2013 Huber Et Al Fluss Grundwasser Interaktion

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Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie DOI 10.1007/s00767-013-0220-x FACHBEITRAG Zeitliche und räumliche Skalen der Fluss-Grundwasser-Interaktion: Ein multidimensionaler hydrogeologischer Untersuchungsansatz Emanuel Huber · Peter Huggenberger · Jannis Epting · Yael Schindler Wildhaber Eingang des Beitrages: 10.7.2012 / Eingang des überarbeiteten Beitrages: 6.11.2012 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 Zusammenfassung Die Prozesse der Fluss-Grundwasser- Interaktionen sind stark skalenabhängig und im Allgemei- nen stark instationär. Einen für das Prozessverständnis wich- tigen Aspekt betreffen die kleinräumigen Strömungsverhält- nisse an der Grenzschicht zwischen Oberflächengewässer und Grundwasser im hyporheischen Interstitial. Dies betrifft insbesondere auch Fragestellungen zu Strömungsverhältnis- sen in Forellenlaichgruben kiesführender Flüsse. Exemplarisch für kleinere mit Sohlschwellen verbau- te und kanalisierte Fließgewässer wurden am voralpinen Schweizer Fluss Enziwigger verschiedene Methoden entwi- ckelt, getestet und kombiniert, die es erlauben die vier Di- mensionen (drei räumliche und eine zeitliche) der Interak- tion Oberflächengewässer-Interstitialraum-Grundwasser für einzelne Flussabschnitte zu erfassen. Der Aufbau eines Messnetzes sowie die Durchführung von Feldmessungen lieferten Grundlagen für eine Grund- wasserströmungsmodellierung. Kontinuierliche Zeitreihen der Hydraulik, Temperatur und elektrischen Leitfähigkeit im Fließgewässer, an der Gewässersohle sowie im flussnahen E. Huber · P. Huggenberger · J. Epting ( ) Angewandte und Umweltgeologie, Departement Umweltwissenschaften, Universität Basel, Bernoullistraße 32, 4056 Basel, Schweiz E-Mail: [email protected] E. Huber E-Mail: [email protected] P. Huggenberger E-Mail: [email protected] Y. Schindler Wildhaber Institut für Umweltgeowissenschaften, Departement Umweltwissenschaften, Universität Basel, Bernoullistraße 30, 4056 Basel, Schweiz E-Mail: [email protected] Grundwasser dienten zudem der Identifizierung von Zonen mit signifikantem Fluss-Grundwasser-Austausch und von zeitlich instationären bevorzugten Fließpfaden im Grund- wasser bei unterschiedlichen hydrologischen Randbedin- gungen. Die Resultate der Feldmessungen in Kombination mit der instationären Modellierung und Szenarienentwick- lung illustrieren die Bedeutung von sich dynamisch verän- dernden Infiltrations- und Exfiltrationsmustern im Flussbett. Spatiotemporal scales of river-groundwater interaction: a multidimensional hydrogeological investigation approach Abstract River-groundwater interactions show strong scale-dependencies and are often strongly transient. In this regard, small-scale flow conditions in the hyporheic zone at the interface between surface- and groundwater can be im- portant for process-understanding. This especially includes questions concerning flow conditions in salmonid redds of gravel-bed rivers. The Swiss subalpine river Enziwigger was chosen as an example for a small channelized river with arti- ficial steps within the riverbed. Several methods were devel- oped, tested and combined that capture the four dimensions (three spatial and one temporal) of the interactions between surface water, the hyporheic zone and groundwater, for indi- vidual river segments. The setup of a monitoring network as well as the realization of field-measurements provided data for groundwater flow models. Continuous time series of hy- draulic data, temperature and electrical conductivity within the river and the riverbed, as well as within the riverine groundwater, allowed identifying zones with significant ex- change of surface water and groundwater. Additionally, the data helped describe the transient character of groundwater flow-paths under various hydrological boundary conditions.

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Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion HydrogeologieDOI 10.1007/s00767-013-0220-x

FAC H B E I T R AG

Zeitliche und räumliche Skalender Fluss-Grundwasser-Interaktion: Ein multidimensionalerhydrogeologischer Untersuchungsansatz

Emanuel Huber · Peter Huggenberger · Jannis Epting · Yael Schindler Wildhaber

Eingang des Beitrages: 10.7.2012 / Eingang des überarbeiteten Beitrages: 6.11.2012© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Zusammenfassung Die Prozesse der Fluss-Grundwasser-Interaktionen sind stark skalenabhängig und im Allgemei-nen stark instationär. Einen für das Prozessverständnis wich-tigen Aspekt betreffen die kleinräumigen Strömungsverhält-nisse an der Grenzschicht zwischen Oberflächengewässerund Grundwasser im hyporheischen Interstitial. Dies betrifftinsbesondere auch Fragestellungen zu Strömungsverhältnis-sen in Forellenlaichgruben kiesführender Flüsse.

Exemplarisch für kleinere mit Sohlschwellen verbau-te und kanalisierte Fließgewässer wurden am voralpinenSchweizer Fluss Enziwigger verschiedene Methoden entwi-ckelt, getestet und kombiniert, die es erlauben die vier Di-mensionen (drei räumliche und eine zeitliche) der Interak-tion Oberflächengewässer-Interstitialraum-Grundwasser füreinzelne Flussabschnitte zu erfassen.

Der Aufbau eines Messnetzes sowie die Durchführungvon Feldmessungen lieferten Grundlagen für eine Grund-wasserströmungsmodellierung. Kontinuierliche Zeitreihender Hydraulik, Temperatur und elektrischen Leitfähigkeit imFließgewässer, an der Gewässersohle sowie im flussnahen

E. Huber · P. Huggenberger · J. Epting (�)Angewandte und Umweltgeologie,Departement Umweltwissenschaften, Universität Basel,Bernoullistraße 32, 4056 Basel, SchweizE-Mail: [email protected]

E. HuberE-Mail: [email protected]

P. HuggenbergerE-Mail: [email protected]

Y. Schindler WildhaberInstitut für Umweltgeowissenschaften,Departement Umweltwissenschaften, Universität Basel,Bernoullistraße 30, 4056 Basel, SchweizE-Mail: [email protected]

Grundwasser dienten zudem der Identifizierung von Zonenmit signifikantem Fluss-Grundwasser-Austausch und vonzeitlich instationären bevorzugten Fließpfaden im Grund-wasser bei unterschiedlichen hydrologischen Randbedin-gungen. Die Resultate der Feldmessungen in Kombinationmit der instationären Modellierung und Szenarienentwick-lung illustrieren die Bedeutung von sich dynamisch verän-dernden Infiltrations- und Exfiltrationsmustern im Flussbett.

Spatiotemporal scales of river-groundwater interaction:a multidimensional hydrogeological investigationapproach

Abstract River-groundwater interactions show strongscale-dependencies and are often strongly transient. In thisregard, small-scale flow conditions in the hyporheic zone atthe interface between surface- and groundwater can be im-portant for process-understanding. This especially includesquestions concerning flow conditions in salmonid redds ofgravel-bed rivers. The Swiss subalpine river Enziwigger waschosen as an example for a small channelized river with arti-ficial steps within the riverbed. Several methods were devel-oped, tested and combined that capture the four dimensions(three spatial and one temporal) of the interactions betweensurface water, the hyporheic zone and groundwater, for indi-vidual river segments. The setup of a monitoring network aswell as the realization of field-measurements provided datafor groundwater flow models. Continuous time series of hy-draulic data, temperature and electrical conductivity withinthe river and the riverbed, as well as within the riverinegroundwater, allowed identifying zones with significant ex-change of surface water and groundwater. Additionally, thedata helped describe the transient character of groundwaterflow-paths under various hydrological boundary conditions.

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Results of the field-measurements in combination with tran-sient groundwater flow modeling and scenario analyses il-lustrate the relevance of dynamically changing infiltrationand exfiltration patterns within the riverbed.

Keywords River-groundwater interaction · Hyporheicflow · Spatiotemporal scales · Redds

Einleitung

Die Prozesse der Fluss-Grundwasser-Interaktion sind we-sentlich durch die Abflussdynamik der Oberflächengewäs-ser geprägt und entsprechend instationär. Die Durchlässig-keiten von Flussbett und Uferzone variieren in Abhängigkeitvon Abfluss, Temperatur und Partikeldynamik an der Grenz-schicht zwischen Oberflächengewässer und Grundwasser.Zudem machen Heterogenitäten in der Korngrößenzusam-mensetzung der Flusssohle ein „Upscaling“ der hydrauli-schen Parameter (Porosität und Permeabilität) über einenbestimmten Abschnitt des Flussbetts schwierig.

