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Der Verkauf von Autos stockt. Dabei wurde Russland als potenziell größter Markt in Europa gehandelt. Konzerne investierten Millionen in Produktion und Verkauf. Nun müssen sie gute Nerven beweisen. SEITEN 4 UND 5 Am 8. März wird in Russland der Internationale Frauentag gefeiert. Nach mehr als hundert Jahren hat sich seine ursprüngliche Bedeutung gewandelt: Aus dem Kampftag für die Rechte der Frauen in der Gesellschaft ist eine Mischung aus Valentins- und Muttertag geworden. SEITE 7 Zehntausende Moskauer erweisen dem ermordeten Politiker Boris Nemzow die letzte Ehre. Die Hauptstadt und das ganze Land sind schockiert. Was bleibt, ist die quälende Frage: Wie ist ein solch dreister Mord möglich, und wer steckt dahinter? SEITEN 2 UND 3 RUSSLANDS AUTOMOBILMARKT ZIEHT DIE HANDBREMSE VOM TAG DER FRAU PROFITIERT AUCH DER EINZELHANDEL BLUMENMEER FÜR EINEN UNBEQUEMEN OPPOSITIONELLEN de.rbth.com FÜR DEN INHALT IST AUSSCHLIESSLICH DIE REDAKTION VON RUSSIA BEYOND THE HEADLINES (RUSSLAND) VERANTWORTLICH. Die monatlichen Beilagen erscheinen in verschiedenen Sprachen in führenden internationalen Tageszeitungen: The Daily Telegraph, Le Figaro, The New York Times, La Repubblica and El Pais. Freitag, 6. März 2015 Ausgabe für Luxemburg Diese Beilage erscheint exklusiv im Boris Nemzow: Ein Land trauert, ein Land rätselt MÖCHTEN SIE EIN INTERNATIONALES PUBLIKUM ERREICHEN, PLATZIEREN SIE IHRE WERBUNG BEI UNS. Kontaktieren Sie unser Moskauer Büro via e-mail: [email protected] RBTH-Archiv: de.rbth.com/e-paper Werden Sie Fan auf Facebook oder folgen Sie uns auf Twitter! /RUSSLANDHEUTE /RBTH_DE RBTH IST EIN MEHRSPRACHIGES INFORMATIONSANGEBOT ÜBER RUSSLAND UND DESSEN ROLLE IN DER WELT. ES BIETET ARTIKEL ZU RUSSISCHER POLITIK, DEM GESCHÄFTSLEBEN, KULTUR UND WISSENSCHAFT, DARÜBER HINAUS ANALYTISCHE BEITRÄGE UND REVIEWS FÜR EINE BREITE LESERSCHAFT UND FÜR EXPERTEN. WER WIR SIND 20 Webseiten 30 Millionen Leser 13% einflussreiche Leser 2 Millionen Besucher monatlich 24 Länder 16 Sprachen 30 Printausgaben EPA/VOSTOCK-PHOTO

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März-Ausgabe. Thema des Monats: Boris Nemzow: Ein Land trauert, ein Land rätselt

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Der Verkauf von Autos stockt. Dabei wurde Russland als potenziell größter Markt in Europa gehandelt. Konzerne investierten Millionen in Produktion und Verkauf. Nun müssen sie gute Nerven beweisen. SEITEN 4 UND 5

Am 8. März wird in Russland der Internationale Frauentag gefeiert. Nach mehr als hundert Jahren hat sich seine ursprüngliche Bedeutung gewandelt: Aus dem Kampftag für die Rechte der Frauen in der Gesellschaft ist eine Mischung aus Valentins- und Muttertag geworden.SEITE 7

Zehntausende Moskauer erweisen dem ermordeten Politiker Boris Nemzow die letzte Ehre. Die Hauptstadt und das ganze Land sind schockiert. Was bleibt, ist die quälende Frage: Wie ist ein solch dreister Mord möglich, und wer steckt dahinter?SEITEN 2 UND 3

RUSSLANDS AUTOMOBILMARKT ZIEHT DIE HANDBREMSE

VOM TAG DER FRAU PROFITIERT AUCH DER EINZELHANDEL

BLUMENMEER FÜR EINEN UNBEQUEMEN OPPOSITIONELLEN

de.rbth.com

F Ü R D E N I N H A L T I S T A U S S C H L I E S S L I C H D I E R E D A K T I O N V O N R U S S I A B E Y O N D T H E H E A D L I N E S ( R U S S L A N D ) V E R A N T W O R T L I C H .

Die monatlichen Beilagen erscheinen in verschiedenen Sprachen in führenden internationalen Tageszeitungen: The Daily Telegraph, Le Figaro, The New York Times, La Repubblica and El Pais.

Freitag, 6. März 2015

Ausgabe für Luxemburg

Diese Beilage erscheint exklusiv im

Boris Nemzow: Ein Land trauert, ein Land rätselt

MÖCHTEN SIE EIN INTERNATIONALES PUBLIKUM ERREICHEN, PLATZIEREN SIE IHRE WERBUNG BEI UNS.

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2Eine Beilage des Rossijskaja Gaseta Verlags, Moskau

POLITIK

Freitag, 6. März 2015

JEKATERINA SINELSCHTSCHIKOWARBTH

Um den Tod von Russlands

bekanntestem Oppositionellem ranken

sich Verschwörungstheorien.

Währenddessen trauern Tausende

Moskauer und nehmen Abschied.

ATTENTAT In Russland trauern Tausende Menschen um den erschossenen Politiker

Es waren Tausende, die Abschied neh-men wollten. Die Schlange quälte sich langsam am Moskauer Gartenring hi-nunter zum Moskwa-Fluß und dann links weiter bis zum Sacharow-Zent-rum. Insgsamt mehrere hundert Meter. Dort stand in einem Raum mit bloßen Backsteinwänden der Sarg mit dem Leichnam des ermordeten Opposi-tionspolitikers Boris Nemzow. Ab und an hielten große Limousinen vor dem Gebäude, einem Kulturzen-trum, das dem sowjetischen Dissiden-ten Andrej Sacharow gewidmet ist. Nicht nur alte Weggefährten, Verwand-te und gewöhnliche Stadtbewohner waren gekommen, auch hohe Beamte erwiesen Nemzow die letzte Ehre, da-runter der Vizepremier Arkadij Dwor-kowitsch, Medwedews Sprecherin Na-talia Timakowa und Putins Bevoll-mächtigter in der Staatsduma Garri Minch. Auch Sberbank-Chef German Gref und der ehemalige Finanzminis-ter Alexej Kudrin haben Abschied genommen. Die Bilder zeigen: Kaum ein Oppositi-oneller ist so bekannt und so gut ver-netzt gewesen wie Nemzow. Nicht nur in der Opposition, sondern auch bei jenen im Kreml, die gewöhnlich zum liberalen Flügel gezählt werden. Rus-sische Politikwissenschaftler fi nden, dass die Konsolidierung der Opposi-tion ohne Nemzow nun noch schwerer fallen wird. Umfragen zeigen, dass Nemzow mehr als zehn Jahre nach sei-nem Ausscheiden aus der großen rus-sischen Politik noch immer der bekann-teste Oppositionelle gewesen ist, noch vor Alexej Nawalny. Wohl auch des-halb war die Abschiedszeremonie be-reits der zweite Anlass, der nach Nem-zows Tod Tausende Menschen auf die Straße trieb.

„Die Tragödie Nemzows ist auch meine Tragödie“Schon zum Trauermarsch am vergan-genen Sonntag kamen verschiedenen Angaben zufolge bis zu 70 000 Men-

Boris Nemzow nahm einen wichtigen Platz unter den Politikern der 1990er-Jahre ein. Von 1991 bis 1997 war er Gouverneur der Region Nischnij Nowgorod, bis er auf Wunsch des damaligen Präsidenten Boris Jelzin als Energieminister und Vizepremier in die Regierung wechselte. Nemzow setzte sich für weniger staat-liche Einmischung in der Wirtschaft ein und wurde zeitweise als Nachfolger von Jelzin gehandelt. Nach dem Staatsbankrott 1998 trat er von seinem Ämtern zurück. Von 1999 bis 2003 war Nemzow Abgeordneter der Duma. 2004 unterstützte er Wiktor Juschtschenko im ukrainischen Wahlkampf und wurde anschlie-ßend sein inoffi zieller Berater. Seine immer harschere Kritik an Wladimir Putin äußerte Nemzow wiederholt bei Demonstrati-onen. 2011 und 2012 gehörte er zu den Anführern der bis dato größten Kundgebungen gegen die Staatsmacht.

