2 6 N e t z w e r k - Coconat · Archiven, Museen und Bewahrungs-projekten widmen, heißt es. In...

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N e tzwerk 26 Berliner Zeitung·Nummer 184·Donnerstag, 9. August 2018 · · ······················································································································································································································································································· Rettung der Daten WERKSTATT Von Daniel Dangelmaier E inmal eine Datei unbedacht in den Papierkorb verschoben und den virtuellen Mülleimer geleert – schon scheint die Datei für immer verloren zu sein. Das ist ein Trug- schluss, denn üblicherweise entfernt das System nur den Registereintrag, der auf den Speicherort verweist. Die Informationen liegen noch in den Tiefen des Speichers. Diese Tatsache macht sich ein Re- covery-Programm zunutze: Es stellt die Verweise wieder her, damit die Daten wieder abrufbar sind. Das können auch kostenlose Anwendun- gen für Privatleute, solange der Spei- cher noch lesbar ist und nicht effek- tiv von neuen Informationen über- schrieben wird. Denn durch die Lö- schung des Registereintrags gibt die Betriebssoftware den Speicherplatz der Datei frei und legt ihn sozusagen brach. Kommt ein neues File auf den Datenträger, belegt es unter Um- ständen den frei gewordenen Platz. Dadurch wird die Wiederherstellung deutlich erschwert, unter Umstän- den sogar unmöglich. Wenn der Nutzer den Datenver- lust bemerkt, sollte er nicht mehr auf die Systempartition oder den Daten- träger zugreifen, auf der die ver- schwundenen Bits und Bytes lager- ten. Um für den Fall der Fälle gerüs- tet zu sein, ist es sinnvoll, ein Wieder- herstellungsprogramm auf einer Notfall-CD oder einem USB-Stick in Reserve zu haben. Als Retter in der Not hat sich zum Beispiel die solide Gratis-Software „Recuva“ (www.piriform.com/re- cuva) bewährt. Das Programm fragt ihre Nutzer zunächst, welche Spei- cherorte es nach Dateien durch- leuchten soll. Danach startet eine Such-Routine, die ihre Funde über- sichtlich auflistet. Das funktioniert mit Daten auf Festplatten ebenso gut wie mit Files auf externen Speichern. Während „Recuva“ lediglich als Windows-Anwendung erhältlich ist, gibt es von „Disk Drill“ (www.clever- files.com/de) auch eine Version für Apple-Rechner. Egal ob PC oder Mac: Die Nutzer finden sich dank der übersichtlichen Oberfläche leicht zurecht. Ausgegrabene Dokumente werden in einem Ordnerbaum mit Dateiart, Größe und Datum der Er- stellung zu besseren Identifizierung angezeigt. Sogar Abkömmlinge in eher exotischen Speicherorten wie Smartphones oder MP3-Spieler spürt das Tool auf. Misslingt eine Rettung mit einer kostenlosen Software, kann es der Anwender noch mit einemVollpreis- Programm versuchen. Im Vergleich zu den kostenlosen Alternativen ver- fügen sie häufig über mehr Funktio- nen und erzielen eine höhere Wie- derherstellungsquote. Außerdem bieten die Entwickler der Bezahl-Ap- plikationen in der Regel einen Kun- dendienst an. Investitionen in Lösungen wie „Data Recovery 7 Professional“ (ab ungefähr 15 Euro, für Windows), die selbst sehr großer Datenpakete zu bergen vermag, oder „Ontrack Easy- Recovery Home“ (ab ca. 90 Euro, für Windows und Mac OS X) mit komfor- tablem Assistenten und Vorschau- funktion, zahlen sich mitunter aus. Daniel Dangelmaier schreibt seit 16 Jahren über Digitales. Coworking BLZ/GALANTY Weit weg von allen Sorgen Serie: Coworking – die neue Form der Arbeit Folge 2: Warum ins Büro gehen? Digitale Nomaden fahren raus aufs Land nach Brandenburg Von Eva Wolfangel E in Traktor fährt mit lautem Geknatter über die Dorf- straße von Klein-Glien, eine Katze flüchtet vor dem Lärm, aber Serena und Austin inter- essiert das nicht. Sie sind vertieft ins Gespräch, planen beim Frühstück mit Eiern, Smoothie und Tee ihren Tag: Austin will ein paar letzte kniffe- lige Probleme ihres Projektes lösen – eine Wett-Plattform, die über