2 Verbundlose Spannglieder im Brückenbau
Transcript of 2 Verbundlose Spannglieder im Brückenbau
2 Verbundlose Spannglieder im Brückenbau
o. Univ.-Prof. Dr. techn. Dr.-Ing. h. c. Manfred WickeInstitut für Betonbau der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck
2.1 Einleitung
Die Anfänge der Verwendung von Spanngliedern ohne Verbund reichen im Brückenbau weit zurück.Ein Vortrag zu diesem Thema in der Landeshauptstadt von Sachsen muss mit der Bahnhofsbrücke inAue in Sachsen beginnen [1]. Die bereits 1936 von Dischinger eingeleitete Entwicklung wurde jedochdurch den Krieg unterbrochen und nachher nicht wieder aufgegriffen. Aus den seinerzeitigen Veröffent-lichungen kann man entnehmen, dass die Frage des dauerhaften Korrosionsschutzes von wesentlichemEinfluss war. Es bestand die Erwartung, mit im Verbund liegenden Spanngliedern diese Frage end-gültig gelöst zu haben. Die negative Rückmeldung kam mehr als zwei Jahrzehnte später, als durchdie umfassende Bestandsprüfung der Straßenbrücken eine Reihe von Korrosionsschäden an Spannglie-dern entdeckt wurden [2]. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Diskussion um den Korrosionsschutz neuaufgenommen. Dabei zeichneten sich zwei erfolgversprechende Lösungen ab. Eine ist die Verbesse-rung der Technologie des Verpressens der Spannkanäle und die Andere die Rückbesinnung auf die vonDischinger begonnene Verwendung von externen Spanngliedern. In den zwischenzeitlich verstriche-nen vier Jahrzehnten wurden Spannlitzen mit doppeltem, werksmäßig aufgebrachten Korrosionsschutzentwickelt. Damit wurde eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem seinerzeit auf der Baustellevorgenommenen Anstrich mit einem Rostschutzmittel erzielt. Diese Monolitzen eignen sich nicht nurfür externe sondern auch für interne Spannglieder. Mit beiden Arten der verbundlosen Vorspannungbefasst sich die nachstehende Arbeit.
Durch die Verwendung vorgespannter Bewehrungen wird vornehmlich eine Verbesserung der Ge-brauchstauglichkeit von Stahlbetontragwerken angestrebt. Diese betrifft die Rissebildung und die Durch-biegungen. Weiters sind insbesondere im Brückenbau die konstruktiven Vorteile erwünscht, die sichdurch die Möglichkeit der kraftschlüssigen Koppelung von Spanngliedern ergeben. Damit werden diehäufigsten Bauverfahren, wie beispielsweise feldweiser Aufbau, Taktschiebeverfahren und freier Vor-bau wirtschaftlich durchführbar. Die Auswirkung der Spannbewehrung auf die Tragsicherheit ist vonvergleichsweise untergeordneter Bedeutung. Allerdings können durch die mit der Vorspannung zwin-gend verbundene Vordehnung hochfeste Stähle im Stahlbetonbau eingesetzt werden.
2.2 Verbundlose Spannglieder
Spannglieder ohne Verbund verhalten sich in mehreren Bereichen anders als solche mit Verbund. Derfehlende Verbund führt zunächst dazu, dass beim Nachweis der Tragsicherheit die Spannbewehrungnicht mit ihrer Fließkraft ausgenützt werden kann. Dies ist jedoch kein entscheidender Nachteil, da dieallenfalls fehlende Fließkraft durch Zulage von Bewehrungsstahl wett gemacht werden kann.
Die Vorteile der verbundlosen Spannglieder liegen in den wichtigen Bereichen der Dauerhaftigkeit undder Gebrauchstauglichkeit. Der Korrosionsschutz der Spannbewehrung wird auch durch Risse nicht
27
beeinträchtigt. Die zulässige Rissbreite kann deshalb nach den niedrigeren Anforderungen für den Be-wehrungsstahl festgelegt werden. Weiters treten am Riss keine Spannungsspitzen im Spannstahl auf, dadie Rissbreite auf die weite Strecke bis zu den nächst gelegenen Festpunkten (Verankerung bzw. Um-lenkstelle) abgearbeitet wird und somit nur geringe Zusatzdehnungen weckt. Dies wirkt sich günstigauf die Höhe des Spannungssprungs und folglich auch auf die Ermüdungssicherheit aus.
2.2.1 Interne Spannglieder
Interne Spannglieder liegen innerhalb des Betonquerschnitts. Sie kommen überwiegend als Monolit-zen zum Einsatz. Zwei oder vier Monolitzen werden auch zu Bändern (CMM: Compact Multi Mono)zusammen gefasst (Bild 2.1). Es können jedoch auch einzelne Monolitzen durch Kunststoffklammernmiteinander verbunden werden. Die Bänder verringern den Platzbedarf und senken die Verlegekosten.Interne verbundlose Spannglieder eignen sich besonders für Fahrbahnplatten, da sie ausreichend auchgegen den Chloridangriff der Tausalze geschützt sind. Die Platte bietet sich auch für die freie Spann-gliedführung an. Bei dieser entfallen Zwischenunterstellungen der Spannglieder zwischen der oberenLage über den Stegen und ihrer unteren Lage im Feld bzw. der Verankerung an den Enden der Konsolen(Bild 2.2).
Ein weiteres Anwendungsfeld ist in den Hauptträgern zur Abdeckung der Bauzustände. Dadurch kön-nen im Verbund liegende Spannglieder vermieden werden, die bei der Mischbauweise, d. h. die gemein-same Verwendung von Spanngliedern ohne und mit Verbund, dazu führen, dass durch die strengerenAnforderungen an letztere bezüglich der Rissbreiten ein wichtiger Vorteil der verbundlosen Spannglie-der verloren geht. In den Hauptträgern gleicht die Spanngliedführung der Monolitzen bzw. Litzenbän-der jener der Spannglieder mit Verbund. Auch die konstruktive Durchbildung der Unterstellungen derSpannglieder ist die Gleiche.
2.2.2 Externe Spannglieder
Externe Spannglieder liegen außerhalb des Betonquerschnitts, jedoch praktisch innerhalb der Kon-struktionshöhe der Tragwerke (Bild 2.3). Dadurch unterscheiden sich diese von abgespannten oderunterspannten Balken, bei denen zusätzliche Anforderungen zu erfüllen sind. Im Brückenbau kommenexterne Spannglieder zur Vorspannung der Haupttragwerke zum Einsatz.
