2014 schindler wbw forstwerkhof

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41 wbw 3 2014 Haus aus eigenem Anbau Forstwerkhof Albisgüetli in Zürich von Fahrländer Scherrer Bei der Erweiterung des Betriebsge- bäudes besinnen sich Bauherrschaft und Architekten auf die Alleinstel- lungsmerkmale des Zürcher Stadt- walds und rücken neben der Buche die am Uetliberg einzigartige Eibe ins Rampenlicht. Christoph Schindler Hannes Henz (Bilder) Résumé page 45 Summary page 45 Am Fuss der steilen Nordseite des Uetlibergs liegt der Werkhof Albisgüetli von «Grün Stadt Zürich», dem ehemaligen Gartenbauamt. Das dem Stützpunkt zu- geordnete Waldrevier umfasst alle städtischen Wälder links der Limmat, was in etwa der ganzen der Stadt zugewandten Flanke des Uetlibergs entspricht. Obwohl in unmittelbarer Nähe einer Grossstadt, handelt es sich um unwegsames, steiles und stark coupiertes Gelände, das die meisten Besucher des Gipfels mit der Bahn weitläufig umfahren. 2012 ver- grösserte sich durch die Übernahme des ETH-Lehr- waldes und die Beförsterung der Holzkorporation Altstetten die bewirtschaftete Fläche von 475 auf 826 Hektar fast auf das Doppelte. Als Folge davon wurde die Anzahl der Mitarbeiter des Werkhofs von 16 auf 22 erhöht. Das 1984 erstellte Betriebsgebäude konnte diesen Anforderungen nicht mehr genügen und musste erweitert werden. Das in einem Planerwahlverfahren ermittelte Archi- tekturbüro Fahrländer Scherrer konnte bereits auf Erfahrung am Uetliberg zurückblicken: 2004 planten sie den Fahrzeugunterstand des Werkhofs, und in den frühen 1990er-Jahren sammelte Kaspar Fahrländer mit dem Unterstand am Grillplatz Annaburg oben Der Neubau im frischen Kleid aus Eibenschindeln.

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41 wbw 3 — 2014Haus aus

eigenem Anbau

Forstwerkhof Albisgüetli in Zürich von Fahrländer Scherrer

Bei der Erweiterung des Betriebsge-bäudes besinnen sich Bauherrschaft und Architekten auf die Alleinstel-lungsmerkmale des Zürcher Stadt-walds und rücken neben der Buche die am Uetliberg einzigartige Eibe ins Rampenlicht.

Christoph SchindlerHannes Henz (Bilder)

Résumé page 45Summary page 45

Am Fuss der steilen Nordseite des Uetlibergs liegt der Werkhof Albisgüetli von «Grün Stadt Zürich», dem ehemaligen Gartenbauamt. Das dem Stützpunkt zu-geordnete Waldrevier umfasst alle städtischen Wälder links der Limmat, was in etwa der ganzen der Stadt zugewandten Flanke des Uetlibergs entspricht. Obwohl in unmittelbarer Nähe einer Grossstadt, handelt es sich um unwegsames, steiles und stark coupiertes Gelände, das die meisten Besucher des Gipfels mit der Bahn weitläufig umfahren. 2012 ver-grösserte sich durch die Übernahme des ETH-Lehr-waldes und die Beförsterung der Holzkorporation Altstetten die bewirtschaftete Fläche von 475 auf 826 Hektar fast auf das Doppelte. Als Folge davon wurde die Anzahl der Mitarbeiter des Werkhofs von 16 auf 22 erhöht. Das 1984 erstellte Betriebsgebäude konnte diesen Anforderungen nicht mehr genügen und musste erweitert werden.

Das in einem Planerwahlverfahren ermittelte Archi-tekturbüro Fahrländer Scherrer konnte bereits auf Erfahrung am Uetliberg zurückblicken: 2004 planten sie den Fahrzeugunterstand des Werkhofs, und in den frühen 1990er-Jahren sammelte Kaspar Fahrländer mit dem Unterstand am Grillplatz Annaburg oben

Der Neubau im frischen Kleid aus Eibenschindeln.

