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7/18/2019 2 http://slidepdf.com/reader/full/2563dba54550346aa9aa4af1f 1/14 4 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005 Fehler bei der Arzneitherapie  Mistakes and Pitfalls of Drug Terapy M. Siepmann · Dresden Schlüsselwörter  Arzneimitteltherapie, Fehlbehandlung, ausbleibende Wirkung, unerwünschte Wirkungen Keywords Drug Terapy, Mistreatment, Lack of Efficacy, Side Effects Korrespondenzadresse  Dr. med. habil. Martin Siepmann  Address of Correpondence Institut ür Klinische Pharmakologie  Medizinische Fakultät  Carl Gustav Carus echnische Universität Dresden  Fiedlerstraße 27  D-01307 Dresden  Deutschland

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copy Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005

Fehler bei derArzneitherapie Mistakes and Pitfalls of Drug Terapy

M Siepmann middot Dresden

Schluumlsselwoumlrter Arzneimitteltherapie Fehlbehandlungausbleibende Wirkung unerwuumlnschteWirkungen

Keywords Drug Terapy Mistreatment Lack of

Effi cacy Side Effects

Korrespondenzadresse Dr med habil Martin Siepmann Address of Correpondence Institut uumlr Klinische Pharmakologie

Medizinische Fakultaumlt Carl Gustav Carus

echnische Universitaumlt Dresden Fiedlerstraszlige 27 D-01307 Dresden Deutschland

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4 115Fehler bei der Arzneitherapie

Zusammenfassung

Eine au Fehldiagnosen basierende Arzneitherapie kann dazu uumlhrendass eine Behandlung eingeleitet wird die der spaumlter estgestellten de-finitiven Erkrankung nicht gerecht wird wobei sich die Prognose desPatienten u U verschlechtert Unerwuumlnschte Effekte von Arzneistoffenreichen in ihrer Auspraumlgung von voruumlbergehendem Unwohlsein bzwdiskreten Symptomen bis hin zu persistierenden schweren Krankheits-erscheinungen Wenn unerwuumlnschte Wirkungen von Arzneimitteln

nicht als solche erkannt werden und die anamnestischen Angabenund klinischen Zeichen au eine anderweitige Erkrankung zuruumlckge-uumlhrt werden koumlnnen daraus Fehldiagnosen resultieren Der sichereNachweis von pharmakotherapie-bedingten Fehldiagnosen ist haumlufigschwierig In einem groszligen Prozentsatz der Faumllle ist eine Autopsie nichtzieluumlhrend Durch den Ausschluss anderweitiger Ursachen kann zwarmit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von einer unerwuumlnschten Arz-neimittelwirkung ausgegangen werden jedoch ist letztlich beweisendnur die Reexposition ypische Fehler bei der Arzneitherapie werdenim vorliegenden Beitrag exemplarisch anhand von sieben Fallvorstel-lungen dargestellt

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4116 Fehler bei der Arzneitherapie

Abstract

Drug treatment based on misdiagnoses may worsen the course o a dis-ease as the underlying process is not treated adequately Te extent ounwanted drug effects varies between transient eelings o unease andor subtle clinical signs and persistent andor severe symptoms I suchside effects are overlooked or related symptoms are alsely attributed toanother disease a misdiagnosis will be made Autopsies can not be un-dertaken in a high percentage o cases Side effects may be assumed by

excluding other reasons or related signs and symptoms However theycan only be proved by repeating administration o the drug in questionSeven cases are presented here which demonstrate typical mistakes andpitalls associated with drug treatment

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4 117Fehler bei der Arzneitherapie

Kasuistiken

Fall 1

reasure und Mitarbeiter [7] berichteten uumlber den Fall einer 52-jaumlh-rigen Patientin die sich in der Notaunahme einer Klinik wegen seitdrei agen bestehenden Panikattacken Palpitationen und Lufnot vor-stellte In der Vergangenheit war die Patientin wegen einer Depressionbehandelt worden Vom Arzt der Notaunahme wurde eine hysterische

Hyperventilation diagnostiziert Die Patientin erhielt Diazepam undwurde an einen Psychiater zur ambulanten Behandlung uumlberwiesenDie Terapie mit Diazepam blieb erolglos Nach drei agen stellte sichdie Patientin erneut in der Notaunahme der Klinik vor wobei sie zu-saumltzlich zu den bereits berichteten Beschwerden uumlber GewichtsverlustPolyurie und Dysurie klagte Die Laboruntersuchung ergab eine Blut-glukosekonzentration von 326 mmoll (587 mgdl) und einen arteriel-len pH-Wert von 72 Diagnostiziert wurde eine diabetische Ketoazido-se nach Einleitung einer entsprechenden Behandlung und Einstellungau Insulin bildeten sich die Symptome vollstaumlndig zuruumlck Panikatta-cken traten bei der Patientin nicht mehr au

Fall 2

Von denselben Autoren [7] wurde der Fall einer 34-jaumlhrigen Patientingeschildert die sich augrund einer infizierten Wunde des rechten Bei-nes und Dyspnoe in der Notaunahme einer Klinik vorstellte Diagnos-tiziert wurden eine infizierte Katzenbisswunde und eine hysterischeHyperventilation Verordnet wurden Diazepam und Antibiotika zurweiteren ambulanten Behandlung Zwei age spaumlter wurde die Patien-tin mit Bewusstlosigkeit in der gleichen Klinik augenommen Hypo-thermie arterielle Hypotonie und eine Wundinektion im Bereich desrechten Oberschenkels wurden estgestellt Die Laboruntersuchungenergaben eine Blutglukosekonzentration von 45 mmoll (810 mgdl) ei-

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4118 Fehler bei der Arzneitherapie

nen arteriellen pH-Wert von 68 ein Serumnatrium von 128 mmollein Serumkalium von 68 mmoll und eine Serumharnsto onzentra-

tion von 272 mmoll Diagnostiziert wurden eine diabetische Ketoa-zidose und ein Leistenabszess sowie moumlgliche beginnende Sepsis DerPatientin wurde intravenoumls Fluumlssigkeit verabreicht sie erhielt daruumlberhinaus Antibiotika und Insulin der Abszess wurde drainiert Augrundeines akuten Nierenversagen wurde eine Dialysebehandlung uumlber dreiage durchgeuumlhrt Unter diesem Terapieregime bildeten sich dieSymptome vollstaumlndig zuruumlck Hyperventilation trat unter der Fortset-

zung der antidiabetischen Behandlung mit regelmaumlszligigen Insulininjek-tionen nicht mehr au

Kommentar zu den Faumlllen 1 und 2 Die Kombination von Angstanaumlllenmit Hyperventilation ist haumlufig und wird traditionell als Hyperventi-lationssyndrom bezeichnet Gemaumlszlig den aktuellen angelsaumlchsischenDiagnosekriterien (Diagnostic and Statistical Manual o PsychiatricDisorders DSM IV) wird das Syndrom heute als Panikstoumlrung be-zeichnet Fruumlher oder spaumlter wird jeder in einer Notallaunahme taumltigeKollege augrund des haumlufigen Aufretens damit konrontiert Of er-leben die Patienten keine bewusste Angst und nehmen das Hyperven-tilieren selbst nicht wahr Von unbewusst bleibenden Symptomen bishin zu einer aggravierenden Ausgestaltung und Darstellung der Anaumll-le gibt es 1047298ieszligende Uumlbergaumlnge was man auch als hysterisches Phaumlno-men bezeichnen kann Das Spektrum moumlglicher Beschwerden umasstUumlbelkeit Somnolenz Visusstoumlrungen und erhoumlhte MiktionsrequenzDie Haumlufigkeit des Aufretens und die Breite des Spektrums von Sym-ptomen kann dazu uumlhren dass das Krankheitsbild uumlberhaumlufig diag-nostiziert wird Die Diagnose sollte daher keinesalls au der Basis derAnamnese allein gestellt werden In den beiden geschilderten Faumlllenhaumltte durch eine einache Bestimmung von Glukose im Blut bzw Urindie Fehldiagnose vermieden bzw die richtige Diagnose gestellt werdenkoumlnnen Die beiden Faumllle belegen auch dass Fehldiagnosen zugrundeliegende Erkrankungen meist keine seltenen sondern haumlufige Krank-heiten sind (Kirch et al [4])

