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Prüfungsteilnehmer Prtifungstermin Einzelprüfungsnummer Kennzahl: Kennwort: Frühjahr Arbeitsplatz-Nr.: 2012 Erste Staatsprüfung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen — Prüfungsaufgaben — Fach: Deutsch (vertieft studiert) Einzelprüfung: Ältere Deut. Literaturw. - Hauptg. Anzahl der gestellten Themen (Aufgaben): 5 Anzahl der Druckseiten dieser Vorlage: 14 Bitte wenden!

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Prüfungsteilnehmer Prtifungstermin Einzelprüfungsnummer

Kennzahl:

Kennwort: Frühjahr Arbeitsplatz-Nr.: 2012

Erste Staatsprüfung für ein Lehramt an öffentlichen Schulen — Prüfungsaufgaben —

Fach: Deutsch (vertieft studiert)

Einzelprüfung: Ältere Deut. Literaturw. - Hauptg.

Anzahl der gestellten Themen (Aufgaben): 5

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Frühjahr 2012 Einzelprüfungsnummer 62311 Seite 2

Thema Nr. 1

A. Text:

Hartmann von Aue: Erec (V. 2808-2851)

Nachdem die Hochzeit von Erec und Enite beendet ist, wird ein großes Turnier anberaumt, aus dem Erec als glänzender Sieger hervorgeht.

nû hete der turnei ende, âne missewende

2810 schiet diu massenîe dan. Êrec der tugenthafte man wart ze vollem lobe gesaget, den pris hete er dâ bejaget, und den sô volleclîchen

2815 daz man begunde geliehen sîn wîsheit Salomône, sîn schœne Absolône, an sterke Samsônes genôz. sîn milte dûhte si sô grôz,

2820 diu gemâzete in niemen ander wan dem milten Alexander, sîn schilt was zebrochen, mit spern sô zestochen, man hete viuste dâ durch geschoben. 36r'

2825 sus verdiente Êrec sîn loben. dô daz masre ûz kam

und vrouwe Enîte vernam sô grôze tugent zellen von Êrecke ir gesellen,

2830 dô was ir sîn manheit beide liep unde leit. daz ir liebes dran geschach, daz was daz man im wol sprach, daz si leides dran gewan,

2835 daz was, si weste wol ir man in sô getânem muote, im enwolde got mit huote genasdeclîchen bî gestân, sô vorhte si in unlange hân,

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2840 wan er den lîp ûf ère solde wägen sêre, und wan erz versuochte, sô ein zage enruochte man sprasche im übel oder guot.

2845 ouch hâte sich vil snelle ir muot der zweier eines bewegen, daz ir ze manne wasre ein degen lieber dan ein arger zage, unde lie swache klage

2850 und was sîner manheit beide stolz und gemeit.

Erläuterungen:

2809 missewende hier ,Verdruss'; 2810 massenîe hier: ,Turniergesellschaft'; 2817 Absolône ,Absalom'; ein Sohn König Davids, der sich gegen seinen Vater empörte; 2828 zellen hier: ,erzählen'; 2846 eines bewegen hier: ,sich für eine Möglichkeit entscheiden'.

B. Aufgaben:

1. Übersetzen Sie den obigen Text ins Neuhochdeutsche!

2. In den Versen 2826 - 2851 wird ein innerer Konflikt Enites geschildert, der in der afrz. Vorlage fehlt. Zeigen Sie die Bedeutung dieser Passage für die Interpretation der weiteren Handlung und äußeren Sie sich dabei auch zur Relevanz der Stelle für die Diskussion um Enites , Schuld' am verligen Erecs!

3. Ein Teil der Forschung vermutet in den Versen 2811 - 2821 einen ironischen Tenor. Setzen Sie sich argumentativ mit dieser Meinung auseinander!

4. Bearbeiten Sie eine der folgenden Aufgaben:

a) Erläutern Sie, welche literaturgeschichtliche Relevanz Hartmanns zwei Artusromane für die Entstehung einer höfischen Literatur in deutscher Sprache haben!

oder

b) Vergleichen Sie den Lobpreis auf Erec (V. 2811 - 2825) mit dem unten abgedruckten Chrétiens (V. 2207 - 2214) und nennen Sie mindestens zwei der wichtigsten Bearbeitungstechniken, die Hartmann bei der Übertragung des afrz. Artusromans Erec et Enide verwendete!

