einzigartiges Bauwerk sein, dasZeugnis über die gemeinsame Bewälti-gung eines engen Tales durch Eisenbahnund Straße gibt.

1841, 1847, Burgenland: Mattersburger Viadukt (Abb. 6)

Die 1847 eröffnete Strecke von Wr. Neu-stadt nach Ödenburg / Sopron erfordertebei Mattersdorf (seit 1922: Mattersburg)zur Überbrückung des Wulkatales einenViadukt. Die Ausmaße sind auch für heu-tige Verhältnisse noch beachtlich: 20Bögen mit einer Spannweite von jeweils11 Meter führen zur Viaduktlänge vonmehr als 250 Meter. Wie die gesamteBahnlinie ist auch dieses Bauwerk zwei-gleisig trassiert, jedoch blieb die Bahn vonBeginn an eingleisig. Der Aufbau der Pfei-ler besteht aus Ziegel mit Verstärkungenaus Steinmauerwerk. Die Ziegelgewölbeweisen an den beiden Viaduktenden eineBesonderheit auf: der 3. und 4. sowie 17.und 18. Bogen wurde mit ‚schrägem’ Ton-nengewölbe gebaut, um das Bauwerk dendamals darunter befindlichen Bachläufenanzupassen.

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1854, Niederösterreich / Steier-mark: Semmeringbahn (Abb. 7)

Die 1854 in Betrieb genommene Eisen-bahn über den Semmering führt vonGloggnitz durch das Reichenauer Tal unddie Adlitzgräben „in sinnlosen verlängern-den Serpentinen“, wie der österreichischeIngenieursverein den Bahnbau im Jahr1849 massiv kritisierte, bis auf knapp 900Meter Seehöhe, unterfährt den Semme-ringpass mittels eines 1,5 km langenScheiteltunnel und führt durch dasFröschnitztal nach Mürzzuschlag. Der Er-folg der Bahn liegt im bis heute praktizier-ten ausschließlichem Lokomotivbetrieb,und der Ingenieursverein errichtete schonim Jahr 1869 im Bahnhof Semmering einDenkmal zu Ehren des - kritisierten - Bau-leiters Carl Ritter von Ghega. Mit diesemBahnbau überwand eine Eisenbahn welt-weit erstmalig ein Hochgebirge, ein Um-stand, der 1998 zur Aufnahme insUNESCO-Weltkulturerbe geführt hat.

1877, Oberösterreich: Salzkammer-gutbahn – Bahnhof Bad Ischl (Abb. 8)

Die Salzkammergutbahn führt von Att-nang-Puchheim über Gmunden, Bad Ischlund Bad Aussee nach Stainach-Irdning.Von der Kronprinz-Rudolfsbahn-Gesell -schaft gemeinsam mit der Strecke Pas-sau-Attnang-Puchheim errichtet, konntedamit das Salzkammergut nach Nordenmit Bayern und nach Süden mit der Stei-ermark verbunden werden. 11 Tunnelsund Steigungen bis zu 28 ‰ geben ihrden Charakter einer Gebirgsbahn. DerKurort Bad Ischl erhielt einen seiner Be-deutung als Kurort und Sommerfrischeentsprechenden Bahnhof. Zwischen 1894und 1957 verkehrte von diesem Bahnhofdie berühmte schmalspurige Salzkammer-gut-Lokalbahn bis nach Salzburg.

1878, Steiermark: Südbahn – Rundheizhaus Mürzzuschlag (Abb. 9)

Mit der Größe der Dampflokomotiven undderen Eigenschaft, mit dem Rauchfangvoraus schneller fahren zu können als‚rückwärts’, entstand das Bedürfnis, dieLokomotiven bei betrieblich bedeutendenOrten umdrehen zu können. Die um der-artige Drehscheiben segmentförmig ange-ordneten Gleise führten in die Stände desRundheizhauses, das eine äußerst platz-und gleissparende Bauweise bot. In Mürz-zuschlag an der Südbahn, welches gleich-zeitig das südliche Ende der Semmering-bahn bildete, entstand 1873 ein großesRundheizhaus mit Drehscheibe, das spä-ter bis auf 14 Stände erweitert wurde. Mitdem Ende des Dampfbetriebes erfolgteein Rückbau auf 10 Stände und bei fünfStänden wurde eine elektrische Fahrlei-tung eingebaut. Mit der Auflassung derWerkstätte in Mürzzuschlag in den 1990erJahren war das Gebäude bis 2008 leerste-hend, bis das SÜDBAHN-Museum darindie Lokomotiv- und Draisinensammlungaufstellte.

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

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1890, Niederösterreich: GutensteinerBahn – Bahnhof Wöllersdorf (Abb. 10)

Niederösterreich ist nicht nur das Bundeslandmit der ersten Dampfeisenbahn Österreichs,sondern auch das Bundesland der Lokalbahnen.Als erste Strecke mit Lokalbahnbetrieb wurdeim Jahr 1877 die Zweiglinie Wöllersdorf-Guten-stein durch die ‚k.k.priv. niederösterreichischenSüd-West-Bahnen’ errichtet. Noch während derBauzeit erfolgte zur Abwendung des Konkursesdie Verstaatlichung, und Dank etlicher Indus-triebetriebe im Piestingtal war das Frachtauf-kommen von Beginn an auf der gesamten Stre-cke ausgezeichnet. Das Wöllersdorfer Bahnhofs-gebäude samt dem Güterschuppen wurde 1890errichtet, nachdem diese Bahn schon einige Zeiterfolgreich in Betrieb stand. Heute wird die Gu-tensteiner Bahn von Wiener Neustadt aus be-fahren und die Verbindung zwischen Leobers-dorf/Wittmannsdorf und Wöllersdorf ist für denPersonenverkehr eingestellt.

1898, Wien: Vorortelinie – Station Hernals (Abb. 11)

Mit dem Anwachsen der WohnbevölkerungWiens durch die Stadterweiterung im Jahr 1890ging der Bau einer Stadtbahn und deren Eröff-nung im Jahr 1898 einher. Drei zweigleisigeStadtbahnlinien wurden zwischen den beste-henden Bahnhöfen Heiligenstadt und Hütteldorferrichtet: neben der Wiental-Donaukanal-Linie(heute U4) und der Gürtellinie (heute U6) bil-dete die Vorortelinie die kürzeste, aber gebir-gigste Verbindung zwischen Heiligenstadt undHütteldorf. Sie befand sich zunächst am äuße-ren Rand der verbauten Vororte und quert dieTäler mittels Dämmen und Brücken und unter-fährt die Höhenrücken durch Tunnel. Die Bahn-höfe der Stadtbahn wurden von Otto Wagnerentworfen und bilden bis heute weitestgehendein architektonisches Gesamtensemble von Ver-kehrsbauwerken im sezessionistischen Stil.Nach Jahren des Niedergangs erfolgte 1987nach Renovierung die Wiederinbetriebnahme alsSchnellbahnstrecke S 45.

1900, Oberösterreich: Mühlkreisbahn –Donaubrücke Linz (Abb. 12)

Zur Erschließung des oberen Mühlviertels wurdeim Jahr 1888 die 58 Kilometer lange Streckevon Linz-Urfahr über Neufelden, Haslach bisAigen-Schlägl eröffnet. Diese nach dem Lokal-bahngesetz von 1880 von privater Seite äußerstsparsam errichtete Bahn verlief oft unmittelbarneben der Straße und weist starke Steigungenbis zu 46 ‰ auf. Zunächst als reiner Inselbe-trieb ohne Verbindung zur Westbahn in Betriebgenommen, brachte das Jahr 1900 eine Verbin-dungsbahn zwischen dem Linzer Hauptbahnhofund dem Bahnhof Urfahr. Diese Bahn diente nurdem Überstellen von Güterwagen und weistdeshalb als Besonderheit die Brücke über dieDonau für Bahn- als auch für Straßenbetrieb auf.Insbesondere durch die Straßennutzung mit derin den letzten Jahrzehnten rapide angestiege-nen Praxis der Aufbringung von Tausalz auf dieFahrbahn zur Eisfreihaltung geht eine unpropor-tional rasch ansteigende Korrosion einher. Der-zeit werden Lösungen erarbeitet, mit der dasBrückenbauwerk nachhaltig erhalten werden kann.

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1905, Salzburg: Tauernbahn–Bhf. Bad Gastein (Abb. 13)

1901 fiel der Beschluss des Reichsrates für den Bau der ‚Neuen Al-penbahnen’, der Tauern-, Karawanken- und Wocheinerbahn. Schon1905 konnte die 31 Kilometer lange nördliche Teilstrecke der Tau-ernbahn von Schwarzach-St.Veit nach Bad Gastein eröffnet wer-den. Auf diesem Streckenabschnitt wird eine Höhendifferenz vonknapp 500 Metern überwunden. Zwischen Bad Hofgastein und BadGastein befindet sich auch die exponierte und vielfach abgebildeteAngerschluchtbrücke, eine 133 m lange Stahlfachwerkbogenbrü-cke. Wegen der Bedeutung von Bad Gastein als heilklimatischerKurort und als Treffpunkt für den Hochadel erhielt dieser Bahnhofals einziger der gesamten Tauernbahn ein architektonisch aufwän-diges Gebäude im Jugendstil.

1909, Kärnten: Tauernbahn – Mallnitz, Südliches Tauerntunnelportal (Abb. 14)

Kernstück der 1909 eröffneten Tauernbahn ist der 8.551 m langeTauerntunnel, in dem sich der Kulminationspunkt dieser Gebirgsbahnmit 1225 m Seehöhe befindet. Der Bau erfolgte zwischen 1901 und1907 mittels der seit 1875 praktizierten ‚Österreichischen Tunnel-baumethode’: zunächst erfolgte der Vortrieb eines Sohlstollens amFuß des künftigen Tunnels, gefolgt von einem höher liegenden First-stollen, mit dem das obere Ende des Tunnelbauwerkes markiert war;danach erfolgte sukzessive der Ausbruch und Ausmauerung des ge-samten Tunnelprofils. Durch diese Baureihenfolge konnte das Aus-bruchsmaterial des Firststollens sowie der weiteren Aufweitungenmittels Materialschächte in Transportwagen gefüllt werden, die imschon errichteten Sohlstollen bereit standen. Zwischen 2001 und2005 wurden der Fahrweg und die Sicherheitsausrüstung auf heuti-gen Standard gebracht. Das führte zur Verkürzung des Tunnels um180 Meter und der Verlegung des nördlichen Tunnelportals (und Er-halt des ursprünglichen Portals), während das südliche Portal auchweiterhin Tauerntunnelportal ist.

1909, Niederösterr.: Wachauerbahn – Bhf. Dürnstein (Abb. 15)

Schon ab den 1880er Jahren gab es Überlegungen zum Bau einerEisenbahn zwischen Krems und Grein am nördlichen Donauufer. Essollte jedoch noch bis 1905 dauern, bis alle Genehmigungen und dieFinanzierung des Bahnbaues sichergestellt waren. Gebaut wurdeeine hochwassersichere Trasse an den Berghängen mit größerenBrücken über die Seitentäler. Auch wurde beim Bahnbau der Land-schafts- und Denkmalschutz einbezogen und führte so zum Erhaltdes Alten Rathauses in Spitz. Anderorts traten durch den Bahnbauund den erforderlichen Erdarbeiten auch archäologische Funde zu-tage, und der berühmteste davon ist die 1908 gefundene ‚Venus vonWillendorf’. Die Gebäude der Wachauerbahn waren nicht dem Stan-dard der Staatseisenbahn verpflichtet, sondern griffen regionaltypi-sche Architekturformen auf. Die Bahn ist heute im UNESCO-WelterbeWachau und wurde Ende 2010 von der ÖBB an die Niederösterrei-chische Verkehrsorganisationsgesellschaft NÖVOG übergeben. Diesekann leider mehr keinen täglichen (hochwassersicheren) Eisenbahn-betrieb führen, sondern nur mehr touristischen Sonderverkehr anWochenenden.

1911/1913: Dampflokomotiven 629.01 (rechts, vorne) und 310.23 (links, hinten; Abb. 16)Die ab 1911 in einer Serie von 90 Stk. gebaute Lokomotivreihe 310kam auf den Strecken der k.k. Staatsbahnen wie beispielsweise derWestbahn Wien -Salzburg zum Einsatz. Die drei Treibräder habeneinen Durchmesser von 2,14 m und zählen damit zu den größten beieuropäischen Dampflokomotiven. So konnten Geschwindigkeiten von100 km/h planmäßig erreicht werden. Der wohl berühmteste Zug,den die Lokomotiven der Baureihe 310 zogen, war ohne Zweifel derOrient-Express zwischen Salzburg und Wien. Zur Steigerung des Be-triebes auf der Südbahn-Strecke Wien-Gloggnitz konnte im Jahr 1913die erste Maschine der Tenderlokomotivenbaureihe 629 in Betrieb ge-nommen werden. Dieser Lokomotivtyp bewährte sich, sodass auchmehrere andere Eisenbahnunternehmen der Monarchie die Lok bestell-ten. Beide Lokomotiven sind voll funktionsfähig und werden durch dieMitarbeiter des Eisenbahnmuseums Strasshof an der Nordbahn betreut.

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1912, Tirol: Karwendelbahn – Innbrücke (Abb. 17)Die noch kurz vor dem Ersten Weltkrieg fertig gestellte Karwen-delbahn erweitert die seit 1889 bestehende bayrische Eisen-bahnverbindung von München mit Garmisch-Partenkirchen wei-ter über den Grenzbahnhof Scharnitz bis Innsbruck. Die Kar-wendelbahn läutete die ‚Elektromobilität’ der normalspurigenHauptbahnen ein: von Beginn an für elektrischen Betrieb ge-plant wagte man sich an starke Neigung von bis zu 36,5 ‰ underarbeitete gemeinsame Bau- und Betriebsnormen, die dieGrundlage für den elektrischen Betrieb in Österreich undDeutschland, aber später auch der Schweiz bildeten. Die Kar-wendelbahn ist auch wegen der zahlreichen Kunstbauten wieTunnel und Brücken bekannt. Das längste Brückenbauwerk führtüber den Inn und hat ein untenliegendes, genietetes Fachwerk,innerhalb dem gleichzeitig ein Fußgängersteg integriert ist.

1931, Tirol: Uhrturm Bahnhof Innsbruck (Abb. 18)

Im Jahr 1858 erreichte die Eisenbahn von Kufstein kommendInnsbruck, und ab 1867 war mit der Brennerbahn die zweite al-penquerende Eisenbahn errichtet. Von Innsbruck nach Westenin Richtung Vorarlberg und Schweiz konnte ab 1884 dank derArlbergbahn gefahren werden und ab 1912 mit der Karwendel-bahn nach Scharnitz und weiter nach Deutschland. Ein derartigwechselvoller Verlauf der Eisenbahngeschichte erforderte immerwieder Um- und Neubauten im Bahnhofsbereich. Das erste Inns-brucker Bahnhofsgebäude entstand 1858 und ein vor dem Ers-ten Weltkrieg begonnener Neubau führte jedoch zu einem erst1928 fertig gestellten Umbau. Schon 1931 erfolgten weitereAusbauten, und im Umfeld dessen entstand auch das bis heutebestehende Uhrturmgebäude nördlich des Bahnhofs-Hauptge-bäudes für die Betriebsdirektion.

1954, Wien: Westbahnhof (Abb. 19)

Seit 1860 besteht die Westbahn von Wien nach Salzburg mitder Abzweigung von Wels nach Passau. Das damalige Bahn-hofsgebäude war im Stil des Romantischen Historismus gehal-ten und als gestalterisches Hauptmotiv war der Rundbogeneingesetzt. Nach Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg fiel derEntschluss, den Westbahnhof komplett neu aufzubauen. Derzwischen 1950 und 1954 gebaute neue Westbahnhof wurdevon den Architekten Robert Hartinger und Josef Wöhnhart ge-plant. Bis heute überzeugt der Westbahnhof mit seiner klarenGliederung und den kurzen und direkten Wegen vom Eingangzu den Gleisen. Die denkmalgerechte Sanierung der Bahnhofs-halle wurde Ende 2011 abgeschlossen, wobei nun unterirdischeine ‚Bahnhofscity’ für die heutigen Shopping-Anforderungeneingebaut wurde. Die ehemals großzügige und markante Lageam Europaplatz ist nun durch zwei flankierende und mächtigeBüro- und Einkaufsgebäude merklich geschmälert.

1966-70: Triebwagen Baureihe 4010 (Abb. 20)Zu der Zeit der Inbetriebnahme galt der sechsteilige Triebwa-genzug der Baureihe 4010 als der modernste und repräsenta-tivste Elektro-Triebwagenzug der ÖBB, und seit 1970 waren 29derartige Triebwagenzüge im nationalen und internationalenSchnellzugsverkehr im Einsatz. Die Höchstgeschwindigkeit von150 km/h, die großzügig bemessene Bestuhlung sowie ein dieStädte Österreichs verbindender Fahrplan führten zu einergrundlegenden Komfortsteigerung für die Reisenden und warennoch 1972 die Grundlage für die Bewerbung dieses Zuges als‚Ein schöner Zug von uns’. Zwischen 2001 und 2008 erfolgte dieAusmusterung der Triebwagenzüge, und im Jahr 2010 wurdeder Triebwagen 4010.09 (mit Steuerwagen 6010.09 und Zwi-schenwagen) unter Denkmalschutz gestellt und befindet sichnun bei der Österreichischen Gesellschaft für Eisenbahnge-schichte (ÖGEG) und soll wieder fahrbereit aufgearbeitet werden.

Lebendige Eisenbahngeschichte

In der Nähe von Wien gibt es einenPlatz, wo die österreichischen Vetera-nen der Schiene zu Hause sind. DasEisenbahnmuseum Strasshof „DasHeizhaus“ wurde im Bereich der frü-heren Zugförderungsstelle, die bis1978 in Betrieb war, durch den „1.österreichischen Straßenbahn- undEisenbahnklub“ (1.öSEK) eingerichtetund 1984 eröffnet.Derzeit umfasst die Fahrzeugsamm-lung 39 Dampfloks, 25 Elektroloks,20 Dieselloks, 7 Triebwagen und ca.180 Stück zum Teil über 100-jährigeWaggons, sowie etliche Sonderfahr-zeuge. Für die fachgerechte Instand-

haltung und Renovierung der Fahr-zeuge steht eine gut sortierte Werk-stätte mit historischen Werkzeugenzur Verfügung. Ein weiterer Schwer-punkt entsteht mit der Sammlungder Sicherungstechnik (Signale undStellwerke) des Eisenbahnwesens.Zusätzlich wird am Aufbau einer Bi-bliothek und eines Archivs gearbeitet.

Der Museumsträger

Der 1.öSEK - ein gemeinnützig täti-ger Verein - wurde 1973 zu einer Zeitgegründet, zu der das Ende desDampflokzeitalters in greifbare Nähegerückt war. Die Hauptaktivität desjungen Klubs war damals die Veran-staltung von Sonderfahrten mit altenStraßenbahn- und Eisenbahnfahrzeu-gen, um sie noch einmal in Betrieb zusehen und der Nachwelt brauchbare

Foto- und Filmdokumente hinterlas-sen zu können.

Hieraus entstand auch der Kontaktzur damals noch in Betrieb stehendenZugförderungsstelle der ÖBB inStrasshof sowie zum Österrei-chischen Eisenbahnmuseum (ÖEM).Schon bald hatten sich einige fachlichinteressierte Mitglieder gefunden, dieversuchten, die in ganz Österreichverteilten, ungepflegten, bestohlenenund verrosteten Dampflokomotiven,die für das staatliche Eisenbahnmu-seum vorgesehen waren, in das vorder Schließung stehende Heizhaus zubringen. Diese Initiative kam demÖEM gelegen und mündete schließ-

lich in einem Leihvertrag für die hin-terstellten Exponate.

Erstmals tauchte in dieser Zeit dieIdee auf, das Heizhaus nach derSchließung in ein Eisenbahnmuseumzu verwandeln. Es sollte fast 3 Jahredauern, bis eine für alle Seiten befrie-digende Lösung gefunden werdenkonnte, um die staatliche Eisenbahn-sammlung dauerhaft zu schützen undsie der Öffentlichkeit zugänglich zumachen. Die seit 31. Dezember 1978gesperrte Heizhausanlage samt zu-gehörigen Nebenanlagen wurdeschließlich unter Denkmalschutz ge-stellt.Am 1. Juni 1983 wurde vom 1.öSEKder Pachtvertrag mit den ÖBB unter-zeichnet. So entstand die in Öster-reich wohl einmalige Situation, dassein privater, nicht auf Gewinn ausge-

richteter Verein eine denkmalge-schützte Anlage erhält, um die darinebenfalls von ihm betreute staatlicheEisenbahnsammlung fast ausschließ-lich aus Eigenmitteln zu sanieren undzu revitalisieren.

Vereinsaktivitäten

Es ist zwar Ziel, möglichst viele Ex-ponate zu restaurieren und der Öf-fentlichkeit zugänglich zu machen,was jedoch nur nach Maßgabe der fi-nanziellen Situation realisierbar ist.Daneben ist es ein großes Anliegendes 1. öSEK, vor allem den nächstenGenerationen den Dampfbetrieb zuvermitteln, den sie im Normalbetrieb

nie gesehen haben. Aus diesemGrund baut der 1.öSEK ein Betriebs-museum auf, in dem der Besucherdie Veteranen der Schienen möglichstoriginal erleben kann.

Darüber hinaus kann man im Eisen-bahnmuseum Strasshof mitarbeiten.Als Mitglied des 1.öSEK kann mannach Herzenslust im Museum tätigwerden. Die Tätigkeitsbereiche sindvielfältig: vom Museumsdienst überden Modellbau bis hin zur staatlichenKesselwärterprüfung. Das nötigeFachwissen wird über die Generatio-nen von aktiven Vereinsmitgliedernweitergegeben. So ist „Das Heizhaus“nicht bloß ein Museum oder eine in-szenierte Erlebniswelt, sondern einelebendige Institution. Der 1.öSEKzählt mittlerer Weile über 500 Mit-glieder, von denen pro Jahr ca. hun-

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Eisenbahnmuseum Strasshof „Das Heizhaus“

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Abb. 21: An den so genannten Dampfbetriebstagen begeisterndie fahrfähigen Dampfloks unsere Besucher. Bei einer Führer-standsmitfahrt kann man die schwere Arbeit beobachten.

Abb. 22: Personenwagen mit Holzkastenaufbauten sind heutein Österreich eine Rarität. Der einzig erhalten gebliebene Schlaf-

wagen aus der Zeit um 1900 ist schon sehr stark verfallen.

dert Mitglieder über 30.000 Arbeits-stunden für das Museum leisten.

Betrachtung über die Erhaltungs-art von Schienenfahrzeugen

In jüngster Zeit wurde in Österreichüber die Erhaltungsart von Schienen-fahrzeugen heftig diskutiert. AusDeutschland wurde die Meinung im-portiert, dass bei technischen Expo-naten, welche in Betrieb genommenwerden, die historische Substanz ver-nichtet werde. Daher sei die bloßeAufstellung der Fahrzeuge erstre-benswert.

Sollte sich dieseAnschauung durch-setzen, sind dieTage gezählt, andenen noch histo-risch interessanteLokomotiven inÖsterreich fahren.Der 1.öSEK sowiealle Mitglieder desÖsterreichischenVerbands der Mu-seums- und Touris-tikbahnen (ÖMT)vertreten die Mei-nung, dass nichtnur die materielleFrage, sondernauch die fachlicheHandhabe und dashandwerkliche Kön-nen an historischenFahrzeugen derNachwelt weiter-überliefert werden sollte. Darüber hi-naus erreicht man mit betriebsfähi-gen Exponaten eine wesentlich grö-ßere Öffentlichkeit. Als Orientie-rungshilfe hat der ÖMT eine Empfeh-lung zur Erhaltung historischer Schie-nenverkehrsmittel basierend auf derRiga-Charta des europäischen Dach-verbands erarbeitet. Somit wird der1.öSEK auch in Zukunft bemüht sein,die Exponate wieder in einen histo-risch wertvollen und wenn möglichlebendigen Zustand aufzuarbeiten,um sie der Nachwelt zu erhalten undSchienenverkehrsgeschichte authen-tisch zu vermitteln.

