2 0 15250· Wie viel günstiger ist Milch aus Bayern?€¦ · 2 0 15250· Tabelle 1: Betriebsdaten...

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2 11 2015 · UFA-REVUE MANAGEMENT Tabelle 1: Betriebsdaten IFCN (2015) Schweiz – Bayern Kennzahl Einheit CH-23 CH-64 BAY-30 BAY-79 Kühe Anzahl 23 64 30 79 LN ha 27 43 39 77 Produzierte Milch t/Jahr 150 442 204 583 Milchleistung kg/Kuh u. Jahr 6721 7126 6917 7384 Besatzdichte GVE/HFF 1 1.3 2 1.4 1.8 Kraftfutter g/kg ECM 2 93 108 145 195 Investiertes Kapital Fr./Kuh 12 450 11 026 6435 7387 Arbeitszeit Std./Jahr 3729 5247 3181 4752 Arbeitsproduktivität kg Milch/AKh 40 84 64 123 Familienarbeit Anteil 78% 55% 95% 83% Höhe m.ü.M. 709 550 600 500 1 Hauptfutterfläche | 2 energiekorrigierte Milch Beschreibung: Tabelle 1 zeigt einige Kenndaten der typisierten Betriebe. Diese basieren auf homogenisierten Betriebsgruppen bestehend aus bis zu 100 realen Betrieben. Christian Gazzarin Das benachbarte deutsche Bundes- land Bayern ist eine traditionelle Milchproduktionsregion. Unweit der Schweizer Grenze produzieren bayrische Betriebe unter futterbaulich guten Bedingungen, ähnlich wie die Schweizer Tal- und Hügelregion. Doch wo liegt der Unterschied? Mit Daten des International Farm Comparison Network (IFCN) aus dem Jahre 2015 wird die wirtschaftliche Si- tuation auf der Kosten- und Leistungs- ebene typischer Milchviehbetriebe in der Schweiz und in Bayern verglichen. Betriebe Es werden paarweise ähn- lich grosse Betriebe verglichen (siehe Tabelle 1). CH-23 ist ein Verkehrsmilch- betrieb aus der Hügelzone mit 23 Kü- hen und 27 ha LN. Betrieb CH-64 ist ein Verkehrsmilchbetrieb in der Talre- gion mit 64 Kühen und 43ha LN. Er repräsentiert den Milchviehbetrieb, der in den letzten Jahren stark gewachsen ist und auch entsprechend investiert hat. Da die produzierte Milch in dieser Grössenklasse künftig deutlich zuneh- men dürfte, kann von einem «Trendbe- trieb» gesprochen werden. Die beiden bayrischen Betriebe mit je 30 bzw. 79 Kühen sind etwas grösser und produzieren 30 bis 40 % mehr Milch als die schweizerischen Ver- gleichsbetriebe. Vergleichbarkeit Die Vergleichbar- keit ist insofern gegeben, als es sich in beiden Ländern um verbreitete, typi- sche Betriebe handelt. Produktions- menge zeigt aber schon, dass relevante strukturelle Unterschiede bestehen. Trotz grösserer Produktion ist der Anteil der Familienarbeit auf den bay- rischen Betrieben einiges höher, wobei insgesamt weniger Arbeit eingesetzt wird. Daraus folgt eine höhere Arbeits- produktivität. Die Milchleistung je Kuh ist nur leicht höher, trotz grösserem Kraftfuttereinsatz in Bayern. Auf dem Schweizer Hügelbetrieb ist der Kapitalinput (investiertes Kapital) pro Kuh fast doppelt so gross wie auf dem bayrischen Pendant. Bei den grös- seren Vergleichsbetrieben setzt der Schweizer Betrieb pro Kuh 1.5-mal so viel Kapital ein. Neben strukturellen Unterschieden begründen höhere Ge- bäudekosten auf den Schweizer Betrie- ben den grösseren Kapitalinput. Wettbewerbsfähigkeit Die bei- den bayrischen Betriebe produzieren ihre Milch je rund 32 % günstiger als ihre jeweiligen Vergleichsbetriebe aus der Schweiz (siehe Abbildung 1). Nicht KOSTENVERGLEICH Das Bundesland Bayern produziert Milch um bis zu 40 % günstiger als die Schweiz. Die natürlichen Bedingungen sind sehr ähnlich, doch die Betriebsstrukturen und das wirtschaftliche Umfeld unterscheiden sich. Wie viel günstiger ist Milch aus Bayern?

