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2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik 2.1 Das Prinzip von der Erhaltung der Energie In der Mechanik wird das Prinzip der Erhaltung der Energie auf zwei Energiearten angewandt, die bei der reibungsfreien Bewegung von Körpern im Schwerefeld der Erde auftreten: die potentielle und die kinetische Energie. Es besagt, dass in einem abge- schlossenen mechanischen System die Summe beider Energien konstant bleibt. In der Thermodynamik wird das Prinzip von der Erhaltung der Energie auf folgende Energiearten angewandt: mechanische Energie (potentielle Energie, kinetische Energie) Arbeit thermische Energie (innere Energie, Wärme, Enthalpie) elektrische Energie chemische Energie Kernenergie Man bezeichnet dieses umfassende Energieprinzip als ersten Hauptsatz der Thermo- dynamik. Bei der Formulierung des ersten Hauptsatzes erscheinen nur mechanische und thermische Energie oder die Arbeit. Die anderen Energiearten werden durch die mechanische oder die thermische Energie oder die Arbeit ersetzt. Will man die historische Entwicklung nachzeichnen, die zur Formulierung dieses Satzes geführt hat, so muss man beachten, dass der Begriff der Wärme in der neueren Ther- modynamik eine gegenüber dem üblichen Sprachgebrauch einschränkende Definition erfahren hat. In der folgenden Darstellung wird heute der umfassendere Begriff der thermischen Energie an die Stelle des früher üblichen Begriffs Wärme gesetzt. Lange herrschte die Auffassung vor, dass die thermische Energie keine Energieform, sondern eine stoffliche Größe sei. Erst am Ende des 18. und im 19. Jahrhundert setzte sich die Auf- fassung von der energetischen Natur dieser Größe durch. In den Jahren 1842 bis 1850 wies Joule 1 experimentell nach, dass die Umwandlung mechanischer Energie in thermische Energie immer denselben Wert erbrachte. Unabhängig davon hatte Mayer 2 1842 diesen Wert durch theoretische Überlegungen berechnet und darauf hingewiesen, dass auch die umgekehrte Ener- gieumwandlung möglich ist. Helmholtz 3 entwickelte 1847 das erweiterte Prinzip von der Erhaltung der Energie, das seitdem als erster Hauptsatz der Thermodynamik bezeichnet wird: 1 James Prescott Joule (gesprochen dschuhl), 1818 bis 1889, Besitzer einer Brauerei, beschäftigte sich mit experimentellen Untersuchungen über elektromagnetische Vorgänge und den Beziehungen zwischen Wärme und Arbeit. 2 Robert Mayer, 1814 bis 1878, seit 1841 Arzt in Heilbronn. Seine Forschungen zur Äquivalenz von Arbeit und Wärme fanden nicht die notwendige Anerkennung der zeitgenössischen Physiker. 3 Hermann von Helmholtz, 1821 bis 1894, studierte Medizin und Physiologie, 1849 Professor der Physiologie in Königsberg, kam über Bonn und Heidelberg 1871 als Professor für Physik nach Berlin, 1888 Präsident der neu gegründeten Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Charlottenburg. In seiner das Energieprinzip formulierenden Abhandlung „Über die Erhaltung der Kraft“ werden die Verdienste von J. R. Mayer nicht erwähnt. Der Begriff der „Kraft“ wurde früher im Sinne von „Energie“ verwendet. E. Doering et al., Grundlagen der Technischen Thermodynamik, DOI 10.1007/978-3-8348-8615-6_2, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

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2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

2.1 Das Prinzip von der Erhaltung der Energie

In der Mechanik wird das Prinzip der Erhaltung der Energie auf zwei Energieartenangewandt, die bei der reibungsfreien Bewegung von Körpern im Schwerefeld der Erdeauftreten: die potentielle und die kinetische Energie. Es besagt, dass in einem abge-schlossenen mechanischen System die Summe beider Energien konstant bleibt.

In der Thermodynamik wird das Prinzip von der Erhaltung der Energie auf folgendeEnergiearten angewandt:

mechanische Energie (potentielle Energie, kinetische Energie)Arbeitthermische Energie (innere Energie, Wärme, Enthalpie)elektrische Energiechemische EnergieKernenergie

Man bezeichnet dieses umfassende Energieprinzip als ersten Hauptsatz der Thermo-dynamik. Bei der Formulierung des ersten Hauptsatzes erscheinen nur mechanischeund thermische Energie oder die Arbeit. Die anderen Energiearten werden durch diemechanische oder die thermische Energie oder die Arbeit ersetzt.

Will man die historische Entwicklung nachzeichnen, die zur Formulierung dieses Satzesgeführt hat, so muss man beachten, dass der Begriff der Wärme in der neueren Ther-modynamik eine gegenüber dem üblichen Sprachgebrauch einschränkende Definitionerfahren hat. In der folgenden Darstellung wird heute der umfassendere Begriff derthermischen Energie an die Stelle des früher üblichen Begriffs Wärme gesetzt.

Lange herrschte die Auffassung vor, dass die thermische Energie keine Energieform, sonderneine stoffliche Größe sei. Erst am Ende des 18. und im 19. Jahrhundert setzte sich die Auf-fassung von der energetischen Natur dieser Größe durch. In den Jahren 1842 bis 1850 wiesJoule 1 experimentell nach, dass die Umwandlung mechanischer Energie in thermische Energieimmer denselben Wert erbrachte. Unabhängig davon hatte Mayer 2 1842 diesen Wert durchtheoretische Überlegungen berechnet und darauf hingewiesen, dass auch die umgekehrte Ener-gieumwandlung möglich ist.

Helmholtz3 entwickelte 1847 das erweiterte Prinzip von der Erhaltung der Energie, das

seitdem als erster Hauptsatz der Thermodynamik bezeichnet wird:

1James Prescott Joule (gesprochen dschuhl), 1818 bis 1889, Besitzer einer Brauerei, beschäftigtesich mit experimentellen Untersuchungen über elektromagnetische Vorgänge und den Beziehungenzwischen Wärme und Arbeit.

2Robert Mayer, 1814 bis 1878, seit 1841 Arzt in Heilbronn. Seine Forschungen zur Äquivalenz vonArbeit und Wärme fanden nicht die notwendige Anerkennung der zeitgenössischen Physiker.

3Hermann von Helmholtz, 1821 bis 1894, studierte Medizin und Physiologie, 1849 Professor derPhysiologie in Königsberg, kam über Bonn und Heidelberg 1871 als Professor für Physik nach Berlin,1888 Präsident der neu gegründeten Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Charlottenburg. Inseiner das Energieprinzip formulierenden Abhandlung „Über die Erhaltung der Kraft“ werden dieVerdienste von J. R. Mayer nicht erwähnt. Der Begriff der „Kraft“ wurde früher im Sinne von „Energie“verwendet.

E. Doering et al., Grundlagen der Technischen Thermodynamik, DOI 10.1007/978-3-8348-8615-6_2,

© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012

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10 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

In einem abgeschlossenen System kann der Gesamtbetrag der Ener-

gie weder vergrößert noch verkleinert werden. Es können lediglich

die verschiedenen Energiearten ineinander umgewandelt werden.

Nach dem ersten Hauptsatz ist auch ein „perpetuum mobile“ unmöglich. Man ver-steht darunter nicht eine Vorrichtung, die ohne äußeren Antrieb in ständiger Bewegungbleibt, wie das der Name eigentlich aussagt, sondern eine Maschine, die ohne Zufuhrvon Energie dauernd Arbeit leistet. Eine immerwährende Bewegung ohne Antrieb istbei fehlender Reibung möglich und steht nicht im Widerspruch zum Energieprinzip.Ein Beispiel ist die Bewegung der Planeten um die Sonne. Da ein „perpetuum mobile“dem ersten Hauptsatz widerspricht, kann man diesen auch wie folgt formulieren:

Ein perpetuum mobile erster Art ist unmöglich.

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik stellt ein Prinzip (Axiom) dar und kann nichtbewiesen werden. Seine Gültigkeit ist jedoch durch viele Experimente sichergestellt.

Im Folgenden sollen die verschiedenen in der Thermodynamik auftretenden Energie-arten definiert und eine gesetzmäßige Formulierung der Energieumwandlungen für dasgeschlossene und das offene System gefunden werden. Dabei ist es erforderlich, für dienoch genauer zu beschreibenden Größen „Wärme“ und „Arbeit“ Vorzeichenvereinba-rungen festzulegen. Wir treffen diese Vereinbarung vom System aus und legen fest:

Arbeit und Wärme sind positiv, wenn sie dem System zugeführt und

negativ, wenn sie vom System abgegeben werden.

Bild 2-1 Vorzeichenvereinbarung undDarstellung von Wärme und Arbeit

2.2 Potentielle Energie

Die Kräfte im Schwerefeld der Erde sind die Ursache für die potentielle Energie. . ImSchwerefeld der Erde wirken auf jeden Körper zwei Kräfte, das Gewicht G und derAuftrieb A. Der statische oder archimedische Auftrieb A, der dann auftritt, wenn einKörper in ein gasförmiges oder flüssiges Medium eingetaucht ist, kann kleiner, gleichoder auch größer als das Gewicht G des Körpers sein. Der Auftrieb errechnet sich ausdem Gewicht des durch den Körper verdrängten gasförmigen oder flüssigen Mediums,das den Körper umgibt. Das Gewicht G eines Körpers oder einer Stoffmenge mit derMasse m, dem Volumen V , der Dichte und dem spezifischen Gewicht γ ist

G = m g = V g = V γ . (2.1)

Dabei ist g die Fallbeschleunigung.

g = 9,80665 m/s2 = 9,80665 N/kg (2.2)

Bei technischen Berechnungen rechnet man meist mit dem gerundeten Wert 9,81 m/s2.