Boris Nemzow, der Unbequeme

SONDERBEILAGEN UND SONDERRUBRIKEN ÜBER RUSSLAND WERDEN VON RBTH, EINEM UNTERNEHMEN DER ROSSIJSKAJA GASETA (RUSSLAND), PRODUZIERT UND IN DEN FOLGENDEN ZEITUNGEN VERÖFFENTLICHT: THE DAILY TELEGRAPH, GROSSBRITANNIEN • THE NEW YORK TIMES, THE WALL STREET JOURNAL, THE INTERNATIONAL NEW YORK TIMES, THE WASHINGTON POST, USA • HANDELSBLATT, DEUTSCHLAND • TAGEBLATT, LUXEMBURG • LE FIGARO, FRANKREICH • EL PAÍS, SPAINIEN • LA REPUBBLICA, ITALIEN • LE SOIR, BELGIEN • GEOPOLITICA, SERBIEN • ELEFTHEROS TYPOS, GRIECHENLAND • THE ECONOMIC TIMES, INDIEN • MAINICHI SHIMBUN, JAPAN • HUANQIU SHIBAO, CHINA • THE NATION, PHUKET GAZETT, THAILAND • LA NACION, ARGENTINIEN • FOLHA DE SÃO PAULO, BRAZILIEN • EL OBSERVADOR, URUGUAY • JOONGANG ILBO, SÜDKOREA • THE SYDNEY MORNING HERALD, THE AGE, AUSTRALIEN • GULF NEWS, AL KHALEEJ, VAE.

schen, mehr als erwartet. Und auch viel mehr als zum ursprünglichen Protest-marsch, der am gleichen Tag in einem Moskauer Außenbezirk stattfi nden soll-te. Viele Teilnehmer nannten den Mord an Nemzow eine persönliche Tragödie und eine Zäsur für die Opposition.Noch vor Beginn des Marsches gab es eine lange Schlange beim Blumenkiosk in der Nähe des Slawjanskaja-Platzes im Zentrum. Auf dem Platz selbst stan-den unzählige Durchgangsmetalldetek-toren. Die Sicherheitsvorkehrungen waren verständlicherweise äußerst streng. Die Massen setzten sich lang-sam ohne die üblichen Demo-Rufe in Bewegung. Über den Köpfen trugen sie Russlandfahnen mit Trauerbändern. „Ich trauere sehr über diesen Tod“, sagt die Rentnerin Jewgenija Ipatowa. „Russ-land verliert seine besten Söhne. Er war ein großer Wissenschaftler (Nemzow hatte über 60 wissenschaftliche Arbei-ten im Bereich der Physik verfasst), be-schloss aber, sich dem Volk zu widmen, das Volk hat ihn aber nicht verstanden.“ „Ich will in einem freien Land leben, ich will nicht, dass man auf uns schießt, uns sprengt. Ich will öffentlich das sagen können, was mir gefällt und was nicht. Deshalb ist die Tragödie von Nemzow auch meine eigene Tragödie“, sagt Wik-tor Artamonow, der mit Boris Nemzow seit 1992 zusammengearbeitet hatte.

Die VersionenAuch fast eine Woche nach dem Mord geht die Suche nach den Tätern weiter. Für Diskussionen sorgt am meisten die Frage nach den Drahziehern. Es gibt zwei Versionen, wer Nemzow umge-bracht haben könnte: Es soll entweder jemand aus dem Kreis der Machthaber gewesen sein oder eine dritte Kraft, die eine Spaltung im Land erreichen möch-te. Anhänger der ersten Version sind auf der Straße deutlich in der Mehr-heit. Einigkeit herrscht allein darin, dass es sich um einen Auftragsmord handelt. Verschwörungstheorien ma-chen die Runde. „Boris Nemzow war für unsere Macht-haber sehr unbequem. Er sorgte für Be-wegung in der Politik in dem Sinne, dass er die Aktivität der Bürger förder-te. Er deckte Korruptionsmechanismen auf und bereitete einen Bericht über eine direkte russische Beteiligung am Konfl ikt in der Ukraine vor“, meint die Unternehmerin Ljudmila Koch. „Ir-gendjemadem in unseren Machtstruk-turen gefällt es gar nicht, dass Putin in der Ukraine-Frage auf die Bremse ge-treten ist. Der Mord wurde in Auftrag gegeben, um keine weitere Regulierung zuzulassen“, ist sich hingegen der 56-jährige Witalij Gorskij sicher.

Ein Tod, der vereint?Einige Oppositionelle, darunter Ilja Ja-schin, ein enger Freund Nemzows, hof-fen, dass Russlands Demokraten nun mehr Eintracht zeigen: „Ich möchte glauben, dass es eine Einigung geben wird, dass dieser Tod jene Opposi-tionsführer zusammenschweißen wird, die bislang nicht einmal miteinander gesprochen haben“, sagt er. Doch die von RBTH befragten Politik-wissenschaftler geben sich hinsichtlich einer Konsolidierung skeptisch. Der Vizedirektor des kremlnahen Instituts für Sozialwirtschaftliche und Politische Studien Alexandr Poschewalow denkt, dass Nemzow eine Person war, die „in-

nere Konfl ikte in der inhomogenen Be-wegung der Opposition ausgeglichen hatte und es schaffte, eine gemeinsame Strategie zu erarbeiten“. Der Politik-wissenschaftler erinnert, dass Nemzow es war, der Ende 2014 über die Notwen-digkeit sprach, die Opposition solle eine Koalition „für eine europäische Wahl“ eingehen. „Es ist offensichtlich, dass die Bedeutung Alexej Nawalnys in der Op-positionsbewegung steigen wird, er und seine engsten Mitstreiter werden ver-suchen, die Situation für sich auszunut-zen. Das kann zu neuen inneren Kon-fl ikten in der Opposition führen“, fügt Poschewalow hinzu.„Unsere Opposition kann sich nur bei solch traurigen Ereignissen konsolidie-ren“, bemängelt Konstantin Kalat-schew, Leiter der unabhängigen russi-schen politischen Expertengruppe. „Als Konsolidierungsgrundlage mag das aber nicht ausreichend sein.“ Seiner Ansicht nach ist die Opposition, was Organisa-tion und moralische Führung betrifft, sehr schwach aufgestellt. „In diesem Fall sollte man nicht erwarten, dass das Kind einen Monat nach der Zeugung geboren wird. In Russland kann eine neue Opposition entstehen, aber nur, wenn eine wirklich schwere Wirt-schaftskrise das Land heimsucht. Und dann wird es sicher keine Opposition sein, die ihr Programm auf sozialwirt-schaftlichen Grundlagen aufbaut“, sagt Kalatschew.

Ein Trauermarsch ersetzte die ge-plante Kundge-bung. Zehntausen-de schwenkten Russland-Fahnen und hielten Nem-zow-Plakate hoch.

Bei der Abschiedszeremonie im Moskauer Sacharow-Zentrum bildete sich eine mehrere hundert Meter lange Schlage. Die Moskauer brachten Blumen, einige Weggefährten hielten kuze Reden.

Schock und Trauer in Moskau

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3Eine Beilage des Rossijskaja Gaseta Verlags, Moskau

POLITIK

Freitag, 6. März 2015

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ZITATE

Der Mord an Boris Nemzow ist ein Versuch, die Situation komplizierter zu machen, vielleicht sogar die Lage im Land zu destabilisieren und die Konfrontation zu verstär-ken. Von welcher Seite aus diese Tat verübt wurde, ist schwer zu sagen. Man darf keine voreiligen Schlüsse zie-hen, sondern muss die Ange-legenheit in Ruhe klären.

Ein großer Verlust für unsere Gesellschaft, deren Freiheiten und Werte er immer vertei-digte. Boris Nemzow wurde zu einem der talentiertesten Politiker in der Zeit der politi-schen Transformation unse-res Landes. Bis zum letzten Tag blieb er eine markante Persönlichkeit, ein Mensch der Prinzipien.

In meiner Erinnerung bleibt er ein Mensch der extremen Aufrichtigkeit und Ehrlich-keit. Er tat immer das, woran er glaubte. Er konnte sich irren, andere täuschen, selbst getäuscht werden. Das kam vor. Aber er war nicht käuf-lich. Es war unmöglich, ihn zu etwas zu zwingen oder ihn einzuschüchtern. Mit ihm konnte man streiten. Diese Streitereien konnten hart und prinzipiell sein, aber von ihm hatte man niemals Gemein-heiten, Intrigen oder Hand-lungen hinter dem Rücken zu befürchten. Es ging ihm nicht um kommerzielle Interessen. Er war ein Romantiker der Politik, vielleicht der letzte seiner Art.

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LIBERALISMUS ALS LEBENSSTIL

Stand der Ermittlungen im Mordfall Boris Nemzow

IRINA CHAKAMADAPOLITIKERIN

MICHAIL GORBATSCHOWEHEMALIGER PRÄSIDENT DER SOWJETUNION

DMITRI MEDWEDEWMINISTERPRÄSI-DENT DER RUS-SISCHEN FÖDE-RATION

SERGEJ KIRIJENKOLEITER DER ATOMENER-GIEBEHÖRDE ROSATOM

Langjährige poli-tische Weggefährtin und Parteigenossin von Boris Nemzow. Bekleidete ver-schiedene Ämter während seiner Ministerzeit

Von April bis August 1998 war Kirijenko außerdem Minister-präsident der Rus-sischen Föderation.