eine Blockchain umgesetzt werden soll. Serena soll die weiteren Aufgaben des Unternehmens übernehmen, damit der Launch ein paar Tage spä- ter wahr werden kann. „Wir sind komplett remote“, sagt Serena, also weit weg von allen Sor- gen: Es gibt kein Büro, die 15 Mitar- beiter arbeiten weltweit, großteils verstreut in den USA. Die beiden Frauen haben sich die Arbeitspro- zesse genauer angesehen und dann beschlossen, dass sie nicht immer nur an einem Ort arbeiten müssen. So wurden sie zu digitalen Nomaden. Von Kalifornien aus ging es nach Za- greb, dann nach Korea und jetzt sit- zen sie an diesem Ort mit Traktoren, Katzen und viel Grün, arbeiten im Co- working- und Coliving-Space „Coco- nat“ bei Bad Belzig. Sauna, Yoga und Schlafen im Zelt Coliving – ein modernes Wort für Wohngemeinschaft auf dem Land? Oder eine Hippie-Kommune? Wer Janosch fragt, einen der Gründer des Projektes, versteht schnell die Logik dahinter: Erstens gibt es viele Krea- tive, die auf die Natur schwören, um in den sogenannten Flow zu kom- men, in dem die Ideen fließen und das konzentrierte Arbeiten leicht fällt. So ging es einem befreundeten Filmemacher, der schließlich mit Ja- nosch und dessen Lebensgefährtin Julienne „Coconat“ ins Leben rief. Und zweitens gibt es eine Bewe- gung von Menschen, die gerne un- terwegs sind und dabei ihren Le- bensunterhalt verdienen wollen: di- gitale Nomaden. Sie brauchen nur ein stabiles WLAN-Netz, eine preis- werte Unterkunft und einen Ort, wo sie sich wohlfühlen. Schon in seinem 1964 erschienenen Werk „Under- standing Media“ formulierte der re- nommierte Medienwissenschaftler Marshall McLuhan die These, der Mensch werde im elektronischen Zeitalter zum „nomadischen Infor- mationssammler“. Als Janosch und Julienne 2015 – oder 51 Jahre nach McLuhan – über- legten, die Arbeitswelt zu verän- dern, reisten sie zunächst an jene Orte, an denen Macher schon Er- fahrung hatten. Als sie zurückka- men, war ihnen klar, dass ihr Projekt und 90 Euro, je nach Anspruch der Gäste. Und ab dem kommenden Sonntag werden drei Tage die Türen für alle geöffnet beim Sommercamp mit Barbecue und Waldyoga. An diesem Tag geht es ums Arbei- ten. Serena sitzt mit ihrem Laptop im „Laboratorium“, einem schlich- ten Raum mit Holztischen und samtbezogenen Stühlen, wo nach- mittags die Sonne reinscheint. Am- rai, 35, Kommunikationsdesignerin aus Berlin, schaukelt in der zur Hol- lywood-Schaukel umfunktionierten Badewanne. In einer Pause sagt sie, dass es generell eine Sehnsucht nach Arbeit auf dem Land gebe. Aber viele trauten sich nicht. Angebot für Unternehmen Das erlebt auch Franka, die mit ih- rem Hund unter einem der schatti- gen Bäume im Garten sitzt. Die 32- Jährige arbeitet als Coach und Be- rufsorientierungstrainerin. In Zu- kunft will sie natursuchende Städter mit Kommunen auf dem Land zu- sammenzubringen. Um ihr Konzept genauer zu entwickeln, arbeitet sie gerade neun Monate als Freiwillige bei „Coconat“ mit und tüftelt paral- lel an ihrem eigenen Angebot. Auch Pierre, der 26-jährige Un- ternehmensberater aus Paris, hat so eine Lösung gefunden. Er hat sei- nen festen Job nach zwei Jahren auf- gegeben. 20 Stunden in der Woche arbeitet er für „Coconat“ gegen Kost und Logis, die restliche Zeit plant er sein Unternehmen. Er will ein Start- up aufbauen, das es jungen Leuten ermöglicht, sich sozial zu engagie- ren. „In Paris hatte ich keine Ruhe dafür“, sagt er. Beim Mittagessen erklärt Ja- nosch, wie wichtig die Freiwilligen für das Konzept sind. „Nur so ent- steht tatsächlich eine Community“, sagt er. Die Bewohner bringen je- denfalls ihre unterschiedlichen Fachkenntnisse ein, auch wenn es um Finanzierung oder Präsentation eines Projektes geht. Irgendwer kann immer helfen. Geht trotzdem etwas schief und werden Hoffnun- gen enttäuscht, erzählt Janosch, dann spenden die Gäste sich Trost. Freundschaften bleiben oft beste- hen, auch wenn die Zeit in Branden- burg vorbei ist. Manchmal reisen auch Arbeits- gruppen aus großen Unterneh- men an und treffen sich zu Work- shops. Sie hoffen darauf, dass von diesem Gemeinschaftsgefühl et- was abfärbt. Eva Wolfangel vergleicht Coworking-Ideen. Nächste Woche: rent24 in Berlin Andreas Lange verlässt Museum Neue Kuratoren kümmern sich um Computerspiele M ehr als 20 Jahre sind genug: Andreas Lange, Gründungsdi- rektor des Computerspiele-Muse- ums an der Karl-Marx-Allee, hört auf. Auf eigenen Wunsch, heißt es in einer Pressemitteilung, wird er das Haus Ende August verlassen.