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2.2 Potentielle Energie 11

Der Auftrieb A eines Körpers oder einer Stoffmenge in einer Umgebung mit der DichteU und dem spezifischen Gewicht γU ist

A = V U g = V γU . (2.3)

Wenn bei der Überlagerung des Gewichts und des Auftriebs das Gewicht überwiegt, istder Gewichtsüberschuss oder das resultierende Gewicht positiv, überwiegt der Auftrieb,dann ist der Gewichtsüberschuss negativ.

F = G − A = V ( − U ) g = V (γ − γU ) (2.4)

Bei festen Körpern oder Flüssigkeiten, die sich in einem Gas befinden, kann man imAllgemeinen den Auftrieb A vernachlässigen. Bei Gasen ist diese Vernachlässigung nichtmöglich, da Gewicht und Auftrieb von gleicher Größenordnung sind.

Denkt man sich in einem Luftraum eine Teilluftmenge von gleicher Temperatur abgegrenzt(z. B. in einem Heißluftballon vor dem Start), so ist für diese Teilluftmenge G = A und F = 0.Eine gegenüber ihrer Umgebung erwärmte Teilluftmenge (z. B. im Heißluftballon nach demStart) mit dem spezifischen Gewicht γ, die ein bestimmtes Volumen V einnimmt, erfährt nachGl. (2.4) wegen γ < γU einen negativen Gewichtsüberschuss. In der erwärmten Teilluftmengeund in der Umgebung herrscht derselbe Druck. Vor der Erwärmung nahm die Teilluftmenge,die im erwärmten Zustand das Volumen V ausfüllt, das Volumen VU ein. Das Gewicht dieserTeilluftmenge hat sich durch die Erwärmung nicht geändert.

Bild 2.2 Darstellung der potentiel-len Energie B Bezugsebene

V γ = VU γU (2.5)

Im Luftraum gilt zwischen dem spezifischen Gewicht und der absoluten Temperatur die Be-ziehung

γ

γU

=TU

T. (2.6)

Mit dem thermischen Ausdehnungskoeffizienten eines idealen Gases (Abschnitt 4.1.2)

β =1

TβU =

1

TU

(2.7)

folgt aus Gl. (2.6) γ

γU

βU

. (2.8)

Mit der Übertemperatur der erwärmten Luft gegenüber der Umgebung

∆t = T − TU (2.9)

erhält man aus den Gln. (2.4) bis (2.9) den Gewichtsüberschuss

F = −V γU β∆t = −V γ βU ∆t = −VU γU βU ∆t . (2.10)

Die potentielle Energie eines Körpers oder einer Stoffmenge ist

Ep = F z = V ( − U ) g z , (2.11)

wobei z die von einer Bezugsebene B gemessene Höhe ist. Für die Thermodynamik istvor allem die Änderung der potentiellen Energie eines Stoffstroms zwischen Ein- undAustrittsquerschnitt eines offenen Systems wichtig, wenn sich die Höhenlage ändert.

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12 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

Ist die Veränderlichkeit der Dichten und U abhängig von z vernachlässigbar, so gilt

Ep2 − Ep1 = V ( − U ) g (z2 − z1) . (2.12)

Kann man vom Auftrieb absehen, so wird aus Gl. (2.12)

Ep2 − Ep1 = V g (z2 − z1) = m g (z2 − z1) . (2.13)

Der Weg, auf dem die Höhenänderung erfolgt, ist ohne Einfluss. Die potentielle Energieist eine Zustandsgröße.Beispiel 2.1 Der Höhenunterschied zwischen den beiden Becken eines Speicherkraftwerksbeträgt 220 m. Welche Leistung lässt sich in einer Turbinenanlage gewinnen, wenn ein Was-serstrom von 20 m3/s vom oberen in das untere Becken strömt?

Ep2 − Ep1 = m g (z2 − z1) = V g (z2 − z1)

= 20 m3/s · 103 kg/m3 · 9,81 m/s2 · (−220 m) = −43,2 MW

Könnte die Differenz der potentiellen Energie voll genutzt werden, so ließe sich eine Leistungvon 43,2 MW gewinnen.

← Bild 2.3 Zu Beispiel 2.1

↑ Bild 2.4 Zu Beispiel 2.2

Beispiel 2.2 Ein Gasversorgungsgebiet liegt 80 m über dem Gaswerk, in dem Erdgas miteiner Dichte von = 0,742 kg/m3 in das Leitungsnetz eingespeist wird. Die Umgebungslufthat eine Dichte von U = 1,16 kg/m3. Wie groß ist die Differenz der potentiellen Energiezwischen Gaswerk und Versorgungsgebiet für 1 m3 Erdgas?

Ep2 − Ep1 = 1 m3 · (0,742 − 1,16) kg/m3 · 9,81 m/s2 · 80 m = −328 J

Die Differenz der potentiellen Energie kann zur Überwindung der Rohrreibung genutzt werden.

Tabelle 2.1 Beziehungen zwischen Druckeinheiten

Pa bar Torr∗ atm∗ at∗

1 Pa = 1 10−5 7,50062·10−3 9,86923·10−6 1,01972·10−5

1 bar = 105 1 750,062 0,986923 1,019721 Torr∗ = 133,322 1,33322·10−3 1 1,31579·10−3 1,35951·10−3

1 atm∗ = 101325 1,01325 760 1 1,033231 at∗ = 98066,5 0,980665 735,559 0,967841 1∗ Einheiten seit 1. 1. 1978 nicht mehr zulässig1 Pa = 1 N/m2 1 Torr = 1 mm Hg 1 at = 1 kp/cm2 1 mm WS = 1 kp/m2

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2.4 Arbeit 13

Tabelle 2.2 Beziehungen zwischen Energieeinheiten

J kJ kWh kcal∗ kpm∗

1 J = 1 10−3 2,7778·10−7 2,3885·10−4 1,101971 kJ = 103 1 2,7778·10−4 0,23885 1019,71 kWh = 3,6·106 3,6·103 1 859,85 3670981 kcal∗ = 4186,8 4,1868 1,1630·10−3 1 426,9351 kpm∗ = 9,80665 9,80665·10−3 2,7241·10−6 2,3423·10−3 1∗ Einheiten seit 1. 1. 1978 nicht mehr zulässig1 J = 1 Nm = 1 W s

Tabelle 2.3 Beziehungen zwischen Leistungseinheiten

W kW kcal/h∗ kpm/s∗

1 W = 1 10−3 0,85985 0,101971 kW = 103 1 859,85 101,971 kcal/h∗ = 1,1630 1,1630·10−3 1 0,118591 kpm/s∗ = 9,80665 9,80665·10−3 8,4322 1∗ Einheiten seit 1. 1. 1978 nicht mehr zulässig

2.3 Kinetische Energie

Wenn ein Körper mit der Masse m vom Ruhezustand auf die Geschwindigkeit c be-schleunigt werden soll, muss an dem Körper eine bestimmte Arbeit geleistet werden.Diese Arbeit ist in dem sich bewegenden Körper gespeichert und wird als kinetischeEnergie bezeichnet. Nach den Gesetzen der Mechanik ist die kinetische Energie

Ek = mc2

2. (2.14)

Tritt ein Fluid mit der Geschwindigkeit c1 in ein offenes System ein und ist die Aus-trittsgeschwindigkeit c2, so ist die Änderung der kinetischen Energie des Fluids

Ek2 − Ek1 =m

2(c2

2 − c2

1) . (2.15)

Die Geschwindigkeit der Stoffteilchen ist in einer wirklichen Strömung in einem be-stimmten Querschnitt örtlich verschieden; man benutzt deshalb zur Berechnung derkinetischen Energie die mittlere Strömungsgeschwindigkeit c. Man erhält sie, wennman den Volumenstrom V durch die Querschnittsfläche A dividiert.

c =V

A(2.16)

Die kinetische Energie ist eine Zustandsgröße.

Beispiel 2.3 Ein mit einer Geschwindigkeit von 1,2 m/s strömendes Gewässer stürzt ineinem Wasserfall eine Höhe von 14 m frei herunter. Welchen Zuwachs an kinetischer Energieerfährt 1 m3 Wasser? Welche Geschwindigkeit erreicht das Wasser?

Ek2 − Ek1 =m

2(c22 − c

2

1) = mg h = 1000 kg · 9,81 m/s2 · 14 m = 137 kJ

c2 =q

2 g h+ c21

=p

2 · 9,81 m/s2 · 14 m + (1,2 m/s)2 = 16, 6 m/s

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14 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

2.4 Arbeit

Der Begriff der Arbeit ist aus der Mechanik entlehnt. Mechanische Arbeit wird vonKräften geleistet, deren Angriffspunkt sich in Richtung der Kraft verschiebt. Dabeiist Arbeit gleich Kraft mal Weg. Wenn an einem Körper Arbeit geleistet wird, dannerhöht sich seine Energie. Mechanische Energie ist demnach geleistete Arbeit, die beieiner Rückumwandlung wieder in Arbeit umgesetzt werden kann. Mechanische Energielässt sich daher auch als Arbeitsfähigkeit erklären.

Energie und Arbeit haben dieselbe Dimension. Das bedeutet, dass sie von derselben Größenartsind und in denselben Einheiten gemessen werden. Energie ist ein Oberbegriff, der auch dieArbeit mit einschließt. Andererseits muss man auch zwischen Energie und Arbeit unterschei-den. Mit der Beschreibung der Energie eines Körpers beschreibt man einen Zustand, währendArbeit ein in einem Zeitraum ablaufender Vorgang ist. Man kann vom Energieinhalt eines Kör-pers sprechen, einen Arbeitsinhalt gibt es nicht. Arbeit ist eine Form der Energieübertragung.

Die Arbeit tritt in der Thermodynamik in mehreren Erscheinungsformen auf, die manzur besseren Unterscheidung mit verschiedenen Namen bezeichnet.

