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    Wolf Dieter Blmel

    20000 Jahre Klimawandelund Kulturgeschichte von der Eiszeit in dieGegenwart

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    schen Determinanten in der Nahrungs-sicherung war aber weit gewichtiger alsin einer Zeit technologisch untersttzteroder gar substituierter Lebensmittelpro-

    duktion mit Kunstdnger, Treibhusernund teils unartgerechter Massentierhal-tung.

    Die Grenzen der kumene, die Wur-zeln des heutigen Siedlungsmusters,,Vlkerwanderungen, Hochkulturen usw.stehen meist in kausalem Zusammen-hang mit dem Naturpotenzial. Letzteresbestimmt Gunst- und Ungunstfakto-ren. Diese wiederum stehen in starkerAbhngigkeit vom Klima als kologi-schem Regelfaktor. Zwar soll hier keinepauschalierende Determinismus-Lehreverfolgt werden, doch auf die unter-schtzte Tragweite selbst kleiner klimati-scher Fluktuationen verwiesen werden,innerhalb derer klimatische Variabilittenzustzliche Stress- oder Gunstsituationenzur Folge haben. Als solche Variabilitteninnerhalb einer Klimaperiode knnen inTrockengebieten beispielsweise die bibli-schen sieben fetten oder mageren Jah-re betrachtet werden.

    Verunsichert durch Meldungen ber zunehmende Sturmttigkeit, Hochwasserbedro-

    hung oder Drre bangt die Menschheit einer ,Klimakatastrophe entgegen. Der Geist

    ist aus der Flasche, und er ist so schnell nicht wieder hineinzuzwingen: Gemeint sind

    die noch nicht zu bestimmenden Ausmae und Folgen eines eskalierenden Einsatzes

    fossiler Kohlenwasserstoffe (= ber lange Zeitrume gespeicherte Sonnenenergie)

    und eines radikalen Landschaftsverbrauchs in geologisch krzesten Zeitrumen. Da-

    mit verbunden ist eine mgliche Temperaturerhhung, die in ihrer synergetischen

    Wirkung auf das globale Klimasystem und seine Dynamik nur schwer zu fassen ist.

    Rekonstruktionen des Klimas in immerfeinerer zeitlicher Auflsung sollen hel-fen, Ursache und vor allem Wirkung kli-matischer Vernderungen besser zu ver-stehen und prognostische Vorstellungenzu entwickeln. Aus der Physischen Geo-graphie sowie der Geologie und Palon-tologie stammten bereits aus dem 19.Jahrhundert Hinweise auf teils drasti-sche klimatische Vernderungen auch inder jngsten erdgeschichtlichen Entwick-lung, vor allem die Wechselfolge von Eis-zeiten und Warmzeiten anfnglich ver-bunden mit recht abenteuerlichen Vor-stellungen [1]. Inzwischen ist (Palo-)Kli-maforschung zum zentralen Objekt zahl-reicher Wissenschaftszweige geworden.Auch am Lehrstuhl fr Physische Geogra-phie der Universitt Stuttgart werden ein-schlgige Fragen bearbeitet.

    Der folgende grobe berblick beleuch-tet unter anderem eine ungewohnte Fa-cette des Faches Geographie dieSchnittstelle der Paloklimatologie mitder Kulturgeschichte und der historischenSiedlungsforschung. Der Blick geht zu-rck in eine Zeit, als die Welt noch nichtso drangvoll eng war (die erste MilliardeMenschen drfte etwa um das Jahr1820 erreicht worden sein). Folglicherscheint die Betroffenheit gegenberNaturkatastrophen geringer, das Risiko

    strker im Raum verteilt. Das Ma derAbhngigkeit von physisch-geographi-

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    KLIMA ist die fr einen Ort, eine Land- schaft oder einen greren Raum typi- sche Zusammenfassung der erdnahenund die Oberflche beeinflussenden at- mosphrischen Zustnde und Witte- rungsvorgnge whrend eines lngerenZeitraumes in charakteristischer Vertei- lung der hufigsten, mittleren und extre- men Werte. (J. Blthgen 1966)

    Laufende Untersuchungen zur jngerenund jngsten Klimageschichte zeigen,

    dass es immer die wrmeren Phasen wa-ren, in denen es dem Menschen gut ging,seine Lebensumstnde angenehmer undseine kulturellen Entwicklungsmglichkei-ten grer waren. (Im Hinblick auf ein an-thropogen verstrktes ,Global Warmingund seine Folgen in einer berbevlker-ten Welt muss diese positivistische Aus-sage jedoch in Frage gestellt werden.)Andererseits ist in klimatischen Krisensi-tuationen hufig ein Stimulanz fr tech-nologische Innovationen und Anpas-sungsstrategien erkennbar.

    Aufrechter Gang durchTrockenheit?

    Das wohl lteste Beispiel fr die Interde-pendenz Mensch Klima mag in dermenschlichen Evolution selber zu sehensein. Die Umstellung der ostafrikanischenVor- und Frhmenschen (Ramapithecus;Australopithecus) auf den aufrechtenGang seit ca. 12 Millionen Jahren wirdhufig mit der Savannisierung in Verbin-

    dung gebracht der Entstehung von of-fenen, baum-durchsetzten Graslandschaf-ten, wie sie heute fr Teile der trockenenTropen typisch sind [2]. Diese lsten re-gional mehr oder minder geschlosseneWaldlandschaften ab als Folge der sichseit dem Miozn (ca. 20 Millionen Jahre)vollziehenden allmhlichen Abkhlungdes gesamten Globus. Ursache der welt-weiten Abkhlung ist der Kontinent Ant-arktika, mit dessen plattentektonischerDrift in eine polare Lage seine Vereisunginitiiert wird und nach erfolgter Isolierung

    von den brigen Sdkontinenten der cir-cum-antarktische Kaltwasserstrom seine

    Fernwirkung in die angrenzenden Ozean-becken ausben kann. Zu einer Zeit, alsAntarktika seinen bis heute persistentenEispanzer aufbaute, herrschte auf demgesamten brigen Globus ein ,tropoidesWarm-Klima mit Waldvegetation unteranderem Lebensraum der Hominiden-Vorfahren in Afrika. (Noch whrend des

    lteren und mittleren Tertirs wurden aufSpitzbergen aus Sumpfwldern Kohlela-gersttten gebildet. Heute herrscht hierein baumloses Polarklima.)

    Das Herunterkhlen der Atmosphrevollzog sich vor allem ber Meeresstr-mungen im Rahmen globaler Konvektions-systeme. Es fhrte zu einer zunehmendenAridisierung der Kontinente und damitzur Entstehung offener Landschaftenwie Savannen, Steppen oder Wsten. DieVor- und Frhmenschen als auf den tropi-schen Bumen lebende Primaten muss-sten zumindest zeitweilig von ihren Nah-rungsspendern herabsteigen, um zu dennchsten zu gelangen. Der Weg fhrtedurch hohe Grser ein Grund, sich auf-zurichten, um den lebenswichtigen ber-blick zu erhalten eine noch umstritteneHypothese, aber nicht ohne Logik. DieAusbreitung der Homoniden erfolgte vonAfrika aus. Ihre Migration nach Eurasienwurde durch offene Landschaften sicher-lich erleichtert.

    Klima der Jetztzeit stabiloder labil?

    Eine Retrospektive in die jngste und be-deutsamste Phase menschlicher Entwick-lung beginnt meist 20 000 18 000Jahre vor heute zur Zeit des letzten Hoch-Glazials, dem Hhepunkt der Wrm- oder

    Weichsel-Kaltzeit/-Eiszeit. Daran schlietsich die bis heute anhaltende Warmzeit/Interglazial an, das so genannte Holozn(Beginn 10 200 Jahre vor heute; Abb. 1),in der sich entscheidende kulturelle undsiedlungsgeschichtliche Entwicklungeneinstellten. Diese Periode von etwa10 000 Jahren gilt unter Klimaforschernals klimatisch ausgesprochen stabil undvon bemerkenswert langer Dauer: Eis-bohrkerne und Analysen von Meeressedi-menten belegen immer deutlicher, dassdas gesamte Eiszeitalter (Beginn vor 2,4

    Millionen Jahren) gekennzeichnet wardurch hufigen Klimawandel, nicht seltendurch rapide ,Sprnge. Zehn Jahrtausen-de klimatischer Stabilitt in einem Inter-glazial wie der Jetztzeit erscheinen alsbemerkenswerte Seltenheit.

