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2 Dukatenesel GmbH & Co. KG Wer mutwillig nach ungünstigen Anlagemöglichkeiten sucht, wird bestimmt auf jedem Gebiet fündig. Im Bereich der legalen Abzocke- rei scheint dies aber nirgendwo leichter zu gelingen als bei einer ange- botenen Investition in eine GmbH & Co. KG. Eine derartige Firmenkonstruktion wird von richtigen Betrügern, die Geld einsammeln und dann rasch abtauchen wollen, eher selten genutzt, denn der Aufbau der Gesellschaft erfordert einen gewissen Aufwand und ein paar kaufmännische Kenntnisse. Um so besser ist die GmbH & Co. KG aber geeignet, wenn der Plan darin besteht, gleich mehrere Jahrgänge von Anlegern möglichst langfristig und nach Recht und Gesetz auszunehmen. Solche Geschäftemacher fin- den in der GmbH & Co. KG ein ideales Umfeld, um Investoren erst einmal mit Steuersparversprechen und Ausschüttungen bei Laune zu halten, sie anschließend über Jahre zu vertrösten und ihnen die aus- geschütteten Gewinne später wieder abzunehmen – und das alles bei- nahe ganz legal. Nur selten nimmt eine Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf – der Vorwurf des Betrugs oder der Untreue steht allzu oft auf töner- nen Füßen. Meist beträgt die Schadenssumme ohnehin nur einige Millionen, und niemand hat die Investoren zur Geldanlage gezwun- gen. Warum sich da in mühevolle, jahrelange Untersuchungen und Vernehmungen verwickeln lassen? Praktisch jedesmal ist solch eine ausgenommene Gesellschaft durch komplizierte Schachtelverträge an andere Gesellschaften gebunden oder von diesen abhängig. Geschäftsführer tauchen unter und an anderer Stelle wieder auf. Selbst für erfahrene Ermittler ist es schwierig, noch den Überblick zu behalten. Von Strafverfolgungsbehörden haben geprellte Anleger in eine GmbH & Co. KG daher selten etwas zu erwarten. Auch zivil- rechtliche Versuche, sich als Kommanditist aus einer KG zu lösen, scheitern in aller Regel. Kaum einmal erhält ein noch so schwer Geschädigter wenigstens das ursprünglich eingezahlte Geld zurück. Verkauft wird eine Investition in eine GmbH & Co. KG natürlich wie eine bombensichere Geldanlage mit bester Verzinsung des einge- setzten Kapitals. Vielen Kommanditisten ist bei Unterzeichnung des 52

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2 Dukatenesel GmbH & Co. KG

Wer mutwillig nach ungünstigen Anlagemöglichkeiten sucht, wirdbestimmt auf jedem Gebiet fündig. Im Bereich der legalen Abzocke-rei scheint dies aber nirgendwo leichter zu gelingen als bei einer ange-botenen Investition in eine GmbH & Co. KG.

Eine derartige Firmenkonstruktion wird von richtigen Betrügern,die Geld einsammeln und dann rasch abtauchen wollen, eher seltengenutzt, denn der Aufbau der Gesellschaft erfordert einen gewissenAufwand und ein paar kaufmännische Kenntnisse. Um so besser istdie GmbH & Co. KG aber geeignet, wenn der Plan darin besteht,gleich mehrere Jahrgänge von Anlegern möglichst langfristig undnach Recht und Gesetz auszunehmen. Solche Geschäftemacher fin-den in der GmbH & Co. KG ein ideales Umfeld, um Investoren ersteinmal mit Steuersparversprechen und Ausschüttungen bei Laune zuhalten, sie anschließend über Jahre zu vertrösten und ihnen die aus-geschütteten Gewinne später wieder abzunehmen – und das alles bei-nahe ganz legal.

Nur selten nimmt eine Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf –der Vorwurf des Betrugs oder der Untreue steht allzu oft auf töner-nen Füßen. Meist beträgt die Schadenssumme ohnehin nur einigeMillionen, und niemand hat die Investoren zur Geldanlage gezwun-gen. Warum sich da in mühevolle, jahrelange Untersuchungen undVernehmungen verwickeln lassen? Praktisch jedesmal ist solch eineausgenommene Gesellschaft durch komplizierte Schachtelverträge anandere Gesellschaften gebunden oder von diesen abhängig.Geschäftsführer tauchen unter und an anderer Stelle wieder auf.Selbst für erfahrene Ermittler ist es schwierig, noch den Überblick zubehalten. Von Strafverfolgungsbehörden haben geprellte Anleger ineine GmbH & Co. KG daher selten etwas zu erwarten. Auch zivil-rechtliche Versuche, sich als Kommanditist aus einer KG zu lösen,scheitern in aller Regel. Kaum einmal erhält ein noch so schwerGeschädigter wenigstens das ursprünglich eingezahlte Geld zurück.

Verkauft wird eine Investition in eine GmbH & Co. KG natürlichwie eine bombensichere Geldanlage mit bester Verzinsung des einge-setzten Kapitals. Vielen Kommanditisten ist bei Unterzeichnung des

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entsprechenden Vertrages nicht klar, daß kein Anspruch auf Auszah-lung der eingezahlten Einlage bei Auflösung der GmbH & Co. KGbesteht. Ihnen ist auch nicht bewußt, daß die KG-Einlage im Grundenichts anderes als Verfügungsmasse der Banken darstellt.

Die der KG vorangestellte GmbH hat praktisch nie nennenswertesEigenkapital. Demzufolge hat sie einer Darlehen gewährenden Banknicht genügend Sicherheiten zu bieten. Was, wenn sich keine Käuferoder Mieter zu den versprochenen Preisen für die Wohnung finden?Was, wenn das Frachtschiff mangels Kunden monatelang vor Ankerliegen muß? Was, wenn der Windpark gewaltige Instandhaltungsko-sten und nur geringe Erträge produziert? Ganz einfach: Dann werdenneben den Einnahmen der GmbH & Co. KG die Einlagen der Kom-manditisten zur Bedienung der Kredite herangezogen. Denn derenAnsprüche stehen stets hinten an.

Für eine Bank ist daher die Ausleihung an eine GmbH & Co. KGfast immer äußerst lukrativ. So schaffen es selbst die windigstenGeschäftemacher, für ihre zweifelhaften Projekte ein Geldinstitut mitgutem Namen als Kreditgeber zu finden und im Verkaufsprospektbenennen zu können. Ein im Prospekt auftauchender Name wie»Deutsche Bank«, »Commerzbank« oder »Raiffeisenbank« machtdann Investoren glauben, die Geldanlage sei gewiß seriös. Das ist sieaber allein dadurch keineswegs. Vielmehr vertreten Banken erst ein-mal ihre Interessen, danach die ihrer Kunden. Kunden sind in diesemFall aber nicht die Kommanditisten, sondern die Geschäftsführer derdazugehörigen GmbH. Die haben auch die Kreditkonditionen mitder Bank ausgehandelt, und so entstehen auf diesem Feld erstegemeinsame Interessen zwischen jenen, die sich im Zweifelsfall anden Kommanditisten schadlos halten werden.

Zudem ist die betreffende Bank meist in der Nähe des Sitzes derGmbH & Co. KG plaziert. So ist sie den Geschäftsführern der GmbHwesentlich näher als den Kommanditisten, welche die Bank im Scha-densfall vermutlich nie zu Gesicht bekommen wird. Manches Geldin-stitut, das irgendwo in der Provinz ein absehbar unrentierliches Pro-jekt finanziert, wird sich wohl diese Tatsache bei der Kreditvergabevor Augen halten.

Der Trick, mit dem den potentiellen Investoren in eine GmbH &Co. KG – den Kommanditisten – die Geldanlage schöngeredet wird,

Beispiele aus der Praxis 53

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ist stets der gleiche. Zunächst werden übertrieben hohe, sogenannteweiche Kosten in der Projektierung versteckt. Dann werden diezukünftigen Kosten etwa für Wartung und Reparaturen herunterge-rechnet, die zukünftigen Einnahmen (Miete, Charterraten, Lizenzen,Energieerträge etc.) dagegen hoch. Die Ertragsprognosen einerGmbH & Co. KG sehen die wirklich hohen Ausschüttungen für dieKommanditisten erst nach zehn, zwölf, fünfzehn oder siebzehn Jah-ren vor. So vergeht zumeist eine mehrjährige Zeitspanne, bis derInvestor entdeckt, welch böses Spiel mit ihm getrieben wurde: Nur einkleiner Teil der angekündigten Erträge erweist sich als realistisch,und die explodierenden Betriebskosten fressen nicht nur die Einnah-men auf, sondern gleichfalls die Kommanditeinlage.

Ein Paderborner baut mit fremdem Geld ein Klinik-ImperiumDie Detektive der Münchner Auskunftei ADS lauerten schon seitsechs Stunden und 40 Minuten auf dem Parkplatz des Hotels »Gra-ziella Wellness & Beauty Oase« im schweizerischen Hertenstein.Dann fuhr ein dunkelblauer Mercedes-Benz der S-Klasse vor. Ausdem Wagen stieg ein Mann mit Glatze, die obersten Knöpfe des hell-blauen Hemdes waren leger geöffnet, die Hose spannte über demBauch. Die Detektive glaubten sich am Ziel ihrer Suche: ManfredKersting war gestellt.

Zuletzt ließ es sich der Kaufmann bei Eukalyptus-Luftbad undFrüchtetee in einer Schönheitsfarm am Vierwaldstätter See gutgehen.Als er von den privaten Fahndern angesprochen wurde, erklärte sichKersting bereit, mit dem Auftraggeber der ADS-Leute telefonischKontakt aufzunehmen. Nach Deutschland, so erklärte er denGesandten, möchte er derzeit nicht zurück.

In der Heimat hatte sich einiges gegen den Immobilienmakler Ker-sting zusammengebraut: Hunderte von Anlegern fühlten sich um ihrGeld gebracht, Dutzende von Vertriebsleuten, die im Namen vonKersting bei zumeist gut Betuchten die Millionen eingesammelt hat-ten, bekamen den Ärger der Geprellten mit und waren wütend aufden Mann, der ihnen die Immobilien als glänzende Geschäfte ange-

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priesen hatte. Gerichtsvollzieher wollten an Kerstings Vermögen,Staatsanwälte suchten ihn per Haftbefehl.

Die Flucht des Manfred Kersting war nicht so spektakulär wie diedes kriminellen Bauspekulanten Jürgen Schneider. Die Folgen vonKerstings Crash waren aber ebenso gravierend. Denn diesmal traf esnicht an erster Stelle große Banken und Firmen, sondern vornehm-lich mittelständische Freiberufler, die Geld für ihre Alterssicherungin Kerstings Projekte investiert hatten.

Anders als Jürgen Schneider war Manfred Kersting ein unschein-barer Makler, der nicht die Öffentlichkeit suchte und eher im Ver-borgenen wirkte. Kersting, geboren am 30. Oktober 1939 in Dort-mund, machte nach seinem Abitur in Warburg eine Lehre bei derDeutschen Bank in Paderborn. Anschließend studierte er in Bochumund Köln und erreichte den Abschluß eines Diplom-Kaufmanns.Danach ging er zum Bankhaus Herstatt, um anschließend seine Uni-versitätskarriere weiter zu verfolgen. In Innsbruck und Bozen schloßer seine Promotion ab, das Thema der Abschlußarbeit lautet »Indu-striepolitik in Südtirol«.