2.4.1 Volumenänderungsarbeit

Zur Erklärung der Volumenänderungsarbeit betrachten wir ein einfaches geschlossenesSystem mit veränderlichem Volumen (Bild 2.5). Der durch einen reibungsfrei beweg-lichen Kolben verschlossene Zylinder enthalte ein Gas, das einen Druck p auf die Be-randung des Systems und damit auf den Kolben ausübt. An dem Kolben greift eineNormalkraft F an. Die am Kolben angreifenden Kräfte F und Fp = p A befinden sichim Gleichgewicht.

−→F +

−→Fp = 0 (2.17)

Da die Wirkungslinien der Kräfte gleich sind, gilt auch

F = −p A . (2.18)

Um das Gas reibungsfrei zu komprimieren, verschieben wir den Kolben um das Weg-element ds. Die Kraft F verrichtet die Arbeit

dWV = F ds . (2.19)

Diese Arbeit verändert das Gasvolumen, sie wird daher Volumenänderungsarbeit ge-nannt. Das Wegelement ds lässt sich durch die Kolbenfläche A und die Volumenände-rung dV ausdrücken:

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2.4 Arbeit 15

dWV = −p Ads = −p AdV

A= −p dV (2.20)

Gl. (2.20) erfüllt die in Abschnitt 2.1 aufgestellte Vor-zeichenvereinbarung. Bei der Kompression des Gasvo-lumens wird dem System Arbeit zugeführt, sie mussdeshalb positiv werden; bei einer Expansion (dV po-sitiv) wird vom System Arbeit abgegeben, die Volu-menänderungsarbeit wird negativ.

Die Volumenänderungsarbeit, die auf dem Weg vomAnfangszustand 1 zum Endzustand 2 geleistet wird,erhält man durch Integration der Gl. (2.20). Es istüblich, anstelle der Integrationsgrenzen V1 und V2 nurdie Ziffern 1 und 2 zu schreiben:

WV 12 = −

2∫

1

p dV (2.21)

Das Integral wird durch den Verlauf der Zustandskur-ve zwischen den Punkten 1 und 2 im p, V -Diagrammbestimmt und ist daher vom Weg abhängig. Die Volu-menänderungsarbeit ist keine Zustandsgröße, sonderneine Prozessgröße. Das wird auch durch die Schreib-weise zum Ausdruck gebracht:

2∫

1

dWV = WV 12 (2.22)

Die Schreibweise WV 2 − WV 1 wäre falsch.Bild 2.5 Darstellung derVolumenänderungsarbeitim p, V - Diagramm

Beispiel 2.4 1 kg des Kältemittels R 134 a mit einer Temperatur von 20 ◦C und einemVolumen V1= 0,2344 m3 soll auf ein Volumen von V2 = 0,04296 m3 isotherm verdichtetwerden. Der Druck hängt nach Beispiel 5.9 bei der isothermen Zustandsänderung in folgenderWeise vom Volumen ab:

p =ϕ0

V+ϕ1

V 2+ϕ2

V 3

ϕ0 = 0,23888 m3 bar ϕ1 = −0,0010558 m6 bar ϕ2 = 0,00000087285 m9 bar

Welche Volumenänderungsarbeit ist zu verrichten?

WV 12 = −

2Z

1

p dV = −ϕ0

2Z

1

dV

V− ϕ1

2Z

1

dV

V 2− ϕ2

2Z

1

dV

V 3

= −ϕ0 lnV2

V1

+ ϕ1

` 1

V2

−1

V1

´

+ϕ2

2

` 1

V 22

−1

V 21

´

= 38,548 kJ

Das Vorzeichen ist positiv: Die Volumenänderungsarbeit wird dem System zugeführt.

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16 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

2.4.2 Kupplungsarbeit

Schließt das thermodynamische System eine Maschine ein, die über eine Maschinen-welle mit einer zweiten Maschine außerhalb des Systems in Verbindung steht, so wirddie Maschinenwelle als Bauelement der Energieübertragung von der Systemgrenze ge-schnitten. Über diese Welle kann dem System entweder Arbeit zugeführt (z. B. beimVerdichter) oder vom System Arbeit an ein zweites System abgegeben werden (z. B.bei der Turbine). Diese Art von Arbeit wird Kupplungsarbeit (oder auch Wellenarbeit,effektive Energie, technische Arbeit) We genannt. Bezeichnet man das an der Welleauftretende Drehmoment mit M , die Winkelgeschwindigkeit mit ω und die Zeitdauerder Energieübertragung mit τ , so ist

dWe = M(τ)ω(τ) dτ . (2.23)

Im stationären Fall istWe = M ω τ . (2.24)

Die Kupplungsarbeit ist eine Prozessgröße.

Bild 2.6 Beispiel für das Auftreten vonKupplungsarbeit: Antrieb einer Maschine 1durch einen Elektromotor 2

Beispiel 2.5 Ein Kompressor benötigt zum Antrieb eine Kupplungsleistung von 20 kW.Wie groß ist das an der Welle auftretende Drehmoment bei einer Drehzahl von 1200 1/min?Welche Kupplungsarbeit tritt bei einer Umdrehung auf?

Pe = We = M ω = M 2π n M =Pe

2π n=

20 kW

2π 20 1/s= 159 N m

We =Pe

n=

20 kW

20 1/s= 1 kJ

Das Vorzeichen ist positiv: Die Kupplungsarbeit wird dem System zugeführt.

2.4.3 Verschiebearbeit

Wird eine Stoffmenge über eine Systemgrenze transportiert, so tritt die Verschiebe-arbeit auf. Wir betrachten ein einfaches offenes System (Bild 2.7). Eine abgegrenzteStoffmenge der Masse ∆m mit dem Volumen V1 strömt im Eintrittsquerschnitt A1 überdie Systemgrenze. Ist der Druck des Fluids an dieser Stelle p1, so muss beim Eintrittin das System gegen diesen Druck eine Arbeit W1 geleistet werden.

W1 = F1 s1 = p1 A1

V1

A1

= p1 V1 (2.25)

Gleichzeitig verlässt eine gleich große Stoffmenge der Masse ∆m mit dem VolumenV2 den Austrittsquerschnitt A2 und muss gegen den dort herrschenden Druck p2 eineArbeit W2 leisten, d. h. Arbeit wird abgegeben.

W2 = F2 s2 = p2 A2

V2

A2

= p2 V2 (2.26)

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2.4 Arbeit 17

In der Regel interessiert nur die Differenz der Verschiebearbeiten.

W2 − W1 = p2 V2 − p1 V1 (2.27)

Da die Verschiebearbeit nur vom Ein- bzw. Austrittszustand abhängt und nicht vonder Zustandsänderung, welche die Masse ∆m beim Durchgang durch das offene Systemerfährt, ist die Verschiebearbeit eine Zustandsgröße.

Bild 2.7 Darstellung derVerschiebearbeita) bei einem offenen Systemb) im p, V -Diagramm

Beispiel 2.6 Bei der in Beispiel 2.4 genannten Verdichtung ist der Druck p1 = 1 bar, derDruck p2 = 5 bar. Welche Verschiebearbeiten treten beim Eintritt in das offene System bzw.beim Ausströmen aus dem offenen System auf?

W1 = p1 V1 = 1 bar · 0,2344 m3 = 23,440 kJ 1 m3bar = 100 kJ

W2 = p2 V2 = 5 bar · 0,04296 m3 = 21,480 kJ

2.4.4 Druckänderungsarbeit

Zum Verständnis dieser bei offenen Systemen auftretenden Arbeit betrachten wir einenVerdichter in Form einer Strömungsmaschine (Bild 2.7). Damit wird ein Gasstrom voneinem Niederdruckbehälter mit dem Druck p1 in einen Hochdruckbehälter mit demDruck p2 gefördert. Der Gasstrom wird dabei verdichtet. Der innerhalb des Verdich-tergehäuses vom Gas durchströmte Raum bildet ein offenes System. Dem durch dasoffene System fließenden Gasstrom wird vom Laufrad Arbeit zugeführt. Diese Arbeitwird als Druckänderungsarbeit bezeichnet. Sie ergibt sich aus der bei der Kompressi-on dem Gas zugeführten Volumenänderungsarbeit WV 12 und den beim Überschreitender Systemgrenze auftretenden Verschiebearbeiten W1 und W2. Das Laufrad muss dieVolumenänderungsarbeit WV 12 und die Verschiebearbeit W2 beim Austritt aus demoffenen System aufbringen, während die Verschiebearbeit W1 beim Eintritt in das offe-ne System nicht vom Laufrad, sondern vom Niederdruckbehälter geleistet wird. Damitist

Wp12 = WV 12 + W2 − W1 . (2.28)

Mit den Gln. (2.21), (2.25) und (2.26) erhält man

Wp12 = p2 V2 − p1 V1 −

2∫

1

p dV . (2.29)

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18 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

Einem p, V -Diagramm nach Bild 2.8 lässt sich entnehmen, dass die Druckänderungs-arbeit auch als Integral darstellbar ist.

Wp12 =

2∫

1

V dp (2.30)

dWp = V dp = d(p V ) − p dV . (2.31)

Da die Integrale in den Gln. (2.29) und (2.30) vom Verlauf der Zustandskurve unddamit vom Weg abhängen, ist die Druckänderungsarbeit eine Prozessgröße.

Beispiel 2.7 Wie groß ist in den Beispielen 2.4 und 2.6 bei der Verdichtung die Druckände-rungsarbeit?

Wp12 = WV 12 +W2 −W1 = 38,548 kJ + 21,480 kJ− 23,440 kJ = 36,588 kJ .