    Betrachtet man jedoch die Klimaent-wicklung in hherer zeitlicher Auflsungund versucht, das Augenmerk auch aufweniger dramatische Fluktuationen mitentprechend kleinerer Amplitude zu len-

    ken, so wird eine

    signifikante ,Instabi-litt sichtbar undihre Auswirkungenauf menschlicheAktivitten wie dieAusbreitung undVernderung derkumene betont.Die genauere Re-konstruktion sol-cher Klima-fluktuationen, ihrehochauflsende

    zeitliche Einord-nung und die Ab-schtzung ihrer Wir-kung auf die Kultur-und Siedlungsge-schichte oder dienderung von na-trlichen kosys-temgrenzen (zumBeispiel Wsten-grenzen) ist ein Teilder Forschungenam Institut fr Geo-

    graphie der Univer-sitt Stuttgart. ImAbb. 1: Zeitskala und kulturgeschichtliche Gliederung des jngeren Pleistozns.

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    Kontext dieses berblicks sollen einigeausgewhlte globale Beispiele angespro-chen werden.

    Vor zehn Jahren wurde die von Stutt-gart aus organisierte und koordinierte

    dreijhrige ,Geowissenschaftliche Spitz-bergen-Expedition (SPE 90-92) abge-

    schlossen. An ihr nahmen insgesamt150 Wissenschaftler/-innen verschiede-ner geographischer, geologischer undbiowissenschaftlicher Disziplinen teil, die17 Teilprojekten angehrten [3, 4]. Einesder Teilprojekte widmete sich der Unter-

    suchung von auch gegenwrtig beob-achtbaren Gletscherschwankungen in

    Abb. 4: Die an eine Mondlandschaft erinnernde Abla-gerung am Rand der ,Lerner-Insel(s. Abb. 3) ist eineEndmorne des Monaco-Gletschers. Sie markiert denEisrand etwa um das Jahr 1850 am Ende der KleinenEiszeit.

    der Hohen Arktis seit dem Ende der letz-ten Eiszeit. Es zeigte sich ein berra-schendes Ergebnis: Hier in den nrdlichs-ten Landmassen der Erde erwartete maneigentlich eine recht stabile Klimasi-tuation. Eine intensive geomorphologi-sche Spurensuche und Grabungsttigkeitfrderte datierbare Ablagerungen zu Ta-ge, vor allem Humus-Horizonte, die be-weisen, dass allein in den letzten 3 600Jahren die hochpolaren Gletscher Nord-Spitzbergens mindestens siebenmal krf-tige Vorste und entsprechende Rck-schmelzphasen erlebt haben (Abb. 2).Diese Schwankungen blieben innerhalbder Reichweite, die das Rckschmelzender Gletscher seit dem Jahr 1850 demEnde der ,Kleinen Eiszeit vollzogen ha-ben (Abb. 4). Hierbei muss es sich

    Abb. 2: Absolute Alters-datierungen ( 14 C) an

    fossilen Humushorizon-ten belegen zahlreicheGletscherschwankun-gen in der Hohen ArktisSpitzbergens (ca. 80N)allein im Zeitraum derletzten viertausend Jah-re (nach Furrer aus Bl-mel 1992). Die Pfeile inder dritten Spalte sym-bolisieren die Zeiten mitGletschervorsten indiesem Raum.

    Abb. 3: Luftaufnahmedes Monaco-Gletschers(Liefde-Fjord/Nordwest-Spitzbergen) aus demJahr 1990. Die Kal-bungsfront des grtenFjord-Gletschers Spitz-bergens liegt heute ca.acht Kilometer sdlichder ,Lerner-Inseln(oberer Bildrand). DerBeginn des Eisrck-gangs konnte auf dieMitte des 19. Jahrhun-derts datiert werden.(s. Abb. 2,4)

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    Nacheiszeitliches Wrmeopti-mum: Paradiesische Zustnde

    Nach dem drastischen Klterckschlag

    im Sptglazial folgt beinahe unvermittelteine globale Wrmezeit ein neues Inter-glazial. Man kann davon ausgehen, dassmit dem Datum ,10 200 Jahre vor heutedie letzte Kaltzeit mit dem Zerfall derGletschermassen definitiv zu Ende warund sich unmittelbar die bisher wrmstenacheiszeitliche Klimaperiode anschloss das sogenannte ,Postglaziale Wrmeop-timum (Boreal und Atlantikum, s. Abb.1). Es dauerte mehrere tausend Jahreund brachte ganz entscheidende kultur-geschichtliche Entwicklungen in Gang.

    Die Temperaturen drften 2 2,5Chher gelegen haben als heute.

    leichtere Swasser vermindert die ther-mo-haline Zirkulation, das heit das Ab-sinken besonders salzhaltiger, kalter unddamit dichterer Wassermassen. Der zu-gehrige Nachstrom warmen Tropik-Wassers in den Nord-Atlantik wird

    blockiert, die ,Fernwrme bleibt aus: InWest- und Nordeuropa zieht fr knapp1 000 Jahre erneut die Eiszeit ein. Dieerst junge Wiederbewaldung gehtzurck. Permafrost breitet sich wieder imUntergrund aus, Gebirgsgletscher wieauch die restlichen Inlandeismassen berSkandinavien stoen erneut vor. Die spt-glazialen Jger-Kulturen in Europa ms-sen sich an neue, restriktive Lebensbedin-gungen eines Tundren-Klimas anpassen an die Phase der ,Jngeren Tundren-Zeitoder ,Jngere Dryas-Zeit zwischen

    11 000 und 10 200 Jahren vor heute(Abb. 1). Dieser Vorgang demonstrierteindringlich die Wechselwirkung zwi-schen Ozean und Festlandklima, wobeidem Energieaustausch ber Meeresstr-mungen eine steuernde Rolle zukommt.Das Scenarium der Jngeren Tundren-Zeit mangelnde Kaltwasserreproduktion imNordatlantik durch vermehrten Zustromleichten Swassers mag ein lehrreichesBeispiel abgeben fr potentielle Folgenvon ,Global Warming, wenn zum Beispieldurch starken Eisabbau zuknftig zuviel

    Swasser in das Nordpolarmeer oderden Nordatlantik geliefert wird.

    Abb. 6: Die erstaunlich schnelle Ausbreitung der eiszeitlichen/steinzeitlichen Kulturen auf beiden amerikanischenKontinenten erklrt sich durch die palogeographische Situation: Das globale ,Kaltklima der letzten Eiszeit be-gnstigte offene Landschaften (Savannen, Steppen, Halbwsten, Wsten) und damit auch die Migration vonJger- und Sammler-Kulturen. Der schwer durchdringliche tropische Regenwald Mittel- und Sdamerikas konntenur in kleineren Rckzugsgebieten berdauern, von wo aus er sich in der Nacheiszeit (Holozn) wieder ausbreitenkonnte (nach Whitmore 1998(6)).

    Der bergang von kaltzeitlichen zuinterglazial-warmzeitlichen Klimabedin-gungen vollzog sich jedoch nicht vlligsynchron. Die atmosphrische Zirkula-tion und die sie teilweise steuerndenozeanischen Bedingungen mussten sichumstellen und Platz greifen. Selbstver-strkungseffekte brauchten Zeit, sich kli-

    matisch auszuprgen. Die Folge warschlielich ein Globus mit neuen Klima-,Vegetations- und Bodenzonen. Bei unse-ren Untersuchungen zur Landschaftsent-wicklung im sdwestlichen Afrika konntebeispielsweise festgestellt werden, dassder Groteil namibischen Territoriumswhrend des letzten Hoch- und Sptgla-zials deutlich trockener war als heute.Das gesamte Land wurde von Wstenund Halbwsten bestimmt. VorzeitlicheDnenbildungen in der heutigen Dorn-busch- oder Trockensavanne konnten

    auf 16 000 8 000 vor heute datiertwerden (vgl. Abb. 8). Es gelang, die riesi-gen Lngsdnenfelder der westlichenKalahari zeitlich einzuordnen: Ihre Dyna-mik (Aufbau, Verlagerung usw.) endete

    Abb. 7: Flanke einerLngsdne am Rand derKalahari (SO-Namibia):Whrend der Eiszeit wardie Kalahari eine Sand-wste. Seit etwa 8 000Jahren hat sich unter denfeuchteren holoznen Kli-mabedingungen eineTrockensavanne mitBaum- und Graswuchsausgebreitet und die D-nen weitgehend fixiert.

    vor ca. 9 000 8 000 Jahren (Abb.7)[7a]. Seither ist die Kalahari kein Ws-ten-kosystem, sondern eine Savanneoder regional allenfalls eine Halbwste

    (Abb. 8). Von Norden und Nordosten herhielt das monsunal geprgte randtropi-sche Klima wieder Einzug im sdwest-lichen Afrika und lie die Wstenschrumpfen [7b].