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auf dem Grat erste Erfahrungen in der Selbständig-keit. Der Neubau schliesst direkt an den bestehenden Bau an und übernimmt mit seinem Satteldach die gleichen First- und Trauflinien, macht aber an der Nahtstelle einen kleinen Knick, der einerseits den Verlauf des Terrains nachzeichnet und andererseits das kleine Gebäudeensemble stärker zu einem Hof zusammenbindet. Die bestehende Treppe liegt an der Nahtstelle und kann daher auch für die neuen Räume genutzt werden. Unter dem leicht ansteigen-den Dach befinden sich die Sanitäranlagen und Gar-deroben mit Trocknungsschränken – man bekommt eine Vorstellung davon, dass es bei der Arbeit im Wald weder trocken noch sauber abgeht. Im Erdge-schoss mit separatem Eingang sind Büros, ein Sit-zungszimmer und ein Aufenthaltsraum mit einer kleinen Teeküche eingerichtet.

Konstruktion: BucheDass der neue Werkhof aus Holz gebaut werden

sollte, stand nie in Frage. Während der Planung wurde der Bauherrschaft bewusst, dass sie die Mate-rialisierung auch auf die Förderung des Verkaufs spezifischer Produkte aus dem Zürcher Stadtwald ausrichten könnte. Das populärste dieser Produkte, der Weihnachtsbaum, hat dies kaum nötig – davon wandern jeden Dezember ohnehin schon 5 000 Stück in die Zürcher Wohnstuben. Anders sieht es aber mit dem Buchenholz aus: In den meisten Wäl-dern der Schweiz ist der Laubholzanteil in den letz-ten Jahren gewachsen und wird dies mit der Klima-erwärmung auch weiterhin tun, am Uetliberg sind es gegenwärtig 60 Prozent. Etwas mehr als ein Vier-tel davon sind Buchen.

Laubhölzer wie die Buche sind den Nadelhölzern mechanisch überlegen. Sie sind druck-, zug-, biege– und schubfester und ermöglichen daher bei gleichen Dimensionen grössere Spannweiten als die Nadelhöl-zer. Grösser sind aber auch der Preis, das Gewicht, die Neigung zum Schwinden, Quellen und Verwer-fen durch Veränderung der Holzfeuchte und der Ver-arbeitungsaufwand, da alle Löcher vorgebohrt wer-den müssen. Daher kam Laubholz bislang nur in Ausnahmefällen zum Einsatz. Beim Werkhof Albis-güetli waren weniger die mechanischen Qualitäten als die Absatzförderung ausschlaggebend. Wer die Holzszene in der Schweiz ein wenig verfolgt, ahnt bereits, dass ein solches Pilotprojekt kaum ohne die Beratung der Holzbauikone Hermann Blumer über

die Bühne geht, der jüngst in Herisau seinen 70. Ge-burtstag feierte (vgl. Rezension «Mit Leidenschaft und Erfindergeist», in: wbw 1/2 – 2014, S. 54). Und so gehen auch die Konstruktionen, die in Wand und Decken zur Anwendung kamen, auf seine Anregun-gen zurück.

Das TopWall-System kam 2010 bei der Wohnüber-bauung an der Badenerstrasse in Zürich von Pool Ar-chitekten zum ersten Mal zum Einsatz (vgl. Christoph Wieser, «Befreite Systembauweise», in: wbw 1/2 – 2011, S. 18ff.). Dort wurde es als ein Wandsystem aus anein-andergereihten Pfosten entwickelt, bei dem jeweils zwei Stück im Stammquerschnitt beiderseits des Her-zens aus dem Rundholz herausgetrennt werden – eine Art vertikaler Strickbau. Durch die vertikale Ausrich-tung können die vom Strickbau bekannten Setzungen vermieden werden. An der Badenerstrasse ist die Holz-konstruktion weder von innen noch von aussen sicht-bar. Daher konnten die Elemente unvergütet mit einer breiten offenen Fuge gesetzt werden, die es dem Holz erlaubte, sich gemäss seiner natürlichen Neigung zu bewegen. Weil aber beim Werkhof Albisgüetli die Konstruktion innen sichtbar belassen sein sollte, konnte man dem Holz nicht so viele Freiheiten anbie-ten. Aus diesem Grund wurden die Pfosten mit einer Nut-und Kammverbindung versehen. Wegen der weitaus geringeren Toleranzen dieser Verbindung wur-den die Pfosten anders als an der Badenerstrasse werk-seitig mit OSB-Platten beplankt und als komplette Wandelemente mit fertigen Oberflächen auf der Bau-stelle innerhalb eines Tages montiert. Bei der Decken-konstruktion fiel die Wahl auf das System Triasol, bei dem die Rundhölzer erst wie üblich auf einen recht-eckigen Querschnitt gebracht, dann aber über die Dia-gonale aufgetrennt werden, so dass dreieckige Profile entstehen. Je zwei werden auf einer Spitze aufeinander-geleimt und die daraus entstehenden Elemente an-schliessend über Nut-und Kammverbindungen zu einer Hohlkastendecke verschraubt.