Obwohl Österreich eine Vielzahl anhistorischen Schienenfahrzeugen be-sitzt, gibt es nur eine Handvoll Expo-nate, an denen sich umfassende his-torische Spuren ablesen lassen.

Grund dafür ist der chronische Geld-mangel für die historischen Schienen-fahrzeuge. So sind die meisten Expo-nate jahrzehntelang im Freien unge-schützt abgestellt gewesen oder alsDenkmale aufgestellt worden. Dieüberlieferten Betriebsspuren sind da-durch unwiederbringlich vernichtetworden. Durch die große Anzahl derbetroffenen Exponate ist eine Restau-rierung im klassischen, musealenSinn nicht zielführend. Eine kom-plette Aufarbeitung mit teilweisenRekonstruktionen ist bei den meistenExponaten mittlerer Weile unaus-

weichlich geworden. Diese Arbeitensind so umfangreich, dass für eineInbetriebnahme nur noch ein verhält-nismäßig geringer zusätzlicher Auf-wand getätigt werden muss. Bei großen Projekten hat sich fol-gende Arbeitsweise bewährt:

Zu allererst werden die erhaltungs-technischen und wirtschaftlichen As-pekte ergründet. Dazu gehören unteranderem die Quellenforschung, dieAbsprache mit dem Eigentümer unddem Bundesdenkmalamt sowie dieAusarbeitung eines Zeit- und Finanz-plans. Danach erfolgt eine Beschluss-fassung im Vereinsvorstand, bei derauch ein Projektleiter ernannt wird.Dieser hat die Aufgabe, die Arbeitenzu koordinieren, da Arbeitsschritteoder Komponenten an einzelne Mitar-beiter oder Firmen vergeben werden.

Durch diese Arbeitsweise können imSchnitt pro Jahr zwei bis drei Mitar-beiter fachspezifische Fähigkeiten er-werben. Bei betriebsfähigen Expona-ten hat es sich als vorteilhaft erwie-sen, wenn der Projektleiter nach Ab-schluss der RenovierungsarbeitenFahrzeugbetreuer bleibt.

Perspektiven der Museums -entwicklung

Die größte Herausforderung dernächsten Zukunft ist die Schaffungvon genügend witterungsgeschützten

Abstellflächen, umden Verfall der Ex-ponate zu verhin-dern. Der 1.öSEKmacht schon seitJahren das Unter-richtsministeriumauf die prekäre Si-tuation der staatli-chen Fahrzeug-sammlung auf-merksam. Hierfürist mit einem In-vestitionsvolumenvon etwa 24 Millio-nen Euro zu rech-nen, die der Vereinnie erwirtschaftenkann. Es ist völligunverständl ich,dass die zuständi-gen Stellen in die-ser Angelegenheitkeine Lösung her-beiführen. Geradein der Zusammen-

arbeit mit den Idealisten des 1.öSEK,könnte für den Staat eine finanziellgünstige Bewahrung der Fahrzeug-sammlung erreicht werden.

Ziel ist es, das EisenbahnmuseumStrasshof zum Kompetenzzentrumfür historische Schienenfahrzeugeauszubauen. Es besteht damit dieeinzigartige Chance, ein umfassendesnationales Österreichisches Eisen-bahnmuseum zu bilden.

Rupert Gansterer1. Österreichischer Straßenbahn-

und Eisenbahnklub

� Eisenbahnmuseum StrasshofDas Heizhaus, Sillerstraße 123 2231 Strasshofwww.eisenbahnmuseum-heizhaus.com

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

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Abb. 23: Die Dampflok 29.22 der kkStB von 1912 wartet auf eine Aufarbeitung.Viele der heute betriebsfähigen Dampflokomotiven befanden sich in einem

ähnlich schlechten Zustand, bevor die Mitglieder des 1. öSEK sie mit einem Aufwand von durchschnittlich 8.000 Arbeitsstunden renoviert haben.

Die besondere österreichischeMelange - kritisch betrachtet

Die Unterschutzstellung historischerSubstanz wird vielfach als Bürde, alsEinschränkung der persönlichen Frei-heit, damit nach Gutdünken damitverfahren zu können, gesehen. BeiImmobilien sind sicher monetäre Be-lange, die Schmälerung des zu erzie-lenden Profits, Gründe dafür.Bei Bahnfahrzeugen geht es immerum die Einschränkung des persönli-chen Spieltriebes, auch wenn es nichtzugegeben wird. Der grenzenlosdumme Spruch, ein Fahrzeug sei keinStehzeug, wird dann als Totschlagar-gument bemüht.Eine große Rolle in diesemPoker spielen die Eisenbahn-fotografen, die längst vergan-genen Zeiten nachhängen.Für das eine ultimative Foto,für ihre besondere Fahrt,gehen sie buchstäblich überLeichen. Selten werden beiderartigen Veranstaltungendie Kosten eingespielt.

Wie kann in diesem Span-nungsfeld eine alle Interessenbefriedigende Lösung gefun-den werden? Hierzulandewahrscheinlich keine. Wirhaben zu wenig Maschinen!Ja, richtig gelesen. Von vielenTypen ist gerade noch einStück über geblieben. Selbstdas meist nur mit großenSchwierigkeiten, oft privat fi-nanziert.Nehmen wir Deutschland.Neben den Einrichtungen vonBund und Ländern gibt es eine Viel-zahl privater Sammlungen, teilweisemit bis zu fünfzehn Maschinen glei-cher Bauart. Da kann ich noch hun-dert Jahre Dampflokspielen, bevorauf das letzte historische Stück zu-rückgegriffen werden muss.Nehmen wir Holland. Der Dampfbe-trieb endete in diesem Land schon inden 50er Jahren. Es blieben nur we-nige historische Stücke erhalten. Alsnun die Zeit der Museumsbahnen an-brach, gingen die Niederländer aufEinkaufstour quer durch Europa.Dampf- und Diesellokomotiven vondeutschen Industriebahnen, Perso-nenwagen aus Österreich und derSchweiz. Mit Beendigung des kalten

Krieges warfen Norwegen undSchweden ihre „strategischen Reser-ven“ auf den Markt. Nahezu betriebs-fähige Dampflokomotiven zu Endedes 20sten Jahrhunderts! Eine ähnli-che Gelegenheit ergab sich nach derWende in der DDR. Damit wird derPlanbetrieb abgewickelt, das eigenehistorische Gut bleibt besonderen Er-eignissen vorbehalten. Ein Unter-schied ist auch, dass historischer Be-trieb großteils auf eigenen Streckenstattfindet. Damit sind technische Auf-lagen, die ein moderner Netzbetreibervorschreiben muss, nicht von Belangund gravierende Eingriffe in die Sub-stanz des Objekts nicht erforderlich.

Nehmen wir England – doch bessernicht. Auch wenn sich dort mancheEinschränkungen für den Betrieb vonZügen auf dem Netz so wie bei unsauswirken, liegt diese Insel nicht inEuropa, nicht auf dem Festlandsockelund nicht auf dieser Welt. Das ist eineeigene Galaxie, schon vom Verständ-nis her, das die Bevölkerung derTechnik und ihrer Geschichte entge-genbringt. Die Zahl der technischenDenkmäler ist unüberschaubar. Hop-pala! Da ist eine „wichtige“ Schnell-zuglokomotivbaureihe versehentlichin den 60er Jahren verschrottet wor-den. Sie wird, unter anderem aus Mit-teln der Lotteriegewinne NEU gebaut.Damit kommen wir zurück zu unse-

rem Elend. Möglichkeiten eines sinn-vollen Umganges gäbe es schon. Na-türlich müssen Einschränkungenbeim Fahren hingenommen werden.Wo steht, dass sich immer alles dre-hen und bewegen muss? In der Ver-mittlung von Inhalten und Zusam-menhängen gibt es eine breite Pa-lette von Möglichkeiten. Zur Vorfüh-rung der Technik eines Fahrzeugesgibt es doch einige Duplikate. Von derbekannten Kriegslokomotive Reihe52 sogar etliche. An älteren Elektro-lokomotiven herrscht auch kein Man-gel. Es sind ohnedies nicht die Mittelda, alles immer betriebsfähig zu er-halten.

Ein einziger Verein griff nach derWende in der DDR und in Rumänienzu. Ihm gelingt es auch Gewinne zuerwirtschaften, allerdings fast aus-schließlich durch Vermietung nachDeutschland.

Betrachten wir doch die positive Seitedes gesetzlichen Schutzes. Eine Un-terschutzstellung erhöht die Wahr-scheinlichkeit einer langfristigen Er-haltung ungemein. Auch die nächstenGenerationen können sich dann nochdaran erfreuen.

Franz Kamper VEF – Verein der Eisenbahnfreunde /

Eisenbahnmuseum Schwechat

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Abb. 24: Dampflok in Betrieb - ein Spektakel für Fotografen?

Um im international geschütztenUNESCO-Welterbe-Gebiet desSemmerings den Basistunnelrealisieren zu können, wird seitJahren auf mehreren Ebenen ge-trickst. Selbst der Management-plan steht im krassen Wider-spruch zur UNESCO-Welterbe-Konvention.

Ende der 60er Jahre des vergange-nen Jahrhunderts erkannte die Orga-nisation der Vereinten Nationen fürErziehung, Wissenschaft und Kultur(UNESCO), dass mit der Boden-,Luft- und Wasserverschmutzung, derIndustrialisierung, dem unkontrollier-tem Verkehrszuwachs und dem hem-mungslosen Massentourismus ein ra-pider Biodiversitäts- und Land-schaftsverlust einhergeht. Das steteWachstum der Bevölkerung undderen Ansprüche, die Landschaftszer-siedelung und Urbanisierung sowiedie technik- und wirtschaftsorien-tierte Entwicklung der Gesellschaftführen in immer stärkerem Ausmaßzum Untergang traditioneller Lebens-formen sowie zur Zerstörung natürli-cher und kultureller Werte. Vor allemdie letzten Jahrzehnte zeigen deut-lich, wie sehr der Mensch den Sinnfür wahre Werte und Notwendigkei-ten verloren hat und blindlings demvermeintlichen Fortschritt und Wirt-schaftswachstum nachjagt, dessenAuswüchse in immer rasanteremTempo zum Verfall bzw. zur Zerstö-rung unwiederbringlicher Natur- undKulturgüter führen.

Um dieser negativen Entwicklung zu-mindest ein wenig entgegen zu steu-ern, beschloss die Generalkonferenzder UNESCO 1972 die „Konventionzum Schutz des Kultur- und Naturer-bes der Welt“ (Welterbe-Konvention).Sie hat zum Ziel, weltweit Landschaf-ten von hervorragender Schönheitund Vielfalt sowie die Zeugnisse ver-gangener und die Schätze bestehen-der Kulturen vor dem Untergang zubewahren und als Welterbe der ge-samten Menschheit für zukünftigeGenerationen zu erhalten.

Die erste Welterbe-Eisenbahnder Welt

Österreich trat der Welterbe-Konven-tion mit mehr als zwanzigjähriger

Verspätung 1993 bei, hatte man dochin den 1980er Jahren die Befürch-tung, Naturschützer könnten für dieNominierung der Donau-March-Thaya-Auen als potentielles Weltna-turerbe eintreten, was den Plänender Regierung und der E-Wirtschafthinsichtlich Realisierung eines Lauf-kraftwerks bei Hainburg diametralentgegen gestanden wäre. Dement-sprechend vermied man es jahre-lang, dem Übereinkommen beizutre-ten. Die Österreichische UNESCO-Kommission, die Österreichische Ge-sellschaft für Kulturgüterschutz undandere Nichtregierungsorganisatio-nen (NGOs) bemühten sich zwar umeinen Beitritt Österreichs zur Welt-erbe-Konvention, doch stießen sie beiden Politikern und Beamten immerwieder auf taube Ohren. Erst als dieLandschaftsschutzorganisation „Alli-ance For Nature“ Anfang der 1990erJahre politischen Druck ausübte, un-terzeichneten 1992 BundespräsidentThomas Klestil und BundeskanzlerFranz Vranitzky die Ratifikationsur-kunde, infolge dessen die Welterbe-Konvention im März 1993 auch fürÖsterreich in Kraft trat. „Alliance ForNature“ unterbreitete sogleich denVorschlag, die Semmeringbahn, be-droht durch den Semmering-Basis-tunnel, als potentielle Welterbestättezu nominieren. Ein Vorschlag, dersogar die UNESCO in Paris vollendsüberraschte, hatte man doch bisdahin hauptsächlich Schlösser, Kathe-dralen, Städteensembles und ähnlichwertvolle Kulturgüter zum „Welterbeder Menschheit“ erklärt. Aber eine Ei-senbahn stand bislang noch nicht zurDiskussion. Vor allem Niederöster-reichs Landeshauptmann Erwin Pröllbegeisterte sich für die Idee der „Al-liance For Nature“ und unterstütztederen Initiative. Letztendlich konntediese auch die UNESCO vom außer-gewöhnlichen universellen Wertüberzeugen, sodass die Semmering-bahn 1998 als erste Eisenbahn welt-weit den Status einer Welterbestätteerhielt (mittlerweile gibt es in Indiendrei und in Europa zwei Welterbe-Ei-senbahnen). Somit wandte „AllianceFor Nature“ erstmals in der Ge-schichte des österreichischen Natur-schutzes das „Welterbe“ als interna-tionales Schutzinstrument an, hattendoch Umweltorganisationen bislangfast ausschließlich den „Nationalpark“

als Gegengewicht zu Großprojektenins Treffen geführt (Hohe Tauern,Donau-Auen, Neusiedler See).

Damit aber NGOs und Bürgerinitiati-ven (wie jene von Wien-Mitte) in wei-terer Folge nur ja nicht auf die Ideekommen, die Welterbe-Konventionnun öfters als Schutzinstrument ge-genüber Großprojekten einzusetzen,verniedlichte man die Bedeutung derUNESCO-Welterbe-Konvention. DerWelterbe-Status sei, so die Meinungeiniger Beamten im Smalltalk, nichtsanderes als eine internationale Aus-zeichnung für ein nationales Kultur-oder Naturdenkmal. Von einem rechts-wirksamen Instrument zum Schutzgefährdeter Naturlandschaften oderKulturdenkmäler könne jedenfallskeine Rede sein. Doch trotz perma-nenter Abwertung durch Politiker undBeamte wurde sowohl beim Hoch-hausprojekt in Wien-Mitte als auchbeim Basistunnelprojekt am Semme-ring das „Welterbe“ erfolgreich gegenGigantomanie bzw. falsch verstande-nen Fortschritt eingesetzt.Auch im benachbarten Deutschlandkam die Welterbe-Konvention zumAufsehen erregenden Einsatz. Dennnachdem Politiker und Beamte derStadt Dresden nicht einsehen woll-ten, dass Jungfrau und Kind, sprich„Waldschlösschenbrücke“ (ein dieElbe überquerender Autobahnzubrin-ger) und „Welterbe Dresdner Elbtal“,nicht miteinander vereinbar sind,wurde Deutschland der Welterbe-Titelfür diese außergewöhnliche Fluss-und Kulturlandschaft aberkannt.Hätte sich das UNESCO-Welterbe-Komitee breitschlagen lassen unddem Dresdner Elbtal trotz Bau derBrücke den Welterbe-Status belas-sen, wäre die Glaubwürdigkeit undder Sinn der Welterbe-Konventionweltweit verloren gegangen.

Nationaler Schutz als Voraus -setzung für das Welterbe

Als Konsequenz auf diesen Konflikt-ausgang im Nachbarland schlägtÖsterreich nun einen etwas diffizile-ren Weg ein, um doch noch ein Groß-projekt in einem UNESCO-geschütz-ten Welterbe-Gebiet durchsetzen zukönnen. Nicht Konfrontation sonderngeschickte Agitation soll hier denWeg für den neuen Semmering-Ba-

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Die Demontage des Weltkulturerbes Semmeringbahn

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sistunnel (SBTn) mit all seinen groß-technischen Eingriffen im Weltkultur-erbe Semmeringbahn und umgeben-der Landschaft ebnen. Als Mittel zumZweck dienen hiefür verschiedensteMaßnahmen sowie der seit langemgeforderte Managementplan.

Damit ein Natur- oder Kulturgut vonaußergewöhnlichem universellen

Wert überhaupt in das internationalgeschützte „Welterbe der Mensch-heit“ gemäß UNESCO-Konventionaufgenommen wird, muss es den na-tional gesetzlich verankerten Schutzgenießen. Bei der Semmeringbahnund umgebenden Kulturlandschaftwar diese Grundvoraussetzung zumZeitpunkt der Nominierung gegeben.Denn die Semmeringbahn steht be-reits seit 1923 ex lege unter Denk-malschutz und die umgebende Land-schaft ist auf niederösterreichischer

Seite Teil des Landschaftsschutzge-bietes „Rax-Schneeberg“ (seit 1955),auf steirischer Seite Teil des Land-schaftsschutzgebietes „Stuhleck-Pre-tul“ (seit 1981). Auf internationalerEbene ist der Semmering zudem Be-standteil des Natura-2000-Gebietes„Nordöstliche Randalpen“ (seit1998). Die Voraussetzung des ge-setzlich verankerten Schutzes war

somit anno dazumal auf nationaler(und internationaler) Ebene gegeben.1995 nominierte die Republik Öster-reich schließlich die Semmeringbahnsamt ihrer umgebenden Kulturland-schaft mit einer Gesamtfläche vonüber 8.800 Hektar, wobei in der dies-bezüglichen Dokumentation die Ge-birgsbahn und die umgebende Land-schaft mit all ihren Reizen („magicmountains“) als Symbiose zwischenNatur, Kultur und Technik Lob geprie-sen wurde. Im Dezember 1998 er-

klärte die UNESCO die Semmering-bahn mit ihrer umgebenden Kultur-landschaft zum Welterbe und begrün-dete ihren Entschluss folgenderma-ßen: „Die Semmeringbahn, die zwi-schen 1848 und 1854 über eine Stre-cke von 41 km Gebirgslandschaft ge-baut wurde, ist eine Pionierleistungim Eisenbahnbau dieser frühen Peri-ode. Die Qualität der Tunnels, Via-dukte und andere Bauten haben eineNutzung dieser Bahnlinie bis zumheutigen Tag ermöglicht. Sie verläuftvor dem Hintergrund einer spektaku-lären Gebirgslandschaft mit zahlrei-chen schönen Ferienhäusern, die imGefolge der Erschließung der Regiondurch die Eisenbahn entstanden. Kri-terium (ii) Die Semmeringbahn stehtfür eine herausragende technischeLösung eines bedeutenden physi-schen Problems bei der Errichtungfrüher Eisenbahnlinien. Kriterium (iv)Mit dem Bau der Semmeringbahnwurde der Zugang zu Landstrichenvon großer natürlicher Schönheit er-leichtert; in der Folge entwickeltensich Wohn- und Erholungsräume unddamit eine neue Form von Kultur-landschaft.“

Mit anderen Worten: Ohne die spek-takuläre Gebirgslandschaft mit ihrentiefen Gräben und hoch emporragen-den Steilwänden wäre am Semme-ring nie eine derart pionierhafte Ei-senbahnstrecke entstanden. Undohne die Erschließung dieser von gro-ßer natürlicher Schönheit geprägtenRegion durch die Eisenbahn wäre nieeine derartig harmonische Kultur-landschaft mit zierlichen Villen (im„Semmering-Stil“) und prunkvollenHotels entstanden. Dem Rechnungtragend (Kriterium ii und iv), erklärtedie UNESCO das „Gesamtkunstwerk“von Natur, Kultur und Technik zum„Welterbe der Menschheit“ – so wiees die Republik Österreich in ihrerDokumentation beschrieb („TheWorld Heritage – Documentation forthe Nomination of Semmering – rail-way – cultural site – SemmeringbahnKulturlandschaft, 1995“) und Mitteder 1990er Jahre zur Aufnahme indas Welterbe beantragte. Oder an-ders ausgedrückt: Die Semmering-bahn und ihre umgebende Kultur-landschaft wurden gleichrangig undgleichwertig als Welterbe nominiert.Der umgebenden Landschaft („theCultural Site of the Semmering“)wurde in der Welterbe-Dokumenta-

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Abb. 25: Ein IC-Zug auf dem Kalte-Rinne-Viadukt der Semmeringbahn

tion sogar mehr als viermal sovielRaum gewidmet wie der Semmering-bahn selbst. Nun aber wird in Beam-tenkreisen abwertend nur noch vonder „Semmeringeisenbahn“ als Welt-kulturerbe gesprochen, während dieumgebende Landschaft kommentar-los übergangen wird.

Salami-Taktik zugunsten einesGroßprojektes

Zugunsten des gigantomanischenSemmering-Basistunnels wird seitJahren dieses harmonische „Gesamt-kunstwerk“, wie es in der Welterbe-Dokumentation so schön heißt, inStücke zerteilt und schrittweise aufein Minimum reduziert. Schon kurznach der offiziellen Nominierungdurch die Republik Österreich, abernoch vor der tatsächlichen Erklärungzum „Welterbe der Menschheit“ durchdas UNESCO-Welterbe-Komitee, be-gann das Kulturministerium diescheibchenweise Demontage desWeltkulturerbes Semmeringbahn.Denn am 17. März 1997 hat das demKulturministerium unterstellte Bun-desdenkmalamt einen Bescheid he-rausgegeben, der die Semmering-bahn im Streckenabschnitt 75,650bis 114,820 unter Denkmalschutzstellt. Demnach wurden die BahnhöfeGloggnitz und Mürzzuschlag ausge-spart. Ein Schelm, der denkt, es ste-cke Absicht dahinter, um eine Ab-zweigung für den Semmering-Basis-tunnel knapp hinter dem Bhf.Gloggnitz und kurz vor dem Bhf.Mürzzuschlag seitens des Denkmal-schutzes doch noch zu ermöglichen.Ob die UNESCO über diese kaumwahrnehmbare, aber richtungswei-sende „Weichenstellung“ informiertwurde, bleibt dahin gestellt. Ebensofraglich ist, ob die UNESCO bezüglichder Verkleinerung des Landschafts-schutzes kontaktiert wurde. Denn perVerordnung vom 22.06.1981 wurdengroße Teile der Landschaft auf dersteiermärkischen Seite des Semme-rings zum Landschaftsschutzgebiet„Stuhleck-Pretul“ erklärt, per Verord-nung vom 26.03.2007 aber auf rundein Drittel der ursprünglichen Flächeverkleinert, und zwar genau in jenemBereich, wo der neue Semmering-Ba-sistunnel (SBTn) verlaufen soll. In-wieweit einem Welterbe-Gebiet dernationale Schutz entzogen werdenkann, ohne eine der wichtigstenGrundvoraussetzungen für den Welt-

erbe-Status zu verletzen, wäre eben-falls noch zu prüfen. Den Gipfel desfrivolen Umgangs mit dem Weltkul-turerbe Semmeringbahn und ihrerumgebenden Kulturlandschaft bildetaber der im Auftrag des „VereinsFreunde der Semmeringbahn“ er-stellte Managementplan. Unter Mitar-beit der ÖBB Infrastruktur Bau AG,des Kulturministeriums, des Bundes-denkmalamtes und zahlreicher weite-rer öffentlichen Stellen wird das Welt-kulturerbe „Semmeringbahn – Kul-turlandschaft“ nun auf ein Minimumreduziert, indem einfach nur noch dieTrasse der Semmeringbahn zur Kern-zone mit einer Fläche von gerade ein-mal 156 ha erklärt wird, während die

seinerzeit so gepriesene, mit „großernatürlicher Schönheit“ ausgestatteteKulturlandschaft von über 8.580 haabgewertet und zur so genanntenPufferzone degradiert wird. Abgese-hen davon, dass der Management-plan sich inhaltlich oft widersprichtund falsche Behauptungen aufweist,wird als eine der ersten Maßnahmenzur langfristigen Bestandserhaltungder Semmeringbahn das Bauvorha-ben Semmering-Basistunnel ange-führt. Dies steht aber in krassem Wi-derspruch zur UNESCO-Welterbe-Konvention, wurde sie doch mit demZiel beschlossen, außergewöhnlicheuniverselle Kultur- und Naturgütervor großtechnischen Eingriffen, wiees einmal ein Tunnelprojekt derarti-

gen Ausmaßes mit sich bringt, zuschützen. Im Managementplan stehtauch nichts darüber, welche Staats-verträge oder einklagbaren Garantie-erklärungen es zur Erhaltung undzum Schutz der Semmeringbahnsamt ihrer umgebenden Landschaftin jener Form gibt, wie sie von derUNESCO zum Welterbe erklärt wurde,und wie das international geschützteWelterbe-Gebiet vor den geplantengroßtechnischen Eingriffen durch denSBTn, die unter anderem dauerndeBergwasserausleitungen im Ausmaßvon bis zu 38 Millionen Liter Wasserpro Tag vorsehen, geschützt wird.„Sollte die Semmeringbahn tatsäch-lich einmal durch einen Basistunnel

ersetzt werden, könnte dies zur Still-legung und schlimmstenfalls zumVerfall dieser bedeutenden Gebirgs-und Landschaftsbahn führen. EineEintragung in die Rote Liste des ge-fährdeten Welterbes wäre die Folge“.Diesen Worten des Gründungsdirek-tors des UNESCO-Welterbe-Zen -trums, Bernd von Droste zu Hülshoff,ist kaum noch etwas hinzuzufügen.