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    Das postglaziale Wrmeoptimum mitseiner Feuchte vernderte die palogeo-graphische Situation vollkommen. Fels-malereien und Gravuren, wie man sie in

    heute wieder wsten- oder halbwsten-haften Landschaften findet (Abb. 9), bele-gen sowohl fr den Bereich der Wsten

    Namib (Abb. 8) wie der Sahara (Abb. 10)vergleichsweise ppige Lebensmglich-keiten auch fr Growild und seine Jger[8]. Datierungen geben Hinweis darauf,dass seit etwa 8 000 Jahren in der Zeitdes Atlantikums vermehrte Feuchteexistierte, die von monsunal-tropischenNiederschlgen stammt. Das sdwestli-

    che Afrika war insgesamt feuchter, dieWste Namib deutlich geschrumpft(Abb. 8). Groe Teile der heutigen WsteSahara waren ,grn, drften etwa demkosystem einer Trockensavanne mitGaleriewldern entlang der Wadis ent-sprochen haben. Elephanten, Giraffenund Antilopen fanden gute Lebensmg-lichkeiten vor; in Flusskolken oder Seenlebten Flusspferde und Krokodile. DieOst-Sahara mit dem Murzuk-Becken oderder Serir Calancio waren von zahlreichenSeen durchsetzte Landschaften [9]. Zahl-

    reiche Kulturspuren wie Artefakte, Fessel-steine oder Keramik sind unter heute ex-trem wstenhaften Bedingungen zu fin-

    den. Bekannte Felsmalereien wie die,Schwimmer in der Wste vom DjebelUweinat (Abb. 9) belegen eindrucksvolldie kologische Gunst durch vermehrteNiederschlge in diesem Raum. Im Ver-lauf des Postglazialen Klimaoptimumswar in der Sahara sogar die Domestika-tion von Rindern mglich.

    Die Erfindung der Sesshaftig-keit

    Der Eishaushalt ging im Atlantikum aufsein bisheriges Minimum zurck der zu-gehrige Meeresspiegelanstieg lie zahl-reiche Kstenabschnitte untergehen: Diesogenannte ,Flandrische Transgressionerreichte einen Stand etwa einen Meterber dem heutigen. Kstenkulturen gin-gen unter eine Interpretationsmglich-

    keit fr die biblische ,Sintflut. Doch dieGunstfaktoren dieses Klimaoptimumsberwiegen: Im Bereich des ,Fruchtbaren

    Abb. 8: Mittels eines multi-plen Methodenspektrumskonnte die eiszeitliche undnacheiszeitliche Klimaent-wicklung im sdwestlichenAfrika rekonstruiert wer-den. Zeitangaben in ka =tausend Jahre; LGM = LastGlacial Maximum/LetztesHochglazial; Holocene Al-tithermal = postglazialesWrmeoptimum). Obenlinks: Zur Zeit des LGM vor20 000 Jahren war dasgesamte Areal des heuti-gen Namibia Wste oderHalbwste. Oben rechts:Im Sptglazial setzt dermonsunale Einfluss imNorden und Nordostendes Landes wieder einund bewirkt das Aufkom-men von Dornbusch- undTrockensavannen, whrendim Sden und Sdosten(Kalahari) noch wstenhaf-te Verhltnisse mit Dnen-bildung herrschen. Untenlinks: Zur Zeit des Postgla-zialen Wrmeoptimums(8 000 4 000 Jahre vorheute) sind alle Landestei-le wesentlich feuchter undppiger bewachsen alsheute (s. Abb. unten rechts).Die Wste Namib ist deut-lich schmaler als gegen-wrtig. Buschmann-Kultu-ren knnen sich in dieserZeit besonders weitflchigausbreiten. Unten rechts:Seit etwa vier- bis fnftau-send Jahren ist das Klimawieder khler und damittrockener geworden. DerGlobus geht langsam wie-der auf die nchste Eiszeitzu (aus Eitel, Blmel& H-ser, 2002 (7)).

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    Halbmonds (Palstina, Libanon, Syrien,Mesopotamien, Trkei, Persien; s. Abb.11) vollzieht sich die ,Neolithische Revo-lution (ca. 7 000 v. Chr.): Aus nomadisie-renden Wildbeuter-Kulturen entwickelnsich sesshafte Ackerbauern-Gesellschaf-ten und Viehzchter. Jericho wird ge-

    grndet, die lteste Stadt der Welt. Einstationres Stdteleben und -wesen wirdmglich, weil geregelte Versorgung ausdem nahen Umland besteht. Die Agrar-technik entwickelt dabei schon unterstt-zende, die Produktivitt steigernde Be-wsserungssysteme.

    Vom Fruchtbaren Halbmond aus ver-breitet sich (seit 8 000 Jahren vor heute)die Lebensform sesshafter Bauern durchEinwanderung oder durch Kontaktdiffu-sion bis nach Zentraleuropa (Abb. 11). Inbestimmten Bereichen wird die Megalith-kultur (Grosteingrber) gepflegt Sd-ost-Spanien, Bretagne, England, Irland,Nordwestdeutschland (Abb. 12, 13).Leistungen, die zum Beispiel beim Auf-bau gigantischer Grosteingrber von An-tequera/ SO-Spanien oder New-Grange/Irland, der Steinanlage Stonehenge/Eng-land (Abb. 13), aber auch bei den unzh-ligen kleineren Dolmen und Hgelgr-bern ntig waren, werden nicht von aus-gemergelten Krften erbracht. Diese Ge-sellschaften konnten sich auf eine pro-duktive, berschssige Landwirtschaftsttzen erklrbar durch eine ausgespro-chen gnstige Klimasituation mit optima-lem Jahreszeitenverlauf und verlsslichenErnten.

    Abb. 9: Links: Steinzeitliche Felsgravuren wie in Twyfelfontein (Damara-Land/Nami-bia) zeigen die ehemalige weite Verbreitung von Savannentieren auch an Standor-ten, die heute deutlich trockener und damit lebensfeindlicher sind. Rechts:,Schwimmer in der Wste: Zeichnung einer Felsmalerei im Djebel Uweinat (gyp-tisch-Libysche Wste), die auf Seen und Flsse whrend der Jungsteinzeit imheutigen Extremwstengebiet der Ost-Sahara hinweist.

    Abb. 10: Whrend des Hchststandes der letzten Eiszeit war die Wste Sahara deutlich weiter nach Sdenausgedehnt als heute. Zur Zeit des Postglazialen Wrmeoptimums mit seinem wesentlich hheren atmosphri-sche Feuchtegehalts war die Wste fast nicht existent. Der Monsun brachte Niederschlge bis in das heutigeKerngebiet der Wste Sahara.

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    Es sind vor allem Bandkeramische Kul-turen, die Mitteleuropa besiedeln. Eineder am besten erhaltenen Siedlungenaus der Jungsteinzeit ist bei Vaihingen/Enz freigelegt worden. Sie datiert auf7 500 vor heute [11]. Dr. S. Hnscheidt(ehemalige Wissenschaftliche Mitarbeite-rin am Institut fr Geographie) war an derBearbeitung und Auswertung der Gra-bung beteiligt, und zwar an der Rekon-struktion der jungsteinzeitlichen Umwelt-verhltnisse. Aus reliktischen Bden undSedimenten und ihrer multiplen Analyselassen sich Aussagen ber palokologi-sche Verhltnisse treffen und der damalseinsetzende anthropogene Landschafts-wandel analysiert werden [12]. Aufflligwaren die sehr dunklen, teils schwarzenBodenrelikte im Grabungsfeld, die anSteppenschwarzerden der Ukraine oderamerikanischer Prrien erinnern (Abb.14, 15). Die Untersuchungen zeigten,dass der neolithischen Besiedlung einSteppenklima mit Schwarzerdebildungvorausging und sich in abgeschwchterForm in den sdwestdeutschen Becken-landschaften erhielt. Grau- und Braunhu-minsure-reiche Bden und ihren kaltzeit-lichen Lss-Beimengungen sind als einwesentlicher Grund fr die weit ber-durchschnittliche, nachhaltige Fruchtbar-keit zu sehen, die die Grundlage bildetefr eine ber Jahrhunderte durchhalten-de Besiedlung und Nutzung diesesRaumes. Das milde sommerwarme Klimades Atlantikums mit seinen verlsslichenWitterungsverlufen ist verantwortlich freine hohe agrarische Produktivitt unddie erfolgreiche Behauptung der Jung-steinzeitlichen Kulturen in Mitteleuropa.

    Im Rahmen eines DFG-Projektes unter-suchen Dr. Ursula Maier und Dipl.-Geogr.Richard Vogt in Zusammenarbeit mitdem Landesdenkmalamt Stuttgart sied-lungsarchologische Fragestellungen imBodensee- und Federsee-Gebiet/Ober-schwaben. Auch hier steht das Klima desNeolithikums, die Rekonstruktion der Le-bensbedingungen und die anthropogeneLandschaftsentwicklung im Vordergrund

    detaillierter und systematischer Untersu-chungen [13].

    Abb. 11: Entstehungsgebiete buerlicher Wirtschaftsformen im Bereich des ,Fruchtbaren Halbmonds (etwa 7 000v. Chr.) und Ausbreitung der Bandkeramischen Kultur in Zentraleuropa 5. Jahrtausend v. Chr. (verndert ausH. Mller-Beck, 1983 (10 )).