Externe Spannglieder sind nur an den Verankerungen und Umlenkstellen mit dem Tragwerk verbunden.Zwischen diesen Punkten sind sie praktisch geradlinig geführt. Der Durchhang der Spannglieder aufder freien Strecke ist wegen der hohen Zugkräfte vernachlässigbar klein. Die Umlenkung erfolgt somitnicht wie bei internen Spanngliedern kontinuierlich, sondern ist in den Umlenkstellen konzentriert.
Litze
Korrosionsschutzmasse
PE - Hüllrohr
Bild 2.1: Querschnitte iInterner Spannglieder, Monolitze und CMM-Bänder
28
Spannlitze
Bild 2.2: Quer vorgespannte Fahrbahnplatte, Freie Spanngliedlage
wahlweise
Bild 2.3: Externe Spanngliedführung
Externe Spannglieder sind in einer Vielfalt von Ausformungen am Markt verfügbar. Die Unterschie-de betreffen die Ausbildung des Querschnitts und des Korrosionsschutzes in der freien Strecke sowiedie bauliche Durchbildung der Umlenkstellen. Die Verankerungen können bezüglich der mechanischenBeanspruchungen von den Spanngliedern mit nachträglichem Verbund übernommen werden. Abwei-chungen bestehen jedoch hinsichtlich des Korrosionsschutzes im Bereich der Trompete, im Keilsitzund im Vorkopf des Spanngliedes.
2.2.2.1 Freie Strecke
Anordnung im Querschnitt: Die Spannstähle können durch Abstandhalter in geordneter Lagefixiert oder frei im Querschnitt angeordnet sein. Die geordnete Lage findet sich beim DYWIDAG-Spannverfahren und bei den CMM-Bändern der Firma Vorspanntechnik. Beide Verfahren verwenden 7-drähtige Litzen. Alle übrigen Verfahren führen die Spannstähle frei innerhalb des Hüllrohres (Bild 2.4).Im Bereich der geradlinigen Spanngliedführung zwischen den Umlenkungen bzw. Verankerungen gibtes keine nennenswerten Unterschiede der beiden Anordnungen, wohl aber an den Umlenksätteln. Dar-auf wird in Abschnitt 2.4 näher eingegangen.
Bei Litzenspannverfahren kommen sowohl blanke Litzen als auch Monolitzen zum Einsatz. MancheVerfahren können auch wahlweise die eine oder die andere Litzenart verwenden. Dann sind für dieAuswahl die Reibungsverluste und die geforderte Lebenserwartung maßgeblich.
Ummantelungen: Die meisten Spannverfahren verwenden kreisrunde Hüllrohre zur Ummantelungder Spannstähle. Vorwiegend bestehen sie aus HDPE (High Density Polyethylene). Wegen der Anwen-dung im Freien wird UV-Beständigkeit des Kunststoffs gefordert. Bei manchen Verfahren wird dasKunststoffhüllrohr insbesondere im Bereich der Umlenkungen durch ein stählernes Innenfitting gepan-zert. Anfänglich waren auch stählerne Hüllrohre im Einsatz. Bei diesen besteht jedoch die Möglichkeitder Bildung eines elektrochemischen Elements zwischen Hüllrohr und Spannstahl, weshalb den elek-trisch isolierenden Kunststoffrohren der Vorzug zu geben ist. Wirtschaftliche Gründe sprechen eben-falls für die Kunststoffrohre. Um einen ausreichenden Schutz gegen mechanische Einwirkungen zugewährleisten, sollen die Kunststoffrohre mindestens 5 mm Wandstärke aufweisen.
29
HDPE
Korrosionsschutzmasse (KSM)
Einpreßmörtel (EPM)
GEORDNET CMM-BAND
Monolitzen
oder Stahl
oder EPM
FREI
MonolitzenLitzen oder Drähte
KSM
inneres PE - Hüllrohr
äußerer HDPE - Mantel
Bild 2.4: Querschnitte und Korrosionsschutz externer Spannglieder
Eine besondere Form der Ummantelung weisen die „Compact-Multi-Mono-Bänder“, kurz „CMM-Bänder“ genannt, auf. Ein inneres Hüllrohr gleicht jenem der Monolitzen, wobei jedoch auch zweioder vier Monolitzen durch einen Polyethylene-Steg fest miteinander verbunden sind. Ein zweites,nämlich das äußere HDPE-Hüllrohr, umschließt die Mono-, Zwillings- oder Vierlingslitze in recht-eckiger Ummantelung. Die derart gebildeten Bänder können übereinander zu Spanngliedern mit recht-eckigem Querschnitt gestapelt werden. Diese Spannglieder sind gebrauchsfertig und bedürfen keinernachträglichen Injektion.
Korrosionsschutz: Externe Spannglieder weisen zumindest einen doppelten, in der Regel jedocheinen mehrfachen Korrosionsschutz auf (Bild 2.4). Doppelter Korrosionsschutz ist beispielsweise gege-ben bei blanken Drähten oder Litzen in einem dichten Hüllrohr, sobald der Spannkanal mit Einpreßmör-tel oder Korrosionsschutzmasse verpreßt ist. Dies stellt die einfachste und billigste Art eines externenSpanngliedes dar. Werden bei dem beschriebenen Spannglied die blanken Litzen durch Monolitzen er-setzt, dann liegt bereits ein vierfacher Korrosionsschutz vor, da die Monolitzen ihrerseits bereits übereinen doppelten Korrosionsschutz verfügen.
Die CMM-Bänder verfügen über einen dreifachen Korrosionsschutz, nämlich die Korrosionsschutz-masse, den inneren PE-Mantel und die äußere HDPE-Hülle.
2.2.2.2 Umlenkstellen
Als neues Konstruktionselement treten die Umlenkstellen hinzu. Diese werden durch die Umlenkkräfte(u = P/R) aus der Krümmung des Spanngliedes belastet. Beim Spannen werden die Spanngliederüber die Umlenksättel gezogen, wodurch Reibungskräfte geweckt werden. Die Konstruktion der Um-lenksättel muß alle anfallenden Kräfte sicher in den Betonteil übertragen können, was im Einzelfallnachzuweisen ist.
Es gibt sehr unterschiedliche konstruktive Durchbildungen der Umlenkungen. Die konkrete Ausfor-mung hängt von der Art des externen Spanngliedes ab, sowie von den Relativbewegungen, die zwischenSpannglied und Umlenksattel ermöglicht werden sollen.