Sie kann auch durch den Ausdruck nach Gl. (2.30) berechnet werden. Für 1 kg des KältemittelsR 134 a mit einer Temperatur von 20 ◦C gilt

V =ψ0

p+ ψ1 + ψ2 p

ψ0 = 0,23882 m3 bar ψ1 = −0,0043404 m3 ψ2 = −0,000093042 m3/ bar

Wp12 = ψ0 lnp2

p1

+ ψ1(p2 − p1) +ψ2

2(p2

2 − p2

1)

Mit p1 = 1 bar und p2 = 5 bar erhält man das obige Ergebnis. Bei einer Verdichtung ist dieDruckänderungsarbeit positiv.

Bild 2.8 Darstellung der Druckän-derungsarbeit im p, V -Diagramm

a) Kompression eines Gasstromsb) Druckerhöhung eines Flüssig-

keitsstromsc) Expansion eines Gasstroms

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2.4 Arbeit 19

2.4.5 Reibungsarbeit

Beim Gleiten eines Körpers auf einer festen Unterlage tritt eine Reibungskraft FR auf,welche die Gleitbewegung zu unterbinden sucht. Die Reibungskraft muss durch eineentgegengesetzt gerichtete, in der gleichen Wirkungslinie angreifende TangentialkraftFT überwunden werden, deren Betrag bei einer gleichförmigen Bewegung gleich derReibungskraft ist. Bei sinngemäßer Anwendung der Gln. (2.17) und (2.19) ergibt sichdie Reibungsarbeit aus dem Produkt von Reibungskraft mal Weg.

Diese Vorstellung von der Reibungsarbeit stammt aus der Mechanik. Sie ist auch aufein thermodynamisches System anwendbar, wenn es sich z. B. um die Reibung im La-ger einer Welle handelt. Für thermodynamische Systeme ist aber auch die Reibung vonBedeutung, die in fluidischen Stoffströmen auftritt und ihre Ursache in den Viskositäts-oder Zähigkeitskräften hat. Diese Kräfte bewirken z. B., dass sich im Querschnitt einesStoffstroms, der ein offenes System durchfließt, örtlich unterschiedliche Geschwindigkei-ten ausbilden oder, anders ausgedrückt, ein Geschwindigkeitsprofil (Bild 2.10) entsteht.Reibung tritt auch auf, wenn sich durch Querschnittsänderungen oder Umlenkungenin der Strömung Wirbel bilden.

Bild 2.9 Kräfte beim Gleiten eines festen Bild 2.10 Geschwindigkeitsprofil in einemKörpers FluidFR Reibungskraft FT Tangentialkraft

Reibungsarbeit überschreitet nie die Systemgrenze. Sie kann innerhalb oder außerhalbeines Systems auftreten. Reibungsarbeit im Innern eines Systems wird innere Reibungs-arbeit, in der Umgebung des Systems äußere Reibungsarbeit genannt. Innere Reibungs-arbeit entsteht beispielsweise beim Strömen eines Fluids durch ein offenes System oderbei der Rotation des Rührers, der von außen angetrieben eine Flüssigkeit oder ein Gaserwärmt. Wird eine Maschinenwelle außerhalb eines Systems gelagert, so entsteht imLager äußere Reibungsarbeit.

Die Lage der Systemgrenze entscheidet, ob eine Reibungsarbeit als innere oder als äußereReibungsarbeit anzusehen ist. In Bild 2.11 a und b wird die innere Reibungsarbeit durch dieReibung beim Durchströmen der Lauf- und Leitschaufeln der Strömungsmaschine hervorge-rufen (Strömungsverluste). Die äußere Reibungsarbeit tritt am Lager der Welle auf. Wird dieSystemgrenze anders gelegt (Bild 2.11 c) und z. B. eine Zwangskühlung des Lagers verwen-det (Bild 2.11 d), so ist die Lagerreibung innere Reibungsarbeit bzw. sie erhöht die innereEnergie des Kühlmittelstroms. Bei der Kolbenmaschine tritt die innere Reibungsarbeit aufdurch die Verwirbelung des Fluids sowie durch einen Teil der Gleitreibung der Kolbenringe,der an das Fluid übergeht (Bild 2.11 e). Der andere Teil der Gleitreibung wird durch dieZylinderwand an die Umgebung oder durch Öl als äußere Reibungsarbeit abgeführt. Auch beider Triebwerksschmierung tritt äußere Reibungsarbeit auf.

Reibungsarbeit erhöht zunächst die innere Energie der beteiligten Stoffelemente. Fürdie innere Reibungsarbeit bedeutet dies, dass sich in einem System Temperaturunter-schiede ausbilden und Energieausgleichsströme in Gang gesetzt werden. Überschreiten

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20 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

die Temperaturfelder bei einem nichtadiabaten System die Systemgrenze, so kann einTeil der inneren Reibungsarbeit dem System als Wärme wieder verloren gehen.

Bezeichnet man die innere Reibungsarbeit mit WRI , die äußere Reibungsarbeit mitWRA, so ist die insgesamt geleistete Reibungsarbeit WR. Da die Reibungsarbeit dieSystemgrenze nicht überschreitet, ist ein Vorzeichen, das eine Zufuhr zum Systemoder eine Abgabe vom System an die Umgebung ausdrückt, bedeutungslos. Bei derAufstellung einer Energiebilanz und bei der Formulierung des ersten Hauptsatzes derThermodynamik verwendet man stets die absoluten Beträge.

|WR| = |WRI | + |WRA| (2.32)

Die Reibungsarbeit ist eine Prozessgröße.

Bild 2.11 Innere und äußere Reibungsarbeit in Maschinena), c) und d) Gasturbine b) Turbokompressor e) Kolbenmaschine

2.5 Thermische Energie

Zur Beschreibung des Begriffs der thermischen Energie müssen wir die im Rahmen derklassischen Physik entwickelte Vorstellung von der Struktur der Materie heranziehen.Darin bezeichnet man die kleinsten Teilchen, die noch die Eigenschaften der betrach-teten Stoffmenge aufweisen, als Moleküle bzw. — z. B. bei Edelgasen — als Atome.

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2.5 Thermische Energie 21

Sowohl im Festkörper als auch in einer Flüssigkeit oder einem Gas befinden sich dieseBausteine der Materie nicht in Ruhe, sondern führen Bewegungen aus. Im kristallinenFestkörper bestehen diese Bewegungen in Schwingungen um eine Ruhelage; im Gas be-wegen sich die Moleküle mit großer Geschwindigkeit frei im Raum. Neben Schwingungund Translation können in Molekülen, die aus mehreren Atomen aufgebaut sind, nochRotationsbewegungen der Atome im Molekül auftreten.

Die Gesamtheit der potentiellen und kinetischen Energien aller Moleküle einer Stoff-menge bezeichnet man als thermische Energie. Kennzeichnend ist, dass sich diese ther-mische Energie ungeordnet auf die Moleküle der Stoffmenge verteilt. Außerdem wirddiese Verteilung durch Austauschvorgänge ständig verändert und ist nur durch statis-tische Gesetzmäßigkeiten angebbar. Ein Maß für die mittlere thermische Energie einerStoffmenge in einem einfachen System ist die Temperatur.

2.5.1 Innere Energie

Die in den Stoffmengen eines Systems gespeicherte thermische Energie bezeichnet manals die innere Energie U des Systems. Eine Zunahme der inneren Energie wirkt sichbei einem einfachen System (ohne Phasenübergang) in einer Temperaturerhöhung desStoffes aus. Die moderne Thermodynamik verzichtet auf die in Abschnitt 2.5 wiederge-gebene anschauliche Vorstellung der thermischen Energie, die ein Modell vom Aufbauder Materie voraussetzt (phänomenologische Betrachtungsweise); sie bedient sich einerDefinition, die auch außerhalb des Bereichs der klassischen Physik ihre uneingeschränk-te Gültigkeit behält.

Ein gegenüber seiner Umgebung wärmedichtes System hatten wir als adiabates Sys-tem bezeichnet (Abschnitt 1.2). Verrichten wir an einem adiabaten System Arbeit, diewir ganz allgemein mit W12ad bezeichnen wollen, so führen wir dem System Energiezu. Nach dem Energieprinzip muss diese Energie im System gespeichert werden; wirerhöhen die innere Energie des Systems und können definieren

W12ad = U2 − U1 . (2.33)

Bild 2.12 Erhöhung der inneren Energie eines Systems durch Zufuhr vona) Volumenänderungsarbeit WV 12 b) Kupplungsarbeit We (I Wärmeisolierung)

Andererseits nimmt bei Arbeitsleistung des adiabaten Systems die innere Energie ab.

Die innere Energie erweist sich als Zustandsgröße, denn man kann den Endzustand U2

durch verschiedene Prozesse vom Anfangszustand U1 aus erreichen. In einem geschlos-senen System könnte W12ad beispielsweise eine Volumenänderungsarbeit WV 12 sein,die durch Kompression die innere Energie erhöht.

WV 12 = U2 − U1 (2.34)

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22 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

Ebenso könnte W12ad jedoch eine Kupplungsarbeit We sein, die über ein Rührwerk ininnere Reibungsarbeit |WRI | umgesetzt wird.

We = |WRI | = U2 − U1 (2.35)

Bei technischen Problemen interessiert häufig nicht die absolute Größe der innerenEnergie, sondern nur ihre Änderung. Aussagen über die absolute Größe der innerenEnergie sind deshalb in den meisten Fällen nicht erforderlich.