    Abb. 12: Grosteingrber in heutigen Heideland-schaften Niedersachsens sind selten Kultsttten oder,Frstengrber, sondern jungsteinzeitliche Bestat-tungspltze einer sesshaften Bauernkultur.

    Abb. 13: Das von Mythen umrankte Megalith-Kunst-werk von Stonehenge (Sd-England) steht sinnbild-lich fr die Vitalitt seiner Schpfer: Eine darbendeAgrargesellschaft wird kaum die erforderlichen ber-schssigen Krfte mobilisieren knnen, den Ferntrans-port gigantischer Gesteinsblcke (ber mehr als 200Kilometer) zu leisten. Immerhin waren an Steigungengeschtzt etwa 1 000 Mann ntig, um die Riesen-blcke auf Schlitten ber Steigungen zu ziehen. Dasdamalige landwirtschaftliche Produktionsklima musssehr gnstig, lngerfristig stabil und damit berechen-bar gewesen sein. Die Funktion der Steinsetzung istnoch unbekannt. Vielleicht war es ein Kalenderzur Bestimmung zum Beispiel optimaler Saatzeitenund zeitgleich Kultsttte zur Beschwrung anhalten-der Fruchtbarkeit.

    Abb. 14: Freigelegte Palisadengrben markieren dieBefestigung der neolithischen Siedlung Vaihingen/Enz (Kreis Ludwigsburg). Auffllig sind die dunkel-hu-mosen Bodenfarben, die an fruchtbare Steppen-schwarzerden erinnern.

    Abb. 15: Eines von mehr als hundert Skeletten, dieim Graben der bandkeramischen Siedlung Vaihingen/Enz gefunden wurden. Die groe Zahl deutet auf einelngere Siedlungskontinuitt hin.

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    Schneedecke eingebettet. Sein Tod vor5 300 Jahren besttigt einen sprunghaf-ten Klimawechsel, der das postglazialeWrmemaximum schlagartig beendete.,tzi wurde in einer wachsendenSchnee- und Firndecke konserviert, seinKrper durch Sublimationsprozesse dehy-driert und damit mumifiziert (Abb. 16).Ohne zwischenzeitlich lnger wieder auf-gedeckt zu werden dann wre die Lei-che zerfallen , berdauerte der ,Eis-mann mehr als fnf Jahrtausende, bis

    durch die aktuelle klimatische Erwr-mung die abtauende Firnkappe am Haus-labjoch die Mumie wieder freigab. Palo-botaniker hatten bereits frher auf Grundvon Pollenanalysen eine Klimavernde-rung (Abkhlung) fr den genannten Zeit-raum begrndet, die so genannte ,Piora-Schwankung. Mit der 14 C-Datierung am,Eismann wird das Datum besttigt. Dieangesprochenen Umstnde seiner Kon-servierung belegen, dass hier ein abrup-ter Klimawechsel eintrat.

    Eine andere Entwicklung als im sdli-chen Deutschland nahmen die ebenfallsim Atlantikum besiedelten Gebiete aufden sandigen GletscherablagerungenNiedersachsens und Schleswig-Holsteins.Die im Klimaoptimum auch optimalen Le-bensmglichkeiten dokumentieren sichin den oben angesprochenen Grostein-

    grbern, die meist nicht als Kultbauteneinzustufen sind, sondern als Bestat-tungspltze, die eine Siedlungskontinuittin unmittelbarer Nhe dokumentieren(Abb. 12). Zahlreiche HeidestandorteNordwestdeutschlands entstanden be-reits frh als Folge von jungsteinzeitlicherbernutzung und erntebedingter Auslau-gung ehemaliger Laubwaldbden. Auf-grund ihrer quarzreichen, sandig-kiesigenAusgangssubstrate waren sie weit weni-ger ,nachhaltig in ihrer Fruchtbarkeit alsdie lss-brtigen Schwarzerden und Pa-

    rabraunerden sdwestdeutscher Becken-und Tallandschaften. Verheidung undPodsolierung (grau-weie Bleicherde) be-endete die landwirtschaftliche Nutzungprimr gnstiger, leicht zu bearbeitenderSandbden.

    Fazit: Generell lsst sich betonen, dassdie klimatische Gunstperiode und inihrem Gefolge das gesamte palokologi-sche Milieu verantwortlich war fr dieweitreichende Ausbreitung neolithischerKulturen. Die damalige, rein auf physisch-geographische Parameter (klimatischeGunst und nachhaltig fruchtbare Bden)gesttzte agrarische Tragfhigkeit ermg-lichte bereits vor mehr als sechstausendJahren auch die intensive Besiedlung pe-ripherer Rume wie Irland, Schottlandund der Hebriden-Inseln. Das postglazialeWrmeoptimum mit seinen etwa2/2,5C hheren Jahrestemperaturenund regional deutlich hheren Nieder-schlgen hatte globale Auswirkungen.Die Waldgrenze auf der Nordhalbkugel(Borealer Nadelwaldgrtel Kanadas und

    Skandinaviens/Sibiriens) war um 300 400 Kilometer nach Norden verschoben,die asiatischen Steppenareale waren ge-schrumpft. Die Wsten der Erde hattenihre kleinste Ausdehnung, die Hochgebir-ge ihre geringste Vergletscherung. Dieswird auch durch den sensationellen Funddes ,Mannes vom Hauslabjoch (,tzi,1991) untermauert: Zu dessen Lebzeitenwar Transhumanz praktiziert worden, dasheit in den Sommermonaten wurdenvom heutigen Sdtirol aus Weidegebieteoberhalb der Waldgrenze genutzt.

    (Schnalstaler Bauern ben noch heutetraditionelle Weiderechte nrdlich des Al-

    penhauptkammes im tztaler Gebiet ausund treiben ihre Schafherden ber vereis-te Joche.) Auch das alpine Neolithikumzu Zeiten des ,tzi war durch deutlichverringerte Vergletscherung gegenberheute und eine um 200 300 Meterhhere Waldgrenze (bis 2 300 Meter. NN) klimatisch zu charakterisieren. Dienatrlichen Bedingungen erlaubten somiteine offensichtlich unproblematische sai-sonale Nutzung der oberen alpinenHhenstufen. Funde von datierten Brand-

    horizonten belegen eine Nutzungsttig-keit an der oberen Waldgrenze zur Zeitdes neolithischen Wrmeoptimums.

    ,tzis Tod - abruptes Endeder nacheiszeitlichen Klima-gunst

    Der mit immer neuen Spekulationenkommentierte Tod des ,tzi vor 3 300Jahren v. Chr. lsst sich als frappierendesKlimazeugnis interpretieren: Entgegen

    immer wieder kolportierten Berichten,der Mann sei in einen Gletscher gefallen,ist festzuhalten, dass er auf einem Jochstarb einem eisfreien Sattel in der Nhevon Vent /tztaler Alpen. Der Tod auf ei-nem Gletscher oder in einer Gletscher-spalte htte den sensationellen Fund ei-ner neolithischen Mumie unmglich ge-macht. Die Leiche wre lngst mit derGletscherbewegung abtransportiert wor-den und sptestens in einer Morne ver-west. Der ,Eismann wurde (geschwcht,gesundheitlich angegriffen, im Kampf ver-

    letzt?) mglicherweise Opfer einesSchneesturms, zumindest aber in einer

    Abb. 16: ,tzi, der ,Mann vom Hauslabjoch (tztaler Alpen) wurde bei einem sprunghaften Klimawechsel (= Endedes postglazialen Wrmeoptimums) vor 5 300 Jahren in einer Firnschnee-/Firneisdecke eingebettet, sein Krperdarin dehydriert und bis zum Jahr 1991 konserviert.

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    Vertreibung aus dem Paradies?

    Es liegt nahe, solche paloklimatischenBefunde mit prhistorischen oder histori-schen berlieferungen und Ereignissenabzugleichen. Das postglaziale Wrme-

    optimum hat zweifellos der Kulturge-schichte entscheidende Impulse gege-ben und vllig neue Entwicklungen inGang gesetzt. Gern wird deshalb von der,Neolithischen Revolution gesprochen,wenn die Erfindung des sesshaftenAckerbaus gemeint ist. Die wahrhaftgnstigen Lebensmglichkeiten, die hiernur exemplarisch angedeutet werdenkonnten, sind mglicherweise dem bibli-schen Paradies gleichzusetzen, einerLeichtigkeit des Lebens: Die Mythologieder Antike kennt beispielsweise den Gar-

    ten Eden, das Elysium oder das ,GoldeneZeitalter. Es ist sicherlich nicht allzu ge-wagt, hierin eine bereinstimmung mitdem Klimaoptimum des Holozns zu se-hen, dessen Ursache in erster Linie mitder Konstellation der Erdbahnparametererklrt werden kann (Sonnenwinkel, Ener-gieeinstrahlung, Selbstverstrkungseffek-te). Mit dem Ende dieser paradiesischenEpoche geht der Globus wieder der nchs-ten Eiszeit entgegen, jedoch nicht geradli-nig, sondern auf einer seichten klimati-schen Achterbahn mit Temperaturampli-

    tuden von nur 1 2C, aber betrchtli-chen Folgen. Um im Bild zu bleiben esist die ,Vertreibung aus dem Paradies.