Boris Nemzow mischte schon mit seinem ersten Auftreten die po-litische Arena Russlands auf. Er war jung, hübsch, intelligent, pro-

vokant und umwerfend charmant – die Sowjetunion hatte solche Menschen nicht gekannt.1991 – er war gerade zum Gouverneur gewählt worden, ich startete meine Laufbahn als Politikerin. Beide waren wir Neueinsteiger in der postsowje-tischen Nomenklatura, und das brach-te uns natürlich einander näher. Aber bis 1997 beobachtete ich sein Agieren nur aus der Distanz, dafür jedoch mit großem Interesse. Wenn Lew Tolstoi als Spiegel der russischen Revolution bezeichnet wird, so spiegelt Boris Nemzow die gesamte Entwicklung der Übergangszeit wider: den Abenteu-ergeist, der den Menschen aus Sot-schi, wo auch Nemzow geboren wurde, eigen ist, den romantischen Glauben an den Sieg der Demokratie und das forsche Auftreten eines ehemaligen Komsomol-Funktionärs.In der Regierung, in der ich 1997 mit-arbeiten sollte, war er bereits ein an-derer Mensch – seinen Charme und die kreative Energie hatte er sich be-wahrt, aber der Enthusiasmus des Komsomolzen war dem Verantwor-tungsbewusstsein eines gesamtrussi-schen Reformers gewichen. Boris er-

Die Ermittler haben die Vermutung geäußert, dass die Tat nicht von Pro-fi s begangen worden sei. Das erklär-ten Mitarbeiter der Polizei gegenüber der Zeitung Kommersant. Bekannt wurde auch, dass keine einzige Ka-mera des Föderalen Sicherheitsdiens-tes (FSO) um den Kreml herum den Mord an dem Politiker aufgezeichnet hat. Bislang gibt es mehrere Ermitt-lungsansätze, besonderes Augenmerk gilt der „ukrainischen Spur“: Es be-steht der Verdacht, dass Nemzow von radikalen russischen Nationalisten aus der Ukraine wegen seiner Unterstüt-zung der Kiewer Regierung ermordet worden sei. Insofern ist es nicht ver-wunderlich, dass Igor Krasnow, be-

langte politisches Gewicht, aber an-ders als die meisten hatte er nicht seinen Willen verloren, die Welt zum Besseren zu verändern.Die Auseinandersetzung mit dem Oli-garchen Beresowskij, der Sitzstreik der Bergleute vor dem Weißen Haus, der Staatsbankrott 1998 und die anschlie-ßende Abdankung der Regierung waren für uns alle eine große Herausforde-rung, aber keiner gab auf, sondern alle setzten ihre Arbeit mit noch stärkerem Elan und größerer Energie fort – unge-achtet dessen, dass man uns bereits als politische Leichen betrachtete.Und Boris war der Erste, der eine neue Mannschaft zusammenstellte. Was auch immer er anstrebte, das Ergebnis war für ihn das Entscheidende. Die Union der rechten Kräfte, die von ihm ins Leben gerufen wurde, schaffte es mit ihrem Spitzenkandidaten Sergej Kiri-jenko ins Parlament.Nemzow war in den letzten Jahren als Abgeordneter eine der herausragenden Persönlichkeiten in der Staatsduma, in der schon nicht mehr die Kommunis-ten, sondern die Regierungspartei die Mehrheit hatte, und das Land bereits nicht mehr von Boris Jelzin, sondern von Wladimir Putin geführt wurde.Nemzow zog, im Gegegensatz zu Sergej Kirijenko, der recht schnell in die Exe-kutive wechselte, die Unabhängigkeit

und die im Parlament verbliebene po-litische Opposition vor.Die Zweitausenderjahre waren reich an Ereignissen: die Geiselnahme im Mu-sical-Theater Nord-Ost, die Chodor-kowskij-Affäre, die Niederlage der bei-den liberalen Parteien bei den Parla-mentswahlen 2003. Nemzow landete wieder einmal „außerhalb des Systems“. Aber er steckte auch diesen Tiefschlag weg und brachte seine ganze Erfahrung ein, um eine Opposition aufzubauen.In dem Maße, in dem der politische Raum zur Umsetzung seiner Ideen schrumpfte, nahmen seine Äußerun-gen und seine Arbeitsmethoden an Ra-dikalität zu.Am Beispiel Nemzows kann man nach-verfolgen, wie ein liberales Projekt aus dem System (vertreten durch den Macht-apparat) auf die Straße abgedrängt wurde. Und dessen Anführer wurde nun ermordet – demonstrativ und bru-tal. Auf eben der Brücke, die sowohl zum Gotteshaus, wie auch zum Kreml führt – den beiden Symbolen des heu-tigen Russlands.Wurde durch diese Schüsse der Libe-ralismus in Russland getötet? Der Trau-ermarsch für Boris Nemzow, zu dem sich am 1. März Zehntausende freie Bür-ger aus dem ganzen Land zusammen-gefunden haben, gibt uns die Hoffnung, dass dem nicht so ist.

kannt als Experte für Fälle mit nati-onalistischem Hintergrund, die Lei-tung der Ermittlungen übernommen hat. Grund zur Annahme, die Mord-tat sei von Laien begangen worden, gab die Schusswaffenanalyse. Die Pa-tronenhülsen waren zu unterschied-lichen Zeiten und in verschiedenen Be-trieben hergestellt worden. „Dies weist eindeutig auf Banditen hin. Sie haben mit Patronen geschossen, die sie gera-de zur Verfügung hatten“, so der Ge-neralmajor des FSB a.D. Alexander Michailow gegenüber RBTH. „Profi s haben ihre Waffen stets einsatzbereit und pfl egen sie.“Das Versagen der Videokameras des FSO gab einmal mehr Anlass zu Ver-schwörungstheorien. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass der Tatort in unmittelbarer Nähe zum Kreml im Visier etlicher Überwachungskame-ras gelegen hätte. Laut Kommersant waren jedoch die Aufzeichnungen ent-weder nicht scharf genug, oder sie fehl-

ten ganz, weil die Kameras zu War-tungsarbeiten abgeschaltet worden waren. Später erklärte der FSO, dass sie zwar intakt, jedoch auf das Kreml-gelände gerichtet waren. Die Brücke, auf der Nemzow erschossen wurde, gehöre nicht in den Zuständigkeitsbe-reich des FSO.Russische Nationalisten wehren sich gegen die schweren Vorwürfe und haben die Vermutung, der Mord sei von radikalen Patrioten oder von dem in Russland verbotenen „Rechten Sek-tor“ begangen worden. „In den letz-ten drei Jahren kooperierte Nemzow aktiv mit den Nationalisten und setz-te sich engagiert für die Idee eines ‚ehr-lichen Parlaments‘ ein, dem unter an-derem auch Anhänger der nationalis-tischen Bewegung angehören sollten“, behauptet Wladimir Jermolajew, füh-render Politiker aus dem ethnopoliti-schen Verein Russkije. Nach Meinung des Menschenrechtlers und Rechtsan-walts der Nationalisten, Matwej Zsen, ergibt das Verbrechen insgesamt ein diffiziles Bild, in das auch die Auf-ständischen im Donbass kaum passen. „Man muss professionell geschult sein, um einen Menschen derart zu bespit-zeln, dass man ihn nicht aus den Augen verliert und dabei selbst nicht auffliegt. Im Krieg aber lernt man das sicher nicht“, betont Zsen.

JEKATERINA SINELSCHTSCHIKOWARBTH

Nach bisherigen Erkenntnissen soll laut

Ermittlungsbehörde der Mörder kein

Profi gewesen sein. Er wird im

nationalen Spektrum gesucht.

Das Versagen der Video-kameras des FSO gabeinmal mehr Anlass zu Verschwö-rungs-theorien.

GRIGORI AWOJAN

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4Eine Beilage des Rossijskaja Gaseta Verlags, Moskau

DAS THEMA

Freitag, 6. März 2015

KRISE TRIFFT AUTOBRANCHE MIT VOLLER WUCHT

SO OPTIMISTISCH DIE HERSTELLER IN GUTEN JAHREN SIND, SO BITTER IST DIE STIMMUNG, WENN ES ZUR KRISE KOMMT.

ZUM ZWEITEN MAL SEIT 2009 MÜSSEN SIE EINEN DRAMATISCHEN EINBRUCH VERKRAFTEN.

RUSSLANDS AUTOMOBILMARKT

letzten großen Krise liegt der russi-sche Markt nicht im globalen Trend. Schließlich konnten der japanische, europäische und amerikanische Ab-satzmarkt eine positive Entwicklung vorweisen.