Trotz der Bedeutung für die Wasserressourcenbewirt-schaftung, die Gewässerökologie und den Grundwasser-schutz ist das Verständnis dieser Austauschprozesse unge-nügend. Dies betrifft auch die lückenhaften Kenntnisse vonProzessabläufen im hyporheischen Interstitial. Eine beson-dere Herausforderung sind die verschiedenen Einflüsse aufdas Grundwasserfließregime in den unterschiedlichen Maß-stabsbereichen, einschließlich der Dynamik der verschiede-nen Randzuflüsse sowie der Morphologie und Zusammen-setzung des Flussbettes.

Die meisten Feldexperimente bei hohen Abflüssen ge-ben nur bedingt Aufschluss über die effektive Dynamik desGeschiebe- und Partikeltransportes (Ashmore 1988). Expe-rimente, welche die Prozesse untersuchen, die zur Verrin-gerung der Durchlässigkeit der Deckschicht führen, wur-den zudem im Labor- und nicht im Feldmaßstab entwi-ckelt (Schälchli 1993, 1995). Dass im Feldmaßstab räumlichkomplexe Muster von Veränderungen in der Durchlässigkeitder Flusssohle im Verlauf einzelner Hochwasserereignisseregelmäßig auftreten, zeigen zahlreiche Untersuchungen (z.B. Doppler et al. 2007, Hoehn & Cirpka 2006, Naegeli et al.1995).

Im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojek-tes des Schweizer Nationalfonds K-32K1-120486 wurdenMethoden entwickelt, um den Einfluss von Feinsedimen-ten in Flüssen auf die Entwicklung von Forellenlaichgru-ben in Kiesbänken zu quantifizieren. Primär stand die Fra-ge im Vordergrund, wie die Entwicklung von Fischlaichin den Laichgruben der Kiesbänke jeweils in der Laichpe-riode von November bis Ende März des darauffolgendenJahres von der Dynamik dieser Austauschprozesse beein-flusst wird. Von Bedeutung war insbesondere der Einfluss

der Sedimentinfiltration in die Poren der Flussbettablage-rungen sowie das Erfassen der Instationarität der hydrau-lischen Verhältnisse, einschließlich der Veränderung vonUp- und Downwelling-Zonen (Schindler Wildhaber et al.2013, in Vorbereitung). Für die Untersuchungen war esnotwendig verschiedene Erkundungsmethoden miteinanderzu kombinieren, welche es erlauben, Aussagen über dieAustauschprozesse (direkte Infiltration) an der wasserge-sättigten Grenzschicht zwischen Oberflächengewässer undGrundwasser im Maßstab der Laichgruben zu machen.

Mit diesem Beitrag sollen, am Beispiel des verbautenSchweizer Mittelgebirgsflusses Enziwigger und dem regio-nalen alluvialen Grundwassersystem, die Austauschprozes-se Fließgewässer-Interstitialraum-Grundwasser sowie dasGrundwasserfließregime in verschiedenen Maßstabsberei-chen mit dem Schwerpunkt auf die Dynamik der Strö-mungsverhältnisse in Forellenlaichgruben charakterisiertwerden. Dabei werden verschiedene Betrachtungsmaßstä-be unterschieden (Tab. 1): (A) regional als Teil des Grund-wasserkörpers im Tal [100er m bis km]; (B) Bereiche einesFlussabschnittes [10er bis 100 m] und (C) lokal im Bereichder Schwellen, Kiesbänke und Forellenlaichgruben [1er bis10er m].

Der Schwerpunkt der Untersuchungen lag auf der Er-fassung der zeitlichen und räumlichen Skalen der Fluss-Grundwasser-Interaktion. Die Haupthypothese der vorlie-genden Arbeit ist, dass sich im Bereich von Sohlschwel-len lokale Grundwasserfließregime entwickeln, die zu ei-ner Abfolge von Up- und Downwelling-Zonen führen unddamit die Strömungsverhältnisse in den Laichgruben beein-flussen. Oberhalb der Flussschwellen infiltriert Flusswasseraufgrund des erhöhten hydraulischen Gradienten. Das infil-trierte Wasser strömt um und unter der Schwelle und exfil-triert unterhalb der Schwelle wieder in das Fließgewässer.Diese lokalen Prozesse werden überlagert von regionaleninstationären Prozessen der In- und Exfiltration zwischendem Fließgewässer und dem regionalen Grundwasserfließ-regime. Abschließend werden qualitative Aspekte auf derlokalen Skala der untersuchten künstlich angelegten Fisch-laichgruben im Zusammenhang mit dem instationären loka-len Grundwasserfließregime diskutiert.

Untersuchungsgebiet

Die Untersuchungen wurden am kleinen voralpinen FlussEnziwigger im Schweizer Kanton Luzern im Hügelland süd-lich von Willisau durchgeführt (Abb. 1). Die Enziwiggerentspringt am Nordhang des Napfes auf 1.300 m ü. M. undmündet nach 17 km in die Wigger. Das gesamte Einzugs-gebiet der Enziwigger beträgt 38 km2. Im Haupttal, wel-ches von Süden nach Norden verläuft, wurde die Enziwig-ger durch Begradigung und Kanalisierung im 20. Jahrhun-dert stark verkürzt und über weite Strecken auf die östliche

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Tab. 1 Fragen und Ziele für die verschiedenen Untersuchungsskalen sowie Untersuchungsmethoden und Ergebnisse

Skale Fragen/Ziel Untersuchungsmethode Ergebnisse

Einzugsgebiet* &regionale Grund-wasserkörper(100er m bis km)

• Niederschlag-Abflussbildung• Flächenhaft versickerndes Nieder-

schlagswasser• Zusammenhang mit regionaler

Grundwasserströmung und Hang-zustrom

• Auswertung meteorologischer Da-ten, Grundwasser- und Flusspegel

• Regionales Grundwasserströ-mungsmodell

• Das Einzugsgebiet hat kaum Spei-cherkapazität

• Geringe Grundwasserneubildungaus flächenhaft versickerndemNiederschlagswasser

• Hangzustrom ist vernachlässigbar,hat aber einen lokalen Einfluss

Flussabschnitt, mehrereSchwellen(10er bis 100 m)

• Zeitliche und räumliche Charak-terisierung der Fluss-Grundwasser-Interaktion

• Auswertung von Grundwasser- undFlussdaten (Pa, Tb, LFc)

• Regionales und lokales Grundwas-serströmungsmodell

• Auf der regionalen Skale infiltriertder Fluss in das Grundwasser

• Lokale Grundwasserfließregimesind komplexer

Schwelle, Kiesbänke,Laichgrube(1er bis 10er m)

• Einfluss Morphologie (Eintiefungdes Flusses, Schwellen, Kolke, To-pographie Flusssohle)

• Einfluss der Durchlässigkeit derFlusssohle

• Dynamik In-/Exfiltration• Erosion/Verringerung der Fluss-

bettdurchlässigkeit• Definition von Schwellenwerten

• Vermessung Flussbett• Auswertung von Grundwasser- und

Flussdaten (Pa, Tb, LFc)• Lokales Grundwasserströmungs-

modell• Analyse Flussbetttemperatur

• Schwelle-Kolk-Reihenfolge prägtlokale Grundwasserfließregimestark

• Starke Hochwasserereignisse mitdeutlichen Änderungen der Aus-tauschprozesse an der Flusssohle

*Nur Betrachtung Abflussbildung; aPegel; bTemperatur; celektrische Leitfähigkeit

Talseite verlegt. Heute sind ca. 60 % der Enziwigger starkbeeinträchtigt (Schager & Peter 2001, 2002). Um die Tiefen-erosion der Flusssohle zu verhindern oder wesentlich zu re-duzieren wurde die Sohle mit Schwellen stabilisiert und dieBöschungen mit Blocksteinen gesichert. Die Sohlschwel-len mit einer Metallarmierung wurden alle 10 bis 15 min die Flusssohle eingebracht. Dadurch ist das Fließregimehinsichtlich von Strömung und Wassertiefe vergleichswei-se monoton. Unterhalb einiger dieser Schwellen haben sichKolke gebildet, welche lokal die Flusstiefe stark erhöhen.Trotz dieser Flussverbauungen gilt die Enziwigger als gutesForellenlaichgewässer (Schager & Peter 2001, 2002). DieGewässerbettstruktur der Enziwigger ist charakteristisch fürviele voralpine Fließgewässer wie auch Mittelgebirgsflüs-se und erlaubt es, den Einfluss von wasserbaulichen Maß-nahmen, wie z. B. Sohlschwellen, auf die Austauschprozes-se der Fluss-Grundwasser-Interaktion in den verschiedenenMaßstabsbereichen zu evaluieren.