Der Krümmungsradius wird gerne mit dem Kleinstwert der betrachteten Spannglieder gewählt, da-mit die Länge des Sattels so klein wie möglich wird. Die Länge der planmäßigen Umlenkung beträgt(Bild 2.5)
30
l = 2R sin (α/2 + ∆α).
Unvermeidbare Ungenauigkeiten beim Einbau der Sättel würden dazu führen, dass das Spanngliedan den Enden auf der Kante aufreitet, abknickt und beim Spannen durchgescheuert wird. Es müssendeshalb entsprechende Ausrundungen vorgesehen werden. Es reicht jedoch nicht aus, die Kante zu bre-chen oder auszurunden, vielmehr muss der Mindestradius weitergeführt werden. Die gängige Strategieist es, den gewollten Umlenkwinkel um einen Zuschlag∆α an beiden Enden zu erhöhen und damitdie Sattellänge zu berechnen. Die Größe des erforderlichen ungewollten Umlenkwinkels hängt von denBesonderheiten des jeweiligen Spannverfahrens ab.
Eine einfache und kostengünstige Lösung ist es, die Umlenkung durch vorgebogene, in die Querträ-ger einbetonierte Rohre auszubilden. Je nach dem Querschnitt des externen Spanngliedes werden fürdie Durchführung durch den Querträger kreisrunde Rohre oder Rechteckrohre verwendet (Bild 2.6).Die Rohre können aus Stahl oder Kunststoff sein. Falls die Umlenkung an einem oberen oder unterenRand eines Querträgers zu liegen kommt, reichen auch Halbrohre zur Bildung von Umlenksätteln aus(Bild 2.7). In diesem Fall kann das Halbrohr auch nur als Schalung dienen und nach dem Erhärtendes Betons wieder entfernt werden. Das Spannglied wird dann in einer Betonrinne geführt. Die Kon-struktion der Umlenksättel kann stahlbaumäßig erfolgen, wobei bevorzugt rostfreie Stähle Verwendungfinden.
Die Verschieblichkeit des Spanngliedes kann auf unterschiedliche Arten erfolgen. Bei Verwendung vonMonolitzen kann die Gleitung in der Korrosionsschutzmasse jeder einzelnen Litze vor sich gehen. Eskann aber auch das gesamte Spannglied über den Sattel gezogen werden. In diesem Fall ist darauf zuachten, dass der Reibungsbeiwert nicht zu groß ist. Die Verwendung von reibungsmindernden Einlagen,wie beispielsweise Teflon, ist zweckdienlich. Weiters muss die Gleitfläche nicht nur den Umlenkkräftensondern auch den einschneidenden Beanspruchungen durch das Darüberziehen des Spanngliedes beimSpannvorgang widerstehen können. Dies ist in Versuchen im Zusammenhang mit der Zulassung zuüberprüfen (Bild 2.8). Bei der Berechnung ist zu untersuchen, ob an einer Umlenkstelle allfällige Dif-ferenzkräfte der anschließenden Spanngliedabschnitte über Reibung in den Sattel eingetragen werdenkönnen. Falls dieser Nachweis gelingt, können die Spannglieder nicht nur an den Verankerungen son-dern auch an den Umlenksätteln mit dem Tragwerk fix verbunden angenommen werden. Andernfallsist die Verschieblichkeit und die Reibung in das Rechenmodell einzuführen.
2.2.2.3 Spanngliedführung
Aus den konstruktiven Vorgaben folgt für externe Spannglieder eine abschnittsweise oder zur Gänzegeradlinige Spanngliedführung. Bei einfeldrigen Tragwerken kommen achsparallele, dreiecksförmige,trapezförmige oder polygonale Spanngliedführungen zur Ausführung. Je mehr Umlenkstellen vorge-sehen sind, umso besser lassen sich die Vorspannmomente den parabelförmig verteilten Lastmomen-ten anpassen (Bild 2.9 a). Die achsparallele Spanngliedführung bewirkt die größte Durchbiegung nachoben; die polygonale (Bild 2.9 d) wird vornehmlich in der Segmentbauweise eingesetzt, da bei ihr dieUmlenkkräfte am besten den Lasten das Gleichgewicht halten.
Für durchlaufende Träger kommen einige weitere Ausführungsmöglichkeiten hinzu (Bild 2.10). Überdie gesamte Tragwerkslänge durchlaufende Spannglieder haben den Vorteil, dass die Vorspannkraft nuran den Enden eingeleitet werden muss. In diesem Bereich ist das Tragwerk durch die Endquerträgersehr gut ausgesteift, die Krafteinleitung kann mit vergleichsweise geringem Aufwand erfolgen. DieUmlenkkräfte im Verlauf des Trägers betragen bei dreiecksförmigen Spanngliedern (Bild 2.10 a) nuretwa ein Viertel, bei trapezförmigen (Bild 2.10 b) im Feld ebenfalls und an der Stütze die Hälfte der
31
��� ����
l
R � min.R
���
Bild 2.5: Geometrie der Umlenkstellen
1
1
Bild 2.6: Umlenkstelle als Rohrdurchführung durch den Querträger
1
1
Bild 2.7: Umlenksattel auf dem Querträger
� 2� 1
SpannstelleSattel
Festanker
Bild 2.8: Schematische Darstellung der Prüfvorrichtung für die Umlenkstellen
32
a)
b)
c)
d)
Bild 2.9: Beispiele für Spanngliedführungen bei Einfeldträgern
Vorspannkraft. Die örtliche Krafteinleitung kann in einfacher Weise über Querträger oder Querschot-te erfolgen. Die dreiecksförmigen Spannglieder reichen für kürzere Stützweiten bis etwa 35 m aus,darüber sind trapezförmige zu empfehlen. Dies nicht nur wegen der besseren Anpassung an die Last-momente, sondern auch im Hinblick auf die höhere Entlastung der Querkräfte in der Nähe der Stütze.Bei kurzen Endfeldern können die Spannglieder in diesen auch ohne Umlenkung geradlinig geführtwerden (Bild 2.10 c).
Bei feldweisem Aufbau des Tragwerks werden gerne überschlagene Spannglieder herangezogen. Sieerfordern zusätzliche Querträger oder Spannlisenen beiderseits der Stützen, an denen die volle Vor-spannkraft eingeleitet werden muss. Abgesehen von diesem Mehraufwand sind umgelenkte überlapp-te Spannglieder (Bild 2.10 d) den durchlaufenden hinsichtlich der Momenten und Querkraftswirkungdurchaus vergleichbar. Das Übergreifen der Spannglieder an der Stütze bewirkt kleinere statisch un-bestimmte Momente aus der Vorspannung. Bei den achsparallelen Spanngliedern (Bild 2.10 e) kanndie Momentenlinie nur treppenförmig an die Lastmomente angepasst werden und es erfolgt keine Ent-lastung der Querkraft. Sie sollte deshalb auf kürzere Stützweiten beschränkt werden. In jüngster Zeitgibt es Projekte, das Problem des feldweisen Aufbaus durch Kombination von internen und exter-nen verbundlosen Spanngliedern zu lösen (Bild 2.10 f). Die internen Spannglieder können dabei ohneSpannlisenen an der Koppelfuge im Stegquerschnitt gekoppelt werden.