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4 119Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 3

Eine 29-jaumlhrige Patientin mit chronischen Ruumlckenschmerzen und Ver-dacht au Kieergelenkarthrose wurde durch ihren behandelnden Or-thopaumlden an einen ambulant taumltigen zahnaumlrztlichen Chirurgen unterder Annahme uumlberwiesen es bestehe ein Zusammenhang zwischeneiner vermuteten Kieergelenkerkrankung und den vorliegenden Ruuml-ckenschmerzen (Schindler et al [6]) Vom zahnaumlrztlichen Chirurgenwurde eine bdquoCapsulitisldquo des rechten Kieergelenkes konstatiert obwohl

das Kieergelenk vollstaumlndig beweglich und schmerzrei war und auchanamnestisch kein Hinweis uumlr ein rauma oder eine Arthritis bestandDer Zahnaumlrztliche Chirurg verabreichte 40 mg einer riamcinolon-kristallsuspension intrartikulaumlr worunter sich die Ruumlckenschmerzender Patientin leicht besserten Jedoch entwickelte sie innerhalb von 4Monaten nach der Behandlung progrediente Schmerzen im rechtenKieergelenk sowie rismus Durch eine erneute Injektion von 40 mgriamcinolonkristallsuspension wurde eine Besserung der Beschwer-den nicht erreicht Die Behandlung mit einem Okklusionssplint linder-te die Schmerzen zwar leicht jedoch entwickelte sich ein krepitieren-des Geraumlusch das beim Oumlffnen bzw Schlieszligen des Mundes konstant

vorhanden war Durch die Hauszahnaumlrztin die die Patientin wegender anhaltenden Schmerzen schlieszliglich ausuchte wurde eine Com-putertomographie veranlasst die ausgedehnte KnorpeldestruktionenNekrosen und knoumlchernde Appositionen im Bereich des Kondylusdes rechten Kieergelenkes zeigte Dabei war der Gelenkspalt durchdie knoumlcherende Apposition ast vollstaumlndig ausgeuumlllt ( gt Abb 41) Nach Diskektomie und plastischer Gelenkrekonstruktion war der Zu-stand der Patientin immerhin insoweit gebessert dass sie nun in derLage war den Mund maximal 35 cm Zentimeter ohne Aufreten vonSchmerzen zu oumlffnen

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4120 Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 4

Nasser und Ewan [5] schildern den Fall eines 42-jaumlhrigen Patientender seit seinem 21 Lebensjahr unter bdquoHeuschnupenldquo litt wobei regel-maumlszligig von Juni bis Juli eine Schwellung der Uvula prouse Rhinor-rhoen mit nasaler Obstruktion und eine Konjunktivitis aufraten undeine Graumlser- und Baumpollenallergie nachgewiesen worden waren Inden vergangenen Jahren hatte sich bei der Patientin zusaumltzlich ein al-

⊡ Abb 41

Computertomographie einer 29-jaumlhrigen Patientin nach Injektion

von 80 mg Triamcinolon in das rechte Kiefergelenk ( gt knoumlcherne

Apposition)

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4 121Fehler bei der Arzneitherapie

lergisches Asthma bronchiale entwickelt Die Verabreichung von An-tihistaminika und verschiedener topischer Glukokortikoidpraumlparate

wie Beclometason Fluticason und Budesonid war erolglos gebliebenDaher wurden vom Hausarzt zwischen 1987 und 1997 insgesamt 16 in-tramuskulaumlre Injektionen mit Depotkortikosteroidpraumlparaten durchge-uumlhrt wobei insgesamt 360 mg riamcinolon und 560 mg Methylpred-nisolon gegeben wurden Nach den Injektionen bestand Symptomlin-derung uumlr jeweils sechs Wochen Im August 1997 traten anhaltendeSchmerzen des rechten Huumlfgelenkes und wenige Monate spaumlter auch

des linken Huumlfgelenkes au Die kernspintomographische Aunahmezeigte Signalintensitaumltsminderung des gesamten rechten Huumlfkopesinolge einer avaskulaumlren Nekrose mit umgebendem Oumldem Im linkenHuumlfgelenk zeigten sich die gleichen Veraumlnderungen in geringeremAusmaszlig Der Patient war Nichtraucher konsumierte keinen AlkoholAnamnestisch bestanden keine Vorerkrankungen des Skelettsystemsoder der Muskulatur

Kommentar zu den Faumlllen 3 und 4 Das Risiko des Aufretens Kortiko-id-induzierter avaskulaumlrer Osteonekrosen ist dosisabhaumlngig Daruumlberhinaus scheinen ein Lebensalter zwischen 30 und 45 Jahren weiblichesGeschlecht genetische Faktoren Alkoholkonsum und Drogenabususpraumldisponierend zu sein Es besteht eine Abhaumlngigkeit des Aufretensavaskulaumlrer Osteonekrosen von der verabreichten Kortikoiddosis [3]Terapeutisch musste im vorliegenden Fall [4] eines 42-jaumlhrigen Pa-tienten augrund der stark ausgepraumlgten Huumlfkopnekrose ein endo-prothetischer Gelenkersatz erwogen werden Im Fall der geschilderten29-jaumlhrigen Patientin [6] mit Kieergelenksdestruktion ist uumlber dieKortikoid-induzierte avaskulaumlre Osteonekrose hinaus eine Inektiondurch die unsachgemaumlszlige Injektion und Verletzung von Knorpel sowiePeriost durch riamcinolonkristalle (bdquoKristallarthropathieldquo) als wei-tere pathogenetische Ursache in Betracht zu ziehen Fuumlr die intraarti-kulaumlre Applikation von Glukokortikoiden sollten daher ausschlieszliglichZubereitungen mit hoher Wasserloumlslichkeit verwendet werden (keinekristalloiden Loumlsungen) wobei maximal 10 mg riamcinolon in klei-

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4122 Fehler bei der Arzneitherapie

ne Gelenke injiziert werden duumlren Glukokortikoide sollten bei aller-gischen Geschehen des oberen Respirationstraktes nach Moumlglichkeit

nicht parenteral in hohen Dosen verabreicht werden Allenalls koumlnnendiese kurzristig und ausschlieszliglich oral in der niedrigsten noch wirk-samen Dosis gegeben werden Intramuskulaumlre Injektionen sollten nichterolgen

Fall 5

Eine 31-jaumlhrige Patientin hatte als Ovulationshemmer seit 10 Jahren025 mg Levonorgestrel und 005 mg Ethinyloumlstradiol eingenommenSie entwickelte arthritische Beschwerden ein Gesichtserythem oraleUlzerationen eine Lymphozytopenie Anaumlmie und Mikrohaumlmatu-rie Die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) war mit 62100 mm er-houmlht Die genannten Symptome und Beunde bestanden uumlber einenZeitraum von zwei Jahren (Arico et al [1]) Diagnostiziert wurde einLupus erythematodes disseminatus Von ihrem Hausarzt wurde diePatientin wegen der Gelenkbeschwerden lediglich mit nichtsteroida-len Antiphlogistika behandelt Zur weiteren Diagnostik erolgten eineNierenbiopsie konsiliarische gynaumlkologische Hals- Nasen- und Oh-renaumlrztliche zahnaumlrztliche dermatologische sowie ophtalmologischeUntersuchungen die jedoch keine richtungsweisenden Resultate erga-ben Die durchgeuumlhrte Haut-Muskelbiopsie zeigte den Beund einerleukozytoklastischen Vaskulitis Nachdem schlieszliglich erwogen wurdedass die Kontrazeptiva-Einnahme (Oumlstrogene) uumlr die genannten Sym-ptome und klinischen Erscheinungen verantwortlich sein koumlnnte wur-de der Ovulationshemmer abgesetzt Darauin traten eine vollstaumln-dige Ruumlckbildung der Gelenkbeschwerden des Gesichtserythems undeine Normalisierung des subjektiven Befindens der Patientin innerhalb

von zehn Wochen ein und die genannten Laborveraumlnderungen wareninnerhalb von dreieinhalb Monaten reversibel Im weiteren Beobach-tungszeitraum von sechs Jahren wurden Lupus Erythematodes-aumlhnli-che Symptome bei der Patientin nicht wieder gesehen