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Chretien de Troyes: Erec et Enide (V. 2207-2214)

Or fu Erec de tel renon

qu 'an ne parloit se de lui non;

nus hom n 'avoit si boene grace

qu 7/ sanbloit Ausalon de face

et de la lengue Salemon,

et de fierte sanbla lyon,

et de doner et de despandre

refu il parauz Alixandre.

Jetzt stand Erec in solchem Ansehen,

daß man nur noch von ihm redete; nie-

mand besaß so vortreffliche Eigenschaften

wie er. Er schien von Angesicht ein Absa-

lom und ein Salomon in seiner Rede; in

seiner Tapferkeit schien er ein Löwe, und

im Geben und Austeilen glich er Alexan-

der.

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Thema Nr. 2

A. Text 1

XI Nieman ist ein saelic man

. 1 Nieman ist ein saelic man 214-12 — *> C ze dirre werke wan der eine,

der nie liebes teil gewan und oudi dar nâdi gedenket kleine.

5 Des herze ist vrî von sender nôt, diu manigen bringet ûf den tôt,

der sdiône heil gedienet hat und sidi des âne muoz begân.

dem lîbe niht so nahe gât, 10 als ich mich leides wol entstân,

wand ich den selben kumber hân.

! Ez ist ein ungelückes gruoz, --der get vür aller hande swaere,

daz ich von vriunden scheiden muoz, bi den ich iemer gerne waere.

5 Diu not von minen triuwen kumt. ich enweiz, ob si der sele iht vrumt:

sine git dem libe lones me wan truren den vil langen tac.

mir tuot min staete dicke -we, 10 wand ich mich niht getroesten mac

der guoten, diu min schone pflac.

214, 23 —41C

Übersetzungshilfe zu Text 1: Str. 1/v.lO sich enstän - erkennen, verstehen (mit Genitiv)

I

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Text 2

XVI Diz waeren wunneclîche tage

1 'Diz -waeren wunneclîche tage, 217 • 14 — s s c

der sî mit vröiden möhte leben, nu hat mir got ein swaere klage

ze dirre sdioenen zît gegeben, 5 Der mir leider niemer wirdet buoz:

ich hân verlorn einen man, daz idi vür war wol sprechen muoz,

daz wîp nie liebern vriunt gewan. dô ich sîn pflac, dô vröit er midi:

10 nu pflege sîn got, der pfliget sin baz danne ich.

2 Mîn schade waer niemanne reht erkant, 217 ' 2* — , 6 C

ern diuhte in grôzer klage wert. 'kan dem ich triuwe und ère ie vant

und swes ein wîp an manne gert, 5 Der ist alze gaehes mir benomén.

des mac mir unz an mînen tôt niemer niht ze staten komen,

ine mueze lîden sende not. der nu iht liebers sî besdiehen,

10 diu lâze ouch daz an ir gebaerden sehen.

3 Got hât vil -wol zuo zir getan, 217, U-S7C sît liep sô leidez ende gît,

diu sich ir beider hat erlân: der gêt mit vröiden hin diu zît.

5 Ich hin klage so manigen liehten tac, und ir gemüete stet also,

daZ sî mir niht gelouben mac. 218,1

ich bin von liebe worden vrô: soi ich der jâre werden alt,

10 daz giltet sich mit leide tusentvalt.'

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B. Aufgaben

1. Übersetzen Sie die beiden Texte Hartmanns von Aue in die Sprache der Gegenwart!

2. Nehmen Sie eine metrische Analyse der jeweils ersten Strophe beider Texte vor (Auftakt, Hebungszahl, Kadenzen, Reimschema, Strophenform)!

3. a) Arbeiten Sie die Gedankenführung in Text 1 und in Text 2 heraus und vergleichen Sie sie miteinander!

b) Vergleichen Sie die Thematisierung von Unbeständigkeit und Verlust in Text 1 und in Text 2 mit Hartmanns Kreuzzugsliedern (z. B. MF 209,25 Dem kriuze zimt wol reiner muot; MF 211,20 Swelh frowe sendet ihr lieben man; MF 218,5 Ich var mit iuwern hulden)!