Für besondere Bauverfahren, wie beispielweise das Taktschiebeverfahren oder den Freivorbau, könnenaus den beschriebenen Möglichkeiten angepasste Spanngliedführungen entwickelt werden, wobei auchinterne verbundlose Spannglieder vorteilhaft herangezogen werden können.
33
a)
b)
d)
c)
e)
f)
Bild 2.10: Beispiele für Spanngliedführungen bei Durchlaufträgern
34
2.3 Grundsätze für Entwurf und Planung
Die Entscheidung für die Anwendung einer Vorspannung wird in erster Linie zur Verbesserung der Ge-brauchstauglichkeit getroffen. Im Brückenbau war diesbezüglich zunächst die Vermeidung von Rissenangestrebt. Platten- und Balkenbrücken bieten gute Randbedingungen zur Eintragung der Vorspann-kraft in den Betonquerschnitt. Die Lagerung dieser Brücken erfolgt im Hinblick auf ihre Längenände-rungen zufolge Temperatur und Schwindens möglichst zwängungsfrei. Damit sind die Verkürzungenzufolge der Vorspannkraft ebenfalls nicht behindert und es steht neben den Biegespannungen auch diemittige Spannung aus der Vorspannung zur Überdrückung der Lastzugspannungen zur Verfügung. Die-se Vorgaben führten zur Ausformung der uns geläufigen Nachweise der Gebrauchsspannungen gemäßDIN 4227-1 oder ÖNORM B 4250. Diese Art der Nachweisführung brachte es aber auch mit sich, dassdie Spannung in einem einzigen Punkt des Tragwerks, nämlich jene in der Randfaser des maßgebendenQuerschnitts, die Größe der Vorspannkraft bestimmt hat (Bild 2.11).
Bei der Verwendung korrosionsgeschützter Spannglieder verliert die Rissefreiheit an Bedeutung. Nachder neuen österreichischen Spannbetonnorm, ÖNORM B 4750, wird für Straßenbrücken bei Spannglie-dern mit Verbund mindestens die Anforderungsklasse C gefordert, d. h. die Einhaltung des Grenzzu-standes der Dekompression unter quasi-permanenter Belastung. Für Spannglieder ohne Verbund entfälltdiese Anforderung und es dürfen auch Klasse D und E verwendet werden.
Mit verbundlosen Spanngliedern lassen sich die Anforderungen an die Rissefreiheit in vergleichbarerWeise erfüllen. Die Spannkraftverluste zufolge Kriechens werden in den maßgebenden Querschnittenin der Regel geringer und damit günstiger. Es ist nämlich nicht der Größtwert der Betonstauchung inder Spanngliedfaser heranzuziehen, sondern der Mittelwert über die gesamte Länge des Spannglieds.Darüber hinaus können weitere Vorteile der verbundlosen Spannglieder voll ausgeschöpft werden.
Für interne Spannglieder sind dies:
• Doppelter werksmäßiger Korrosionsschutz der Spannglieder
• Kleinere Reibungsverluste und damit
• Größere Längen und Umlenkwinkel der Spannglieder
• Die Rissebildung wie im Stahlbeton kann Zwangsbeanspruchungen reduzieren.
• Der Entfall der Verpressensarbeiten macht die Bauweise wintersicher.
• Vermeiden von Spannungsspitzen im Riss
• Keine Reibkorrosion am Riss
• Geringere Ermüdungsbeanspruchungen.
Zusätzliche Vorteile bei externen Spanngliedern sind:
• Die Spannglieder können während der gesamten Nutzungsdauer inspiziert werden.
• Bei Zugänglichkeit der Ankerstellen sind sie überdies nachspannbar.
• In diesem Fall können sie auch entspannt und gegen neue ausgetauscht werden.
• Betonquerschnitte können kleiner sein, da die Spannglieder außerhalb liegen.
35
--
-
-
g q p� g+q+p� ,� g+q+p� ,��
-
� 0 � � zul.
1
1
Schnitt 1 - 1
Bemessungspunkt
Bild 2.11: Die erforderliche Vorspannkraft wird aus der Spannung in der Randfaser des maßgebenden Schnit-tes 1-1 ermittelt.
• Die Betoneinbringung wird erleichtert.
• Es können größere Spannglieder zum Einsatz kommen.
Überdies kann die Zielvorstellung der Rissefreiheit fallen gelassen werden. An ihre Stelle treten An-forderungen hinsichtlich der Verformungen der Tragwerke. Mit zunehmender Stützweite sind dieseschärfer zu formulieren. Damit bei sehr großen Stützweiten die Kriechverformungen klein gehaltenwerden, soll unter den Dauerlasten möglichst kein Spannungsgradient auftreten oder dieser zumindestso klein wie möglich gehalten werden. Durch die Vorspannung sollen „Load balancing forces“ einge-tragen werden (Bild 2.12). Bei weniger großen Stützweiten kann diese Forderung gemildert werden.Bei diesen Anforderungen ergeben sich höhere Anteile an Bewehrungsstahl, die sich vorteilhaft auf dieBegrenzung der Rissbreiten sowie die Duktilität und Robustheit des Tragwerks auswirken. Der Quer-schnitt des Bewehrungsstahls kann auch für den allfälligen Ausfall der Spannglieder bemessen werden.