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4 123Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 6

Abraham und Eldad Ben-Chetrit [2] berichten uumlber eine 34-jaumlhrigekinderlose Patientin die sich in ihrer Klinikambulanz augrund einesmakulopapuloumlsen Exanthems des Gesichtes und der Extremitaumlten vor-stellte Die Laboruntersuchungen waren bis au einen erhoumlhten iteruumlr antinukleaumlre Antikoumlrper unauffaumlllig Die immunhistologische Un-tersuchung der Haut ergab bandoumlrmige Praumlzipitationen von Imunglo-bulinen und Komplement (positiver Lupusbandtest LB) Diagnosti-

ziert wurde ein diskoider Lupus erythematodes und eine Behandlungmit Hydroxychloroquin wurde eingeleitet Anamnestisch ist zu erwaumlh-nen dass die Patientin vor zwei Jahren augrund von Inertilitaumlt miteiner Kombination von humanem menopausalem und Chorion-Gona-dotropin sowie Clomiphen behandelt worden war wobei acht Zyklender Kombination verabreicht wurden und ein entsprechendes Anstei-gen der Oumlstradiolspiegel registriert werden konnte Drei Monate nachAbschluss des letzten Zyklus waren die genannten Hauterscheinungenaugetreten Unter der begonnen Behandlung mit Hydroxychloroquinkam es zwar zu einer Besserung der Symptome jedoch bestand weiter-hin Kinderwunsch bei Inertilitaumlt so dass Hydroxychloroquin schlieszlig-lich abgesetzt und zwei weitere Zyklen der Kombination von Gona-dotropinen mit Clomiphen verabreicht wurden Die Patientin wurdedaran anschlieszligend zwar schwanger erlitt jedoch in der 20 SSW einenSpontanabort Zwei Wochen spaumlter wurde sie augrund von Dyspnoeund peripheren Oumldemen stationaumlr augenommen Der arterielle Blut-druck war mit 180120 mmHg erhoumlht die klinische Untersuchung unddie Roumlntgenaunahme des Torax ergaben Pleuraerguumlsse au beidenSeiten Laborchemisch zeigte sich eine Anaumlmie von 8 mgdl eine Nie-renunktionseinschraumlnkung (Kreatininclearance 21 mlmin) und eineProteinurie (4 g24 Stunden) Antinukleaumlre Antikoumlrper und Anticar-diolipin-Antikoumlrper waren im Serum nachweisbar der Coombs-estwar positiv Die Begutachtung der durchgeuumlhrten Nierenbiopsie ergabden Beund einer rapid progressiven Glomerulonephritis Die Patien-tin erhielt intravenoumls Methylprednisolon in taumlglichen Dosierungen von

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4124 Fehler bei der Arzneitherapie

einem Gramm und eine anschlieszligende perorale Erhaltungstherapiemit 15 mg Methylprednisolondie wobei sie die vorgeschlagene Be-

handlung mit Cyclophosphamid ablehnte Unter diesem Terapiere-gime trat zwar eine Besserung ein jedoch persistierten Nierenunkti-onseinschraumlnkung (Kreatinclearance 28 mlmin) und Proteinurie (1 g24 Stunden)

Kommentar zu den Faumlllen 5 und 6 Zusammenassend wurde in beidenFaumlllen die Diagnose einer Oumlstradiol-induzierten Immunvaskulitis ge-

stellt Im Fall 5 war uumlber 8 Jahre ein Ovulationshemmer eingenommenworden bevor sich die Lupus erythematodes-aumlhnlichen Symptomebei der Patientin entwickelten Im Fall 6 war es unter einer Ovulati-ons-induzierenden Behandlung mit humanen Gonadotropinen undClomiphen und entsprechendem Anstieg der Oumlstradiolspiegel zu ei-ner schwergradigen Lupus erythematodes aumlhnlichen Symptomatik mitpersistierender Funktionsstoumlrung der Nieren gekommen Seit Ende dersechziger Jahre wurden in der Literatur vergleichbare Faumllle berichtet(Kirch und Belz [3]) Auch im ierversuch wurden durch Oumlstrogenga-be verursachte Panarteritis nodosa-aumlhnliche Erkrankungen beobachtetBekannt ist dass Schwangerschafen den Verlau von Erkrankungenaus dem Formenkreis der Kollagenosen guumlnstig aber auch unguumlnstigbeein1047298ussen koumlnnen wobei die Frage diskutiert wird ob Ethinyloumlstra-diol-Antikoumlrper dauumlr verantwortlich sind Bei aumltiologisch ungeklaumlrtenErkrankungen im Sinne einer Immunvaskulitis sollte daran gedachtwerden dass in seltenen Faumlllen Oumlstrogen-haltige orale Kontrazepti-

va wie auch eine Ovulations-induzierende Hormonbehandlung diese verursachen koumlnnen Deshalb ist ein Auslassversuch der Medikamenteanzustreben wobei beachtet werden muss dass sich die Symptomatikof erst vier bis 6 Monate spaumlter zuruumlckbildet

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4 125Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 7

Kirch und Belz [3] berichten uumlber eine 44-jaumlhrige 121 kg schwerePatientin die eine Fastenkur (600 kcal taumlglich) beginnt wobei in denersten zehn agen eine Gewichtsreduktion von 131 kg erreicht wirdGleichzeitig wird aus nicht genannten Gruumlnden mit Furosemid thera-piert Als anlaumlsslich einer Routinelaboruntersuchung ein Anstieg derSerumharnsaumlure au 828 micromoll (139 mgdl) bei normalen Kreatininim Serum estgestellt wird wird eine Terapie mit dem Urikosurikum

Benzbromaron eingeleitet Zwei age nach Beginn der Behandlung mitBenzbromaron entwickelte die Patientin eine Oligoanurie und einen er-heblichen Anstieg des Serumkreatinins was zur stationaumlren Aunahmeuumlhrte Augrund des durchgeuumlhrten Fastens und der Verabreichung

von Furosemid wurden von den Klinikaumlrzten unter der Annahme einespraumlrenalen Nierenversagens rehydrierende Maszlignahmen durchgeuumlhrtAls sich jedoch bei der Kontrolle des Urinsedimentes amorphe Urat-kristalle in groszliger Zahl nachweisen lieszligen wurde eine Uratnephropa-thie diagnostiziert Nach Alkalisierung des Urins und Gabe von Allo-purinol kam die Urinproduktion innerhalb der naumlchsten age in Gangund die Nierenunktion normalisierte sich