Das Untersuchungsgebiet selbst ist ca. 0,1 km2 groß undliegt auf einer mittleren Höhe von ca. 624 m ü. M. (Abb. 1).Hier ist der Talgrundwasserleiter charakterisiert durch teil-weise gering mächtige Quartärbedeckung (bis ca. 13 min der Talmitte, Bohrtiefe BP1; Abb. 1d), bestehend ausBachschuttkegeln, Gehängebildungen, fluvialen Sedimen-ten hochwürmeiszeitlicher Niederterassenschotter (Landes-hydrologie und -geologie 1994) und rezenten Alluvionen.Der Grundwasserstauer ist charakterisiert durch Konglome-rate und Sandsteine der oberen Meeres- und oberen Süßwas-sermolasse.

Die durchschnittliche Jahressumme des Niederschlagsim Zeitraum von 2000 bis 2009 beträgt 1055 mm (Mess-stelle LU 08 Willisau). Hydrologisch ist das Einzugsgebietdurch Schnee im Winter (Dezember bis April) und das Auf-treten von starken konvektiven Niederschlägen im Sommergekennzeichnet. Das Wasserrückhaltevermögen der Bödenim Quellgebiet und somit die Speicherkapazität im Einzugs-gebiet ist klein. Dadurch ist der Abfluss stark durch Stark-niederschlagsereignissen beeinflusst. Der mittlere Abflussder Enziwigger beträgt ca. 2 m3/s, der minimale Abflussliegt bei ca. 1 m3/s und der maximale Abfluss bei ca. 10m3/s (Messreihe von Mitte November 2007 bis Mitte No-vember 2008, welche im Rahmen eines Bauprojektes in Wil-lisau aufgezeichnet wurde).

Methoden und Datengrundlagen

Der multidimensionale Untersuchungsansatz umfasst un-terschiedliche Methoden und Skalenbereiche: (1) Erfassender hydrologischen und Grundlagendaten im Einzugsgebietder Enziwigger und Darstellung in einem Datenbank-GIS-System; (2) Installation von Messsystemen zur Aufzeich-nung hydraulischer und physikalischer Daten im Fließge-wässer, in der Gewässersohle und im flussnahen Grund-wasser; (3) Aufnahme der Flussbetttopographie sowie (4)Grundwasserströmungsmodellierung und Szenarienberech-nungen.

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Abb. 1 Untersuchungen aufverschiedenen Skalen. (a) Lagedes Untersuchungsgebiets inder Schweiz. (b) Digitales Hö-henmodell (5 m-Auflösung) desUntersuchungsgebiets und Mo-dellperimeter für das regionaleGrundwasserströmungsmodell.Dargestellt ist die Verteilungvon berechneten Grundwas-sergleichen (1 m-Äquidistanz)während einer Mittelwassersi-tuation. (c) Digitales Höhen-model (5 m-Auflösung) undModellperimeter des lokalenGrundwasserströmungsmodells.Dargestellt sind die Verteilungvon berechneten Grundwasser-gleichen (0,2 m-Äquidistanz)während einer Mittelwasser-situation sowie die Lage derGrundwassermessstellen, Sohl-schwellen und künstlich ange-legten Forellenlaichgruben.(d) 5-fach überhöhtes late-rales Höhenprofil durch denTalgrundwasserleiter der Enzi-wigger, dargestellt mit einem,aus den Bohrtiefen abgeleitetenSchotter-Grundwasserkörper;die Enziwigger wurde über wei-te Bereiche an den östlichenTalrand verlegt. (e) Darstellungdes untersuchten Flussbett-abschnittes und Resultate derFlussbettvermessungen zusam-men mit der Lage der uferna-hen Grundwassermessstellen,Sohlschwellen und künstlichangelegten Forellenlaichgruben

Hydrologische Grundlagen

Die meteorologischen Grundlagendaten basieren auf Mes-sungen der Station Willisau (MeteoSchweiz Stationsnum-mer 6130). Für die Abschätzung des Beitrags der Schnee-schmelze am Gesamtabfluss wurden Lufttemperaturmes-sungen aus Hergiswil südlich von Willisau (Messintervall5 min; MeteoSchweiz Stationsnummer 6133) sowie tägli-che Schneetiefen aus dem 4 km entfernten Nebental Luthern(MeteoSchweiz Stationsnummer 6630) verwendet.

Messsysteme zur Aufzeichnung hydraulischer undphysikalischer Parameter

Mit der Direct-Push-Technik (Geoprobe Kansas/USA) wur-den für Standort B insgesamt 5 Grundwassermessstel-

len im Talbereich und am Flussufer errichtet (Sondier-größe von 2,152“ für den Ausbau von 1“-Messstellen-Rammsondierungen, Abb. 1). Die Sondierungen konntenbis zur Felsoberfläche (Annahme) in Tiefen von ca. 12,8m im Talbereich und von ca. 4,4 m am Flussufer abgeteuftwerden. Die Sondierung in der Talmitte (BP1) sowie zweiSondierungen am Flussufer (BP3, BP5) sind als Grundwas-sermessstellen ausgebaut und mit Messsonden zur kontinu-ierlichen Aufzeichnung des Grundwasserpegels, der Grund-wassertemperatur und der elektrischen Leitfähigkeit (nurBP3 und BP5) ausgestattet. Während mit den Messungenim Uferbereich die lokalen Austauschprozesse im Bereichder Flussabschnitte untersucht wurden, diente die Messungin der Talmitte der Abschätzung des Einflusses des regio-nalen auf das lokale Grundwasserfließregime. Die Analyse

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von Fluss- und Grundwasserpegeldaten im Uferbereich undin der Talmitte ermöglichten eine erste Abschätzung der In-und Exfiltrationsverhältnisse.

Für die Untersuchungen in der Gewässersohle wurde dieTemperatur in zwei unterschiedlichen Tiefen (zwischen 10und 38 cm) in drei künstlich angelegten Laichgruben konti-nuierlich gemessen (Abb. 1). Die tägliche Temperaturampli-tudendifferenz zwischen dem Oberflächen- und Interstitial-wasser wurde verwendet um die spezifische Austauschrate q

zu berechnen (Hatch et al. 2006, Keery et al. 2007). Eine ho-he spezifische Austauschrate führte zu einer Annäherung derTemperaturverläufe in den zwei Tiefen an den Temperatur-verlauf des Oberflächenwassers, eine niedrige Austauschra-te zu einem abgeflachten Verlauf in der Tiefe. Exfiltrieren-des Grundwasser konnte bei einer zusätzlich verstärkten Ab-flachung ermittelt werden. Diese Methode erlaubte es, zweiq-Werte pro Tag zu berechnen. Somit konnte lokal der zeitli-che Verlauf der Durchlässigkeiten nach dem Bau der Laich-gruben im November bis zum Schlupf der Eier im Märzbeschrieben werden. Die berechneten Durchlässigkeitswerteder Monate Februar und März wurden gemittelt, in der An-nahme, dass sich bis dahin die anfänglich erhöhte Durchläs-sigkeit durch den Bau der Laichgrube auf einem natürlichenLevel stabilisiert hat.

Flussbetttopographie

Da Änderungen der Struktur und Zusammensetzung derFlusssohle nach starken Hochwässern mehrmals festgestelltwurden, fanden insgesamt drei Neuvermessungen der Fluss-betttopographie statt (Abb. 1e). Differenzenkarten von auf-einanderfolgenden Messungen ermöglichten es, Bereiche inden untersuchten Flussabschnitten auszuweisen, in denenAkkumulations- oder Erosionsprozesse während der Hoch-wasserereignisse dominiert haben.