Parallel zu seiner Doktorarbeit machte sich der Bankkaufmann vormehr als 30 Jahren als Anlageberater selbständig. Zusätzlich zu sei-nem Büro in der Paderborner Jahnstraße eröffnete er später eineDependance im Berliner Europa-Center. Das war der Einstieg ins»Big Business«. Als Deutschland noch in zwei Hälften geteilt war,veräußerte er von dort in erster Linie steuergünstige Immobilien imRahmen der Berlin-Förderung.

Einen besonderen Ruf in Kreisen von Vertretern, die Anlageob-jekte unters Volk bringen sollen, erlangte Kersting bald als jemand,der lukrative Anteile von Privatkliniken in seinem Angebot hatte.Vor den Vertriebsleuten brüstete er sich schon mal damit, fast vierDutzend einschlägige Fonds aufgelegt oder verkauft zu haben. Ko-sten der Spitäler: jeweils zwischen 35 und 130 Millionen DM. Rundzwei Milliarden DM bewegte Kersting mit seinem Geschäft.

Im Lauf der Jahre hatten sich die Anlageberater, die für Kerstingwirkten, einen Kundenkreis von rund 1.000 Besserverdienenden auf-gebaut. Rund 150 Leute – Steuerberater, Kaufleute, Finanz- undWirtschaftsberater – versorgten dieses Klientel stets mit den neustenAngeboten aus dem Immobilienbereich. Der Niedergang begann

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Anfang der neunziger Jahre, als Kersting mit Kollegen aus Bayern insGeschäft kam.

Gemeinsam beschloß das Trio, in Passau einen großen Fonds auf-zulegen. Schon bestehende Klinikgebäude sollten renoviert und miteiner daneben neu errichteten modernen Rehabilitationsklinik fürNeurologie, Schwerstpflegefälle und Hirnverletzte verbunden wer-den. Der Gesamtkomplex, das »Jesuitenschlößl Passau«, war mitumgerechnet 47,5 Millionen Euro veranschlagt worden.

Kerstings Werbung lief wie geschmiert. Das Objekt sei eine »Geld-maschine«, schwärmte der Gebäudeverkäufer. 8,5 Prozent Ausschüt-tung sollte es laut Prospekt schon im ersten Jahr geben, 12 Prozentnach sieben Jahren. Schon bald war der Fonds ausverkauft, Kerstinghatte die vorgesehenen 44 Millionen DM hereingeholt, die restlichen49 Millionen finanzierte die WestLB.

Rund 50 Milliarden Euro steckten die Deutschen in den vergange-nen Jahren in geschlossene Immobilienfonds. In den meisten Objek-ten kam die Hälfte des Geldes durch die Kommanditisten zusammen,die andere Hälfte wurde durch Fremdkredite aufgebracht. Mit Aus-schüttungsmargen zwischen 8,5 und 12 Prozent war das Jesuiten-schlößl recht hoch angesetzt, wenngleich andere Initiatoren wie Ban-ken sowie Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaften in einigenFällen auch noch höhere Gewinne versprachen. Makler wie Kersting,die für den Verkauf der Anteile sorgten, strichen Provisionen von umdie 20 Prozent ein.

Doch die Rechnung ging nur auf, wenn die Initiatoren bei ihrenAngaben nicht mogelten und die Prospektprüfer gewissenhaft arbei-teten. Bis Anfang der 90er Jahre seien Leute wie Kersting nochanständig gewesen, sagt der Münchner Anwalt Volker Thieler, derviele der Kersting-Geschädigten vertreten hat, »danach haben sieimmer mehr Dreck auf den Markt gebracht«.

Daß Immobilienfonds zu Geldvernichtungsmaschinen werdenkonnten, weil immer mehr weiche Kosten versteckt wurden, kannKarin Kather nur bestätigen. Die Hannoveranerin kam 1991 insAnlagegeschäft. Sie vertrieb zunächst Anteile an Supermärkten undKommunalfonds. Mit der deutschen Einheit und den steuergünstigenAngeboten im Osten habe ihre Branche aber förmlich abgehoben,sagt sie.

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Regelmäßig seien die Vertriebsleute von Projektentwicklern einge-laden worden. Die Stimmung in den Luxushotels sei immer »super-gut« gewesen. Alle verdienten kräftig, an Provisionen gab es für dieUntervertreiber zwischen 15 und 18 Prozent. Sobald die alten Objek-te verkauft waren, hätten schon wieder neue Hochglanzprospekte aufdem Tisch gelegen – wahre »Bilderbücher«, sagt Kauffrau Kather,und stets habe es geheißen, das sei »das sicherste und beste Angebotauf dem Markt«. Wirtschaftsprüfer hätten in den Runden dabeigesessen und genickt: »Das ist das Objekt des Jahres«.

1995 sei dann ein Fonds, an dem sie selbst beteiligt war, geplatzt. Dahabe sie gemerkt, auf welche Art und Weise sich die Initiatoren »dieTaschen voll gemacht haben«. Als zugesagte Ausschüttungen nichtmehr wie vorgesehen bezahlt worden seien, hätten sich die geprelltenAnleger zunächst bei den Vertriebsleuten beschwert. Viele ihrer Kol-legen, sagt Karin Kather, seien mit dieser Situation nicht fertig gewor-den, einer habe sich das Leben genommen. Auch Karin Kather woll-te mit solchen Machenschaften nichts mehr zu tun haben. Sie zog sichaus dem Immobilienfondsgeschäft zurück. Der Anlaß für den Aus-stieg: Kerstings Jesuitenschlößl.

Die Blase mit der tollen Reha-Klinik in Passau platzte endgültig,als die Strukturreformen des damaligen Gesundheitsministers HorstSeehofer (CSU) den Medizinmarkt in Bewegung brachten. Das prot-zig geplante Jesuitenschlößl in Passau geriet schnell zum Desaster.Archäologische Ausgrabungen verzögerten den Einzug, die im Pro-spekt versprochenen 390 Betten wurden nie aufgestellt, die Belegungwar vom ersten Tag an miserabel. Ein Gutachter, den die WestLBbeauftragte hatte, sich das Objekt mal näher anzuschauen, ermittelte,daß die Investoren mindestens 33 Millionen DM zuviel für die Klinikbezahlt hatten. Aus dem Objekt des Jahres wurde der Reinfall desJahres.

Kersting, der um seinen damals noch guten Ruf fürchtete, fühltesich plötzlich selbst betrogen. Als »Der Spiegel« ihm auf den Fersenwar, räumte er zwar ein: »Ich habe Fehler gemacht«. Gleichzeitig wieser aber die Hauptschuld weit von sich: »Ich bin selbst von Geschäfts-partnern hereingelegt worden.« Nach eigenen Angaben hat Kerstingaus eigener Tasche noch einmal umgerechnet 6,5 Millionen Euronachgeschossen, aber das Jesuitenschlößl war nicht mehr zu retten.

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Das von geprellten Anlegern angestrengte Verfahren war eine einzi-ge Katastrophe für den Immobilienmann. Der Verkaufsprospekt,befand das Landgericht Paderborn, sei »in entscheidenden Passagenunrichtig gewesen«, der Bauantrag sei erst »nach der Prospekther-ausgabe« gestellt worden, die Situation der Verkehrsanbindung hät-ten die Initiatoren nicht geklärt, außerdem sei »das Belegungsrisikoin keiner Weise abgesichert« worden. Zudem hätte der Fonds denschon bestehenden Bauteil »erheblich zu teuer erworben«. EinigeLeute haben sich folglich in Passau kräftig die Tasche gefüllt.

Auch Kerstings Einwände, er sei als Beklagter des Jesuitenschlößlin Wahrheit der falsche, konterte die Kammer. Die Behauptung, erhabe mit der Konzeption des Fonds nichts zu tun gehabt, werde durchein Schreiben widerlegt, in dem er angegeben habe, daß er sich seiteiniger Zeit mit seinen Partnern »in Gesprächen über das Klinikkon-zept befunden habe. In diesem Schreiben geht er auch selbst zu Rechtdavon aus, daß er für die Aussagen im Prospekt haftet.«

Als der Münchner Anwalt Volker Thieler öffentlich die Auffassungvertrat, das Jesuitenschlößl sei mit »brutaler krimineller Energiegefahren« worden, verklagte ihn Kersting auf Unterlassung – verge-bens.

Das Projekt »Jesuitenschlößl« ist typisch für so manchen Immobi-lienfonds, der in den vergangenen Jahren den Bach heruntergegangenist. Denn während die Anleger darum kämpften, wenigstens Teileihres Geldes zurückzubekommen, versuchten die Macher ihrerseitsauch mit der Brache noch ihr Geld zu machen. Rund drei Viertel allerAnleger verklagten Kersting auf Schadensersatz, die meisten Betro-genen bekamen vor Gericht auch recht.

Während die einen um ihr Geld bangten und vor Gericht ihre Ein-lagen zurückforderten, landete auf der anderen Seite Kersting einenletzten Coup in Passau. Der clevere Mann aus Paderborn überschriebseine Firma »G.W.F.« seiner Ehefrau, anschließend kaufte die G.W.F.das Jesuitenschlößl vom Konkursverwalter für umgerechnet knappzehn Millionen Euro zurück. Auf diese Weise kam Familie Kerstingpreiswert an eine Immobilie. Wenn »die Belegung endlich stimmt«,kündigte Kersting damals an, wolle er die Klinik wieder verkaufen.

Mit welcher Kaltschnäuzigkeit Kersting in den letzten Jahren seinesWirkens seine Geschäfte betrieb, zeigte auf beeindruckende Weise

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die Geschichte um die »Schloßklinik Dahme«, eine Rehabilitations-klinik für Onkologie, Diabetes mellitus und andere Stoffwechsel-krankheiten. In einem trostlosen Städtchen, 70 Kilometer südlich vonBerlin, sollte für etwa 60 Millionen Euro ein geschlossener Fonds auf-gelegt werden, der den Anlegern laut Prospekt hohe Ausschüttungengarantierte. Kersting selbst war anfangs skeptisch. Das Konzeptkönne nicht aufgehen, meinte er, in diesem Landstrich sei eine guteBelegung nahezu ausgeschlossen.

Doch dann ging wohl der Dagobert Duck in ihm durch. Kerstingwar »einfach gierig geworden«, sagte ein ehemaliger Geschäftspart-ner. Der Paderborner stieg als Gründungskommanditist und General-emittent in das Projekt ein. In einem Rundschreiben an seine Unter-vertreiber, die ihm in den Jahren zuvor so trefflich seine Kassengefüllt hatten, pries Kersting nun das Vorhaben in den malerischstenTönen: »Es ist kein Klinikfonds am Markt, welcher derart rund/kom-plett ist bezüglich Baugenehmigung, bereits erreichtem Baustand …Sicherheit der Belegung.«

Und auch die Bevölkerung in Dahme fieberte mit. In diesem TeilBrandenburgs wird jeder neue Arbeitgeber als Heilsbringer mit offe-nen Armen empfangen. Und eine solch stolze Klinik hätte Arbeits-plätze geschaffen, Ärzte und Krankenschwestern nach Dahmegelockt sowie Steuern in die Gemeindekasse gespült. Alles wäre soschön gewesen – auch für die Anleger…

Als Kerstings Vertreibermannschaft loszog, arbeitete sie in denVerkaufsgesprächen mit dem sichersten Argument, womit vermögen-de Deutsche zu locken sind: Steuerersparnis. Bei Kliniken wie inDahme sind die Verluste, die in der Investitionsphase abgeschriebenwerden können, besonders hoch. In Dahme waren das 105 Prozent.Vermögenden Kunden konnten die Vertreter folglich versprechen,mehr als die Hälfte des Geldes vom Finanzamt zurückzubekommen.