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2 11 2015·UFA-REVUE

MANAGEMENT

Tabelle 1:Betriebsdaten IFCN (2015) Schweiz – BayernKennzahl Einheit CH-23 CH-64 BAY-30 BAY-79Kühe Anzahl 23 64 30 79LN ha 27 43 39 77ProduzierteMilch t/Jahr 150 442 204 583Milchleistung kg/Kuhu.Jahr 6721 7126 6917 7384Besatzdichte GVE/HFF1 1.3 2 1.4 1.8Kraftfutter g/kgECM2 93 108 145 195InvestiertesKapital Fr./Kuh 12450 11026 6435 7387Arbeitszeit Std./Jahr 3729 5247 3181 4752Arbeitsproduktivität kgMilch/AKh 40 84 64 123Familienarbeit Anteil 78% 55% 95% 83%Höhe m.ü.M. 709 550 600 5001 Hauptfutterfläche|2 energiekorrigierteMilchBeschreibung: Tabelle 1 zeigt einige Kenndaten der typisierten Betriebe. Diese basieren auf homogenisierten Betriebsgruppen bestehend aus bis zu 100 realen Betrieben.

Christian Gazzarin

DasbenachbartedeutscheBundes-land Bayern ist eine traditionelleMilchproduktionsregion. UnweitderSchweizerGrenzeproduzieren

bayrischeBetriebeunterfutterbaulichguten Bedingungen, ähnlich wie dieSchweizerTal-undHügelregion.DochwoliegtderUnterschied?

Mit Daten des International FarmComparisonNetwork(IFCN)ausdemJahre2015wirddiewirtschaftlicheSi-tuationaufderKosten-undLeistungs-ebene typischerMilchviehbetriebe inderSchweizundinBayernverglichen.

Betriebe Eswerdenpaarweiseähn-lichgrosseBetriebeverglichen (siehe Tabelle 1).CH-23isteinVerkehrsmilch-betriebausderHügelzonemit23Kü-henund27haLN.BetriebCH-64isteinVerkehrsmilchbetriebinderTalre-gionmit64Kühenund43haLN.ErrepräsentiertdenMilchviehbetrieb,derindenletztenJahrenstarkgewachsenist und auch entsprechend investierthat.DadieproduzierteMilchindieser

Grössenklassekünftigdeutlichzuneh-mendürfte,kannvoneinem«Trendbe-trieb»gesprochenwerden.

DiebeidenbayrischenBetriebemitje30bzw.79Kühensindetwasgrösserund produzieren 30 bis 40% mehrMilch als die schweizerischen Ver-gleichsbetriebe.

Vergleichbarkeit DieVergleichbar-keitistinsoferngegeben,alsessichin

beidenLändernumverbreitete, typi-sche Betriebe handelt. Produktions-mengezeigtaberschon,dassrelevantestrukturelleUnterschiedebestehen.

Trotz grösserer Produktion ist derAnteilderFamilienarbeitaufdenbay-rischenBetriebeneinigeshöher,wobeiinsgesamt weniger Arbeit eingesetztwird.DarausfolgteinehöhereArbeits-produktivität.DieMilchleistungjeKuhist nur leicht höher, trotz grösseremKraftfuttereinsatzinBayern.