Kommentar zu dem Fall 7 Im Verlau von Fastenkuren kommt es durchdie Mobilisierung von Fettdepots zur Freisetzung reier Fettsaumlurenund zur Ketoazidose Die vermehrt anallenden Ketonkoumlrper hemmenkompetitiv die renale Harnsaumlureausscheidung woraus eine Hyperurik-aumlmie resultieren kann Urikosurika erhoumlhen die Harnsaumlureeliminationdurch Hemmung der renalen tubulaumlren Ruumlckresorption Im geschil-derten Fall kam es durch die Verabreichung von Benzbromaron zu ei-ner massiven Hyperurikosurie in deren Folge Urate vermehrt in denubuli der Nieren ausgeaumlllt wurden Die Praumlzipitation der Uratkristallewurde durch einen sauren Primaumlrharn inolge der bestehenden Ketoa-zidose beguumlnstigt und uumlhrte schlieszliglich zur Uratnephropathie wobei

von den behandelnden Aumlrzten zunaumlchst aumllschlicherweise von einempraumlrenalen Nierenversagen ausgegangen wurde Im Verlaue von Fas-

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4126 Fehler bei der Arzneitherapie

tenkuren ist stets au eine ausreichende Fluumlssigkeitszuuhr zu achtenbei einer Hyperurikaumlmie sollte eine Harnalkalisierung und die Gabe

von Allopurinol durchgeuumlhrt werden Benzbromaron sollte augrunddes Risikos einer Urikosurika-induzierten Uratnephropathie asten-den Patienten nicht verabreicht werden

Resuumlmee

Fehler bei der Arzneitherapie koumlnnen einerseits zum Ausbleiben dererwuumlnschten Wirkung uumlhren Andererseits kann das Aufreten un-erwuumlnschter Wirkungen verursacht werden Zur Vermeidung vonpharmakotherapiebedingten Fehldiagnosen ist eine praumlzise Erhebungder Medikamentenanamnese unabdingbar Bei der klinischen Unter-suchung ist au charakteristische moumlglicherweise Arzneimittel-indu-zierte Beunde zu achten Die unterschiedlich groszlige Latenzzeit zwi-schen Minuten und Monaten vom Beginn der Gabe des Arzneimittelsbis zum Aufreten von Nebenwirkungen ist zu beruumlcksichtigen Beiraglichen Medikamenten-bedingten bzw seltenen Symptomen sindentsprechende Inormationen durch Verwendung spezialisierter Nach-schlagewerke Literaturrecherchen oder Anragen bei der Herstellerfir-ma oder einem der von Universitaumltskliniken angebotenen Arzneimit-telberatungsdienste einzuholen Bei entsprechendem Verdacht ist dasbetroffene Pharmakon ruumlhzeitig abzusetzen

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4 127Fehler bei der Arzneitherapie

1 Arico M Boccalatte MF Silvestri D

et al Osteonecrosis an emerging

complication o intensive chemothe-

rapy or childhood acute lymphoblas-

tic leukemia Haematologica 2003

88747 ndash 753

2 Ben-Chetrit A Ben-Chetrit E Syste-

mic lupus erythematodes induced by

ovulation induction treatment Arth-

ritis Rheum 1994 371614 ndash 1617

3 Kirch W Belz GG Pharmakothera-

pie-bedingte Fehldiagnosen In Kirch

W (Hrsg) Fehldiagnosen in der Inne-

ren Medizin Stuttgart Fischer 1992

S 327 ndash 353

4 Kirch W Shapiro F Foumllsch UR Health

care quality misdiagnosis at a Uni-

versity hospital in five medical eras J

Public Health 2004 12154 ndash 161

5 Nasser SM Ewan PW Depot cortico-

steroid treatment or hay ever cau-

sing avascular necrosis o both hips

Brit Med J 2001 3221589 ndash 1591

6 Schindler C Paumlssler L Kirch W Se-

vere temporomandibular dysunction

and joint destruction afer intraarti-

cular injection o triamcinolon J Oral

Pathol Med 2004 im Druck

7 reasure RA Fowler PB Millington

H Misdiagnosis o diabetic ketoa-

cidosis as hyperventilation syndrome

Brit Med J 1987 294630

Literatur

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Zusammenfassung

Eine au Fehldiagnosen basierende Arzneitherapie kann dazu uumlhrendass eine Behandlung eingeleitet wird die der spaumlter estgestellten de-finitiven Erkrankung nicht gerecht wird wobei sich die Prognose desPatienten u U verschlechtert Unerwuumlnschte Effekte von Arzneistoffenreichen in ihrer Auspraumlgung von voruumlbergehendem Unwohlsein bzwdiskreten Symptomen bis hin zu persistierenden schweren Krankheits-erscheinungen Wenn unerwuumlnschte Wirkungen von Arzneimitteln

nicht als solche erkannt werden und die anamnestischen Angabenund klinischen Zeichen au eine anderweitige Erkrankung zuruumlckge-uumlhrt werden koumlnnen daraus Fehldiagnosen resultieren Der sichereNachweis von pharmakotherapie-bedingten Fehldiagnosen ist haumlufigschwierig In einem groszligen Prozentsatz der Faumllle ist eine Autopsie nichtzieluumlhrend Durch den Ausschluss anderweitiger Ursachen kann zwarmit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von einer unerwuumlnschten Arz-neimittelwirkung ausgegangen werden jedoch ist letztlich beweisendnur die Reexposition ypische Fehler bei der Arzneitherapie werdenim vorliegenden Beitrag exemplarisch anhand von sieben Fallvorstel-lungen dargestellt

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4116 Fehler bei der Arzneitherapie

Abstract

Drug treatment based on misdiagnoses may worsen the course o a dis-ease as the underlying process is not treated adequately Te extent ounwanted drug effects varies between transient eelings o unease andor subtle clinical signs and persistent andor severe symptoms I suchside effects are overlooked or related symptoms are alsely attributed toanother disease a misdiagnosis will be made Autopsies can not be un-dertaken in a high percentage o cases Side effects may be assumed by

excluding other reasons or related signs and symptoms However theycan only be proved by repeating administration o the drug in questionSeven cases are presented here which demonstrate typical mistakes andpitalls associated with drug treatment

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4 117Fehler bei der Arzneitherapie

Kasuistiken

Fall 1

reasure und Mitarbeiter [7] berichteten uumlber den Fall einer 52-jaumlh-rigen Patientin die sich in der Notaunahme einer Klinik wegen seitdrei agen bestehenden Panikattacken Palpitationen und Lufnot vor-stellte In der Vergangenheit war die Patientin wegen einer Depressionbehandelt worden Vom Arzt der Notaunahme wurde eine hysterische

Hyperventilation diagnostiziert Die Patientin erhielt Diazepam undwurde an einen Psychiater zur ambulanten Behandlung uumlberwiesenDie Terapie mit Diazepam blieb erolglos Nach drei agen stellte sichdie Patientin erneut in der Notaunahme der Klinik vor wobei sie zu-saumltzlich zu den bereits berichteten Beschwerden uumlber GewichtsverlustPolyurie und Dysurie klagte Die Laboruntersuchung ergab eine Blut-glukosekonzentration von 326 mmoll (587 mgdl) und einen arteriel-len pH-Wert von 72 Diagnostiziert wurde eine diabetische Ketoazido-se nach Einleitung einer entsprechenden Behandlung und Einstellungau Insulin bildeten sich die Symptome vollstaumlndig zuruumlck Panikatta-cken traten bei der Patientin nicht mehr au

Fall 2

Von denselben Autoren [7] wurde der Fall einer 34-jaumlhrigen Patientingeschildert die sich augrund einer infizierten Wunde des rechten Bei-nes und Dyspnoe in der Notaunahme einer Klinik vorstellte Diagnos-tiziert wurden eine infizierte Katzenbisswunde und eine hysterischeHyperventilation Verordnet wurden Diazepam und Antibiotika zurweiteren ambulanten Behandlung Zwei age spaumlter wurde die Patien-tin mit Bewusstlosigkeit in der gleichen Klinik augenommen Hypo-thermie arterielle Hypotonie und eine Wundinektion im Bereich desrechten Oberschenkels wurden estgestellt Die Laboruntersuchungenergaben eine Blutglukosekonzentration von 45 mmoll (810 mgdl) ei-

