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Michael Bernegger: Falsche Zahlen. Wirtschaftslage Europas schlechter als angenommen. In: Deutsche Wirtschafts Nachrichten vom 18. Juni 2015.

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  • 18.6.2015 Falsche Zahlen: Wirtschaftslage in Europa viel schlechter als angenommen | DEUTSCHE WIRTSCHAFTS NACHRICHTEN

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    Falsche Zahlen und keine Spur von Lern-Prozess: Der IWF manvriert die Euro-Zone in eine ausw eglose Lage. Im Bild

    Christine Lagarde mit Wolfgang Schuble. (Foto: dpa)

    E U R O V I S I O NE N

    Falsche Zahlen: Wirtschaftslage in Europa vielschlechter als angenommenDeutsche Wirtschafts Nachrichten | Verffentlicht: 18.06.15 01:28 Uhr | 16 Kommentare

    Die Euro-Retter haben die Lage in Griechenland nach Ansicht des Schweizer Finanzexperten Michael

    Bernegger vllig falsch beurteilt. Daher sind die dem Land aufgezwungenen Alternativen Grexit oder

    interne Abwertung - vllig untauglich. Bedenklich: Auch in den anderen Euro-Krisenstaaten ist die

    tatschliche Lage viel schlechter als die offiziellen Zahlen. Die EU befindet sich auf keinem guten Weg.

    Deutsche Wirtschafts

    Nachrichten: Sie haben eine

    ganz andere Sicht auf

    Griechenland als die meisten

    Beobachter: Was sind die

    Strken der griechischen

    Wirtschaft?

    Michael Bernegger: Die

    Strken oder Trmpfe der

    griechischen Wirtschaft liegen

    eindeutig im Export. Der Konsens

    sagt das Gegenteil, hat aber die

    offiziellen Zahlen weder

    hinterfragt noch analysiert.

    Griechenland hat die grte und

    wettbewerbsstrkste

    Handelsflotte der Welt. Sie ist

    aufgrund geschickten

    Investitionsverhaltens fr die

    nchsten zehn Jahre sehr gut positioniert. Sie ist effektiv drei- bis viermal so gro wie in der Leistungsbilanz und in der

    Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ausgewiesen. Im Tourismus hat das Land mit dem starken Wachstum des 5-

    Sterne Hotellerie in den 2000er Jahren einen Sprung vom Massen- zum Qualittstourismus vollzogen. Auch der

    Tourismus exportiert deutlich mehr als offiziell ausgewiesen.

    Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche sind die Schwchen?

    Michael Bernegger: Ihre Schwchen sind die Konzentration im Export auf extrem zyklische Segmente, die sehr hohe

    Energieabhngigkeit und -intensitt des Landes und die strukturelle Schwche staatlicher Institutionen. Auch dort, wo

    man es nicht vermuten wrde bei der Zentralbank.

    Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie schreiben, dass die Griechenland sich selbst mit falschen Statistiken in ein

    schlechtes Licht gestellt hat. Trgt die Zentralbank hier Mitschuld?

    Michael Bernegger: Die Zentralbank errechnet seit Jahrzehnten die Leistungsbilanz vllig falsch. Sie weist lcherlich

    geringe Werte fr den Export der Handelsschifffahrt und zu niedrige Werte fr den Tourismus aus. Der eine Grund ist

    historisch, hngt mit der Besteuerung und Regulation der Handelschifffahrt sowie mit dem Whrungsregime in

    Griechenland zusammen. Der zweite Grund ist effektiv die Komplexitt, vor allem fr die Tourismus-Statistik, in einer

    Whrungsunion. Ein dritter ist Inkompetenz der Behrde, der vierte sind die politischen Machtverhltnisse. Die Reeder

    sind die eigentliche Macht im Land, sie sind nicht auskunftspflichtig und -willig. Ihre Industrie ist enorm kapital- und

    energieintensiv, sehr zyklisch und riskant. Sie haben entsprechend groe finanzielle Mittel und kein Interesse, diese

    ffentlich zu machen.

    Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie schreiben, dass die Handelsschifffahrt in einem negativen Konjunktur-

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    Michael Bernegger. (Foto: Privat)

    Zyklus steckt. Wo liegt das Problem?

    Michael Bernegger: Die Handelsschifffahrt hatte in den 2000er Jahren einen der grten Booms aller Zeiten. Die

    Fracht-Raten also die Preise fr Seefracht-Transporte explodierten frmlich. Besonders ausgeprgt war dies in den

    von der griechischen Flotte besetzten Segmenten dem Tanker-Geschft und bei Massenfrachtgtern wie Eisenerz und

    Kohle. Bei letzteren versiebenfachten die Frachtraten sich zwischen 2002 und 2008. Dies fhrte weltweit zum einem

    Investitionsboom in neue Schiffe, der weit berschoss. Heute lastet ein berangebot, das berdies zu berhhten

    Baukosten erstellt wurde, auf dem Markt.

    Dies hat den Preisverfall der Frachtraten herbeigefhrt. Bei den Transportern von Eisenerz und Kohle sind sie gegenber

    2008 um 90% gefallen, eine Deflation ohnegleichen. Und parallel dazu sind die Erdlpreise in den Jahren 2011 bis 2014 auf

    historische Hchststnde angestiegen. Die Kosten fr den Kraftstoff reprsentieren den grten Teil der Betriebskosten

    der Schiffe. In den letzten Jahren betrugen sie allein 60-80% der Frachtertrge, whrend 20% normal ist. Von den groen

    Flotten hat sich die griechische weitaus am besten in diesem schwierigen Markt behauptet. Sie hat frhzeitig und nicht erst

    im Boom investiert, und kann es seit 2012 wieder tun, weil sie finanzkrftig ist und billige Schiffe aus Konkursen und

    Zwangsverkufen ersteigern kann.

    Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ihre Kernthese ist, dass Griechenland eigentlich viel strker ist (BIP) als von

    der Troika unterstellt. Hat man das Land jahrelang falsch behandelt?

    Michael Bernegger: Das erste Problem ist die griechische Statistik. Handelsschifffahrt, Tourismus und Bauttigkeit

    die drei wichtigsten Zweige des privaten Sektors, sind konzeptionell in der Statistik falsch erfasst. Das zweite Problem

    besteht darin, dass die Troika dies anscheinend nicht berprft und jedenfalls nicht korrigiert hat.

    Es ist das A und O des Krisenmanagements, die Konzeption und operationelle Praxis der Datenerhebung akribisch zu

    berprfen. Das ist offensichtlich nicht passiert. Im Ergebnis sind und bleiben die griechische Leistungsbilanz und das

    Bruttoinlandprodukt falsch erfasst. Die Leistungsbilanz war in den 2000er Jahren aktiv und hat sich nicht dramatisch

    passiviert wie ausgewiesen. Es hat nie eine Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfhigkeit gegeben. Auch waren

    Budgetdefizite und Schuldenstand relativ zum BIP deutlich geringer als angegeben. Die Diagnose verlorener preislicher

    Wettbewerbsfhigkeit war von allem Anfang an falsch. Der Einbruch der Wirtschaftsaktivitt ist seither leider noch

    deutlich strker als in den offiziellen Daten. Die Handelsschifffahrt hatte einen Einbruch, der nur zu einem kleinen Teil

    erfasst ist. Der immens grosse informelle Sektor hat einen schweren Rckschlag erlitten, zuvorderst in der Bauttigkeit.

    Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie sagen, dass der IWF in Griechenland versagt hat. In welcher Hinsicht?

    Michael Bernegger: Ich mchte vorausschicken, dass ich den IWF angesichts groer,

    potentieller Risiken in vielen Lndern strategisch sehr wichtig finde. Es geht mir nicht

    darum, ihn grundstzlich in Frage zu stellen. Im Falle Griechenlands hat er aus drei

    Grnden versagt: Die Zahlungsbilanzstatistik und analyse ist das Kerngeschft des

    IWF. Seit 30 Jahren wei der IWF, dass die Exporte der griechischen Reederei

    strukturell nicht oder falsch erfasst sind. Es gibt mehrere Berichte des IWF darber.