In Dahme investierten deshalb 720 Ärzte, Rechtsanwälte, Apothe-ker, Kaufleute, Ingenieure und selbst Arbeitslose, die ihre Abfindungals Alterssicherung gewinnbringend anlegen wollten. Sie alle merktenviel zu spät, daß die Schloßklinik ein Luftschloß war: Rund 50 Pro-zent der Kosten, so ermittelte ein Anwalt, sollen als weiche Kosten inSchuldentilgung, Provisionen, Gebühren, Honoraren versickert sein.Die Anleger selbst hätten doch »hohe Werbungskosten haben« wol-

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len, rechtfertigte sich Kersting, er selbst ging nur von weichen Kostenaus, die »etwas über 35 Prozent« betragen.

Praktisch mit der Inbetriebnahme war die Schloßklink Dahme plei-te. Weil sich in die 360-Betten-Klinik oft nur 40 Patienten verirrten,blieben die Pachteinnahmen aus, Zahlungsverpflichtungen konntennicht mehr eingehalten werden. – Eigentlich ein gutes Zeichen fürden sicheren Instinkt von Kersting, der genau diese Folgen anfangsvorausgeahnt hatte.

Als sich das Oberlandesgericht Hamm der Affäre annahm, fälltendie Richter – einmal mehr – ein vernichtendes Urteil über den Allein-vertreiber Kersting. Der von ihm herausgegebene Prospekt sei »inmehreren Punkten unvollständig oder unzutreffend« gewesen. DieRisiken von Reha-Klinken hätten Kersting 1994 bekannt sein müssen.Damals habe ihm die Landesversicherungsanstalt Brandenburg sogarmitgeteilt, daß dort im »Bereich Diabetes kein weiterer Bedarfbestand«. Doch der Finanzjongleur sah das natürlich anders. Erschob wieder einmal einem anderen die Schuld zu. Kersting fand, daßder damalige Bundesgesundheitsminister für die »Null-Belegung«und damit für den ganzen Schlamassel verantwortlich sei.

Die ausgetricksten Anleger schlossen sich in einer Interessenge-meinschaft zusammen, die gemeinsam versuchte, den Schaden halb-wegs erträglich zu halten. Doch den Versuch, die wahren Ursachenfür das schnelle Ende der Vorzeigeklinik zu erforschen, hätten sieschnell aufgegeben, berichtete eine Anlegerin aus Hessen, die 50.000Euro verloren hat. Die Erkenntnis der Frau: »Das Ganze ist ein ein-ziger Sumpf.«

Denn auch von den Banken und Versicherungen, die in dasGeschäft involviert waren, war keine große Hilfe zu erwarten. DieFachleute in den Geldinstituten prüfen die Objekte, die sie mitfinan-zieren, nur unzureichend. »Auf die darf man sich nicht verlassen, dasitzen zumeist auch nicht sonderlich kundige Menschen«, sagt Wolf-gang Wunderlich, Kuratoriumsvorsitzender des Bundesverbandesprivater Kapitalanleger. Zudem ist das Risiko für die Geldhäuserauch reduziert: Anders als die privaten Anleger lassen sie sich alsGläubiger ins Grundbuch eintragen. Kommt es zum Zusammen-bruch, haben sie als erste Zugriff auf die noch vorhandene Substanz.

Doch welche unter den privaten Geldgebern, die an gute Investi-

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tionen glauben, können die Pleiten auch nur ahnen? Für die Anlegergibt es bei vielen Immobilienfonds eine nicht zu durchschauendeGemengelage zwischen Fondsinitiatoren, Emittenten, Bauträgern,Gesellschaftern, Steuer- und Wirtschaftsberatern. Für Außenstehen-de ist es kaum mehr nachzuvollziehen, wenn in diesem System Milli-onen hin- und hergerechnet werden und das Objekt letztlich nur nochein Bruchteil von dem wert ist, was die Anleger einmal gemeinsameingezahlt haben. Und auch die nachträgliche Kontrolle ist schwierig.Im Beirat, dem gewählten Kontrollorgan, sitzen meist wieder die Ver-triebsleute, die als letzte Interesse daran haben, daß ihr Objekt madiggemacht wird.

Auf diese Weise können clevere Initiatoren nicht nur beim Ankaufeines Geländes Millionenbeträge verstecken. Auch die Vermittlungvon Krediten und Zwischenfinanzierungen sowie die Abgabe einerPlazierungsgarantie erzeugen aufgeblähte Kosten, welche die Fonds-zeichner mitbezahlen müssen. Am Ende ist nicht selten mehr als dieHälfte des Fondsgeldes verpulvert, bevor auch nur ein KubikmeterBeton gegossen wurde. »Das Ganze ist keine Kapitalanlage«, urteiltein Anleger aus Bayern, der in eine Kersting-Immobilie investiert hat,»das Ganze ist eine gigantische Geldvernichtung«.

Doch die Millionen wurden natürlich nicht vernichtet, sie flossennur in die falschen Taschen. Obwohl ihm bekannt geworden seinmußte, daß die Belegung von Klinikbetten immer schwieriger wurde,ging Kersting denn auch munter weiter ein Klinikprojekt nach demanderen an: Auf Rügen entstand das »Mutter-Kind-Hospital Sellin«für 22,5 Millionen Euro, in Bad Gögging an der Donau wurde dieReha-Klinik »Vier Jahreszeiten« für umgerechnet 67,5 MillionenEuro entworfen.

Erst als im Paderborner Landgericht massenhaft Klagen eingingen,wurde es eng für den Immobilien-Mann. Wegen der Ungereimtheitenbeim Jesuitenschlößl bekamen die Kläger recht. Zwischenzeitlichmußte der geizige Paderborner, der sich nicht mal eine EDV-Einrich-tung leisten wollte, gesamtschuldnerisch für etwa zehn MillionenEuro haften.

Und dann rückte ihm auch noch das Finanzamt auf die Pelle: Ker-sting hatte versäumt, Einnahmen zwischen 1992 und 1995 in Höhevon 21,5 Millionen Euro ordnungsgemäß anzugeben. Das Finanzamt

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warf ihm Einkommens- und Gewerbesteuerhinterziehung in Höhevon umgerechnet 8.783.258 Euro vor.

Um der ständig wachsenden Zahl seiner Gläubiger zu entgehen,wechselte Kersting seine gemeldeten Wohnsitze, mal war er inGütersloh zu Hause, mal in Berlin, dann war er in Frankfurt regi-striert. In Wahrheit, so fanden Detektive heraus, war er ganz brav undnächtigte im heimischen Ehebett in Paderborn. Doch daß ihn dieGläubiger nicht mehr loslassen würden, erfuhr der Immobilienmak-ler, als ihm ein Gerichtsvollzieher auf dem Münchner Flughafen auf-lauerte. Es war eine spektakuläre Aktion, doch auch die ging glimpf-lich für ihn aus. Kersting war an diesem Tag knapp bei Kasse undalles, was ihm die Häscher abknöpfen konnten, war eine SchweizerArmeeuhr im Wert von rund 75 Euro.

Kersting verschenkte vorsorglich sein gesamtes Barvermögen andie Ehefrau und die drei Kinder und fand dies die natürlichste Sacheder Welt: »Das machen doch alle in der Branche.« Er überschrieb sei-ner Familie mehr als zwei Dutzend Grundstücke und Immobilien inPaderborn, Kanada, der Schweiz und Ibiza – Vermögenswerte irgend-wo zwischen 25 und 50 Millionen Euro.

Die Lage eskalierte, und aus ziemlich schiefen Immobilendealswurde ein Krimi, weil keiner dem anderen mehr traute und Kerstingund seine ehemaligen Mitverdiener sich untereinander zerstritten.Als ein Anwalt, der bis dahin für Kersting gearbeitet hatte, für seinenMandanten in Bayern unterwegs war, wurde ihm die Kanzlei ausge-räumt und sämtliche Kersting-Akten verschwanden. Als die Staats-anwaltschaft, die wegen Diebstahl ermittelte, wenig später eineDurchsuchung bei einem anderen Anwalt vornahm, fand sie dortKopien des gesamten Aktensatzes.

Als die Lokalzeitung »Neue Westfälische« über den Aktenklauberichten wollte, meldete sich überraschend Kersting bei den Repor-tern. Er habe von der Aktion in der Kanzlei »gewußt« und diese auch»gebilligt«, sagte Kersting. Allerdings sei er persönlich nicht daranbeteiligt gewesen. »Ich wollte lediglich meine eigenen Akten da raushaben«, sagte der Anlageberater. Nach Kerstings Aussagen handeltees sich um »einen Akt der Nothilfe«.

Kersting fühlte sich nun selbst als Opfer. Er sei von seinem eigenenAnwalt übers Ohr gehauen worden. Der Anwalt habe allein in einem

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halben Jahr umgerechnet 650.000 Euro Honorar von ihm erhaltenund Gerichtskosten in sechsstelliger Höhe veruntreut. Wieder gab esArbeit für die Detektive von ADS. Kerstings ehemaliger Anwalt ließseinen Nachfolger O. beschatten.

Doch nicht nur Detektive und andere ehemalige Geschäftspartnerwaren nun hinter Kersting her. Inzwischen brannte es an allen Ecken.Wegen verschiedener Delikte ermittelten mehrere Staatsanwältegegen Kersting. Das Finanzamt wollte sich nicht damit zufriedengeben, daß Kersting umgerechnet vier Millionen Euro als Rückzah-lung angeboten hatte und sein ehemaliger Rechtsanwalt, der nochForderungen von mehreren Millionen DM offen hatte, erwirkte einendinglichen Arrest.

Auch die vielen Anleger machten nun mobil. Über seinen Anwaltließ Kersting ausrichten, daß er gewillt sei, 15 Prozent der Einlagenzurückzuerstatten. Die wenigsten gaben sich mit diesem Angebotzufrieden. »Das ist doch ein Witz«, meinte eine Fondszeichnerin, dieetwa 1,5 Millionen Euro gegeben hatte.

Doch selbst in diesen harten Tagen wollte Kersting weiter uner-müdlich an fremdes Geld heran. In einem seiner vielen Rundschrei-ben teilte er seinen Untervertreibern mit, daß nunmehr »alle Fonds,welche zukünftig von meinem Büro akquiriert und konzipiert wer-den«, von einer Münchner Firma abgewickelt würden – drei neueKommunalfonds in Berlin stünden kurz »vor der Plazierungsreife«.

Und auch von den Kliniken konnte der Makler selbst in diesenTagen der Endzeitstimmung nicht lassen: Auf Sylt legte er eine Mut-ter-Kind-Klinik auf. Die Reha-Stätte für Atemwegskranke und Aller-giker in Westerland sollte 21 Millionen Euro kosten. Sie wurde – wieso vieles im Kersting-Reich – ein Flop.

Doch die geprellten Anleger und deren Anwälte gaben keine Ruhemehr. Anwalt Thieler stellte einen Antrag auf Eröffnung eines Kon-kursverfahrens beim Amtsgericht Paderborn »wegen Zahlungsunfä-higkeit und fruchtloser Vollstreckungsbemühungen«. VereidigteBuchprüfer stellten im Jahre 2000 fest, was aus dem Abzocker Ker-sting geworden war. Durch seine Vermittlungstätigkeit von Finanzan-lagen, für die er im Durchschnitt 20 Prozent Provision bekommen hat,habe Kersting insgesamt 200 Millionen Euro kassiert. Rund drei Vier-tel davon habe er an seine Vertriebsleute weitergeben müssen, also

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blieben ihm rund 50 Millionen Euro. Weiterhin, so schreiben die Gut-achter, »partizipierte er in mehreren Projekten aufgrund seiner Funk-tionen als Gründungskommanditist, als Bauträger, für Finanzvermitt-lungen sowie bei Immobilienübertragungen«.