DI Christian SchuhböckLandschaftsökologe und österreichischer

Staatspreisträger für Umweltschutz

� www.alliancefornature.at

Bücher: „Österreichs Welterbe“ (VerlagChristian Brandstätter), „Welt kulturerbeSemmeringbahn“(Kral-Verlag)

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

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Abb. 26: Semmeringbahn, Krauselklause bei Breitenstein, Photochromdruck um 1900

In den Jahren 1848-1854 wurdeunter der Leitung von Carl Ritter vonGhega die 42 km lange Bahn überden Semmering als erste Hochge-birgsbahn der Welt errichtet. DiesePionierleistung schloss eine Lücke imBaltisch-Adriatischen Korridor. Wien,die Hauptstadt der Donaumonarchiewurde per Bahn mit den Häfen deroberen Adria verbunden. Die Sem-meringbahn ist durch 55 Wächter-häuser, die kontinuierlich entlang derBahntrasse positioniert sind, charak-terisiert. Davon sind heute noch 48erhalten. In einem Forschungsprojektam Institut für Landschaftsarchitek-tur der Universität für Bodenkultur,unterstützt durch das Bundesministe-rium für Unterricht, Kunst und Kultur,die ÖBB, die Länder Niederösterreichund Steiermark sowie den Verein derFreunde der Semmeringbahn, wer-den derzeit der historische und deraktuelle Bestand dieser Wächterhäu-ser typologisch untersucht.

Im Projekt wird nach Antworten auffolgende Fragen geforscht: Nach wel-chen funktionalen Kriterien wurden

die Wächterhäuser entlang der Bahn-strecke positioniert? Welche Rollespielte die lückenlose Überwachungder gesamten Strecke für die Positio-nierung der Häuser? Wie reagiert derstets gleiche Haustyp auf unter-schiedliche Situationen in der Land-

schaft? Welche Auswirkungen hat dieFunktion der Bahn auf die Gestalt derWächterhäuser?

Aufnahmen und Untersuchungen vorOrt sowie Recherchen im Österrei-chischen Staatsarchiv und in den Ar-chiven der Österreichischen Bundes-bahn stellen das Datenmaterial fürdie Bearbeitung des Projektes dar.Alle Häuser wurden im Maßstab1:200 in Grundrissen und Ansichtengezeichnet. Im selben Maßstabwurde an jedem Wächterhaus einProfilschnitt gelegt, der die Bezie-hung des Hauses zum Gleiskörperund zum angrenzenden Gelände dar-stellt. In übergeordneten Maßstäbenwird die Beziehung der einzelnenHäuser zueinander analysiert.

Der Architekt

Der Architekt Moritz von Löhr war inder Zeit von 1838 bis 1857 an meh-reren Projekten mit dem Eisenbahn-bau in Österreich befasst. 1848wurde er mit der „Behandlung derHochbauangelegenheiten des gesam-

ten staatlichen Eisenbahnnetzes” be-traut. In dieser Funktion zeichnet erauch für die Hochbauten der Semme-ringbahn, unter ihnen die Wächter-häuser, verantwortlich. Wilhelm vonFlattich, der oft fälschlicher Weise alsArchitekt der Semmeringbahn ge-

nannt wird, trat erst - nach Fertig-stellung der Semmeringbahn - 1855in den Dienst der Staatsbahn ein, erwar zuvor in Württemberg, Frank-reich und der Schweiz tätig.

55 Wächterhäuser

Carl Ritter von Ghega schreibt im„Malerischen Atlas der Eisenbahnüber den Semmering” (1854) von 57Wächterhäusern entlang der Strecke.August Birk und Anton Aichinger füh-ren in der „Beschreibung der Anlageund des Betriebs der Semmering-Ei-senbahn” (1861) 55 Wächterhäuseran, die sie in einer Karte verorten.Auf Grundlage dieser Karte konntenim Zuge des Projektes die bestehen-den und zum Teil veränderten Wäch-terhäuser verifiziert werden und diesieben bereits abgetragenen Wäch-terhäuser lokalisiert werden. 38 derWächterhäuser stehen (von Wienkommend) links der Bahn und damit,bezogen auf die Topografie, unter derBahntrasse, die anderen 17 Wächter-häuser stehen rechts und damit ober-halb der Bahn. Der durchschnittlicheAbstand zwischen den einzelnen Häu-sern beträgt ca. 770 m. Viele derHäuser hatten unmittelbare Blickbe-ziehung zueinander, die heute durchAufforstungen nur noch teilweise be-stehen. Konnten die Signale wegen„mangelnder Fernsicht” nicht vonHaus zu Haus weitergegeben werden,wurden zwischen den Wächterhäu-sern zusätzlich Signal- und Schilder-häuser errichtet. Das Infrastruktur-bauwerk Bahn konnte lückenlosüberwacht werden.

Aufgaben der Bahnwächter

In den „Instruktionen für die Bahn-wächter auf der k.k. südlichenStaats-Eisenbahn” (1847) wurden dieAnforderungen an die Bahnwächterformuliert: Sie sollten des Lesens unddes Schreibens kundig sein, sichdurch Verlässlichkeit, Treue undgutes Benehmen auszeichnen undmussten das Legen und die Instand-haltung des Oberbaus praktisch er-lernt haben. Der Dienst im Wächter-haus war verheirateten Männern vor-behalten, während für den Dienst anden Signal- und Schilderhäusern un-verheiratete Wächter vorgesehenwaren. Das Wächterhaus diente dem

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Die Wächterhäuser an der Semmeringbahn

Nr. 10 / 2012

Abb. 27: Wächterhaus Nr.192, Fenster mit Viererteilung, Wiener Stock u. Putzfaschen

Bahnwächter als Dienstraum undWohnung. Die Beobachtung der Bahnwar die wichtigste Aufgabe der Bahn-wächter. Sie mussten die Streckenach Möglichkeit vor jedem Zug aufHindernisse, Schäden an Ober- undUnterbau, an Schienen und Schwel-

len überprüfen. Über Signale wurdenInformationen zwischen den benach-barten Bahnwächtern und den Lok-führern fortgepflanzt. Sie musstendie Schranken betätigen und daraufachten, dass Fremde die Bahn nichtbetraten - „Bahnfrevel” war anzuzeigen.

Ein Haustyp in zwei Varianten

Hochbauten in Zusammenhang mitdem Eisenbahnbau waren neue Bau-aufgaben, die nicht auf Gestaltungs-traditionen zurückgreifen konnten.Für die Wächterhäuser an der Sem-meringbahn entwickelte von Löhreinen Haustyp in zwei Varianten. Daseinfache zweigeschoßige Haus mitSatteldach ist in der einen Variantezur Hälfte, und in der anderen zurGänze unterkellert. Durch die Nut-zung der Topografie wird in der zwei-ten Variante ein zusätzlicher ebener-diger Eingang im Kellergeschoß, dersich mit einer Ausnahme immer ander, der Bahn abgewandten Seite be-findet, möglich.Der stets gleiche Haustyp in zwei Va-rianten wurde 55-mal in unterschied-lichem Kontext errichtet. Mit kleinenAnpassungen wurde auf die speziel-len Situationen reagiert und die Fle-

xibilität des Haustyps unter Beweisgestellt. Für die Orientierung derAusrichtung der Häuser hatte dieFunktion der Überwachung der Bahnoberste Priorität. LandschaftlicheQualitäten, wie die Orientierung zurSonne und die Anbindung an beste-

hende Siedlungsstrukturen hattenuntergeordnete Bedeutung. DreiFensterachsen sind der Bahn zuge-ordnet, das Stiegenhausfenster ander, der Bahn abgewandten Fassadeist häufig das einzige Fenster, dasden Blick Richtung Süden in die Land-schaft ermöglicht. Die Konzentrationund der Fokus des Gebäudes sind aufdie Bahn gerichtet.

Die Häuser sind von schmuckloserGestalt, die weder Anleihen an die In-dustriearchitektur des 19. Jahrhun-derts nimmt, noch auf andere archi-tektonische Vorbilder verweist. DieLochfassaden sind im Kontext dertechnischen Bauaufgabe „Eisenbahn”zu sehen und kündigen die Gestal-tungsideale des Funktionalismus an.Sowohl aus historischen Aufzeich-nungen über die „Lieferbedingnisse”der Baumaterialien als auch aus denfrühesten Fotografien der Semme-ringbahn geht hervor, dass bereitsvon Beginn an Wächterhäuser mitFassaden in Naturstein sowie in Putzkonzipiert und errichtet wurden. Diewenigen Dekorelemente sind teil-weise konstruktiv bedingt. An denFenstern und Türen treten meist Zie-gelüberlager auf, die besonders am

Ziegelrad - welches das Giebelfensterfasst - zu einem Charakteristikum derGebäude wurden. Die geschwungenverzierten Sparrenköpfe und Pfetten-enden sind an den meisten Häusernerhalten. Die geschweiften Fenster-verkleidungen, die bei den Kasten-

fenstern mit Grazer Stock angebrachtwurden, sind nur selten erhalten undwurden oftmals im Zuge eines Fens-tertausches durch Putzfaschen er-setzt.

Seit 1997 stehen die Wächterhäuserunter Denkmalschutz, 1998 wurdensie in die Welterbeliste der UNESCOaufgenommen. Vier der 48 bestehen-den Wächterhäuser sind im Privatei-gentum, alle übrigen stehen im Ei-gentum der Österreichischen Bun-desbahn. Einige der Häuser könnenvon der ÖBB nicht mehr vermietetwerden, da die öffentliche Zugängig-keit ohne die Gleisanlagen zu über-schreiten nicht gewährleistet ist.Mangelnde Wasser- und Stromver-sorgung machen viele der Häuser zuunattraktiven Mietobjekten. Eine ak-tive Nutzung wäre jedoch die Grund-bedingung für den lebendigen Erhaltder Wächterhäuser an der Semme-ringbahn.

Dr. Roland Tusch Institut für Landschaftsarchitektur

Department für Raum, Landschaft und Infrastruktur, Universität für Bodenkultur Wien

� iD-Tageswanderung entlangder Semmeringbahn 05.05.2012 (siehe S. 43)

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

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Abb. 28: Wächterhaus Nr. 137, Fenster in Sechserteilung mit Grazer Stock und geschweifter Verblendung

Abb. 29: Wächterhaus Nr. 153, Fenster in Sechserteilung mit Wiener Stock und Putzfaschen

Die am 14. 12. 1911 eröffnete Fei-stritztalbahn ist eine Schmalspur-bahn, die von der oststeirischen Be-zirkshauptstadt Weiz über Angernach Birkfeld führt. Dem Bau wareine jahrelange Diskussion über ver-schiedenste Projekte in punkto Stre-ckenführung, Ausstattung und Finan-zierung vorausgegangen. Letztlichgelang aus Kostengründen der Baueiner Schmalspurbahn in der Spur-weite von 760 mm zur Ausführung.Die Geldmittel zum Bau der Bahnwurden allein und direkt aus der Re-gion – ohne öffentliche Fördermittel -

erbracht. Trotz der „billigeren“ Aus-führung in Form einer Schmalspur-bahn waren aufwändige Kunstbautenzur Überwindung der doch schwieri-gen topografischen Lage erforderlich.So entstanden viele Brücken, Via-dukte und auch drei Tunnels. BeimBau der Viadukte wurde erstmals dieSchalungsbetonweise angewendet.Nur der Bachlviadukt wurde in tradi-tioneller Form in Steinbauweise er-richtet.

Für den Kohlebergbau im Raum Rat-ten entstand bis zum Jahr 1921 eineKohleschleppbahn, ausgehend vomBirkfelder Bahnhof nach Ratten.Damit war es möglich geworden, die

Kohle auf dem Schienenweg zuerstnach Birkfeld und über Weiz weiternach Gleisdorf zu befördern.

Im Jahre 1930 übernahm dann dassteirische Landeseisenbahnamt dendurchgehenden Betrieb von Weizüber Birkfeld nach Ratten. Damithatte die Strecke Weiz – Ratten eineGesamtlänge von 42 Kilometern.Nach dem zweiten Weltkrieg hattedie Bahn zuerst einen wirtschaftli-chen Aufschwung zu verzeichnen.Durch die einsetzende Motorisierungund die Einführung eines parallel zur

Bahn verkehrenden Autobusses erlittder Personenverkehr auf der Bahngroße Verluste. Im Jahre 1961 wurdedann der Kohlebergbau in Ratten ge-schlossen. Damit verlor die Bahnihren Hauptkunden. Im Jahre 1968schließlich wurde der Personenver-kehr zwischen Birkfeld und Ratteneingestellt und im Jahre 1973 fuhrauch der letzte Personenzug zwi-schen Weiz und Birkfeld. Im Jahre1971 kam man aber auf die Idee, mitden noch vorhandenen Dampfloko-motiven einen nostalgischen, touris-tischen Eisenbahnverkehr einzurich-ten. Die Steiermärkischen Landes-bahnen waren damit Pioniere auf die-sem neuen Gebiet.

Im Jahre 1980 wurde auch der Gü-terverkehr auf der Strecke von Birk-feld nach Ratten eingestellt. Damitwar die Streckenlänge auf 24 Kilome-ter geschrumpft. Hauptkunde bliebdann der Talkumbergbau in Oberfei-stritz, der bis heute das Rückgrat imGüterverkehr bildet ...

Der mittlerweile sehr bedeutsametouristische Dampfzugverkehr war zudiesem Zeitpunkt schon nicht mehraus der Region wegzudenken. ImZuge der Einstellung der Strecke vonOberfeistritz nach Birkfeld durch dieSteiermärkischen Landesbahnenübernahm dann die Feistritztalbahn-betriebs-Ges.m.b.H. den touristi-schen Teil des Verkehrs. Seit dieserZeit betreibt diese private Gesell-schaft, welche aus den GemeindenWeiz und Birkfeld, den Club U 44 –Freunde der Feistritztalbahn und ein-zelnen privaten Organisationen be-steht, mit großem Erfolg die Bahn.Heute ist diese Bahn aus dem Touris-musgeschehen nicht mehr wegzu-denken.

Auch das Bundesdenkmalamt ist aufdiese Bahn aufmerksam geworden.In einer Begehung der Strecke istman zur Erkenntnis gekommen, dassdie Strecke von Weiz bis Birkfeld inihrer Gesamtheit schützenswert ist.Allein die Streckenführung, dieKunstbauten an der Strecke und dieweitgehend im Originalzustand erhal-tenen Gebäude und Anlagen sind inihrer Einzigartigkeit als technischesDenkmal erhaltenswert. Deshalbwurde auch der gesamte Schienen-weg mit allen Anlagen gemäß Be-scheid des Bundesdenkmalamtesunter Schutz gestellt. Das Verfahrenist derzeit noch nicht abgeschlossen,weil die Steiermärkischen Landes-bahnen Einspruch gegen diesen Be-scheid erhoben haben. Derzeit liegtdas Verfahren beim zuständigen Mi-nisterium zur weiteren Entscheidung.Es ist aber sehr zu hoffen und wün-schen, dass das Verfahren mit einempositiven Ergebnis abgeschlossenwird.

Karl Schellauf Geschäftsführer Feistritztalbahn-

Betriebs GmbH

� Club U 44 – Freunde der Feistritztalbahnwww.club-u44.at

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Die Feistritztalbahn – Geschichte und Denkmalschutz

Nr. 10 / 2012

Abb. 30: Der 276 Meter lange Grubviadukt ist ein Wahrzeichen der Feistritztalbahn

Die Wachau stand im 19. Jahrhundertrund fünfzig Jahre im Schatten derVerkehrs- und Wirtschaftsentwick-lung. Die Westbahn führte seit 1858im Süden über St. Pölten am Donau-tal vorbei, wenngleich sie die StadtMelk berührte und Krems seit 1872durch eine Flügelbahn an die Franz-Joseph-Bahn angeschlossen war. Erst1889 folgte die Bahnlinie Krems-St.Pölten. Die Wachauorte waren bis1909 nur mit der Postkutsche zu er-reichen. Jahrzehntelang war um denBau der Bahn gerungen worden, wieso oft war die Finanzierung schwierigzu lösen. An der Spitze der „Local-bahngesellschaft Krems – Grein –Mauthausen“ stand der Gastwirt Leo-pold Heindl, Bürgermeister von Maut-hausen, als Präsident des Verwal-tungsrates. Er war ein erfahrenerdeutschliberaler Politiker der etwasmehr als dreißig Jahre dem Ober-österreichischen Landtage angehörte.Ihm zur Seite stand der HolzhändlerCarl Jedek, Bürgermeister von Spitzund christlichsozialer Reichsratsabge-ordneter. Erst im Jahre 1905 gelanges Gelder der Stadt Wien, aus denkaiserlichen Fondsgütern, der LänderNieder- und Oberösterreich so sicher-zustellen, dass mit dem Bau begon-nen werden konnte. Als am 2. De-zember 1909 die Bahn Krems – Greinmit zwei festlichen Sonderzügen er-öffnet wurde, war dies ein Großereig-nis von lokaler Bedeutung. Man hattedie Feier absichtlich an diesen Mitt-woch angesetzt: es war dies der Tagan dem Kaiser Franz Joseph I. sein61. Regierungsjahr vollendet hatte.Der fahrplanmäßige Bahnbetriebwurde zwei Tage später, am Freitag,den 4. Dezember 1909 aufgenom-men. Eine Kulturbewegung, Ent deckung einer Landschaft

Die Wachau war auf diesen Eingriff indas Erbe an Bauwerk und Landschaftgut vorbereitet. Die KulturhistorikerinHermine Cloeter hatte als Zeitzeuginerlebt und später niedergeschrieben,wie rund 40 Persönlichkeiten, vorallem Maler, aber auch Architektenund Bauingenieure in der zweitenHälfte des 19. Jahrhunderts den An-stoß dazu gegeben hatten, dass dieWertschätzung dieser Kulturland-schaft in weiten Kreisen Wurzeln fas-

sen konnte. Aus dieser Künstlerkolo-nie bemühten sich einige hervorra-gende Persönlichkeiten die Wachaufür kommende Generationen unbe-schädigt zu erhalten. Erstmals in derGeschichte des Bahnbaues war Denk-mal- und Landschaftspflege gegen-über den wirtschaftlichen materiellenInteressen fast ein gleichberechtigterPartner. Dabei wurde der zukunfts-weisende Schritt über das Einzel-denkmal hinaus zum Schutz der Kul-turlandschaft getan.

Das Wirken Franz Ferdinands

Der Thronfolger Erzherzog Franz Fer-dinand hatte großes Interesse an derDenkmal- und Landschaftspflege. Erwar seit 1904 Ehrenmitglied und ab1910 Protektor der „k.k. Zentral-Kommission für Erforschung und Er-haltung der kunst- und historischenDenkmale“. Während Franz Ferdi-nand auf diesem Gebiete zweifellossehr verdienstvoll wirkte und vielesvor Verunstaltung und Vernichtungbewahren konnte, war seine manch-mal schroffe Ablehnung gegenüberder zeitgenössischen Kunst störend.

Rudolf Pichler, der Zeichner, Architekt und Denkmalpfleger

Auf der Suche nach einem Fachmannder Franz Ferdinands Interessen in

der Wachau wahrnehmen sollte,empfahl ihm der k.k. Statthalter desLandes Unter der Enns (NÖ), ErichGraf Kielmannsegg, den damals 30Jahre alten Rudolf Pichler, der zumgroßen Lehrmeister der Heimatge-staltung in der Wachau werden sollte.Er wurde 1874 in Oberösterreich, inder Stadt Urfahr an der Donau gebo-ren, studierte Architektur an derTechnischen Hochschule in Wien. AlsStatthalterei-Ingenieur an der Be-zirkshauptmannschaft Krems war er

seit 1902 korrespondierendes Mit-glied der „k.k. Zentral- Kommission“und 1904/05 SonderbeauftragterFranz Ferdinands bei allen Verhand-lungen über den Bau der Bahn durchdie Wachau.

Rudolf Mayreder, der technisch-politische Universalist

Pichler gehörte zum Kreis der Dürn-steiner Künstlerkolonie rund um dengleichgesinnten Bauingenieur RudolfMayreder (1864-1937). Beide erar-beiteten gemeinsam das technischeProjekt der Linienführung der Wa-chaubahn. Mayreder hatte Rechts-wissenschaften und gleichzeitig Bau-ingenieurwesen studiert, war zehnJahre Mitglied des Reichsrates, desWiener Stadtrates und später erfolg-reicher Zivilingenieur und Bauunter-

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

Die Wachau und die Bahn Krems – Grein, 1909-2010

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Abb. 31: Bundesbahn, bei Dürnstein in der Wachau

nehmer. Sein Name ist mit vielen be-deutenden Bahnbauten in allen Ge-genden der Monarchie verbunden.Mayreders Brüder Julius und Karlwaren Architekten, letzterer ab 1904Professor für Baukunst an der Tech-nischen Hochschule in Wien.

Ziele und Erfolge rücksichtsvollerPlanung

Rudolf Pichler hat seine Arbeit für dieWachaubahn sehr genau dokumen-tiert und veröffentlicht. So haben wirheute einen guten Einblick in seineLeistung. Galt es zunächst die auskommerziellen Gründen geplante ge-nerelle Führung der Trasse an derDonau abzuwehren, so war es im Ge-folge in Stein, Dürnstein, Weißenkir-chen, St. Michael, bei der Ruine Hin-terhaus, bei der sagenumwobenenTeufelsmauer in Spitz und in Weite-negg notwendig eine Führung imTunnel durchzusetzen, um die Ortenicht durch einen Damm von derDonau abzuschneiden oder den Land-schaftsraum zu stören.

Doch auch falsche Entscheidungenwurden getroffen. Eine Sprengungvon Felsmassen (65.000 m³) amFuße des Vogelberges, westlich vonDürnstein, wurde am 4. Mai 1909 vonFranz Ferdinand persönlich gezündet.Dies zeigt einmal mehr, wie ambiva-lent sein Charakter gewesen ist. DasErgebnis war eine starke Zerrüttungdes Steingefüges und die Notwendig-keit bis zum heutigen Tage immerwieder Sperren nach Felsstürzen oderSicherungsmaßnahmen durchzufüh-ren. So zuletzt in den Jahren 2009und 2011. Pichler wollte die Spren-

gung durch einen kurzen Tunnel ver-meiden, konnte sich aber dort nichtdurchsetzen. Er rang um jedes Haus,um Bildstöcke, die dann auf sein Be-treiben versetzt wurden. Den wich-tigsten Teil des gotischen Rathausesvon Spitz konnte er durch eine Ver-

schwenkung der Geleiseachse umwenige Meter erhalten. Beim Bau derBahnhöfe und der Nebengebäude vonSpitz, Dürnstein und Weißenkirchenwich man von den üblichen Schablo-nen des „Bauamtsstiles“ ab. Pichlerbekannte sich zu einem Anknüpfenan die, „Mitte des vorigen Jahrhun-derts abgebrochene Bautradition undzur Rücksicht auf die Umgebung.“ Julius Mayreder löste als Architektdiese Aufgabe mit großem Feingefühl.