„Ich bin sehr froh, dass ich die Chance hatte, das Museum maßgeblich mit aufzu- bauen“, sagte Lange in einer Presse- Mitteilung. Lange gehört zu den Pionieren der Computerspiele-Szene in Deutschland. Als die Spiele noch ei- nen sehr schlechten Ruf hatten, als gefährlich für die Jugend und gewalt- verherrlichend galten, begann Lange mit dem Aufbau des Museums. Grö- ßen der Szene wie der Apple-Mitbe- gründer und leidenschaftliche Zo- cker Steve Wozniak gehörten zu den frühen Besuchern. Unter Langes Führung gelang nicht nur die impo- sante Zusammenstellung von histo- rischen bis modernsten Geräten, es wurden auch im- mer wieder spe- zielle Ausstellun- gen konzipiert. Im vergangenen Jahr konnte das 20-jährige Beste- hen gefeiert wer- den, auch weil die Spiele inzwi- schen gesell- schaftlich akzep- tiert sind. Computerspiele gelten als Kulturgut, auch daran hat Lange sei- nen Anteil. „Ich hätte mir keine spannendere und vielfältigere Auf- gabe vorstellen können, als einen neu entstehenden Kulturbereich in dieser Weise museal zu begleiten“, sagte Lange. In Zukunft steht er dem Computerspielemuseum sowie an- deren Partnern beratend zur Verfü- gung. Er will sich auch neuen Projek- ten wie der Weiterentwicklung des Europäischen Verbandes von Game- Archiven, Museen und Bewahrungs- projekten widmen, heißt es. In Zu- kunft sollen Mascha Tobe, Literatur- und Sprachwissenschaftlerin, sowie Philipp Frei, Mediengestalter und Sammler, als Kuratoren arbeiten. An- fang September wollen sie die inter- aktive Sonderschau „Tell me more! Tell me more! Literatur und Compu- terspiel“ im Museum präsentieren. Die Leitung wird künftig unter sechs Personen aufgeteilt, zu denen auch die Kuratoren gehören. (jöh.) Ende nach 21 Jah- ren: Andreas Lange PRIVAT Snapchat verliert erstmals Nutzer Der Umsatz steigt trotzdem stark an D ie Foto-App Snapchat hat erst- mals Nutzer verloren – den- noch sind die Quartalsergebnisse an der Börse gut angekommen. In den drei Monaten bis Ende Juni sank die Zahl der täglich aktiven User im Vergleich zum Vorquartal um zwei Prozent auf 188 Millionen, wie die Snapchat-Mutter Snap am Dienstag nach US-Börsenschluss mitteilte. Der Umsatz schoss je- doch im Jahresvergleich um über 44 Prozent auf 262 Millionen Dollar in die Höhe und übertraf die Pro- gnosen der Analysten damit klar. Zudem wurde der Quartalsverlust von 443 Millionen Dollar im Vor- jahr auf 353 Millionen verringert. „Wir sind begeistert von den Fort- schritten, die wir gemacht haben, und optimistisch angesichts der Gelegenheiten, die vor uns liegen“, verkündete Snap-Chef Evan Spie- gel. (dpa) Chillen, chatten, kreativ arbeiten: Von brandenburgischen Dörfern aus wird wird global vernetzt gearbeitet. TILMAN VOGLER mit Natur tun haben sollte. „Ich baue einfach gerne“, sagt Janosch, der zuvor in der Kultur- und Jugend- arbeit aktiv war. Bei einem Spazier- gang zeigt er, was dabei herausge- kommen ist. Der Weg führt vorbei an geräumigen Zelten mit Betten zum Schlafen, vorbei am Teich, auf dem das von ihm gebaute Floß schwimmt, vorbei an der Lagerfeu- erstelle und der Sauna. In einem Nebengebäude gibt es einen Yoga- Raum und einen für Massagen – beide werden von Frauen aus der Region betrieben. Diese Zusam- menarbeit mit Nachbarn ist den Gründern wichtig. „Sie sollen auch davon profitieren, dass hier etwas Neues entsteht“, sagt Janosch. Eine Übernachtung kostet zwischen 23 Wiesenburg Jeserig Bad Belzig Golzow Brandenburg Werder Brück A2 A9 B 102 5 km BLZ/GALANTY Zusammen leben und arbeiten – im „Coconat“ bei Bad Belzig. TILMAN VOGLER