2.4 Anwendungsbeispiele aus Österreich [3]
Zu den ersten Anwendungen von Spanngliedern ohne Verbund der neueren Generation kam es in Öster-reich bereits vor fünfzehn Jahren. Diese fanden zunächst zur Instandsetzung und Verstärkung vonbestehenden Brückenobjekten statt. Bei den ersten Anwendungen wurden blanke Litzen in kreisrun-den HDPE-Hüllrohren verwendet, der Korrosionsschutz wurde durch Auspressen mit üblichem Ein-pressmörtel hergestellt (siehe 2.4.1). In weiterer Folge wurden Erfahrungen mit dem Einsatz von Mo-nolitzen gesammelt und bei externen Spanngliedern die blanken Litzen ebenfalls durch Monolitzenersetzt. Auch bezüglich der Spanngliedführung wurden Fortschritte erzielt. Anfänglich hatte man nochkeine Erfahrungen bezüglich der Konstruktion und Wirkung von Umlenkstellen. Zu dieser Zeit wur-den vornehmlich gerade Spannglieder über die gesamte Tragwerkslänge ausgeführt. Die Verankerungan den Brückenenden konnte in der Regel durch eine Verstärkung des Endquerträgers in einfacher
36
-
-
g+ 2�q p g+ 2�q+p
-
+ =� �
u = -(g + 2�q)
Mp1 = -(Mg + 2 �Mq)
ug
2�q
Bild 2.12: Die Vorspannkraft hält der quasipermanenten Belastung das Gleichgewicht.
Weise sichergestellt werden. Bei einem Tragwerk wurde versucht, Spanngliedlänge durch Zwischen-verankerungen einzusparen. Dabei wurde deutlich erkannt, welche Schwierigkeiten in den bestehendenBauteilen auftreten könnten, in denen für die Krafteinleitung ursprünglich nicht vorgesorgt worden war[4].
Mit der Einführung der doppelt extrudierten CMM-Bänder für externe Spannglieder wurde ein neuesKapitel aufgeschlagen. Die Gelegenheit, fix und fertige Spannglieder ohne nachlaufende Arbeitsgängemit dreifachem werksmäßigen Korrosionsschutz einsetzen zu können, erschloss neue Arbeitsbereiche(siehe 2.4.2).
Nach einigen Jahren des Sammelns von Erfahrungen bei Instandsetzungen wurde der erste Neubau ei-ner Brücke mit externen Spanngliedern bewillig (siehe 2.4.3). Diese Baumaßnahme wurde vom Institutfür Betonbau messend begleitet. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse haben die weitere Entwicklungpositiv beeinflusst.
In jüngster Zeit werden externe Spannglieder weiterhin zur Instandsetzung und für den Neubau heran-gezogen. Dabei zeigt sich eine Entwicklung, die durch zunehmende Vereinfachung der konstruktivenDurchbildung von Spanngliedern, Umlenkstellen und Verankerungszonen gekennzeichnet ist (siehe2.4.4). Die neueste Entwicklung ist der gemeinsame Einsatz von externen und internen verbundlosenSpanngliedern. Die Zielvorstellung ist die volle Ausschöpfung aller Vorteile von korrosionsgeschütztenSpanngliedern bei möglichst einfacher konstruktiver Ausbildung des Tragwerks (siehe 2.4.5).
2.4.1 Westautobahn A 1, Objekt S 37 Talübergang Wangauer Ache
Dieses im Zuge der Westautobahn in der Nähe von Mondsee gelegene Brückenobjekt mit dreizehnFeldern und einer Gesamtstützweite von 384,5 m war das erste, bei dem in den Jahren 1986/88 externeSpannglieder eingesetzt wurden [5], [6]. Das feldweise hergestellte Spannbetontragwerk hatte teilwei-se sehr weit geöffnete Koppelfugen. Eine Nachrechnung ergab ein deutliches Defizit an Vorspannkraft.Durch zusätzliche, über die gesamte Länge des Tragwerks laufende geradlinige Spannglieder wurde ei-ne weitere Druckkraft eingeleitet, die die offenen Fugen zusammendrückte. Je Steg wurden vier gerade
37
Spannglieder mit je 1,20 MN Vorspannkraft (12 Lg St 1570/1770 F 100) zugelegt. Die Möglichkeit,alternativ drei Spannglieder mit trapezförmiger Spanngliedführung zu wählen, wurde wegen der kon-struktiven Schwierigkeiten bei der nachträglichen Anbringung von Umlenksätteln nicht weiter verfolgt(Bild 2.13, Bild 2.14 und Bild 2.15). Es wurden blanke Litzen in einem HDPE-Hüllrohr mit 5 mmWandstärke und 90 mm Außendurchmesser verlegt. Eine spätere Nachspannbarkeit war nicht gefor-dert, somit konnte der Korrosionsschutz durch Verpressen des Spannkanals mit Einpreßmörtel erreichtwerden.
2.4.2 Arlberg Schnellstraße S 16, Objekt DW 4 Alfenzbrücke
Das Tragwerk ist ein einzelliger Kastenquerschnitt mit Stützweiten von 36,0 + 60,0 + 36,0 m und wiesursprünglich eine Breite von 15,50 m auf (Bild 2.16). Anläßlich der Neubewertung des Straßennetzesstellte sich die Aufgabe, die Brücke von 15,50 m auf 20,0 m zu verbreitern [7]. Erschwerend kam hinzu,dass die beiden inneren Einzelstützen gegensinnig um 0,85 m aus der Tragwerksachse seitlich verscho-ben sind. Die dadurch bewirkten Torsionsmomente werden zu beiden Widerlagern hin abgetragen. DieVerbreiterung der Fahrbahntafel wurde durch eine 9 cm dicke Aufbetonschicht erzielt, in die Monolit-zen eingelegt wurden, welche eine Langzeitdurchbiegung der Kragarmenden verhindern (Bild 2.17).Das bestehende Tragwerk könnte durch eine achsparallele Vorspannung ausreichend verstärkt werden.Die Erhöhung der Gesamtbelastung bewirkte jedoch eine entsprechende Vergrößerung der Torsions-momente, die der Bestand nicht mehr aufnehmen konnte. Deshalb wurden die externen Spanngliederim Inneren des Kastens nicht achsparallel geführt, sondern gegenläufig überkreuzt (Bild 2.18). BeideSpannstränge bestehen aus je zwei Spanngliedern, die aus je 7 VT-CMM 04-150 übereinanderliegendaufgebaut sind (Bild 2.19, Bild 2.20). Die gesamte zusätzlich aufgebrachte Vorspannkraft beträgt somitetwa 20,0 MN.
2.4.3 Objekt K 6 im Knoten Klagenfurt
Mit den bei Instandsetzungen gewonnenen Erfahrungen war die Zeit gekommen für den ersten Neubaueiner Brücke [8]. Dank der Unterstützung der Bundesstraßenverwaltung konnte als dafür geeignetesBauwerk das Objekt K 6 im Bereich des Knotens Klagenfurt ausgewählt werden. Die Gesamtstützwei-te des Tragwerks weist 78,0 m bei Einzelstützweiten von 19,5 + 39,0 + 19,5 m auf. Die gesamte Breitebeträgt 22,0 m (Bild 2.21). Die Konstruktionshöhe misst 2,00 m. Die Einzelstützen sind mit den Ka-stenstegen rahmenartig verbunden.