2.5.2 Wärme

Der Begriff der Wärme wird in der Thermodynamik in einer ganz speziellen und gegen-über dem allgemeinen Sprachgebrauch eingeschränkten Weise definiert. Zur Erklärungbetrachten wir ein einfaches geschlossenes System, das gegenüber seiner Umgebung ei-ne andere Temperatur aufweist. Die Temperatur des Systems sei tS , die Temperaturder Umgebung sei tU . Ist das System nichtadiabat, fehlt also jede Wärmeisolierung,so wird sich über die Systemgrenze hinweg ein Temperaturgefälle ausbilden. DiesesTemperaturgefälle bewirkt einen Transport von thermischer Energie über die System-grenze hinweg, den man als Wärme Q12 bezeichnet. Wärme ist daher die Energie, dieunter der Wirkung eines Temperaturgefälles die Systemgrenze überschreitet und somiteine Form der Energieübertragung darstellt. Wärme fließt von selbst immer in Rich-tung des Temperaturgefälles. Sie ist keine Zustandsgröße, Wärme ist eine Prozessgröße(Abschnitt 3.3.3).

Bild 2.13 Wärme, die von einem System mit der TemperaturtS an die Umgebung mit der Temperatur tU übertragen wird.Bei tS > tU ist nach der Vorzeichenvereinbarung die WärmeQ12 negativ

Die auf die Zeit bezogene Wärme stellt den Wärmestrom Q12 dar.

Q12 =Q12

τ(2.36)

τ ist die Zeitdauer, in der die Wärme Q12 in einem stationären Vorgang die System-grenze überschreitet. Bei einem instationären Vorgang ist

Q12 =dQ

dτ. (2.37)

Eine Gleichung für den Wärmestrom Q12 lässt sich aus dem Umstand herleiten, dassWärme von selbst immer in Richtung eines Temperaturgefälles fließt. Betrachtet manzwei durch eine Wand getrennte Systeme, wobei das System mit der höheren Tem-peratur t den Wärmestrom dQ durch das Wandelement dA hindurch an das mit derniedrigeren Temperatur t′ abgibt, dann ist

dQ = k dA (t − t′) . (2.38)

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2.5 Thermische Energie 23

Bild 2.14 Wärmestrom von einem System mitder Temperatur t an ein System mit der Tem-peratur t′

Der Proportionalitätsfaktor k ist der Wärmedurchgangskoeffizient. Bei der Integrationüber die gesamte Wärmeübertragungsfläche A ist es wesentlich, ob die Temperaturen tund t′ konstant oder veränderlich sind. Kann man bei stationärer Wärmeübertragungvon örtlich unveränderten Temperaturen ausgehen, wie das z. B. bei einer Hauswand imZusammenhang mit der Wärmebedarfsrechnung von Gebäuden der Fall ist, so erhältman

Q12 = k A (t − t′) . (2.39)

Muss man beachten, dass im stationären Fall die Temperaturdifferenz t − t′ örtlichverschieden ist, wie z. B. bei Wärmeübertragern ohne Phasenübergang, dann rechnetman mit der mittleren Temperaturdifferenz (t − t′)m:

Q12 = k A (t − t′)m (2.40)

Da bei der Wärmeübertragung ein System Wärme abgibt und das andere Wärmeaufnimmt, ist eine Unterscheidung zwischen positivem und negativem Wärmestromnicht sinnvoll. Der Wärmestrom wird in diesem Fall stets positiv gerechnet.

2.5.3 Enthalpie

Als Enthalpie H bezeichnet man die Summe aus innerer Energie U und Verschiebear-beit p V .

H = U + p V (2.41)

Da sowohl die innere Energie U als auch die Verschiebearbeit p V Zustandsgrößen sind,ist auch die Enthalpie H eine Zustandsgröße. Sie ist bei isobaren Zustandsänderungenin geschlossenen und offenen Systemen und bei der Behandlung der Arbeit adiabaterMaschinen von besonderer Bedeutung. Wie bei der inneren Energie interessiert auchhier meist nur die Differenz der Enthalpie zwischen Anfangs- und Endzustand.

H2 − H1 = U2 − U1 + p2 V2 − p1 V1 (2.42)

Das Differential der Enthalpie ist

dH = dU + d(p V ) . (2.43)

Da p V eine Funktion von zwei Veränderlichen ist, ist d(p V ) ein totales Differential(Abschnitt 3.3.3):

d(p V ) =

(

∂(p V )

∂p

)

V

dp +

(

∂(p V )

∂V

)

p

dV = V dp + p dV (2.44)

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24 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

Gl. (2.44) stimmt mit Gl. (2.31) überein. Aus den Gln. (2.43) und (2.44) folgt

dH = dU + V dp + p dV . (2.45)

2.6 Energiebilanzen

Die verschiedenen in Maschinen und Apparaten auftretenden Energieumwandlungenund -übertragungen lassen sich anhand der eingeführten Begriffe durch Gleichungenerfassen. Dabei kann stets von der Gültigkeit des Prinzips von der Erhaltung der Ener-gie ausgegangen werden.

2.6.1 Energiebilanz für das geschlossene System

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik für ein geschlossenes System lautet:

Wärme und Arbeit, die als Formen der Energieübertragung einem

ruhenden geschlossenen System zugeführt werden, bewirken eine Er-

höhung der inneren Energie des Systems.

Q12 + W12 = U2 − U1 (2.46)

Besteht die Arbeit W12, die dem System zugeführt wird, aus VolumenänderungsarbeitWV 12 und innerer Reibungsarbeit WRI , so wird aus Gl. (2.46)

Q12 + WV 12 + |WRI | = U2 − U1 (2.47)

und in differentieller Form

dQ + dWV + |dWRI | = dU . (2.48)

Bild 2.15 Darstellung des ersten Hauptsatzes der Ther-modynamik für geschlossene Systeme

Wenn keine Reibung auftritt, wird daraus

Q12 + WV 12 = U2 − U1 (2.49)

oder

Q12 −

2∫

1

p dV = U2 − U1 (2.50)

und in differentieller Schreibweise

dQ − p dV = dU . (2.51)

Page 17: 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik · 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik 2.1 Das Prinzip von der Erhaltung der Energie In der Mechanik wird das Prinzip der Erhaltung der

2.6 Energiebilanzen 25

Bei reibungsfreier isochorer Zustandsänderung ist mit dV = 0

dQ = dU . (2.52)

Bei reibungsfreier adiabater Zustandsänderung ist mit dQ = 0

−p dV = dU . (2.53)

Wir wenden die Aussagen der Gl. (2.46) auf die in Abschnitt 1.2 eingeführten einfachenSysteme an.

Dem Gas, das in einem Behälter mit konstantem Volumen eingeschlossen ist, kann Arbeit inForm von Kupplungsarbeit We zugeführt werden. Tritt z. B. in einem Lager äußere Reibungs-arbeit WRA auf, so erreicht nur die Differenz We − |WRA| die Systemgrenze. Wird diese überein Schaufelrad in innere Reibungsarbeit WRI verwandelt, so gilt

W12 = We − |WRA| = |WRI | . (2.54)

Gl. (2.46) wird in diesem Fall

Q12 +We − |WRA| = U2 − U1 (2.55)oder

Q12 + |WRI | = U2 − U1 . (2.56)

Zugeführte Wärme und innere Reibungsarbeit erhöhen die innere Energie.

Bild 2.16 Energiebilanz für einen Bild 2.17 Energiebilanz für dieBehälter mit konstantem Volumen Kompression eines Gases

Zur Kompression eines Gases, das sich in einem Zylinder befindet, muss dem Kolben vonaußen Arbeit zugeführt werden. Am Gestänge des Kolbens greift die Kolbenkraft F an. Die

übertragene Arbeit2R

1

F ds kann wieder um die in einem Lager auftretende äußere Reibungs-

arbeit vermindert werden. Außerdem verrichtet der Luftdruck pL die Arbeit pL(V1 − V2) beider Kolbenbewegung. Damit wird die Arbeit, welche die Systemgrenze überschreitet,

W12 =2R

1

F ds+ pL(V1 − V2)− |WRA| . (2.57)

Im System wird diese Arbeit zur Kompression des Gases durch die VolumenänderungsarbeitWV 12 verwendet, ein Teil kann sich jedoch in innere Reibungsarbeit WRI verwandeln.

W12 = WV 12 + |WRI | = −2R

1

p dV + |WRI | (2.58)

Gl. (2.46) lautet in diesem Fall

Q12 +2R

1

F ds+ pL(V1 − V2)− |WRA| = U2 − U1 (2.59)

Page 18: 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik · 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik 2.1 Das Prinzip von der Erhaltung der Energie In der Mechanik wird das Prinzip der Erhaltung der

26 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

oder

Q12 −2R

1

p dV + |WRI | = U2 − U1 . (2.60)

Beispiel 2.8 Ein Gasbehälter hat eine kreisförmige Grundfläche von 16 m Durchmesserund eine Höhe von 20 m. Er wird durch einen verschiebbaren flachen Deckel gasdicht abge-schlossen. Der Deckel hat eine Masse von 45 320 kg, der Luftdruck beträgt 1000 mbar. DurchSonneneinstrahlung vergrößert sich das Gasvolumen bei geichbleibendem Luft- und Gasdruck,und der Deckel hebt sich reibungsfrei und sehr langsam um 0,48 m. Wie groß ist die gegenden Luftdruck verrichtete Arbeit, wie groß ist die Volumenänderungsarbeit, welche Änderungder inneren Energie tritt ein, wenn die Sonneneinstrahlung 40 690 kJ beträgt?

Die gegen den Luftdruck aufzubringende Arbeit ist

pL(V2 − V1) = pL sA = 1000 mbar · 0,48 m · 201,06 m2 = 9651 kJ.

Die Volumenänderungsarbeit beträgt, da der Gasdruck konstant bleibt,

WV 12 = − p (V2 − V1) = −(pL +G

A) sA = −102 211 N/m2 · 0,48 m · 201,06 m2

= −9864 kJ.

Die Änderung der inneren Energie ist

U2 − U1 = Q12 +WV 12 = 40 690 kJ− 9864 kJ = 30 826 kJ.