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4118 Fehler bei der Arzneitherapie

nen arteriellen pH-Wert von 68 ein Serumnatrium von 128 mmollein Serumkalium von 68 mmoll und eine Serumharnsto onzentra-

tion von 272 mmoll Diagnostiziert wurden eine diabetische Ketoa-zidose und ein Leistenabszess sowie moumlgliche beginnende Sepsis DerPatientin wurde intravenoumls Fluumlssigkeit verabreicht sie erhielt daruumlberhinaus Antibiotika und Insulin der Abszess wurde drainiert Augrundeines akuten Nierenversagen wurde eine Dialysebehandlung uumlber dreiage durchgeuumlhrt Unter diesem Terapieregime bildeten sich dieSymptome vollstaumlndig zuruumlck Hyperventilation trat unter der Fortset-

zung der antidiabetischen Behandlung mit regelmaumlszligigen Insulininjek-tionen nicht mehr au

Kommentar zu den Faumlllen 1 und 2 Die Kombination von Angstanaumlllenmit Hyperventilation ist haumlufig und wird traditionell als Hyperventi-lationssyndrom bezeichnet Gemaumlszlig den aktuellen angelsaumlchsischenDiagnosekriterien (Diagnostic and Statistical Manual o PsychiatricDisorders DSM IV) wird das Syndrom heute als Panikstoumlrung be-zeichnet Fruumlher oder spaumlter wird jeder in einer Notallaunahme taumltigeKollege augrund des haumlufigen Aufretens damit konrontiert Of er-leben die Patienten keine bewusste Angst und nehmen das Hyperven-tilieren selbst nicht wahr Von unbewusst bleibenden Symptomen bishin zu einer aggravierenden Ausgestaltung und Darstellung der Anaumll-le gibt es 1047298ieszligende Uumlbergaumlnge was man auch als hysterisches Phaumlno-men bezeichnen kann Das Spektrum moumlglicher Beschwerden umasstUumlbelkeit Somnolenz Visusstoumlrungen und erhoumlhte MiktionsrequenzDie Haumlufigkeit des Aufretens und die Breite des Spektrums von Sym-ptomen kann dazu uumlhren dass das Krankheitsbild uumlberhaumlufig diag-nostiziert wird Die Diagnose sollte daher keinesalls au der Basis derAnamnese allein gestellt werden In den beiden geschilderten Faumlllenhaumltte durch eine einache Bestimmung von Glukose im Blut bzw Urindie Fehldiagnose vermieden bzw die richtige Diagnose gestellt werdenkoumlnnen Die beiden Faumllle belegen auch dass Fehldiagnosen zugrundeliegende Erkrankungen meist keine seltenen sondern haumlufige Krank-heiten sind (Kirch et al [4])

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4 119Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 3

Eine 29-jaumlhrige Patientin mit chronischen Ruumlckenschmerzen und Ver-dacht au Kieergelenkarthrose wurde durch ihren behandelnden Or-thopaumlden an einen ambulant taumltigen zahnaumlrztlichen Chirurgen unterder Annahme uumlberwiesen es bestehe ein Zusammenhang zwischeneiner vermuteten Kieergelenkerkrankung und den vorliegenden Ruuml-ckenschmerzen (Schindler et al [6]) Vom zahnaumlrztlichen Chirurgenwurde eine bdquoCapsulitisldquo des rechten Kieergelenkes konstatiert obwohl

das Kieergelenk vollstaumlndig beweglich und schmerzrei war und auchanamnestisch kein Hinweis uumlr ein rauma oder eine Arthritis bestandDer Zahnaumlrztliche Chirurg verabreichte 40 mg einer riamcinolon-kristallsuspension intrartikulaumlr worunter sich die Ruumlckenschmerzender Patientin leicht besserten Jedoch entwickelte sie innerhalb von 4Monaten nach der Behandlung progrediente Schmerzen im rechtenKieergelenk sowie rismus Durch eine erneute Injektion von 40 mgriamcinolonkristallsuspension wurde eine Besserung der Beschwer-den nicht erreicht Die Behandlung mit einem Okklusionssplint linder-te die Schmerzen zwar leicht jedoch entwickelte sich ein krepitieren-des Geraumlusch das beim Oumlffnen bzw Schlieszligen des Mundes konstant

vorhanden war Durch die Hauszahnaumlrztin die die Patientin wegender anhaltenden Schmerzen schlieszliglich ausuchte wurde eine Com-putertomographie veranlasst die ausgedehnte KnorpeldestruktionenNekrosen und knoumlchernde Appositionen im Bereich des Kondylusdes rechten Kieergelenkes zeigte Dabei war der Gelenkspalt durchdie knoumlcherende Apposition ast vollstaumlndig ausgeuumlllt ( gt Abb 41) Nach Diskektomie und plastischer Gelenkrekonstruktion war der Zu-stand der Patientin immerhin insoweit gebessert dass sie nun in derLage war den Mund maximal 35 cm Zentimeter ohne Aufreten vonSchmerzen zu oumlffnen

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4120 Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 4

Nasser und Ewan [5] schildern den Fall eines 42-jaumlhrigen Patientender seit seinem 21 Lebensjahr unter bdquoHeuschnupenldquo litt wobei regel-maumlszligig von Juni bis Juli eine Schwellung der Uvula prouse Rhinor-rhoen mit nasaler Obstruktion und eine Konjunktivitis aufraten undeine Graumlser- und Baumpollenallergie nachgewiesen worden waren Inden vergangenen Jahren hatte sich bei der Patientin zusaumltzlich ein al-

⊡ Abb 41

Computertomographie einer 29-jaumlhrigen Patientin nach Injektion

von 80 mg Triamcinolon in das rechte Kiefergelenk ( gt knoumlcherne

Apposition)

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4 121Fehler bei der Arzneitherapie

lergisches Asthma bronchiale entwickelt Die Verabreichung von An-tihistaminika und verschiedener topischer Glukokortikoidpraumlparate

wie Beclometason Fluticason und Budesonid war erolglos gebliebenDaher wurden vom Hausarzt zwischen 1987 und 1997 insgesamt 16 in-tramuskulaumlre Injektionen mit Depotkortikosteroidpraumlparaten durchge-uumlhrt wobei insgesamt 360 mg riamcinolon und 560 mg Methylpred-nisolon gegeben wurden Nach den Injektionen bestand Symptomlin-derung uumlr jeweils sechs Wochen Im August 1997 traten anhaltendeSchmerzen des rechten Huumlfgelenkes und wenige Monate spaumlter auch

des linken Huumlfgelenkes au Die kernspintomographische Aunahmezeigte Signalintensitaumltsminderung des gesamten rechten Huumlfkopesinolge einer avaskulaumlren Nekrose mit umgebendem Oumldem Im linkenHuumlfgelenk zeigten sich die gleichen Veraumlnderungen in geringeremAusmaszlig Der Patient war Nichtraucher konsumierte keinen AlkoholAnamnestisch bestanden keine Vorerkrankungen des Skelettsystemsoder der Muskulatur