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Netzwerk

2 6 B e r l i n e r Z e i t u n g · N u m m e r 1 8 4 · D o n n e r s t a g , 9 . A u g u s t 2 0 1 8 ·· ·······················································································································································································································································································

Rettungder

Daten

WERKSTATT

Von Daniel Dangelmaier

Einmal eine Datei unbedacht inden Papierkorb verschoben und

den virtuellen Mülleimer geleert –schon scheint die Datei für immerverloren zu sein. Das ist ein Trug-schluss, denn üblicherweise entferntdas System nur den Registereintrag,der auf den Speicherort verweist. DieInformationen liegen noch in denTiefen des Speichers.

Diese Tatsache macht sich ein Re-covery-Programm zunutze: Es stelltdie Verweise wieder her, damit dieDaten wieder abrufbar sind. Daskönnen auch kostenlose Anwendun-gen für Privatleute, solange der Spei-cher noch lesbar ist und nicht effek-tiv von neuen Informationen über-schrieben wird. Denn durch die Lö-schung des Registereintrags gibt dieBetriebssoftware den Speicherplatzder Datei frei und legt ihn sozusagenbrach. Kommt ein neues File auf denDatenträger, belegt es unter Um-ständen den frei gewordenen Platz.Dadurch wird die Wiederherstellungdeutlich erschwert, unter Umstän-den sogar unmöglich.

Wenn der Nutzer den Datenver-lust bemerkt, sollte er nicht mehr aufdie Systempartition oder den Daten-träger zugreifen, auf der die ver-schwundenen Bits und Bytes lager-ten. Um für den Fall der Fälle gerüs-tet zu sein, ist es sinnvoll, einWieder-herstellungsprogramm auf einerNotfall-CD oder einem USB-Stick inReserve zu haben.

Als Retter in der Not hat sich zumBeispiel die solide Gratis-Software„Recuva“ (www.piriform.com/re-cuva) bewährt. Das Programm fragtihre Nutzer zunächst, welche Spei-cherorte es nach Dateien durch-leuchten soll. Danach startet eineSuch-Routine, die ihre Funde über-sichtlich auflistet. Das funktioniertmit Daten auf Festplatten ebenso gutwie mit Files auf externen Speichern.