4. Wie verhält sich die Diskussion des Leids in den beiden Texten zum frühen und zum hohen Minnesang? Stützen Sie sich bei Ihrer Darstellung jeweils auf konkrete Beispiele!

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Thema Nr. 3

A. Text

Kudrun, Str. 379-385 - König Hetel von Hegelingen beauftragt zwei seiner Helden, Horant und Fruote von Dänemark, um Hagens schöne Tochter Hilde zu werben:

379 Do sich diu naht verendet und ez begunde tagen, Höränt begunde singen, daz da bi in den hagen geswigen alle vogele von sinem süezen sänge. die liute, die da sliefen, die enlägen dö niht ze lange.

380 Sin liet erklang im schone, ie höher und ie baz. Hagene ez selbe hörte; bi sinem wibe er saz. üz der kemenäten muostens in die zinne. der gast wart wol beraten, ez hörtez diu junge küneginne.

381 Des wilden Hagenen tohter und ouch ir magedin, die säzen unde loseten, daz diu vogellin vergazen ir doene üf dem hove fröne. wol hörten ouch die helde, daz der von Tenemarke sanc so schöne.

382 Do wart im gedanket von wiben und von man. dö sprach von Tenen Fruote: „min neve möhte lan sin ungevüege doene, die ich in hoere singen. wem mag er ze dienste als ungefuege tagewise bringen?"

383 Dö sprächen Hagenen helde: „herre, lat vernemen, niemen lebet so siecher, im enmöhte wol gezemen hoeren sine stimme, diu get üz sinem munde." „daz wolte got von himele", sprach der künec, „daz ich si selbe künde."

384 Dö er dri doene sunder vol gesanc, alle die ez hörten, dühte ez niht so lanc. si hetenz niht geahtet einer hende wile, ob er solte singen, daz einer möhte riten tusent mile.

385 Dö er nu het gesungen und er von sedele gie, diu junge küniginne froelicher nie wider morgen wart gekleidet mit liehtem ir gewande. diu junge maget edele, nach ir vater Hagenen si dö sande.

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Erläuterungen:

379,2 da bi Präp.-Adv. „in der Nähe" 380,4 beraten stv. „ausstatten, versorgen" 381.2 losen swv. „lauschen" 381.3 fron Adj. „was dem Herrn gehört", hovefrone „Herrenhof' 382.4 ungefüege Adj. „ungeschickt, unpassend" 383,2 Niemand ist so krank, daß ihm nicht..." 384,1 sunder Adv. „im einzelnen, jede besonders" 384,3f. si hetemsingen „Sie hätten es nicht für die Zeit gehalten, die man zum Handumdrehen

braucht, wenn er so lange gesungen hätte" 385,1 sedel stmn. „Sitz, Platz"

B. Aufgaben

1. Übertragen Sie den oben abgedruckten Textabschnitt aus der Kudrun in die Sprache der Gegen-wart!

2. Analysieren Sie, ausgehend vom Textabschnitt oben, die Rolle Horants sowie die Wirkung und Funktion seines Gesangs!

3. Vergleichen Sie die Werbung um Hilde mit den Werbehandlungen des Kudrunteils! Achten Sie dabei insbesondere darauf, wie der Erzähler der Kudrun die höfische Form der Werbung beurteilt!

Bearbeiten Sie eine der beiden folgenden Aufgaben:

4.a) Die mittelhochdeutsche Heldenepik nimmt wiederholt Bezug auf das Modell von Frauendienst und höfischer Minne. Beschreiben Sie die produktive Auseinandersetzung mit diesem Modell anhand von selbst gewählten Beispielen aus verschiedenen Texten!

oder:

4.b) Im Ambraser Heldenbuch ist die Kudrun direkt nach dem Nibelungenlied platziert. Erläutern Sie, ob und inwieweit neben dieser überlieferungsbedingten Nähe auch konzeptionelle und formale Bezüge zwischen den beiden Epen vorhanden sind!