Kommentar zu den Faumlllen 3 und 4 Das Risiko des Aufretens Kortiko-id-induzierter avaskulaumlrer Osteonekrosen ist dosisabhaumlngig Daruumlberhinaus scheinen ein Lebensalter zwischen 30 und 45 Jahren weiblichesGeschlecht genetische Faktoren Alkoholkonsum und Drogenabususpraumldisponierend zu sein Es besteht eine Abhaumlngigkeit des Aufretensavaskulaumlrer Osteonekrosen von der verabreichten Kortikoiddosis [3]Terapeutisch musste im vorliegenden Fall [4] eines 42-jaumlhrigen Pa-tienten augrund der stark ausgepraumlgten Huumlfkopnekrose ein endo-prothetischer Gelenkersatz erwogen werden Im Fall der geschilderten29-jaumlhrigen Patientin [6] mit Kieergelenksdestruktion ist uumlber dieKortikoid-induzierte avaskulaumlre Osteonekrose hinaus eine Inektiondurch die unsachgemaumlszlige Injektion und Verletzung von Knorpel sowiePeriost durch riamcinolonkristalle (bdquoKristallarthropathieldquo) als wei-tere pathogenetische Ursache in Betracht zu ziehen Fuumlr die intraarti-kulaumlre Applikation von Glukokortikoiden sollten daher ausschlieszliglichZubereitungen mit hoher Wasserloumlslichkeit verwendet werden (keinekristalloiden Loumlsungen) wobei maximal 10 mg riamcinolon in klei-

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4122 Fehler bei der Arzneitherapie

ne Gelenke injiziert werden duumlren Glukokortikoide sollten bei aller-gischen Geschehen des oberen Respirationstraktes nach Moumlglichkeit

nicht parenteral in hohen Dosen verabreicht werden Allenalls koumlnnendiese kurzristig und ausschlieszliglich oral in der niedrigsten noch wirk-samen Dosis gegeben werden Intramuskulaumlre Injektionen sollten nichterolgen

Fall 5

Eine 31-jaumlhrige Patientin hatte als Ovulationshemmer seit 10 Jahren025 mg Levonorgestrel und 005 mg Ethinyloumlstradiol eingenommenSie entwickelte arthritische Beschwerden ein Gesichtserythem oraleUlzerationen eine Lymphozytopenie Anaumlmie und Mikrohaumlmatu-rie Die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) war mit 62100 mm er-houmlht Die genannten Symptome und Beunde bestanden uumlber einenZeitraum von zwei Jahren (Arico et al [1]) Diagnostiziert wurde einLupus erythematodes disseminatus Von ihrem Hausarzt wurde diePatientin wegen der Gelenkbeschwerden lediglich mit nichtsteroida-len Antiphlogistika behandelt Zur weiteren Diagnostik erolgten eineNierenbiopsie konsiliarische gynaumlkologische Hals- Nasen- und Oh-renaumlrztliche zahnaumlrztliche dermatologische sowie ophtalmologischeUntersuchungen die jedoch keine richtungsweisenden Resultate erga-ben Die durchgeuumlhrte Haut-Muskelbiopsie zeigte den Beund einerleukozytoklastischen Vaskulitis Nachdem schlieszliglich erwogen wurdedass die Kontrazeptiva-Einnahme (Oumlstrogene) uumlr die genannten Sym-ptome und klinischen Erscheinungen verantwortlich sein koumlnnte wur-de der Ovulationshemmer abgesetzt Darauin traten eine vollstaumln-dige Ruumlckbildung der Gelenkbeschwerden des Gesichtserythems undeine Normalisierung des subjektiven Befindens der Patientin innerhalb

von zehn Wochen ein und die genannten Laborveraumlnderungen wareninnerhalb von dreieinhalb Monaten reversibel Im weiteren Beobach-tungszeitraum von sechs Jahren wurden Lupus Erythematodes-aumlhnli-che Symptome bei der Patientin nicht wieder gesehen

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4 123Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 6

Abraham und Eldad Ben-Chetrit [2] berichten uumlber eine 34-jaumlhrigekinderlose Patientin die sich in ihrer Klinikambulanz augrund einesmakulopapuloumlsen Exanthems des Gesichtes und der Extremitaumlten vor-stellte Die Laboruntersuchungen waren bis au einen erhoumlhten iteruumlr antinukleaumlre Antikoumlrper unauffaumlllig Die immunhistologische Un-tersuchung der Haut ergab bandoumlrmige Praumlzipitationen von Imunglo-bulinen und Komplement (positiver Lupusbandtest LB) Diagnosti-

ziert wurde ein diskoider Lupus erythematodes und eine Behandlungmit Hydroxychloroquin wurde eingeleitet Anamnestisch ist zu erwaumlh-nen dass die Patientin vor zwei Jahren augrund von Inertilitaumlt miteiner Kombination von humanem menopausalem und Chorion-Gona-dotropin sowie Clomiphen behandelt worden war wobei acht Zyklender Kombination verabreicht wurden und ein entsprechendes Anstei-gen der Oumlstradiolspiegel registriert werden konnte Drei Monate nachAbschluss des letzten Zyklus waren die genannten Hauterscheinungenaugetreten Unter der begonnen Behandlung mit Hydroxychloroquinkam es zwar zu einer Besserung der Symptome jedoch bestand weiter-hin Kinderwunsch bei Inertilitaumlt so dass Hydroxychloroquin schlieszlig-lich abgesetzt und zwei weitere Zyklen der Kombination von Gona-dotropinen mit Clomiphen verabreicht wurden Die Patientin wurdedaran anschlieszligend zwar schwanger erlitt jedoch in der 20 SSW einenSpontanabort Zwei Wochen spaumlter wurde sie augrund von Dyspnoeund peripheren Oumldemen stationaumlr augenommen Der arterielle Blut-druck war mit 180120 mmHg erhoumlht die klinische Untersuchung unddie Roumlntgenaunahme des Torax ergaben Pleuraerguumlsse au beidenSeiten Laborchemisch zeigte sich eine Anaumlmie von 8 mgdl eine Nie-renunktionseinschraumlnkung (Kreatininclearance 21 mlmin) und eineProteinurie (4 g24 Stunden) Antinukleaumlre Antikoumlrper und Anticar-diolipin-Antikoumlrper waren im Serum nachweisbar der Coombs-estwar positiv Die Begutachtung der durchgeuumlhrten Nierenbiopsie ergabden Beund einer rapid progressiven Glomerulonephritis Die Patien-tin erhielt intravenoumls Methylprednisolon in taumlglichen Dosierungen von

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4124 Fehler bei der Arzneitherapie

einem Gramm und eine anschlieszligende perorale Erhaltungstherapiemit 15 mg Methylprednisolondie wobei sie die vorgeschlagene Be-

handlung mit Cyclophosphamid ablehnte Unter diesem Terapiere-gime trat zwar eine Besserung ein jedoch persistierten Nierenunkti-onseinschraumlnkung (Kreatinclearance 28 mlmin) und Proteinurie (1 g24 Stunden)

Kommentar zu den Faumlllen 5 und 6 Zusammenassend wurde in beidenFaumlllen die Diagnose einer Oumlstradiol-induzierten Immunvaskulitis ge-

stellt Im Fall 5 war uumlber 8 Jahre ein Ovulationshemmer eingenommenworden bevor sich die Lupus erythematodes-aumlhnlichen Symptomebei der Patientin entwickelten Im Fall 6 war es unter einer Ovulati-ons-induzierenden Behandlung mit humanen Gonadotropinen undClomiphen und entsprechendem Anstieg der Oumlstradiolspiegel zu ei-ner schwergradigen Lupus erythematodes aumlhnlichen Symptomatik mitpersistierender Funktionsstoumlrung der Nieren gekommen Seit Ende dersechziger Jahre wurden in der Literatur vergleichbare Faumllle berichtet(Kirch und Belz [3]) Auch im ierversuch wurden durch Oumlstrogenga-be verursachte Panarteritis nodosa-aumlhnliche Erkrankungen beobachtetBekannt ist dass Schwangerschafen den Verlau von Erkrankungenaus dem Formenkreis der Kollagenosen guumlnstig aber auch unguumlnstigbeein1047298ussen koumlnnen wobei die Frage diskutiert wird ob Ethinyloumlstra-diol-Antikoumlrper dauumlr verantwortlich sind Bei aumltiologisch ungeklaumlrtenErkrankungen im Sinne einer Immunvaskulitis sollte daran gedachtwerden dass in seltenen Faumlllen Oumlstrogen-haltige orale Kontrazepti-

va wie auch eine Ovulations-induzierende Hormonbehandlung diese verursachen koumlnnen Deshalb ist ein Auslassversuch der Medikamenteanzustreben wobei beachtet werden muss dass sich die Symptomatikof erst vier bis 6 Monate spaumlter zuruumlckbildet