Grundwasserströmungsmodell und Szenarienberechnungen

Die Grundwasserströmungsberechnungen wurden in einemregionalen und lokalen Maßstab durchgeführt und dienender Abschätzung von räumlichen und zeitlichen Variatio-nen des Grundwasserfließregimes (Grundwasserfließfeld,-fließgeschwindigkeiten und Wasserbilanzen). Mit den Mo-dellen wurden verschiedene Prozesse detailliert untersucht,einschließlich der Sensitivität von Randbedingungen so-wie des zeitlich und räumlich instationären Charakters derFluss-Grundwasser-Interaktion. Ein Schwerpunkt liegt aufder Beantwortung der Frage nach dem Zusammenhang zwi-schen Oberflächenmorphologie des Fließgewässers und derWasserwegsamkeit im hyporheischen Interstitial. Eine Ab-schätzung der Einflüsse von verschiedenen Parametern undRandbedingungen (z. B. Flussbettmorphologie, Verteilungder Flussbettdurchlässigkeit), beruht auf Szenarienberech-nungen mit dem kalibrierten Grundwassermodell.

Die Grundwasserströmungsberechnungen erfolgten mitGMS (Groundwater Modeling System 7.1; Environmen-tal Modeling Systems 2002) auf der Basis von MOD-FLOW (McDonald & Harbaugh 1996). Die Randbedingun-gen des regionalen Modells (230 m × 340 m, Auflösung2 m × 2 m) wurden auf die Randbedingungen des lokalenModells (110 m × 60 m, Auflösung 0,5 m × 0,5 m) über-tragen (Abb. 1). Für die Beschreibung des Verlaufs der Fels-oberfläche wurden Angaben zu Eindringtiefen der Direct-Push-Erkundung herangezogen. Für das regionale Modellwurde weiterhin angenommen, dass im Bereich der west-lichen und östlichen Hangbereiche die Hangsteigung imZusammenhang mit dem Verlauf des Grundwasserstauerssteht (Abb. 1b–1d). Für das lokale Modell wurden zudemdie hochaufgelösten Flussbettvermessungen berücksichtigt(Abb. 1e). Die Randbedingungen für die Grundwasser-strömungsmodellierung werden in Tab. 2 zusammengefasst(Abb. 1). Aufbauend auf flusssedimentologischen Überle-gungen und dem Vorhandensein von Grundwassermessun-gen wurden die Durchlässigkeiten des Grundwasserleitersund an der Flusssohle instationär (220 Tage, Tagesauflö-sung) invers kalibriert (Pilot Point, PEST; Doherty 1994)sowie eine Sensitivitätsanalyse der relevanten Parameterdurchgeführt. Kalibrierte Durchlässigkeiten des Grundwas-serleiters bewegen sich zwischen 10−2 und 10−4 m/s. ImBereich des Hauptgrundwasserstroms und im unmittelba-ren Bereich der Enziwigger sind die kalibrierten Durchläs-sigkeiten tendenziell höher. In Abb. 3 sind die kalibriertenDurchlässigkeiten (19 bis 62 1/d) der Flusssohle für die ver-schiedenen Gewässerabschnitte dargestellt.

Mit dem kalibrierten lokalen Grundwasserströmungsmo-dell wurden anschließend Szenarien definiert. Zusätzlichzum Ausgangsmodell (Szenario 1) wurde ein Modellsze-nario nur mit den Sohlschwellen und ohne differenzierteFlussbetttopographie (Szenario 2) sowie ein Modellszena-rio mit einem gleichmäßigen Gefälle ohne Sohlschwellenund Flussbetttopographie (polynomial (Grad 2) interpoliert,Szenario 3) vorbereitet. Die Szenarienberechnungen erlau-ben es, die Austauschraten und Fließgeschwindigkeiten zwi-schen dem Modell mit hochaufgelöster Flussbetttopogra-phie mit den Modellszenarien mit monotonerer Flussbett-topographie zu vergleichen.

Resultate

Hydrologie

Abbildung 2 zeigt die Zeitreihen der Tagessummen desNiederschlags, der Schneetiefe, der Lufttemperatur im Ein-zugsgebiet der Enziwigger und den Verlauf des Flusspe-gels für den Zeitraum von November 2010 bis Ende März

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Tab. 2 Definition Modellrandbedingungen (Abb. 1)

Randbedingung Art Beschreibung

regionale Grundwasserflüssein das Modellgebiet hinein(im Süden) und hinaus (imNorden)

1. Art (Festpotenzial, variabel über dieZeit)

Regionales Modell: Lineare Interpolation von Piezometerhöhenzwischen zwei im Haupttal liegenden Grundwasserpegeln

Seitenzuflüsse aus denHangbereichen

2. Art (Randzufluss und -Abfluss,variabel über die Zeit)

Diese Zuflüsse entsprechen der Grundwasserneubildung(meteorologische Daten, siehe Sektion Hydrologische Grundlagen)integriert auf die Fläche der Hangeinzugsgebiete, welche mittelshydrologischer Oberflächenmodellierung auf Basis des digitalenHöhenmodells evaluiert wurden

Enziwigger 3. Art (halbdurchlässiger Rand, variableAbflusstiefe über die Zeit undAustauschrate)

• Regionales Modell: Linie mit „River“-Package• Lokales Modell: flächig als „General Head Boundary“ (GHB);• Austauschrate (Conductance-Wert): kalibriert

Grundwasserneubildungdurch flächig versickerndesNiederschlagswasser

Tägliche Niederschläge, einschließlich Berücksichtigung vonSchneehöhen, Lufttemperatur und Jahreszeiten. Die Abschätzung desBeitrags der Schneeschmelze basiert auf einem einfachenTemperaturindex-Modell: Wenn die Summe der stündlichgemessenen Lufttemperatur negativ ist, werden die Niederschläge alsSchnee betrachtet. Sobald diese Summe positiv ist, wird derSchneeschmelzvorrat proportional zur Temperatursumme und zueinem Schneeschmelzfaktor von 0,01 (Tag × ◦C)−1 verringert(Debele & Srinivasan 2005). Das Wasservolumen vonNiederschlägen bei Temperaturen über 0 ◦C trägt mit einem Faktorvon 0,3 zur Grundwasserneubildung bei.

2011. Deutlich ist ein Zusammenhang von einzelnen Nie-derschlagsereignissen und dem Flusspegellauf in der En-ziwigger und zwischen Schneetiefe und Temperaturverlaufzu beobachten. Temperaturanstiege bei einer vorhandenenSchneedecke führen zu Schmelzereignissen, welche durchdie Erhöhung des Oberflächenabflusses zu einem Anstiegdes Flusspegels führen. Sowohl bei Niederschlag- als auchauf Schneeschmelzereignissen steigt der Flusspegel raschan. Dies ist ein Hinweis für eine kleine Speicherkapazitätdes Molasseuntergrundes im Einzugsgebiet ohne wesentli-che Pufferwirkung des Grundwassers.

Hydraulische und physikalische Parameter

Tabelle 3 fasst die wesentlichen Resultate der Messun-gen im Fluss, im Grundwasser und in den Laichgruben zu-sammen. Die Untersuchungen orientierten sich vor allem anden Laichperioden 2009/2010 und 2010/2011. Messungendes Flusspegels erstreckten sich für die erste Laichperiodeüber den Zeitraum von November 2009 bis August 2010(teilweise blieben einzelne Messgeräte im Fluss länger in-stalliert) und für die zweite Laichperiode über den Zeitraumvon November 2010 bis Ende März 2011. Die Messungenin den Grundwasserpegeln lieferten kontinuierliche Zeitrei-hen über den gesamten Zeitraum vom November/Dezember2009 bis Dezember 2010. Die im Rahmen dieser Arbeit dis-kutierten Austauschprozesse im Skalenbereich der Laich-gruben konzentrieren sich auf die erste Laichperiode undden Zeitraum vom November bis Ende März 2010.