Verzwickte SituationFür die russische Volkswirtschaft haben Pkw-Markt und Autoindus-trie eine große Bedeutung. Die ers-ten Fabriken wurden noch in den Neunzigerjahren errichtet – damals eröffneten Daewoo, Ford und Gene-ral Motors ihre Montagewerke. Der Durchbruch kam 2006, als in Russ-land der Einfuhrzoll auf Fahrzeug-komponenten für die Autoindustrie abgeschafft wurde. Gleichzeitig wur-den gebrauchte und auch neue Autos mit hohen Zöllen belegt, um einer-seits den Lada-Hersteller Avtovas zu schützen und andererseits ausländi-sche Automobilkonzerne anzulocken. Bereits Ende 2008 eröffnete in Mos-kau ein Renault-Werk, in Sankt Pe-tersburg ging Toyota an den Start, in Kaluga, 180 Kilometer südlich von Moskau, ließ Volkswagen Autos zu-sammenbauen. Letzten Endes wur-den 2010 bereits etwa 90 Prozent der gefragtesten Pkw-Marken direkt in Russland produziert. Gleichzeitig ga-rantierte die Regierung den Herstel-lern nach dem Beitritt Russlands zur

Für viele Manager der Branche ist es ein Déjà-vu. 2008 wurde Russland noch als neuer Star unter den Au-tomärkten gehandelt. Dann kam die Vollbremsung 2009. Auch jetzt zieht der Absatz lange Bremsspuren hin-ter sich her – nachdem Russland zuvor wieder zum zweitwichtigsten Markt in Europa aufgestiegen war. Nach An-gaben der Statistikbehörde Rosstat sank der Pkw-Verkauf im Januar 2015 um 45 Prozent zum Vormonat. Im Ver-gleich zum Januar 2014 betrug der Rückgang immerhin 26 Prozent. Wie Analysten der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers erklären, liegen die Hauptgründe dafür in der makroökonomischen Situation im Land und in der Schwäche des Ru-bels. Auch das gesamte vergangene Jahr, mit Ausnahme des letzten Quar-tals, lief holprig: Im Ergebnis ist laut PwC der Verkauf von Neuwagen um 10,1 Prozent auf 2,3 Millionen Stück zurückgegangen. Anders als bei der

WTO im Jahr 2012 eine Kompensa-tion der Verluste, die durch eine zu-künftige Senkung des Einfuhrzolls auf Gebrauchtwagen entstehen wür-den. Doch auch ungeachtet des WTO-Beitritts und der künftigen Zollsen-kungen hat etwa Daimler 2013 die Produktion seines Sprinter Classic beim Transporthersteller GAZ auf-genommen. Das ehemalige Wolga-Werk in Nischni Nowgorod liegt 420 Kilometer östlich von Moskau. In den vergangenen Jahren wurde Russland immer wieder prophezeit, es werde zum größten Automo-bilmarkt aufsteigen. Doch bereits 2013 gerieten die Verkäufe ins Sto-cken. Die endgültige Wende kam im Herbst 2014, als der Rubelkurs ge-genüber dem US-Dollar und dem Euro auf die Hälfte gefallen war. Das führte zu einer Verteuerung der Au-tomobilkomponenten und zu einem Rückgang der Nachfrage. Schließlich wurde Mitte Februar dieses Jahres das Renault-Werk in Moskau für drei Wochen geschlossen, und die Fabrik von General Motors in Sankt Peters-burg arbeitet seitdem nur noch in einer Schicht. Auch Ford warnte davor, seine Bänder kurzzeitig an-halten zu müssen. „Die Situation auf dem Pkw-Markt ist recht angespannt, und in der nächsten Zeit kann damit gerechnet werden, dass eine Reihe

Händler aufgeben wird“, sagt der Pro-jektleiter von FinExpertisa Alexan-der Silberman. Ilja Balakirew, Analyst bei UFS IC, berichtet von Panikkäufen kurz vor Neujahr. Viele Käufer hätten so ver-sucht, ihre Rubelersparnisse zu ret-ten. Die Produzenten ihrerseits seien gezwungen gewesen, die Preise an-zuheben, da der Einkaufspreis für Neuwagen von den Wechselkursen abhänge. „Unterm Strich hat sich auf dem Markt eine Art Schere gebildet: Auf der einen Seite befi nden sich die Verbraucher, die ihren Bedarf zum großen Teil bereits gedeckt haben, und auf der anderen die Hersteller, die gezwungen sind, die Preise an-zuheben“, erklärt der Experte.

Trübe AussichtenNach einer Prognose von PwC ist für 2015 mit einem weiteren Preisanstieg zu rechnen, und im Zusammenhang mit dem Absatzrückgang könnte es zu einem Rückzug einer Reihe von Marken vom russischen Markt kom-men. Das betrifft vor allem die Auto-mobilproduzenten mit einem relativ geringen Marktanteil in Russland. „In einer weitaus besseren Lage befi nden sich in der aktuellen Situation jene Autohersteller, die über einen sehr hohen Lokalisierungsgrad in Russland verfügen, vor allem die russischen Pro-

ALEXEJ LOSSAN RBTH

Russlands Automobilmarkt ist in

Katerstimmung. Nach Panikkäufen im

Dezember vergangenen Jahres müs-

sen Händler, Hersteller und Zulieferer

nun einen dramatischen Einbruch der

Verkaufszahlen hinnehmen.

Für die rus-sische Volks-wirtschaft haben der Pkw-Markt und die Autoindustrie eine große Bedeutung.

Im Dezember kam es zu Panikkäu-fen. Viele Verbraucher versuchten, ihre Rubeler-sparnisse vor dem Verfall zu retten.

Standorte der russischen Automobilindustrie

NIKOLAI SCHIJANOW

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5Eine Beilage des Rossijskaja Gaseta Verlags, Moskau

DAS THEMA

Freitag, 6. März 2015

gendwo sonst. Auch der Bestand von Bentleys konnte sich mit etwa 700 sehen lassen. Dabei sei die Kundenstruktur der Luxusmarken völlig anders als in Westeuropa gewesen, berichteten Händ-ler westlicher Autokonzerne. Beispiels-weise habe das durchschnittliche Alter mit 25 bis 45 Jahren deutlich niedriger als das der europäischen Kunden gelegen. Heute dominieren die günstigen Mo-delle von Lada oder Hyundai die Zu-lassungsstatistiken. Doch der Blick auf die Umsätze zeigt, dass Luxusherstel-ler noch immer viel Geld verdienen. Mit etwa 4,1 Milliarden Euro landet Mer-cedes auf Platz zwei hinter Toyota. Gleichzeitig offenbart sich auch das Pro-blem der Konzerne. Weil die Autos in Euro gerechnet billiger werden, sinken bei allen Herstellern die Umsätze. Doch auch hier kommt die Oberklasse glimpf-lich davon. Während der Umsatz von Opel und Volkswagen etwa um ein Vier-tel zurückgegangen ist, blieb das Minus bei Land Rover, Porsche oder Lexus im einstelligen Prozentbereich.

Die Provinz liebt LamborghiniFast alle Experten sind überzeugt, dass sich das Premiumsegment auch wei-terhin stabiler entwickeln wird als der übrige Markt. Die Hauptlast der Krise trügen die Mittelklassehersteller, meint Wladimir Mozhenkov vom Branchen-verband der russischen Autohändler ROAD. Demnach stiegen nur die we-nigsten Käufer von Oberklassewagen auf billigere Marken um, während dies im unteren Mittelklassesegment gang und gäbe sei. Dahinter steckt eine einfache Logik: Wer 90 000 Euro für ein Auto ausgibt

Thomas Sterzel ist wohl selten in Russ-land so herumgekommen wie im ver-gangenen Jahr. Perm, Jekaterinburg, Rostow am Don, Kasan – bei der Er-öffnung der neuen Autohäuser wollte der Chef von Porsche Russland per-sönlich dabei sein. „Es war ein sehr produktives Jahr, in dem wir unsere Präsenz auf dem russischen Markt wei-terhin gestärkt haben“, erklärt der Manager. Die Zahlen geben Sterzel recht. Mehr als 4700 Fahrzeuge konnte die Zuffen-hausener Automobilschmiede in Russ-land verkaufen, das ist ein Plus von fast 25 Prozent. Werte, von denen die meisten Hersteller auf dem kriselnden russischen Markt nur träumen kön-nen. Doch Porsche schwimmt längst nicht allein gegen den Trend. Auch an-dere Luxushersteller haben ein erfolg-reiches Jahr hingelegt. Mercedes-Benz erzielte im vergangenen Jahr ein Plus von elf Prozent und steigerte seinen Absatz auf 50 000 verkaufte Autos. In seinem Jahresbericht sprach der Kon-zern gar von einem Mercedes-Jahr in Russland. Die hauseigene Sportmar-ke AMG konnte sogar um 50 Prozent auf 2000 verkaufte Exemplare zule-gen. Auch andere Luxusmarken wie Landrover, Infi niti oder Lexus schnit-ten überdurchschnittlich gut ab.Wie aussagekräftig diese Zahlen der-zeit sind, lässt sich allerdings schwer beurteilen. Schließlich hat der Dezem-ber mit seinem rapiden Rubelverfall und einer regelrechten Kaufpanik die Verkaufsstatistiken durcheinanderge-wirbelt. Russland landete in einem Preisvakuum, weil die Hersteller mit den Preiserhöhungen nicht hinterher-kamen. „Nirgendwo auf der Welt gab es so günstige Preise für Luxusautos“, bemerkt Dmitri Baranow, Chef des Au-tohändlers Sportcar Center. Die Men-schen erwarteten deutlich höhere Prei-se und rissen sich um vermeintlich günstige Autos.