Während „Recuva“ lediglich alsWindows-Anwendung erhältlich ist,gibt es von „Disk Drill“ (www.clever-files.com/de) auch eine Version fürApple-Rechner. Egal ob PC oderMac: Die Nutzer finden sich dank derübersichtlichen Oberfläche leichtzurecht. Ausgegrabene Dokumentewerden in einem Ordnerbaum mitDateiart, Größe und Datum der Er-stellung zu besseren Identifizierungangezeigt. Sogar Abkömmlinge ineher exotischen Speicherorten wieSmartphones oder MP3-Spielerspürt das Tool auf.

Misslingt eine Rettung mit einerkostenlosen Software, kann es derAnwender noch mit einemVollpreis-Programm versuchen. Im Vergleichzu den kostenlosen Alternativen ver-fügen sie häufig über mehr Funktio-nen und erzielen eine höhere Wie-derherstellungsquote. Außerdembieten die Entwickler der Bezahl-Ap-plikationen in der Regel einen Kun-dendienst an.

Investitionen in Lösungen wie„Data Recovery 7 Professional“ (abungefähr 15 Euro, für Windows), dieselbst sehr großer Datenpakete zubergen vermag, oder „Ontrack Easy-Recovery Home“ (ab ca. 90 Euro, fürWindows und Mac OS X) mit komfor-tablem Assistenten und Vorschau-funktion, zahlen sich mitunter aus.

Daniel Dangelmaierschreibt seit 16 Jahrenüber Digitales.

Coworking BLZ

/GA

LAN

TY

Weit weg von allen SorgenSerie: Coworking – die neue Form der Arbeit

Folge 2:

Warum ins Büro gehen? Digitale Nomaden

fahren raus aufs Land nach Brandenburg

Von Eva Wolfangel

Ein Traktor fährt mit lautemGeknatter über die Dorf-straße von Klein-Glien,eine Katze flüchtet vor dem

Lärm, aber Serena und Austin inter-essiert das nicht. Sie sind vertieft insGespräch, planen beim Frühstückmit Eiern, Smoothie und Tee ihrenTag: Austin will ein paar letzte kniffe-lige Probleme ihres Projektes lösen –eine Wett-Plattform, die über eineBlockchain umgesetzt werden soll.Serena soll die weiteren Aufgabendes Unternehmens übernehmen,damit der Launch ein paar Tage spä-ter wahr werden kann.

„Wir sind komplett remote“, sagtSerena, also weit weg von allen Sor-gen: Es gibt kein Büro, die 15 Mitar-beiter arbeiten weltweit, großteilsverstreut in den USA. Die beidenFrauen haben sich die Arbeitspro-zesse genauer angesehen und dannbeschlossen, dass sie nicht immernur an einem Ort arbeiten müssen.So wurden sie zu digitalen Nomaden.Von Kalifornien aus ging es nach Za-greb, dann nach Korea und jetzt sit-zen sie an diesem Ort mit Traktoren,Katzen und viel Grün, arbeiten im Co-working- und Coliving-Space „Coco-nat“ bei Bad Belzig.

Sauna, Yoga und Schlafen im Zelt

Coliving – ein modernes Wort fürWohngemeinschaft auf dem Land?Oder eine Hippie-Kommune? WerJanosch fragt, einen der Gründer desProjektes, versteht schnell die Logikdahinter: Erstens gibt es viele Krea-tive, die auf die Natur schwören, umin den sogenannten Flow zu kom-men, in dem die Ideen fließen unddas konzentrierte Arbeiten leichtfällt. So ging es einem befreundetenFilmemacher, der schließlich mit Ja-nosch und dessen LebensgefährtinJulienne „Coconat“ ins Leben rief.