AufdemSchweizerHügelbetriebistderKapitalinput(investiertesKapital)proKuhfastdoppeltsogrosswieaufdembayrischenPendant.Beidengrös-seren Vergleichsbetrieben setzt derSchweizerBetriebproKuh1.5-malsoviel Kapital ein. Neben strukturellenUnterschiedenbegründenhöhereGe-bäudekostenaufdenSchweizerBetrie-bendengrösserenKapitalinput.

Wettbewerbsfähigkeit Die bei-den bayrischen Betriebe produzierenihreMilch je rund32%günstigeralsihre jeweiligenVergleichsbetriebeausderSchweiz(siehe Abbildung 1).Nicht

KOSTENVERGLEICH DasBundeslandBayernproduziertMilchumbiszu40%günstigeralsdieSchweiz.DienatürlichenBedingungensindsehrähnlich,dochdieBetriebsstrukturenunddaswirtschaftlicheUmfeldunterscheidensich.

Wie viel günstiger ist Milch aus Bayern?

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UFA-REVUE·112015 3

MANAGEMENT

www.ufarevue.ch 11·15

Tabelle 2:Kosten- und Leistungsdifferenzen der Schweizer Betriebe im Vergleich zu den bayrischen Betrieben.Kennzahl CH-23imVergleich CH-64imVergleich zuBAY-30 zuBAY-79Milcherlös + 46% + 52%Nebenerlöse + 101% + 39%Direktzahlungen + 1557% + 1214%TotalErlöse+116% + 77% DirektkostenFutterbau – 32% – 37%DirektkostenTiere + 140% + 141%TotalDirektkosten + 100% + 103% Maschinenkosten + 84% + 39%Gebäudekosten + 313% + 277%AllgemeineBetriebskosten – 10% – 15% Personalkosten + 844% + 504%Pachtkosten + 28% – 5%Schuldzinsen + 205% + 119% Fremdkostentotal + 92% + 82%EinkommenausderMilch* + 344% + 50%Break-Even(Gewinnschwelle)+ 32% + 32%

* dem Betriebszweig zugeteilte Erlöse abzüglich zugeteilte Fremdkosten

Tabelle 3:Inputpreise IFCN (2015) Schweiz – BayernKennzahl Preisdifferenzin% (Schweiz im Verhältnis zu Bayern)Kraftfutterpreis +120%PreisStickstoffdünger +31%Dieselpreis +14%*Pachtpreise +37%bis+80%* Treibstoffrückerstattung in CH nicht berücksichtigt!

Grafik: Preise und Kosten der Milchproduktion in der Schweiz und in Bayern

Die Kosten werden direkt dem Milchpreis gegenübergestellt, indem die Nebenerlöse und Direktzahlungen von den Fremdkosten abgezogen werden. Die Höhe der Säule entspricht dem sogenannten Break-Even, eine Gewinnschwelle, bei der sämtliche Kosten der Milchproduktion gedeckt wären (Kostendeckungspunkt). Liegt der Milchpreis über dieser Schwelle, erzielt der Betrieb Gewinn. Liegt er darunter, kann er sich weniger als den veranschlagten Lohnansatz auszahlen. Für die Schweiz liegt dieser bei 28.– Fr., für den Betrieb BAY-30 bei 18.– Fr. und für BAY-79 bei 19.50 Fr. je Stunde. Die Differenz zwischen der dunkelblauen Säule und dem Milchpreis entspricht dem Einkommen je kg Milch.Anhand des Kostendeckungspunktes lässt sich die langfristige Wettbewerbsfähigkeit beurtei-len. Langfristig deshalb, weil ein Betrieb durchaus über Jahrzehnte nicht nur ohne Gewinn, sondern auch mit tieferem Einkommen überleben kann, jedoch eine Weiterführung dieses Betriebes im Generationenwechsel zumindest fraglich ist.

Autor Christian Gazzarin, wissenschaft-licher Mitarbeiter, Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissen-schaften, Tänikon, 8356 Ettenhausen

einmalderdoppeltsogrosseSchweizerBetrieberreichtdasKostenniveaudeskleineren bayrischen Betriebes. DerKostendeckungspunktliegtbeimgüns-tigstenBetriebbei55Rappen(BAY-79)und beim teuersten Betrieb bei 111Rappen(CH-23).