Die Bahn – Wegbereiter der Wirtschaft

Die Bahn war bis zur Eröffnung derneuangelegten Bundesstraße im Ok-tober des Jahres 1958 das einzigeleistungsfähige Verkehrsmittel derWachau. Sie war Voraussetzung fürdas Ansteigen des Fremdenverkehrsnach 1918 und Wegbereiter für denwirtschaftlichen Aufstieg. Mit der Ver-bindung Mauthausen – St. Valentinist die Wachau damit auch an dieWestbahn angeschlossen. Für denPersonenverkehr, für Wein-, Obst-,Holz-, Steintransporte und vieles an-deres mehr war sie bis 2010 der ver-lässliche, stets einsatzfähige Ver-kehrsträger. Über hundert Jahrekamen tausende Erholungssuchendemit der Bahn aus den Großräumenvon Wien und Linz sicher und be-quem in die Wachau.

Im Narrenschiff des Zeitgeistes

Im Sommer 2006 geriet die Wachau-bahn in den Sog der ungelösten Fi-nanzierungsfragen der Nebenbahnender ÖBB. Widersprüchliche Berichteüber eine mögliche Einstellung beun-ruhigten die Öffentlichkeit. Im Stillenwurde verhandelt. Am 14. Jänner2010 verkauften das Verkehrsminis-terium und die Bundesbahnen 630km Nebenstrecken an das Land NÖ,darunter die Wachaubahn von Kremsbis an die oberösterreichische Grenze.Im Herbst 2010 wurde klar, dass derWachaubahn die Einstellung des Re-gelverkehrs drohte. Trotz heftigerProteste der ansässigen Bevölke-rung, aber auch von Wachaufreun-den des In- und Auslandes in derPresse, aber auch bei der UNESCO-Welterbe-Kommission in Paris, fuhram 11. Dezember 2010 der letztefahrplanmäßige Zug sowohl für denPersonen- als auch für den Güterver-kehr. Stattdessen wurde ein Busver-kehr eingerichtet. Die Holztransporteaus dem Waldviertel, früher auf denGüterbahnhöfen von Spitz und Weis-senkirchen auf Züge verladen, belas-ten nunmehr die Straße. Im Vorfeldder Mauterner Brücke, wo sich derVerkehr bündelt, entlang der be-kannten historischen Häuserzeile vonStein, verkehren heute rund 80 Au-tobusse pro Tag. Auch in die altenOrtskerne von Loiben und Spitz wirddurch die Busse im Stundentakt vielUnruhe gebracht. Den Schulkinderndrohen beim Ein- und Aussteigen ander Bundesstraße die üblichen Ge-fahren.

Es wirkte wie der Fluch der bösen Tatals am 15. Jänner 2011, fast auf denTag ein Monat nach der Einstellungder Bahn, ein kleines Hochwasser dieSperre der Wachau-Straße notwen-dig machte. Das Bussystem brachzusammen, die Pendler am BahnhofKrems erhielten ein Flugblatt mit denWorten: „Alle Fahrgäste für Destina-tionen in diesem Abschnitt werdengebeten, sich während der Zeit derSperre, falls möglich, ein Taxi zunehmen! Die Kosten für diese Fahr-ten werden vom Land NÖ refun-diert“. Man musste also Umwegeüber die unwegsamen nördlichenWachauberge nehmen, um die Orteam linken Donauufer zu erreichen.Damit war die Unverzichtbarkeit derWachaubahn als einziges hoch -

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Abb. 32: Histor. Postkarte der Wachaubahn bei der Teufelsmauer / Spitz a. d. Donau

wassersicheres Verkehrsmittel ein-drucksvoll bewiesen. Noch wenigeWochen davor waren die mahnen -den Worte der Fachleute überhört worden.

Bahn oder Straße?

In den Achtzigerjahren plante dieLandesregierung die Wachaustraßewegen des zunehmenden Schwerver-kehrs zu verbreitern. Hermann Kno-flacher, der international bekannteVerkehrsfachmannvon der TU-Wien,berichtete darüberim Dezember 2010in der Tageszeitung„Die Presse“: „Hätteman diese Pläneumgesetzt, wärenicht nur nochmehr Schwerver-kehr erzeugt wor-den, man hättelängst eine Auto-bahn für diesesdamit erzeugte„Verkehrswachstum“bauen müssen unddie Wachau wäreheute kein Welt -kulturerbe, sondernabgas- und lärm-verseuchter Transit-korridor. Was da-mals nicht gelang,will man, so scheintes, mit diesem bru-talen Buskonzeptund der Einstellungdes Regelbetriebesder Bahn in der Wachau, durch dieHintertüre tückisch bewerkstelligen. Man hat fast den Eindruck, es herr-sche ein tief sitzender Hang zur Ver-nichtung aller höheren Werte in denKöpfen der Verantwortlichen im Mi-nisterium und im Land. Die Einstel-lung der Wachaubahn ist ein Lehrbei-spiel, wie Infrastrukturministerin undLandesregierung die Zukunft einerRegion ruinieren.“

Knoflacher verwies dabei besondersauf Staaten zukunftsweisender Ver-kehrspolitik, dort werden Nebenbah-nen nicht eingestellt, sondern ausge-baut oder wieder in Betrieb genom-men, wie in der Schweiz, in mehrerendeutschen Bundesländern und nichtzuletzt in Südtirol mit der Vintsch-gaubahn. Aber auch in Österreich

gibt es Beispiele. So die Stern & Haf-ferl-Privatbahn zwischen Lambach,Vorchdorf und Gmunden, ebenso zwi-schen Vöcklamarkt und Attersee, woseit September 2011 Niederflurgarni-turen neuester Bauart verkehren.

Der Schutzgedanke in Theorieund Praxis

Die Wachau ist rechtlich theoretischnoch nie so geschützt gewesen wieheute. Sie ist seit 1979 NÖ. Land-

schaftsschutzgebiet, verfügt seit1994 als erste Kulturlandschaft überdas europäische Naturschutzdiplomund ist im Jahre 2000 in die Welter-beliste der UNESCO als Kulturland-schaft aufgenommen worden. DieBahnlinie, die Bahnhöfe und einigeNebengebäude, wie der Wasserturmvon Spitz, stehen seit April 1999unter Denkmalsschutz. Sie ist in derBegründung zum Welterbe achtmalgenannt, sie müsste daher „in Be-stand und Wertigkeit erhalten wer-den“, das heißt als Bahn im Regelver-kehr für das Alltagsleben der Bewoh-ner und nicht bloß als sommerliche„Nostalgiebahn“, als „rollender Heu-riger“ für den Tourismus, wie dies imSommer 2011 an Wochenenden miteinigen „künstlerisch versprayten“Garnituren geschehen ist.

Wende zum Besseren ist in Sicht

Spät aber doch befreit sich Nieder-österreich aus der Hand der „Event-manager“ und der „Buslobbyisten“.Ende Dezember 2011 meldete dieNiederösterreichische Verkehrsorgani-sationsgesellschaft m.b.H. (NÖVOG),dass mit 1. Jänner 2012 das ge-samte Landesbahn-Streckennetz andie „ARGE Bahnbau Austria“ überge-ben wird. Sie ist aus zwei Unterneh-men durch ein EU-weites Vergabe-

verfahren hervorgegangen. Einer derPartner „ist das Bauunternehmen Leonhard Weiss GmbH. & Co. KG. mitSitz in Göppingen, die bereits seit2004 die Südtiroler Vintschgaubahnbetreut. Diese Bahnstrecke gilt alsMusterbeispiel für die erfolgreicheWiederaufnahme des Betriebes einerbereits eingestellten Bahnstrecke. Siewurde im Jahr 2005 nach einer um-fassenden Sanierung mit modernemRollmaterial und sanierten Bahnhöfenwieder in Betrieb gesetzt“ (Presse-aussendung der NÖVOG, Dezember2011). Dies – und nichts anderes –muss Vorbild für die Wachau sein.

Dr. techn. Wilfried Posch emer. o. Univ.-Prof. für Städtebau

und Raumplanung

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

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� iD-Tagesfahrt Wachaubahn 25.08.2012 (siehe S. 44)

Abb. 33: Aufnahmegebäude Stein - Spitz: Typenbauten aus dem Jahr 1909

Die Ybbstalbahn (Spurweite 760mm)ist im Unterschied zu den meistenschmalspurigen Alpenbahnen keineSackbahn, sondern führt ausgehendvon Waidhofen an der Ybbs durch dieherrliche Voralpenlandschaft desMostviertels. Vorerst im Tal der sma-

ragdgrünen Ybbs bis Lunz am See(53,5km), dann über den Pfaffensat-tel ins Tal der Erlauf nach Kienberg(70,9km), schließt sie an beidenEnden an Normalspurbahnen an. VonGstadt führt ein kurzer Flügel nachYbbsitz (5,7km). Erbaut wurde siezwischen 1896 und 1899.

Während das Teilstück von Waidhofennach Gstadt (5,5km) als Stadtbahngenützt wird und die Bergstreckezwischen Kienberg und Lunz bereitsals Museumsbahn dient, soll daslandschaftlich reizvollste Teilstückzwischen Gstadt und Lunz (58km)einem Radweg geopfert werden.Gegen das sinnlose Herausreissender Schienen wehren sich die beidenum die Ybbstalbahn bemühten Ver-eine Club 598, Freunde der Ybbstal-bahn und Pro Ybbstalbahn mit insge-samt 1000 Mitgliedern. Vereint in derYEG (Ybbstalbahn-Entwicklungsge-meinschaft) tätig, hoffen sie im Sinne

von Denkmal- und Landschaftsschutzdie Politik zu überzeugen. Gelingt eszusätzlich die Werte zu bündeln, so-dass sich Ybbstalbahn und Radwegharmonisch ergänzen, könnte dasYbbstal endlich der ideale Naherho-lungsraum für die Zentralräume

Wien, St. Pölten und Linz werden.Seit den 60er Jahren des vorigenJahrhunderts werden auch Werkerein technischen Ursprungs verstärktals Kulturgüter anerkannt. Der vonWissenschaftsministerin Dr. HertaFirnberg geforderte Schutz auch vonDenkmälern des technisch-industriel-len Fortschritts und nicht nur fürKunstdenkmäler trifft in besondererWeise für Verkehrsmittel und derenKomponenten zu. So ist es geradezuselbstverständlich dass Bauten undBrücken der Ybbstalbahn noch vorder Jahrtausendwende unter Denk-malschutz gestellt wurden.

Als typische Architekturbeispiele sindhier der Lokalbahnhof Waidhofen,einziger einstöckiger Bahnhof aneiner Schmalspurbahn, der BahnhofYbbsitz und die dortige Remise unterSchutz gestellt. Die Besonderheit derYbbstalbahn sind jedoch die Stahl-baubrücken. Prägend für das Stadt-

bild von Waidhofen ist der Schwarz-bachviadukt mit einer Gesamtlängevon 194 m. Im Weiteren sind dieFischbauchträgerbrücken bei Gstadtund Furth-Prolling zu nennen. Diewohl bekanntesten Brücken derYbbstalbahn sind die beiden in Trest-lework-Bauweise errichteten Brückenauf der Bergstrecke zwischen Pfaffen-schlag und Gaming. Sie alle stehenals herausragende Beispiele österrei-chischer Ingenieurkunst und genialerWerkarbeit unter Denkmalschutz.Aus denkmalpflegerischer Sichtebenso beachtenswert ist es, dass dieeigens für die Ybbstalbahn gebautendrei Dampflokomotiven (Baujahr1896) noch erhalten sind, wobei eineMaschine voll betriebsfähig ist.

Damit ist wohl klar gestellt, dassnach dem neuzeitlichen Ensemble-schutz die Ybbstalbahn in ihrer Ge-samtheit als einmalige Symbiose zwi-schen Natur und Technik eines außer-gewöhnlichen Schutzes bedarf. ImSinne von Kulturerbe, weit blicken-dem Denkmalschutz sind die Weichenauf Zukunft zu stellen. Nicht nur, umdas Erbe unserer Vorfahren zu be-wahren, sondern auch mit Hinblickauf Klima und Umwelt und um die ei-gentliche Attraktion für den zukünfti-gen Tourismus im Ybbstal nichtleichtfertig zu verspielen!

In seltener Einigkeit zwischen Bund,Land NÖ und ÖBB versucht man mitfadenscheinigen Argumenten diesesKleinod der Region Oberes Ybbstal zuzerstören. Dagegen gibt es heftigenWiderstand auf breitester Basis.11.000 Unterschriften gegen das Zu-sperren, eine Phalanx über alle Par-teigrenzen hinweg kämpft gegen eineunwillige Politik des Einsparens undZerstörens.

Der Kampf ist längst nicht entschie-den. Es ist zwar fünf Minuten vorzwölf, aber die Hoffnung, dass Ver-nunft obsiegt, besteht, weil in zuneh-mend krisenhaften Zeiten ein raschesUmdenken der Politik in Richtungmodernes Verkehrsmittel Ybbstal-bahn einfach unumgänglich ist!

Ing. Siegfried NykodemObmann „Club 598 – Freunde der

Ybbstalbahn“

� www.ybbstalbahn-club598.at

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Zukunft braucht Herkunft: Kulturerbe Ybbstalbahn

Nr. 10 / 2012

Abb. 34: Der Schwarzbachviadukt der Ybbstalbahn prägt das Stadtbild von Waidhofen/Ybbs (Foto: 2007)

Denkmalpflege und die Proble-matik für Vereine

Das Eisenbahnmuseum Groß Schwe-chat ist in der ehemaligen Zugförde-rung der „Lokalbahn Wien - Preß-burg“ untergebracht und wurde vomVerein VEF (Verband der Eisenbahn-freunde) gemeinsam mit mehrerenPartnern eingerichtet. Unter anderemsind auch viele Fahrzeuge des Tech-nischen Museums Wien hier behei-matet. Der Bahnhof „Groß Schwe-chat“ wurde am 6. Jänner 1884 ander Strecke Klein Schwechat - Fisch-amend - Mannersdorf von der Staats-eisenbahn-Gesellschaft (StEG) eröffnet.

Zentrale Bedeutung erlangte derBahnhof mit der Aufnahme desdurchgehenden Betriebes der elektri-

schen Lokalbahn Wien - Preßburg am1. Februar 1914. Neben der Haupt-werkstätte und Remisen befand sichhier die Wechselstation zwischen dermit 600 V Gleichstrom betriebenenStadtstrecke und der mit 16 kVWechselstrom betriebenen Überland-strecke bis Köpcseny (= Kittsee). DieGleisanlagen wurden entsprechenderweitert und blieben mit wenigenUmbauten bis etwa 1970 unverän-dert.

Auf dem Gelände des heutigen Ei-senbahnmuseums Schwechat befin-den sich noch zwei der drei originalenHallen aus dem Jahr 1914, die seit

2011 unter Denkmalschutz stehen.Aufgrund von Wasserschäden an derehemaligen Werkstatthalle mussteschnell gehandelt werden und Dach-schäden sofort in Angriff genommenwerden; eine Gesamtsanierung desGebäudes wurde überlegt und die zutreffenden Sanierungsarbeiten inacht Bauabschnitte geteilt (Kosten-voranschläge von Professionisten).

Der sofort in Auftrag gegebene Bau-abschnitt 1 betraf einen Teil des Da-ches, da durch Wassereintritt betrof-fene Werkstätten mit historischen –heute wieder in Betrieb befindlichen– Maschinen und Teile der Substanzstark gefährdet waren.

Dazu musste der Verein tief in die Ta-sche greifen, da eben Gefahr in Ver-

zug war. Die Renovierungskosten fürdie Werkstatthalle der Preßburger-bahn belaufen sich auf EUR166.000,- (Dachsanierung, Verputzinkl. Malung, Fenstersanierung, Fun-damenttrockenlegung). Förderungs-ansuchen wurden nachträglich ge-stellt – das Bundesdenkmalamt (Hr.Dr. Wittasek) war schnellstens vorOrt und half mit weiteren wertvollenInformationen und Vorschlägen.

Das BDA fördert mit maximal 20% desGesamtaufwands, das Land Nieder-österreich ebenfalls voraussichtlichmit 20%, jedoch muss ein Finanzie-rungsplan vorgelegt werden.

Die Katze und ihr Schwanz

Durch Eigenleistungen und Spendenkonnten (voraussichtlich) weitere 27%vorerst verbucht werden – jedoch dierestlichen 33% sind noch offen undda beginnt erst das Problem: DieKatze beisst sich in den Schwanz, daohne Abdeckung des offenen Betragsein Finanzierungskonzept eben nichtvorgelegt werden kann.

Wie weit der Bund unterstützendtätig werden kann/wird, ist zu jetzi-gem Zeitpunkt nicht geklärt. Feststeht, dass in diesem Objekt eben-falls unter Denkmalschutz stehendeFahrzeuge untergebracht sind, diewiederum durch noch nicht durch-führbare Sanierung der Halle unterMitleidenschaft gezogen werden.

Ein Verein wie das EisenbahnmuseumSchwechat hat (wie die meisten aufSpenden angewiesenen Vereine) nurbegrenzte finanzielle Möglichkeiten,solch große Projekte durchzuführen,ohne den eigentlichen Auftrag desBetriebs – die Erhaltung und Konser-vierung historischer Schienenfahr-zeuge – zu gefährden.

Manfred BöcklVerband der Eisenbahnfreunde Eisenbahnmuseum Schwechat

� Eisenbahnmuseum SchwechatHintere Bahngasse 2b, 2320 Schwechatwww.eisenbahnmuseum.atSpenden Kto.-Nr.: 004-72948, BLZ 20111

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

Die Werkstatthalle der Preßburgerbahn in Schwechat

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Abb. 35: Der renovierungsbedürftige Bürotrakt der 1914 erbau-ten Halle des Schwechater Eisenbahnmuseums

Abb. 36 (o.) und 37 (u): Das Dach der Schwechater Werkstättenhalle vor und nach der Sanierung

Die 1883 eröffnete Nebenstrecke vonWien-Liesing nach Kaltenleutgebenbesaß einst kunstvolle Stationsge-bäude mit Holz-Ziegel-Fachwerk -struk turen und verspielten Holzdeko-rationen. Nur eines von ihnen, derBahnhof von Perchtoldsdorf, existiertnoch. Doch auch sein Abriss war imJahr 2009 schon fix beschlossen. Der

engagierte Einsatz mehrerer Perso-nen hat das Bauwerk nun gerettet, essteht jetzt unter Denkmalschutz.

Vor allem im Sommer gab es einsteinen dichten Ausflugsverkehr zumdamaligen Kaltwasser-Kurort Kalten-leutgeben (wo auch der US-Schrift-steller Mark Twain Kurgast war). DieBahnhöfe dieser Strecke wurden imBüro von Wilhelm von Flattich (1826– 1900) entworfen, dem „Hausarchi-tekt“ der privaten Südbahngesell-schaft, von dem auch der prachtvolleWiener Südbahnhof von 1873stammte.An den Strecken der einstigen priva-ten Südbahngesellschaft finden sichBauten, die architektonische Ähnlich-keiten mit dem Bahnhof Perchtolds-dorf aufweisen und ebenfalls aus demBüro Flattich stammen: etwa daseinstige „Südbahnhotel“ (heute

Grand Hotel) in Toblach (Pustertal,eröffnet 1878), sowie das „ursprüng-liche“ Südbahnhotel am Semmering(eröffnet 1882, ab 1900 stark verän-dert und erweitert). Zahlreiche wei-tere Bauten am Semmering zeigenebenfalls die architektonische Hand-schrift des Teams um Flattich. Auchdie Kaltenleutgebnerbahn präsen-

tierte sich in einer ähnlichen architek-tonischen Identität. 1951 wurde derPersonenverkehr auf der Kaltenleut-gebnerbahn eingestellt. 1983, bei der100-Jahr-Feier, standen noch fast allehistorischen Bahnhöfe, nur jener inRodaun war 1979 bei einem Zugun-glück zerstört worden. Doch dannmusste jener in Kaltenleutgebeneiner Wohnhausanlage weichen,jener in Neumühle einer Steinbruch-zufahrt, und der Bahnhof Waldmühlewurde 1993 abgerissen, um Rund-tanks für das Zementwerk zu errich-ten.

Nur der Bahnhof von Perchtoldsdorfblieb erhalten, doch 2009 sollte aucher auf Wunsch der ÖBB einem profi-tableren Supermarkt weichen. DieÖBB besaßen einen Bescheid desBundesdenkmalamtes aus den1980er Jahren, dass das Bauwerk

nicht erhaltenswert sei. Es seischwierig, sagte mir das BDA im Jahr2009, jetzt einen Bescheid zu erlas-sen, der dem 20 Jahre alten Bescheidwiderspreche und plötzlich eineSchutzwürdigkeit erkenne.

Seit 2007 wies der Verein „Pro Kal-tenleutgebnerbahn“ unablässig auf

den Wert des Bahnhofes undder Strecke hin. Auch derBürgermeister von Perch-toldsdorf, Martin Schuster,konnte für das Anliegen ge-wonnen werden, und dasBDA erließ am 12. August2011 nun doch einen Schutz-bescheid für den Bahnhof. Während der Bahnhof nungerettet sein dürfte, ist dasSchicksal der Strecke zwi-schen Liesing und Wald-mühle (die Fortsetzungwurde 1959 abgetragen) un-gewiss. Das riesige Zement-werk nahe Waldmühle ist seit1995 außer Betrieb. Bis 2010wurde noch Zement perBahn aus der Slowakei ange-liefert und vor Ort in LKWsumgeladen, weswegen dieGleise kürzlich aufwändig sa-niert wurden.

Da der Zementtransport in-zwischen zur Gänze auf derStraße stattfindet, droht derhistorischen Bahntrasse das

endgültige „Aus“. Ein Sonderverkehrmit dem Dieseltriebwagen „VT 42“aus dem Jahr 1935 stieß am 6. No-vember 2011 bei 350 Fahrgästen aufgroßes Interesse. Experten warnenindes, dass die großen Wohnviertel,die anstelle der Zementfabrik gebautwerden sollen, zu einer täglichenPendler-KFZ-Kolonne führen werden.Vielleicht wird ja die Idee eines Trieb-wagenzubringers nach Liesing dochnoch aufgegriffen, und der histori-sche Bahnhof von Perchtoldsdorfkönnte nach einem halben Jahrhun-dert wieder zum Leben erwachen.

Dr. Gerhard Hertenberger

� Verein Pro Kaltenleutgebnerbahnwww.pro-kaltenleutgebnerbahn.at

� iD-Sonderfahrt gemeinsam mit demVerein Pro Kaltenleutgebnerbahn17.06.2012 (siehe S. 43)

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Historischer Bahnhof Perchtoldsdorf: Rettung in letzter Minute

Nr. 10 / 2012

Abb. 38: Seit 2011 unter Denkmalschutz: Der Bahnhof Perchtoldsdorf der Kaltenleutgebner Bahn

Warum überhaupt ein Verkehrsmu-seum in Mödling? Nun, Gründe dafürgibt es wahrlich genug: Denn schließ-lich fuhr hier ab 1883 die erste dau-erbetriebene elektrische Straßenbahnder Welt, außerdem endete ab 1887die erste dem Personenverkehr die-nende Dampfstraßenbahn der Do-naumonarchie in Mödling, und in La-xenburg befindet sichder einzige heute nocherhaltene Biedermeier-bahnhof Österreichs.Weitere Thematikensind die DampftramwayWien/Wiener Neudorf(später Guntramsdorf),die Badnerbahn, dieStraßenbahnlinie 360,das Autobusunterneh-men LOBEG usw.Von allem Anfang anwar daran gedacht, indiesem Museum der Zu-kunft auch Fahrbetriebs-mittel zu zeigen, womitwir zur Unterbringungnatürlich eine richtigeFahrzeughalle benötig-ten. Daher zeigen wir heute auch res-taurierte Waggons der Straßenbahn-linie 360.