    Der IWF deutete auch mehrfach an, dass die Dimensionen kolossal sind. Offenbar hat

    man ausgerechnet diesen Punkt nicht berprft und korrigiert, als die Mission in

    Griechenland begann. Nur angesichts der flschlicherweise sehr hohen, ausgewiesenen

    Defizite in der Leistungsbilanz bekam die interne Abwertung als Lsungsansatz

    berhaupt eine solche Bedeutung.

    Der zweite Fehler ist dieser Ansatz der internen Abwertung, der vom Chefkonomen

    Olivier Blanchard bereits vor Ausbruch der Krise in den 2000er Jahren entwickelt

    wurde. Meines Erachtens ist dies einer der grten Irrtmer der Makrokonomie seit

    den 1930er Jahren. Der Fehler ist, dass er fr die Situation einer hohen Verschuldung des privaten Sektors gegenber

    dem Bankensektor und als Steuerzahler gegenber dem Staat nicht angemessen ist. Genau dies ist in Griechenland und

    in den anderen Peripherielndern der Fall. Der dritte Fehler ist die sterile Anwendung der Elemente des Washington

    Konsensus, ohne auf die Struktur des Landes Rcksicht zu nehmen.

    Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie sagen, Griechenland leide wegen der Politik der internen Abwertung an

    einer Schuldendeflation. Was ist das und was bedeutet es?

    Michael Bernegger: Die interne Abwertung beinhaltet zweierlei: Lhne und Preise werden drakonisch abgesenkt, um im

    Export die Wettbewerbsfhigkeit zu verbessern. Die Steuern, vor allem die indirekten Steuern wie Mehrwertsteuer,

    werden erhht, um die inlndische Kaufkraft zu reduzieren und die Wirtschaft auf den Export auszurichten. Das ist die

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    Theorie. Effektiv wurden die nominellen Einkommen in der ganzen Wirtschaft komprimiert. Die indirekte Abwertung

    funktionierte in Griechenland nicht, weil erstens die dominante Exportindustrie kapital- und energieintensiv ist und nicht

    arbeitsintensiv. Zweitens vernachlssigt dies die hohe ausstehende Schuld: Weil die ausstehende Schuld und der

    Schuldendienst (Zinsen, Rckzahlung, Steuern) nominell sind, steigen Schulden und Schuldendienst durch die drastische

    Reduktion der nominellen Einkommen real stndig an. Sie werden untragbar. Die Haushalte knnen Hypothekenzinsen

    und Steuern nicht mehr bezahlen, die Unternehmen reduzieren Investitionen und Beschftigung aufs uerste.

    Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie schreiben, dass der Schuldenschnitt von 2012 die Probleme nicht gelst,

    sondern verschrft hat. Warum?

    Michael Bernegger: Der Schuldenschnitt war eine Manahme, um die Staatschuld zu reduzieren und damit tragfhig zu

    machen. Nicht ausreichend bedacht wurden seine Nebenwirkungen: Er hat die Banken unmittelbar in eine systemische

    Krise gestrzt, die bis heute anhlt. Die Banken mussten aufgrund der IFRS-Bilanzierungs-Vorschriften sofort hohe

    Abschreibungen auf ihren Bestnden an Staatsanleihen ttigen. Das hat ihre eigenen Mittel groteils ausradiert. Die

    Rekapitalisierung erfolgte erst verzgert und in Etappen. Das war der eigentliche Fehler. Aufgrund der Basler Vorschriften

    ber das Eigenkapital mussten die Banken sofort die Kreditvergabe einschrnken. Diese drastische Kreditklemme hat eine

    akute Liquidittskrise in der gesamten Wirtschaft geschaffen.