Alte Liebe zu LuxuskarossenDass Russen, zumindest jene, die es sich leisten können, ein Faible für teure Wagen aus Deutschland oder Japan haben, ist kein Geheimnis. In den 1990er-Jahren hatte sich die S-Klasse von Mercedes in der Top-Variante S600 einen Ruf als das Gefährt für neurei-che Russen schlechthin erarbeitet. Nach einem Bericht des deutschen Nachrichtenmagazins Focus sollen in Moskau bis Mai 1993 angeblich mehr S-Klasse-Limousinen verkauft wor-den sein als 1992 in ganz Westeuropa. Die Marke BMW, im Jargon „Boomer“ genannt, erfreute sich dagegen großer Beliebtheit bei den schweren Jungs im Dunstkreis der S-Klasse-Besitzer. Nach der Jahrtausendwende stieg der Wohlstand. 2007 erreichte der Verkauf des Stuttgarter Top-Modells etwa 12 000 Stück pro Jahr. Und wer heraus-stechen wollte, musste schon zur Lu-xusausführung Maybach greifen. Etwa 130 Stück gab es in Moskau vor der Welt-wirtschaftskrise 2008, so viele wie nir-

MICHAIL BOLOTIN FÜR RBTH

Russen lieben teure Autos. Daran

ändert die Krise vorerst nur wenig –

zunächst müssen die Mittelklasse-

wagen Federn lassen. Wie lange die

Luxushersteller allerdings verschont

bleiben, weiß niemand.

duzenten“, heißt es in einer PwC-Ana-lyse. Nach Angaben der Beratungsge-sellschaft ist in erster Linie die Rede vom größten russischen Autoherstel-ler, dem Konzern Avtovas, der die in Russland populärste Marke Lada her-stellt. Aber selbst bei Avtovas steht bei Weitem nicht alles zum Besten: 2014 stieg der Reinverlust um das 3,7-Fache auf 25,4 Milliarden Rubel (338 Millionen Euro). Wie man im Unter-nehmen erläuterte, sei einer der Grün-de für die Verluste eben jener Rubel-verfall, da die Fahrzeuge, die der Kon-zern produziert, zu etwa 20 Prozent aus Import-Komponenten bestehen.Bisher rechnen die Marktteilnehmer mit einer Unterstützung durch den Staat. So hat die russische Regierung eine Art Abwrackprämie initiiert: Gebrauchtwagen werden beim Kauf eines Neuwagens in Zahlung genom-men, und der Käufer erhält einen saf-tigen Rabatt. Wie der russische Fi-nanzminister Anton Siluanow am 18. Februar verkündete, seien allein für das erste Quartal 2015 zehn Mil-liarden Rubel (150 Millionen Euro) für das Programm bereitgestellt wor-den. „Wenn der Staat den Markt in ausreichendem Maße unterstützt, wird der Verkauf von Personenkraft-wagen in Russland bis zum Jahres-ende wahrscheinlich um 20 bis 25 Prozent zurückgehen, andernfalls könnten es 35 Prozent werden“, sagt der Leiter der Pkw-Abteilung bei PwC Russland Sergej Litwinenko. Auch Ilja Balakirew spricht von einem deut-lichen Einbruch des Marktes. Wie lange dieser andauern werde, hänge von der allgemeinen Wirtschaftsla-ge, der Kreditvergabepolitik und wei-teren Preisnachlässen seitens der Au-tohersteller ab. Andernfalls werde die Nachfrage sich endgültig auf den Gebrauchtwagenmarkt umorien-tieren – dort macht sich der Preisan-stieg bislang noch nicht ganz so stark bemerkbar.

– so viel betrug laut Autostat der durch-schnittliche Kaufpreis eines Mercedes in Russland –, der kann meistens auch noch etwas tiefer in die Tasche grei-fen. Ähnlich sieht das auch Wjatsches-law Subarew, Chef des Vertragshänd-lers von Porsche in Kasan, Hauptstadt der Teilrepublik Tatarstan. „Derzeit ist die Nachfrage höher als das Ange-bot. Darüber hinaus leidet das Premi-umsegment in Krisenzeiten am we-nigsten. Die Nachfrage nach luxuriö-sen Fahrzeugen entwickelt sich dynamisch“, sagte er bei der Eröff-nung des neuen Autohauses in Kasan Ende Oktober. Im vergangenen Jahr hat Subarews Unternehmen auch ein BMW-Auto-haus in Kasan eröffnet. Denn Luxus-autos sind längst nicht mehr nur in den beiden Metropolen Moskau und Sankt Petersburg beliebt. Zwar liegt die Hauptstadt nach wie vor bei einem Marktanteil des Premiumsegments von 25 Prozent ganz vorn. Doch insbeson-dere Provinzhauptstädte im Fernen Osten liegen dank hohen Gehältern nur knapp dahinter. Auch der Urlaubs-ort Sotschi sowie Krasnojarsk in Si-birien und Kaliningrad haben in den letzten Jahren aufgeholt. Erst kürzlich schwärmte der Chef von Lamborghini Moskau über die breite Geografi e seiner Verkäufe. „Wir ver-zeichnen viele Verkäufe in den Regi-onen, weil es dort Menschen gibt, die Wert darauf legen, ein Auto zu haben, das es nur ein Mal in der Stadt gibt“, erklärte Sergej Mordwin. Im vergan-genen Jahr habe man jedenfalls die Russland-Quote bei Lamborghini schon vor dem großen Rubelsturz im Dezember ausgeschöpft.

Luxuslimousinen: in guten wie in schlechten Zeiten

DIE PREISE in Russland steigen nicht nur bei importierten Gütern und Lebensmitteln

AVTOVAS gehört mehrheitlich zu Renault-Nissan und produ-ziert die russische Traditionsmarke Lada.HYUNDAI Seit 2010 in Sankt Petersburg, stiegen die Koreaner 2014 zum größten ausländischen Hersteller auf.VW Volkswagen hat nach Avtovas den meisten Local Content. Der Polo Stufenheck besteht zu 60 Prozent aus russischen Bauteilen.AVTOTOR Der Auftragsfertiger montiert unter anderem BMW und Opel in Kaliningrad. RENAULT Gehört zu den Veteranen der Automobilindustrie in Russland und produziert seit 1999 in Moskau.

Russlands größte Autobauer

(Autoproduktion in Tausend, 2014)

AvtovasTogliatti, Ischewsk

511

RenaultMoskau

150

HyundaiSankt Petersburg

237

VWKaluga

188

AvtotorKaliningrad

186

Luxushersteller Porsche und Mer-cedes-Benz haben trotz Rubelkrise ein erfolgreiches Jahr auf dem rus-sischen Markt hin-gelegt.

Arbeitsmigration nach Russland geht zurück

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Ukraine und Russland ringen

um Identität

Russische Souvenirs: abseits

ausgetretener Pfade

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AP

RUSLAN SUCHUSCHIN

Page 6: 2015 03 tb all

6Eine Beilage des Rossijskaja Gaseta Verlags, MoskauFreitag, 6. März 2015

MEINUNG

RUSSIA BEYOND THE HEADLINES (RBTH) IST EIN INTERNATIONALES MEDIENPROJEKT, DAS VON DEM VERLAG ROSSIJSKAJA GASETA FINANZIELL UNTERSTÜTZT WIRD. RBTH WIRD AUS ANZEIGENGESCHÄFTEN UND SPONSORING SOWIE ZUSCHÜSSEN VON STAATLICHEN BEHÖRDEN IN RUSSLAND FINANZIERT. DIE REDAKTION VON RBTH IST UNABHÄNGIG UND HAT ZUM ZIEL, DEN LESERN EIN MÖGLICHST BREITES SPEKTRUM AN EXPERTENMEINUNGEN ÜBER DIE ROLLE RUSSLANDS IN DER WELT UND ZU EREIGNISSEN INNERHALB RUSSLANDS ZU BIETEN. DABEI IST DIE REDAKTION BEMÜHT, HÖCHSTEN JOURNALISTISCHEN ANSPRÜCHEN ZU GENÜGEN. SO SOLL EINE WICHTIGE LÜCKE IN DER INTERNATIONALEN MEDIENBERICHTERSTATTUNG GESCHLOSSEN WERDEN. DIE PRINTBEILAGEN VON RBTH ERSCHEINEN WELTWEIT IN 26 RENOMMIERTEN ZEITUNGEN IN 23 LÄNDERN UND IN 16 SPRACHEN. AUSSERDEM

GEHÖREN ZU RBTH 19 ONLINEAUSGABEN IN 16 SPRACHEN. BEI FRAGEN UND ANREGUNGEN WENDEN SIE SICH BITTE AN: [email protected] ROSSIJSKAJA GASETA VERLAG, UL. PRAWDY 24 STR. 4, 125993 MOSKAU, RUSSISCHE FÖDERATION, TEL. +7 495 775-3114, FAX +7 495 988-9213 HERAUSGEBER: JEWGENIJ ABOW CHEFREDAKTEUR VON RBTH: PAVEL GOLUB CHEFREDAKTEURIN DER DEUTSCHEN UND LUXEMBURGER AUSGABE: JEKATERINA IWANOWA REDAKTIONSASSISTENZ: JULIA SCHEWELKINA COMMERCIAL DIRECTOR: JULIA GOLIKOVA ANZEIGEN: [email protected] ARTDIRECTOR: ANDREJ SCHIMARSKIY PRODUKTIONSLEITUNG: MILLA DOMOGATSKAJA LAYOUT: ILJA OWTSCHARENKO LEITER BILDREDAKTION: ANDREJ SAJZEWVERANTWORTLICH FÜR DEN INHALT: JEKATERINA IWANOWA, ZU ERREICHEN ÜBER RBTH-REPRÄSENTANZ DEUTSCHLAND C/O KAISERCOMMUNICATION GMBH, ZIMMERSTRASSE 79–80, 10117 BERLINCOPYRIGHT © FGUB ROSSIJSKAJA GASETA, 2014. ALLE RECHTE VORBEHALTENAUFSICHTSRATSVORSITZENDER: ALEXANDER GORBENKO GESCHÄFTSFÜHRER: PAWEL NEGOJZA CHEFREDAKTEUR: WLADISLAW FRONIN ALLE IN RUSSIA BEYOND THE HEADLINES VERÖFFENTLICHTEN INHALTE SIND URHEBERRECHTLICH GESCHÜTZT. NACHDRUCK NUR MIT GENEHMIGUNG DER REDAKTION