Besonderheiten aus der Sicht desDenkmalschutzes: Der Beiwagen14 der Hinterbrühler Elektrischen

Dieses Fahrzeug wurde 1887 von derSüdbahnwerkstätte gebaut und warbis zum Ende der Hinterbrühler Elek-trischen im März 1932 im Einsatz.Danach wurden die „kleinen“ Wägel-chen der Ursprungszeit verschrottet,wobei der Wagenkasten des 14ers je-doch überlebte, was über Jahrzehnteallerdings vollkommen unbekanntwar. Erst im Jahre 1982 konnte er ineiner Schottergrube bei Himberg auf-gefunden werden, wo er als Bauhüttediente. Zwar konnte das Fahrzeugdamals geborgen werden, die an-schließenden Restaurierungsbemü-hungen der HTL-Mödling waren je-doch leider nicht erfolgreich. Seit1992 bemüht sich nun ein Vereins-mitglied um die Aufarbeitung undKomplettierung. Seine Bedeutung: eshandelt sich um einen der ältestenheute noch erhaltenen primär für denelektrischen Betrieb gebauten Stra-ßenbahnwagen der ganzen Welt!

Kurze Geschichte unserer Museumshalle

Nach zwanzig Jahren Betriebsdauerwurde die Hinterbrühler Elektrischeim Jahre 1903 grundlegend moder-nisiert. Die Beschaffung von zehnneuen („großen“) Motorwagenmachte einen dreigleisigen 37 Meter

langen Remisenneubau notwendig,der direkt an die Bahnhofstraße (spä-ter „Bahngasse“, dann „Tamussino -straße“) gebaut wurde.

Diese „große“ Wagenremise wurdedirekt an die Lokomotivremise unddie „kleine“ Wagenremise (beide ausder 1. Bauphase) angebaut, sodassnun ein zusammenhängendes En-semble aus drei Hallen entstand.Nach dem Ende der Bahn im März1932 wurden die Remisenbautenbahnfremd genutzt. Leider wurden inden 80er-Jahren des vorigen Jahr-

hunderts die damals noch vorhande-nen Gebäude des einstigen Bahn-hofsensembles der Elektrischen fürdie Errichtung einer Park and ride An-lage abgebrochen. Lediglich diegroße Wagenremise konnte mitZweckbindung für ein späteres Ver-kehrmuseum vor der Spitzhacke be-wahrt werden. 1987/88 konnten wir

mit unseren ersten Fahr-zeugen in das damalsnoch vom MödlingerWirtschaftshof genutzteGebäude einziehen.

Seit Anfang der 90er-Jahre ist die Halle nundenkmalgeschützt, seit2004 ist unser Museum ineiner ersten Ausbaustufegeöffnet. Die Jahre da-zwischen haben wir zurRestaurierung unserer inschwerst havariertemZustand übernommenenhistorischen Straßen-bahnwagen genutzt,deren ältester nun auch

schon über 100 Jahre alt ist. Ein voneinem Baumeister erstelltes Hallen-Sanierungskonzept unter Beachtungder Denkmalschutzkriterien liegt vor,aus finanziellen Gründen konntenbisher aber leider keinerlei Restaurie-rungsmaßnahmen eingeleitet wer-den.

Dr. Peter StandenatObmann Mödlinger Stadt verkehrsmuseum

� Mödlinger StadtverkehrsmuseumTamussinostraße 3, 2340 Mödlingwww.dr-peter-standenat.at/museum/index.html

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

Das Mödlinger Stadtverkehrsmuseum

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Abb. 39: Der 14er-Wagenkasten auf einem von Stern & Hafferl be-schafften, aber keinesfalls passenden Untergestell. Heute befindetsich der Kasten in Rekonstruktion (Foto: 1992)

Abb. 40: Die große Wagenremise, sowie die Lokremise und die kleine Wagenremiseder „Hinterbrühler Elektrischen“. Der Wert der kleinen Gebäude aus der

Ursprungs zeit der Bahn wurde leider nicht erkannt, und so fallen sie 1987 dem Projekt Park-and-Ride-Anlage zum Opfer (Foto:1967)

Im Meidlinger Bahnhof der Südbahnbefanden sich laut Dehio die letztenvorhandenen Stationsbauten in Wienaus der Zeit der 1841 eröffnetenWien-Gloggnitz-Bahn. (Dabei han-delte es sich um den Mittelteil desAufnahmegebäudes und das Wohn-haus an der Eichenstraße (Nr. 27),alle anderen Bauwerke stammten ausspäteren Um- und Ausbauphasen.)

Der als „Station 2. Klasse“ erbauteBahnhof Meidling wurde mit dem Ver-bindungsbahn-Bau 1860/61 und derPottendorfer Linie-Inbetriebnahme

1874 immer bedeutender. Heutezählt der Bahnhof Meidling zu dengrößten Umsteigebahnhöfen Öster-reichs. Hauptbauwerk war das Auf-nahmegebäude, in dem Kasse, War-teraum und Diensträume von Bahn-hofsvorstand und Fahrdienstleitersowie Wohnungen untergebrachtwaren. Als gestaltender Architektwird der für die Bahngesellschaft tä-tige Moritz Löhr genannt.

1841-50 lag südlich vor dem Aufnah-megebäude eine Personenhalle, indie 2 Gleise zum Ein- und Aussteigenführten. 1850 versah man das auf-nahmegebäudeseitige Gleis mit Vor-dach („Veranda“) und baute zu bei-den Seiten des Aufnahmegebäudes jeeinen Trakt an, die in Form und Größeetwa der abgebrochenen Halle ent-sprachen. Das Bahnbediensteten-Wohnhaus war 1841 allseits voneinem Garten umgeben, der 1,60müber Straßenniveau lag. Aufgrundvon Straßenregulierung und Zubau-

ten ging der Garten an drei Seitenverloren. Nur an der westlichen Seiteblieb die erhöhte Grünfläche bis zu-letzt erhalten.

Seine Nutzung als Wohnhaus verlores durch den Bau der Arbeiterwohn-häuser 1870 durch Wilhelm Flattich(Eichenstraße 11–23). Diese Bautenwerden als Vorläufer späterer „Arbei-terreihenhäuser“ angesehen undstellen – wenn auch der derzeitigeZustand dies nicht bezeugt – zeitge-schichtlich wichtige Bauwerke dar, dieheute unter Denkmalschutz stehen.

Die erst 1907 entstandenen HäuserEichenstraße Nr. 5–9 stehen dagegennicht unter Schutz.

1887 wurde einer der ersten Über-gangsstege in der Bahnhofsge-schichte Österreichs eröffnet, daerstmals Perrons angelegt wurden,an denen die Züge nur mehr an einerSeite verlassen bzw. bestiegen wer-den durften. Die 2 „Inselperrons“waren über einen eisernen Stegdurch breite Aufgangstreppen mitdem Randbahnsteig („Veranda“) ver-bunden. 1908 wurde die Brücke ab-gebrochen und die Unterführungen(der „Personentunnel“ genannteBahnsteigzugang und der „öffentli-cher Durchgang“ von der Eichen-straße zur Eibesbrunnergasse) er-richtet. Aus ersterem wurde 2005/06der heutige Durchgang, aus letzte-rem ein Technikbereich, in dem dieöstlichen Aufzüge des Bahnhofs situ-iert sind. 1936 wurde eine neue Si-cherungsanlage in einem quer zu den

Gleisen liegenden Reiterstellwerk er-richtet. Es bestand bis 1985, als einneues Stellwerk in Matzleinsdorf, zudem der Bahnhof seit 1967 gehört,die Aufgaben übernahm.

1938/39 wurden die Baulichkeitenerweitert und instand gesetzt: Internwurden Kassenhalle und Bahnhofsge-bäude für einen besseren Zugangumgestaltet, das Verbindungsbau-werk zwischen dem Aufnahmege-bäude und dem Wohnhaus errichtet.1978 wurde der Stiegenaufgang imKassenraum umgedreht, neue Perso-nenkassen errichtet, die Bahnsteige

verlängert und mit an die 1888 er-richtete Überdachung angepasstenSäulen und Dachformen versehen.

Durch den Bau der U-Bahn-Linie U6(1986-89) wurde eine neue Ausrich-tung des Bahnhofs hin zur Philadel-phiabrücke erforderlich, der sich inder Verlängerung der Bahnsteige mitRolltreppen und Stiegenanlagen zumPassagengeschoß der U-Bahn-StationPhiladelphiabrücke abzeichnete. Diefehlende Nutzung, der Zustand derGebäude sowie die Tatsache, dass einzusätzliches Gleis im Bereich deralten Bahnhofsbaulichkeiten errichtetwerden sollte, führte zwischen 2002und 2005 zum Abbruch der letztenOriginalbauten der Wien-Gloggnitz-Bahn in Wien.

Ludwig Varga Bezirksmuseum Meidling

Kurzfassung der Monografie zur Geschich -te des Meidlinger Bahnhofs, erschienen inden Blättern des Meidlinger Bezirksmuse-ums, Heft 57, Wien 2003.

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Der Bahnhof Wien Meidling

Nr. 10 / 2012

Abb. 41: Panoramaansicht des ehemaligen Meidlinger Bahnhofs mit Darstellung der Bauphasen.

Landschaft und Eisenbahn strukturieren die gründer-zeitliche Stadt

In der zweiten Hälfte des 19. Jahr-hunderts vervierfachte sich die Ein-wohnerzahl von Wien. Diese extremeBevölkerungsprogression war derAusgangspunkt für die gründerzeitli-che Stadterweiterung. Verändertemilitärische Bedingungen, techni-scher Fortschritt und die Forderungnach Arbeit für die aufständische Be-völkerung waren Anlass für die Um-setzung von Großprojekten. DieSchleifung der Stadtmauern eröff-nete den Raum zum Bau der Ring-straße, die Umsetzung des erstenDonaudurchstichs bot Arbeit für Tau-sende und die großen Kopfbahnhöfedes 19. Jahrhunderts versuchten,unter Nutzung der technischen Mög-lichkeiten und der landschaftlichenVoraussetzungen, die Eisenbahnen sonahe wie möglich an die Vorstädteheranzuführen. Diese Großprojektewaren „voneinander isolierte Unter-nehmungen“, führt der Architekt Her-mann Czech in den 1960er Jahren inseiner Schrift „Otto Wagners Ver-kehrsbauwerk (1963/68) ” aus undweist darauf hin, dass hingegen „derBau der Stadtbahn, die Regulierungvon Wienfluss und Donaukanal unddie Errichtung der Gürtelstraße vonvornherein als Einheit gesehen” wur-den und damit “die Stadtbahn einMusterbeispiel einer strukturellen Lö-sung” in der städtebaulichen Entwick-lung Wiens ist (CZECH 1996, 24).Der Bau der Stadtbahn ist in engemZusammenhang mit der Stadtregu-lierung des 19. Jahrhunderts zusehen. Die Landschaft stellt dabeistets eine Basis für die Stadtentwick-lung dar, sie ist das Terrain auf demsich die strengen Strukturen grün-derzeitlicher Stadterweiterung abbil-deten.

1892 wurde die „Commission für Ver-kehrsanlagen” gegründet, welche dieKoordinierung folgender drei Pla-nungsinstanzen innehatte: Tracie-rungsbureau der k.k. General-In-spection der österreichischen Eisen-bahnen, zuständig für die Stadtbahn,Stadtbauamt der Gemeinde Wien,zuständig für die Wienflussregulie-rung und Sammelkanalherstellung,Donauregulierungskommission zu-

ständig für die Donaukanalumgestal-tung. Otto Wagner wurde 1894 vonder Genossenschaft bildender Künst-ler einstimmig in den künstlerischenBeirat der Kommission gewählt undvertraglich verpflichtet die architek-tonische Ausgestaltung der gesamtenStadtbahnanlage vorzunehmen. Inden kommenden Jahren wurde inVerbindung mit Wienfluss- und Do-

naukanalregulierung die WienerDampfstadtbahn als städtebaulichesGesamtprojekt umgesetzt. In denJahren 1898-1901 wurde die Stadt-bahn in Abschnitten eröffnet und vonden k.k. Staatsbahnen betrieben.

Das Konzept der Stadtbahn basiertauf vier Linien, welche die Qualitätenund Bedingungen der Landschaftnutzten: Die Donaukanallinie, dieobere und die untere Wientallinie, dieGürtellinie und die Vorortelinie. Durchdiese Struktur wurde nicht nur für dieZivilgesellschaft ein leistungsfähigesöffentliches Verkehrssystem aufge-baut, das bis heute in Betrieb ist, derBau der Wiener Stadtbahn stand vorallem vom militärischen Standpunktim höchsten Interesse, es wurde dieMöglichkeit geschaffen die großen in-nerstädtischen Kasernen im Mobili-

tätsfall an die Hauptbahnen anzu-schließen. Mit Beginn des ErstenWeltkrieges konnte die Stadtbahnihre militärische Aufgabe als „Verbin-dungsbahn” aller in Wien einmünden-den Bahnen voll erfüllen.

Für den Bau der Stadtbahn standendrei unterschiedliche Systeme zurAuswahl: Hochlage, Niveaulage und

Tieflage. Die Niveaulage schied aus,da sie den Verkehrsfluss auf Straßen-niveau zu sehr störte. Die Tieflagewurde von Otto Wagner grundsätzlichfavorisiert, da sie allerdings die teu-erste Ausführung war, kam sieschließlich alternierend mit Streckenin Hochlage zur Ausführung. Land-schaftselemente wie der Wienfluss,der Donaukanal und der durch dieSchleifung des Linienwalles frei ge-wordene Gürtel wurden als struktu-rierende Elemente identifiziert und zuTrägern der städtischen Verkehrsin-frastruktur ausgebaut. Aufgrund deshügeligen Geländes, vor allem imWesten der Stadt entstanden Bahnt-rassen, wo sich Abschnitte in Hoch-und Tieflage abwechseln. Im Wientalwurde die Stadtbahntrasse im offe-nen Einschnitt angelegt, währendentlang des Donaukanals die Bahn in

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

Die Wiener Stadtbahn

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Abb. 42: Hochbahnhof Alser Straße als Torbautyp

einer seitlich offenen Galerie trassiertwurde. Die Fahrt mit der Stadtbahnwurde zum urbanen Schauspiel. Dienach Möglichkeit natürliche Durchlüf-tung erklärt sich aus den funktiona-len Anforderungen des Dampfbe-triebs. 50 der Stadtbahnstammstre-cken wurden in Hochlage errichtet,18 im Tunnel und 32 im offenen Ein-schnitt. Die Brücken liegen bis zu 16m über Straßenniveau und die Tun-nels bis zu 30 m unter Straßenni-veau, die Höhendifferenz zwischenhöchstem und tiefstem Trassenpunktbeträgt etwa 70 m.

Die Horizontalität stellte für OttoWagner eine wichtige Anforderung an

die Gestaltung der Abschnitte inHochlage dar. Die horizontale Linie imStadtraum ist für ihn die klarste undruhigste Form des Eingriffes, wäh-rend die diagonale Linie das Stadtbildgestört hätte. Um einen Dialog zuden der Stadtbahntrasse gegenüberliegenden Wohnhäuser aufzubauen,wurden die Bahnstrecken im Gefällein den Außendekorationen stufenför-mig abgesetzt. An den genietetenViadukten wurden die flankierendenFachwerkträger horizontal gelagert.Die Trasse überwindet, zwischen denTrägern liegend, den Niveauunter-schied im Gefälle. Je nach Entfernungzum Stadtzentrum variiert die Aus-führung der Strecken in Hochlage. Sokam an den Strecken der VorortelinieQuadermauerwerk, an der GürtellinieZiegelmauerwerk und an der Galerie-

strecke eine Ausführung in Eisen zurAnwendung (vgl. CZECH 1996, 27).

Das Interesse an einer engen Bezie-hung zwischen der bestehendenstädtebaulichen Struktur und demtechnischen Verkehrsbauwerk wirdan zwei Stellen besonders deutlich.Am Karlsplatz wurden für die Stadt-bahnpavillons bewusst die AchsenKarlskirche, Akademiestraße-Techni-sche Universität zugunsten eines ver-kehrsgünstigeren Standpunktes be-vorzugt. Im Abschnitt der Wienfluss-querung/Aspernplatz (heute Julius-Raab-Platz) zeichnet die Stadtbahneine städtebauliche Achse nach undunterstreicht mittels einer zusätzli-

chen Brücke,dem Zoll-am t s s teg ,

die Achse zwischen dem ehem. Zoll-amt und dem ehem. Kriegsministe-rium. Die Stationsbauten zeichnen sichdurch typologische Klarheit aus. Ins-gesamt wurden an den Stammstre-cken der Stadtbahn 11 Bahnhöfe und23 Stationen errichtet. Die Bahn-steigmindestlänge betrug 120 m,wovon mindestens 70 m überdachtwaren. Neben den drei Sondertypenin Heiligenstadt, Hütteldorf und beimHauptzollamt wurden für die Hoch-und Tiefbahnhöfe zwei Haupttypenentwickelt. Die Hochbahnhöfe wur-den als Torbauten konzipiert. Unterder Trasse kann man in einem ge-wölbten Durchgang das Stationsbau-werk queren, von hier erreicht manüber Treppen die darüber liegendenBahnsteige. Die massigen Baukörper

strukturieren die Viadukte. Die Tief-bahnhöfe liegen als Pavillons brü-ckenartig über der Bahntrasse, vonkleinen Eingangshallen gelangt manüber Treppen nach unten zu denBahnsteigen. Aufgrund der Betriebs-weise mit Dampflokomotiven wurdenkeine geschlossenen Bahnhofshallenerrichtet, Ruß und Dampf hätten dieRäume zu sehr beeinträchtigt.

1924/25 wurde die Wiener Stadtbahnelektrifiziert, technischer Fortschritthat zu ständigen Veränderungen ander Stadtbahn geführt, die ihre mar-kanteste Ausprägung und Erweite-rung im Zuge des U-Bahn-Baus er-fuhr. Ab 1976 wurden die Gürtel-,

Wiental- und Donaukanallinie zuwichtigen Bestandteilen des WienerU-Bahn-Netzes, die Vorortelinie istheute ein Teil des Wiener S-Bahn-Netzes. Erst im Zuge des U-Bahn-Baus wurde der Denkmalwert derWiener Stadtbahn erkannt, dennochwurden einzelne Stationen durchNeubauten im U-Bahn-Design er-setzt. Ein Teil der historischen Auf-nahmegebäude konnte inklusive derStiegenabgänge und Bahnsteige ori-ginal erhalten bleiben. An anderenStationen wurden Stiegenabgängeund Bahnsteige neu gestaltet. DieStadtbahnkonzeption von Otto Wag-ner erweitert durch die Planungender Architektengruppe U-Bahn sindbis heute signifikante Bauwerke imWiener Stadtbild.

Dr. Roland Tusch Institut für Landschaftsarchitektur,

Department für Raum, Landschaft undInfrastruktur, Universität für Bodenkultur Wien

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Nr. 10 / 2012

Abb. 43 (oben) und 44 (links): Wienflussquerung derStadtbahn (U4) mit Zollamtssteg; Tiefbahnhof Pilgramgasse als Pavillontyp

Ein riesiges Brachland innerhalb desGürtels: so präsentierten sich dieAspanggründe drei Jahrzehnte lang,ehe hier mit der Errichtung neuerWohnbauten begonnen wurde. Einvergessenes Stück Wiener Bodenohne Geschichte von Belang? Mit-nichten! Gerade hier wurde Ge-schichte geschrieben, die von hoch-fliegenden Plänen, dürftiger Umset-zung und auch vom Grauen des Ho-locaust zu berichten weiß.

An der Wende zum 19. Jahrhundertschien die Zukunft des Transportwe-ges in künstlichen Wasser-straßen zu liegen. So gingman daran, einen Kanal zugraben, über den Wien be-quem und billig mit Holz,Kohle und Ziegel versorgtwerden sollte. Verwirklichtwurde das Projekt bis Wie-ner Neustadt, der Ausbaubis Triest – damals Öster-reichs wichtigster Hafen –unterblieb.

Dann revolutionierte die Ei-senbahn das Verkehrssys-tem. Die Schifffahrtskanal-AG beantragte 1872 eineKonzession für den Baueiner Bahnlinie, die vonWien nach Saloniki im da-maligen OsmanischenReich führen sollte. DerBörsenkrach von 1873machte dem ehrgeizigenVorhaben ein Ende. Immer-hin gewann die Kanal-Ge-sellschaft die Societé Belge de che-mins de fer als Finanzpartner, derdem Bau der Bahn nur bis Pitten –Aspang zustimmte. Als Ausgangs-punkt der „k.k. priv. Eisenbahn WienAspang“ (EWA) wurde das bisherigeHafengelände bestimmt. Im Juli1879 stellte man den Schiffsverkehrein und ließ das Wasser ab. Danachentstand hier ein Durchgangsbahn-hof mit dem fast 100 Meter langenAufnahmegebäude nach PlänenFranz von Grubers, Prof. der Techni-schen Militärakademie. Er entschiedsich für den Stil der Neorenaissance.Zwei überragende Seitenrisalite mitSockelrustizierung sowie flankie-rende Säulen mit bekrönendem

Dreiecksgiebel an den Portalenwaren die markanten Merkmale desBahnhofsgebäudes. Innen gab esWartesäle der 1., 2. und 3. Klasse,ein Restaurant, ein Postamt mitRohrpostanlage und ein Telegra-phenamt. Die ganze Anlage war einDurchgangsbahnhof, da ein Kopf-bahnhof wegen der nahegelegenenVerknüpfung mit der Verbindungs-bahn Richtung Hauptzollamt/Nord-bahnhof nicht möglich war. Im Okto-ber 1881 konnte der Verkehr Wien –Aspang aufgenommen werden. DieFahrtdauer betrug 3 Stunden 20 Mi-

nuten. Pro Tag ging ein Personenzugjeweils am Vormittag und einer amNachmittag von Wien ab. An die gro-ßen Pläne erinnerten nur noch dieTrassierungsgrenzsteine mit denBuchstaben WSB (Wien-Saloniki-Bahn).

Mit dem Aspang-Bahnhof ist auchdas düsterste Kapitel der jüngstenGeschichte verbunden. Für abertau-sende jüdische Mitbürger und an-dere Verfolgte des NS-Regimes warder Bahnhof das Letzte, was sie vonWien sahen, bevor sie zur angebli-chen Umsiedelung Richtung Osten ab-fuhren, in Wahrheit der Weg in eine ge-neralstabsmäßig geplante Vernichtung.

Nach kriegsbedingten Zerstörungendauerte es nach 1945 noch lange,bis ein normaler Verkehr auf derAspang-Bahn wieder möglich war.Der Betrieb wurde aber immer un-rentabler. Die Schaffung des S -Bahnnetzes in der Region Wien ver-setzte der Aspang-Bahn dann denTodesstoß. 1971 wurde der Bahnbe-trieb eingestellt, der Bahnhof ge-sperrt. Im Sommer 1977 fielen seineMauern der Spitzhacke anheim.

Derzeit entsteht auf diesem ArealEuropas größte Passivhaussiedlung

mit dem Namen „Euro-Gate“. DenBauarbeiten voran gingen archäolo-gische Grabungen, bei denen Resteder mächtigen Stützmauern desehemaligen Hafenbeckens zum Vor-schein kamen. Schon früher wurdenbei Grabungen auf dem Gelände einHockergrab aus der Bronzezeit,Reste von Häusern der römischenZivilstadt mit Fußbodenheizung, derTorso einer römischen Götterstatue,römische Münzen und ein Awaren-grab freigelegt. Zeugnisse einer Be-siedelung der Aspanggründe vonfrühesten Zeiten an.