    Die Bauinvestitionen brachen fast vollstndig zusammen. Viele Unternehmen konnten ihre Rechnungen nicht mehr

    bezahlen, eine eigentliche Bankrott- und Pleitewelle breitete sich ber die ganze Wirtschaft aus. Als Folge sind die Quote

    der unbedienten und faulen Kredite in unfassliche Dimensionen angestiegen, weit ber 40% aller Kredite. Diese Kredite

    mssen mit viel hheren Risikogewichten unterlegt werden. Die Banken sind wegen der zeitlich verzgerten

    Rekapitalisierung dadurch unterkapitalisiert. Griechenland ist heute in der katastrophalen Situation einer

    Schuldendeflation wie die USA in den frhen 1930er Jahren. Die Phnomene bei den Banken sind horrend ansteigende

    Quoten fauler Kredite, ungengendes Eigenkapital der Banken, periodische Abzugspaniken und ungengende

    Depositenbasis.

    Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was msste geschehen, um Griechenland nachhaltig zu sanieren?

    Michael Bernegger: Griechenland ist in einer schweren akuten Krise, ist aber keineswegs strukturell ein Fass ohne

    Boden. Am Ursprung steckt ein schwerer Preisschock im Auenhandel (Kollabierende Exportpreise, stark gestiegene

    Import- und Vorleistungspreise), eine externe Deflation, die als Verlust an Wettbewerbsfhigkeit missinterpretiert wurde.

    Durch eine falsche Politik der internen Abwertung wurde die Wirtschaft in eine kumulative Schuldendeflation gestrzt.

    Man msste die Banken sofort rekapitalisieren, die faulen Kredite in eine intelligent konzipierte Bad Bank auslagern, die

    Depositenbasis durch eine Reihe von Manahmen wieder verbessern. Mglichkeiten dazu gibt es gengend. Das kostet

    zunchst, kann aber spter durch eine Privatisierung der Banken wieder eingespielt werden. Strukturell ist die Wirtschaft

    mit der Handelsschifffahrt und dem Tourismus sehr gut positioniert.

    Die seit letztem Jahr niedrigen Erdlpreise sind ein Segen fr die Schifffahrt. Fr den inlndischen Konsum helfen die

    Erdlpreise nicht, weil der Anteil von Mehrwertsteuern und produktspezifischen Steuern so stark erhht worden ist. Fatal

    ist, dass die Troika jetzt Griechenland nur zwei untaugliche Optionen berlsst: Weiterfahren mit der Schuldendeflation

    oder Grexit, was noch schlimmer ist. Die Abwertung wrde nichts ntzen, weil die Handelsschifffahrt einnahmen- und

    ausgabenseitig dollarbasiert ist. Wie die Fnf-Sterne Hotellerie ist sie sehr kapitalintensiv. Bei einem Grexit wrden die

    Zinsen drastisch ansteigen, und eine Angebotsexpansion in diesen Sektoren verunmglichen.

    Deutsche Wirtschafts Nachrichten: In welchem Zustand sind die anderen Euro-Staaten? Operieren wir auch hier

    mit falschen Voraussetzungen?

    Michael Bernegger: Die Probleme in der Erfassung der Handelsschifffahrt sind in Griechenland spezifisch und

    einzigartig. Hingegen hat das allgemeine gesamtwirtschaftliche Zahlenwerk in Europa erhebliche und gravierende Mngel,

    nicht nur, aber besonders in den Peripherielndern. Die Methoden-Fehler gehen meist weit zurck, hufig bis in die

    1960er und 1970er Jahre.

    Die Tourismus-Statistik hat besonders seit der Einfhrung des Euro erhebliche Defizite, und die Bauinvestitionen und der

    private Konsum sind in vielen Lndern konsequent und systematisch falsch erfasst. Der informelle Sektor stellt ein riesiges

    Problem dar. Die Lohnstatistiken sind dadurch massiv verzerrt. Das effektive BIP liegt meist deutlich hher als

    ausgewiesen. Dadurch sind die Defizit- und die Schuldenquoten teilweise betrchtlich geringer als in der EDP-Prozedur

    ausgewiesen. Whrend das absolute Niveau des BIP deutlich hher liegen drfte, ist der Rckschlag seit 2008 in den

    Peripherielndern, aber auch in Frankreich viel strker als ausgewiesen. Die Deflationsgefahr wird erheblich unterschtzt

    anhand der gngigen Teuerungsindikatoren.

