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MITTWOCH, 20. JULI 2016 www.gisreportsonline.com SEITE 1 Experte Lord David Alton Region: Europa Essay: Königliche Familien und Monarchien im 21. Jahrhundert Vergangene Weihnachten hörte ich eine satirische Parodie auf das Weih- nachtslied „We Three Kings Of Orient Are“: Es verspottete die „drei Kims“ von Nordkorea, die zu einer marxistisch-leninistischen Dynastie geworden sind und die in ihrem Land eine Herrschaft der Grausamkeit und Barbarei errichtet haben. Im Gegensatz dazu gedeihen überall auf der Welt die authentischen Monarchien – basierend auf ihrer Verpflichtung zu verfassungsrechtlichen Grundsätzen sowie zur Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit und dem von ihnen ausgehenden Gefühl der nationalen Identität, des Zusammenhalts und der Kontinuität. 14. Juli 2016: Spaniens König Felipe VI. und Königin Letizia während einer Abschlussfeier an der Militärakademie von Saragossa (Foto: dpa) Allein in Europa gibt es 12 Monarchien – angefangen von den Fürstentümern von Liechtenstein und Monaco bis nach Dänemark und Spanien. Unterdessen feierte Großbritannien den 90. Geburtstag von Queen Elisabeth II., ohne dass es ein An- zeichen dafür gäbe, dass die Nation ihre Monarchie bereitwillig durch eine Re- publik ersetzen würde. Ungeachtet der unvermeidlichen individuellen Versäumnisse und Schwächen von bestimmten Mitgliedern der königlichen Clans, bleiben diese Familien in der Phan- tasie des Volkes ein Ort der Zuneigung und des Respekts. Gerade weil sie nicht am mühseligen Tagesgeschäft der Politik beteiligt sind, scheinen sie in der Lage, parteiische und überschaubare Anliegen zu überwinden. Es ist ein großer Fehler, sie als Relikte aus Märchenbüchern vergangener Tage zu betrachten, die in den Gesellschaften des 21. Jahrhunderts keine Rolle mehr spielen.

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Experte

Lord David Alton

Region:Europa

Essay: Königliche Familien und Monarchien im 21. Jahrhundert

Vergangene Weihnachten hörte ich eine satirische Parodie auf das Weih-nachtslied „We Three Kings Of Orient Are“: Es verspottete die „drei Kims“ von Nordkorea, die zu einer marxistisch-leninistischen Dynastie geworden sind und die in ihrem Land eine Herrschaft der Grausamkeit und Barbarei errichtet haben. Im Gegensatz dazu gedeihen überall auf der Welt die authentischen Monarchien – basierend auf ihrer Verpflichtung zu verfassungsrechtlichen Grundsätzen sowie zur Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit und dem von ihnen ausgehenden Gefühl der nationalen Identität, des Zusammenhalts und der Kontinuität.

14. Juli 2016: Spaniens König Felipe VI. und Königin Letizia während einer Abschlussfeier an der Militärakademie von Saragossa (Foto: dpa)

Allein in Europa gibt es 12 Monarchien – angefangen von den Fürstentümern von Liechtenstein und Monaco bis nach Dänemark und Spanien. Unterdessen feierte Großbritannien den 90. Geburtstag von Queen Elisabeth II., ohne dass es ein An-zeichen dafür gäbe, dass die Nation ihre Monarchie bereitwillig durch eine Re-publik ersetzen würde.

Ungeachtet der unvermeidlichen individuellen Versäumnisse und Schwächen von bestimmten Mitgliedern der königlichen Clans, bleiben diese Familien in der Phan-tasie des Volkes ein Ort der Zuneigung und des Respekts. Gerade weil sie nicht am mühseligen Tagesgeschäft der Politik beteiligt sind, scheinen sie in der Lage, parteiische und überschaubare Anliegen zu überwinden. Es ist ein großer Fehler, sie als Relikte aus Märchenbüchern vergangener Tage zu betrachten, die in den Gesellschaften des 21. Jahrhunderts keine Rolle mehr spielen.

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Juan Carlos I.Die spanische Monarchie ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine Königsfamilie – mit all ihren Unzulänglichkeiten – eine Quelle des sozialen Zusammenhalts sein kann. Als Juan Carlos nach dem Tod des faschistischen Diktators Francisco Franco im Jahr 1975 König wurde, zweifelte niemand daran, dass seine Autorität und seine starke Verbindung zu den spanischen Streitkräften das Land vor einem Militär-putsch bewahrt und die parlamentarische Demokratie des Landes gerettet hatten. Im Jahr 2014, nach fast vierzig Jahren auf dem Thron – und einigen Vorfällen, die geeignet waren, seine Autorität zu untergraben –, hatte der König verstanden, dass die Zukunft der Institution am besten durch eine ruhige Abdankung zugunsten der nächsten Generation gewährleistet war.