Dr. Edgard HaiderBuchautor

unve rge s s enDer Aspang-Bahnhof in Wien Landstraße

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Abb. 45: Historische Ansicht des Empfangsgebäudes des Aspangbahnhofs

150 Jahre technischer Fortschritt– Eine Herausforderung an Ingenieure und Architekten

Der Salzburger Bahnhof wurde1859/60 als Übergangs- und Grenz-station zwischen den bayerischenund österreichischen Eisenbahnen er-richtet. Er hatte ursprünglich groß-teils den Ortsverkehr und wenige di-rekte Züge – wie den Orientexpressvon Paris nach Constanza – aufzu-nehmen, weshalb das Empfangsge-bäude seitlich der Gleisanlage ange-ordnet wurde.

Wegen der gewaltigen Verkehrszu-nahme am Anfang des 20. Jahrhun-derts erweiterte man 1907/09 vorallem die Bahnsteiganlagen, beließdas Empfangsgebäude in seiner altenLage und gestaltete es nur im Inne-ren durch einen großzügigen Umbauneu. Der Bahnhof besaß drei Perso-nenhauptgleise für durchgehende

Züge und zehn Kopfgleise, sowie eindurchgehendes Gleis, das zwar bei-derseits angeschlossen war, aber nurhier endenden Zügen diente. Unmit-telbar am Empfangsgebäude befindetsich ein schmaler Bahnsteig, der da-mals für Orientexpresszüge und Hof-züge benutzt wurde. Jenseits desdritten Gleises entstand ein sehr ge-räumiger, 52 m breiter und 164,5 mlanger Inselbahnsteig, an dessen bei-den Enden (der österreichischen undder bayrischen Seite) je drei Zungen-bahnsteige anschlossen. Von demEmpfangsgebäude führten drei Per-

sonentunnel und zwei Gepäcktunnelzum Inselbahnsteig mit dem Warte-saalgebäude von ca. 25 m x 44 mGrundfläche, in dem die Wartesäle,Restaurationsräume, Kassen, Zollre-visionshallen etc. untergebrachtwaren. An den beiden Schmalseiten des Ge-bäudes anschließend, war der Bahn-

steig von einer dreischiffigen eiser-nen Halle überdacht, deren mittlererTeil von Dreigelenkbogenbindern mit25,1 m Stützweite, die niedriger ge-haltenen Seitenhallen von Zweige-lenkbogen mit überkragenden Ar -men, die jeweils bis zur Bahnsteig-kante 13,85 m maßen und auf guss-eisernen Pendelstützen lagerten, ge-bildet wurden. Beim aktuellen Umbauwurden nur sieben Binder der mittle-ren Bogenhalle wiedererrichtet.Die Gesamtplanung für die umfang-reichen Bauarbeiten erfolgte imHochbaudepartement des k. k. Eisen-bahnministeriums, wobei die Detail-planung und künstlerische Ausgestal-

tung der Architekt Hans Granichsta-edten besorgte. Für die Bauleitungzeichnete der Ingenieur der k. k. Staats -bahnen, Architekt Ladislaus Friedrichvon Diószeghy verantwortlich. Für dieInnenraumgestaltung sowohl derneuen Halle im Empfangsgebäude alsauch der Wartesäle und der neuenGaststätte auf dem Inselbahnsteig

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Salzburg Hauptbahnhof – 1860 bis 2012

Nr. 10 / 2012

Abb 46 (oben): Schürzenbinder der wieder aufgebauten Bogenhalle (FotoJän. 2012) und Abb. 47 (unten): Perrondach der an die große Bogenhalleanschließenden Seitenhalle mit Kragarm (Foto vor Demontage, 2008)

Abb 48 : Planzeichnung eines Schürzenbinders derBogenhalle mit den auf österreichischer Seite ange-

brachten dekorativen Elementen (Ausschnitt)

wurde der Architekt Heinrich Kathreinvom k. k. Gewerbeförderungsamt inWien herangezogen. Mit der feierli-chen Übergabe des neuen Bahnhofsan den öffentlichen Verkehr am 5. Juli1909 fand auch eine Ausstellung zurEröffnung der gleichzeitig fertigge-stellten Tauernbahn statt. Die im 2. Weltkrieg schwer beschä-digte Bogenhalle und eines der bei-den seitlich anschließenden Perron-dächer wurden 1948 in der ursprüng-lichen Form wiederhergestellt. Diedekorativen Teile am Schürzenbinderder österreichischen Seite (auf bayri-scher Seite hatte man schon 1909auf Dekorelemente verzichtet) wur-den nicht mehr erneuert, nur das sti-lisierte Wappen und die Handelssym-bole an First und Traufe hat man wie-derversetzt. Die zerstörte Innenaus-stattung des Bahnhofsrestaurantswurde unter Beibehaltung der Pro-portionen mit edlem Adneter Marmor(„Marmorsaal“) eindrucksvoll neu ge-staltet. Der Marmor soll ursprünglichfür ein anderes Bauwerk vorgesehengewesen sein.

In Österreich fiel den Bahnhofshallennicht jene hervorragende Rolle imBahnhofsbau zu, welche sie im Aus-land spielten. Diese Tatsache hing mitder relativ langsamen Verbreitungdes Eisens als Baumaterial des Hoch-baues in Österreich zusammen. Diegroßen Endbahnhöfe in Wien, die inden 1860er und 1870er Jahren vonbedeutenden, meist aus dem Auslandberufenen Architekten mit zuneh-mend großem Aufwand neu gestaltetwurden, hatten englische und franzö-sische Vorbilder. Die Bahnhofshalleder Kaiserin- Elisabeth-(West-) Bahnin Wien war mit einem eisernenDachstuhl nach dem System Polon-ceau, von 27,40 m lichter Weite ohneZwischenstützen, überspannt. DieHallen des Südbahnhofs und desFranz Josef–Bahnhofs besaßen diegleiche Konstruktion mit 36,10 m bzw.28,70 m, ebenso der Wiener Bahnhofder Staatseisenbahn-Gesellschaft(später Ostbahnhof) mit einer zwei-schiffigen Halle von zusammen40,30 m Breite. Eine schwere stützen-lose, 39 m weite Halle mit paraboli-schen Sichelträgern erhielt der Nord-westbahnhof, während man beimNordbahnhof eine dreischiffige An-lage mit Gitterträgern in Kielbogen-form ausführte. Alle diese technikge-schichtlich und architekturhistorischhervorragenden Wiener Hallenkon-

struktionen wurden nach den schwe-ren Zerstörungen des Zweiten Welt-kriegs nicht wiederhergestellt. Be-sonders bedauerlich war der Abbruchdes Nordbahnhofs 1965. Der Bautypus eines Inselbahnhofsmit Hallenüberdachung wurde inÖsterreich im Gegensatz zu Deutsch-land selten angewendet, um 1900

etwa bei neueren Anlagen der Nord-westbahn in Böhmen oder beimUmbau des Bahnhofs Krakau. DieseSonderform wurde bei der Erweite-rung des Hauptbahnhofs in Salzburggewählt, weil sie den Anforderungendes bayerisch-österreichischen Grenz-und des internationalen Fernverkehrs(Orientexpress!) am besten ent-sprach.

Am Anfang des 20. Jahrhunderts bil-dete der Hauptbahnhof ein Symbolfür den technischen Fortschritt. Sei-nerzeit bedeutende Architekten undIngenieure aus dem bestens ausge-bildeten eigenen Beamtenstab derStaatseisenbahn und des Eisenbahn-ministeriums und nicht zuletzt maß-gebliche Werkstätten der Monarchiewurden für die Planung der neuenBahnanlage, für die Hochbauten, fürdie architektonische Gestaltung derEisenkonstruktionen bis zum Innenaus-bau für die Realisierung herangezogen.Der Salzburger Hauptbahnhof istauch heute in seiner Gesamtheit ein

architektonisches, technikgeschicht-liches und kulturhistorisches Denk-mal. Nach Verlusten durch Krieg undWiederaufbau wird sich sein Erschei-nungsbild durch die seit 2008 statt-findende grundlegende Neuordnungdes Bahnbetriebs auf Basis einerwohl zu ehrgeizigen Umbauplanung(Architekten Klaus Kada und Gerhard

Wittfeld) bedeutend verändern. In-nerhalb der Modernisierung mischensich glückliche mit weniger glückli-chen Umständen: Ein Teil der nachZerstörungen in und nach dem Zwei-ten Weltkrieg in Österreich einzigverbliebenen, historischen Stahlhalleüber dem früheren Inselbahnsteigwurde restauriert und in den neuenEntwurf einbezogen – bedauerlicher-weise in stark reduzierter Form. Hierkann wohl nur noch von einem Zitatgesprochen werden. Gänzlich abge-tragen wurde der Marmorsaal, seineAusstattung wurde eingelagert undwartet auf seine Aufstellung an einemanderen Ort. Dagegen hat das Emp-fangsgebäude durch die Wiederauf-findung der Fliesenbilder und die ge-lungene Rückführung der Schalter-halle in den Zustand von 1909 seinrepräsentatives Erscheinungsbildwiedererlangt.

Dr. techn. Ute GeorgeacopolTICCIH Austria

� www.ticcih.org

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

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Abb 49 (oben): Schematischer Schnitt durch die Hallen des Mittelbahnsteigs; Abb. 50 (unten) Gesamtansicht des ehem. Inselbahnsteigs (vor d. Abbau, Mai 2000)

Ein Industrie- und Zeitgeschich -te-Denkmal geht verloren

Das Areal der alten Brauerei Schwe-chat ist historischer Boden. Von hieraus begann 1841 das helle untergä-rige „Lagerbier“ seinen Siegeszugdurch Europa, Mitte des 19. Jahrhun-derts stand hier sogar die größte

Brauerei des europäischen Festlan-des. In den gewaltigen, verzweigtenKelleranlagen wurden in der NS-ZeitRüstungsfabriken untergebracht, amBrauereigelände existierte ein KZ-Au-ßenlager von Mauthausen. Heute ge-hört die einst eigenständige FirmaSchwechater zur „Brau Union Öster-reich AG“ mit Zentrale in Linz, derenAktienmehrheit der niederländischeBrauereiriese Heineken besitzt. Dashistorische Brauereigelände ist seitJahren verwaist, am Nebengeländesteht eine neue Brauanlage und einmonumentaler Bierdosenabfüllkom-plex. Seit November 2011 wurden dieGebäude der alten Brauerei sukzes-sive abgerissen. In der Auflistung desBundesdenkmalamts1 wird zwar dasGesamtareal als „geschützt“ ausge-wiesen, mir wurde allerdings mitge-teilt, dass angeblich nur das „AlteBrauhaus“ (Brauhausstraße 8, „Bie-

nenhof Mandl“), ein kleiner barockerPavillon sowie die ehemalige Diesel-zentrale, in der ein Verein für histori-sche Flugzeuge sein Domizil hat, tat-sächlich denkmalgeschützt seien.Was nun richtig ist, konnte ich nichteruieren. Alle weiteren oberirdischenGebäude sind inzwischen bereits ab-gerissen worden.

Abbruch ohne vorherige Doku-mentation ?

Die riesigen Kelleranlagen, in deneneinst Europas erstes Lagerbier kühlaufbewahrt wurde und in denen spä-ter KZ-Häftlinge schufteten, sollen inden kommenden Monaten verfülltwerden, damit auf der freigeworde-nen Fläche eine Wohnsiedlung ent-stehen kann.

Eine vorhergehende Dokumentationder historischen Spuren war zunächstnicht beabsichtigt. Nach meinen Hin-weisen fand dann aber doch eine Be-gehung durch Mitarbeiter des Bun-desdenkmalamtes und Mitarbeiterdes Mauthausenarchivs im Innenmi-nisterium statt. Ein vorläufiger, teil-weiser Abbruchstopp seitens derBrau-Union soll nun eine historischeDokumentation ermöglichen.

Der Ursprung vom „Lagerbier“

Schwechat besitzt eminente Bedeu-tung für die österreichische Brauerei-geschichte. Um 1840 entwickelte hierAnton Dreher sr. den Typus des un-tergärigen Lagerbieres, das in kühlenKellergewölben gelagert werdenmusste und lange haltbar blieb. DerErfolg des neuen Bieres war derGrundstein für eines der größten Bie-rimperien Europas. Bereits in den 1840er Jahren ließDreher in Schwechat große Lagerkel-ler errichten, die beständig erweitertwurden. Nur noch eine weitereBrauerei im Raum Wien hat ebenfallsin den 1840er Jahren große Keller er-richtet, um untergäriges Lagerbier zuerzeugen: Die ehemalige Brauerei St.Marx im Besitz von Adolf Ignaz Maut-ner von Markhof. Sie wurde 1913 vonSchwechater aufgekauft und kurz da-rauf stillgelegt. Während das Brau-haus St. Marx längst verschwundenist, existieren tief unter der Oberflä-che des dritten Bezirks nahe derSchlachthausgasse noch heute dieuralten Hallen dieser längst verges-senen Brauerei.

Unterirdische Rüstungsfabriken

Zur Geschichte der Brauerei Schwe-chat während der NS-Zeit liefertAdolf Ezsöl in seinem Heft „Die KZ-Außenlager Santa I und II in Schwe-chat 1944 – 1945“² eine ausgezeich-nete Dokumentation. Die folgendenAbsätze stützen sich primär auf dieseQuelle.

Die Schwechater Brauerei galt nachdem Anschluss Österreichs an Nazi-deutschland als „größte Einzelbrau-stätte des Deutschen Reiches“. Daman auch im Raum Wien Bombenan-griffe fürchtete, gab der Reichsminis-ter für Bewaffnung und Munition am26.8.1943 einen „Erlass über die Ver-legung kriegswichtiger Betriebe undBetriebsteile“ heraus. Im März 1944wurde angeordnet, dass die „Flugmo-torenwerke Ostmark“, ein bei WienerNeudorf/Griesfeld angesiedelterZweigbetrieb des Junkers-Rüstungs-konzerns, zum Schutz vor Bomben indie alten Schwechater Keller bei derWiener Strasse 50 übersiedeln sollten. Als auch die rund 11.600 m² großen,neuen Kellersysteme entlang derBrauhausgasse 8 an Teile der Waffen-produktion von Steyr-Daimler-Puch

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Die Alte Brauerei Schwechat

Nr. 10 / 2012

Abb. 51: Ein Bild der Verwüstung: Abbrucharbeiten in Schwechat rund um den denk-malgeschützten Barockpavillon (Ende November 2011)

übergeben werden sollten, protes-tierte die Brauereiführung heftig,aber vergeblich. Wenige Tage später,am 17.3.1944, erfolgte der ersteBombenangriff auf Schwechat. Da eingroßer Teil der Brauerei-LKWs für dieUmsiedelung von Teilen der Rüs-tungswerke Steyr-Daimler-Puch inSchwechater Brauereikeller requiriertwurde, kam die Bierauslieferung insStocken. Die Schließung der Brauereidrohte, wurde aber im letzten Moment verhindert. Auch Heinkel-Flugzeuge wurden inBrauereikellern zusammengebaut.Im Gipsbergwerk der Seegrotte beiMödling (Deckname Languste) wur-den ab 1944 Rumpfteile des Strahl-triebwerk-Flugzeugs Heinkel He 162(„Volksjäger“) von KZ-Häftlingenmontiert. Die Fertigstellung erfolgtezunächst in Hangars am FliegerhorstSchwechat, wurde jedoch im Som-mer 1944 in die Brauereihallen beider Bruck-Hainburger Strasse 26 ver-legt.

KZ-Außenlager in Schwechat

Schon im März 1944 dürften lautEzsöl die ersten KZ-Häftlinge ausMauthausen in den Brauereikellerneingetroffen sein, um den Einzug der„Flugmotorenwerke Ostmark“ vorzu-bereiten. Ein umzäuntes Barackenla-ger wurde am ehemaligen Phönix-Sportplatz bei der heutigen Alfred-Horn-Straße errichtet. In 15 Bara-cken, neben einem Appellplatz und

einer Verwaltungsbaracke, wurdenbis zu 600 KZ-Häftlinge eingepfercht.Ab April 1944 hatte der berüchtigteSS-Obersturmführer und Massen-mörder Anton Streitwieser das Kom-mando über die KZ-Außenlager Wien-Schwechat, Wien-Floridsdorf, Wien-Jedlesee und Seegrotte-Hinterbrühl.Ezsöl schildert ausführlich die grau-samen Brutalitäten, die unter seinemKommando an den Häftlingen vonSchwechat verbrochen wurden. 1952

wurden die Spuren des Konzentrati-onslagers beseitigt und, als wärenichts gewesen, wieder ein Sport-platz angelegt. Ebenso wurden dieSpuren der Rüstungsbetriebe ent-fernt und im Krieg beschädigte Teileder Brauerei wieder aufgebaut, dane-ben neue Produktionsgebäude errichtet.

Erforschung der Kellersysteme

Unter dem Areal der alten Brauerei,das derzeit plattgemacht wird, konn-ten im Zuge von Begehungen zweigroße Kellersysteme festgestellt wer-den, die anscheinend nicht miteinan-der verbunden sind. Unter dem soge-nannten „Büffelberg“ befindet sichein System sehr großer Hallen samtBrunnen und unterirdischen Gär-tanks. Eingebaute Räume nahe demEingang könnten aus dem ZweitenWeltkrieg stammen, ihre Ziegel-wände und -pfeiler enthalten zahlrei-che gekritzelte Inschriften mit Da-tumsangaben vom Herbst 1944,sowie Frauennamen und die Stadtna-men Budapest und Debrecen. Eswäre zu untersuchen, ob sich hierZwangsarbeiterinnen (vielleicht un-garisch-jüdischer Herkunft) verewigthaben, oder ob die Inschriften von„regulären“ Arbeiterinnen oder vonLuftschutzsuchenden stammen.3

Im Bereich zwischen dem „AltenBrauhaus“ (Brauhausgasse 8, „Bie-nenhof Mandl“, wird nicht abgeris-sen) und dem Friedhof befindet sichunterirdisch ein zweites, sehr kom-

plexes, ja geradezu verwirrendesSystem von großen und kleinerenHallen und Räumen. Ein Teil davonwurde offensichtlich als Luftschutz-keller genutzt (Luftfilter der FirmaDräger, Überdruckventile gegeneinen Gasangriff, entsprechende Be-schriftungen). Ein sehr langer Verbin-

dungsgang mit Seitenräumen er-streckt sich von dort bis unter denkürzlich abgerissenen hohen Getrei-degroßspeicher, der 1940/41 errich-tet wurde. Ob nach dem Abbruch der meistenoberirdischen historischen Gebäudenun auch alle historischen Kelleranla-gen verfüllt werden, oder ob vielleichtdoch ein kleiner Teil davon für dieNachwelt erhalten bleibt (z. B. jenermit den Inschriften), wird sich nachder Untersuchung durch Denkmalamtund Zeitgeschichte-Experten ent-scheiden.

Dr. Gerhard Hertenberger

� iD-Vortrag Schwechater Brauerei15.11.2012 (siehe Seite 44)

Endnoten:1 http://www.bda.at/docments/

571380313.pdf, Seite 2842 in: Historisches Schwechat, Forschungs-

berichte aus dem zeitgeschicht lichenArchiv Adolf Ezsöl, Nummer 1, Sept. 2008

3 vgl. E. Lappin-Eppel: Ungarisch-jüdi-sche Zwangsarbeiter und Zwangsar -beiterinnen in Österreich 1944/45

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Abb. 52: Blick vom Getreidespeicher auf Pavillon und Brauerei (November 2011)

Abb. 53: Ein Blick in die alten Schwecha-ter Brauereikeller

Die Auswirkungen der Konzen-tration der Brauindustrie auf diehistorische Bausubstanz derösterreichischen Braustätten amBeispiel der Brau Union

Nach dem großen Sterben der veral-teten kleinen handwerklichen Brau-betriebe in der Zeit zwischen demEnde des 19. Jahrhunderts und demErsten Weltkrieg verlagerte sich dieBierproduktion zu den bereits seitMitte des 19. Jahrhunderts bestehen-den industriellen Brauereien, die sichin Folge einen immer stärkeren Kon-kurrenzkampf lieferten. Während ei-nige Großbetriebe ins Gigantische ex-pandierten, mussten viele andereaufgeben.Die Folge war die Konzentration derösterreichischen Brauindustrie, die1921 mit dem Zusammenschluss derBrauereien Hofbräu Kaltenhausen,Linzer Aktienbrauerei und Malzfabrikvormals Hatschek, PoschacherBrauerei in Linz-Lustenau, Salzkam-mergut Brauerei AG in Gmunden undWieselburger Aktienbrauerei, vormalsKaspar Bartenstein zur Braubank AG

erst so richtig losging. Zuvor warenschon eine Vielzahl kleinerer, aberauch größerer Brauerein - wie z.B.Sigl in Ottensheim - speziell in denbeiden Linzer Brauereien aufgegan-gen. Am 1. Jänner 1925 wurden diefünf Brauereien mit ihrer „Mutter“ zurÖsterreichischen Brau Aktiengesell-schaft (Brau AG) verschmolzen.

1926 kam die NiederösterreichischeObstverwertung und Brauerei GmbHKröllendorf, 1928 die Aktiengesell-schaft der Liesinger Brauerei Wiensowie 1929 das Bürgerliches Brau-haus Innsbruck, die Brauerei ReutteGmbH die Vereinigte Tiroler Braue-rein Kundl – Jenbach AG, die Aktien-gesellschaft Sternbräu Salzburg, dieStiftsbrauerei Engelszell und die Ak-tiengesellschaft der Brunner Braue-rei, Brunn am Gebirge dazu. Ebensodie Brau- und Lieferrechte der stillge-legten Schlossbrauerei Büchsenhau-sen und Löwenbräu in Innsbruck.1932 wurden die Brau- und Liefer-rechte von Schatzl in Raab und 1933vom Marktbrauhaus Sarleinsbach er-worben. 1935 beteiligte man sich zu40% an der Brauerei Zipf. In den Jah-ren 1939 - 1945 firmierte die Öster-reichische Brau AG unter dem NamenOstmärkische Brau AG – Linz. 1943wurden die Brau- und Lieferrechteder Klosterbrauerei Seefeld, 1952Seyr in Perg und 1957 StiftsbrauereiSt. Florian (beide an Göss mit Betei-ligung der Brau AG), 1956 Hinterwei-ßenbach, 1962 Wendberg, 1964

Berndorf bei Salzburg und 1968 Neu-felden erworben.1970 fusionierte die Brau AG mit derBrauerei Zipf AG, vormals W. Schaupund 1978 mit der SchwechaterBrauerei AG - diese entstand einstaus dem Zusammenschluss der Wie-ner Brauereien St. Marx und Simme-ring sowie Kleinschwechat (zeitweise

bei Wien) und Übernahme der Braue-reien Hütteldorf, Jedlesee, Floridsdorfund Nussdorf. 1974 wurde die BrauereiBlattl Saalfelden und 1975 die BrauereiMattighofen erworben und still gelegt.Im Jahre 1988 wurde die Brau-Betei-ligungs-Aktiengesellschaft (BBAG)gegründet, die 1993 „durch feindlicheÜbernahme“ der Steirerbrau (Braue-reien Göss Leoben, Puntigam/Rei-ninghaus Graz, Falkenstein Lienz,Adambräu Innsbruck) zur Brau UnionÖsterreich AG wurden. 1986 ging be-reits die Brauerei Mühlgrub in derSteirerbrau auf. Nach der Übernahmevon 33% an der Schladminger BrauGmbH wurde die Brau Union 2003von Heineken Zoeterwoude über-nommen. Über eine 50% - Beteili-gung ist die Brau Union unter ande-rem auch an den Vereinigten Kärnt-ner Brauereien (Villacher, Schleppe,Piestinger) beteiligt. Im selben Jahrwurden die Brau- und Lieferrechtevon der stillgelegten Brauerei Mayr inKirchdorf an der Krems übernom-men.