    Klimapessimum der Bronzezeit(3 200 2 600 vor heute)

    Auf die nacheiszeitliche Wrmezeit folgteine ausgeprgte Kaltepoche zumin-dest in Europa: die Bronzezeit. Die Jahres-mitteltemperatur ist 12C niedriger alsheute. Es ist die klteste Periode seit dem

    Ende der Wrm-Kaltzeit. Verbreitetstoen die alpinen Gletscher weit vor. Re-

    gional verursachen Missernten gravieren-de Versorgungsprobleme. Mglicherweisesind die Folgen der Klimaverschlechte-rung aber auch ein Stimulanz fr techno-logische Fortschritte in der Bronzezeit.

    Vielfltige geographische Untersu-chungen und Datierungen vor allem inder Zentral- und Ostsahara belegen einEnde der Feuchtperiode und damit der,Grnen Sahara ebenfalls um die Zeit5 200 Jahre vor heute entsprechendder Piora-Schwankung in den Alpen (s.oben). Wstenhafte Verhltnisse breitensich auf verschiedenen Kontinenten er-neut aus. Es entwickelt sich der unge-fhre heutige Stand der Wstengrenzen(s. Abb. 10). Das nrdliche Afrika erlebt inder Folge der Aridisierung das Aufblheneiner Hochkultur vor allem in gypten:,Wstenflchtlinge entdeckten die Mg-lichkeiten sesshaften Bewsserungs-Ackerbaus in der hydrologisch verlssli-chen Nil-Oase. Vielleicht stimulieren dievernderten Klima- und Lebensraumbe-dingungen auch hier die Innovations-fhigkeit und den technologischen Fort-schritt. In der Zeit um 3000 v. Chr. ent-stehen die ersten Pyramiden Gigantis-mus als Ausdruck von berschuss?

    Rmerzeitliches Klimaoptimum(2 300 1 600 Jahre vor heute)

    Auffllig ist im weiteren Verlauf der klima-tischen Entwicklung ein zyklisches Auf

    und Ab der Temperaturkurve im Abstandvon einigen hundert Jahren. So lsst sichdie Ausdehnung des Rmischen Imperi-ums zumindest teilweise durch eine kli-matisch gnstige Situation untersttzen:Die Jahresmitteltemperatur in Europa ist1 1,5C hher als heute. Die Expansiondes Imperium Romanum wird erleichtert,

    indem beispielsweise die Alpenpsseauch im Winter benutzt werden knnen.(Hannibal berquerte 217 v. Chr. mit38 000 Mann Futruppen, 8 000 Rei-tern und 40 Elephanten die Alpen.) DieRmer kolonisierten Sd- und Sdwest-deutschland. Wie im Neolithikum warendie Beckenlagen und Flusslufe bevor-zugte Siedlungsbereiche. Es kam zu Std-tegrndungen (Trier als lteste StadtDeutschlands) ein Hinweis auf eineleistungsfhige Landwirtschaft und eineleistungsfhige Infrastruktur auch in peri-

    pheren Lagen (Kontaktachsen mit Rom).

    Im Jahr 54 v. Chr. gelang die rmischeInvasion in Britannien. Die Rmer fhrtenden Weinbau in England ein ein deutli-ches Signal fr ein damals wrmebegn-stigtes Klima. Der Handel Nord-Sd flo-rierte ebenso wie der West-Ost-Handelber die Seidenstrae, die dank entspre-chender Versorgungsmglichkeiten(Wasser, Agrarprodukte) bis 400 n. Chr.aktiv war. Klimatisch herrschten bere-chenbare, stabile Verhltnisse, wenig die

    Versorgung beeintrchtigende Variabi-litt (Abb. 17).

    Abb. 17: Das rmische Weinschiff von Trier: Ausdruck einer klimatisch begnstigten berfluss-Gesellschaft, der,fun und ,wellness nicht fremd war.

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    gentliche Erschlieung dieser Rume be-ziehungsweise Hhenstufen. Vom 11. biszur Mitte des 14. Jahrhunderts erlebt dieKulturlandschaft Deutschlands ihre bishergrte Ausdehnung und hchste Bevl-kerungsdichte. Der Flchenanteil desWaldes geht unter 20 Prozent zurck.Ackerflchen und insbesondere dasDauergrnland nehmen entsprechend zu

    (Abb. 18).In den Altsiedelgebieten erfolgen ver-

    mehrt Stdtegrndungen. Das mittelalter-liche Wrmeoptimum ermglicht auf-grund idealer und nachhaltiger agrari-scher Produktionsbedingungen die Ver-sorgung einer wachsenden stdtischenBevlkerung und damit auch den Ausbauvon Handel und Gewerbe. Ausdruck einerleistungsfhigen, berschuss erzeugen-den Gesellschaft sind meines ErachtensBauweise und Stil der Gotik. Eine himmel-strebende, aufwndige Architektur, aus-gefhrt mit handwerklicher Perfektion,erscheint sinnbildlich fr die physischeGunst und damit fr die Vitalitt, Kreati-vitt und Leistungsfhigkeit der Bevlke-rung in dieser Zeit (Abb. 19).

    Zeit der Vlkerwanderungen:Klimapessimum (3. 6. Jahr-hundert n. Chr.)

    Die Klimaschaukel neigt sich wieder zuranderen Seite: Anschlieend an das r-merzeitliche Optimum zieht ein khles,stark wechselhaftes Klima in Sd- und

    Mitteleuropa ein. In den Alpen wachsendie Gletscher; rmische Straen undGoldgruben werden zerstrt. Ebenfallssinkt in Folge der Klimaverschlechterungdie Baumgrenze. Europische Ksten er-leben eine Zeit heftiger Sturmfluten undgeomorphologischer Vernderungen.Gletscher als sehr sensible Klimaindika-toren signalisieren auch hier mit ihrenVorsten die klimatische Vernderung.

    In Nord- und Nordwesteuropa stellensich auf Grund von Ernteausfllen gravie-rende Versorgungsprobleme und Hun-gersnte ein. Letztere geben sehr wahr-scheinlich den entscheidenden Anstofr eine Nord-Sd-, West- und Sdwest-Wanderung ganzer Volksstmme. Ab300 n. Chr. bestimmen sinkende Tempe-raturen und Trockenheit das ,Pessimumder Vlkerwanderungszeit. Fr 270 n.Chr. werden Abkhlung und Aridisierungauch aus Italien, Arabien und Innerasienberichtet [14]. Zwischen 300 und 400n. Chr. lassen Drreperioden den Handelber die Seidenstrae zum Erliegen kom-men; sie verfllt [15]. Die zeitgleichenHunnen-Einflle in Europa, die hufig(und wohl flschlich) als Auslser der Vl-kerwanderungen gesehen werden, knn-ten selbst wiederum klimatisch mit verur-sacht worden sein, und zwar durch dieAustrocknung der Weideflchen in Zen-tralasien. Kunde ber ppigere Weide-mglichkeiten im regenreicheren WestenEuropas drfte ber die Seidenstrae ver-breitet worden sein. In den Hunnen-Ein-

    fllen ist ein weiterer Dominoeffekt imProzess der Vlkerwanderung zu vermu-ten, nicht aber die Ursache. Sie liegt ineiner klimatisch begrndeten physischenund sozialen Krise.

    Mittelalterliches Wrmeopti-mum (1 000 ca. 1 230 n. Chr.)

    Mit Annherung an die Gegenwart wer-den die Zeugnisse fr klimatische Fluk-tuationen und ihre Rekonstruktion ver-stndlicherweise etwas hufiger und pr-ziser. Nach der schwierigen ra Karls desGroen steigen die mittleren Temperatu-ren im Vergleich zu heute um 1,5 2C.Die Anbaugrenzen in den deutschen Mit-telgebirgen reichen ca. 200 Meter hherals gegenwrtig. Es beginnt damit die ei-

    Abb. 19: Die Stadt Rothenburg o.d.T. und der Regensburger Dom stehen fr das aufblhende mittelalterlicheStdtewesen und das ,Himmelstreben der gotischen Architektur Sinnbild einer klimatisch verwhnten,uerst produktiven Agrarwirtschaft im Umland der Stdte.

    Abb. 18: Wandel der Land-nutzung in Deutschlandseit der Zeit der Vlker-wanderung. Bemerkens-wert ist die drastische Ent-waldung zu Gunsten vonAcker, Weideland undEnergiegewinnung vor al-lem im Mittelalter. In Folgeder ,Kleinen Eiszeit undden damit verbundenenHungersnten, Pestepede-mien fhren die Bevlke-rungsverluste zu Sied-lungsaufgaben, Rckgangder Ackerflchen und einerRegeneration der Waldge-biete (aus Bork et al.1998(16)).