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4 125Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 7

Kirch und Belz [3] berichten uumlber eine 44-jaumlhrige 121 kg schwerePatientin die eine Fastenkur (600 kcal taumlglich) beginnt wobei in denersten zehn agen eine Gewichtsreduktion von 131 kg erreicht wirdGleichzeitig wird aus nicht genannten Gruumlnden mit Furosemid thera-piert Als anlaumlsslich einer Routinelaboruntersuchung ein Anstieg derSerumharnsaumlure au 828 micromoll (139 mgdl) bei normalen Kreatininim Serum estgestellt wird wird eine Terapie mit dem Urikosurikum

Benzbromaron eingeleitet Zwei age nach Beginn der Behandlung mitBenzbromaron entwickelte die Patientin eine Oligoanurie und einen er-heblichen Anstieg des Serumkreatinins was zur stationaumlren Aunahmeuumlhrte Augrund des durchgeuumlhrten Fastens und der Verabreichung

von Furosemid wurden von den Klinikaumlrzten unter der Annahme einespraumlrenalen Nierenversagens rehydrierende Maszlignahmen durchgeuumlhrtAls sich jedoch bei der Kontrolle des Urinsedimentes amorphe Urat-kristalle in groszliger Zahl nachweisen lieszligen wurde eine Uratnephropa-thie diagnostiziert Nach Alkalisierung des Urins und Gabe von Allo-purinol kam die Urinproduktion innerhalb der naumlchsten age in Gangund die Nierenunktion normalisierte sich

Kommentar zu dem Fall 7 Im Verlau von Fastenkuren kommt es durchdie Mobilisierung von Fettdepots zur Freisetzung reier Fettsaumlurenund zur Ketoazidose Die vermehrt anallenden Ketonkoumlrper hemmenkompetitiv die renale Harnsaumlureausscheidung woraus eine Hyperurik-aumlmie resultieren kann Urikosurika erhoumlhen die Harnsaumlureeliminationdurch Hemmung der renalen tubulaumlren Ruumlckresorption Im geschil-derten Fall kam es durch die Verabreichung von Benzbromaron zu ei-ner massiven Hyperurikosurie in deren Folge Urate vermehrt in denubuli der Nieren ausgeaumlllt wurden Die Praumlzipitation der Uratkristallewurde durch einen sauren Primaumlrharn inolge der bestehenden Ketoa-zidose beguumlnstigt und uumlhrte schlieszliglich zur Uratnephropathie wobei

von den behandelnden Aumlrzten zunaumlchst aumllschlicherweise von einempraumlrenalen Nierenversagen ausgegangen wurde Im Verlaue von Fas-

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4126 Fehler bei der Arzneitherapie

tenkuren ist stets au eine ausreichende Fluumlssigkeitszuuhr zu achtenbei einer Hyperurikaumlmie sollte eine Harnalkalisierung und die Gabe

von Allopurinol durchgeuumlhrt werden Benzbromaron sollte augrunddes Risikos einer Urikosurika-induzierten Uratnephropathie asten-den Patienten nicht verabreicht werden

Resuumlmee

Fehler bei der Arzneitherapie koumlnnen einerseits zum Ausbleiben dererwuumlnschten Wirkung uumlhren Andererseits kann das Aufreten un-erwuumlnschter Wirkungen verursacht werden Zur Vermeidung vonpharmakotherapiebedingten Fehldiagnosen ist eine praumlzise Erhebungder Medikamentenanamnese unabdingbar Bei der klinischen Unter-suchung ist au charakteristische moumlglicherweise Arzneimittel-indu-zierte Beunde zu achten Die unterschiedlich groszlige Latenzzeit zwi-schen Minuten und Monaten vom Beginn der Gabe des Arzneimittelsbis zum Aufreten von Nebenwirkungen ist zu beruumlcksichtigen Beiraglichen Medikamenten-bedingten bzw seltenen Symptomen sindentsprechende Inormationen durch Verwendung spezialisierter Nach-schlagewerke Literaturrecherchen oder Anragen bei der Herstellerfir-ma oder einem der von Universitaumltskliniken angebotenen Arzneimit-telberatungsdienste einzuholen Bei entsprechendem Verdacht ist dasbetroffene Pharmakon ruumlhzeitig abzusetzen

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4 127Fehler bei der Arzneitherapie

1 Arico M Boccalatte MF Silvestri D

et al Osteonecrosis an emerging

complication o intensive chemothe-

rapy or childhood acute lymphoblas-

tic leukemia Haematologica 2003

88747 ndash 753

2 Ben-Chetrit A Ben-Chetrit E Syste-

mic lupus erythematodes induced by

ovulation induction treatment Arth-

ritis Rheum 1994 371614 ndash 1617

3 Kirch W Belz GG Pharmakothera-

pie-bedingte Fehldiagnosen In Kirch

W (Hrsg) Fehldiagnosen in der Inne-

ren Medizin Stuttgart Fischer 1992

S 327 ndash 353

4 Kirch W Shapiro F Foumllsch UR Health

care quality misdiagnosis at a Uni-

versity hospital in five medical eras J

Public Health 2004 12154 ndash 161

5 Nasser SM Ewan PW Depot cortico-

steroid treatment or hay ever cau-

sing avascular necrosis o both hips

Brit Med J 2001 3221589 ndash 1591

6 Schindler C Paumlssler L Kirch W Se-

vere temporomandibular dysunction

and joint destruction afer intraarti-

cular injection o triamcinolon J Oral

Pathol Med 2004 im Druck

7 reasure RA Fowler PB Millington

H Misdiagnosis o diabetic ketoa-

cidosis as hyperventilation syndrome

Brit Med J 1987 294630

Literatur

Page 3: 2

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4116 Fehler bei der Arzneitherapie

Abstract

Drug treatment based on misdiagnoses may worsen the course o a dis-ease as the underlying process is not treated adequately Te extent ounwanted drug effects varies between transient eelings o unease andor subtle clinical signs and persistent andor severe symptoms I suchside effects are overlooked or related symptoms are alsely attributed toanother disease a misdiagnosis will be made Autopsies can not be un-dertaken in a high percentage o cases Side effects may be assumed by

excluding other reasons or related signs and symptoms However theycan only be proved by repeating administration o the drug in questionSeven cases are presented here which demonstrate typical mistakes andpitalls associated with drug treatment

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4 117Fehler bei der Arzneitherapie

Kasuistiken

Fall 1

reasure und Mitarbeiter [7] berichteten uumlber den Fall einer 52-jaumlh-rigen Patientin die sich in der Notaunahme einer Klinik wegen seitdrei agen bestehenden Panikattacken Palpitationen und Lufnot vor-stellte In der Vergangenheit war die Patientin wegen einer Depressionbehandelt worden Vom Arzt der Notaunahme wurde eine hysterische

Hyperventilation diagnostiziert Die Patientin erhielt Diazepam undwurde an einen Psychiater zur ambulanten Behandlung uumlberwiesenDie Terapie mit Diazepam blieb erolglos Nach drei agen stellte sichdie Patientin erneut in der Notaunahme der Klinik vor wobei sie zu-saumltzlich zu den bereits berichteten Beschwerden uumlber GewichtsverlustPolyurie und Dysurie klagte Die Laboruntersuchung ergab eine Blut-glukosekonzentration von 326 mmoll (587 mgdl) und einen arteriel-len pH-Wert von 72 Diagnostiziert wurde eine diabetische Ketoazido-se nach Einleitung einer entsprechenden Behandlung und Einstellungau Insulin bildeten sich die Symptome vollstaumlndig zuruumlck Panikatta-cken traten bei der Patientin nicht mehr au