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DER RUSSISCHE BÄR UND ANDERE VORURTEILE

PUTINS NEUE FREUNDE IN DER WELT

NIKOLAI ZLOBINPOLITOLOGE

NIKOLAJ SURKOWPOLITOLOGE

Russisch-amerika-nischer Politikwis-senschaftler und Präsident des Cen-ter on Global Inte-rests in Washington, D.C., USA

Dozent am Lehr-stuhl für Orienta-listik des Staatlichen Moskauer Instituts für Internationale Beziehungen (MGIMO)

Die heutige Vorstellung des Wes-tens von Russland ist veraltet und bedarf einer Korrektur. Dazu müsste Russland seine

langfristigen Interessen genauer defi nie-ren und weniger auf Propaganda setzen.Während meiner Zeit in den USA habe ich gelernt, dass es einen großen Un-terschied gibt – zwischen dem ameri-kanischen Denken über Russland und wie sich die Russen ihrerseits das ame-rikanische Denken über Russland aus-malen. So handelt es sich zum Beispiel nur um ein großes russisches Vorurteil, dass die Amerikaner glauben, Bären gehörten ins russische Straßenbild. In Wirklichkeit begegnen die Amerika-ner Russland weitaus offener und mit großem Respekt. Zugegebenermaßen, die Metapher des Taiga-Bären, die Wla-dimir Putin in seinen Reden über Russ-land in letzter Zeit manchmal bemüht, lässt Russland in der Fremdwahrneh-mung nicht wirklich sympathischer erscheinen.Die westliche Schule der politischen Russistik teilt sich in zwei Lager auf. Das erste geht davon aus, dass Wladi-mir Putin aus Russland ein autoritäres Land mit einer schwachen Zivilgesell-schaft machen will. Die Anhänger die-ser Richtung, darunter auch die aktu-elle US-Regierung, nehmen an, dass Putin die politische Struktur des heu-tigen Russlands entworfen hat. Ohne Putin wäre das gegenwärtige Russland einfach nicht überlebensfähig, ganz so wie es bei vielen seiner Vorgänger der Fall war. Deren Russland-Entwürfe endeten mit ihrem Abdanken. Ihre

Seit der Westen im Frühjahr 2014 begann, Sanktionen gegen Russ-land zu verhängen, ist das Ver-hältnis zu den früheren west-

lichen Partnern sehr distanziert. Kon-takte, die in den Jahren zuvor zu den USA und den europäischen Ländern aufgebaut wurden, liegen auf Eis. Die russische Führung hat daher ihre au-ßenpolitischen Prioritäten neu geord-net und sich neue Verbündete gesucht. Es stellte sich dabei heraus, dass Mos-kau international gar nicht so isoliert ist, wie es die Initiatoren der Sankti-onen erwartet hatten. Erst vor einigen Wochen war Wladi-mir Putin auf Staatsbesuch in Ungarn. Mit Ministerpräsident Viktor Orbán handelte er neue Bedingungen für rus-sische Gaslieferungen aus und unter-zeichnete eine Reihe zwischenstaat-licher Abkommen. Man müsste dem Vorgang keine größere Bedeutung zu-messen, aber unter den Bedingungen der gegenwärtigen Krise hat dieser Be-such Symbolcharakter. Dem Kreml ist es wichtig zu zeigen, dass Europa in der Ablehnung Moskaus nicht gar so einig ist. Orbán verfolgt dabei die In-teressen seines Landes, das Erdgas zu annehmbaren Preisen zu beziehen, und nebenbei kann er die EU ein wenig ärgern, indem er zusammen mit Putin

Dem Westen wird häufi g vorgeworfen, sich nicht mit dem wirklichen Russland auseinander-zusetzen.

«

Es ist be-zeichnend, dass China im vergan-genen Jahr mit Russland eine Reihe von Energie-abkommen abgeschlos-sen hat.

«

Nachfolger mussten ihren eigenen Weg gehen.Das zweite Lager versteht Putin his-torisch gesehen als einen typisch rus-sischen Staatschef. Sein Ziel besteht nicht in der Verwirklichung eines ge-nauen Programms, über das er gar nicht verfügt, sondern darin, den machtpo-litischen Status quo und die jahrhun-dertealte Entwicklungsstrategie Russ-lands aufrechtzuerhalten. Ganz nach dem Motto: Es gibt kein „Russland Pu-tins“, es gibt nur einen „russischen Putin“. Letzterer entspringt der nati-onalen politischen Kultur, ihren Insti-tutionen und Traditionen. In den ers-ten zehn Jahren nach dem Zerfall der Sowjetunion war dies die grundlegen-de Auffassung, die der US-amerikani-schen Politik im Umgang mit Russland zugrunde lag.Die beiden Lager argumentieren kei-neswegs gradlinig. Ich vereinfache hier mit Absicht. Der Westen wird oft und nicht ganz unberechtigterweise be-schuldigt, sich nicht mit dem „wirkli-chen Russland“, sondern lieber mit einem virtuellen auseinanderzusetzen. Darüber lässt sich streiten. Zweifels-ohne aber braucht es heute einen neuen, frischeren Blick auf Russland.

Um für den Westen verständlich zu sein, muss Russland zuerst selbst Antwor-ten auf die wichtigsten Fragen fi nden. Vor allem geht es darum, die eigenen langfristigen nationalen Prioritäten zu defi nieren. Angesichts der Tatsache, dass der Anschluss der Krim als ein Eckstein russischer Staatlichkeit dar-gestellt wird, ohne dass jemals zuvor weder der russische Präsident noch das russische Militär oder Diplomaten und Experten dies ansatzweise auf die Agenda gesetzt hätten, kann man nach-vollziehen, dass die Welt darauf mit wenig Verständnis reagiert.Es ist ebenso naiv zu glauben, dass ein Land, dessen letztes Jahrhundert von vielen Brüchen gekennzeichnet ist, von der Weltgemeinschaft plötzlich als ein Garant traditioneller Werte angesehen wird. Es braucht eine Weile, bis man sich internationales Ansehen erworben hat. Die Grundlage hierfür müssen kon-krete Anhaltspunkte sein und nicht der Glaube an die eigene Propaganda. Es ist auch falsch, den internationalen Wettbewerb mit Feindseligkeit und Konfrontation gleichzusetzen, wie dies in Russland häufi g geschieht. Natür-lich möchte Russland ein ernstzuneh-mender Konkurrent zu den USA und

Europa sein. Nicht weniger natürlich ist allerdings, dass auch der Westen in Russland einen Konkurrenten sieht und entsprechend handelt.Die Zeit ist ganz offensichtlich reif, die langfristige Sicht auf Russland grund-legend zu überdenken. Ein Neuanfang wird jedoch durch die Sanktionen er-schwert, die den westlichen Vertretern den Zugang zu Russland verbieten. Es ist schlicht und einfach nicht weitsich-tig, Russland an den Rand des Weltge-schehens zu drängen, bloß weil man mit bestimmten Aspekten seiner Au-ßenpolitik nicht einverstanden ist.Umgekehrt ist die grundlegende Kor-rektur der westlichen Sicht ohne die radikale Korrektur der langfristigen Sicht Russlands auf den Westen abso-lut unmöglich. Die aktuelle politische Zwietracht hat in Russland zu einer sinnlosen Verunglimpfung westlicher Zivilisation und ihrer Werte geführt. Russland selbst muss verstehen, wel-che Antwort es auf die Frage nach „Pu-tins Russland“ oder dem „russischen Putin“ hat. Wie lange ist das größte Land der Welt noch bereit, sich für einen Bären zu halten?