Zum Überleben einer konstitutionellen Monarchie muss sie immer die Zukunft im Blick haben und darf nicht von ihrer Vergangenheit besessen sein. Sie muss die Fähigkeit besitzen, sich anzupassen, und dabei immer eine Kraft für den nationalen Zusammenhalt und die Einheit darstellen. König Juan Carlos I. wies zu Recht da-rauf hin, dass eine Monarchie „als politisches System wirksam sein kann und sein muss, wenn sie in der Lage ist, ein gerechtes und wahres Gleichgewicht der Kräfte zu halten, und wenn sie im wirklichen Leben der (...) Menschen verwurzelt ist.“

Sein Sohn Felipe VI. – ein Georgetown-Absolvent und ehemaliger Olympia-Segler – scheint diese Lektion verinnerlicht zu haben. Eine der großen Herausforderungen Felipes wird seine Rolle für die nationale Einheit in einem Land sein, das von sepa-ratistischen Bewegungen zerrissen wird, vor allem durch die Basken und die Ka-talanen.

König PhilippeDies ist eine Herausforderung, die er mit Philippe teilt, der den belgischen Thron im Jahr 2013 nach der Abdankung seines Vaters bestieg. Der junge König wird auf Niederländisch auch „Filip“ genannt, was vielleicht symbolisch für die beiden Län-der steht, aus denen Belgien zusammengesetzt ist. Dass Monarchen einen Glau-ben und ein Gewissen haben, nicht nur symbolisch agieren und auch nicht grundsätzlich über den Grabenkämpfen stehen, machte etwa die Entscheidung von Philippes Onkel Baudouin (der fünfte König der Belgier) deutlich, der sich im Jahr 1990 weigerte, ein Gesetz zu unterzeichnen, das die Regelungen für Ab-treibungen liberalisierte. „Gilt die Freiheit des Gewissens denn für jeden, außer den König?“, fragte er bekanntlich in einem Brief an das Parlament. Das Kabinett zeigte sich kooperativ und erlaubte ihm, für 24 Stunden „abzudanken“, wodurch die Not-wendigkeit für seine königliche Zustimmung umgangen wurde.

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Die WindsorsEine eher weniger prinzipientreue Abdankung war die des britischen Monarchen Edward VIII., der im Jahre 1936 eine Verfassungskrise auslöste durch sein Be-harren, die amerikanische Salonlöwin Wallis Simpson zu heiraten, sowie durch seine Schwärmerei für Hitler-Deutschland. Dennoch überlebte die britische Monar-chie das alles, und George VI. und seine Frau Elisabeth unterstützten durch ihre heroische Stabilität und ihren Mut Großbritannien in Kriegszeiten. Mit ihrer Tochter Elisabeth schenkten sie der Nation zudem eine Staatschefin, die als treue Dienerin der Öffentlichkeit ohnegleichen ist. Allein in den vergangenen Tagen hat die Königin mit Theresa May ihren 13. Premierminister ernannt, während sie mit ansah, dass ihr Urenkel Prinz George seinen zweiten Geburtstag feierte – er gewinnt schon jetzt die Zuneigung der Öffentlichkeit, was die Zukunft der britischen Monarchie garantiert.

Hans Adam II.Mit einer Landfläche von etwa 160 Quadrat-Kilometern mag Liechtenstein von sei-ner geografischen Größe her ein Liliputaner sein, aber es gibt überhaupt nichts Zwergenhaftes an seiner Wirtschaft. Das Fürstentum weist das höchste Brutto-inlandsprodukt pro Kopf auf und mit 1,5 Prozent hat es eine der weltweit niedrig-sten Arbeitslosenquoten. Liechtensteins 37.000 Bürger kommen in den Genuss eines der höchsten Lebensstandards der Welt.