2.6.2 Energiebilanz für das offene System

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik für ein offenes System lautet:

Wärme und Arbeit, die als Formen der Energieübertragung einem

offenen System zugeführt werden, bewirken eine Erhöhung des Ener-

gieinhalts des Stoffstroms.

Q12 + W12 = E2 − E1 (2.61)

Für das in Abschnitt 1.2 eingeführte einfache offene System ist der Energieinhalt desStoffstroms die Summe aus innerer, kinetischer und potentieller Energie. Bei Vernach-lässigung des Auftriebs ist

E = U +m

2c2 + m g z . (2.62)

Die Erhöhung des Energieinhalts des Stoffstroms ist somit

E2 − E1 = U2 − U1 +m

2(c2

2 − c2

1) + m g (z2 − z1) . (2.63)

Die dem System zugeführte Arbeit setzt sich aus der Verschiebearbeit W1 und der umdie äußere Reibungsarbeit WRA verminderten Kupplungsarbeit We zusammen. DieVerschiebearbeit W2 wird vom System abgegeben.

W12 = W1 − W2 + We − |WRA| = p1 V1 − p2 V2 + We − |WRA| (2.64)

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2.6 Energiebilanzen 27

Gl. (2.61) erhält die Form

Q12 + We − |WRA| + W1 − W2 = E2 − E1 (2.65)

oder

Q12 + We − |WRA| + p1 V1 − p2 V2 = U2 − U1 +m

2(c2

2 − c2

1) + m g (z2 − z1) . (2.66)

Mit Gl. (2.42) für die Enthalpie ergibt sich

Q12 + We − |WRA| = H2 − H1 +m

2(c2

2 − c2

1) + m g (z2 − z1) . (2.67)

Betrachten wir das offene System nach Abschnitt 1.3 als bewegtes geschlossenes System,so lässt sich Gl. (2.47) in Gl. (2.66) einsetzen, und wir erhalten

We − |WRA|+ p1 V1 − p2 V2 = −

2∫

1

p dV + |WRI |+m

2(c2

2 − c2

1)+m g (z2 − z1) . (2.68)

Mit den Gln. (2.29) und (2.32) wird daraus

We = Wp12 +m

2(c2

2 − c2

1) + m g (z2 − z1) + |WR| . (2.69)

Bild 2.18 Darstellung des ersten Haupt-satzes der Thermodynamik für offene Sys-teme

Aus den Gln. (2.67) und (2.69) entsteht schließlich

Q12 + Wp12 + |WRI | = H2 − H1 (2.70)

oder mit Gl. (2.30)

Q12 +

2∫

1

V dp + |WRI | = H2 − H1 (2.71)

und in differentieller Schreibweise

dQ + V dp + |dWRI | = dH . (2.72)

Ist das System reibungsfrei, so gilt

Q12 +

2∫

1

V dp = H2 − H1 (2.73)

Page 20: 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik · 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik 2.1 Das Prinzip von der Erhaltung der Energie In der Mechanik wird das Prinzip der Erhaltung der

28 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

und in differentieller Schreibweise

dQ + V dp = dH . (2.74)

Bei reibungsfreier isobarer Zustandsänderung ist mit dp = 0

dQ = dH . (2.75)

Bei reibungsfreier adiabater Zustandsänderung ist mit dQ = 0

V dp = dH . (2.76)

In vielen Fällen ist es vorteilhaft, wenn man statt einer Energie- und Arbeitsbilanz eineEnergiestrom- und Leistungsbilanz aufstellt. Es treten dann folgende Größen auf:

zeitliche Änderung der potentiellen Energie Ep2 − Ep1 = m g (z2 − z1)

zeitliche Änderung der kinetischen Energie Ek2 − Ek1 =m

2(c22 − c

2

1)

Kupplungsleistung We = Pe = M ω

Reibungsleistung WR = PR WRI = PRI WRA = PRA

Wärmestrom Q12

Enthalpiestrom H2 − H1

Aus der Gl. (2.67) wird

Q12 + Pe − |PRA| = H2 − H1 +m

2(c22 − c

2

1) + m g (z2 − z1) . (2.77)

Die Formulierung des ersten Hauptsatzes für einen adiabaten Strömungsprozess ohne Zufuhroder Abgabe von Kupplungsleistung ergibt

H2 − H1 +m

2(c22 − c

2

1) + m g (z2 − z1) = 0 . (2.78)

Die Strömung durch eine Rohrleitung bildet ein offenes System, in dem Kupplungsarbeit,Wärme und äußere Reibungsarbeit gleich null sind. Nehmen wir an, dass die Unterschiede derkinetischen und potentiellen Energie zwischen zwei betrachteten Querschnitten vernachlässig-bar sind, so gilt

We = 0 WRA = 0 c2 = c1 z2 = z1 Q12 = 0 .

Nach Gl. (2.69) ist dann mit Gl. (2.32)

Wp12 = −|WRI | (2.79)

oder mit Gl. (2.30)

|WRI | = −2R

1

V dp . (2.80)

Bei innerer Reibungsarbeit (Abschnitt 2.4.5) in der Rohrleitung muss der Druck in Strömungs-richtung abnehmen, da sonst die rechte Seite der Gl. (2.80) nicht positiv sein kann. Bei derStrömung durch Wärmeübertrager aller Art (z. B. Erhitzer, Kühler, Verdampfer, Kondensator,Kessel) gelten bis auf die Wärmeübertragung im Allgemeinen die gleichen Voraussetzungenwie für Rohrleitungen. Gl. (2.70) liefert mit Gl. (2.79)

Q12 = H2 −H1 = U2 − U1 + p2 V2 − p1 V1 . (2.81)

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2.6 Energiebilanzen 29

Die übertragene Wärme kann aus der Änderung der Enthalpie des Stoffstroms berechnetwerden. Da man bestrebt ist, die innere Reibungsarbeit klein zu halten, ist der Druckabfall∆p gemessen am absoluten Druck p im Allgemeinen so klein, dass die Strömung als isobarbetrachtet werden kann. Für inkompressible Flüssigkeiten (V = const) folgt daraus

Q12 = U2 − U1 . (2.82)

Beispiel 2.9 An einer Wasserturbine wird im Eintrittsstutzen mit einem Durchmesser von400 mm bei einem Überdruck von 23,2 bar eine Geschwindigkeit von 4,6 m/s gemessen. Im4,2 m tiefer liegenden Abflussrohr strömt das Wasser mit einer Geschwindigkeit von 8,3 m/sohne Überdruck ins Freie. Der Luftdruck beträgt 980 mbar. Die Temperaturerhöhung desWassers zwischen Eintrittsstutzen und Abflussrohr wird zu 0,24 K bestimmt; die spezifischeWärmekapazität beträgt 4,19 kJ/(kg K). Die Durchströmung der Turbine erfolgt adiabat.Welche Kupplungsleistung liefert die Turbine, wenn keine äußere Reibungsleistung auftritt?Wie groß ist die innere Reibungsleistung? Welche Kupplungsleistung würde die Turbine liefern,wenn keine innere Reibung auftritt?

In Gl. (2.77) können Q12 = 0 und PRA = 0 gesetzt werden.

Pe = H2 − H1 +m

2(c22 − c

2

1) + m g (z2 − z1)

= U2 − U1 + p2 V2 − p1 V1 +m

2(c22 − c

2

1) + m g (z2 − z1)

In diesem Druckbereich kann Wasser als inkompressibel angenommen werden: V1 = V2 = m/.Mit Gl. (2.84) erhält man

Pe = m [c∆t+p2 − p1

+

1

2(c22 − c

2

1) + g (z2 − z1)]

m = c1 A1 = 578 kg/s

Pe = 578 kg/s · [4,19 kJ/(kg K) · 0,24 K +(0,98− 24,18) · 105 N/m2

1000 kg/m3+

+1

2(8,32 − 4,62) m2/s2 + 9,81 m/s2 · (−4,2 m)]

= 578 kg/s · (1,0056 − 2,32 + 0,023865 − 0,041202) kJ/kg = −770 kW.

Die innere Reibungsleistung ergibt sich, wenn man das offene System als bewegtes geschlos-senes System betrachtet. Mit Gl. (2.47) ist, da Q12 = 0 ist und infolge der Inkompressibilitätauch PV 12 = 0 wird,

|PRI | = U2 − U1 = m c∆t = 581 kW .

Tritt keine Reibungsleistung auf, so bleibt die Wassertemperatur konstant: U2 = U1. DieKupplungsleistung im Idealfall ist

(Pe)id = m [p2 − p1

+

1

2(c22 − c

2

1) + g (z2 − z1)]

= 578 kg/s · [(0,98− 24,18) · 105 N/m2

1000 kg/m3+

1

2(8,32 − 4,62) m2/s2 +

+ 9,81 m/s2 · (−4,2 m)]

= 578 kg/s · (−2,32 + 0,023865 − 0,041202) kJ/kg = −1351 kW.

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30 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

Beispiel 2.10 In einem Wärmeübertrager werden 3,64 kg/s einer Flüssigkeit mit einer Ein-trittstemperatur von 75,0 ◦C auf 32,0 ◦C gekühlt. Die spezifische Wärmekapazität beträgtc = 3, 687 kJ/(kgK). Vor dem Eintritt in den Wärmeübertrager werden eine Geschwindigkeitvon 2,1 m/s und ein Druck von 1,23 bar gemessen, nach dem Austritt aus dem Wärmeübertra-ger beträgt die Geschwindigkeit 1,8 m/s, der Druckabfall im Wärmeübertrager ist 5200 N/m2.Welcher Wärmestrom muss vom Kühlmedium aufgenommen werden, wenn die Austrittsmess-stelle 0,6 m über der Eintrittsmessstelle liegt? Die Flüssigkeit hat die Dichte = 1000 kg/m3.Mit Pe = 0 und PRA = 0 liefert Gl. (2.77)

Q12 = U2 − U1 + p2 V2 − p1 V1 +m

2(c22 − c

2

1) + m g (z2 − z1)

= m [c∆t+p2 − p1

+

1

2(c22 − c

2

1) + g (z2 − z1)]

= 3,64 kg/s · [3,687 kJ/(kg K) · (−43,0 K)−5200 N/m2

1000 kg/m3+

+1

2(1,82 − 2,12) m2/s2 + 9,81 m/s2 · 0,6 m]

= 3,64 kg/s · (−158,541 − 0,0052 − 0,000585 + 0,005886) kJ/kg = −577 kW .