Der Beitrag erschien zuerst bei RBC Daily.

vor den Kameras der Journalisten po-siert und sich dadurch der Aufmerk-samkeit der westlichen Öffentlichkeit sicher sein kann.An einer Freundschaft mit Moskau ist auch der Sieger der griechischen Par-lamentswahlen, die Linkspartei Sy-riza, interessiert. Griechenland befi n-det sich seit 2008 in der Schuldenfalle und schafft es nicht, sich aus eigener Kraft zu befreien. Die Griechen wol-len Druck auf die EU ausüben, um günstigere Bedingungen für die Til-gung ihrer Schulden auszuhandeln und bandeln deshalb mit Moskau an.Man kann also davon ausgehen, dass die Wand der europäischen Aversion Risse bekommen hat, wenn auch nur kleine. Es besteht die Hoffnung, dass sich das Verhältnis zu den europäi-schen Partnern, zumindest im Wirt-schaftsbereich, allmählich wieder normalisiert. Moskau beschränkt sich bei der Suche nach Verbündeten aber nicht nur auf Europa. Es unternimmt intensive An-strengungen, um Fortschritte in die-ser Hinsicht auch in Asien und im Nahen Osten zu erzielen.Ein wichtiger Durchbruch gelang 2014 mit der Annäherung an Ägypten. Eines der größten Länder der arabischen Welt und einer der wichtigsten arabischen

Verbündeten der USA äußerte den Wunsch, eine große Lieferung russi-scher Waffen zu erwerben und insge-samt die Beziehungen zu Moskau in diversen Bereichen auszubauen. Der Besuch Putins in Ägypten erin-nerte an den von Chruschtschow An-fang der 1960er-Jahre. Die Ergebnis-se des jüngsten Besuchs in Kairo rufen eine Art Déjà-vu hervor. Damals wurde durch die Sowjetunion der Bau des Assuan-Staudamms fi nanziert und re-alisiert, jetzt plant Russland, den Bau des ersten Kernkraftwerks in Ägyp-ten zu unterstützen.Das russisch-iranische Verhältnis ver-bessert sich ebenfalls zusehends. Das 2014 intensiv diskutierte Abkommen über den Verkauf iranischen Erdöls an die Russische Föderation mit einem Volumen von mehr als 17 Milliarden Euro kam zwar nicht zustande. Aber Teheran benötigt auch weiterhin mo-derne Technologien, Rüstungsgüter und Kernenergie.Ein anderes regionales Schwergewicht, die Türkei, hat es auch nicht sehr eilig, sich den Sanktionen gegen Russland anzuschließen. Ankara hat nach dem Aus für das Pipeline-Projekt South Stream schnell reagiert und profi tiert nun am meisten von der geplanten Alternative.

Nach dem Zerwürfnis mit der EU sind die wichtigsten Verbündeten Russlands die BRICS-Partner. Auch wenn sie Moskau nicht öffentlich unterstützt haben, verurteilten sie es zumindest nicht für die Eingliederung der Krim im April 2014. Es ist der Eindruck ent-standen, dass die BRICS-Staaten im Prinzip genug haben von der tölpel-haften US-amerikanischen Politik der letzten Jahrzehnte, die sich durch mes-sianische Ideen auszeichnet, aber doch in der ewigen Gratwanderung zwi-schen der Politik von Demokraten und Republikanern gefangen bleibt.Es ist bezeichnend, dass China im ver-gangenen Jahr mit Russland eine Reihe von Energieabkommen geschlossen hat und Indien auch weiterhin russische Waffen kauft.Von eben diesen Ländern wird Russ-lands Stellung in der morgigen Welt abhängen. Denn solange sie ihre Be-ziehungen mit Moskau aufrechterhal-ten, kann von einer Isolation nicht die Rede sein. Allerdings hat die neue Au-ßenpolitik Russlands einen entschei-denden Nachteil: Ausnahmslos alle ge-genwärtigen Verbündeten und Part-ner Russlands sind Länder, die sich dadurch günstigere Preise für die Erdöl- und Erdgaslieferungen oder aber Waffen versprechen.

ALEXEJ JORSCH

Page 7: 2015 03 tb all

7Eine Beilage des Rossijskaja Gaseta Verlags, Moskau

GESELLSCHAFT

Freitag, 6. März 2015

Der Internationale Frauentag hat noch einen ande-ren angenehmen Nebeneffekt. Viele – nicht nur Frauen – sehen in ihm den Beginn des Frühlings und freuen sich über die ersten Tulpen.

JAROSLAWA KIRJUCHINAFÜR RBTH

Mit Frauenrechten hat der 8. März

schon lange nichts mehr zu tun:

Anstatt seine Frau zu stehen, wird das

weibliche Geschlecht mit Blumen und

Pralinen überhäuft.

An diesem Tag hat allein sie das Sagen – die russische Frau. Es ist der 8. März: Männer jeden Alters und jeder Her-kunft strömen mit farbenprächtigen Tulpen- und Mimosensträußen sowie Pralinenschachteln unterm Arm scha-renweise über die Straßen des Landes. Ihre mal mehr, mal weniger geheime Mission ist es, die Geschenke Vertre-terinnen des „schwachen Geschlechts“ – Ehefrauen, Gelieben, Töchtern, Kol-leginnen und Müttern – als Zeichen ihrer Dankbarkeit dafür zu überrei-chen, dass sie ihre Welt jeden Tag aufs Neue verschönern.Auch die russischen Behörden unter-stützen die Idee: Seit einem Erlass von dem sowjetischen Generalsekretär Le-onid Breschnew aus dem Jahr 1966 ist der 8. März ein arbeitsfreier Feiertag. Doch brauchen russische Frauen die-sen Tag wirklich, und lässt er sich mit den Traditionen des Landes in Ein-klang bringen?

Frauen in die WirtschaftDer ursprünglich von amerikanischen Feministinnen erdachte Frauentag wurde nach der Oktoberrevolution 1917 in Russland eingeführt und hatte zum Ziel, Frauen zu ermutigen, gemeinsam mit ihren Männern Hammer und Si-chel in die Hand zu nehmen – in etwa so, wie es die Plastik „Arbeiter und Kolchosbäuerin“ der Künstlerin Wera Muchina in Moskau vorführt.Heute beschweren sich Frauenrecht-lerinnen darüber, dass der Feiertag nichts oder nur wenig dazu beiträgt, mehr weibliche Führungskräfte in Wirtschaft und Politik zu etablieren und Akzeptanz für die Gleichstellung bei den Männer zu erwirken.Auch die 31-jährige Unternehmerin Maria ist der Meinung, dass sich die Einstellung Frauen gegenüber im Laufe der letzten 100 Jahre kaum ver-ändert hat. Und sie erklärt, dass das Übermaß an Grußkarten und SMS, die sie an diesem Tag erhält, ihr für den Rest des Jahres das Leben nicht unbedingt erleichtert: „Wenn ich mit Männern am Verhandlungstisch sitze, werde ich von ihnen oft nicht als eben-bürtig betrachtet. Sie sehen und be-handeln mich als Frau – mit all den Schwächen, die dem ‚weiblichen Ge-schlecht‘ zugeschrieben werden.“ Au-ßerdem kritisiert sie, dass an der rus-sischen Version des Internationalen Frauentags einige Dienstleister gehö-rig absahnen. Der Wunsch der Män-ner, Frauen zu zeigen, wie liebevoll und fürsorglich sie sind, verhilft Flo-risten, Parfümerien und Confi serien zu erheblichem Profi t.

Frauenrecht und KircheMarias Aussagen treffen sich mit ei-nigen offiziellen Zahlen zum Thema. So kam aus dem Ministerium für Han-del und Dienstleistungen vorletztes Jahr der Hinweis, dass schon eine ganze Zeit vor dem 8. März die Blu-menpreise um 50 bis 60 Prozent ange-stiegen waren. Die Russisch-Orthodoxe Kirche, ob-wohl ansonsten in stetem Einklang mit dem Kreml, hat wenig Verständ-

nis für den Internationalen Frauen-tag: Sie sieht in ihm ein westliches Erbe. Zwar ist sie nicht darum bemüht, den Tag, der den Frauen gilt, wie Va-lentinstag und Halloween zur Gänze abzuschaffen, setzt sich allerdings dafür ein, dass den traditionellen re-ligiösen Feiertagen wieder mehr Auf-merksamkeit geschenkt wird. Im vorletzten Jahr hatte die orthodo-xe Kirche allen Ernstes vorgeschla-gen, am 8. März Kuchen zu essen, um der russischen Heiligen Matrjona Ni-konowa zu gedenken. Tatsächlich gibt es genug Gläubige in Russland, die von Haus aus vier Tage vorher, am 4. März, feiern, um den Drei Heiligen Jungfrau-en zu gedenken. „Ich möchte keine Blumen, nur weil ich Frau bin. Gott, der Allmächtige, hat mich erschaffen, so wie ich bin. Warum sollte ich dafür beschenkt wer-den und deswegen auch noch eine hohe Meinung von mir haben?“, sagt Swet-lana, Mutter von drei Kindern. Sie ist Ehefrau eines Diakons und erklärte Gegnerin des Internationalen Frau-entags. „Der 8. März ist ein feminis-tischer Feiertag, der nichts mit russi-schen Traditionen zu schaffen hat. Im alten Russland war die Frau wie eine Hausgöttin, sie war fürsorgliche Mut-ter und aufopferungsvolle Ehefrau und nicht eine von diesen karrierebeses-

INTERNATIONALER FRAUENTAG Am 8. März feiern die Russen ihre Frauen. Zumindest an einem Tag im Jahr

Seit einem Erlass vom sowjetischen General-sekretär Leonid Breschnew ist der 8. März ein arbeitsfreier Feiertag.