Letztlich waren es Fehleinschätzungen, die Kerstings Werk insWanken brachten. Die Gesundheitsreform und die damit verbunde-nen Schwierigkeiten im Klinikbereich erkannte der Anlagevermittlerzu spät und auch die zunehmende Aufgeklärtheit von Anlegern hatteKersting wohl unterschätzt. Zuletzt war es immer schwieriger, Antei-le für Immobilienfonds loszuwerden, seine Vertriebsleute mußte ermit gigantischen Provisionen bei Laune halten. Und die Altlastenquälten ihn, heißt es im Bericht für den Insolvenzverwalter: »DerSchuldner war gezwungen, einen erheblichen Teil seiner Zeit mit denrechtlichen Auseinandersetzungen, insbesondere im Zusammenhangmit den Schadensersatzforderungen aus dem Projekt Jesuitenschlößlzu verbringen. Mehrere Anwälte waren für den Schuldner tätig. ZurVermeidung von Vollstreckungen glich der Schuldner teilweise nachErgehen entsprechender Titel Forderungen von Anlegern aus.« Weitüber 100 Verfahren waren gegen Kersting anhängig.

Ob die Anleger jemals Geld zurückbekommen werden, war beiBeginn des Insolvenzverfahrens offen. Die Buchprüfer: »Es drohteine Vielzahl von Anfechtungsprozessen, wobei der Unterzeichnereinen Zeitraum von zehn Jahren aufgrund möglicher Gläubigerbe-nachteiligungen zu prüfen hat.«

Allein am 6. Dezember 1994 hatte Kersting 27 Immobilien in Ber-lin, Bad Sassendorf, Bremen, Hamm, Münster, Paderborn oder Win-terberg an seine Kinder überschrieben. Auch in Kanada, auf Ibizaund in der Schweiz befanden sich Immobilien, die den Besitzergewechselt hatten. Zudem überschüttete Kersting seine Kinder mitGeld. Allein zwischen 1995 und 1997 erhielten sie insgesamt fast 14Millionen Euro.

Lakonisch stellt der Prüfer fest: »Der Schuldner hat zuletzt seinegeschäftlichen Aktivitäten ausschließlich über die Konten seiner Kin-der abgewickelt, vermutlich um die eingehenden Gelder einer Pfän-dung seitens seiner Gläubiger zu entziehen.«

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Geldvernichtungsmaschinen – die Geschäfte einesBerliner Baulöwen Schnurgerade führen die neugeteerten Straßen an weißverputzen Fas-saden vorbei, an jeder Ecke sind großzügige Stellplätze für Autosangelegt. Hinter den Häusern beginnt der frisch gesäte Rasen zusprießen. Die 56 Neubauten in Nächst-Neuendorf, einem Flecken beiZossen, etwa 30 Kilometer südlich von Berlin, könnten als Muster-siedlung für die Werbung einer Bausparkasse dienen – wenn nichtdiese Totenstille wäre.

Kein Mensch ist in der Anlage zu sehen, überall sind die Jalousienheruntergezogen. Am ausgestorbenen »Dienstleistungscenter« mitLebensmittelmarkt, Apotheke, Friseur- und Fußpflegesalon bröckeltbereits der Putz. Der »Wohnpark Nächst-Neuendorf« ist eine Gei-sterstadt.

Das war im April 1999, und das blieb auch lange Zeit danach so.Eigentlich sollte hier ein Paradies für alte Leute und clevere Geldan-leger entstehen – ein kleines Dorf mit 195 Wohneinheiten für denLebensabend. Wer in die »Seniorenresidenz« investiere, dem ver-sprach der Verkaufsprospekt bei einem hohen Steuersatz »durch-schnittliche Ausschüttungen von ca. 19,14 Prozent jährlich« – und daslangfristig, über 20 Jahre lang, denn der Bedarf an seniorengerechtemWohnraum garantiere »mit hoher Wahrscheinlichkeit« die dauerhaf-te Auslastung des Altenzentrums.

Alles Illusion: Die über 31 Millionen Euro teure Anlage wurde vielspäter fertig als geplant. Viele der fast 200 Anleger aus ganz Deutsch-land mußten bald erkennen, daß Nächst-Neuendorf ein Luftgespinstdes Immobilienhändlers Jürgen Hanne geworden war. Wie kaum einzweiter verkörperte der Berliner Kaufmann die deutsche Immobi-lienbranche nach der Wende. Rund 750 Millionen Euro sammelte dieDr. Hanne Grundstücks GmbH bei Tausenden privater Geldgeberein. Innerhalb von sechs Jahren setzte die Firma mit diesem Geld vierHotels und 21 Altenheime vor allem in die ostdeutsche Landschaft.

Doch praktisch keiner von Hannes Immobilienfonds hielt, was dieProspekte versprachen. Die meisten Seniorenresidenzen wurden garnicht erst fertiggestellt, waren bald verwaist, erwiesen sich als überdi-mensioniert oder warfen einfach nicht den versprochenen Gewinn ab.

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Was als Anlage mit satten Renditen gedacht war, bescherte baldJuristen jede Menge Arbeit. Mit Hilfe von Rechtsanwälten fordertenviele hundert geprellte Anleger ihr Geld zurück, zudem ermittelte dieStaatsanwaltschaft jahrelang gegen Hanne. Und mit dem Crash vonHanne gerieten auch einige Berliner Banken und der milliarden-schwere Vertreiber Egon Banghardt in die Bredouille.

Die meisten Anleger waren wie vor den Kopf gestoßen, als siemerkten, daß die Geldanlage, in die sie so große Hoffnungen gesteckthatten, nichts mehr wert war. Auch Klaus N. aus Kassel gefielen die»netten Prospekte«. Das wirtschaftliche Konzept klang schlüssig, dieGeschäftspartner schienen seriös, die geplante Rendite stimmte. Umseinen Lebensstandard auch im Alter zu sichern, hörte der Bauinge-nieur auf seinen Finanzberater und investierte schließlich einensechsstelligen Betrag in sechs Immobilienfonds von Hanne. Keinefünf Jahre später wußte N., daß er »aufs Kreuz gelegt worden war«,sein »schwer erschuftetes Geld« mußte er abschreiben. Ob die neu-gebauten Hotels oder die Seniorenheime, in die er investiert hatte –keines der angeblich so gewinnbringenden Häuser, an denen erAnteile besaß, warf die versprochenen Erlöse ab.

Als Jürgen Hanne seine Geschäfte mit den Immobilienfondsbegann, war er auf dem Anlagemarkt schon kein Unbekannter mehr.Bereits in den achtziger Jahren sammelte der promovierte Jurist alsGeschäftsführer und Gesellschafter der Berliner Konzepta Unter-nehmensgruppe Geld für Bauherrenmodelle und andere Beteili-gungsgesellschaften ein. Später stieg Hanne ins Öl- und Erdgasge-schäft ein. Er animierte risikofreudige Deutsche, ihr Geld in dieSuche nach Ölfeldern zu stecken – angeblich sei dies ein lukrativesGeschäft.

Anfang der neunziger Jahre lockte die deutsche Einheit. Großzügigverteilte die Bundesregierung zur Entwicklung der neuen Bundeslän-der mit Steuergeschenken Geld unter die gutverdienenden Leute, umdamit die blühenden Landschaften zu säen. Es bedurfte nur findigerIdeen, um das Geld der vermögenden Steuersparer abzuschöpfen.

Hanne legte geschlossene Immobilienfonds wie am Fließband auf.Zuerst lockte er Anleger mit dem Bau von Hotels, die preiswertesÜbernachten versprachen. Während die Hotels im gehobenen Preis-niveau unter ungenügender Auslastung litten, sei hier noch Bedarf,

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warb er in seinen Prospekten: »Das Hotelkonzept ›Good Night Inn‹verzichtet dagegen auf überflüssigen Service. Es ist speziell fürGeschäftsreisende entwickelt worden. Der Zimmerpreis beträgtdamals einheitlich 110 DM inklusive Snack-Frühstück und videogesi-chertem PKW-Stellplatz.« Leider hielt die Kundschaft nicht nurguten Service für überflüssig, sie hielt die ganzen Hotels für über-flüssig und blieb aus.

Dann beglückte Hanne kleinste Gemeinden wie Ferch und Groß-ziethen ebenso mit neuen Altenheimen wie Dresden, Chemnitz oderHalle. Auch edle Immobilien wie die Residenzen »Voltairepark« inPotsdam mit einer Gesamtinvestition von umgerechnet 34 MillionenEuro oder der Dresdner Hof in Leipzig (56 Millionen Euro) gehörtenzum Hanne-Imperium.

Sein Einfallsreichtum kannte keine Grenzen. In Nächst-Neuendorfließ er Häuser als Seniorenresidenzen vertreiben, die eigentlichzunächst für Familien konzipiert worden waren. In Magdeburg undFürstenwald pries er Anlagen, die »nach den neusten Erkenntnissender Seniorenforschung« errichtet sein sollten. Schöne Bildchen, teil-weise am Computer erstellt, suggerierten eine bunte Zukunft für alteMenschen. Die Realität sah später viel düsterer aus.

Doch der Markt nahm zunächst alles ab. Vertriebsleute wie dieHamburger Ullrich Hainzl KG oder die Berliner Prinz zu Hohenlo-he-Jagstberg&Banghard GmbH brachten alles unter die Leute. Unddas Branchenfachmagazin »Cash« schwärmte von Hanne, dem»Dynamiker«: »Jürgen Hanne. Ein Deutsch-Kanadier baut die soli-desten Seniorenheime … Er zählt zum Urgestein der bundesweitenFondsszene und am Berliner Immobilienmarkt. Seit über 20 Jahrenist er erfolgreich im Geschäft.« Schließlich versprachen alle seineFondsprospekte hohe Ausschüttungen und exzellente Belegungszah-len.

Die Ernüchterung ließ nicht lange auf sich warten: Die Fertigstel-lung vieler Projekte verzögerte sich, Ausschüttungen blieben aus. Alsein Hamburger, der umgerechnet 185.000 Euro in sieben Fonds ange-legt hatte, seine Investition inspizierte, war er geschockt: Die Immo-bilien lagen »wie tot da – ich fürchte, auf einen maßlosen Schwindelreingefallen zu sein«.

Der Berliner Anwalt Wolfgang Schirp, der Anleger vieler Hanne-

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Objekte vertrat, durchleuchtete alle Projekte und war danach über-zeugt: Vor allem Altenheime wie Nächst-Neuendorf seien »völlig amMarkt vorbei geplant« und dann noch zu »Mondpreisen« auf denMarkt gebracht worden. Angeblich zu erzielende Monatsmieten von27,11 DM (Nächst-Neuendorf) und 30,55 DM (Magdeburg) bis 48DM (Leipzig) pro Quadratmeter erwiesen sich als reines Wunsch-denken, so daß selbst vollbelegte Häuser wie Hoppegarten-Neuenha-gen nicht die versprochenen Gelder einfuhren.

Als sich später, nachdem Anleger gegen die unrealistischen Zahlenin den Prospekten geklagt hatten, das Berliner Kammergericht mitden Hanne-Fonds beschäftigte, spürte es die Machenschaften auf:Mieten von über 30 DM pro Quadratmeter wären in Magdeburg beibestem Willen niemals vermarktbar gewesen, zumal die Mieter auchnoch für die Nebenkosten und die Betreuungsaufwendungen zusätz-lich hätten zahlen müssen.