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    ZURCK 1 3 4 5

    18. Juni 2015 um 21:16

    Sophrosyne sagt:

    Diese Analyse berzeugt nur teilweise.

    Die reichen Reeder sind in GR nicht steuerpflichtig, tragen also wenig zu den

    Staatseinnahmen bei.

    Der griech. Tourismus ist gegenber der Trkei nicht konkurrenzfhig. Weder

    durch den Preis dank schwacher Lira ist die Trkei gnstiger. Noch durch

    Qualitt. Mag das Luxussegment bedient werden es fehlen Angebote fr den

    Mittelstand.

    Richtig ist, dass die interne Abwertung nicht funktioniert. Dies hat vor allem zur

    Vernichtung von KMU, Verlust von Arbeitspltzen und allgemeiner Verarmung

    gefhrt. Der Binnenmarkt wurde abgewrgt, wie berall in Europa, nur

    drastischer.

    Die Wirtschaftslage in Europa ist insgesamt viel schlechter als allgemein erkannt. Generell wird die Rolle der Geldpolitik

    und der Bankenregulierung fr die Eurokrise massiv unterschtzt.

    Die Banken sind in allen Peripherielndern inklusive Ostmitteleuropas in einer Situation einer latenten Systemkrise.

    Steigende Quoten nicht-bedienter und fauler Kredite, fallende Preise von Immobilien als wichtigster Sicherheit der

    Kreditvergabe gibt es nicht nur in Griechenland. Mit der Tiefzinspolitik der EZB werden sie nicht beseitigt werden knnen.

    Eine Rekapitalisierung der Banken sollte berall hchste Prioritt haben, sonst knnen die akute Kreditklemme nicht

    gelst und das Wirtschaftswachstum nicht nachhaltig angekurbelt werden. Die latenten Systemrisiken sind viel

    bedeutender, weil die gesamte Bankenregulierung Risiken nicht verringert, sondern teilweise potenziert. Sie wirkt etwa

    prozyklisch verstrkend.

    Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Zeigt nicht die Unfhigkeit aller Beteiligten im Fall Griechenlands, dass ein

    zentralistisches Wirtschaftssystem (EU/EZB/IWF) im Grunde niemals funktionieren kann?

    Am Ursprung stehen in Griechenland Fehler nationaler Behrden, vor allem der Zentralbank, aber auch die strukturelle

    Schwche des griechischen Staates. In der akuten Krise ist die Troika mit einem unangemessenen Lsungsansatz zu Werk

    gegangen, und hat die wirklichen Fehler und die Situation in Griechenland gar nicht adquat analysiert. Erschreckend ist,

    dass man keine Lehren daraus zieht.

    Wenn man der Presse Glauben schenkt, so sind die Forderungen der Troika immer noch in der Richtung Lohnsenkung,

    Rentensenkung, Mehrwertsteuer-Erhhung. Diese Kombination hat verheerende Konsequenzen gehabt. Die von der

    Troika geforderte drastische Mehrwertsteuer-Erhhung auf den Inseln wrde direkt wie 2011/12 eine tiefe Rezession fr

    den Tourismus auslsen. Vergessen Sie nicht, dass die trkische Lira seit Quartalen im freien Fall ist. Drastische

    Preiserhhung in Griechenland und anhaltende Preissenkung in der Trkei wrden die Tourismusstrme umlenken. Das

    Problem ist die Unfhigkeit der Akteure des Zentrums, rasch zu lernen, nicht die zentralistische Struktur. Statt endlich die

    Datengrundlagen vor allem der Leistungsbilanz zu berprfen, lsst sich die Eurozone vom IMF in eine katastrophale

    Alternative den Grexit hineinmanvrieren.

    Michael Bernegger ist selbstndiger konom. Er arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Schweizerischen

    Nationalbank, als Whrungsanalyst in einer Investmentbank und in verschiedenen Fhrungsfunktionen in der

    schweizerischen Finanzindustrie. Seine vollstndige und uerst lesenswerte Analyse ber die Lage in Griechenland hat

    er auf Social Europe verffentlicht.

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