Erlöse DieDirektzahlungensindbeibeiden Schweizer Betrieben über1200%höheralsbeiihrenbayrischenPendants.Esgiltaberzuberücksichti-gen,dassaufdenbayrischenBetriebengemässIFCN-Methodiknurdiegekop-pelten Prämien dem BetriebszweigMilch zugeteilt wurden. Die nichtzugeteilten,entkoppeltenPrämienbe-laufen sich jedochaufüber80%derDirektzahlungen.Würdendiesemin-destensteilweiseauchzugeteilt,wärederBreak-EvenaufdenbayrischenBe-triebennochtiefer.

Neben den Direktzahlungen, dienachaltemSystemeinflossen,sindaufdenSchweizerBetriebenauchdeutlichhöhereProdukterlösezuverzeichnen.

Kosten Die Direktkosten derSchweizer Betriebe sind doppelt sohochwieaufdenbayrischenBetrieben.InsbesonderediehohenKosteninderTierhaltungfalleninsGewicht.

DieUnterschiedeindenStrukturkos-tensindnochstärker.Auffallendsind

dierundviermalhöherenGebäudekos-tenunddiesechsbisneunfachgrösse-renPersonalkosten.AuchdieFremdka-pitalkostenliegendoppeltbisdreimalhöher.DasEinkommenaufdenSchwei-zerBetriebenlag imJahr2014eben-fallsdeutlichhöher,dochbleibenbeidenbayrischenBetriebenwieerwähnteinen Grossteil der Direktzahlungenunberücksichtigt.

Ursachen BereitsinvorgängigenUn-tersuchungen mit norwegischen undösterreichischenBetriebenwurdendieUrsachenderKostenunterschiedeana-lysiert.AuchhiersindmehrereFakto-renfürdiehohenKostenderSchweizerBetriebeverantwortlich.Dazu zählendashoheKostenumfeld(siehe Tabelle 3),dasaufwändigeProduktionssystemmithohemRaufutteranteilunddieBe-triebsgrösse (gemessen am Produkti-onsoutput),welchedieStrukturkostenmassgeblichbeeinflussen.DiehöhereLageunddamitdieerschwertenPro-duktionsbedingungen von CH-23 imVergleichzuBAY-30führtzuhöherenProduktionskosten.

Fazit Trotz ähnlichenBedingungenweisen typische bayrische BetriebeeinegrössereBetriebsstrukturaufundprofitierenvongünstigerenPreisenbeiProduktionsmitteln, Infrastruktur(Ge-

Rapp

en je

kg

Milc

h

CH-23 CH-64 BAY-30 BAY-70

■ Quotenkosten■ Eigene Strukturkosten■ Fremdkosten abzüglich Nebenerlöse● Milchpreise

bäude)undProduktionsfaktoren (Ar-beit,Boden).EinevergleichendeAus-sageüberdasEinkommenisterschwert,da bei den bayrischen Betrieben nureinkleinerTeilderDirektzahlungenderMilchproduktionzugeteilt ist.Beson-ders in spezialisierten Betrieben derGrünlandregionenstützendie(entkop-pelten) Betriebsbeiträge jedoch auchdie Wirtschaftlichkeit der Milchpro-duktion,sodass–unterEinbezugallerDirektzahlungen–dieMilchdieserBe-triebegarbiszu40%günstigerprodu-ziertwerdenkann.

DiegrosseKostendifferenzvonähn-lichenBetriebeninBayernzeigt,dasssichdieSchweizerBetriebeinderQua-lität noch stärkerprofilierenmüssen.EinverstärkterFokusaufsilofreiePro-duktion (Heumilch, Rohmilchkäse)könnte ein Ansatz sein, obwohl diesaucheinigeBetriebeinBayernerkanntundbereitsvonSilageaufHeuproduk-tionumgestellthaben. m