Derzeitige Situation

Heute wird durch die Brau Union(wenn man von den Beteiligungenabsieht) nur mehr in Wieselburg,Zipf, Schwechat sowie in Graz-Punti-gam, Göss und Lienz industriell ge-braut. Da die Brauereien Wieselburgund Schwechat in neue Betriebsge-bäude übersiedelt sind, wird nurmehr in Zipf, Graz-Puntigam, Gössund Lienz an den historischen Ortengebraut. Die Brau Union ist mit einemMarktanteil von etwa 50% Marktfüh-rer am heimischen Biermarkt.

Die Auswirkungen

Die folgende Übersicht listet die Ver-änderungen an den einzelnen Stand-orten auf:

Totalverluste der Produktionsge-bäude (in Klammer das Jahr des Ab-bruchs, ggf. noch bestehende Neben-gebäude und Restaurationen sindnicht berücksichtigt): in Wien: Hüt-teldorf (1937), St. Marx (um 1950),Floridsdorf (um 1960), Nussdorf(1965), Jedlesee (1978), Simmering(um 2005) und Liesing (2009); inNiederösterreich: Brunn am Gebirge(1957-59), Kröllendorf (1998) und

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Historische Brauereien in Österreich

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Abb. 54: Die Mälzerei Mannswörth im Jahr 2002

Wieselburg (2001); in Oberöster-reich: Linzer Aktienbrauerei, Sar-leinsbach, St. Florian, Hinterweißen-bach, Mattighofen; in Salzburg: AlterSternbräu (1930), Berndorf (nach1980); in der Steiermark: Reining-

haus Graz; in Tirol: BürgerlichesBrauhaus Innsbruck (2005), Reutte(nach 1980), Kundl (nach 1945),Jenbach (nach 1945), Seefeld (?) und Löwenbräu Innsbruck (?).

Teilverluste: In Niederösterreich:altes Schwechater Brauhaus; inOberösterreich: Poschacher Linz,Gmunden, Ottensheim, Engelszell,Perg, Neufelden, Schatzl Raab; inSalzburg: Saalfelden, Wendlberg;und in Tirol: Adambräu Innsbruck.

Weitgehend erhalten: in Oberöster-reich: Kirchdorf an der Krems, Mühl-grub; in Salzburg: Hofbräu Kalten-hausen, Sternbräu; in Tirol: Inns-bruck/Büchsenhausen; in Kärnten:Hermagor, Steinbrücken, Völker-markt, Sorgendorf.

Abbruch oder Revitalisierung

Wie sorgsam mit dem kulturellenErbe umgegangen wird, liegt schluss-endlich bei den Gemeinden. Dassnicht mehr benötigte und brach lie-gende Areale verkauft werden, kannman einem Braukonzern nicht vor-werfen. Dass in letzter Zeit die Objekte in vielen Fällen beiIn vestoren landen, die auf Gewinnop-timierung ausgerichtet sind, machtdie Sache spannend. Im Falle derBrau-Union wurde 2005 für die Ver-wertung der Areale in Graz-Reining-haus (545.150 m² + 290.499 m²),

Graz-Puntigam (151.540 m²), Stern-brauerei Salzburg (15.227 m²) undTeile des Schwechater Areals(8.350 m²) die Asset One Immobi-lienentwicklungs AG gegründet.Das Hauptgebäude der Sternbrauerei

dürfte weitestgehend erhalten blei-ben und in Puntigam sind Gebäudeweitestgehend nicht betroffen. An-ders schaut die Situation auf den Rei-ninghaus-Gründen aus. Hier wurdenbereits große Teile der alten Bausub-stanz dem Erdboden gleich gemacht.Nur wenige denkmalgeschützte Ge-bäude wie etwa der riesige Getreide-speicher und die Malztenne, die aller-dings nicht mehr den Eindruck einerBrauerei vermitteln, sind am Arealverstreut erhalten. Doch schon in den Jahren zuvorwechselten viele Areale den Besitzerund wurden neuen Nutzungen zuge-führt. Besonders schmerzhaft warder schlagartige Totalverlust deralten Wieselburger Braustätte 2001,die einem an Hässlichkeit nicht mehrzu überbietenden Einkaufszentrumweichen musste. Wieselburg hat sichimmer als „die“ Braustadt bezeichnet- für den Erhalt des kulturellen Erbeshatte man jedoch nichts übrig. Manhat nicht den geringsten Versuch un-ternommen, die alte Bausubstanzauch nur irgendwie zu integrieren. Aber auch der Bürgerbräu Innsbruckwurde 2005 komplett kassiert undauf dem Areal 2006 bis 2009 unterdem Namen „Bürgergarten“ ein Ver-sicherungs- sowie ein Gesundheits-und Sozial-Zentrum, sowie ein Bil-dungshaus und Wohnungen errichtet.

In Wiener Neustadt schreckte mannicht einmal davor zurück, den letz-

ten verbliebenen denkmalgeschütz-ten Teil des Brauhofes (ehemals Bür-gerliches Zeughaus, wo 1671 PeterGraf Zrinyi, Banus von Kroatien undFranz Frangepany, Markgraf der Küs-tenlande enthauptet wurden) für die

Erweiterung eines Möbelhauses undzur Schaffung von Parkplätzen zu op-fern.

In Wien-Liesing verfolgte man überJahrzehnte die Taktik der scheibchen-weisen Demolierung - bis nichts mehrerhaltenswertes übrig war. 2005wurde nach einem Brand mit demAbbruch der verbliebenen Gebäudebegonnen. 2008 bis 2010 entstandenauf dem 10 Hektar großen Geländeein Einkaufszentrum und mehr als450 Wohnungen. Der Abbruch der alten SchwechaterBrauerei wurde am 21. Jänner 2012mit der Sprengung des Schlotes ab-geschlossen. Nachdem bereits vorJahren nicht mehr benötigte Gebäudeabgerissen und die Einrichtungen desSudhaus und der Maschinenhäuserndemontiert wurden, gerieten die Ge-bäude immer mehr in Verfall bis sieNovember/Dezember 2011 abgeris-sen wurden.

Dass es auch anders geht, zeigen unsdie beispielhaft revitalisierten Ge-bäude der ehemaligen Stiftsbrauereiin Lambach. Auch in Kirchdorf an derKrems ist man bemüht, die Bausub-stanz der ehemaligen Brauerei Mayrzu erhalten und darin die Polytechni-sche Schule anzusiedeln. Die Adap-tierungsarbeiten gestalten sich durchdie unerwartet schlechte Bausub-stanz allerdings schwieriger als ge-plant.

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

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Abb. 55: Das Sudhaus des Simmeringer Brauhauses vor dem Abbruch (um 2005)

Abb 56: Die Schwechater Mälzereikamine - einst Wahrzeichender Stadt - vor dem Abbruch

Das von weitem sichtbare Zei-chen einer Brauerei war langeZeit der Mälzereiturm

An vielen Orten waren Brauereien einprägender Teil des Stadt- bzw. Orts-bildes. Erkennbar waren bzw. sindBrauereien seit dem 19. Jahrhundertan den charakteristischen Mälzerei -türmen mit ihren typischen Windfän-gen bzw. –hauben. Es lohnt sich, derEntwicklung des Mälzereiwesens inunserem Zusammenhang etwasnäher nachzugehen: Eine der größ-ten Errungenschaften des 19. Jahr-hunderts war die Einführung der Eng-lischen Malzdarren, die auch dieWandlung der Brauereilandschaft vonder handwerklichen zur industriellenBrauerei einläutete.

Historisch gesehen haben Brauereienselbst gemälzt und waren daherBrauerei und Mälzerei in einem. Mitder rasanten Expansion einigerBrauereien kam es jedoch rasch zuEngpässen. Die Brauerei Schwechat -in ihrer Blüte die größte Brauerei amKontinent - war so gezwungen, sämt-liche kleinere Brauereien der Umge-bung aufzukaufen, stillzulegen undnur mehr die Malzdarren zu benutzenbzw. zu erweitern.

Eine der größten Anlagen entstand so1850 in Mannswörth, wo der Betriebauf 13 Malztennen ausgebaut wurdeund bis 1902 Malz nach Klein-Schwe-chat lieferte. Die Malzdarre standnoch - immer mehr in sich zusam-menbrechend - bis um 2005 undwurde dann abgebrochen. Weitere

Mälzereien befanden sich in Ketten-hof und Margarethen am Moos. Auchdie Mälzereikamine der beiden ehe-maligen Schwechater Brauereien Fig-dor und Popper prägten zusammenmit den mächtigen Exemplaren derSchwechater Brauerei noch in den1960er-Jahren die Skyline vonSchwechat. Die riesige Saladin-Mäl-zerei des ehemaligen Stadtbräu inSchwechat-Rannersdorf wurde erstEnde der 1990er-Jahre abgebrochen.

Mit zunehmender Industrialisierungwurde die Herstellung von Malzimmer mehr von der Bierherstellunggelöst und die Mälzereien wurden zueigenständigen Unternehmen. Heutestellt in Österreich keine einzigeBrauerei mehr selbst Malz her. Trotz-dem ist das Mälzen untrennbar mitdem Brauen verbunden. Für jedenHektoliter Bier werden immerhin ca.17 kg Malz benötigt. Der Braugers-tenbedarf für die inländische Bierpro-duktion belief sich 2010 auf rund170.000 Tonnen.

Grob wird in zwei Mälzereitypen un-terschieden

1. die Tennenmälzerei (engl. floormaltings). Das Getreide wird in rela-tiv dünnen Schichten (ca. 30 cm) aufdem Boden ausgebreitet und regel-mäßig manuell gewendet. Das tradi-tionelle Verfahren ist relativ arbeits-aufwändig bei geringer Kapazität.

2. die Kastenmälzerei (engl. Saladinbox). Das Getreide wird in von untenbelüfteten Kästen zum Keimen ge-bracht und mechanisch gewendet.

Das Verfahren wurde vom FranzosenCharles Saladin entwickelt.

Nachdem die Produktion in Wien-Lie-sing und Pottendorf eingestelltwurde, konzentriert sich nun dieösterreichische Malzproduktion aufdrei Standorte. Vom Marktführer mitseinen zwei Produktionsstandorten inWien-Stadlau und Graz-Reininghauswerden über der österreichischenPro-duktion abgedeckt. Die kleine, heutenoch in Familienbesitz befindlicheMälzerei in Grieskirchen produzierthauptsächlich Spezialitäten.

Malzdarren mit Kamin und Wind-haube sind nur mehr wenige erhalten- so z.B. in Wien-Ottakring,Laa/Thaya, Schrems, Grieskirchen,Kirchdorf an der Krems, Ried im Inn-kreis, Schärding (Kapsreiter alt),Sierninghofen, Lambach, Kaltenhau-sen, Salzburg (Stiegl), Oberndorf beiSalzburg, Innsbruck-Büchsenhausen,Hermagor, Klagenfurt-Winklern, Kolb-nitz, Villach, Hüttendorf, Gödersdorf(Stobitzen), Sorgendorf, Völker-markt, Weißkirchen in Steiermarkund Leoben-Göss.

Mit Kamin, aber ohne Windhaube fin-den sich Mälzereigebäude noch inHorn, Weitersfeld (verfallend),Schrems, Weitra, Poysdorf, Potten-brunn, Himberg, Piesting (verfal-lend?), Neumarkt im Hausruckkreis,Schwertberg und Steinbrücken (ver-fallend?)

Christian M. Springer

� www.brautopo.at

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Abb. 57: Das Wieselburger Brauhaus vor dem Abbruch 2001 Abb 58: Der Wiener Neustädter Brauhof vor dem Abbruch

Zur Geschichte des SchlossesLaudon in Wien-Hadersdorf

Am Rande Wiens, im idyllischen Taldes Mauerbachs steht das einzigeWasserschloss des heutigen Stadtge-biets: Schloss Laudon, das bis ins 20.Jahrhundert als „Schloss Hadersdorf“bekannt war. Die erste urkundlicheErwähnung war im Jahre 1130, dasdamalige Anwesen war der Sitz desadeligen Geschlechtes derer vonHeydersdorff. Um 1440 baut es Her-zog Wilhelm von Österreich zu einemJagdschloss aus. Nach der erstenTürkenbelagerung Wiens, bei der dasSchloss sehr schwer beschädigtwurde, erfolgte die Verpfändung anden Glasfabrikant Nicolaus Piti. Er

baut die Ruine zum Schloss im Re-naissancestil um. Nur zehn Jahrespäter gab er es der Hofkammer wie-der zurück, da sein Plan, hier einegroße Glasfabrik zu errichten, nichterfolgreich war. Ab 1551 war Andreasvon Teuffenbach, Landesverweserder Steiermark und Waldmeister inÖsterreich, Herr in Hadersdorf. Erbaute den Ansitz weiter aus.

Nach einigem Besitzerwechsel erwarb1655 Hofkammerpräsident David Un-gnad Graf von Weissenwolf das An-wesen für Kaiserin Eleonore, die 2.Gattin Ferdinand III. Sie ließ dasSchloss instand setzen, stattete denPark mit Springbrunnen aus und ließeinen Pavillon auf der kleinen Inselim erweiterten Wassergraben anle-gen, wie ein Stich Vischers von 1672anschaulich zeigt. Das Schloss wurde1683 Opfer der zweiten Türkenbela-gerung und bald darauf von AndreasSchellerer, dem Pfalz-NeuburgischenResidenten in Wien, als frühbarockesWasserschloss inmitten freundlicherGärten wieder aufgebaut. Im April1708 verbrachte Prinzessin ElisabethChristine von Braunschweig, die Mut-

ter Maria Theresias, hier zwei Nächtevor ihrer Vermählung mit Karl III.,damals König von Spanien, später rö-misch deutscher Kaiser (Karl VI.). Amgroßen Stiegenaufgang des Schlos-ses erinnert eine Gedenktafel in latei-nischer Inschrift an dieses Ereignis:"Hier verweilte die spanische Königinzwei Nächte vor dem Tage, an demsie frohgemut Karl heiratete. Diese

bedeutsame Anwesenheit hat über-großen Glanz hervorgebracht. Nachdiesem sei uns daher dies Hausteuer." 1744 war Franz WilhelmSchellerer alleiniger Inhaber desSchlosses und gestaltete den letzteneinheitlichen Umbau, der bis heuteunverändert geblieben ist. Schließlich kaufte 1776 FeldmarschallErnst Gideon Freiherr von Laudon mitfinanzieller Unterstützung durch Kai-serin Maria Theresia das Schloss.

Laudon lebte von 1717 bis 1790. Ertrat 1742 in die Dienste der KaiserinMaria Theresia, siegte gegen diePreußen unter Friedrich dem Großenund vertrieb 1789 die Türken endgül-tig aus Belgrad. Laudon war ein gro-

ßer Förderer von Kunst und Wissen-schaft, er verbrachte seine letztenLebensjahre in diesem Schloss. Unterseiner Leitung wurde es kunstvolleingerichtet. 1790 starb er ohne di-rekte Nachkommen, seine WitweKlara lebte noch bis 1806 im Schloss.Das Schloss blieb bis 1925 im Besitzder Familie des Bruders des Feldmar-schalls. Nach dem Zusammenbruch

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

Das Wiener Wasserschloss

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Abb. 59: Die Südfassade des Schloss Laudon, dem einzigen Wasserschloss auf Wiener Gemeindegebiet (2005)

der österreichischen Monarchie, zogsich die Familie Laudon auf ihr Gut Bi-stritz in Mähren zurück und verkauftedas Schloss an den GroßindustriellenDr. Otto Pollak Edler von Parnegg.Dieser wurde 1938 in ein Konzentra-tionslager verbracht. Das Schlossdiente nach 1945 zehn Jahre lang alsrussische Kommandantur. In dieser

Zeit wurde es sehr stark verwüstet.Das Schloss wurde nach der Rück-gabe an die Erben des letzten recht-mäßigen Besitzers 1958 an die Wie-ner Erzdiözese verkauft, die es 1960an KR Konsul Alfred Weiss, den Ei-gentümer der Wiener „Arabia“ Kaf-feerösterei, verkaufte. Nach Jahrzehnten des Verfalls be-gann damit eine neue Phase der Um-gestaltung des durch die Besatzungs-jahre stark beschädigten Anwesens.Im Geiste Laudons veranlasste Kon-sul Weiss eine profunde Renovierungund prachtvolle Ausstattung mit allenErrungenschaften der modernen Zeit.Gäste aus aller Welt erlebten im Lu-xushotel Schloss Laudon den Haucheiner großen Vergangenheit undmussten dennoch nicht auf den Kom-fort des 20. Jahrhunderts verzichten.Im Zuge dieser Renovierung erhieltder Wiener Gartenarchitekt OskarWladar den Auftrag, die Umgebungdes Schlosses, vor allem aber denkleinen Park, der als "BotanischerGarten" bezeichnet wird, neu zu ge-stalten. In Zusammenarbeit mit demDenkmalamt wurden 1963 die vomberühmten Barockmeister JohannBergl gemalten Fresken, die 1954

beim Abriss von Schloss Donaudorfim Zuge des Baus des KraftwerksYbbs-Persenbeug gerettet wurden, inden Festsaal im ersten Stock desSchlosses Laudon übertragen. DieseFresken zeigen Darstellungen der da-mals bekannten vier Kontinentesowie Maria Theresia als Beherrsche-rin dieser vier Erdteile. Erlesene Kunst-

werke, mit viel Liebe und Sachkennt-nis von Kon sul Weiss gesammelt,schmückten die Säle, Zimmer undKorridore des Schlosses. Wo einst Mi-nister der Kaiserin ihren Kronrat ab-hielten, wurden nun Konferenzen undSitzungen veranstaltet. Im Schlossparkwurde eine ganzjährig geöffnete Frei-zeitanlage mit Schwimmbad, Sauna,Kegelbahnen und Tennisplätzen er-richtet. Ein gut ausgestatteter Pfer-destall und erfahrene Reitlehrer er-möglichten den Gästen herrliche Ge-länderitte im Schlosspark und überdie Hänge des Wienerwaldes. ImWinter wurde Eislaufen am Schloss-teich und Fahrten im Pferdeschlittenangeboten. Fleisch, Milchprodukteund Gemüse für die Küche kamenfrisch aus dem eignen Gutshof. Dieeigene große Gärtnerei versorgteZimmer und Säle mit herrlichem Blu-menschmuck. Das waren alles Ange-bote, die in den 1960er Jahren inno-vativ und einzigartig waren. Nach dem Tod von Konsul Weisserbte seine Tochter Eva Wieser 1975das Schloss. Gemeinsam mit ihremEhemann Alfred Wieser hat sie dasWirken ihres Vaters erfolgreich fort-geführt. Seit 1976 ist die Republik

Österreich Mieter des Schlosses undbetreibt hier die Verwaltungsakade-mie des Bundes. In Abstimmung mitdem Bundesdenkmalamt, Abteilungfür Historische Gärten, wurde von Fa-milie Wieser 1996 unter Leitung vonDipl.-Ing. Stefan Schmidt ein Park-pflegewerk in Auftrag gegeben. Sokonnte die historische Entwicklungdes Parks analysiert, Verfälschungenund Schäden ermittelt und ein Wegzur Wiederherstellung der denkmal-würdigen Gartenräume des 19. Jahr-hunderts aber auch der 60er Jahreaufzeigt werden. Auf Initiative der Ei-gentümerfamilie hin blieb es nicht beider Ausarbeitung des Parkpflegewer-kes. In der Praxis wurde der 1996 er-richtete Neubau des Seminargebäu-des Oktogon (der Beitritt Österreichszur EU verlangte von der Verwal-tungsakademie mehr Leistungen, diemit den vorhandenen Räumlichkeitennicht erbracht werden konnten) zumAnlass genommen und die unbefrie-digende Gestaltung zwischen Teichund dem östlichen Eingang in denSchlosspark angemessen umgestal-tet. In einem weiteren Schritt wurdenim Botanischen Garten die Koniferen-pflanzungen der 60er Jahre gerodet.Die alten Gartenräume wurden da-durch wieder erlebbar. Schließlich erfolgte von 1998 bis2002 die vollständige Erneuerung derbeiden, den Pleasureground einfas-senden Alleen und der Randallee desTeiches. Im Zuge dieser Arbeitenwurden insgesamt mehr als 100 Lin-den und Kastanien neu gepflanzt.Nicht nur die Parkanlagen werden lie-bevoll gepflegt, sondern auch die Ge-bäude werden laufend in Schuss ge-halten. Selten vergeht ein Jahr indem es nicht dem Einsatz von Mau-rern, Spenglern, Dachdeckern, Tisch-lern und Anstreichern bedarf. So wur-den 2010 über einen Zeitraum von 4Monaten die gesamten Dachflächendes Schlosses neu gedeckt, sämtlicheDachrinnen und Verblechungen er-neuert, die Fassaden und Fenster re-noviert und frisch gestrichen.Für die Zukunft ist zu hoffen, dasssich auch über das absehbare Endedes Mietvertrages mit der RepublikÖsterreich hinaus eine dem Ensembleadäquate Nutzung findet.

Werner Hammerlwww.burgen-austria.com

� iD-Sommerfest Schloss Laudon27.07.2012 (siehe S. 44)

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Abb. 60: Schloss Hadersdorf / Laudon auf einem Stich von Georg M. Vischer, 1672

Fortsetzung des Beitrages „Die Doku-mentation „Bauernhöfe – HistorischeGehöfte in Oberösterreich“ von Gun-ter Dimt“ in „Denkma[i]l Nr. 9

Die Landschaften Europas verfügennach wie vor über ein reiches natür-liches und kulturelles Erbe, das ge-schützt, gepflegt und weiterentwi-ckelt werden muss. Die Sensibilitätim Hinblick auf diese Güter hat sichin den letzten Jahren erhöht. DasProblem der heutigen Kulturland-schaftsentwicklung liegt vor allem inder Intensität des Veränderungs- undUmformungsprozesses. Die erkenn-baren Zeugen der kulturlandschaftli-chen Entwicklungsstadien in derLandschaft werden weiter dabei re-duziert. Durch vollständige Zerstö-rung an Stelle weitgehender Berück-sichtigung der vorhandenen Bausub-stanz, durch Vereinheitlichung an-statt Beibehaltung regionaler bzw.örtlicher Bauformen und Baumateria-lien tritt ein Verlust von erlebbarenIdentitätswerten ein.

Es geht um die gesamte heutigeKulturlandschaft – Neue Zielefür die bewahrende Entwicklungunseres Lebensraumes und dessen Identität

Neue internationale Dokumente spre-chen die gesamte heutige Kulturland-schaft an. Es geht um integrale Stra-tegien für ein System zum Schutzund zur Pflege der Umwelt sowie dieRevitalisierung, nachhaltige Aufwer-tung und Entwicklung des architekto-nischen Erbes und der Landschaft.Dieser Paradigmenwechsel manifes-tiert sich einerseits in der europäi-schen Umweltgesetzgebung, zehn in-ternationalen bzw. europäischen Ini-tiativen und Dokumenten. Hervorzu-heben sind dabei z.B. die Europarat-kampagne „Europa, ein gemeinsa-mes Erbe“, das Europäische Raum-entwicklungskonzept (EUREK), dieEuropäische Empfehlung Nr. R (95) 9zur integrierten Erhaltung von Kultur-landschaften, die UNESCO-Welterbe-konvention, die Alpenkonvention zumSchutz der Alpen mit dem speziellenProtokoll „Naturschutz und Land-schaftspflege“ und insbesondere dieEuropäische Landschaftskonvention(Florenz, 20. Oktober 2000). Die Eu-ropäische Landschaftskonvention, die

von bisher 33 europäischen Staatenunterzeichnet und von 22 Mitglied-staaten des Europarates ratifiziertwurde, kann jedoch als das neue In-strument einer umfassenden Land-schaftspolitik in Europa und daher alsRahmen/Innovation für Aktivitätenauf allen Entscheidungsebenen an-gesehen werden.

Hinweise für die Weiterführungder Grundlagenforschung- Gunter Dimt nennt die Notwendig-keit für eine interdisziplinäre haus-und baukundliche Schichtenfor-schung- Grundlagen hiefür und für eine ver-tiefte Inventarisierung für eine be-wahrende Entwicklung der oberöster-

reichischen Kulturlandschaft ist u.a.die Aufarbeitung der Bauaufnahmenvon R. Heckl, des Archivs von A.Klaar und G. Dimt. - Aufbereitung der Grundlagenfor-schung für die Inventarisierung desbäuerlichen baukulturellen und land-schaftskulturellen Erbes.