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    Wrmegunst auch in hohen Breiten

    Dieser mittelalterliche Temperaturanstiegerlaubte Weinbau nun auch in klimatischbisher ungeeigneten Lagen Ostpreuens,Pommerns oder Sdschottlands. In Nor-wegen war zu dieser Zeit Getreideanbaubis in 65 nrdlicher Breite mglich. Peri-phere Ungunstgebiete hoher Breite wieIsland und Grnland (nomen est omen!)

    wurden jetzt durch die Wikinger besie-delt. Auf dem randpolaren Island wuch-sen damals Wlder. Das neue Klimaopti-mum gestattete dort neben der Schaf-zucht auch Getreideanbau.

    Es stellt sich die grundstzliche Frage,der wir an unserem Institut in einigenProjekten nachgehen, ob solche in ihrerthermischen Amplitude kleinen Klimafluk-tuationen auch globale Reichweiten ha-ben. Als Exkurs sei auf zwei Befunde ausunseren Arbeitsgebieten in Namibia undin der Antarktis hingewiesen. Abbildung

    20 zeigt einen noch gefrorenen See ander Nordspitze der Antarktischen Halbin-sel. In der Sdsommerzeit taut er bis zuzwei Meter Tiefe auf. Darunter liegt eineca. sechs Meter dicke Eisschicht. EineBohrung im Jahr 1987 lieferte organi-sches Material von der Basis des Eises,also vom ehemaligen Seeboden. Eine14 C-Datierung ergab ein Alter von etwa1 000 Jahren vor heute. Dies bedeutet,dass zur mittelalterlichen Ablagerungs-zeit der organischen Sedimente der Seeim Sommer bis zur Sohle aufgetaut ge-

    wesen sein muss, das damalige (Som-mer-)Klima bei ca. 63 sdlicher Breitealso deutlich wrmer war. Auch in derHohen Arktis Spitzbergens schmelzen dieGletscher in diesem Zeitraum zurck (s.

    Abb. 2) ein Hin-weis auf die mgli-che globale Aus-dehnung der mittel-alterlichen Wrme-phase.

    Mittelalter: Regen in der Namib?

    Ein weiteres Beispiel fr eine mittelalterli-che Klimaschwankung stammt ebenfallsvon der Sdhalbkugel, und zwar aus derSkelettksten-Wste Namibias. Bei unse-ren geomorphologisch-palokologi-schen Untersuchungen in einem der ex-

    tremsten Abschnitte der Namib fielenzahlreiche wohl mehrere hundert un-terschiedlich gut erhaltene Steinsetzun-gen auf (Abb. 21). Es sind Siedlungs-spuren aus groben Gerllen oder Block-werk auf einem vorzeitlichen Schwemm-fcher eines ehemals gerll- und wasser-reichen Flusses. Die runden Steinsetzun-gen von < 2,0 bis > 3,0 Meter Durch-messer sind Begrenzungssteine kuppel-frmiger oder spitzer Schutzhtten, dievon Wildbeutern aus dnnen Stmmenoder dem Gest von Struchern errichtet

    und mit Fellen oder Buschwerk bedecktwurden. Die nomadisierenden Buschleu-te in diesem gegenwrtig uerst lebens-feindlichen Raum hatten sich gegen denscharfen, khlen Sdwestwind vom kal-ten Beguela-Strom zu schtzen. Zu jederHtte gehrte eine kleine Feuerstelle. Diebisher einzige 14 C-Datierung an Holzascheund Knochen erbrachte ein Alter vonknapp 1 000 Jahren vor heute. Das ent-spricht der Zeit des hochmittelalterlichenKlimaoptimums in Europa [18]. Die Be-obachtung vergangenen Lebens in ge-

    genwrtig fast steriler Umgebung ohneBume, Strucher und Grser wirft dieFrage auf, ob dieser Raum damals untergenderten Klimabedingungen ppigeresPflanzenleben fr Tier und Mensch zubieten hatte. Es ist kaum vorstellbar, dassdie Jger und Sammler das Holz fr ihreHtten ber weite Strecken mit sich fhr-ten. Selbst wenn die Wildbeuter hier inAtlantiknhe vor allem Muscheln gesam-

    Abb. 20: Blick aus dem Hubschrauber auf die Nordspitze der Antarktischen Halb-insel, ca. 1 300 Kilometer Luftlinie von Feuerland (Sdamerika) entfernt. Oberhalbder argentinischen Station Esperanza ist ein gefrorener See erkennbar (s. Pfeil;Aufnahme Okt. 1987).

    Abb. 21: Reste frherer Buschmann-Htten in der heutigen Vollwste (Skelettkste/Namibia). Der beigelegte Mastab ist zwei Meter lang. Der Wuchs groer roterFlechten deutet ein hohes Alter der Steinsetzung an (Aufnahme 1999).

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    melt, vereinzelt Robben geschlagen und

    von Seevgeln gelebt haben es musszumindest Buschwerk vorhanden gewe-sen sein zum Httenbau.

    Im vergangenen Jahr entdeckten wirbeilufig in einem riesigen Sanddnenge-biet mit zehn bis 25 Meter hohen Dnen,ca. acht Kilometer vom Atlantik entfernt,eine wiederaufgedeckte Feuerstelle mitKnochenresten, Holzkohle, Keramikscher-ben und Straueneierschalen. Die Be-stimmung der Knochenreste durch Dr.D. Mrike (Staatliches Museum fr Natur-kunde, Stuttgart) zeigte, dass hier Antilo-pen verzehrt wurden (Springbock undOryx-Antilope) keine Meerestiere, wiezunchst vermutet. Die Altersbestim-mung an diesem Fund ist noch nicht ab-geschlossen. Der Befund sttzt die ge-nannte Hypothese einer ehemaligen sa-vannenartigen Vegetation in diesemRaum, zumindest in der Nhe der Gerin-nebetten. Das bedeutet entsprechendhohe Niederschlge zumindest im Ein-zugsgebiet des Uniab-Flusses, der alsFremdlingsfluss sicherlich regelmigerdurch das Wstengebiet geflossen ist alsheute, so dass sich eine Galeriewald-artige Begleitvegetation mit Graswuchseingestellt hat. Mglicherweise fielenauch flchenhaft innerhalb der heutigenExtremwste, wo gegenwrtig im Jahres-mittel weniger als 20 Millimeter Regenfallen, ausreichend hohe Niederschlgefr eine Strauch- oder Trockensavanne.

    Die aufgefhrten Einzelbefunde sindnoch kein Beweis fr eine weltweit wirk-same Klimafluktuation, sondern nur einHinweis. Es wird vielleicht deutlich, wie

    diffizil sich eine paloklimatische ,Spuren-sicherung gestaltet, da ein Klimatyp sich

    nicht unmittelbar in eindeutigen Relikten

    dokumentiert, sondern indirekt erschlos-sen werden muss.

    Neuzeitliches Klimapessimum:Die ,Kleine Eiszeit(ab 1330; vor allem 1550 1850 n. Chr.)

    Bereits Anfang des 14. Jahrhundertskann man den Beginn der sogenannten,Kleinen Eiszeit ansetzen einen erneu-

    ten Klimawandel zu kaltem, wechselhaf-tem Klima mit entsprechend negativenAuswirkungen auf den wirtschaftendenMenschen. 1313 bis 1319 stellten sichExtremereignisse mit berschwemmun-gen ein. 1342 kam es zu einer ungeheu-ren Hochwasserkatastrophe in Mitteleu-ropa, verbunden mit einer betrchtlichenUmgestaltung der Kulturlandschaft durchBodenerosion [16]. Whrend einerauergewhnlichen Wetterlage generiertsich aus einem mehrtgigen wolken-bruchartigen Dauerregen eine ,Jahrtau-

    sendflut. Der Bodenabtrag auf den Nutz-flchen ist gewaltig. Man schtzt, dassauf dieses eine Ereignis die Hlfte desgesamten Bodenverlustes der letzten2 000 Jahre entfllt. Im Gefolge dieserEntwicklung treten Pestepedemien (zwi-schen 1347 und 1352) auf die Bevl-kerung ist auf Grund der Mangelversor-gung durch die Klimakrise geschwchtund fr Seuchen disponiert. Zusammenmit den Opfern der Hungersnte redu-ziert sich die Bevlkerung um mehr als40 Prozent. Mitteleuropa erlebt einen zi-

    vilisatorischen Rckfall mit Aberglaubenund Hexenverfolgung.