Bei Vernachlässigung des Druckverlusts, der Änderung der kinetischen Energie und der Än-derung der potentiellen Energie erhält man dasselbe Ergebnis.

2.7 Wärmekapazität

Führt man einem festen Körper Wärme zu, ohne dass Arbeit auftritt und sich seinAggregatzustand ändert, so erhöht sich seine Temperatur. Die Temperaturerhöhunghängt von der Wärmekapazität des Körpers ab: Bei gleicher Wärmezufuhr ist miteiner großen Wärmekapazität eine kleine Temperaturerhöhung und mit einer kleinenWärmekapazität eine große Temperaturerhöhung verbunden. Beim isobaren Schmelzenoder Verdampfen eines reinen Stoffes bleibt trotz Wärmezufuhr die Temperatur gleich.Das bedeutet eine unendlich große Wärmekapazität beim Schmelzen oder Verdampfen.Dieselbe Wirkung wie eine Wärmezufuhr hat die innere Reibungsarbeit.

Beim Reiben eines festen Körpers auf einer rauhen Unterlage wird Reibungsarbeit geleis-tet. Betrachtet man den festen Körper als System und die Oberfläche des festen Körpers alsSystemgrenze, so ist die zwischen ruhender Unterlage und bewegtem Körper geleistete Rei-bungsarbeit teils äußere und teils innere Reibungsarbeit. Der Teil der Reibungsarbeit, dereine Temperaturerhöhung der ruhenden Unterlage bewirkt, ist äußere Reibungsarbeit. InnereReibungsarbeit ist der Anteil, der eine Temperaturerhöhung des bewegten Körpers zur Fol-ge hat. Die innere Reibungsarbeit wirkt sich somit in gleicher Weise wie eine Wärmezufuhraus. Die Temperaturerhöhung ist auch hier von der Wärmekapazität des betrachteten Körpersabhängig.

Zwischen der Summe aus Wärmezufuhr dQ und innerer Reibungsarbeit dWRI sowieder Temperaturerhöhung dt besteht ein linearer Zusammenhang, wobei die Wärmeka-pazität C der Proportionalitätsfaktor ist.

dQ + |dWRI | = C dt = m c dt (2.83)

c ist die spezifische Wärmekapazität (Abschnitt 2.7.1). Bei festen Körpern und Flüssig-keiten kann die mit der Temperaturerhöhung verbundene Volumenänderung praktisch

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2.7 Wärmekapazität 31

vernachlässigt werden. Damit wird auch die Volumenänderungsarbeit WV 12 = 0, undder erste Hauptsatz für geschlossene Systeme erhält nach Gl. (2.48) die Form

dQ + |dWRI | = dU = C dt = m c dt . (2.84)

Bezieht man bei einem Fluid alle Größen auf die Zeit, so ist

dQ + |dWRI | = C dt = W dt . (2.85)

Die zeitbezogene Wärmekapazität des Fluidstroms C wird auch als Wasserwert und mit demBuchstaben W bezeichnet. Das hängt mit der ursprünglichen Definition der Kilokalorie zusam-men, wonach die Kilokalorie die Wärme ist, die man benötigt, um ein Kilogramm Wasser umein Grad zu erwärmen. Der Wasserwert ist dann der Ersatz-Wasserstrom eines Fluidstroms,der bei gleichem Wärmestrom dieselbe Temperaturänderung ergibt.

2.7.1 Spezifische Wärmekapazität

Die auf die Masse m bezogene Wärmekapazität C ist die spezifische Wärmekapazitätc

c =C

m(2.86)

oder mit Gl. (2.84)

c =dQ + |dWRI |

m dt. (2.87)

Die spezifische Wärmekapazität ist im Allgemeinen eine Funktion der Temperatur. Sienimmt mit steigender Temperatur zu. Die spezifische Wärmekapazität nach Gl. (2.87)nennt man wahre spezifische Wärmekapazität.

Die Integration der Gl. (2.83) unter Beachtung der Gl. (2.86) ergibt

Q12 + |WRI | = m

2∫

1

c dt . (2.88)

Für den praktischen Gebrauch schreibt man Gl. (2.88) vorteilhafter mit der mittlerenspezifischen Wärmekapazität cm.

Q12 + |WRI | = m cm(t2 − t1) (2.89)

Dabei ist

cm =1

t2 − t1

2∫

1

c dt . (2.90)

Eine Mittelwertbildung nach Gl. (2.90) bei jeder Anwendung der Gl. (2.89) vorzunehmen, istpraktisch nicht durchführbar. Eine Vorwegnahme aller Integrationen und eine Darstellung derErgebnisse

cm = f (t1, t2) (2.91)

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32 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

in einer Tabelle wird umfangreich, weil Gl. (2.91) eine Funktion von zwei Veränderlichen ist.Mit einem einfachen Kunstgriff kann man das Problem der Mittelwertbildung leichter lösen.Mit der Beziehung

2R

1

cdt =t2R

t1

cdt =0R

t1

cdt+t2R

0

cdt =t2R

0

cdt−t1R

0

cdt (2.92)

lässt sich Gl. (2.90) wie folgt umformen:

cm =1

t2 − t1

`

t2R

0

cdt−t1R

0

cdt´

(2.93)

Damit jede Integration als Mittelwertbildung nach Gl. (2.90) erscheint, wird Gl. (2.93) erwei-tert, wobei die runden Klammern die Mittelwerte deutlich hervorheben sollen:

cm =1

t2 − t1

ˆ` 1

t2 − 0

t2R

0

cdt´

t2 −` 1

t1 − 0

t1R

0

c dt´

t1˜

(2.94)

Die mittlere spezifische Wärmekapazität in einem bestimmten Temperaturbereich erhält mannach Gl. (2.94) durch eine einfache Rechenoperation und mit Hilfe zweier Mittelwerte, beidenen die unteren Grenzen übereinstimmen.Mit der vereinfachenden Schreibweise für Gl. (2.90)

cm =1

t2 − t1

2∫

1

c dt = cm|t2t1 (2.95)

nimmt Gl. (2.94) folgende Gestalt an:

cm|t2t1 =1

t2 − t1(cm|t2

0 ◦C· t2 − cm|t1

0 ◦C· t1) (2.96)

Zur Berechnung der mittleren spezifischen Wärmekapazität nach Gl. (2.96) benötigtman eine Darstellung

cm|t0 ◦C = f (t) . (2.97)

Gl. (2.97) ist eine Funktion von einer Veränderlichen. Eine Tabelle nach Gl. (2.97) hateinen viel kleineren Umfang als eine Tabelle nach Gl. (2.91).

Bild 2.19 Wahre und mittlerespezifische Wärmekapazitätcm|

t10 ◦C

< cm|t20 ◦C

< cm|t2t1

In vielen Fällen verzichtet man bei der Bezeichnung der mittleren spezifischen Wärme-kapazität auf den Index m und auf die Angabe der Temperaturen, zwischen denen dieMittelwertbildung vorgenommen wurde. Es bedeutet dann

c = cm|t2t1 . (2.98)

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2.7 Wärmekapazität 33

Hat die spezifische Wärmekapazität c die Bedeutung eines Mittelwertes, dann wird ausGl. (2.88)

Q12 + |WRI | = m c

2∫

1

dt = m c (t2 − t1) . (2.99)

Bei der Behandlung der Zustandsänderungen wird die spezifische Wärmekapazitätmeist in diesem Sinne verwendet.

Tabelle 2.4 Wahre spezifische Wärmekapazität c und mittlere spezifische Wärmekapazitätcm|

t0 ◦C in kJ/(kgK) von Eisen nach [98]

t ◦C 0 20 100 200 300 400 500 600 700 800 1000c 0,440 0,452 0,486 0,532 0,582 0,628 0,678 0,754cm|

t0◦C 0,440 0,444 0,465 0,486 0,511 0,532 0,557 0,582 0,628 0,670 0,703

Tabelle 2.5 Wahre spezifische Wärmekapazität c in kJ/(kgK) von Wasser nach [128]

↓ p t in ◦C →bar 0 10 20 30 40 50 60 70 80

1 4,2194 4,1955 4,1848 4,1800 4,1786 4,1796 4,1828 4,1881 4,195550 4,1955 4,1773 4,1698 4,1670 4,1667 4,1684 4,1720 4,1775 4,1849

100 4,1723 4,1595 4,1551 4,1541 4,1549 4,1573 4,1613 4,1670 4,1744150 4,1501 4,1425 4,1410 4,1417 4,1435 4,1466 4,1509 4,1568 4,1642200 4,1290 4,1262 4,1274 4,1297 4,1325 4,1361 4,1409 4,1468 4,1542250 4,1090 4,1107 4,1144 4,1181 4,1218 4,1260 4,1311 4,1372 4,1445300 4,0899 4,0958 4,1018 4,1069 4,1115 4,1162 4,1215 4,1278 4,1351

Tabelle 2.6 Mittlere spezifische Wärmekapazität cm|t0◦C in kJ/(kgK) von Wasser nach [128]

↓ p t in ◦C →bar 0 10 20 30 40 50 60 70 80

1 4,2194 4,2058 4,1976 4,1924 4,1891 4,1870 4,1860 4,1859 4,186650 4,1955 4,1850 4,1790 4,1754 4,1732 4,1720 4,1717 4,1721 4,1732

100 4,1723 4,1648 4,1609 4,1587 4,1576 4,1573 4,1576 4,1585 4,1600150 4,1501 4,1455 4,1435 4,1427 4,1427 4,1431 4,1440 4,1454 4,1473200 4,1290 4,1270 4,1269 4,1274 4,1283 4,1295 4,1310 4,1328 4,1350250 4,1090 4,1095 4,1110 4,1127 4,1145 4,1164 4,1184 4,1206 4,1231300 4,0899 4,0927 4,0958 4,0986 4,1013 4,1038 4,1063 4,1089 4,1117

Beispiel 2.11 Wie groß ist die mittlere spezifische Wärmekapazität von Eisen im Tempera-turbereich von 150 ◦C bis 350 ◦C ?