- Aktualisierung der historisch-geo-graphischen Darstellung auf regiona-ler Ebene.

Die erste regionale Darstellung er-folgte, wie schon erwähnt 1971(A. Klaar) und die letzte österreich-weite Darstellung erfolgte durch I.Kretschmer und E. Tomasi im Rah-men des Österreichischen Volks-

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

iD-Hintergrund: Kulturelles Erbe, Landschaft und Umwelt – ein europäischerParadigmenwechsel für eine bewahrende Kulturlandschaftsentwicklung

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Abb. 61: Bund Heimat und Umwelt (2010) „Kulturlandschaft in der Anwendung“. Der Band gibt einen umfassenden Einblick in praxisorientierte Konzepte zur

Erfassung, Erhaltung und Entwicklung und kann gegen eine Spende unter der e-Mail Adresse: [email protected] angefordert werden.

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kundeatlas 1977 und von I. Kretsch-mer in den Mitteilungen der Österrei-chischen Gesellschaft (1978): Dasländliche Siedlungsbild.

Hinweise für die Grundlageneiner bewahrenden Entwicklungder Kulturlandschaft

Die Inventarisierung von Kulturland-schaften besitzt als Momentauf-nahme grundlegende Bedeutung fürdie planvolle Entwicklung der Land-schaft. So ist ein Kulturlandschaftsin-ventar nicht als Ausdruck eines stati-schen Landschaftsverständnisses zusehen, sondern als Bezugspunkt ineinem dynamischen Entwicklungs-prozess.

- Einrichtung von staatlichen Kultur-güter- und Kulturlandschaftsinventa-ren auf Bundes- und Landesebene.- Integration des kulturellen Erbes(bauhistorisches und kulturelles Erbe,archäologisches und landschaftskul-turelles Erbe) bei den landschafts-und umweltrelevanten Plänen derGemeinden, des Landes und Bundesdurch den Prüfungsmechanismus derStrategischen Umweltprüfung.

Viele Beispiele hiefür finden sich inallen europäischen Ländern. Der Kul-turgüterkataster Wien, KunstkatasterTirol und das wegen seiner Methode,Umsetzung und Rechtsrelevanz inter-national bedeutsame nationale „In-ventar der schützenswerten Ortsbil-der der Schweiz“ (ISOS), das nach30 Jahren nunmehr für alle Kantonefertiggestellt ist, seien hier herausge-griffen. Eine aktuelle Zusammenstel-lung der Inventarisierungsunterneh-mungen in Deutschland ist der Publi-kation „Kulturlandschaftliche Infor-mationssysteme“ des Bundes Heimatund Umwelt in Deutschland (2008)zu entnehmen. Einen praxisorientier-ten Einblick in die Umsetzung einerumfassenden Kulturlandschaftspolitikgewährt die Publikation „Kulturland-schaft in der Anwendung“.

Dr. Hans-Peter JeschkeJohannes-Kepler-Universität Linz

Literatur

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Abb. 62: Der „Meilenstein der österrei-chischen Hausforschung“: Gunter Dimt,Bauernhöfe – Historische Gehöfte in Ober-österreich, 2009

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Oberösterreich – Schlüßlberg:Erdpresser-Hof „Moar in da Au“droht der Abriss

Das urkundlich 1569 erstmals er-wähnte Meiergut des SchlossesSchlüßlberg, auch genannt Erdpres-ser-Hof „Moar in der Au“, ist als Bau-ernhof ein typischer Einspringer, wiees nur mehr wenige in Oberösterreichgibt. Von Seiten der Gemeinde wer-den aktuell Abriss- und Neubaupläneverfolgt, von Baufälligkeit ist dieRede. Die Gemeinde hat sogar schon

eine Baubewilligung für einen Woh-nungsneubau erteilt. Die Anlage Mei-erhof, Nebengebäude samt Wagen-hütte befindet sich aber in einemguten und erhaltenswürdigen Bauzu-stand, wie unser oberösterreichischeriD-Landesobservator Viktor Zotterberichtet. In einer Presseaussendungappellierte die Initiative Denkmal-schutz an die Gemeinde, doch nochumzudenken und die wertvolle Hof-anlage zu erhalten. Von der Bürger-initiative „Zur Rettung des Meiergu-tes“ vor Ort wurden Unterschriftenzur Erhaltung der Anlage gesammelt,auch das Bundesdenkmalamt wurdeinformiert.

Wien I: Großbrand im Bankge-bäude Am Hof

Am 18. November 2011 beschädigteein Großbrand die ehem. Länderbank(Bank Austria Zentrale) in der WienerInnenstadt schwer. Besonders betrof-fen waren die wertvolle Beletage mitihren Prunkräumen, darunter derprachtvolle Festsaal, die Zimmer desGeneraldirektors sowie der GoldeneSaal. Die Initiative Denkmalschutzhat im ersten Augenblick befürchtet,dass diese Räumlichkeiten nun fürimmer Geschichte sind und nicht wie-derhergestellt werden, sondern dieszur Gelegenheit genommen wird den

Brand zu einer optimalen fiskalischenVerwertung und Quadratmetermaxi-mierung des historisch bedeutendenund unter Denkmalschutz stehendenMonumentalbaues zu nutzen. Umsoerfreuter zeigt sich nun die InitiativeDenkmalschutz in einer Presseaus-sendung über die Ankündigung unddas Versprechen von Investor RenéBenko: "Die altehrwürdigen Räum-lichkeiten werden wieder so restau-riert und wiederhergestellt wie siewaren" (APA-Zitat, 19.11.). Alleineine Ankündigung den Wiederaufbau

mit dem Bundesdenkmalamt abzu-stimmen würde dazu nämlich nichtausreichen. Wenn der Brand durcheinen Unfall verursacht wurde undkeine Brandstiftung nachgewiesenwird, kann nämlich keine Wiederher-stellung aufgetragen werden (§ 36Abs. 1 Denkmalschutzgesetz).

Wien XIII: Feldbahn Lainz stillgelegt

Die längste durchgängig in Betriebbefindliche Feldbahn Österreichswurde am 27. November 2011 einge-stellt: die Feldbahn des ehem. Ver-sorgungsheims Lainz in Wien-Hiet-zing. Sie wurde im Jahr 1904 eröffnetund führte die Versorgung der Anlagemit Essen, Wäsche und Brennstoffdurch. Auf einer Streckenlänge vonca. 4000 m und mit einer Spurweitevon 500 mm waren zunächst E-Loks,später Dieselloks im Einsatz. Sie wer-den jetzt durch LKWs ersetzt. Da sich– laut Wikipedia - die Gleisanlagen teil-weise unter Denkmalschutz befinden,bleiben diese erhalten, der Lokschup-pen soll jedoch abgerissen werden.

Wien XIV: Steinhof - Beginn derMediation

Nach heftigen Bürgerprotestenstoppte im Herbst vergangenen Jah-

res die Stadt Wien die heftig umstrit-tene Verbauung im denkmalge-schützten Jugendstiljuwel Otto-Wag-ner-Spital und beschloss den Dialogmit den Bürgern zu suchen (vgl.Denkma[i]l Nr. 9). Am 22. Februartrat nun die Initiative Denkmalschutzgemeinsam mit der BürgerinitiativeSteinhof in die Vorphase der Media-tion ein. In dieser ersten Phase er-folgt eine für alle Konfliktparteienpassende Darstellung der Ausgangs-lage, sowie die Erarbeitung und kon-krete Ausformulierung der Zielset-

zung für die Mediation am Otto-Wag-ner-Spital Areal (vgl. ww.ows-media-tion.at).

Wien XIX: Gürtel-Ensemble bedroht

Das Gründerzeithaus DöblingerHauptstraße 2 / Döblinger Gürtel 1steht als "Tor zu Döbling" am Eingangin die Döblinger Haupstraße an einemstädtebaulich wichtigen Punkt. Aktu-ellen Planungen zufolge soll es einemHotel-Neubau der Accor-Kette „AllSeasons“ weichen. Die InitiativeDenkmalschutz fordert den Erhalt desHauses. Der Verlust in diesem sensi-blen Bereich in unmittelbarer Nähezur Otto-Wagner-Stadtbahn-Station„Nußdorfer Straße“ wäre für den Wie-ner Gürtel überaus groß. Auf eineraus diesem Anlass von unserem Ver-ein veranstalteten Pressekonferenzmeinte etwa Dr. Madeleine Petrovic,Autorin des Buches "Der Wiener Gür-tel. Wiederentdeckung einer Pracht-straße": "Die Bemühungen um En-sembleschutz und Denkmalschutzsind keine Absage an moderne Archi-tektur. Es geht darum das richtigeProjekt am richtigen Ort zu entwi-ckeln. Ein Ensemble wie dieses zuzerstören und zu glauben, das hättemit Modernität zu tun, wäre dummund unklug."

Abb. 65: Haus am Döblinger Gürtel 1Abb. 63: Erdpresser Hof „Moar in da Au“

kurzmeldungen Nr. 10 / Februar–März 2012

Abb. 64: Bankgebäude Am Hof 2

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Das Haus Wattmanngasse 11 in WienHietzing kann auf eine interessanteGeschichte zurückblicken: Das imKern vorgründerzeitliche Wohnhauserhielt im Jahr 1917 eine Innenein-richtung von Adolf Loos. Bauherr warValentin Rosenfeld, ein angesehenerWiener Jurist und Ehemann von EvaRosenfeld, die als enge FreundinAnna Freuds eine wichtige Rolle inder Geschichte der Psychoanalyseeinnimmt.

Der Ausgangszustand, als ich das Ge-bäude kennen lernte, war trist: dieFassade war schon vor 1945 abge-schlagen worden, der „Plastikputz“aus den 1960er Jahren abbröckelnd.

Die Ziegel-Bausubstanz stammte ausverschiedenen Epochen. Das mitTeerpappe gedeckte Dach war teil-weise undicht, die Decken abgesun-ken. Das Innere machte einen muffi-gen Eindruck. Doch wenn man sichdas umherstehende Gerümpel weg-dachte und begann, die ursprünglicheLoos-Einrichtung auf sich wirken zulassen, sah das schon anders aus:Wirklich entscheidend, die Renovie-rung doch zu wagen, war ein Mitbe-werber, der die Loos Bibliothek ent-fernen wollte um den Raum in eineGarage umzubauen.

Zuerst wurde die Fassade abgeschla-gen, sämtliche zugängigen Mauern

durchschnitten und mit Nirostastahlgegen die aufsteigende Feuchtigkeitisoliert. Der Parkettboden wurdekomplett entfernt und trocken gela-gert, da das Haus nur teilweise un-terkellert ist und die Parkettbretterauf der bloßen Erde lagen. Die Ein-richtung der Bibliothek wurde per-sönlich abmontiert und an einem si-cheren Ort gelagert.

Dann begann die Suche nach Origi-nalmaterialien aus diversen Abbruch-häusern: Kehlheimer Platten für Ein-gang und den ersten Stock, Holzstö-ckelpflaster für die Einfahrt, WienerTaschen für das Dach. Letztere stam-men vom Dach der letzten Pferde-

straßenbahn-Remise in Speising, dievon der Gemeinde Wien buchstäblichim letzten Moment, vor der Unter-schutzstellung durch das Denkmal-amt, abgerissen wurde! Granitplattenfür den Hof fand ich am Kirchenplatzin Hirtenberg; der gerade neu beto-niert wurde. Auch die passendenTüren stammen von diversen Ab-bruchhäusern. Die richtigen I-Träger,um damit die angemorschten Deckenträger wieder hochzubinden,bekam ich sogar gratis von einer Ab-bruchstelle. Diese Methode hat Sinn:erstens senkt sie die Kosten beträcht-lich, zweitens hat sie den Vorteil,dass alles so aussieht, als wäre esimmer schon so gewesen: die beste

Restaurierung ist die, die man nichterkennt! Nur bei der Küche funktio-niert das nicht: Versuchen Sie einmalIhrer Frau eine Küche aus einem Ab-bruchhaus hinzustellen! Hier habe ichmir den Luxus einer exakten Kopieeiner Loos Küche geleistet.

Nachdem das Mauerwerk saniert undtrockengelegt war, begann ich denParkettboden wieder zu verlegen.Zum Glück hatte ich die Parkettbret-ter vorher nummeriert, da vier (!)verschiedene Arten bzw. Längen vonBrettern verlegt worden waren. DasHaustor mit Gehtürl kam von einemAbbruch am Schwendermarkt. VomStil her passt es genau zu der ur-sprünglichen Form der Fassade. Umdie passenden Fassadenelementewieder anzubringen, nahm ich ihreForm von einem baugleichen Haus inder Wattmanngasse ab. Diese Fassa-denelemente wurden dann auf meineFassade übertragen.

Inzwischen fand ich Originalaufnah-men der Loos-Innenaustattung ausden 1930er Jahren. Die Bibliothekund die anderen Räume wollte ich sooriginal wie möglich wiederherstellen.Was nicht leicht war, da kaum einTischler mir dies noch bewerkstelli-gen mochte: Alle wollten auf denWänden einen Lattenrost anbringenum daran die Vertäfelung wieder zubefestigen, was jedoch eine wesent-liche Veränderung der originalen Ver-täfelung bedeutet hätte. Bis ich danndoch einen innovativ begnadetenTischler fand, der alles original wie-derherstellte.

Zuletzt wurde das Dach mit den obenerwähnten Dachziegeln (dazu mussteich ungefähr 1500 Dachziegel jezweimal durchbohren!) und mit Kup-fer gedeckt.

Als das Haus dann halbwegs bewohn-bar war, stellte sich Nachwuchs ein.Zu dieser Zeit knickte ein Sturmeines nachts zwei Drittel der drei imGarten stehenden alten Eiben. Ichließ die Stämme zu Brettern verarbei-ten und der Tischler hat mir darauszwei Kinderbetten angefertigt. Aberdas ist eine andere Geschichte.

Dr. Ernest Steiner

vereinspost

Abb. 66: Blick in die Loos-Bibliothek des Hauses Wattmanngasse 11 in Wien

Adolf Loos, feuchtes Parkett und 1500 Dachziegel: Die Geschichte einer Renovierung

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

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Veranstaltungen / TermineSamstag, 24. März 2012Das Wiener Arsenal, ein Frühlingsspaziergang: Vom architekto-nisch herausragenden Militärkomplex der Monarchie zum multifunk-tionalen Stadtteil der Gegenwart. Dauer ca. 2 Stunden. Es führt Dr.Franz J. Maringer vom Verein Initiative Arsenal (www.vi-arsenal.at).Treffpunkt: 10 Uhr, Innenhof des Objekts 1, Eingang Ghegastraße/Schweizergartenstr., 1030 Wien (Autobuslinie 69A, Station "Arsenal").Anmeldung erforderlich, Führungsbeitrag (Spende) 8.- Euro

Samstag, 14. April 2012Vollversammlung der Initiative Denkmalschutz im Festsaal desPalais Klein, einem historistischen Ringstraßenpalais von Carl Tietz,unter Einfluss von Theophil Hansen. Die Fassade wurde 2010-11 inihrer alten Farbenpracht wiederhergestellt. Vor der VollversammlungVortrag über das Palais Klein von Frau Mag. Ines Müller (Restau-ratorin/Kunsthistorikerin), die bei der Restaurierung maßgeblich mit-arbeitete und sich mit der Geschichte des Hauses und seines Archi-tekten beschäftigt hat. Ort: Dr.-Karl-Lueger-Platz 2 (Prunkstiege in der Einfahrt links,1. Stock), 1010 Wien (U3-Station "Stubentor") Zeit: 10 Uhr Vortrag; ab 10:30 Uhr Vollversammlung

Samstag, 5. Mai 2012Tageswanderung entlang der Semmeringbahn: Dr. Günter Dinhobl hat sich als Autor von Büchern und Aufsätzen überdie Geschichte der Semmeringbahn umfangreiches Wissen über diesevon der UNESCO ausgezeichneten Bahnlinie angeeignet. Er wird unsentlang dem Bahnwanderweg vorbei an Aussichtspunkten, Viaduktenund anderen Bahnbauten zwischen Payerbach und Semmering führen.Anmeldung erforderlich, Führungsbeitrag (Spende) 15.- Euro.Treffpunkt: 9:15 Uhr, Bahnhof SemmeringAnreise: individuell bzw. per Bahn ab Wien-Meidling (8:02 Uhr)

Samstag, 19. Mai 2012"Am Steinhof" - Begegnung mit der "Moderne"Dr. Mara Reissberger, als Kunsthistorikerin Spezialistin für die Zeit um1900, führt uns durch Steinhof, der größten und modernsten Heil-und Pflegeanstalt für Geisteskranke seiner Zeit.Treffpunkt: 14:45 Uhr, Otto-Wagner-Spital, Haupteingang, Baum-gartner Höhe 1, 1140 Wien (Autobus 48A, "Otto-Wagner-Spital")Anmeldung erforderlich, Führungsbeitrag (Spende) 8.- Euro

Sonntag, 17. Juni 2012Sonderzug auf der Kaltenleutgebnerbahn: Der Verein Pro Kalten -leutgebnerbahn veranstaltet einen Pendelverkehr auf der StreckeMeidling – Liesing – Perchtoldsdorf – Rodaun – Waldmühle und zu-rück. In Perchtoldsdorf kann der kürzlich unter Denkmalschutz ge-stellte Bahnhof besichtigt werden.Anmeldung erforderlich, Führungs-/Fahrtbeitrag (Spende) €13.-Treffpunkt: Bahnhof Wien-Meidling 9:40 Uhr (Abfahrt ca. 9:55)

Freitag, 22. Juni 2012 (Wiederholung)Baustellenführung durch das Winterpalais des Prinzen EugenMit dem 1697 errichteten Winterpalais des Prinzen Eugen hat das Finanzministerium einen Sitz mit langer Tradition. Das 1752 von MariaTheresia erworbene Palais war nach einigen Adaptierungen zuerst Sitzder Münz- und Bergbehörde und seit 1848 das k.k. Finanzministerium.Angeblich erfolgte die Restaurierung der Prunkräume letztmals in denJahren 1967-1973. Nun ist wieder eine Generalsanierung der auch dasPalais Questenberg umfassenden Anlage des Finanzministeriums umca. 130 Mio. Euro erforderlich. DI Wolfgang Brenner wird uns als einerder verantwortlichen Architekten durch die Baustelle führen.Ort: Himmelpfortgasse 8, 1010 Wien, Zeit: 15:30 UhrAnmeldung erforderlich, Führungsbeitrag (Spende) 8.- Euro

Abb. 71: Kaltenleutgebnerbahn - Sonderfahrt, 17.06.

Abb. 69: Semmeringbahn - Tageswanderung, 05.05.

Abb. 68: Palais Klein - Vollversammlung, 14.04.

Abb. 70: Am Steinhof - Führung, 19.05.

Abb. 67: Wiener Arsenal - Frühlingsspaziergang, 24.03.

Nr. 10 / 2012

Freitag, 27. Juli 2012 (Ersatztermin 3. August)Sommerfest des Vereins im Park von Schloss Laudon Das einzige Wasserschloss von Wien wurde 1776 von FeldmarschallLaudon erworben und verfügt über eine bemerkenswerte Inneneinrich-tung, die wir ebenfalls besichtigen werden. In einem Raum neben derBibliothek, deren klassizistische Ausstattung zur Gänze erhalten ist,sind die Fresken von Johann Bergl untergebracht, die 1954 beim Abrissvon Schloss Donaudorf im Zuge des Baus des Kraftwerks Ybbs-Persen-beug gerettet und 1963 hierher übertragen wurden.Ort: Mauerbachstraße 43-45, 1140 Wien, Zeit: 16 UhrAnmeldung bis Freitag, 20. Juli erforderlich (begrenzte Teilneh-merzahl). Bei Schlechtwetter Ersatztermin 3. August.Beitrag für Führung inklusive Buffet & Getränke (Spende): 15.- Euro

Samstag, 25. August 2012Die Wachaubahn zwischen Krems u. Emmersdorf (Tagesfahrt)Die Bahn Krems - Grein ist in die Geschichte des Bahnbaues eingegan-gen. Erstmals ist die Denkmal- und Landschaftspflege gegenüber denmateriellen Interessen als fast gleichberechtigter Partner anerkanntworden. Em. Univ.-Prof. Dr. Wilfried Posch, Wachau-Beauftragter desNationalkomitees von ICOMOS-Österreich, beschäftigt sich seit Jahr-zehnten mit dieser Bahnstrecke. Er wird uns zu den besonderen Punktender Trassenführung mit ihren Tunneln, Viadukten und Bahnhöfen führenund dabei das "Weltkulturerbe" in "Bestand und Wertigkeit" erklären.Anmeldung erforderlich. Genaue Details werden noch bekannt ge-geben (im nächsten Denkma[i]l bzw. unter www.idms.at)

Samstag, 8. September 2012Wiener Naschmarkt: Der Wiener Naschmarkt ist nicht nur der tradi-tionsreichste Viktualienmarkt der Stadt, sondern ebenso beliebter"Spielplatz" abenteuerlicher Spekulationen. Richard Weihs, Künstlerund engagierter Bürger dieser Stadt, weiß um die vielen "Angriffe" aufden Markt, die er zum Teil mit Erfolg abwenden konnte. Doch was vondem einstmals weltstädtischen Flair dieses Viertels der Wienzeile nocherhalten geblieben ist, wird er uns bei einem Spaziergang durch`sGrätzel zeigen, Mutationen inklusive.Treffpunkt: 10 Uhr, Vis-á-vis Haupteingang U4-Station Kettenbrü-ckengasse, 1060 WienAnmeldung erforderlich, Führungsbeitrag (Spende) 8.- Euro

Donnerstag, 15. November 2012Brauerei Schwechat: Der Untergang eines IndustriedenkmalsVortrag von Dr. Gerhard Hertenberger. Nach dem Neubau der Brauereistanden die historischen Bauten und Keller seit Jahren leer und wurdenAnfang 2012 fast komplett demoliert. Dabei stand um 1860 hier diegrößte Brauerei am europäischen Kontinent, und in den riesigen Kel-lersystemen wurden in der NS-Zeit Rüstungsfabriken untergebracht.Der Vortrag zeigt faszinierende Bilder eines nicht mehr existierendenIndustriedenkmals. Ort: Bezirksmuseum Hietzing, Am Platz 2, 1130Wien, Zeit: 19 Uhr, Eintritt für Mitglieder € 5.-, Nicht-Mitglieder € 7.-

MITGLIEDERTREFFEN5. März, 23. April, 4. Juni, 3. September und 15. Oktober 2012 Zeit: ab 18:30 Uhr (jeweils Montag) – Auch Nichtmitglieder sind herz-lich willkommen! Ort (wenn nicht anders angegeben): Gasthaus „ZurReblaus“ (im Hof hinten), Obere Augartenstraße 72, 1020 Wien (U2-Station Taborstraße, Ausgang Taborstraße)

Hinweise: Die Teilnahme an Veranstaltungen ist (falls nicht anders an-gegeben) nur Mitgliedern möglich, für Neumitglieder ist die erste Führunggratis! Bei Mitgliedertreffen sind Gäste und Interessenten immer willkom-men. Allfällige Änderungen und nähere Informationen werden rechtzeitigper Newsletter (e-Mail) und auf www.idms.at bekannt gegeben.

Veranstaltungen / Termine

Abb. 76: Brauerei Schwechat - Vortrag, 15.11.

Abb. 75: Wiener Naschmarkt - Führung, 08.09.

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Abb. 74: Die Wachaubahn - Tagesfahrt, 25.08.

Abb. 73: Schloss Laudon - Sommerfest, 27.07.

Abb. 72: Winterpalais Prinz Eugen - Führung, 22.06.

http://www.idms.at

Nachrichten der Initiative Denkmalschutz – Nr. 10 / Februar–März 2012

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