Neben den beiden Randstegen sind je fünf, neben dem Mittelsteg 2 x 2 = 4 Spannglieder angeordnet.Jedes Spannglied besteht aus 16 Litzen, aufgeteilt auf 4 VT-CMM 04-150. Für den verwendeten Spann-stahl St 1570/1770 beträgt die zulässige Vorspannkraft für jedes Spannglied 2,97 MN und folglich fürdas gesamte Tragwerk 14 x 2,97 = 41,6 MN. Neben den Umlenkungen über den Stützen weisen dieSpannglieder im Mittelfeld zwei und in den Endfeldern je einen Umlenksattel auf.
Im Zuge der Herstellung dieses Objekts konnte im Auftrag des BMfwA, Abteilung VII/1 Straßen-forschung, durch das Institut für Betonbau der Universität Innsbruck ein umfangreiches Messpro-gramm verwirklicht werden [9], [10]. Eine Litze des Spanngliedes Nr. 5 wurde als Messlitze adaptiert(Bild 2.22). Gemessen wurde der Verlauf der Litzenkraft an acht Stellen während des Spannvorgangsund nach Fertigstellung des Tragwerks unter einer definierten Verkehrslast. Außerdem wurden nachrund einem Jahr die Spannkräfte neuerlich gemessen. Weiter wurden an zwei Stellen die absoluten Ver-schiebungen der Litzen und des äußeren Mantels der CMM-Bänder gemessen (Bild 2.23). Im folgendenwerden die wesentlichen Messergebnisse und die daraus gewonnenen Erkenntnisse wiedergegeben.
38
Bild 2.13: Wangauer Achbrücke mit externen Spanngliedern
Bild 2.14: Wangauer Achbrücke, verstärkter Feldquerschnitt
Bild 2.15: Wangauer Achbrücke, externes Spannglied mit Befestigungsklemme
39
Bild 2.16: Alfenzbrücke, Bestand 1978
Bild 2.17: Alfenzbrücke, Verbreiterung Regelquerschnitt
40
Bild 2.18: Alfenzbrücke, Spanngliedführung Längsschnitt
Bild 2.19: Alfenzbrücke, Spannglieder im Stützenquerschnitt
41
Bild 2.20: Alfenzbrücke, Spannglieder am Endquerträger
Bild 2.21: Objekt K 6, Längsschnitt und Querschnitt
42
Spannstrang Nr. 5Schnitt Koppelstelle
Kraftmeßbolzen
2 Schutzringe Dehnmeßstreifen
Kraftmeßbolzen (Ck 45)
Keil
4 VT-CMM-04-150
Litze
25
Konusring (Ck 45)Gewindemuffe (St 510)
Schutzring (St 360)
54 170
M 48x461 25
54
110 40 11040
Bild 2.22: Objekt K 6, Elektronischer Kraftaufnehmer
WL0 ST1
ST2 WL3
3,4 13,9 5,2 5,511,4
7,8 11,7 11,7 7,8
MST F1 MST F2 MST F3 MST F4
3,413,9 5,25,5 11,4
7,8 11,7 11,7 7,8
MST F5 MST F6 MST F7 MST F8
MST F1 bis MST F8 Elektrische KraftaufnehmerMST W3 und MST W4 Verschiebung Litze
MST W1 und MST W2 Verschiebung Spanngliedpaket
Kraftmeßbolzen
Verschiebung Meßbolzen relativ zur Fahrbahnplatte MST W3 + MST W4
Verschiebung Spannpaket relativ zur Fahrbahnplatte MST W1 + MST W2
Meßstrang = Spannglied Nr. 5
Vorspannung
14 x 4 VT-CMM-04-150
Bild 2.23: Objekt K 6, Anordnung der Kraft- und Wegmessstellen
43
Aus den Messergebnissen lassen sich nachstehende Schlussfolgerungen ziehen:
• Bei den verwendeten Spanngliedern aus vier VT-CMM 04-150 überwiegt die äußere Gleitung inder PTFE-Folie gegenüber der inneren Gleitung in der Korrosionsschutzmasse.
• Beim Überfahren mit einem 175-kN-LKW sind die Spannglieder an den Umlenksätteln blockiert.
• Im Verlauf eines Jahres betrugen die relativen Spannkraftverluste 3,6 %. Mit Verkehrsübergabetrat eine deutliche Vergleichmäßigung der Vorspannkraft über die gesamte Spanngliedlänge ein.
Die erste Hälfte der Vorspannkraft wurde vom Widerlager WL 0, die zweite Hälfte vom WiderlagerWL 3 aufgebracht. Die Reibungsverluste an den einzelnen Umlenksätteln sind etwa proportional zumjeweiligen Umlenkwinkel. Eine Rückrechnung der gesamten Reibungsverluste zwischen der Anspann-seite (MSTF 8) und dem Festanker (MSTF 1) ergibt beim vollen Aufspannen einen Reibbeiwert vonµ = 0, 15. Dieser Wert verringert sich jedoch sehr rasch, da die Kraft an der Anspannseite absinkt undan der Gegenseite ansteigt.
2.4.4 Westautobahn A 1, Objekt S 96 „Agerbrücke“
Die Brücke wurde in den Jahren 1960 bis 1963 nach einem Projekt des Ingenieurbüros Leonhardt-Andrä errichtet und mit einem konzentrierten Spannglied (System Baur-Leonhardt) vorgespannt (sieheBild 2.24). Aus dem Korrosionsschaden eines vergleichbaren Spanngliedes bei der Innbrücke Kufstein[11] ergaben sich zwei Erkenntnisse:
• Korrosion kann im Kern des konzentrierten Spannglieds ablaufen, ohne dass dies von der Ober-fläche des Spannstrangs aus festgestellt werden kann.
• Erst nachdem etwa ein Drittel der Litzen gebrochen war, zeichnete sich der Schaden durch Bil-dung eines klaffenden Risses im umhüllenden Beton ab.
Dies veranlasste die Brückenbauverwaltung, durch eine präventive Vorspannung soviel Tragreserve zuschaffen, dass bei Entfall von ca. 25 % der Bestandsvorspannung in jedem beliebigen Querschnitt dienormgemäße Tragsicherheit noch gegeben wäre [12], [13].