Hanne hatte ein verschachteltes System aus Fondsauflegern, Ver-treibern, Betreibern und Mietgaranten gebildet, das kaum noch zudurchschauen war. Gespeist wurde das Gebilde durch fortlaufendesWachstum. Mit der Auflegung immer neuer Fonds kam stets frischesGeld in den Kreislauf, mit dem sich lange Zeit klaffende Lückenschließen ließen.

Doch irgendwann häuften sich die Flops. So mußten die Betreiber-firmen Palladion und PeWoBe wegen der flauen Nachfrage die imProspekt zugesagten Pachtzahlungen einstellen und Konkurs anmel-den – das wäre allein wegen der »wirtschaftlich schwierigen Verhält-nisse« der Penz-Gruppe passiert, die hinter den Firmen stand, äußer-te sich Hanne.

Nicht nur die Anleger, auch die Insassen der fertiggestellten Heimelitten offensichtlich unter der Finanzmisere. In einem internen Ver-merk berichtete ein Justiziar der Berlin-Hannoverschen Hypotheken-bank, daß die Gesundheit der Senioren »durch Nichtzahlung vonGehältern, der Cateringunternehmen und des Notrufanlagen-Dien-stes« in Gefahr geraten sei

Der renommierte »Platow Brief«, ein Mediendienst für Anlagepro-fis, warnte deshalb ausdrücklich vor Hannes Seniorengeschäften: Dassei ein Gewerbe für Profis und habe »mit einer Immobilienanlagenicht mehr zu tun als eine Produktionshalle für Druckknöpfe«.

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Die »jungen Alten«, die Makler wie Hanne im Auge hatten, woll-ten lieber in ihrer eigenen Wohnung mit angeschlossenem Serviceund späterem Pflegedienst wohnen. Die Nachfrage nach exquisitenWohnresidenzen nahm deshalb eher ab als zu – besonders im Osten,wohin Hanne seine Immobilien wegen der besseren Steuersparmög-lichkeiten zumeist verpflanzte, entwickelte sich keine große Nachfra-ge nach teuren Seniorenhäusern. Und noch etwas verschwiegen dieProspekte gern: Die in Fonds vertriebenen Spezialimmobilien erfor-dern oft schon nach kurzer Zeit erhebliche Nachinvestitionen, um dieMieter im Hause zu halten und neue Kunden hinzuzugewinnen. Auchdie Tatsache, daß in vielen Fondsimmobilien die Bauausführungbedauernswert schlecht ist, erfordert es oft, neues Geld nachzuschie-ßen.

Doch wann immer Kritik an seinen Geschäften geäußert wurde,blockte Hanne ab und verwies auf eine bald glänzende Zukunft. Ineinigen Seniorenresidenzen, beruhigte er Anleger, gebe es »Umstel-lungsschwierigkeiten«, sobald die überwunden seien, so versprach er,»werden die Ausschüttungen wieder fließen«.

Irgendwann wollten einige darauf nicht mehr warten. Anfang desJahres 1999 zeigten Anleger Hanne bei der Staatsanwaltschaft Berlinwegen des Verdachts auf Kapitalanlagebetrug an. Dabei ging es umdie ersten Hotelfonds, die Hanne 1994 aufgelegt hatte. Im Prospekthatte eine Grundstücksgesellschaft damit geworben, daß die renom-mierte amerikanische Sterling-Gruppe als Pächter bereit stünde. InWahrheit, so stellte sich heraus, bestand spätestens seit 1995 gar keingültiger Vertrag mehr zwischen Hanne und Sterling. Als er erfahrenhabe, daß es mit Sterling nicht klappen werde, rechtfertigte sich dage-gen Hanne, habe er den Verkauf den Anteile gestoppt. Viel später,vor Gericht, meinte Hanne dann, er habe »geglaubt, daß Sterlingweitermachen wollte. Ich habe die Sache dahinplätschern lassen«.

Aber auch bei den von Hanne versprochenen Auslastungsquotenglaubten die Anleger Manipulationen nachweisen zu können. ImAugust 1995 erreichte den Betreiber der von Hanne gebauten Good-Night-Inn-Hotels die Anfrage eines potentiellen Kunden, der sichnach der Auslastung der Herbergen erkundigte. Da die Bettenbele-gung katastrophal war, fragte das Hotelmanagement bei Hanne nach,was denn nun zu tun sei. Die Hoteliers fertigten einen Entwurf, der

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im Büro Hanne jedoch keine Gnade fand. Handschriftlich ändertenHanne-Mitarbeiter nochmals die »Durchschnittsbelegung« desHotels in Eisenach auf »ca. 43 Prozent« und faxten den Brief zurückzur Hotelleitung mit der Bitte, die »Änderung wie anliegend vorzu-nehmen«. Die Zahl 43 entsprach exakt dem in Hannes Prospektgenannten »Break-even-point«.

Auch in einem anderen Fall brachte Hanne sein Bemühen, ständigLöcher stopfen zu müssen, in Bedrängnis. Bei der MagdeburgerSeniorenresidenz ging die sogenannten Pre-Opening-Gebühr –475.000 Euro, die laut Planung zum Anschub des Objekts verwendetwerden sollten – nicht an die dafür vorgesehene Betreibergesellschaft.Das Geld kassierte vielmehr die PeWoBe, die durch ihre Aktivitätenbei anderen Fonds in Schieflage geraten war und die Hanne über-nehmen wollte.

Anwalt Schirp fand heraus, auf welche Weise Hanne zusätzlichGelder abzwackte: zum Beispiel durch Kick-back-Verträge. So nenntman Vereinbarungen, bei denen ein Unternehmer Aufträge an Bau-firmen vergibt und einen Teil des vertraglich festgehaltenen Entgeltsdurch eine geheime Zusatzvereinbarung zurückbekommt. Dies schä-digt automatisch die Fondszeichner, weil die über den wirklichenWert der Bauleistung oder des erworbenen Grundstücks getäuschtwerden.

Die Folgen solcher Machenschaften für die Anleger waren gravie-rend. Einige Objekte waren in Wirklichkeit nur die Hälfte dessenwert, was die Anleger dafür bezahlt hatten. Deshalb konnten auch dieprospektierten Einnahmen in den seltensten Fällen tatsächlich reali-siert werden. Dementsprechend sanken auch die Ausschüttungenerheblich. Schirp: »Für die gemeinsamen Seniorenresidenzenfondsvon Banghard und Hanne kann ich sagen, daß nur ein Fonds in Lich-tenrade und auch nur ein einziges Jahr den Anlegern die prospek-tierten Ausschüttungen eintrug. Kein einziger Fonds hat längerdurchgehalten. Die Mehrzahl der Fonds erwirtschafteten nie einenPfennig Ausschüttung. Beispiele gibt es genug: Dresden, Freuden-stadt, Chemnitz/Gotha, der Dresdner Hof in Leipzig, Calw/Lübenauund der in Insolvenz befindliche Werder II.«

Nachdem Betreiberfirmen in Konkurs gegangen waren, übernahmdie Berliner ProCurand das Geschäft in einigen Heimen. Und für die

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durchleuchte Adolf Theis, ein Rechtsanwalt und langjähriger Präsi-dent der Universität Tübingen, die Fonds. Der Professor kam zu kei-nem guten Ergebnis: »Die Fonds zeichnen sich alle durch einenhohen Anteil an sogenannten weichen Kosten aus und versprechen inden Prospekten … hohe Erträge, die den Kommanditisten als Ver-zinsung ihres Kapitals in Aussicht gestellt wurden. Sie sind von Juri-sten geschickt formuliert und lassen ihr ungewöhnlich hohes Risikonur für im Seniorenbereich leitend tätige Bürger erkennbar werden.Schon mit der Inbetriebnahme der ersten Einrichtung 1996 wurdeerkennbar, daß die Betreibergesellschaften die in den Pachtverträgenvorgesehenen Pachten weder durch die erreichbare Belegung, nochdurch die am Markt erzielbaren Kaltmieten … erzielen können. AlsBetreiber und Pächter der Einrichtungen waren mehrere Betreiber-gesellschaften tätig, die … größtenteils in Konkurs gingen, wobeiüberrascht, wie häufig in diesen unterschiedlichen Gesellschaften diegleichen Personen immer wieder auftauchten … Der hohe Druck desDr. Hanne in Richtung Zurverfügungstellung von Geldmitteln fürPachtzahlungen an die Fondsgesellschaften hat bewirkt, daß dieGeschäftsführer der Betreibergesellschaften … sich an den Mieter-kautionen vergriffen haben und die entsprechenden Kautionszahlun-gen ›restlos abräumten‹.«

Einige Anleger, die herausgefunden hatten, wie es wirklich um ihreInvestitionen bestellt war, informierten ebenso den Staatsanwalt wiedie ProCurand. Am 21. März 2000 wurde Hanne auf dem Flughafenin Zürich aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommenund nach Berlin überstellt. Schon zwei Wochen später wurde ihm derProzeß gemacht und Hanne in einem auffallend kurzen Verfahrenwegen Kapitalanlagebetrugs und Betrugsversuchs zu nur 18 Monatenauf Bewährung verurteilt.

Obwohl gegen Hanne noch weitere 35 Verfahren wegen des Ver-dachts der Konkursverschleppung, des Betrugs und der Untreueanhängig waren, wurde er freigelassen und setzte sich umgehend nachKanada, seine zweite Heimat, ab. »Die Vorwürfe sind richtig. Ichbedauere die Sache zutiefst«, erklärte der Immobilien-Multi vorGericht. Daß mit den Verträgen in seinem Haus nicht alles richtigwar, »das habe man in der Hektik« der Verhandlungen wohl verges-sen: »Ich hatte zuviel zu tun«. Von Betrug an den privaten Geldge-

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bern wollte er indes nichts wissen, schließlich hätten die Fonds doch»alle überlebt«.

Das war natürlich nur die halbe Wahrheit, in Wirklichkeit dümpel-ten die meisten Fonds schon lange vor sich hin. Die Dr. Hanne KGund die Dr. Hanne Grundstücksgesellschaft hatten bereits im Mai1999 ein Insolvenzverfahren beantragen müssen. Doch wie so oft inder Immobilienbranche wurden selbst im Untergang noch die größtenNebelkerzen geworfen, um geprellte Geldgeber ruhigzustellen. DieAnleger der rund 30 von Hanne initiierten Immobilienfonds, hieß esin einer Mitteilung an die Öffentlichkeit, würden durch das Insol-venzverfahren nicht betroffen. Für sämtliche Fondsgesellschaftenseien bereits neue Komplementäre gefunden worden. Das Konzeptsei mit den finanzierenden Banken abgestimmt, die alten Finanzie-rungs- und Pachtverträge blieben bestehen – gerade so, als sei über-haupt nichts passiert.

Leute wie Hanne nutzten geschickt die aufgewühlten Zeiten derneunziger Jahre, an deren Ende auch die Großen der Branche inBedrängnis gerieten, etwa die Prinz zu Hohenlohe-Jagstberg & Bang-hard GmbH. Der milliardenschwere Berliner Vertreiber mußte nachdem Rückzug von Hanne acht Projekte sanieren, die dieser in mehroder minder katastrophalem geschäftlichen Zustand hinterlassenhatte. Das Beispiel Hanne belegte eindrucksvoll, wohin mangelhaftePrüfung und Transparenz von Anlageobjekten führen können. Selbstso kundige Fachleute wie Egon Banghard, der nach eigenen Angabenimmerhin 1.000 Objekte vermarktet hatte, waren auf das rosige Zah-lenwerk Hannes hereingefallen: »Ich war überrascht, wie es ihm gelin-gen konnte, das Geld so hin- und herzuschieben.« Als sich Hannenach Kanada abgesetzt hatte, mußte Banghard einspringen, um zuretten, was noch zu retten war. Und das fiel dem großen Fondsver-treiber gar nicht leicht, weil die Geschäfte seit Ende der neunzigerJahre insgesamt schlechter liefen.