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Thema Nr. 4

A. Text:

Walther von der Vogelweide „Unmutston/Zweiter Ottenton"

2. Innozenz und Gerbreht

L 33,21 C 327 (343) B 26 Der stuol ze Röme ist nü alrerst berihtet rehte als hie vor bi einem zoubersere Gerbrehte, der selbe gab ze valle niht wan sin einez leben, so hat sich dirre ze valle und alle kristenheit gegeben.

5 alle zungen suln ze gote schrien 'wäfen!' und ruofen ime, wie lange er welle släfen.

si wider würkent siniu werc und felschent siniu wort sin kamera:re stilt im sinen himelhort. Sin suoner mordet hie und roubet dort,

10 sin hirte ist ein wölf worden under sinen schäfen. • •*t

5. Verführte Geistlichkeit

l 33,1 C 339 (355) A 67 Ir bischofe und ir edelen pfaffen, ir sit verleitet, seht wie iuch der bäbest mit des tiuvels stricken seitet. saget ir uns daz er sant Peters slüzzel habe, so saget war ümbe er sine lere von den buochen schabe.

5 daz man gotes gäbe iht koufe oder verkoufe -däz wart uns verboten bi der toufe.

nü leretz in sin swarzez buoch, daz im der hellemör hat gegeben und üz im leset siniu rör. ir Kardenal, ir decket iuwern kör,

10 unser alter fröne, der stet under einer übelen troufe.

6. Der junge und der alte Judas

L 33,11 B 25 Wir klagen alle und wizzen doch niht, waz uns wirret, daz uns der bäbest, unser vater, alsus hat verirret, nü gät er uns doch harte vaterlichen vor, wir folgen im nach und komen niemer fuoz üz sinem

spor. 5 nü merke, werlt, waz mir dar ane missevalle:

gitset er, siu gitsent mit im alle, liuget er, siu liegent alle mit im sine lüge und triuget er, siu triegent mit im sine trüge, nü merkent, wer mir daz verkeren müge:

10 sus wirt der junge Judas mit dem alten dort ze schalle.

7. Schlechte Vorbilder

L 34,24 C 340 (356) A 69 Swelh herze sich bi disen ziten niht verkeret, sit daz der bäbest selbe dort den ungelouben meret, da wont ein saelic geist und gotes minne bi. nü seht ir, waz der pfaffen werc und waz ir lere si:

5 e daz was ir lere bi den werken reine, nü sint si aber anders so gemeine,

daz wirs unrehte würken sehen, unrehte hoeren sagen, die uns guoter lere bilde solten tragen, des mügen wir tumbe leien wol verzagen.

10 ich wa:n aber min guoter klosensre klage und sere weine.

Bruoder Wernher

1. Gregöije, bäbest, geistlich vater, wache und brich abe dinen släf! 2. du wende,, daz in vremder weide iht irre loufen diniu schäf, 3. ez wahset junger wolve vil in trügelicher wät. 4. Lamparten glüet in ketzerheit, 5. warumbe leschest dü daz niht, 6. daz man sö vil der diner schäfe in ketzer vuore weiden siht? 7. si schenkent dir von golde ein twalm, 8. daz dich in siinden lät. 9. Dem keiser hilf sin reht behaben, 10. daz hoehet dich und allen geistlich orden! 11. gedenke wol, daz got die marter umb uns leit und wart begraben! 12. lä zwischen dir und im niht hazzes horden: Fortsetzung nächste Seite! 13. sö wirt der vride und der geloube starc und nimt niht abe, 14. sö sul wir prüeven eine vart vür sünde hin ze gotes grabe.

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Übersetzungshilfen:

Walther von der Vogelweide

5,10 alter fröne = Heiliger altar, Altar des Herrn; 6,4 spor, spur = Spur, Fährte, Weg; 6,6 giten, gitsen = habgierig sein, geizen; 6,9 verkeren = (hier) übel auslegen, missdeuten; 7,6 gemeine = übereinstimmend, einstimmig; 7,10 die Figur des klosenaeres erwähnt Walther mehrmals in seiner Spruchdichtung, so auch im „Reichston" (L 8,4)

Bruoder Wernher

4 Lamparten, bezieht sich auf die Mahnung an Gregor IX, gegen die Ketzerei vor allem in der Lombardei einzuschreiten 7 twalm = Betäubung, Traum, betäubender Dunst, betäubender Saft

Aufgaben:

1. Übersetzen Sie die beiliegenden Sangsprüche Walthers von der Vogelweide und den Spruch Bruder Wernhers in die deutsche Gegenwartssprache!