Und zweitens gibt es eine Bewe-gung von Menschen, die gerne un-terwegs sind und dabei ihren Le-bensunterhalt verdienen wollen: di-gitale Nomaden. Sie brauchen nurein stabiles WLAN-Netz, eine preis-werte Unterkunft und einen Ort, wosie sich wohlfühlen. Schon in seinem1964 erschienenen Werk „Under-standing Media“ formulierte der re-nommierte MedienwissenschaftlerMarshall McLuhan die These, derMensch werde im elektronischenZeitalter zum „nomadischen Infor-mationssammler“.

Als Janosch und Julienne 2015 –oder 51 Jahre nach McLuhan – über-legten, die Arbeitswelt zu verän-dern, reisten sie zunächst an jeneOrte, an denen Macher schon Er-fahrung hatten. Als sie zurückka-men, war ihnen klar, dass ihr Projekt

und 90 Euro, je nach Anspruch derGäste. Und ab dem kommendenSonntag werden drei Tage die Türenfür alle geöffnet beim Sommercampmit Barbecue und Waldyoga.

An diesem Tag geht es ums Arbei-ten. Serena sitzt mit ihrem Laptopim „Laboratorium“, einem schlich-ten Raum mit Holztischen undsamtbezogenen Stühlen, wo nach-mittags die Sonne reinscheint. Am-rai, 35, Kommunikationsdesignerinaus Berlin, schaukelt in der zur Hol-lywood-Schaukel umfunktioniertenBadewanne. In einer Pause sagt sie,dass es generell eine Sehnsuchtnach Arbeit auf dem Land gebe.Aber viele trauten sich nicht.

Angebot für Unternehmen

Das erlebt auch Franka, die mit ih-rem Hund unter einem der schatti-gen Bäume im Garten sitzt. Die 32-Jährige arbeitet als Coach und Be-rufsorientierungstrainerin. In Zu-kunft will sie natursuchende Städtermit Kommunen auf dem Land zu-sammenzubringen. Um ihr Konzeptgenauer zu entwickeln, arbeitet siegerade neun Monate als Freiwilligebei „Coconat“ mit und tüftelt paral-lel an ihrem eigenen Angebot.

Auch Pierre, der 26-jährige Un-ternehmensberater aus Paris, hat soeine Lösung gefunden. Er hat sei-nen festen Job nach zwei Jahren auf-gegeben. 20 Stunden in der Wochearbeitet er für „Coconat“ gegen Kostund Logis, die restliche Zeit plant ersein Unternehmen. Er will ein Start-up aufbauen, das es jungen Leutenermöglicht, sich sozial zu engagie-ren. „In Paris hatte ich keine Ruhedafür“, sagt er.

Beim Mittagessen erklärt Ja-nosch, wie wichtig die Freiwilligenfür das Konzept sind. „Nur so ent-steht tatsächlich eine Community“,sagt er. Die Bewohner bringen je-denfalls ihre unterschiedlichenFachkenntnisse ein, auch wenn esum Finanzierung oder Präsentationeines Projektes geht. Irgendwerkann immer helfen. Geht trotzdemetwas schief und werden Hoffnun-gen enttäuscht, erzählt Janosch,dann spenden die Gäste sich Trost.Freundschaften bleiben oft beste-hen, auch wenn die Zeit in Branden-burg vorbei ist.

Manchmal reisen auch Arbeits-gruppen aus großen Unterneh-men an und treffen sich zu Work-shops. Sie hoffen darauf, dass vondiesem Gemeinschaftsgefühl et-was abfärbt.

Eva Wolfangel vergleichtCoworking-Ideen. NächsteWoche: rent24 in Berlin

Andreas LangeverlässtMuseum

Neue Kuratoren kümmernsich um Computerspiele

Mehr als 20 Jahre sind genug:Andreas Lange, Gründungsdi-

rektor des Computerspiele-Muse-ums an der Karl-Marx-Allee, hörtauf. Auf eigenen Wunsch, heißt es ineiner Pressemitteilung, wird er dasHaus Ende August verlassen.„Ich binsehr froh, dass ich die Chance hatte,das Museum maßgeblich mit aufzu-bauen“, sagte Lange in einer Presse-Mitteilung.