Auch die Hamburger Ullrich Hainzl KG, die sich ebenfalls stark imVertrieb der Hanne-Häuser engagiert hatte, mußte bluten und einigeAnleger aus den Verträgen lassen. Noch schlimmer aber geriet dieBerliner Hyp, Tochter der Berliner Bankgesellschaft, mit in denHanne-Strudel. Eine Interessengemeinschaft von Anlegern derSeniorenresidenz Potsdam-Voltairepark verklagte die Bank auf Scha-

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densersatz. Den Fonds, der wegen der desolaten Vermietungssitua-tion zahlungsunfähig war, hatte die Berlin Hyp finanziert. Die Anle-ger mutmaßten, daß die Bank den Kredit nur deshalb gewährte, weilHanne bei der Bank bereits mit anderen faulen Immobiliengeschäf-ten mit mehreren hundert Millionen DM verschuldet war. Der Vor-wurf: Mit dem neuen Kredit habe Hanne weiteres Geld bei Anlegerneinsammeln können, während die Berlin Hyp ihre riskanten Darlehendurch Bürgschaften von Hanne absichern konnte.

Am 9. Februar 1999 hatte Hanne den Bankchef der Hyp-Mutterpersönlich um Hilfe gebeten: »Zur Zeit befinden wir uns in einerSituation, in der wir dringend die Valutierung eines Darlehens für dieSeniorenresidenz Potsdam am ›Voltairepark‹ benötigen«. Als derBanker nicht reagierte, legte Hanne nach. Er brauche das Geld, »umeinen mit Sicherheit großen Schaden sowohl von der Dr. HanneUnternehmensgruppe, aber auch von der Berlin Hyp abzuwenden«.Und dann erinnerte Hanne nochmals daran, daß es um viel Geldgehe, schließlich habe seine Gruppe »in den letzten Jahren Hypothe-kendarlehen in Höhe von ca. 200 Millionen von Ihrem Bankinstitutfür verschiedene Objekte aufgenommen.«

»Die Bank hätte den Insolvenzantrag für Hanne viel früher stellenmüssen«, sagte Peter Stokowy, der Kopf einer Interessengemeinschaftvon geprellten Anlegern. Sie habe den Konkurs um vier Monate ver-schleppt, um sich selbst an Hannes Vermögen schadlos zu halten. DieBerlin Hyp wollte indes keinen Zusammenhang zwischen der Finan-zierung des Voltaireparkes und anderen Hanne-Engagements sehen.Schadensersatzforderungen von Anlegern würden deshalb jederGrundlage entbehren, hieß es. Darüber mußten schließlich die Juri-sten entscheiden.

Welche Rolle die Banken in so bedenklichen Deals wie bei Hannespielen, wollten die Anleger besonders auch im Fall des Immobilien-reinfalls Nächst-Neuendorf noch einmal genau wissen. Die Landes-bank Berlin (LBB), ebenfalls eine Tochter der Berliner Bankgesell-schaft, hatte Hanne den Fonds als Seniorenresidenz erst ermöglicht.Anders als die Anleger, so Anwalt Schirp, habe die Bank wissen müs-sen, daß die als Familienhäuser geplante Anlage nicht als Alten-wohnsitz funktionieren konnte. Wegen dieses »Sonderwissens« warfer der Bank Täuschung vor. Er forderte rund fünf Millionen Euro von

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der LBB zurück. Denn zu vieles schien krumm gelaufen zu sein inNächst-Neuendorf. Ohne große Veränderungen vorzunehmen, dekla-rierte Hanne die Siedlung zu einer Seniorenresidenz um, der Wertder 56 Gebäude wurde indes mit einem Strich schlankweg verdoppelt.Doch wegen der auch zuvor schon viel zu hohen Preise hatte schonkeine Familie die Häuser haben wollen. Hätten hier jedoch alte Men-schen wohnen sollen, wären nochmals immense Kosten angefallen. Inden Dachgeschossen der Häuser waren etwa steile Treppen einge-baut, die kein Betagter erklimmen kann. Diese »dilettantische Um-widmung« habe die LBB mitgetragen, sagt Schirp. Der Fonds gingpleite. Die Immobilie wurde für schlappe 9,75 Millionen DM ver-kauft. Von dem Geld wurden zunächst die Ansprüche der Bank be-dient.

Nach dem Flop mit den Hanne-Töchtern begann für viele Anlegerder juristische Marathon. Zwar gewannen viele Anleger vor Gericht,doch selbst dann hatten sie noch lange nicht ihr Geld, weil die Gerich-te häufig Ansprüche an die Vertreiber, bei denen noch Geld zu holengewesen wäre, ablehnten. Die Urteile zeigen beispielhaft, wie schwie-rig es für Anleger bei der Investition in einen Immobilienfonds ist,recht zu bekommen und wie unterschiedlich die Gerichte urteilen.

� Beispiel Seniorenresidenz »Am Krökentor II« in Magdeburg: DasKammergericht in Berlin hob einen Urteilsspruch des Landge-richts auf, es befand, daß auch der Vertreiber Olaf Hainzl zurRechenschaft gezogen werden könne, auch »wenn er nicht zumKreis der Leitung des Fonds oder der maßgeblichen Hintermännerzählen dürfte«. Er habe die Endverkäufer ausgebildet und angelei-tet. Hanne wurden unrichtige Angaben im Prospekt angelastet: Erhabe über fehlende Gemeinschaftseinrichtungen ungenügendunterrichtet, das wirtschaftliche Konzept habe nicht gestimmt under habe über die wirtschaftlichen Verflechtungen der am Geschäftbeteiligten Partner nicht genügend aufgeklärt.

� Beispiel Nächst-Neuendorf: Das Berliner Landgericht verurteilteHanne, sprach aber den Vermittler Hainzl frei. Und es bemängel-te auch nur die Absprachen Hannes mit dem Bauträger, die zu La-sten des Fonds gegangen seien. Daß das Projekt nur mit Wucher-mieten aufgehen konnte, daß immense weiche Kosten im Prospekt

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verteilt und daß die Zinserwartung unrealistisch waren, könne manHanne nicht vorwerfen.

� Beispiel »Voltairepark«, Potsdam: Wieder wurden Hanne und derVertreiber Jürgen Hainzl vom Berliner Landgericht in die Pflichtgenommen. Entscheidend sei nicht die mangelhafte Wirtschaft-lichkeit des Seniorenheims gewesen. Dabei, so das Gericht, hande-le es sich »um einen Projektfehler, nicht um einen Prospektfehler«.Der Prospekt sei aber trotzdem fehlerhaft gewesen, weil Hanne alsInitiator die erhebliche Verflechtung mit dem Pächter KBN nichtoffengelegt habe.

Doch wie immer die Prozesse auch ausgingen: Hanne erging es in sei-ner zweiten Heimat nicht schlecht. In Calgary ist der »enttarnte Ver-mögensvernichter«, wie ihn der »Direkte Anlegerschutz« bezeichne-te, wieder im Immobiliengeschäft tätig. Aus seinem Büro hat er einenschönen Blick auf die Rocky Mountains. Nach seiner Verurteilunghatten sich irgendwelche Hände in Berlin schützend über ihn gelegt.Obwohl bei seiner Flucht am 8. Mai 2000 nach Kanada noch ein zivil-rechtlicher Haftbefehl der Berlin Hyp bestand, wartete man mit sei-ner Vollstreckung so lange, bis Hanne das Land verlassen hatte – somutmaßte jedenfalls die PDS-Fraktion im Berliner Abgeordneten-haus, die umgehend Strafanzeige gegen die Bankmanager wegen desVerdachts der Untreue, Begünstigung und Strafvereitelung stellte.

Windparks: So werden ökologisch orientierte Anleger ausgenommenRemmer Edzards ist Umweltfreund und kluger Kaufmann zugleich.Als die Stadt Emden vor Jahren eine Fläche zwischen VW-Werk undNordseedeich als Terrain für Windkraftanlagen (WKA) auswies,wurde Edzards Betrieb schnell bester Kunde: Die Stadtwerke EmdenGmbH, denen Edzards vorsteht, haben dort seit 1993 Windräder miteiner Gesamtleistung von 6,5 Megawatt errichtet.

Der Wind bläst kräftig am Deich, und so produzieren die WKAheute Strom zu Kosten von etwa 7,6 Cent je Kilowattstunde (kWh).Wartung und Geschäftsführung des Windparks liegen in den Händen

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der Stadtwerke. Den Strom speisen die Emder in ihr eigenes Netz,lassen ihn sich jedoch vom Vorversorger zum gesetzlich festgelegtenPreis von 9,1 Cent/kWh vergüten. Damit liegt der Erlös je kWh etwa1,5 Cent über den Gestehungskosten. Für die Stadtwerke eine rundeSache. Zusätzlich stehen auf dem zum WKA-Gebiet ausgewiesenenGelände privat betriebene Anlagen mit 1,5 Megawatt Leistung. Sindauch diese Windräder günstig geplant und werden sie günstig verwal-tet, machen die Anleger an solchen Standorten einen guten Schnitt.Zumindest können Sie davon ausgehen, daß ihre Geldanlage nichtvöllig verloren ist.

Dies ist nicht überall der Fall.»Unter Würdigung aller bisher mit Windkraft gemachten Erfah-

rungen muß ich feststellen, diese Branche besteht zu überwiegendenTeilen aus Halsabschneidern«, schreibt ein erzürnter Anleger aufeiner Internet-Plattform, die Windparkgeschädigte eröffnet haben(www.windpark-jacobsdorf.de/feetback.html). Ein Grundproblemhat der Beschwerdeführer dabei erkannt: »Die Windparkangebotekonkurrieren auf dem Geldbeschaffungsmarkt untereinander. Wenneinige Anbieter mit getürkten Zahlen arbeiten, ist es aussichtslos, mitreellen Zahlen noch etwas verkaufen zu wollen. Also lügen sie alle.«

Sicherlich lügen nicht alle im strafrechtlichen Sinn. (Schön wär’s,denn dann ließen sich die Projektierer mit guten Aussichten verkla-gen.) Bezüglich der prognostizierten Wirtschaftlichkeit der auf demAnlagemarkt vertriebenen Windparks und der daraus errechnetenErträge bewegen sich heute jedoch fast alle Angebote am Rande derSeriosität, denn die wirtschaftlich günstigen Standorte sind seit Jah-ren belegt. Daß Windparks für die WKA-Hersteller sowie für dieProjektierer ein gutes Geschäft, für die Anleger jedoch alles andereals Geldmaschinen sind, wissen Insider und Betroffene schon lange.Nicht zuletzt dank massiver politischer Unterstützung für die Wind-kraft gelingt es bislang, die böse Nachricht unter der Decke zu halten.