Durch lineare Interpolation der mittleren spezifischen Wärmekapazitäten von Tabelle 2.4 er-hält man

cm|150

◦C

0 ◦C = 0,4755 kJ/(kg K) cm|350

◦C

0 ◦C = 0,5215 kJ/(kg K)

Die gesuchte mittlere spezifische Wärmekapazität ist nach Gl. (2.96)

cm|350

◦C

150 ◦C =0,5215 kJ/(kg K) · 350 ◦C− 0,4755 kJ/(kg K) · 150 ◦C

350 ◦C− 150 ◦C= 0,556 kJ/(kg K) .

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34 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

Beispiel 2.12 Ein Härtebad enthält 0,5 m3 Öl mit der Dichte Oel = 900 kg/m3 und einerTemperatur von tOel = 20 ◦C. In diesem Bad sollen Stahlteile gehärtet werden, die mit einerTemperatur von tSt = 800 ◦C in das Bad eingebracht werden. Welche größte ChargenmassemSt ist zulässig, wenn die Mischungstemperatur tM 10 K unter der Flammtemperatur des Ölsvon tF = 200 ◦C bleiben soll?

cm Oel|190

◦C

20 ◦C = 2,294 kJ/(kg K)

Nach Tabelle 2.4 mit Gl. (2.96) erhält man

cm St|800

◦C

190 ◦C = 0,728 kJ/(kg K)

Beide Stoffmengen zusammen bilden nach dem Einbringen der Stahlteile ein abgeschlossenesSystem, dessen innere Energie konstant bleibt. Die inneren Energien der Einzelstoffe ändernsich jedoch. Für das Öl erhält man

U2 Oel − U1 Oel = mOel cm Oel(tM − tOel)

und für die StahlteileU2 St − U1 St = mSt cm St(tM − tSt) .

Es istU2 Oel + U2 St − U1 Oel − U1 St = 0 .

Die Auflösung nach mSt ergibt

mSt =0,5 m3 · 900 kg/m3 · 2,294 kJ/(kg K) · (190− 20) ◦C

0,728 kJ/(kg K) · (800− 190) ◦C= 395 kg .

2.7.2 Die spezifische Wärmekapazität der Gase

Bei Gasen ist die spezifische Wärmekapazität abhängig

1. von der Art des Gases,2. von der Temperatur,3. vom Druck,4. von der Art der Zustandsänderung.

Im Sonderfall der idealen Gase entfällt die Abhängigkeit vom Druck.Die Abhängigkeit von der Zustandsänderung wird an einem Vergleich von isochorerund isobarer Zustandsänderung deutlich. Bei konstantem Volumen bezeichnet man diespezifische Wärmekapazität mit cv. Nach Gl. (2.48) gilt für eine isochore Zustandsän-derung

dQ + |dWRI | = dU = m du = m cv dt cv =

(

∂u

∂t

)

v

, (2.100)

wobei

u =U

m(2.101)

Page 27: 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik · 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik 2.1 Das Prinzip von der Erhaltung der Energie In der Mechanik wird das Prinzip der Erhaltung der

2.7 Wärmekapazität 35

die spezifische innere Energie bedeutet. Bei konstantem Druck wird die spezifischeWärmekapazität mit cp bezeichnet. Aus Gl. (2.72) und (2.87) folgt für eine isobareZustandsänderung

dQ + |dWRI | = dH = m dh = m cp dt cp =

(

∂h

∂t

)

p

, (2.102)

wobei

h =H

m(2.103)

die spezifische Enthalpie ist. Es sind jedoch noch andere Arten von Zustandsänderungenmöglich, bei denen die Temperatur des Gases sich ebenfalls verändert. Die spezifischeWärmekapazität kann auch negativ werden, wenn bei Wärmezufuhr die Temperatursinkt oder bei Wärmeabgabe die Temperatur steigt, was dann der Fall ist, wenn gleich-zeitig Arbeit abgeführt bzw. Arbeit zugeführt wird.

Aufgaben zu Abschnitt 2

1. Mit einer Wasserbremse soll die Kupplungsleistung eines Motors gemessen werden. In derWasserbremse wird die Kupplungsleistung durch Reibung einem Kühlwasserstrom von 6,59kg/s zugeführt, dessen Temperatur sich von 10 ◦C auf 50 ◦C erhöht. Welche Kupplungsleistunghat der Motor?

2. In einem Trinkwassererwärmer mit der Anschlussleistung von 3 kW sollen 80 Liter Wasservon 12 ◦C auf 57 ◦C erwärmt werden (Dichte beim Überdruck 5 bar: 994 kg/m3). In welcherZeit ist das Wasser aufgewärmt?

3. Bei einem Wasserfall stürzt Wasser mit einer Temperatur von t1 = 10 ◦C 200 Meter in dieTiefe. Dabei führt dessen gesamte Differenz der potentiellen Energie zur Erhöhung der inne-ren Energie; der Vorgang ist gegenüber der Umgebung adiabat. Welche Temperaturerhöhungerfährt das Wasser hierbei? Welche Temperaturerhöhung würde sich einstellen, wenn statt-dessen Quecksilber herabstürzen würde? (Die spezifische Wärmekapazität des Quecksilbersbeträgt c = 0,1393 kJ/(kg K) = const.)

4. Für die Wasserversorgung einer Berggemeinde wird eine Hochdruck-Pumpe im Tal einge-setzt. Der kreisförmige Eintrittsstutzen besitzt einen Durchmesser D1 = 0,1 m2; das durch-strömende Wasser hat einen Absolutdruck p1 = 1,0 bar, wobei die Strömungsgeschwindigkeitc1 = 2,0 m/s beträgt. Im 1,2 m höher gelegenen Austrittsstutzen strömt das Wasser mitder Geschwindigkeit c2 = 4,0 m/s mit dem Absolutdruck p1 = 19,0 bar in die Druckrohrlei-tung. Beim Durchfluss durch die adiabat arbeitende Pumpe erhöht sich die Wassertemperaturinfolge innerer Reibungsleistung |PRI | von t1 = 10,00 ◦C auf t2 = 10,08 ◦C. Die äußere Rei-bungsleistung |PRA| kann vernachlässigt werden. Die Dichte des Wassers ist mit = 1000kg/m3 = const anzusetzen; die spezifische Wärmekapazität des Wassers beträgt c = 4,19kJ/(kg K)= const. Es ist der Volumenstrom V1 = V = const und der Massenstrom m1 =m = const des Wassers am Eintrittsquerschnitt zu bestimmen. Welche Kupplungsleistung Pe

ist zum Antrieb erforderlich? Welche Kupplungsleistung (Pe)id wäre zum Antrieb notwendig,wenn keine innere Reibungsleistung |PRI | auftreten würde?

5. In einer Anlage der chemischen Industrie wird Sauerstoff O2 mit dem Massenstrom 10 kg/sbeim Umgebungsdruck 1 bar von 50 ◦C auf 600 ◦C isobar und reibungsfrei erwärmt, bevorer als Oxidationsmittel in eine Brennkammer eintritt. Es ist die mittlere spezifische isoba-re Wärmekapazität cm|

t2t1

des Sauerstoffs im betrachteten Temperaturintervall anhand der

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36 2 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

cm|t0◦C·-Werte der entsprechenden Tabelle im Anhang zu bestimmen. Wie groß ist der Wär-

mestrom, der auf den Sauerstoffstrom übertragen wird? Welcher Wärmestrom muss zugeführtwerden, wenn der Sauerstoffstrom nicht von 50 ◦C auf 600 ◦C, sondern noch weiter auf 700 ◦Cisobar und reibungsfrei erhitzt wird?

6. Durch einen Wärmeübertrager, der zur Aufnahme von Erdwärme mit einer Wärmepum-pe dient, strömt ein konstanter Massenstrom von 1,1 kg/s eines flüssigen Wasser-Glykol-Gemischs; die Dichte ist 1102 kg/m3 = const; die mittlere spezifische Wärmekapazität beträgt3,85 kJ/(kg K). Am Eintritt in den Wärmeübertrager werden die Temperatur t1 = −3 ◦C, dieGeschwindigkeit c1 = 2,0 m/s und der Druck p1 = 4,5 bar gemessen; am Austritt betragendie Temperatur t2 = 1 ◦C, die Geschwindigkeit c2 = 2,0 m/s und der Druck p2 = 1,2 bar; dieEintrittsmessstelle liegt 1,2 m über der Austrittsmessstelle.

a) Welcher Wärmestrom wird vom Wasser-Glykol-Gemisch aufgenommen? (Es ist zur Berech-nung die allgemeine Formulierung des 1. Hauptsatzes für offene Systeme mit Einbeziehungder kinetischen und der potentiellen Energien zu verwenden.)

b) Wie viele Wärmeübertrager gleicher Bauart sind notwendig, um dem Erdreich einen Wär-mestrom von 32 kW entnehmen zu können?