    Krise und Auswanderung

    Vor allem vom 16. bis in die Mitte des19. Jahrhunderts lassen sich krftigeGletschervorste in den Alpen registrie-ren (s. Abb. 26). Die Waldgrenze sinktwieder sprbar ab. Der Hhepunkt derEntwicklung wird in Mitteleuropa um1640 erreicht, zur Zeit des 30-jhrigenKrieges. Vor allem Sd- und Sdwest-deutschland leidet unter hufigen Miss-ernten durch nasskalte Sommer und ex-treme Jahreszeitenausprgungen(Abb.22). Das Getreide reift nicht mehr

    aus, die Ernte verfault, Mehltau- oder an-derer Pilzbefall beeintrchtigt das Ernteer-gebnis, Teile der Bevlkerung werdendurch Mutterkornvergiftungen betroffen.

    Unmittelbare Folgen der Agrarkrisesind Wstungen in Mittelgebirgen; dieHhenlandwirtschaft wird aufgegeben.Mit der Abwanderung der Bevlkerung indie Stdte verschrft sich dort, wie auchauf dem Lande, die Versorgungslage(Mangelernhrung, Hygiene-Probleme).Getreide wird sehr knapp und damit teuer[17, 20]. Mitteleuropa erlebt einen weite-ren drastischen Bevlkerungsrckgangum 30 40 Prozent und Auswande-rungswellen in die Neue Welt.

    Abb. 22: Die Rekon-struktion von Witterungs-ereignissen im 16. Jahr-hundert zeigt, dass

    Deutschland in der ,Klei-nen Eiszeit immer wie-der von mehrjhrigenPhasen besondersschlechter Witterungsab-lufe heimgesucht wur-de. Hungersnte fhrtenvermehrt zu Auswande-rungen. (aus B. Humm-ler, 1993(17)).

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    1950) und fllt damit in die letzte Phaseder ,Kleinen Eiszeit. Die Sedimente mitihrer differenzierten Schichtung zeigen,dass hier nicht eine einzige katastrophaleSchlammflut diesen fluss-begleitendenWald verschtte hat, sondern zahlreicheEinzelereignisse. Der Hoanib hat eine Zeitlang seine schlammigen Sedimente aufseinem Lauf durch die Wste zum Atlan-tik absetzen mssen, da sein Wasserauf-kommen zum Weitertransport nicht mehrausreichte. Grbere Gerlle fehlen im Se-diment, ein Hinweis auf die stark vermin-

    derte Schleppkraft. Der Fluss, der heut-zutage im Abstand von einigen Jahrenzum Atlantik durchbrechen kann, bliebfrmlich im Inland Namibias stecken undverschttete die Landschaft ein Hinweisauf die Ausweitung von trockenen, ws-tenhaften Verhltnissen in khleren Zei-ten.

    Neuzeitliches Wrmeoptimum(seit 1850)

    Mit dem Jahr 1850 geht die krisenge-schttelte ,Kleine Eiszeit zu Ende. Zuletztzwingt die Kartoffelfule in Irland undSchottland zahllose Menschen zur Aus-wanderung nach bersee. Nun lsstnach mehreren Jahrhunderten ein neuer,natrlich bedingter Temperaturanstiegdie Gletscher weltweit und deutlich sicht-bar abnehmen (Abb. 3, 26). In fast allenHochgebirgen markieren Endmornen-wlle den Maximalstand des Eisvorstoesund den Beginn der jngsten Klimafluk-tuation (Abb. 26). Fr diesen Prozess der

    Erwrmung und des Eisrckgangs kommtnur schwerlich eine unmittelbar anthro-

    pogene Verursachung in Betracht. Zwarist die Entwaldung speziell in Europa imLaufe der vergangenen Jahrhundertekrftig vorangeschritten, die Folgen derIndustrialisierung verbunden mit dem es-kalierenden Verbrauch fossiler Brennstof-fe und der landschaftsschdigenden,emissionsfrdernden Bevlkerungsexplo-sion drften aber zu diesem Zeitpunktnoch kein klimasteuerndes Ausma er-reicht haben. Verantwortlich fr das Auf-treten der neuen Wrmephase ist wieder-

    um wohl eine der hier beschriebenen kli-matischen Wellen, deren Ursachen nochweitgehend unbekannt sind. Weder Son-nenfleckenzyklen noch Vulkanereignisselassen hier eine berzeugende kausaleVerknpfung erkennen. Eine Steuerungs-gre fr derartige klimatische Fluktuatio-nen in den angedeuteten Wellenzyklenknnte in Interaktionen von Meeresstr-mungen mit arktischen und antarktischenMeereisbedeckungen beziehungsweiseKaltwssern zu suchen sein. Mglicher-weise stellt sich eine phasenhafte Aus-

    dehnung respektive Verminderung dersaisonalen polaren Meereisdecke ein und

    damit eine Abschwchung oder Verstr-kung der ozeanischen Zirkulation. Abneh-mende Kaltwasserproduktion schwchtden Nachstrom wrmeren Wassers undumgekehrt (Abb. 27). Die Atmosphrereagiert(e) entsprechend in Form mehroder minder zyklischer Fluktuationen, diesich in den hier beschriebenen Auswir-kungen auf die Kultur- und Siedlungsge-schichte dokumentieren.

    Abb. 25: Der episodische Hoanib-Fluss in NW-Namibia erodiert gegenwrtig einenTeil seiner eigenen Sand- und Schlammflutablagerungen. Dabei werden Bume,die vor wenigen Jahrhunderten whrend der ,Kleinen Eiszeit in Lebensstellung ver-schttet wurden, heute wieder exhumiert. Vorne rechts ist erkennbar, wie ein Astdes Baumes noch in den Sedimentkrper hineinragt (Aufnahme Sept. 2001).

    Abb. 26: Der Tschierva-Gletscher (Graubnden/Schweiz) zeigt mit seinenSeitenmornen eindrucks-voll den Stand des Vor-stoes whrend der Klei-nen Eiszeit. Seit etwa1850 schmilzt der Glet-scher, wie die meisten al-pinen Tal- und Kargletscher,krftig zurck.

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    Viel zu wenig Beachtung fand in derVergangenheit die klimatische Wechsel-wirkung Ozean-Troposphre. Der Haupt-wrmetransport und globale Energieaus-tausch geschieht ber die ozeanischenWassermassen und Strmungen. Ange-trieben wird ein gigantisches weltweitesKonvektionssystem (,global conveyerbelt) mageblich von der thermo-halinenZirkulation [22]: Die in den polaren Brei-

    ten erzeugten dichten (besonders salzhal-tigen und kalten) Wassermassen sinkenin tiefere Bereiche des Ozeans ab undmssen durch nachstrmende wrmereOberflchenwsser ersetzt werden. Eingutes Beispiel dafr ist der eingangs er-whnte Golf-Strom, dessen Auslufer bisin das Nordpolarmeer reichen, wo auchdie Abkhlung des Wassers mit Hilfe derMeereisbildung und Luftmassen erfolgt(Abb. 27). So wird auch heute mit denScenarien zu ,Global Change oder ,Glo-bal Warming zunehmend und sicherlich

    begrndet auch die Reaktion des Golf-stroms auf eine mgliche, krftige Erwr-mung der Atmosphre diskutiert.

    Sollte die zur Zeit laufende natrlicheKlimaerwrmung durch anthropogeneVerstrkung (Emissionen, Waldvernich-tung usw.) die natrliche Steuerung desKlimasystems abwandeln, knnte der An-

    trieb des Golfstroms mangels ausreichen-der Kaltwasserproduktion abgeschwchtwerden oder gar zu Erliegen kommen:West- und Nord-Europa knnte seine,Fernwrmeheizung einben [21,22].Dann drften deutlich kltere und unwirt-liche Lebensbedingungen drohen als zuden schlechtesten Phasen der Nacheis-

    zeit mehr als nur eine ,Kleine Eiszeit.Zur Zeit untersucht die Stuttgarter

    Doktorandin Silke Sander im Rahmen ei- nes DFG-Projekts, ob die in West-Spitz- bergen bereits sichtbaren geomorphody- namischen Vernderungen - zum Beispiel verstrkte Massenbewegungen an Hn-

    gen, Thermoerosion durch Degradierungdes Permafrostes - als signifikante Indika- toren fr ,Global Warming in diesem Teil der Arktis zu bewerten sind. Noch frag- lich ist, ob die natrliche Erwrmungdurch die anthropogenen Einflssetatschlich einen Verstrkungsimpulserhlt oder ob die beobachtbaren Ph- nomene noch im Rahmen der klimati- schen Variabilitt liegen.

    Keine Rckkehr in die GoldeneZeit

    In historischen und prhistorischen Zei-ten geringer Bevlkerungsdichte warenwrmere Klimaperioden stets auchGunstzeiten fr die Bevlkerung. Groru-mige Vernderungen an der Naturland-schaft (Rodung, Flchenverbrauch, Ver-siegelung usw.), wie sie vor allem mit derBevlkerungsexplosion seit Beginn der In-dustrialisierung in Gang gekommen sind,bringen jedoch fr menschliche Lebens-rume zwangslufig eine verstrkte Anfl-ligkeit gegenber Naturgefahren mit sich.