Die Zeitschrift »neue energie« ist monatliches Organ des »Bundes-verband Windenergie e.V.«, der nach eigenen Angaben mit seinen11.500 Mitgliedern sowohl Hersteller von Windkraftanlagen, derenBetreiber als auch Kommanditisten vertritt. Im Mai 1999 erscheint indem Magazin auf Seite 62 in der Rubrik »Verband« eine unscheinba-re 16zeilige Meldung. Darin berichtet die Redaktion über die Grün-

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dung einer »Notgemeinschaft Windenergieanlagen«. »Mehrere Anla-genbetreiber, die durch den Betrieb ihrer Windräder in finanzielleSchwierigkeiten gekommen sind, haben einen Arbeitskreis gegrün-det«, heißt es lapidar. Bis heute (Frühjahr 2002) hat der dem BWEauch als Beirat zur Seite stehende Arbeitskreis keine offizielle Tele-fonnummer, auch Ansprechpartner mag der BWE nicht nennen. DieKontaktaufnahme ist lediglich über eine E-Mail-Adresse ([email protected] ) möglich.

Die kurze Meldung stieß offensichtlich auf Resonanz. In der Sep-temberausgabe der »neue energie« erschien vier Monate später einLeserbrief, der sich auf die Meldung bezieht. Unter der Überschrift:»Der Kampf gegen den Konkurs ist längst aktuell« berichtet einBetroffener: »Auch wir haben Jahr für Jahr Liquiditätssorgen. Nurdurch den engagierten Willen der Gesellschafter in Form von Eigen-zuschüssen ist der Betrieb aufrechtzuerhalten.« Die Probleme derBetreibergemeinschaft sind geradezu klassisch: »… der durchschnitt-liche Ertrag an unserem weil im Binnenland gelegenen Standorterbringt nur ca. 60 % der Ertragsvoraussage«, klagt der Briefeschrei-ber, und weiter: »Gleichzeitig zeigt sich, daß die Zusagen mancherHersteller über die Lebensdauer ihrer Komponenten oft zu vollmun-dig waren. Trotz der niedrigen Betriebsstundenzahlen mußten bei unsbereits der Generator und das Hydraulikaggregat komplett gewech-selt werden. Demnächst wird der Austausch des Azimutsystems not-wendig. … Ebenso ergab die Kontrolle der Rotorblätter Risse, die dieerwartete Lebensdauer momentan unwahrscheinlich werden lassen.«– Der Beschwerdeführer hatte wohl zwischenzeitlich begonnen, sichmit einigen technischen Aspekten seiner Geldanlage genauer zubeschäftigen.

In einem weiteren Beitrag derselben Ausgabe («Weitere Effizienz-steigerung notwendig«) zitiert die Zeitschrift Gutachter des »Deut-schen Windenergie-Institut« (Dewi) aus Wilhelmshaven: »Die auf derBasis der Umfrage ermittelten Kosten für den Erhaltungsaufwand lie-gen deutlich über den bisherigen Annahmen«, erklären die Dewi-Experten.

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Im Dezember 2000 widmet die »neue energie« dem Problem end-lich eine Titelgeschichte und erläutert in einem dreispaltigen Kasten:»Worauf bei einer Beteiligung zu achten ist«. Eindeutige Hinweise,wann sich eine Geldanlage in eine WKA rechnet und wann nicht, gibtfreilich auch dieser Beitrag nicht.

Brauchbare Aussagen sind bislang einem der wenigen erfahrenenund unabhängigen Experten überlassen, die sich in Deutschland zudem heiklen Thema äußern mögen. Der Fachmann heißt WalterEggersglüß, ist Ingenieur und arbeitet für die Landwirtschaftskam-mer Schleswig-Holstein. Eggersglüß sitzt genau an der richtigenAdresse, denn Landwirte in dem nördlichsten Bundesland haben alserste mit der Aufstellung von Windrädern an besonders günstigenKüstenstandorten begonnen. Sie verfügen über die längsten undbesten Erfahrungen mit den Maschinen.

Die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein ist damit die einzi-ge Institution in der Bundesrepublik (wahrscheinlich sogar in derWelt), die über eine belastbare Dokumentation umfassenderBetriebsergebnisse von Windkraftanlagen verfügt. In den jährlichherausgegebenen »Praxisergebnissen«1 der Kammer, die in Zu-sammenarbeit mit dem Hamburger Ingenieurbüro IWET erfaßt wer-den, sind die Betriebsergebnisse von rund 450 WKA sowie die Pro-duktionsergebnisse von mehr als 1000 WKA statistisch dokumentiert.Die Ergebnisse müssen manchen Kommanditisten eines Windparksin Angst versetzen: »Für das zweite Betriebsjahrzehnt muß damitgerechnet werden, daß aufgrund der Alterung der Maschine nicht nurdie zusätzlichen Reparaturen die jährlichen Betriebskosten auf ca. 6Prozent der Anfangsinvestitionen ansteigen lassen, sondern zusätzli-che Ersatzinvestitionen auch in die Hauptkomponenten Rotorblätter,Getriebe, Lager und Generator in Höhe von etwa 50 Prozent derAnfangsinvestitionen erforderlich werden«, erklärt Eggersglüß.

Ob diese Summe ausreicht, bleibt die Frage, denn bisher gibt eskeine wirklich ausreichenden Langzeiterfahrungen mit den WKA:Kaum ein Windpark ist länger als zehn Jahre in Betrieb. Noch im Jahr2000 war Eggersglüß aufgrund der damals vorliegenden Ergebnisse

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1 Herausgeber: Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, Am Kamp 13, 24768Rendsburg, Fax: 04331 8479-50, Email: [email protected], 7,50 Euro Schutz-gebühr.

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von etwa zusätzlich 40 Prozent Kosten der Anfangsinvestition fürInstandhaltungsarbeiten über die gesamte Lebensdauer ausgegangen.Ein Wert, der nun nicht mehr zu halten ist.

Wer andererseits in den Prospekten der Windparkanbieter nach-schaut, findet innerhalb des Abschreibungszeitraumes von 20 Jahrenselten mehr als 20 Prozent der Anfangsinvestition als Reparatur-kosten veranschlagt: So wird ein Projekt schöngerechnet.

Als wichtigen Richtwert für die Werthaltigkeit von Windparksnennt Eggersglüß die spezifischen Investitionskosten in Cent je kWhje Jahr. Sie errechnen sich aus dem geforderten Preis für einen Wind-park geteilt durch den prognostizierten Jahresertrag in Kilowattstun-den.

Beispiel: Ein Windpark mit 7,45 MW Leistung liefert einen progno-stizierten Ertrag von 12,3 Megawattstunden pro Jahr. Die Investitions-kosten (Windpark schlüsselfertig, Planung, Projektierung, Pachtvor-auszahlungen, Kapitalbeschaffungskosten, Gesellschaftskosten, Wind-gutachten etc.) belaufen sich auf 8,5 Millionen Euro. In diesem Fallbetragen die spezifischen Investitionskosten (8,5 geteilt durch 12,3) 69Cents je Kilowattstunde(kWh) im Jahr (a).

Die Geldanlage in ein solches Projekt führt nach den Erfahrungenvon Eggersglüß zum finanziellen Verlust: »Liegen die spezifischenInvestitionskosten bei 65 Cents/kWh/a und mehr, so werden dieWindstrom-Erzeugungskosten selbst bei 20 Jahren Betrachtungs-zeitraum über der gesetzlichen Vergütung von 9 Cents je Kilowatt-stunde liegen«, erklärt der Experte. Fazit: Der oben beschriebeneWindpark2 wird auf Dauer kaum Freude bereiten. Statt die über 20Jahre versprochene Ausschüttung von 175,4 Prozent des eingezahltenKapitals zu erhalten, können sich die Anleger eher darauf einstellen,daß ihr eingezahltes Geld weniger wird.

Der Verfasser kennt kein einziges aktuelles Anlageangebot in einenWindpark, bei dem die spezifischen Investitionskosten unter 65Cents/kWh/a liegen.

Dessen ungeachtet feiern die Projektierer und Anlagevermittlerihre Windparks weiterhin: »Nach Durchsicht der Unterlagen werdenSie feststellen, daß es sich hierbei um ein äußerst interessantes und

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2 Plambeck Fonds, Windparks Grasberg u. Hassendorf, Mai 2001.

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solide kalkuliertes Investment handelt«, teilt ein Mitarbeiter derGesellschaft »Ökodirekt GmbH« einem potentiellen Investor mit.Der Windpark, den der Anlageberater bewirbt, produziert seinenStrom zu spezifischen Investitionskosten von 75 Cents/kWh/a.3

Aus Mangel an Standorten wollen sich die Windparkprojektiererkünftig verstärkt auf hoher See oder im Ausland engagieren. Sie ver-schweigen, daß im Ausland andere, fast durchgängig weitaus niedri-gere Einspeisevergütungen gezahlt werden. Und die Erzeugungs-kosten je kWh liegen auf See in jedem Fall höher als an Land, eben-so die Wartungs- und Instandhaltungskosten. Ob sich die WKA indieser wasser- und salzhaltigen Umgebung je bewähren werden, stehtlängst nicht fest. Praktische Langzeiterfahrungen gibt es bisher nicht.Das Risiko dieser Zukunftsprojekte werden wiederum die Komman-ditisten tragen; denn die Projektinitiatoren haben ihr Geld ja bereitsmit der Übergabe der jeweiligen Windparks an die stolzen Betreiber-gemeinschaften verdient. Die Kommanditisten dürfen gespannt sein.

Die seltsamen Projekte der Solar MillenniumDer Architekt und Erfinder Wolfgang Schiel, Mitarbeiter des renom-mierten Architektenbüros »Schlaich Bergermann und Partner« ausStuttgart, kämpft seit rund zwei Jahrzehnten für das Konzept dessogenannten »Aufwindkraftwerkes« – bislang mit mäßigem Erfolg.Außer einer kleinen Versuchsanlage in Spanien, die zu Forschungs-zwecken errichtet und aus Fördergeldern finanziert wurde, hat sichnoch niemand so richtig an die kühne Idee herangetraut: Es gilt, alsHerzstück der Anlage einen riesigen Turm von 1.000 Metern Höhe zuerrichten, und damit fangen die baulichen Herausforderungen erstan. Nicht wenige Planer und Investoren bekommen allein bei dieserVorstellung kalte Füße.

Zu allem Unglück scheint es, daß das Projekt des Wolfgang Schielnun auch noch in die falschen Hände geraten ist: Eine verwegeneCrew von selbsternannten »Projektinitiatoren« aus Erlangen hat sichdes Aufwindkraftwerkes bemächtigt – mit dem offenkundigen Ziel,

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3 Europäische Energie Fonds, Beteiligungsprospekt Windpark Kahnsdorf.

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sich durch den Verkauf der im Prinzip guten Idee ordentlich dieTaschen zu füllen.

Das Konzept des Aufwindkraftwerks klingt zunächst so einfach wiegenial: Rund um einen gigantischen Turm wird eine Fläche von meh-reren Kilometern Durchmesser wie ein Treibhaus mit Glas über-dacht. Der in der Mitte stehende Turm saugt die unter dem Glasdachentstehende Wärme an wie ein Kamin. In dem Turm sind Propellerinstalliert, die sich in dem gewaltigen Luftzug zu drehen beginnen.Diese Drehbewegung wird in einen Generator übergeleitet, und dererzeugt Strom. Bei einer Turmhöhe von 1.000 Metern und einer ver-glasten Fläche von fünf Kilometern Durchmesser soll das Aufwind-kraftwerk eine Leistung von 200 Megawatt haben (zum Vergleich: EinAtomkraftwerksblock hat eine Leistung von etwa 1.000 Megawatt).