Verkleidung: EibeNeben der Buche ist am Uetliberg ein Baum ver-

breitet, der in den meisten Wäldern Europas als ge-fährdet gilt: die Eibe. Ihre Härte und Elastizität qua-lifizierte sie einst für die Engländer als ideal für ihre Langbögen. Schon bald schnitzten nicht nur die Engländer Bögen, was die Bestände der Eibe nach-haltig dezimierte. Weil die Eibe aber nur langsam wächst und Jungpflanzen gerne vom Rehwild ver-

200m

1 : 5'000

5m

1 Büros2 Eingang3 Aufenthalt / Küche

Erdgeschoss

5m

4 Garderobe Herren5 Garderobe Damen

Obergeschoss

5m

Schnitt A

5m

Schnitt B

5m

Schnitt A

5m

Schnitt B

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Die Astigkeit der knorrigen Eibe gilt als problematisch. Das gehobelte Balkonge-länder macht aus der Not eine Tugend, indem es die Formenvielfalt der Astan-sätze inszeniert.

AdresseUetlibergstrasse 355, ZürichBauherrschaft Stadt Zürich: Grün Stadt ZürichArchitekten Fahrländer Scherrer, ZürichHolzbauingenieur Création Holz mit SJB Kempter Fitze, HerisauHolzbau Tschopp Holzbau, HochdorfBausumme (BKP 1-9, exkl. MWSt.) CHF 1.5 Mio.Volumen (SIA 416) 842 m3

Geschossfläche (SIA 416) 270 m2

Wärmeerzeugung Holzschnitzelheizung (bestehend)Termine Planung und Bau 2012–2013

0 10

Obergeschoss

ErdgeschossSchnitt A Schnitt B

A B

44 Wald und Holz

Das lichtdurchlässige Türornament aus computersortierten Eibenquerschnitten entwickelten Yuko Ishizu und Evi Xexaki mit Achilleas Xydis an der Professur für CAAD der ETH Zürich.

zehrt werden, tut sie sich schwer mit der Regenera-tion. Nachdem der Langbogen an Bedeutung verlo-ren hatte, eliminierten Waldarbeiter der vorindustri-ellen Zeit verbleibende Eiben, um ihre Arbeitstiere zu schützen, denn schon ein Pfund Eibennadeln kann ein Pferd töten. Da die Albiskette für Pferde zu steil ist, blieben am Uetliberg und am Albis 80 000 Eiben stehen. Man vermutet, dass sich dieser Be-stand vorwiegend nach der Französischen Revolution in den Jahren zwischen 1800 bis gegen 1860 entwi-ckelte – eine Zeit, in der niemand mehr den Bauern das Jagen verbot, was zur Folge hatte, dass kein ein-ziges Reh übrig blieb.

Rehsichere Eibe1929 wurde die Stadt Zürich Wildschonrevier

und seitdem hat es der Jungwuchs der Eibe auch am Uetliberghang schwer. Seit nunmehr dreissig Jahren arbeitet «Grün Stadt Zürich» aktiv daran, den Eiben-bestand zu verjüngen. Albisgüetli-Förster Willy Spörri,

der den Werkhof seit 1990 leitet, lässt die Eibe ge-schützt im Forstgarten bis zu fünfzehn Jahre auf eine rehsichere Höhe von etwa 1,25 Meter heranwachsen. Erst dann wird sie im Topf zu ihrem Standort getra-gen, wo sie sofort weiterwachsen kann. Jährlich wer-den so etwa fünfzig Eiben ausgesetzt. Noch unge-wöhnlicher aber ist, dass im Zug der Durchforstung auch Eiben gefällt und zum Verkauf angeboten wer-den – und das macht den Werkhof Albisgüetli ein-zigartig, möglicherweise sogar weltweit. Obwohl der Zürcher Stadtwald unter Fachleuten als bedeutends-tes Eibenvorkommen Europas gilt, ist dieser Um-stand selbst den Zürcher holzverarbeitenden Betrie-ben kaum bekannt. Der Werkhof steht vor der eigen-artigen Situation, ein leistungsfähiges und überall sonst streng geschütztes Holz zum Verkauf anbieten zu können, das aber ausser einigen wenigen Bogen-liebhabern keine Abnehmer findet. Es ist ein wenig, als bliebe man auf einem Haufen legal verkäuflicher Leopardenfelle sitzen.