2. Skizzieren Sie den thematischen Aufbau und die Argumentationsstrategien der Sangsprüche Walthers von der Vogelweide und des Spruchs Bruder Wernhers! Gehen Sie dabei auch auf formal-stilistische und rhetorische Besonderheiten ein!

3. Diskutieren Sie die Möglichkeiten der Wirkung von Sangspruchdichtung und erörtern Sie die Frage der Zuhörerschaft bzw. des Adressatenkreises! Berücksichtigen Sie dabei auch den jeweiligen politischen Hintergrund!

Bearbeiten Sie eine der nachfolgenden Aufgaben:

4. a) Erörtern Sie Ihnen bekannte Kirchenkritik in der lateinischen, romanischen und deutschsprachigen Dichtungstradition (moralisch-didaktische Werke, Lehrgespräche, Lied-und Spruchdichtung, Traktate etc.)!

oder:

4. b) Diskutieren Sie die politische Funktion von Kreuzzugsaufrufen anhand Ihnen bekannter Beispiele!

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Thema Nr. 5

A. Text: Oswald von Wolkenstein: Lied 39

I Es leucht durch grau die fein lasur, durchsichtiklich gesprenget. plick durch die prau, rain creatur, mit aller zier gemenget!

5 Preislicher jan, dem niemant kan nach meim verstan

plasiniren neur ain füesslin, an tadels mail ist sie so gail. wurd mir zu teil von ir ain freuntlich grüesslin, So war mein swär auf ringer wag

10 volkomenlich geschaiden, von der man er, lob singen mag ob allen schönen maiden.

II Der tag scheint gogel- leichen hei, des klingen alle auen, darin mang vogel reich sein kel zu dienst der rainen frauen

s Schärpflichen bricht, süesslichen ticht und tröstlich flicht

mit strängen heller stimme. all plüemlin spranz, des maien kränz,

der sunnen glänz, des firmaments hoch klimme Dient schon der krön, die uns gepar

io ein frucht keuschlich zu freuden. wo ward kain zart junkfrau so klar ie pillicher zu geuden?

III Das wasser, feuer, erd und wind, schätz, kraft der edlen staine, all abenteuer, die man vindt, gleicht nicht der maget raine,

5 Die mich erlöst, täglichen tröst. si ist die host in meines herzen kloster. ir leib so zart ist unverschart. ach, rainer gart, durch würz frölicher oster Ste für die tür grausleicher not,

io wenn sich mein haupt wirt senken gen deinem feinen mündlin rot, so tue mich, lieb, bedenken!

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Oswald von Wolkenstein: Lied 20

I Ain tunkle färb in occident mich senleichen erschrecket, seid ich ir darb und lig eilend des nachtes ungedecket.

s Die mich zu fleiss mit ermlein weiss und hendlein gleiss

kan fröleich zu ir smucken, die ist so lang, das ich von pang in dem gesang mein clag nicht mag verdrucken. Von strecken krecken mir die pain,

io wenn ich die lieb beseufte, die mir mein gir neur went allain darzu meins vatters teuchte.

II Durch winkenwankh ich mich verker des nachtes ungeslaffen. gierleich gedankh mir nahent ferr mit unhilflichem waffen.

5 Wann ich mein hört an seinem ort nit find alldort, wie offt ich nach im greife, so ist neur, ach, mit ungemach feur in dem tach, als ob mich prenn der reife. Und winden, pinden sunder sail

io tuet si mich gar gen tage. ir mund all stund weckt mir die gail mit seniclicher clage.

Also vertreib ich, liebe Gret, die nacht piss an den morgen, dein zarter leib mein herz durchget, das sing ich unverporgen. Chum, höchster schätz mich schreckt ain ratz

mit grossem tratz, davon ich dick erwache, die mir kain rue lat spat noch frue, lieb, darzu tue. damit das bettlin krache. Die freud geud ich auf hohem stuel, wenn daz mein herz bedenket, und mich hoflich mein schöner puel gen tag freuntlichen schrenket.

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