Lange gehört zu den Pionierender Computerspiele-Szene inDeutschland. Als die Spiele noch ei-nen sehr schlechten Ruf hatten, alsgefährlich für die Jugend und gewalt-verherrlichend galten, begann Langemit dem Aufbau des Museums. Grö-ßen der Szene wie der Apple-Mitbe-gründer und leidenschaftliche Zo-cker Steve Wozniak gehörten zu denfrühen Besuchern. Unter LangesFührung gelang nicht nur die impo-sante Zusammenstellung von histo-rischen bis modernsten Geräten, eswurden auch im-mer wieder spe-zielle Ausstellun-gen konzipiert.Im vergangenenJahr konnte das20-jährige Beste-hen gefeiert wer-den, auch weildie Spiele inzwi-schen gesell-schaftlich akzep-tiert sind. Computerspiele gelten alsKulturgut, auch daran hat Lange sei-nen Anteil. „Ich hätte mir keinespannendere und vielfältigere Auf-gabe vorstellen können, als einenneu entstehenden Kulturbereich indieser Weise museal zu begleiten“,sagte Lange. In Zukunft steht er demComputerspielemuseum sowie an-deren Partnern beratend zur Verfü-gung. Er will sich auch neuen Projek-ten wie der Weiterentwicklung desEuropäischen Verbandes von Game-Archiven, Museen und Bewahrungs-projekten widmen, heißt es. In Zu-kunft sollen Mascha Tobe, Literatur-und Sprachwissenschaftlerin, sowiePhilipp Frei, Mediengestalter undSammler, als Kuratoren arbeiten. An-fang September wollen sie die inter-aktive Sonderschau „Tell me more!Tell me more! Literatur und Compu-terspiel“ im Museum präsentieren.Die Leitung wird künftig unter sechsPersonen aufgeteilt, zu denen auchdie Kuratoren gehören. (jöh.)

Ende nach 21 Jah-ren: Andreas Lange

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Snapchatverliert

erstmals NutzerDer Umsatz steigttrotzdem stark an

Die Foto-App Snapchat hat erst-mals Nutzer verloren – den-

noch sind die Quartalsergebnissean der Börse gut angekommen. Inden drei Monaten bis Ende Junisank die Zahl der täglich aktivenUser im Vergleich zum Vorquartalum zwei Prozent auf 188 Millionen,wie die Snapchat-Mutter Snap amDienstag nach US-Börsenschlussmitteilte. Der Umsatz schoss je-doch im Jahresvergleich um über44 Prozent auf 262 Millionen Dollarin die Höhe und übertraf die Pro-gnosen der Analysten damit klar.Zudem wurde der Quartalsverlustvon 443 Millionen Dollar im Vor-jahr auf 353 Millionen verringert.„Wir sind begeistert von den Fort-schritten, die wir gemacht haben,und optimistisch angesichts derGelegenheiten, die vor uns liegen“,verkündete Snap-Chef Evan Spie-gel. (dpa)

Chillen, chatten, kreativ arbeiten: Von brandenburgischen Dörfern aus wird wird global vernetzt gearbeitet. TILMAN VOGLER

mit Natur tun haben sollte. „Ichbaue einfach gerne“, sagt Janosch,der zuvor in der Kultur- und Jugend-arbeit aktiv war. Bei einem Spazier-gang zeigt er, was dabei herausge-kommen ist. Der Weg führt vorbeian geräumigen Zelten mit Bettenzum Schlafen, vorbei am Teich, aufdem das von ihm gebaute Floßschwimmt, vorbei an der Lagerfeu-

erstelle und der Sauna. In einemNebengebäude gibt es einen Yoga-Raum und einen für Massagen –beide werden von Frauen aus derRegion betrieben. Diese Zusam-menarbeit mit Nachbarn ist denGründern wichtig. „Sie sollen auchdavon profitieren, dass hier etwasNeues entsteht“, sagt Janosch. EineÜbernachtung kostet zwischen 23

Wiesenburg

Jeserig

Bad Belzig

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Brandenburg Werder

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BLZ/GALANTY

Zusammen leben und arbeiten – im „Coconat“ bei Bad Belzig. TILMAN VOGLER