Vaduz, 15. August 2011: Fürst Hans Adam II. vor dem Schloss von Vaduz am National-feiertag des Fürstentums Liechtenstein (Foto: dpa)

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Fürst Hans Adam II. ist seit 1989 der amtierende Staatschef, viele seiner Verpflich-tungen aus dem Tagesgeschäft gibt er jetzt an seinen Sohn Alois ab, den Erb-prinzen von Liechtenstein. Die Fürsten des Fürstentums führen ihre Vorfahren bis zum Heiligen Römischen Reich zurück. Im Laufe der Jahrhunderte haben sie geschickt die Gefahren des Erstickens und der Assimilation durch eine Vielzahl ihrer mächtigen Nachbarn vermieden. Im 21. Jahrhundert gehört Liechtenstein nicht zur Europäischen Union, aber zum europäischen Wirtschaftsraum, es ist in der europäischen Freihandelszone und befindet sich in einer für beide Seiten vorteilhaften Zoll- und Währungsunion mit der Schweiz. Die Gelehrsamkeit der Herrscher-Familie, ihr verantwortungsvoller Umgang mit ihrem Reichtum (geschätzt auf etwa 5 Milliarden Dollar) und ihr scharfer Fokus auf die Zukunft haben die schrittweise Entwicklung demokratischer und juristischer Institutionen ermöglicht. Liechtenstein verfügt über ein gewähltes Parlament, den Landtag, aber auch über ein System der direkten Demokratie durch Referenden: Abstimmungen können von den Bürgern, dem Parlament oder vom Fürsten selbst initiiert werden.

Im Jahr 2003 veranlasste Hans Adam II. Änderungen an der Verfassung von 1921, die in einem Referendum gebilligt wurden; im Jahr 2012 lehnten die Wähler im Zuge einer anderen Abstimmung mit großer Mehrheit Vorschläge ab, das Vetorecht des Fürsten abzuschaffen. Der Fürst hat die große Popularität seiner Familie und die ihm zustehenden Befug-nisse genutzt, um die Unabhängigkeit der Justiz zu schützen: Den Staatsgerichts-hof und die nachrangigen Gerichte, die in der Hauptstadt Vaduz ihren Sitz haben – sie alle werden vor kurzsichtigen populistischen Entscheidungen geschützt. Mit seiner Entschlossenheit, die Herrschaft des Rechts aufrechtzuerhalten, und seinem vorbildlichen Schutz gegen Störungen der Gerichtsbarkeit aufgrund von politi-schen Interessen im Parlament, könnte das Fürstenhaus von Liechtenstein die Staatschefs einiger Riesen-Staaten das eine oder andere lehren.

Könige des OrientsEinigkeit und Zusammenhalt sind die Worte, die am besten die Rolle unserer mo-dernen Monarchen zusammenfassen. Dies gilt nicht nur in Europa.

Denken wir mal an König Bhumibol Adulyadej von Thailand, der seit 1946 regiert, als sein älterer Bruder starb. Er ist das am längsten amtierende Staatsoberhaupt der Welt. Es besteht kein Zweifel, dass in Thailand, wo im Hintergrund oft ein Bürgerkrieg lauerte, die königliche Familie eine Kraft für Harmonie und den Zu-sammenhalt gewesen ist; sie ist ein Gegenmittel gegen die Politiker – von denen einige korrupt sind –, die Zwietracht und Uneinigkeit schüren wollen.

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Im benachbarten Kambodscha, das so schwer unter Pol Pot und den Roten Khmer gelitten hatte, wurde die königliche Familie unter Hausarrest gestellt. König Siha-nouk dankte 2004 ab und sein Sohn Norodom Sihamoni folgte ihm an die Staats-spitze. Der Monarch wird von einem Kronrat des Thrones gewählt, und obwohl seine Macht weitgehend symbolisch ist, fokussiert sich der König auf die Einheit, die Stabilität und die Erneuerung – dies ist ein Dienst von unschätzbarem Wert in einem Land, das Völkermord und außerordentliche Leiden erlebt hatte.

3. Juni 2015: Ein Bild des kambodschanischen Königs Norodom Sihamoni wird während einer Zeremonie außerhalb des Königspalastes von Phnom Penh gezeigt (Foto: dpa)

Die letzten KaiserIn Japan nahm Kaiser Akihito seinen Platz auf dem Chrysanthemen-Thron nach dem Tode des Kaisers Hirohito im Jahr 1989 ein. Der Fanatismus des imperialis-tischen Totenkults des Japans der Vorkriegszeit wurde in der Nachkriegsver-fassung von 1947 abgelehnt; sie gesteht dem Kaiser – dem weltweit letzten – eine Rolle als „Symbol des Staates und der Einheit des Volkes“ zu.

Wie der britische Monarch verfügt der Kaiser auch über eine religiöse Rolle – als die höchste Autorität im Shintoismus. Hirohitos mutige, nach Hiroshima gefällte Entscheidung im Jahr 1945, die Kapitulation Japans zu verkünden – und das im Angesicht eines mutmaßlichen Militärputschs – hatte unzählige Leben gerettet.