Der Grundwasserpegel in der Messstelle BP1 im Tal(Abb. 1) zeigt ein gedämpftes Signal des Pegelverlaufs. EinMinimum des Grundwasserpegels kann zwischen Febru-ar und März 2010 beobachtet werden, welches darauf zu-rückgeführt werden kann, dass in diesem Zeitraum wenigeHochwasserereignisse stattfanden. Generell ist der Grund-wasserpegel im Vergleich zum Flusspegel über 5 m niedri-ger. Auf der regionalen Skala dominiert somit der Gradientvom Fluss zum Grundwasser und der Prozess der Flusswas-serinfiltration (Abb. 1, 2 und Tab. 1, 3). Auch die Tempe-raturdaten in der Grundwassermessstelle BP1 im Tal zeigenein gedämpftes Signal im Jahresverlauf und eine saisona-le Verzögerung im Vergleich zum Verlauf der Lufttempe-ratur von ca. 124 Tagen. Diese Retardation resultiert in ei-nem im Vergleich zum Verlauf der Lufttemperatur verzöger-ten Auftreten von Extremwerten. Temperaturmaxima wer-den im Dezember und Temperaturminima im Juni beobach-tet.

Abbildung 2 zeigt auch den Verlauf der Grundwasser-messungen in den beiden Messstellen am Flussufer BP3und BP5 im Vergleich zu den Messungen im Fluss undim Talgrundwasserleiter (Abb. 1 und Tab. 3). Lokal imBereich von Messstelle BP3 oberhalb einer Sohlschwelledominieren flusswasserinfiltrierende und im Bereich vonMessstelle BP5 unterhalb einer Sohlschwelle exfiltrieren-de Verhältnisse. Die Grundwasserpegeldaten in den Grund-wassermessstellen am Flussufer verlaufen ähnlich wie derFlusspegel. Im Frühling ist in Grundwassermessstelle BP5,

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Abb. 2 Zeitreihen von: (a) meteorologischen Daten im Einzugsgebietder Enziwigger; (b) Pegeldaten im Fluss; (c) Pegeldaten im ufernahenGrundwasser (BP3 und 5, siehe Abb. 1); (d) Pegeldaten im Talgrund-wasserleiter (BP1, siehe Abb. 1); (e) Temperaturdaten im Fluss und im

Grundwasser (BP1, 3 und 5, siehe Abb. 1) und (f) Daten der elektri-schen Leitfähigkeiten im Fluss und im Grundwasserpegel BP5 (BP5,siehe Abb. 1)

welche ansonsten einen gleichen Pegelverlauf wie BP3zeigt, ein abweichender Pegelverlauf erkennbar. Diese Ab-weichung wird auf den Einfluss des Hangzustroms nachSchneeschmelzereignissen zurückgeführt (Abb. 2). Saisona-le Verzögerungen der Grundwassertemperaturen im Ver-gleich zum Verlauf der Lufttemperatur liegen bei 29 bis 50Tagen. Generell haben die Grundwassertemperaturen eine

kleinere Amplitude als der Fluss und das Signal ist verzögert(Abb. 2). Tägliche Temperaturschwankungen im Fluss kön-nen im flussnahen Grundwasser nicht mehr beobachtet wer-den. Temperaturmessungen in Grundwassermessstelle BP5unterhalb einer Sohlschwelle zeigen eine stärkere Reaktionauf Temperaturschwankungen des Flusswassers als jene inBP3 oberhalb der Schwelle in der eine größere Dämpfung

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Tab. 3 Zusammenfassung der Resultate der Fluss- und Grundwassermessungen (BP1, 3 und 5, siehe Abb. 1 und 2), der Temperaturanalysen inden Forellenlaichgruben (B42, 51 und 52, siehe Abb. 1) und der Grundwasserströmungsmodellierung

Messzeitraum(MM.YYYY)

Mittlerer Pegel(m ü. M.) ±Standard-Abweichung[m]

MittlereTemperatur ±Standard-Abweichung[◦C]

SaisonaleTemperatur-amplitudeα [◦C]

SaisonaleVerzögerung imVergleich zumFlusssignal τT

[d]

Berechnete spezifische Austauschraten ±Standard-Abweichung [m d−1]

Temperaturanalyse Grundwassermodell

Fluss 11.2009–08.201011.2010–03.2011

621,66 ± 0,05 9,47 7,07 – – –

BP1 12.2009–04.2011 616,28 ± 0,05 9,15 2,2 124,1 – –

BP3 11.2009–04.2011 621,75 ± 0,07 9,7 4,2 47,97 – –

BP5 11.2009–03.2011 621,72 ± 0,09 9,25 5,14 29,47 – –

B42 02.2010–03.2010 – 3,32 ± 2,16 – – 0,13 ± 0,01 1,35 ± 0,02

B51 02.2010–03.2010 – 3,19 ± 2,11 – – 0,11 ± 0,02 −0,24 ± 0,04

B52 02.2010–03.2010 – 3,39 ± 2,09 – – 0,12 ± 0,01 0,59 ± 0,06

und Verzögerung von Temperatursignalen aus dem Flussbeobachtet werden kann (eine Interpretation für diese Be-obachtung wäre, dass nur bei vergleichsweise großen Hoch-wasserereignissen eine direkte Infiltration von Flusswasserstattfindet).

Die elektrischen Leitfähigkeiten wurden nur im Flussund in der Grundwassermessstelle BP5 gemessen. Die mitt-lere elektrische Leitfähigkeit im Fluss liegt bei 276 µS/cmund bei Grundwassermessstelle BP5 bei 504 µS/cm. Wäh-rend bei kleineren und mittleren Hochwasserereignissen einAnsteigen der elektrischen Leitfähigkeit beobachtet werdenkann, kann bei großen Hochwasserereignissen ein Abfal-len der elektrischen Leitfähigkeit beobachtet werden (Ei-ne Interpretation für diese Beobachtung wäre, dass wäh-rend kleinerer und mittlerer Hochwasserereignisse Nieder-schlagwasser lokal über die ungesättigte Zone und bevor-zugte Fließpfade (Makroporen) versickert. Da das Gebietlandwirtschaftlich genutzt wird, führt der Transport von ni-trathaltigem Wasser über die ungesättigte Zone zu den An-stiegen der elektrischen Leitfähigkeit. Bei großen Hochwas-serereignissen hingegen führt die Infiltration von Flusswas-ser mit niedrigen elektrischen Leitfähigkeiten zu einem Ab-fallen der elektrischen Leitfähigkeit im ufernahen Grund-wasser).

Die Resultate der Temperaturmessungen in den künst-lichen Forellenlaichgruben (Abb. 1) werden in SchindlerWildhaber et al. (in Vorbereitung) detailliert beschrieben. InTab. 3 werden die für die vorliegende Arbeit relevanten we-sentlichen Resultate zusammengefasst. Mittlere Temperatu-ren im Flussbett für Messstandort B42 liegen bei 3,32 ◦C,für Messstandort B51 bei 3,19 ◦C und für Messstandort B52bei 3,39 ◦C. Berechnete Austauschraten durch das Flussbettliegen für Messstandort B42 bei 0,13 m/d, für Messstand-ort B51 bei 0,11 m/d und für Messstandort B52 bei 0,12m/d.

Lokales und regionales Grundwasserströmungsmodell

Die Quantifizierung des zeitlichen Verlaufs der Fluss-Grundwasser-Interaktion erfolgt mithilfe regionaler und lo-kaler hochauflösender kalibrierter Grundwasserströmungs-modelle. Abbildung 1 zeigt das berechnete Grundwasser-fließregime für das regionale und lokale Grundwasserströ-mungsmodell für eine Mittelwassersituation am 20. April2010. Das berechnete Grundwasserfließregime für den re-gionalen Maßstabsbereich bildet vor allem die regionaleGrundwasserströmung im Talgrundwasserleiter von Südennach Norden sowie den Einfluss der Flusswasserinfiltrationim ufernahen Bereich nach. Deutlich ist der hydraulischeGradient vom Fließgewässer zum Talgrundwasserleiter zuerkennen. Das berechnete Grundwasserfließregime für denlokalen Maßstabsbereich bildet vor allem den Einfluss derFlusswasserinfiltration im ufernahen Bereich und den Über-gang zur regionalen Grundwasserströmung nach.