Die Verstärkung wurde durch Anordnung von externen Spanngliedern erzielt. Mit einer im Aufrisstrapezförmigen Spanngliedführung in den Hauptfeldern, nur einer Umlenkung im großen Randfeldund ohne Feldumlenkung im kleinen Randfeld, konnte dem Momentenverlauf gut entsprochen werden(Bild 2.25). Bei einer lichten Höhe des Kastenquerschnitts von 3,95 m konnten 3,50 m als Gesamtaus-mitte der Spanngliedführung genutzt werden (Bild 2.26). Trotz der geneigten Stege wurden die Spann-glieder in lotrechten Ebenen geführt (Bild 2.27). Dies ergibt eine einfache Geometrie, insbesonderefür den Einbau der Umlenksättel, und vergrößert beim Hochziehen der Spannglieder deren Abstandzum Steg. Dadurch konnte der Anvoutung der Stegbreite in den Stützenbereichen ausgewichen werden(Bild 2.28).
Es wurden insgesamt vier externe Spannglieder über die gesamte Brückenlänge geführt und nur an denTragwerksenden verankert. Zur Endverankerung boten sich die im Altbestand vorhandenen, zur Ver-teilung der Spannblockpressung sehr kräftig ausgeführten Endquerträger an. Jedes Spannglied bestehtaus 3 VT CMM 04-150 mit 3 x 4 x 1,50 = 18,0 cm2. Insgesamt wurden 17,84 MN Vorspannkraft einge-tragen, von der nach den zeitlichen Verlusten noch 16,60 MN nutzbar sind. Im Vergleich dazu beträgtdie Bestandsvorspannung zwischen 55,00 und 57,50 MN.
44
Bild 2.24: Agerbrücke, Bestand, Ansicht und Querschnitt
Bild 2.25: Agerbrücke, Führung der externen Zusatzspannglieder
Bild 2.26: Agerbrücke, Feld- und Stützenumlenkung
45
Bild 2.27: Agerbrücke, externe Spannglieder zur Feldumlenkung laufend
Bild 2.28: Agerbrücke, externe Spannglieder in der Nähe der Stützensättel
46
2.4.5 Südautobahn A 2, Objekt P 11 V „Zachgrabenbrücke“
Dieses Bauvorhaben soll in den nächsten beiden Jahren realisiert werden und zur Zeit liegt ein sehrdetailliert ausgearbeitetes und überprüftes generelles Projekt vor. Der Auftrag erfolgt für die ASFINAGdurch das Amt der Steiermärkischen Landesregierung. Projektverfasser ist das Ingenieurbüro Kirsch-Muchitsch in Linz, Prüfingenieur der Autor. Die Brücke liegt im Zuge der Südautobahn A 2 zwischenGraz und Klagenfurt im Bereich der Querung der Packalpe. In diesem Bereich ist Anfang der 70erJahre die bergwärts führende Richtungsfahrbahn errichtet worden. Nunmehr erfolgt der Vollausbau derA 2 mit der Errichtung der zweiten Richtungsfahrbahn.
Der Entwurf der neuen Brücke für die RFB Graz orientiert sich am bestehenden Tragwerk der RFBKlagenfurt. Damit sind die Spannweiten mit 39,20 + 4 x 45,00 + 39,20 m vorgegeben. Ebenso der Ka-stenquerschnitt mit geneigten Stegen (Bild 2.29). Das Tragwerk wird feldweise vom Widerlager Grazin Richtung Klagenfurt hergestellt, wobei die Koppelfugen 9,30 m nach der Stützenachse zu liegenkommen.
Die Innovation bei diesem Objekt besteht in der Verwendung von externen und internen Spanngliedernohne Verbund in Längsrichtung. Diese Anordnung wurde gewählt um sämtliche Vorteile der verbund-losen Spannglieder nutzen zu können. ÖNORM B 4750 verlangt bei Straßenbrücken, im Hinblick aufderen Beaufschlagung mit Tausalzen, bei Spanngliedern im Verbund mindestens die Anforderungs-klasse C. Dies bedeutet die Einhaltung des Grenzzustandes der Dekompression zumindest unter denquasi-permanenten Einwirkungen, und die zulässige Rissbreite wird unter den häufigen Einwirkungenmit wk = 0,15 mm begrenzt. Bei Verwendung von korrosionsgeschützten Spanngliedern dürfen auchdie Anforderungsklassen D und E verwendet werden. Bei diesen darf Dekompression eintreten und diezulässige Rissbreite wird aufwk = 0,30 mm hinaufgesetzt.
Die interne Vorspannung dient der Abdeckung der Bauzustände. Sie wird im Feldbereich parabolischgeführt und egalisiert somit bestens die gleichförmig verteilte Eigenlast des Tragwerks. Sie bestehtje Steg aus 2 x 4 übereinander liegenden einfach extrudierten VT-CMM 04-150 Bändern. Die Bänderliegen horizontal in den geneigten Stegen. Bei einem gegenseitigen Mindestabstand von 7 cm könnendie Umlenkkräfte einwandfrei in die Stege eingeleitet werden. Die Spannglieder werden von der Bau-abschnittsfuge aus voll angespannt. Die Verankerungen liegen innerhalb des Stegquerschnitts, sodassSpannlisenen entbehrlich sind. Die Spannglieder des folgenden Abschnitts werden an die Verankerun-gen des vorhergehenden angekoppelt (Bild 2.30).
Die externen Spannglieder verlaufen in den Innenfeldern trapezförmig und werden im Randfeld nureinmal umgelenkt. Die Umlenksättel im Feld werden mit dem Tragwerk mitbetoniert. In den Stützen-querschnitten erfolgt ein nachträglicher Einbau der Sättel im Hinblick auf eine bessere Justierbarkeit.Nach Abschluss der Bauarbeiten werden die externen Spannglieder über die ganze Tragwerkslängeverlegt und von den Brückenenden aus angespannt. Als Vorspannelemente kommen doppelt extrudierteSpannbänder der Type VT-CMM 04-150 zum Einsatz. Jeweils drei dieser Bänder bilden ein Spanngliedmit 18,0 cm2 Querschnittsfläche. Vorerst werden zwei Spannglieder je Stegseite eingebaut (Bild 2.31).Die Umlenkelemente sind jedoch für vier Spannglieder ausgelegt, sodass spätere Verstärkungen in ein-facher Weise möglich sind.
Eine Besonderheit in der Führung der externen Spannglieder ergibt sich aus der Geometrie des Trag-werks im Grundriss. Die Tragwerksachse folgt der Straßenachse und liegt in einer Geraden, einemÜbergangsbogen und in einem Kreisbogen mit einem Radius von 600 m. Im Bereich der Grundriss-krümmung ergeben sich an den Umlenkstellen auch horizontale Ablenkungen der Spannglieder. InÜberlagerung mit der vertikalen Ablenkung ergibt sich eine schräg liegende resultierende Umlenkkraft.Folgerichtig werden die Umlenksättel in dieser Querneigung eingebaut (Bild 2.32).