Er sah zu Recht voraus, dass „wenn wir den Krieg fortsetzen, wird es keine Zukunft für das politische System oder die Nation selbst geben. Ein sofortiger Waffenstill-stand würde das Kern-Fundament für Japans zukünftige Entwicklung erhalten“.

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Die Geschichte hat dieses Urteil validiert. Im Juli 2016 hat Kaiser Akihito einige ver-fassungsrechtliche Turbulenzen in Japan ausgelöst, da er zugunsten seines Soh-nes abdanken möchte – ein bisher beispielloser Vorgang.

Mohammed VI.Monarchien haben auch ihre Rolle bei den unruhigen Übergängen gespielt, die die arabischen Gesellschaften im Nahen Osten durchleben – zum Guten und zum Schlechten.

Der ehemalige haschemitische König von Jordanien, Hussein, und sein Sohn Ab-dullah II. sind Fahnenträger für den Frieden gewesen. König Hussein wurde für sei-nen Mut und seine Weisheit weitgehend Bewunderung entgegengebracht.

In Marokko herrscht die königliche Alawiden-Dynastie seit dem 17. Jahrhundert. Nach Protesten im Jahr 2011 förderte der gegenwärtige Monarch, König Moham-med VI., eine neue Verfassung, die seine Befugnisse einschränkt und die demokra-tischere und integrativere Grundzüge aufweist. Der König offerierte dem Parlament „neue Kräfte, die es ermöglichen, seine repräsentative, legislative und regulatori-sche Mission zu erfüllen“.

Für Marokko verhinderte dieser Schritt die Instabilität, die mit dem Arabischen Frühling einherging, aber Kritiker weisen noch immer auf die Beschränkungen für abweichende Meinungen und bei den Menschenrechten hin. Allerdings verblasst dies im Vergleich zu der Kritik an dem Haus Saud, der herrschenden Königsfamilie von Saudi-Arabien, und an dem aktuellen König Salman.

Mohammed bin SalmanDie Herrscherfamilie zählt tausende Mitglieder und der König hält fast die absolute politische Macht. Saudi-Arabien brachte den Wahhabismus hervor, eine funda-mentalistische Interpretation des Islam, die zu den Terrorgruppen in der ganzen Welt exportiert wurde. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres hat Saudi-Arabien 95 Personen hingerichtet (158 waren es im Jahr 2015) – darunter waren auch die öffentlichen Exekutionen von Frauen und politischen Dissidenten. Das Königreich lässt Atheisten öffentlich auspeitschen und es verbietet die Rede- und die Reli-gionsfreiheit. Doch die regionale Sicherheit und die westlichen Energie-Strategien führten dazu, dass seine Verbündeten lange ihre Augen davor verschlossen. Jetzt beobachtet der Rest des Golfs und der Welt den Prinzen Mohammed bin Salman, den 30-jährigen stellvertretenden Kronprinzen – und den wahrscheinlichen zukünftigen König.

Im Mai sprach er in einer bisher beispiellosen Sonder-Sendung an die Nation, in der er „Saudi-Arabien 2030“ ankündigte – seinen Plan für die Transformation Saudi-Arabiens. Das Portfolio an Befugnissen, die ihm bereits zugestanden

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werden, brachte ihm den Spitznamen „Mr. Everything“ ein. Doch seine „Revolu-tion“ führte bisher noch nicht dazu, das Verbot, Frauen Autofahren zu lassen aufzuheben, oder den Einsatz von Schulbüchern, die Hass und Gleichförmigkeit predigen, zu verbieten. Was Prinz Salman jedoch realisiert, ist die Tatsache, dass die sozialen Medien die Gesellschaft in einer Art herausfordern und verändern, wie es sich das im Jahre 1744 von Muhammad bin Saud begründete Haus Saud nie hätte vorstellen können.

ZerrspiegelDieser Aspekt eines bisher unvorstellbaren und verzerrenden Systems der Kommunikation lässt die Erinnerung an einen König von England, Dänemark und Norwegen aus dem 11. Jahrhundert emporsteigen. Eine berühmte Geschichte karikiert König Knut als einen verblendeten Monarchen, der am Rand des Ozeans sitzt und vergeblich den Wellen befiehlt, sich zurückzubewegen. In Wirklichkeit berichtete die ursprüngliche Geschichte, wie sie im 12. Jahrhundert aufgezeichnet wurde, davon, dass der König an diesem Ufer seinen unterwürfigen und schmei-chelnden Höflingen die Grenzen seiner Macht als Mensch aufzeigen wollte. Diese Geschichte schildert also einen weisen Herrscher, keinen dummen.