Die berechneten Wasserbilanzen für das regionale und lo-kale Grundwasserströmungsmodell lassen sich wie folgt zu-sammenfassen. Im regionalen Maßstabsbereich können 70% der Gesamtwasserbilanz der Flusswasserinfiltration und30 % dem Talgrundwasserzustrom aus dem Süden (inflow)sowie 12 % der Gesamtwasserbilanz der Grundwasserexfil-tration und 88 % dem Talgrundwasserabstrom gegen Nor-den (outflow) zugeschrieben werden. Im lokalen Maßstabs-bereich können 86 % der Gesamtwasserbilanz der Flusswas-serinfiltration, 12 % dem Talgrundwasserzustrom aus demSüden und 2 % dem Hangwasserzustrom (inflow) sowie30 % der Gesamtwasserbilanz der Grundwasserexfiltrationund 70 % dem Talgrundwasserabstrom gegen Norden (out-flow) zugeschrieben werden. Die Zahlen verdeutlichen dieAbhängigkeit der Gesamtwasserbilanzen vom betrachtetenMaßstab. Im regionalen Maßstab machen In- und Exfiltrati-on von Fluss- und Grundwasser 70 % und 12 % im lokalenMaßstab hingegen 86 % und 30 % der Gesamtwasserbilanzaus.

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Tabelle 4 fasst die berechneten Aufenthaltszeiten sowiedie Länge der Fließpfade von Flussinfiltrat zwischen der

Tab. 4 Berechnete Aufenthaltszeiten und Fließpfade zu den Grund-wassermessstellen (BP1, 3 und 5, siehe Abb. 1) für die regionale undlokale Grundwasserströmungsmodellierung und die verschiedenenSzenarienberechnungen

RegionalesModell

Lokale Modelle

Szenario 1 Szenario 2 Szenario 3

BP1

t (d) 12,3 ± 0,4 14,2 ± 0,5 14,1 ± 0,5 14,1 ± 0,5

d (m) 92,6 ± 1,7 90,4 ± 0,7 89,4 ± 0,8 89,6 ± 0,9

BP3

t (d) 0,5 ± 0,2 4,3 ± 1,2 4,5 ± 1,4 3,2 ± 0,5

d (m) 9,5 ± 2,8 21,3 ± 3,8 20,2 ± 3,3 21,9 ± 1,8

BP5

t (d) 0,8 ± 0,2 4,2 ± 3,2 4,3 ± 3,2 3,3 ± 1,7

d (m) 11,6 ± 2,0 13,3 ± 0,5 13,3 ± 0,5 23,6 ± 4,8

Enziwigger und den verschiedenen Grundwassermessstel-len zusammen. Infiltriertes Flusswasser benötigt demnachfür einen Fließpfad von ca. 93 m ca. 12 Tage um Grundwas-sermessstelle BP1 im Tal zu erreichen. Hingegen erreicht in-filtriertes Flusswasser die ufernahen Grundwassermessstel-len auf Fließpfaden von ca. 10 und 12 m schon nach ca. 0,5und 0,8 Tagen.

Abbildung 3 zeigt die räumliche Verteilung der berechne-ten Flussinfiltration und Grundwasserexfiltration im Fluss-bett des untersuchten Gewässerabschnittes für verschiedeneWasserstände. Deutlich ist, unabhängig vom Wasserstand,die Dominanz der Infiltration oberhalb und der Exfiltrati-on unterhalb der Sohlschwellen. Vor den Schwellen erreichtdie Infiltration von Flusswasser in das Grundwasser Wer-te zwischen 2 und 3,5 m/d, die Exfiltration von Grund-wasser in den Fluss unterhalb erreicht Werte zwischen 2und 3,5 m/d. Im Bereich zwischen den Schwellen domi-niert die Infiltration von Flusswasser in das Grundwasser,was auch durch das regionale Grundwasserfließregime unddem hohen Gradienten vom Fluss zum Talgrundwasserlei-

Abb. 3 (a) Räumliche Verteilung der Austauschraten im Flussbettdes untersuchten Gewässerabschnitts der Enziwigger für drei Zeit-punkte für das lokale Grundwasserströmungsmodell (Szenario 1). Der20. April 2010 sowie der 29. Juli 2010 entsprechen einem niedrigenWasserstand, während des 30. Juli 2010 fand ein Hochwasserereignisstatt (Abb. 2). Auch dargestellt sind der Flusspegel und der Verlaufdes Flussbettes in der Mitte der Enziwigger. Kalibrierte Durchlässig-

keit der Flusssohle: C1 = 19 (m2/d)/m2, C2 = 50 (m2/d)/m2, C3 = 42(m2/d)/m2, C4 = 62 (m2/d)/m2, C5 = 19 (m2/d)/m2. (b) BerechneteAustauschraten für Szenario 1 während Hochwasser (Abb. 2). PositiveWerte entsprechen einer Infiltration vom Flusswasser in das hypor-heische Interstitial; negative Werte entsprechen einer Exfiltration vomGrundwasser in den Fluss

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Abb. 4 Zeitliche Verläufe der berechneten Austauschraten durchdie künstlich angelegten Forellenlaichgruben (B42, 51 und 52, sieheAbb. 1) für den gesamten instationär modellierten Zeitraum. PositiveWerte entsprechen einer Infiltration vom Flusswasser in das hypor-

heische Interstitial; negative Werte entsprechen einer Exfiltration vomGrundwasser in den Fluss. Auch dargestellt ist der Verlauf des Fluss-pegels in der Enziwigger

ter bedingt ist (vgl. Abb. 1). Der Einfluss des regionalenGrundwasserfließregimes manifestiert sich durch einen An-stieg der Austauschraten zwischen den Schwellen zum lin-ken Ufer hin. Der Einfluss von Hochwasserereignissen lässtsich hingegen eher am zeitlichen Verlauf der In- und Exfil-tration beschreiben.

Abbildung 4 zeigt den zeitlichen Verlauf von In- undExfiltrationsraten, welche für die drei künstlich angelegtenForellenlaichgruben berechnet wurden (Abb. 1). Die größ-ten Austauschraten wurden für Forellenlaichgrube B42 be-rechnet, gefolgt von Forellenlaichgrube B52. Beide Forel-lenlaichgruben befinden sich in Bereichen vor einer Sohl-schwelle und somit in Zonen des Flussbettes in denen dieInfiltration von Flusswasser in das Grundwasser dominiert.Negative Austauschraten wurden für B51 berechnet. DieseForellenlaichgrube befindet sich in Bereichen hinter einerSohlschwelle und somit in Zonen des Flussbettes in denendie Exfiltration von Grundwasser in das Flusswasser domi-niert. Mit dem Grundwassermodell berechnete Austauschra-ten durch das Flussbett im Bereich der Forellenlaichgrubenliegen für Messstandort B42 bei 1,35 m/d mit einer Stan-dardabweichung von 0,02 m/d, für Messstandort B51 bei –0,24 m/d mit einer Standardabweichung von 0,04 m/s undfür Messstandort B52 bei 0,59 m/d mit einer Standardab-weichung von 0,06 m/d (Tab. 3). Während die Grundwasser-modellierung es erlaubt, Austauschraten über das gesamte

Flussbett zu berechnen, sind die spezifischen Austauschra-ten, welche aus der Temperaturmethode abgeleitet wurden,nur für die lokale Skala der Forellenlaichgrube charakteris-tisch (dm-Bereich).

Szenarienberechnungen mit dem lokalenGrundwasserströmungsmodell

Zusätzlich zum Ausgangsmodell (Szenario 1) wurden mitdem kalibrierten lokalen Grundwasserströmungsmodell Sze-narien definiert. Ein Szenario (Szenario 2) berücksichtigtnur die Sohlschwellen nicht aber die differenzierte Fluss-betttopographie (Abb. 3b, 5). Ein weiteres Szenario (Sze-nario 3) berücksichtigt lediglich ein gleichmäßiges Gefälleohne Sohlschwellen und Flussbetttopographie (polynomial(Grad 2) interpoliert, Abb. 3).