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Haus aus eigenem Anbau

Résumé

Une maison construite à partir de sa propre exploitationL’atelier forestier Albisgüetli à Zürich de Fahrländer Scherrer

Personne n’a jamais mis en cause le fait d’utiliser du bois pour agrandir une maison forestière. Mais lors de la planification, les maîtres d’œuvre se sont rendu compte qu’ils pouvaient profiter de la maté-rialisation de leur projet pour promouvoir la vente de produits spécifiques issus de la forêt de la ville de Zurich. En plus du hêtre, utilisé pour la construction, on trouve en effet de l’if dans la forêt de l’Uetliberg, une espèce menacée dans la plupart des forêts européennes. Grün Stadt Zürich tra-vaille activement à l’exploitation de son propre peuplement d’ifs – et est ainsi en mesure de pro-poser à la vente un bois très performant et sévère-ment protégé partout ailleurs. On a donc habillé une des façades de l’atelier de trois couches de bar-deaux en if afin de présenter ce bois au public et de revisiter son potentiel d’une nouvelle manière. Aussi peu spectaculaire que cette démarche puisse paraître, même aux yeux du spécialiste, elle n’a probablement encore jamais été réalisée de cette façon auparavant.

Summary

Built with own timber

Albisgüetli forestry operations centre in Zurich by Fahrländer Scherrer

That the extension to the operations centre would be built of wood was clear from the very start. However, during the planning phase the client also became aware that the material of the building could be used to encourage the sales of certain products from the forests owned by the City of Zurich. In addition to beech, which was used for the construction, yew, regarded as an endangered species in most European forests, is also widespread on the Uetliberg. Grün Stadt Zürich is actively in-volved in cultivating and managing the existing stock of yew trees and can therefore offer this use-ful timber, which elsewhere is subject to strict pro-tection laws, for sale. To present the yew externally and to interpret its potential in new ways the fa-çade of the operations centre was clad with three layers of yew shingles. Although at first glance this may seem unspectacular, even to the specialist, it is likely that something of this kind has never been done before.

Um die Eibe nach aussen weithin zu zeigen und ihr Potenzial neu zu interpretieren, entschied sich «Grün Stadt Zürich» für eine Fassade aus drei Lagen Eiben-schindeln. So unspektakulär dies selbst für den Fach-mann auf den ersten Blick aussehen mag: Vermutlich ist so etwas noch nie zuvor umgesetzt worden. Und praktisch sind die Eibenschindeln noch dazu, denn ihre Toxizität macht die Eibe äusserst widerstandsfä-hig gegen Pilze und Insekten. Jedoch verunmöglichte ihre Feinfaserigkeit das bei Lärchenschindeln übliche Spalten, so dass die Schindeln gesägt werden muss-ten. Allerdings ist die Eibenschindelfassade nur ein-geschränkt auf weitere Projekte übertragbar, da dafür eine gesamte Jahresproduktion von 15 Kubikmetern Eibe aufgewendet worden ist.

Während der Planungsphase ergab sich eine glückliche Zusammenarbeit mit der Professur für CAAD der ETH, die in einem Masterkurs unter-suchte, ob und wie man mit zeitgenössischer Infor-mationstechnik den organischen Wuchsformen der Eibe beikommen könnte. Zwei der Kursergebnisse konnten direkt verbaut werden: Die Eingangstür zeigt

ein lichtdurchlässiges Ornament aus computersortier-ten Stammquerschnitten, während das Balkongelän-der aus längs aufgeschnittenen kleinen Stämmen den knorrigen Wuchs und den extrem starken Farbunter-schied zwischen Kern- und Splintholz inszeniert. Ge-rade diese Experimentierfreudigkeit der Bauherren und Architekten ist es, was den Ersatzneubau von den bestehenden, eher profanen Nutzbauten am Stadt-rand beim Albisgüetli abhebt. Der sinnbildhafte Um-gang mit den eigenen Ressourcen macht aber auch deutlich, dass ein Werkhof heute nicht nur intern funktionieren muss, sondern der Architektur über klar ablesbare Alleinstellungsmerkmale auch eine Kommunikationsaufgabe bei der Marktpositionierung zukommen kann. —

Christoph Schindler, geboren 1973, Möbelherstel-ler. Studium der Architektur an der TU Kaisers-lautern, Promotion an der ETH Zürich. Seit 2005 Partner bei schindlersalmerón Möbelarchi-tektur. Seit 2014 Leiter der Studienrichtung Ob-jektdesign BA an der Hochschule Luzern.