Die 19 Jahre als englischer König, die dieser „verblendete“ Mann vorzuweisen hat, waren gekennzeichnet durch seine Verteidigung des Reiches gegen Wikinger-Einfälle, seine Sicherung des Friedens, die Wiederherstellung des Wohlstands und durch sein vorbildliches Leben als christlicher Herrscher. Diese Tugenden haben ihm zu Recht den Beinamen „Knut der Große“ beschert.

Otto von Habsburg, hier auf einem Bild aus dem Jahr 1965, war der letzte Kronprinz von Öster-reich-Ungarn – und einer der Architekten der modernen europäischen Idee (Foto: dpa)

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Knut hatte verstanden, dass Monarchien für Zeiten der Not und der nationalen Krise da sind. Die größte Gefahr, der sie sich im 21. Jahrhundert gegenübersehen, ist es, bagatellisiert zu werden.

Otto von HabsburgVor hundert Jahren hielten die Habsburger eine Ansammlung von ethnischen Gruppen und Nationen zusammen, über die sich im Jahre 1918, nach dem Ersten Weltkrieg, das alte Sprichwort bewahrheitete, dass „sie zusammen stärker sind“.

Der letzte Kronprinz von Österreich-Ungarn, das sich aus dem heutigen Österreich, Ungarn, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Slowenien und Teilen von Italien, Montenegro, Polen, Rumänien, Serbien und der Ukraine zusammensetzte, war Otto von Habsburg, der im Jahr 2011 im Alter von 98 Jahren verstorben war. Das Blut und die Gene der römisch-katholi-schen Königsfamilien Europas waren in seinen Adern und in seiner DNA, und dies wurde in der Litanei von Taufnamen gefeiert, die ihm mitgegeben worden waren: Franz Josef Otto Robert Maria Anton Karl Max Heinrich Sixtus Xaver Felix Renatus Ludwig Gaetan Pius Ignatius.

Obwohl er nie den Thron einnehmen durfte, war er ein gefürchteter Gegner des Nazismus (Hitler hatte ein Todesurteil gegen ihn ausgestellt) und des Kommunis-mus, und als gewähltes Mitglied des Europäischen Parlaments wurde er zu einem signifikanten Förderer der christlichen Demokratie in Europa. Zusammen mit Robert Schuman, Konrad Adenauer und Alcide De Gasperi war er einer der Architekten der europäischen Idee.

Ich hatte einmal das Privileg, ihn im Europäischen Parlament zu treffen, und ich war ergriffen von der Tatsache, dass hier ein Mann vor mir stand, dessen Kindheit als Kronprinz eines mehrsprachigen und äußerst vielfältigen Reichs begonnen hatte, und der am Ende all seine Weisheit und Erfahrung, die er in seiner Aus-bildung für diesen mehrsprachigen und vielfältigen politischen Körper erhalten hatte, nutzte, um eine bessere Zukunft für ein einheitlicheres, von Frieden und Wohlstand geprägtes Europa zu schaffen.

Er hatte den Fall von Imperien gesehen – die schreckliche Ermordung der Roma-nows in Russland und das mörderische Regime von Stalin, das folgte; er erlebte den Aufstieg Hitlers und des Nazismus. Er war das einzige Mitglied des neuen Par-laments, das vor dem Ersten Weltkrieg geboren worden war.

Otto von Habsburg hätte keinen Zweifel daran, dass eine Monarchie, die Weisheit mit Güte und Dienst am Gemeinwohl kombiniert, den heute noch immer so vielfäl-tig auftretenden Tyranneien in Form von Diktaturen und Totalitarismus vorzuziehen ist – vom Ein-Parteien-Staat des kommunistischen Chinas über die Theokratie des

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Iran bis hin zu der neuen marxistisch-leninistischen Dynastie der mörderischen Kims von Nordkorea – das ist etwas, das die Europäische Union erwägen könnte, während ihre eigene dynastische Fortune schwindet.

David Alton – Lord Alton von Liverpool – ist Professor für Citizenship an der Liver-pooler John-Moores-Universität und er ist ein unabhängiger, parteiloser Ange-höriger des britischen Hochadels. 18 Jahre lang gehörte er dem House of Com-mons an.

„Otto von Habsburg war das einzige Mitglied des neuen Parlaments, das vor dem Ersten Weltkrieg geboren worden war