Abbildung 3a zeigt den Verlauf des Flussbettes in derMitte der Enziwigger für die drei Szenarien sowie berechne-te Austauschraten für den gesamten simulierten Gewässer-abschnitt. In Szenarien 1 und 2 ist zu erkennen, dass vor denSohlschwellen die Infiltration von Flusswasser in das hypo-rheische Interstitial und hinter der Sohlschwelle die Exfil-tration von Grundwasser in das Flusswasser dominiert. Be-züglich der Verteilung von In- und Exfiltrationsraten ist derUnterschied zwischen den Szenarien 1 und 2 gering. Die Ex-filtration von Grundwasser in den Fluss unterhalb der Sohl-schwellen nimmt wegen der fehlenden Kolke für Szenario

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

Abb. 5 Strömungsvektorenund Zuströmbereiche zu denGrundwassermessstellen so-wie Räumliche Verteilung derAustauschprozesse für die dreiberechneten Szenarien

2 leicht ab. Die Berechnungen für Szenario 3 zeigen einensehr ausgeglichenen Verlauf mit ausschließlich Infiltrationvon Flusswasser in das hyporheische Interstitial. Infiltrati-onsmengen liegen unter 0,5 m2/d. Austauschprozesse wer-den vom regionalen Grundwasserfließregime und bevorzug-ter Infiltration von Flusswasser in das hyporheische Intersti-tial dominiert. Ein Ansteigen der Austauschraten am unterenEnde des untersuchten Flussabschnittes ist modelltechnischbegründet.

Abbildung 4 zeigt die zeitliche und räumliche Verteilungvon In- und Exfiltration in den künstlich angelegten Forel-lenlaichgruben und entlang des untersuchten Flussabschnit-tes für die drei berechneten Szenarien. Auch hier bestehenfür die Szenarien 1 und 2 kaum Unterschiede. BerechneteAustauschraten durch die Forellenlaichgruben sind für Sze-nario 3 stark reduziert und ein häufiger Wechsel von In-und Exfiltration kann beobachtet werden. Für die Szenari-en 1 und 2 dominiert vor der Sohlschwelle die Infiltrati-on von Flusswasser in das hyporheische Interstitial. Hinterder Sohlschwelle hingegen dominiert die Exfiltration vonGrundwasser in das Flusswasser. Dazwischen existieren Zo-nen, in denen, in Abhängigkeit der Lage des Flusspegels,In- und Exfiltration abwechseln können. Die Berechnungenfür Szenario 3 hingegen zeigen, dass vor allem zum linkenUfer hin, die Infiltration von Flusswasser in den Grundwas-serleiter zunimmt. Zum rechten Ufer können In- und Exfil-tration abwechseln. Ausschließlich Exfiltration, wie in denSzenarien 1 und 2, kann nicht mehr beobachtet werden. Al-

le drei Szenarien zeigen, dass der Einfluss des regionalenGrundwasserfließregimes und Infiltrationsprozesse zum lin-ken Ufer hin ansteigen.

Abbildung 5 veranschaulicht auch das Grundwasser-fließregime für die verschiedenen Szenarien anhand vonFließvektoren und Zuströmbereichen zu den verschiede-nen Grundwassermessstellen. Der Einfluss der Sohlschwel-len ist für die Szenarien 1 und 2 deutlich zu erkennen. In-teressant ist der Zuströmbereich zu GrundwassermessstelleBP3; Flusswasser infiltriert oberhalb einer Sohlschwelle indas hyporheische Interstitial und fließt unterhalb des Fluss-bettes der Grundwassermessstelle BP3 zu. Das Grundwas-serfließfeld für Szenario 3 ist hingegen, wie zu erwarten,sehr viel gleichmäßiger.

Tabelle 4 fasst die berechneten Aufenthaltszeiten sowiedie Länge der Fließpfade von Flussinfiltrat zwischen derEnziwigger und den verschiedenen Grundwassermessstellenzusammen. Für das lokale Modell und alle drei Szenarienbenötigt infiltriertes Flusswasser für einen Fließpfad von ca.90 m ca. 14 Tage um Grundwassermessstelle BP1 im Tal zuerreichen. Im ufernahen Bereich unterscheiden sich Längeder Fließpfade und Fließzeiten hingegen für die ersten bei-den und das letzte Szenario. Für die beiden ersten Szenarienbenötigt infiltriertes Flusswasser für Fließpfade von ca. 13und 21 m Fließzeiten von ca. 4,2 und 4,5 Tage um die ufer-nahen Grundwassermessstellen zu erreichen. Für das letzteSzenario hingegen erreicht infiltriertes Flusswasser die ufer-

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nahe Grundwassermessstelle schon nach ca. 3,2 und 3,3 Ta-gen und Fließpfaden von ca. 22 und 24 m.

Diskussion

Die Ergebnisse der Datenanalysen und der Grundwasser-modellierung zeigen die große zeitliche und räumliche Va-riabilität der Austauschraten zwischen dem Oberflächenge-wässer und dem Grundwasser in Abhängigkeit der loka-len und regionalen Grundwasserfließregime. Diese Prozessewiederum verändern die Strömungsdynamik, die Anteile anWasserkomponenten unterschiedlicher Herkunft sowie dieWassertemperatur im hyporheischen Interstitial und im Be-reich der Laichgruben. Die verschiedenen Faktoren, welcheeinen unterschiedlich starken Einfluss auf die Prozesse derFluss-Grundwasser-Interaktion haben, werden nachfolgendanhand der Untersuchungsergebnisse diskutiert.

Niederschlags- und Schneeschmelzereignisse im Zusam-menhang mit dem Verlauf der Lufttemperatur können in-direkt über die Abflussbildung im Fließgewässer und lo-kal über oberflächige und unterirdische Hangzuflüsse einenstarken Einfluss darstellen. Dies wird durch Zeitreihenana-lysen der meteorologischen Daten bestätigt, welche zeigen,dass Hochwasser mit Niederschlags- oder Schneeschmelz-ereignissen korrelieren. Die Grundwasserneubildung durchflächig versickerndes Niederschlagswasser und der direkteEinfluss auf das regionale Grundwasserfließregime sind ge-ring (<1 % der Gesamtwasserbilanz). Ober- und unterirdi-sche Hangzuflüsse haben einen mittleren Einfluss auf dieFlussdynamik und lokale Fließregime in der hyporheischenZone. Berechnete In- und Exfiltrationsraten zeigen, dass Va-riationen der In- und Exfiltration vor allem auf den Verlaufdes Flusspegels zurückzuführen sind (Abb. 3). Die Exfiltra-tion von Grundwasser in das Fließgewässer ist mengenmä-ßig im Vergleich zum Abflussvolumen klein.

Im Untersuchungsgebiet der Enziwigger führt die Geo-metrie des Grundwasserleiters sowie der starke Gradientvom Fluss zum Niveau des regionalen Grundwasserstromsdazu, dass auf der regionalen Skala der Prozess der Fluss-wasserinfiltration dominiert (Abb. 1, 2 und Tab. 1, 3). Aufder lokalen Skala im ufernahen Bereich und im Bereichder Sohlschwellen hingegen wechseln in- und exfiltrieren-de Verhältnisse in rascher Abfolge. Wichtigste Parameterfür den Wechsel von In- und Exfiltration sind das Ver-hältnis von fluss- zum ufernahen Grundwasserpegel, dieDurchlässigkeit der Flusssohle sowie die Flussbettmorpho-logie (Abb. 3, 5). Die Datenanalysen von Grundwasserpe-gel und -temperaturen zeigen, dass das regionale Grund-wasserregime zeitverzögert das Signal aus Hochwasserer-eignissen widerspiegelt (Abb. 2 und Tab. 3). Das Signal ausHochwasserereignissen wird in der hyporheischen Zone ge-dämpft. Dabei dominieren lokal in Bereichen oberhalb von

Sohlschwellen infiltrierende und in Bereichen unterhalb vonSohlschwellen exfiltrierende Verhältnisse. Weiterhin kanneine thermische Retardation zwischen dem Verlauf der Luft-und der Grundwassertemperaturen beobachtet werden.

Vergleicht man die Resultate der verschiedenen hydrau-lischen und physikalischen Parameter, so lassen sich folgen-de Aussagen ableiten: (A) Eine Auswertung der Fluss- undGrundwasserpegeldaten zeigt wie die Druckfortpflanzungwährend Hochwasserereignissen stattfindet; dabei musskein eigentlicher Massentransport von Flusswasser in denGrundwasserleiter stattfinden; (B) die Analyse der Fort-pflanzung von Temperaturverläufen vom Oberflächenge-wässer in den Grundwasserleiter kann durch konduktivenWärmetransport dominiert werden, wobei auch kein eigent-licher mit der Infiltrationsströmung verbundener advekti-ver Massentransport stattfinden muss; und (C) Änderungender elektrischen Leitfähigkeiten im Grundwasser deuten aufechten Massentransport im hyporheischen Interstitial sowieGrundwasserleiter hin.