    Mit dem zustzlichen anthropogenemDreh an der Klimaschraube greift derMensch in ein System ein, dessen Wir-kungsweisen und Synergien er nochnicht ausreichend kennt. Was er damitergnzend bewirkt, ist noch umstrittenund spekulativ. Zunchst muss sich je-doch die Menschheit sicherheitshalber

    auf einen verstrkten Gegensatz zwi-schen polarer Kaltluft und (noch) wrme-rer Mittelbreiten- und Tropikluft einstel-len. Das bedeutet fr Europa heftigereStrme, hufigere Starkregen und ber-flutungen, zunehmende Massenbewe-gungen an Tal- und Berghngen und vie-les mehr. Die Goldenen Zeiten des Atlan-tikums kommen nicht wieder: In einerberbevlkerten Welt verkehrt sich zu-stzliche Erwrmung in erhhtes Risiko.Es leben heute zu viele Menschen in ge-fhrdeten Regionen wie in Tieflndern,

    an eingedmmten Flusslufen, an Ksten,in versiegelten Ballungsgebieten, in en-gen Gebirgsrumen, groflchig entwal-deten Flachlandschaften usw. die Be-troffenheit gegenber klimatischen Extre-men wchst exponentiell. Es gilt, eine Kli-mafolgenforschung schneller zu ent-wickeln und verstrkt geowissenschaftli-che Risikoanalyse zu betreiben, um imVerbund mit Ingenieur- wie Wirtschafts-und Sozialwissenschaften zu wirkungs-vollen Vorsorgekonzepten zu finden.

    Literatur / 1 / J. Imbrie & K. Palmer: Die Eiszeiten. Naturgewal-ten verndern unsere Welt. Econ Verlag, Dsseldorf1981

    / 2 / E. Steitz: Die Evolution des Menschen: Schweit-zerbartsche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1993

    / 3 / W. D. Blmel (Hrsg.): GeowissenschaftlicheSpitzbergen-Expedition 1990 und 1991 Stofftrans-

    Abb. 27: Der Golfstrom heute (links) und in einer Kaltzeit (rechts): Er ist Teil eines weltumspannenden Konvektionsstromsystems (,global conveyer belt) und sorgt gegen-wrtig bis in hohe Breiten fr ein relativ mildes Klima. Whrend der Kaltzeiten endete der Golfstrom wesentlich weiter sdlich.

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    porte Land Meer in polaren Geosystemen. Stutt-garter Geographische Studien, Bd. 117, Stuttgart1992

    / 4 / W. D. Blmel (Hrsg.): GeowissenschaftlicheSpitzbergen-Expedition 1990 1992 (SPE 90 92) Liefde-, Wood- und Bockfjord / NW-Spitzbergen. Zeitschr. F. Geomorphologie N. F., Suppl.-Bd. 97,Stuttgart 1994

    / 5 / Der Spiegel 1999

    / 6 / T. C. Whitmore: Tropische Regenwlder Eine

    Einfhrung. Spektrum Akademischer Verlag, Heidel-berg 1993

    / 7a/W. D. Blmel, B. Eitel & A. Lang: Dunes in south-eastern Namibia: evidence for Holocene environ-mental changes in the southwestern Kalahari basedon thermoluminescence data. In: Palaeo 138,1998, S. 139-149

    /7b / B. Eitel, W. D. Blmel & K. Hser: Environ-mental transition between 22 ka and 8 ka in monsoon-ally influenced Namibia A preliminary chronology. Z. Geomorphologie N.F., Suppl.-Bd. 126,Berlin/Stuttgart 2002 / 8 / S. Krpelin: Zur Rekonstruktion der sptquar-tren Umwelt am Unteren Wadi Howar (SdstlicheSahara / NW-Sudan). Berliner Geographische Ab-handlungen, H. 54, Berlin 1993

    / 9 / H.-J. Pachur: Vergessene Flsse und Seen in derOstsahara. In: Geowissenschaften. Jg. 5, H. 2,1987, S. 55-64

    /10/ H. Mller-Beck (Hrsg.): Urgeschichte in Baden-Wrttemberg. Theiss-Verlag, Stuttgart 1983

    /11/ R. Krause: Die bandkeramischen Siedlungen beiVaihingen an der Enz, Kreis Ludwigsburg (Baden-Wrttemberg), Verlag P. v. Zabern, Mainz 1998

    /12/ S. Hnscheidt: Holozne Bodenbildung, Boden-abtrag und Akkumulation am Beispiel bandkerami-scher Siedlungsreste bei Vaihingen / Enz (nordwest-lich von Stuttgart) Stuttgarter Geographische Studi-en, Heft 132, Stuttgart 2002

    /13/ U. Maier & R. Vogt: Siedlungsarchologie im Al-penvorland VI. Botanische und pedologische Untersu-chungen zur Ufersiedlung Hornstaad-Hrnle IA. K.

    Theiss Verlag, Stuttgart 2001 /14/ U. Dolecek: Vlkerwanderungen Folge klimati-scher Vernderungen? (unverff. Staatsexamensar-beit, Stuttgart 1999)

    /15/ H. H. Lamb: Klima und Kulturgeschichte. Ro-wohlt Verlag, Reinbeck b. Hamburg, 1989

    /16/ H.-R. Bork, H. Bork, C. Dalchow, B. Faust, H.-P.Piorr, T. Schatz: Landschaftsentwicklung in Mitteleuro-pa. Klett-Perthes Verlag, Gotha / Stuttgart 1998

    /17/ B. Hummler: Zusammenhnge zwischen Witte-rung und Kulturgeschichte am Beispiel Bietigheim imZeitraum 1550 bis 1900 Eine historisch-geographi-sche Untersuchung. Unverffentl. Diplomarbeit, In-stitut fr Geographie, Universitt Stuttgart, 1994

    /18/ W. D. Blmel, K. Hser & B. Eitel: Landschafts-vernderungen in der Namib.- Geographische Rund-

    schau 52, Westermann Verlag, Braunschweig 2000 /19/ J. C. Vogel & U. Rust: Ein in der Kleinen Eiszeit(Little Ice Age) begrabener Wald in der nrdlichen Na-mib. Berliner Geogr. Studien 30, Berlin 1990

    /20/ R. Glaser: Klimageschichte Mitteleuropas 1000 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen. Wissen-schaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 2001

    /21/ Geoskop: Rhythmische Klimaschwankung. Geo, Heft 6, 2002

    /22/ Rahmstorf, S.: The Thermohaline Ocean Circula-tion: A System with Dangerous Thresholds. In: Clima-tic Change 46, 2000, S. 247 - 256

    Prof. Dr. rer. nat.Wolf Dieter Blmel

    wurde am 12. Mai 1943 in Lan-genbielau (Schlesien) geboren.Er studierte von 1963 bis 1969Geographie, Geologie, Volkswirt-schaft sowie Vor- und Frhge-schichte an den UniversittenMnster und Wrzburg mit demAbschluss als Diplomgeograph.Als Wissenschaftlicher Assistentpromovierte er 1972 in Karlsruheund habilitierte sich dort 1980mit einer bodenkundlich-geomor-phologischen Arbeit ber Sd-westafrika und Sdostspanien.1981 erhielt er einen Ruf auf ei-ne Professur fr Geomorphologieund Geokologie in Karlsruhe,1986 einen Ruf an die Univer-sitt Kln. Seit 1987 ist er o. Pro-fessor und Direktor des Institutsfr Geographie der UniversittStuttgart. Von 1989 bis 1991war er Dekan der Fakultt frGeo- und Biowissenschaften.Wolf Dieter Blmel ist derzeitFachgutachter der DFG undStellvertretender Vorsitzenderdes VGDH (Verband der Geogra-phen an Deutschen Hochschu-len). Er gehrt verschiedenenwissenschaftlichen Gesellschaf-ten und Forschergruppen an.2002 wurde er zum Mitglied derKommission fr Geomorphologieder Bayerischen Akademie derWissenschaften gewhlt. Dar-ber hinaus ist er als Mitherausge-ber einer Fachzeitschrift undmehrerer wissenschaftlicherReihen ttig. Die Schwerpunkteseiner wissenschaftlichen Ttig-

    keit liegen in der Trockengebiets-und Polarforschung, der Geomor-phologie und Landschaftsge-schichte, der Paloklimatologieund Palokologie sowie in aktu-ellen Umweltfragen. Forschungs-reisen und Expeditionen fhrtenProf. Blmel in verschiedene se-miaride Gebiete und Wsten derSubtropen und Tropen sowie inbeide Polarregionen: 1984 und1987 in die Antarktis; 1969 und1989 bis 1992 in die Arktis alsKoordinator und Leiter der inter-disziplinren ,Geowissenschaftli-chen Spitzbergen-Expedition(SPE 1990-1992), die von Stutt-gart aus organisiert wurde undan der insgesamt 150 Wissen-schaftler/-innen teilnahmen.