Galoppierende Pferde aufhalten

senen egoistischen Geschäftsfrauen“, meint Swetlana.Die meisten Geschlechtsgenossinnen sehen das jedoch anders: Laut einer Umfrage gaben zuletzt sieben von zehn befragten Frauen an, sich auf diesen Tag zu freuen, da er den Beginn des Frühlings symbolisiert und das ande-re Geschlecht dazu auffordert, seine Liebe und Anerkennung ihnen gegen-über zu zeigen. Dieser Meinung ist auch die 22-jährige Natalja, die oft Über-stunden machen muss, um für ihre Ausbildung aufzukommen: „Ich bin es gewohnt, den ganzen Haushalt zu führen. Außerdem arbeite ich wie ein Pferd. Deshalb freue ich mich immer auf den Tag, an dem mein Freund mich verwöhnt und auch mal bei der Haus-arbeit anpackt.“In diesem Sinne ließe sich Nikolaj Ne-krasow zitieren, ein russischer Poet des 19. Jahrhunderts: „Eine hart ar-beitende Frau, die in der Lage ist, ein Pferd im Galopp zu bremsen, geht auch in ein brennendes Haus hinein.“ Diese Worte beschreiben wohl am besten die russische Frau, die 363 Tage im Jahr arbeitet – außer am 8. März, denn die-ser Tag gehört ihr ganz allein.Die männlichen Vertreter Russlands haben übrigens ihren eigenen Feier-tag. Am 23. Februar sind sie „Vertei-diger des Vaterlands“.

Die Emanzipation der Frau in Russland

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JURI SMITJUK /TASS

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Page 8: 2015 03 tb all

8Eine Beilage des Rossijskaja Gaseta Verlags, Moskau

REISEN

Freitag, 6. März 2015

Oben: Technik und Natur – ein Bohr-turm in der ver-schneiten Winter-landschaftUnten: Surguts Wahrzeichen in der Innenstadt – die Verklärungs-kirche mit ihren goldenen Kuppeln

JOE CRESCENTE FÜR RBTH

Dank des Erdöls entwickelte sich die

Stadt im westsibirischen Tiefland zu

einer Wirtschaftsmetropole. Touristen

haben die Wahl zwischen moderner

Industriegeschichte und der

traditionellen Welt der Ureinwohner.

Die älteren Bewohner Surguts erin-nern sich noch gut an die gar nicht allzu lang vergangenen Zeiten, als Surgut ein Dorf war und mit seinen rund 6000 Einwohnern in den Bevöl-kerungsstatistiken kaum Beachtung fand. Der rasante Aufstieg zur mo-dernen Industriestadt mit giganti-schen Einkaufszentren, Restaurants, einem fl orierenden Nachtleben und protziger Architektur ist der Ölför-derung zu verdanken. Heute haben hier wichtige Konzerne entweder ihren Stammsitz, so wie Surgutneft-gas mit über 82 000 Beschäftigten, oder unterhalten Niederlassungen wie der Gasriese Gazprom.

Vom Dorf zur StadtAn die Vergangenheit als Fischerdorf erinnert auch der Name der Stadt, der einer Version zufolge in der chanti-schen Sprache so viel wie „Fischgru-be“ bedeutet. Surgut liegt im Autono-men Kreis der Chanten und Mansen, der Ureinwohner Sibiriens. Heute bil-den sie in der Stadt mit ihren 300 000 Einwohnern die zweitgrößte Bevöl-kerungsgruppe.Wer Surgut so erleben möchte, wie es einst vor dem Ölboom aussah, soll-te zunächst nach Stary Surgut (zu Deutsch: „Altes Surgut“) fahren, ein erst kürzlich rekonstruiertes Dorf. In den 14 Holzhäusern sind unter ande-rem ein Museum für die indigene Be-völkerung untergebracht, eine rekons-truierte Holzkirche, typisch für den russischen Norden, und außerdem ei-nige Restaurants. Das Museumsdorf erinnert daran, dass die Stadt eine der ältesten russischen Siedlungen Sibiriens ist. 1594 ließ Zar Fjodor I., Sohn von Iwan dem Schreck-lichen, sie als Vorposten seines Rei-

ches gründen. Ein eindrucksvolles Denkmal ist den drei Gründungsvä-tern gewidmet: einem Kosaken, einem Kaufmann und einem Heerführer. Be-reits im 17. Jahrhudert wurde die Sied-lung ein Ort des politischen Exils. Im 19. Jahrhundert lebten hier sogar ei-nige Dekabristen.Nach der Revolution 1917 verlor Sur-gut seinen Stadtstatus, für einige Zeit galt es als Dorf. Die Wende kam Ende der 1950er-Jahre, als man mit der Suche nach Erdöl begann. Am 21. März 1961 entdeckte der Geologe Farman Salmanow ein großes Ölvorkommen. In Surgut brachen fortan andere Zei-ten an.Heute widmet sich das Salmonow-Mu-seum ganz dem berühmten Geologen. Das Haus, in dem er wohnte, als er 1957 zum ersten Mal nach Surgut kam, bietet außerdem Einblicke in die Wis-senschaft und Technik der Ölförde-rung. Das Gebäude ist restauriert und zeigt die Lebensbedingungen im Sur-gut der 1960er-Jahre.Das Heimatmuseum beherbergt eine Dauerausstellung zur lokalen Ge-schichte mit so unterschiedlichen Fa-cetten wie dem Leben der Altgläubi-gen, der Ära des politischen Exils und der Revolutionszeit. Man kann hier auch einige demontierte Statuen aus der Sowjetära sehen. Gezeigt wird au-ßerdem eine interessante Sammlung zum Thema „Kindheit in der Sowjet-union“ mit Kleidung und Spielzeug. Das Surgut Art Museum präsentiert wechselnde Ausstellungen zu lokalen Trachten, zum Kunsthandwerk und zu traditioneller Ikonenmalerei.

Wo nach Öl gebohrt wirdNeben den klassischen Museen wird der sogenannte Öltourismus immer be-liebter. Wer will, kann hautnah dabei sein, wenn das schwarze Gold gewon-nen wird, und einen Bohrturm erklim-men oder ein Erinnerungsfoto in der Montur eines Ölarbeiters machen. Besucher können versuchen, doch noch Einlass in das mittlerweile offiziell ge-schlossene Öl-Museum in der lokalen Geschäftsstelle von Gazprom zu be-

INDUSTRIETOURISMUS Bodenschätze brachten der Tundra-Stadt Surgut ihren heutigen Wohlstand

Surgut: Erdöl, Ski und Rentierreiten in Sibirien

kommen. Denn für Reisegruppen und Schulklassen wird manchmal eine Ausnahme gemacht.Wer sich lieber aktiv erholen will, dem stehen diverse Wintersportmöglich-keiten zur Verfügung. Drei Orte, die unter anderem zum Skifahren einla-den, sind Olimpia, Sneschinka und Myss Kamennyj. Skifahren macht hungrig – wie gut, dass Gourmets in Surgut ebenfalls auf ihre Kosten kommen. Fisch ist die wichtigste Delikatesse, der Muksun steht hier an erster Stelle. Stör und Weißlachs sind ebenfalls sehr beliebt, man kann sie geräuchert oder frisch kaufen. Die Einheimischen bieten im

Winter Fisch, Rentierfl eisch, Nüsse und Beeren auf der Straße an. Gesundheits-bewussten Besuchern sei die Vegan Health Food Bar empfohlen, in der man sonntags frühstücken, Smoothies trin-ken und Livemusik hören kann. Es lohnt sich übrigens auch, die Um-gebung der Stadt zu erkunden und den rund 130 Kilometer langen Weg von Surgut Richtung Norden nach Russ-kinskaja auf sich zu nehmen. Die Tun-dra-Stadt bietet als wichtigste Sehens-würdigkeit ein Naturkundemuseum, in dem unterschiedliche Ausstellun-gen zur heimischen Flora und Fauna und zur indigenen Bevölkerung ge-zeigt werden. Ende März findet in Russkinskaja ein Festival der Jäger, Fischer und Rentierzüchter statt. Dies ist eine besonders gute Reisezeit für all jene, die sich einen lebendigen Ein-druck von der Kultur der Ureinwoh-ner Sibiriens machen wollen. Mutige können einen Ritt auf einem Rentier riskieren. 95 Kilometer nordwestlich von Surgut liegt das malerische Chan-ten-Dorf Ljantor am Ufer des Flusses Pim. Hier stellt ein ethnografi sches Museum mit Freiluftgelände den Le-bensraum der Chanten vor.

ANREISE Über Moskau gibt es tägliche Flugverbindungen von Aerofl ot und UTair nach Surgut (Flugzeit knapp drei Stunden).UNTERKUNFT bieten das preisgünstige Ob-Hotel (Zimmer ab 28 Euro) und das Hotel Centre für Geschäftsreisende (Zimmer ab 64 Euro ohne Frühstück).ESSEN Gesundheitsbewussten Besuchern sei die Vegan Health Food Bar empfohlen. Das Lokal Sjem Pjatniz („Sieben Freitage“) hat russische und einige europäische Gerichte auf seiner Karte.

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JUDGE SAX STUTTGART

Ich bin er-staunt, wie dick die Mauern des Hotels in Sur-gut sind. Ist ja auch klar, wenn da im Winter minus 40° C herrschen.»

«SHUTTERSTOCK/LEGION-MEDIA(2)

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