Mit den hochaufgelösten Grundwasserströmungsmodel-len konnte das lokale und regionale Grundwasserfließregimebeschrieben und Wasserbilanzen für die verschiedenen Un-tersuchungsskalen abgeleitet werden. In Abhängigkeit derbetrachteten Skala machen Prozesse der In- und Exfiltrati-on von Fluss- und Grundwasser 70 % und 12 % im regio-nalen sowie 86 % und 30 % im lokalen Maßstab an derGesamtwasserbilanz aus. Der fehlende Anteil an der Ge-samtwasserbilanz kann vor allem dem Hauptgrundwasser-strom im Tal zugewiesen werden. Der Einfluss, welcher dieInstationarität des Grundwasserfließregimes ausmacht, kannauf die zeitliche und räumliche Verteilung der In- und Exfil-trationsprozesse zurückgeführt werden. Gleichzeitig konntemit dem lokalen Modell die räumliche und zeitliche Insta-tionarität von Austauschraten untersucht werden. Die mitden Modellen berechneten Fließgeschwindigkeiten liegenim ufernahen Bereich bei ca. 3 bis 5 m/d und vom Flusszum Talgrundwasserleiter bei ca. 6 bis 7 m/d. Die größe-ren Fließgeschwindigkeiten im Bereich des Talgrundwasser-leiters sind auf den starken hydraulischen Gradienten vomFluss zur Talmitte zurückzuführen. Die berechneten Fließ-geschwindigkeiten sind in der gleichen Größenordnung wieUntersuchungsresultate aus vergleichbaren Grundwasserlei-tern (Hoehn & von Gunten 1989).

Vor den Sohlschwellen nimmt die Infiltration von Fluss-wasser in das hyporheische Interstitial stark zu. Unterhalbder Schwellen findet eine Exfiltration von Grundwasser inden Fluss statt. Mit dem Grundwassermodell berechneteAustauschraten durch das Flussbett liegen im Bereich von–0,24 bis 1,35 m/d. Die aus den Temperaturanalysen in denkünstlichen Forellenlaichgruben abgeleiteten Austauschra-ten liegen im Bereich von 0,11 bis 0,13 m/d. Sowohl diemit dem Modell als auch mit der Temperaturanalyse be-rechneten Austauschraten sind mit erhobenen Werten in an-

Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie

deren Schweizer Fließgewässern vergleichbar (Hoehn 2002,Huggenberger et al. 2006).

Die Szenarienberechnungen erlaubten es, die Austausch-raten und Fließgeschwindigkeiten des Modells mit hoch-aufgelöster vermessener Flussbetttopographie mit den Mo-dellszenarien mit monotonerer Flussbetttopographie zu ver-gleichen. Alle drei Szenarien zeigen den Einfluss des re-gionalen Grundwasserfließregimes und die Zunahme derInfiltrationsprozesse zum linken Ufer hin. Für die erstenbeiden Szenarien ist der Unterschied der räumlichen undzeitlichen Verteilung von Austauschraten vernachlässigbar.Die Ergebnisse lassen sich wie folgt interpretieren: Sze-nario 1 beschreibt die aktuelle Situation mit heterogenenFlussbettstrukturen, einschließlich gebildeten Kiesbänkenund Kolkerscheinungen unterhalb der Sohlschwellen. Sze-nario 2 hingegen beschreibt die Situation eines stark ver-bauten Flusses kurz nach der Fertigstellung von flussbauli-chen Maßnahmen. Die Modellresultate deuten also daraufhin, dass vor allem die „harten Verbauungen“ (Sohlschwel-len) im Flussbett die Austauschraten maßgeblich beeinflus-sen. Kleinskaligere Heterogenitäten spielen hingegen eherfür die Wasserzirkulation im hyporheischen Interstitial derKiesbänke eine Rolle. Szenario 3 beschreibt die Situationeines monotonen Flussbettverlaufs.

Die Ergebnisse der Detailuntersuchungen in den künst-lich angelegten Forellenlaichgruben werden in SchindlerWildhaber et al. (in Vorbereitung) behandelt. Zusammen-fassend können die folgenden Aussagen gemacht werden:(1) Die Sauerstoffmessungen in den künstlich angeleg-ten Forellenlaichgruben B51 (Laichperiode 2009/2010 und2010/2011) und B52 (Laichperiode 2010/2011) zeigen, dasswährend eines Großteils der Untersuchungsperioden fürdie Eientwicklung ausreichend Sauerstoff (>7 mg/l; Crisp2000) vorhanden war. Erst während des letzten Drittels vorSchlupf sanken die Werte zeitweise unter 7 mg/l; (2) der An-teil von überlebenden Fischeiern liegt bei B52 bei 17 % undbei B42 bei 27 %. Die Laichgrube B51 wurde in der Laich-periode 2009/2010 während eines Hochwasserereignissesim Dezember komplett weggeschwemmt. Während beideruntersuchten Laichperioden wurden keine kritischen Tem-peraturen erreicht, welche die Fischeierentwicklung negativbeeinflusst hätten. Auch die modellierte hohe Variabilitätder lokalen Grundwasserfließregime im hyporheischen In-terstitial sowie die im Feld beobachtete eher geringe Beein-flussung der Flussbettdurchlässigkeit deuten auf einen posi-tiven Einfluss bei der Eientwicklung hin. Trotzdem war dasÜberleben der Eier in der Enziwigger eher mäßig bis gering.

Schlussfolgerungen

Die Resultate der Untersuchungen zeigten, dass Grundwas-serfließregime in einzelnen Flussabschnitten und im Bereich

von einzelnen Laichgruben nicht isoliert von übergeord-neten hydrologischen Randbedingungen betrachtet werdenkönnen. Der zeitlich und räumlich stark instationäre Cha-rakter der Fluss-Grundwasser-Interaktion in den verschie-denen Skalen (regionales Grundwasserfließregime; EinflussSohlschwellen; Forellenlaichgruben) kann nur erfasst wer-den, indem man die regionalen und lokalen hydrologischenRandbedingungen mit Grundwasserströmungsmodellen si-muliert.

Das regionale Grundwasserfließregime hat einen starkenEinfluss auf die räumliche Verteilung der Austauschraten ander Gewässersohle der Enziwigger. Vor allem bedingt durchdie Sohlschwellen im Fluss entwickeln sich lokale Grund-wasserfließregime im hyporheischen Interstitial, welche ineiner kleinräumigen Verteilung von Up- und Downwelling-Zonen resultieren. Oberhalb der Flussschwellen infiltriertFlusswasser aufgrund des erhöhten hydraulischen Gradien-ten. Das infiltrierte Wasser strömt um und unter der Schwel-le und exfiltriert unterhalb der Schwelle wieder in das Fließ-gewässer. Diese lokalen Prozesse werden überlagert durchdie instationären Prozesse der In- und Exfiltration zwischendem Fließgewässer und dem regionalen Grundwasserfließ-regime.

Die Abflussdynamik hat in verbauten Fließgewässernwie der Enziwigger einen vergleichbar geringen Einfluss aufdie Flussmorphologie und Flussbettdurchlässigkeit, umge-kehrt ist der Einfluss der Flussmorphologie und Flussbett-durchlässigkeit auf die Strömungsdynamik vergleichsweisegroß. Die Abflussdynamik hat einen starken Einfluss auf daslokale Fließregime in der hyporheischen Zone. Die Grund-wasserzirkulation im hyporheischen Interstitial hängt u. a.von der Geometrie des Grundwasserleiters, dem Oberflä-chenabfluss, bzw. der Abflusstiefe, der Durchlässigkeit derFlusssohle und der Flussbettmorphologie ab. Eine Evalua-tion von Szenarien erlaubte eine Beurteilung, inwiefern zu-sätzliche Information des Flussbettes Modellresultate beein-flussen und welche Auflösung des Flussbettes für das Pro-zessstudium der Fluss-Grundwasser-Interaktion notwendigund relevant ist.

Danksagung Die Untersuchungen fanden in Rahmen des Schwei-zer Nationalfondsprojekts (K-32K1-120486) statt. Die Autoren wollensich bei Daniel Altdorff und seinen Kollegen vom UFZ und ChristianMichel für die gemeinsam durchgeführte Feldarbeit bedanken.

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