Seit Jahren kursieren immer wieder Meldungen über die geplanteUmsetzung des Konzeptes: Mal soll so ein Ding auf Sri Lanka errich-tet werden, mal in Ägypten oder Indien – stets scheitert die Sache,wenn es ernst wird. Erste Befürchtungen (wer soll so einen Turmbauen?) lassen sich zwar meist ausräumen. Professor Jörg Schlaichvom gleichnamigen Stuttgarter Büro sieht keine Schwierigkeiten:»Das ist konstruktiv eine einfache Übung und praktisch zu bauen.«Keine Frage: Beton ist weltweit in beträchtlichen Mengen vorhanden.

Die Probleme stecken vielmehr in der Logistik: Wer will das riesi-ge Glasdach mit einer Größe von 20 Quadratkilometern auf seinerOberfläche sauber und vor allem instand halten, welche möglichenSchäden kann die Zugwinde in der Konstruktion anrichten, welche zuerwartenden Folgen haben natürliche oder mutwillige Zerstörungendes Glases? Wer soll solch ein Kraftwerk von der Ausdehnung einerkleinen Stadt bewachen? Und wie soll sich die Anlage jemals rech-nen? Diese Fragen und viele weitere Einwände von Kritikern sindsicher berechtigt. Noch haben die ungeklärten Probleme jeden staat-lichen oder privaten Investor davon abgehalten, Geld in das unwäg-bare Vorhaben zu stecken.

Nach neueren Berichten geistert die Idee des Aufwindkraftwerksgerade durch Australien. Dort hat eine (neu gegründete) Firma ausMelbourne mit der Planung begonnen. Ende 2003 soll mit den Bau-arbeiten begonnen werden …

Das Projekt eines Aufwindkraftwerkes könnte noch für Jahrzehnte

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als wunderschöne, vermutlich undurchführbare Idee durch die Köpfevon diskussionsfreudigen Technikern geistern. Hätten nicht besagteGeschäftemacher Wind von der Idee bekommen.

1998 trat der Solar Century Fonds 1 auf den Plan. »Zukunft finan-zieren«, versprachen die Initiatoren gleich auf der Titelseite des auf-wendigen Prospektes (Solar Century Fonds 1, Erlangen 1998). »Anden außergewöhnlichen Gewinnchancen dieses Menschheitsprojekteskönnen Sie als Mitinitiator teilhaben. Wir versprechen Ihnen: Es wirdsich lohnen«, lautet der Schlußsatz der Broschüre. Darin wird Geldfür die Planung zweier Solarkraftwerke eingesammelt. Zum einenwollen die Projektierer das besagte Aufwindkraftwerk auf den Wegbringen, zum anderen eine sogenanntes »Parabolrinnenkraftwerk«.In einem solchen solaren Kraftwerk wird mit Hilfe von Spiegeln Son-nenlicht auf eine Röhre geleitet. Wie in einem Brennglas erhitzt sichdie darin fließende Flüssigkeit und dient anschließend zum Betriebeiner Dampfturbine zur Stromproduktion.

Solche Solarkraftwerke gibt es bereits seit knapp 20 Jahren in derkalifornischen Mohave-Wüste. Neun Anlagen mit einer Kapazitätvon 354 Megawatt Leistung wurden zwischen Mitte der achtziger undAnfang der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts errichtet.Die Planung für die Solarkraftwerke wurde auf dem Höhepunkt derÖlkrise begonnen, ihr Bau schließlich eingestellt, weil die Kraftwerkepreislich nicht mit herkömmlichen Stromerzeugern konkurrierenkonnten. Obwohl eine UN-Organisation, die GEF, seit Jahren Sub-ventionen von insgesamt 200 Millionen Dollar für die nächsten vierBetreiber von Solarkraftwerken ausgelobt hat, möchte sich kein Inve-stor daran die Finger verbrennen.

Der Solar Century Fonds griff diese Kernfrage offensiv auf:»Warum gibt es nicht längst viele Solarkraftwerke«, provoziert derAnlageprospekt seine Leser. »Was hat gefehlt? Darüber kann mannur spekulieren«, rätselt der Text weiter: »Die Tatsache als solchebleibt unbegreiflich.« Einen Hinweis findet der aufmerksame Leserschon: »Oder sollen einfach nur die immensen Investitionen in diebisherigen Technologien geschützt werden?«

Vielleicht ist die Beantwortung der Frage aber gar nicht so wichtig.Schließlich ist »für den Solar Century Fonds 1 und dessen Komman-ditisten innerhalb von zwei bis drei Jahren eine Rendite von bis zu 139

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Prozent vor Steuern möglich.« Das klingt ein bißchen viel. »Wir alsInitiatoren des Fonds sind uns bewußt, daß derartige Renditen in derRegel nur für hoch spekulative Geldanlagen in Aussicht gestellt underzielt werden. Wir halten dennoch in diesem Ausnahmefall an unse-rer Renditeprognose fest«, argumentieren die Initiatoren locker wei-ter. Die hohen Einnahmen wollte der Fonds mit dem Verkauf der fer-tigen Kraftwerkspläne an interessierte Kraftwerkserbauer erzielen.Das hat leider nicht geklappt.

Macht nichts, denn unter dem Titel »Solar Millennium Fonds 2«(Erlangen 1999) war ein Jahr später schon das nächste Angebot dergleichen Initiatoren auf dem Markt, das sich dem ersten Fonds hinzu-gesellte. Nun sollten beide Fonds die Kraftwerke zur Baureife treiben.»Diese erhalten dann aus den Finanzmitteln der ›Baufonds‹ ihre Vor-leistungen vergütet«, erklärt der Prospekt. Das »vom Fonds einge-setzte Kapital« sollte nun »innerhalb von vier Jahren zu einer Ge-samtrendite von etwa 63,5 Prozent vor Steuern« führen.

Schließlich machen die Vorstände des Fonds, Dr. Olaf Winkelmannund Dr. Henner Gladen, mit einem von ihnen unterzeichneten Briefnoch einmal kräftig Druck: »Noch stehen wir quasi als ›Geheimtip‹am Anfang eines dynamischen Wachstumsmarktes«, fabulieren diebeiden Vorstände im Juli 1999, »doch schon interessieren sich auchgroße Energieversorger und internationale Konzerne für unsere Ent-wicklungen. Mit dem Solar Millennium Fonds 2 haben Sie jetzt viel-leicht die letzte Chance, sich noch vor den ›Großen‹ direkt am Ein-stieg in dieses neue Energie-Zeitalter zu beteiligen. Nutzen Sie unse-ren Vorsprung.« Und: »Vertrauen Sie auf uns und die Kompetenzunserer Partner. Lassen Sie uns gemeinsam erfolgreich handeln. Wirfreuen uns auf Sie!«

Und auf Ihr Geld … Das haben die Briefeschreiber vergessen zuerwähnen, dafür steht es im Kleingedruckten, dem »Geschäftsbesor-gungsvertrag« zwischen Solar Century Fonds 1, Solar MillenniumFonds 2 und einer Solar Millennium AG. Deren Aktionäre sind Dr.Olaf Winkelmann, Dr. Henner Gladen, Hannes Kuhn und HaraldSchuderer.

Die Marschrichtung des Unterfangens ist klar: Die Solar Millen-nium AG kassiert das gesamte Geld. »Die Vergütung der Auftrag-nehmerin (die Solar Millennium AG, d. Verf.) setzt sich zusammen

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aus dem von Fonds 1 eingeworbenen Kommanditkapital einschließ-lich der noch zufließenden Resteinzahlungsansprüche, dem zukünfti-gen Kommanditkapital von Fonds 2, vermindert um die Kosten derEinwerbung und einen Betrag von 5 Prozent des Kommanditkapitalsvon Fonds 2«, steht im Kleingedruckten.

Das klingt, als wollte die AG dem Fonds 2 irgendwelche Gelderüberlassen – ein Mißverständnis, das sich beim Weiterlesen klärt:»Die Vergütung für sämtliche Leistungen gemäß § 1 Absatz 2« –damit sind gemeint »Prospektierung des Vorhabens; Finanzielle,rechtliche und steuerliche Konzeption des Fonds 2; Durchführungvon Werbemaßnahmen; Einrichtung und Vergütung eines Telefon-vertriebes; Einschaltung, Koordination und Vergütung von Unterver-trieben; Erstanlage und Einrichtung der Kommanditistendaten undKonten in Zusammenarbeit mit der Treuhandkommanditistin« –kurz: die Vergütung für das Beitreiben der Anlegergelder – »beträgt29 Prozent des Kommanditkapitals sowie die erhaltenen Agio bis zueiner Höhe von 5 Prozent«. Das ist mehr als saftig.

Für diese fürstliche Entlohnung erhielten die Anleger kostenlos die»Solar Millennium News«, die selbstredend nur Bestes zu verkündenhatten: »Verträge über die Projektentwicklung und den Bau von sechs50 MW Parabolrinnenkraftwerken abgeschlossen«, jubelt das Blattschon bald (Solar Millennium News III/99). »Solar Millennium weiterweltweit führend. Die Ausschreibungsunterlagen für ein 50 MWParabolrinnenkraftwerk liegen jetzt vor«, heißt es ein wenig beschei-dener sechs Monate später (Solar Millennium News 2/2000).

Im Frühjahr 2001 scheint die Luft raus zu sein. In den News heißtdas: »Glänzende Aussichten für die Fonds/Planungen zur Neustruk-turierung der Millennium Gruppe« (Solar Millennium News 1, April2001). Fonds und AG werden nun verschmolzen, nachdem »voneinem namhaften Hochschulprofessor das Wertverhältnis zwischenden Fondsgesellschaften und der Solar Millennium AG festgestellt«wurde. »Mittelfristig ist ein Börsengang der Solar Millennium AGgeplant«, steht verheißungsvoll in den News. Damals wollen die Pro-jektbetreiber ein 130-Megawatt-Parabolrinnenkraftwerk in Jordanienerrichten, eine gleiche Anlage von 50 Megawatt Leistung in Spaniensowie ein 100-Megawatt-Aufwindkraftwerk in Namibia. Interesse anden Kraftwerken werde auch aus Griechenland, den USA und Syrien

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bekundet. »Zusammenfassend läßt sich feststellen: Die wichtigstenParameter haben sich in den letzten Monaten noch weiter zu Gunstender solarthermischen Kraftwerkstechnologie verschoben!«, urteiltdas Blatt. Ob es wirklich Parameter und nicht etwa Anlegergelderwaren, die da verschoben wurden?

Ein Jahr später ist es noch ruhiger geworden um die Solar Millen-nium AG. Verkaufen wollen die Projektierer ihre Kraftwerksplänenun nicht mehr. Statt dessen will die AG ihre Kraftwerke nun selbstfinanzieren und betreiben. Handfeste Informationen finden sich aufder Internetseite (www.solarmillenium.de) nur wenige; darunterimmerhin eine Mitteilung der jordanischen Regierung, daß sich dieSolar Millenium im Februar 2002 um den Bau eines 100 bis 150 Mega-watt starken, kombinierten Solar-Gas/Öl-Kraftwerkes beworbenhabe. Bände spricht allerdings die Tatsache, daß sich die – durchausvorhandene – Konkurrenz gar nicht erst um das Projekt bemühte:Solar Millennium war der einzige Bieter.

Tatsächlich gelten sogenannte »Parabolrinnenkraftwerke« unterFachleuten als preisgünstigste Methode, der Sonne Strom abzugewin-nen – preislich konkurrieren können sie mit herkömmlichen Kraft-werken freilich lange nicht. Es besteht die ernste Gefahr, daß dieseeigentlich wünschenswerte Technologie durch das Vorgehen der Pro-jektinitiatoren für die nächste Zeit in Mißkredit gerät.

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