47
1
BA 1 BA 2 BA 3 BA 4 BA 5 BA 6
2 3 4 5 6 7
3,9 %
Graz Klagenfurt
39,2 45,0 45,0 45,0 45,0 39,2
258,4
Längsschnitt
3,40 50 6,20
14,00
50 3,40
3,2
015
50
Regelquerschnitt - Feldbereich
9,3
Bild 2.29: Zachgrabenbrücke, Längsschnitt und Querschnitt
2.5 Schlussbemerkung
Mit den verbundlosen Spanngliedern trat im vergangenen Jahrzehnt ein neues Konstruktionselementauf den Plan [14]. Wir mussten erst lernen, dass dies mehr bedeutete als lediglich den Verlust desVerbundes. Es gibt Folgerungen bezüglich des Korrosionsschutzes, der zusätzlichen Spannungen imRissbereich, damit der Ermüdungsfestigkeit, der Paradigmen für den Einsatz von Vorspannung, derBerechnungsverfahren und der Durchbildung der Tragwerke. Die Entwicklung auf diesem Gebiet istin vollem Gang, es gibt unzählige Überlegungen und darauf aufbauende Lösungsvorschläge. Einigedavon, die aus Österreich kommen, wurden in dem vorliegenden Bericht vorgestellt. Wir sind derzeitin einer sehr fruchtbaren Phase und eine Unzahl von Varianten drängt auf den Markt. Bei unserem rela-tiv kleinen Markt brauchen wir noch nicht regulierend eingreifen. Wir können die Entwicklung in denHänden der wenigen Experten auf diesem Gebiet lassen und diese als Planer, Prüfingenieure oder Bera-ter beiziehen. Die Evolution wird die „fittesten“ Mutanten herausfiltern. Dann ist der richtige Zeitpunktfür normative Festlegungen gekommen. Die jetzige Zeit lässt sich mit dem Beginn der Spannbetonbau-weise im Brückenbau vor etwa vierzig Jahren vergleichen. Auch damals hatten wir bei jedem Projektneue Ideen, die wir verwirklichen wollten. Heute hat sich der Fundus der wirtschaftlich herstellba-
48
Externe und interne Spannglieder in den Endfeldern
28,75
39,25
10,50
24,00
45,00
10,5010,50
in den Innenfeldern
Bauabschnittsfuge
externe Spannglieder
interne verbundlose Spannglieder
Bild 2.30: Zachgrabenbrücke, externe und interne Spannglieder, Längsschnitt
50
2,13
43
50
2,13
32
Stützquerschnitt Feldquerschnitt
Bild 2.31: Zachgrabenbrücke, externe und interne Spannglieder, Querschnitt
49
Stützquerschnitt
Feldquerschnitt
R
� 1
� 2
� = � 1 + � 2
Bild 2.32: Zachgrabenbrücke, Spanngliedführung bei gekrümmtem Grundriss
ren Spannbetonbrücken auf wenige Typen eingeengt. Für innovative Ingenieure wäre die verbundloseVorspannung ein faszinierendes Tätigkeitsfeld.
2.6 Literaturverzeichnis
[1] Schönberg, M.; Fichtner, F.: Die Bahnhofsbrücke in Aue (Sa.).Die Bautechnik, 17. Jg. (1939),Heft 8, S. 97-104
[2] Wicke, M.: Einige Langzeiterfahrungen mit Massivbrücken in Österreich.Beton- und Stahlbeton-bau, 1983, Heft 6, S. 158-162 und Heft 7, S. 202-205
[3] Wicke, M.: Anwendung der externen Vorspannung im Brückenbau. Österreichischer Betontag1996,Schriftenreihe des Österreichischen Betonvereins ÖBV, 1996, Heft 27, S. 64-75
[4] Anelli-Monti, O.; Thal, H.: Zusätzliche Vorspannung bei der Murbrücke St. Michael.Schriften-reihe des Österreichischen Betonvereins ÖBV, 1988, Heft 10, S. 24-27
[5] Kirsch, P.: Zusätzliche Vorspannung ohne Verbund bei der Erneuerung der Wangauer Achbrücke,Schriftenreihe des Österreichischen Betonvereins ÖBV, 1986, Heft 5, S. 34-38
[6] Seltenhammer, U.: Außenliegende Vorspannung an der Wangauer Achbrücke.Schriftenreihe desÖsterreichischen Betonvereins ÖBV, 1988, Heft 10, S. 28-33
[7] Wicke, M.; Resch, H.; Kirsch, P.: Verbreiterung einer Kastenbrücke unter Einsatz innovativerTechniken.Bauingenieur, 70. Jg. (1995), S. 297-303
[8] Ertl, H.: Erste Neubaubrücke in Österreich mit externer Vorspannung: Objekt K 6 in Klagenfurt.Österreichische Ingenieur- und Architekten-Zeitschrift, 141. Jg. (1996), Heft 1, S. 2-6
50
[9] Wicke, M.; Fritsche, G.: Reibungsmessungen an Externen Spanngliedern am Bauwerk. BmfWA,Schriftenreihe Straßenforschung, Heft 464, Wien 1996
[10] Wicke, M.; Fritsche, G.: Measurements of Prestressing Forces in External CMM-Tendons.FIP-Symposium London 1996
[11] Wicke, M.: Ursachen für den Austausch des konzentrierten Spanngliedes der Innbrücken Kufstein.Schriftenreihe des Österreichischen Betonvereins ÖBV, 1996, Heft 26, S. 9-12
[12] Wicke, M.; Kirsch, P.: Vorbeugende Verstärkung und Sanierung der Agerbrücke.Bauingenieur,73. Jg. (1998), Heft 4, S. 153-160
[13] Wicke, M.; Kirsch, P.: Preventive Strengthening and Rehabilitation of the Ager Bridge. Öster-reichische Beiträge zum XIII. FIP-Kongress in Amsterdam,Schriftenreihe des ÖsterreichischenBetonvereins ÖBV, 1998, Heft 32, S. 49-55
[14] Eibl, J.; Iványi, G.; Buschmeyer, W.; Kobler, G.: Vorspannung ohne Verbund, Technik und An-wendung.Betonkalender 1995, Verlag Ernst & Sohn, S. 739-803
51
52