Fall 2

Von denselben Autoren [7] wurde der Fall einer 34-jaumlhrigen Patientingeschildert die sich augrund einer infizierten Wunde des rechten Bei-nes und Dyspnoe in der Notaunahme einer Klinik vorstellte Diagnos-tiziert wurden eine infizierte Katzenbisswunde und eine hysterischeHyperventilation Verordnet wurden Diazepam und Antibiotika zurweiteren ambulanten Behandlung Zwei age spaumlter wurde die Patien-tin mit Bewusstlosigkeit in der gleichen Klinik augenommen Hypo-thermie arterielle Hypotonie und eine Wundinektion im Bereich desrechten Oberschenkels wurden estgestellt Die Laboruntersuchungenergaben eine Blutglukosekonzentration von 45 mmoll (810 mgdl) ei-

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4118 Fehler bei der Arzneitherapie

nen arteriellen pH-Wert von 68 ein Serumnatrium von 128 mmollein Serumkalium von 68 mmoll und eine Serumharnsto onzentra-

tion von 272 mmoll Diagnostiziert wurden eine diabetische Ketoa-zidose und ein Leistenabszess sowie moumlgliche beginnende Sepsis DerPatientin wurde intravenoumls Fluumlssigkeit verabreicht sie erhielt daruumlberhinaus Antibiotika und Insulin der Abszess wurde drainiert Augrundeines akuten Nierenversagen wurde eine Dialysebehandlung uumlber dreiage durchgeuumlhrt Unter diesem Terapieregime bildeten sich dieSymptome vollstaumlndig zuruumlck Hyperventilation trat unter der Fortset-

zung der antidiabetischen Behandlung mit regelmaumlszligigen Insulininjek-tionen nicht mehr au

Kommentar zu den Faumlllen 1 und 2 Die Kombination von Angstanaumlllenmit Hyperventilation ist haumlufig und wird traditionell als Hyperventi-lationssyndrom bezeichnet Gemaumlszlig den aktuellen angelsaumlchsischenDiagnosekriterien (Diagnostic and Statistical Manual o PsychiatricDisorders DSM IV) wird das Syndrom heute als Panikstoumlrung be-zeichnet Fruumlher oder spaumlter wird jeder in einer Notallaunahme taumltigeKollege augrund des haumlufigen Aufretens damit konrontiert Of er-leben die Patienten keine bewusste Angst und nehmen das Hyperven-tilieren selbst nicht wahr Von unbewusst bleibenden Symptomen bishin zu einer aggravierenden Ausgestaltung und Darstellung der Anaumll-le gibt es 1047298ieszligende Uumlbergaumlnge was man auch als hysterisches Phaumlno-men bezeichnen kann Das Spektrum moumlglicher Beschwerden umasstUumlbelkeit Somnolenz Visusstoumlrungen und erhoumlhte MiktionsrequenzDie Haumlufigkeit des Aufretens und die Breite des Spektrums von Sym-ptomen kann dazu uumlhren dass das Krankheitsbild uumlberhaumlufig diag-nostiziert wird Die Diagnose sollte daher keinesalls au der Basis derAnamnese allein gestellt werden In den beiden geschilderten Faumlllenhaumltte durch eine einache Bestimmung von Glukose im Blut bzw Urindie Fehldiagnose vermieden bzw die richtige Diagnose gestellt werdenkoumlnnen Die beiden Faumllle belegen auch dass Fehldiagnosen zugrundeliegende Erkrankungen meist keine seltenen sondern haumlufige Krank-heiten sind (Kirch et al [4])

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4 119Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 3

Eine 29-jaumlhrige Patientin mit chronischen Ruumlckenschmerzen und Ver-dacht au Kieergelenkarthrose wurde durch ihren behandelnden Or-thopaumlden an einen ambulant taumltigen zahnaumlrztlichen Chirurgen unterder Annahme uumlberwiesen es bestehe ein Zusammenhang zwischeneiner vermuteten Kieergelenkerkrankung und den vorliegenden Ruuml-ckenschmerzen (Schindler et al [6]) Vom zahnaumlrztlichen Chirurgenwurde eine bdquoCapsulitisldquo des rechten Kieergelenkes konstatiert obwohl

das Kieergelenk vollstaumlndig beweglich und schmerzrei war und auchanamnestisch kein Hinweis uumlr ein rauma oder eine Arthritis bestandDer Zahnaumlrztliche Chirurg verabreichte 40 mg einer riamcinolon-kristallsuspension intrartikulaumlr worunter sich die Ruumlckenschmerzender Patientin leicht besserten Jedoch entwickelte sie innerhalb von 4Monaten nach der Behandlung progrediente Schmerzen im rechtenKieergelenk sowie rismus Durch eine erneute Injektion von 40 mgriamcinolonkristallsuspension wurde eine Besserung der Beschwer-den nicht erreicht Die Behandlung mit einem Okklusionssplint linder-te die Schmerzen zwar leicht jedoch entwickelte sich ein krepitieren-des Geraumlusch das beim Oumlffnen bzw Schlieszligen des Mundes konstant

vorhanden war Durch die Hauszahnaumlrztin die die Patientin wegender anhaltenden Schmerzen schlieszliglich ausuchte wurde eine Com-putertomographie veranlasst die ausgedehnte KnorpeldestruktionenNekrosen und knoumlchernde Appositionen im Bereich des Kondylusdes rechten Kieergelenkes zeigte Dabei war der Gelenkspalt durchdie knoumlcherende Apposition ast vollstaumlndig ausgeuumlllt ( gt Abb 41) Nach Diskektomie und plastischer Gelenkrekonstruktion war der Zu-stand der Patientin immerhin insoweit gebessert dass sie nun in derLage war den Mund maximal 35 cm Zentimeter ohne Aufreten vonSchmerzen zu oumlffnen

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4120 Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 4

Nasser und Ewan [5] schildern den Fall eines 42-jaumlhrigen Patientender seit seinem 21 Lebensjahr unter bdquoHeuschnupenldquo litt wobei regel-maumlszligig von Juni bis Juli eine Schwellung der Uvula prouse Rhinor-rhoen mit nasaler Obstruktion und eine Konjunktivitis aufraten undeine Graumlser- und Baumpollenallergie nachgewiesen worden waren Inden vergangenen Jahren hatte sich bei der Patientin zusaumltzlich ein al-

⊡ Abb 41

Computertomographie einer 29-jaumlhrigen Patientin nach Injektion

von 80 mg Triamcinolon in das rechte Kiefergelenk ( gt knoumlcherne

Apposition)

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4 121Fehler bei der Arzneitherapie

lergisches Asthma bronchiale entwickelt Die Verabreichung von An-tihistaminika und verschiedener topischer Glukokortikoidpraumlparate

wie Beclometason Fluticason und Budesonid war erolglos gebliebenDaher wurden vom Hausarzt zwischen 1987 und 1997 insgesamt 16 in-tramuskulaumlre Injektionen mit Depotkortikosteroidpraumlparaten durchge-uumlhrt wobei insgesamt 360 mg riamcinolon und 560 mg Methylpred-nisolon gegeben wurden Nach den Injektionen bestand Symptomlin-derung uumlr jeweils sechs Wochen Im August 1997 traten anhaltendeSchmerzen des rechten Huumlfgelenkes und wenige Monate spaumlter auch

des linken Huumlfgelenkes au Die kernspintomographische Aunahmezeigte Signalintensitaumltsminderung des gesamten rechten Huumlfkopesinolge einer avaskulaumlren Nekrose mit umgebendem Oumldem Im linkenHuumlfgelenk zeigten sich die gleichen Veraumlnderungen in geringeremAusmaszlig Der Patient war Nichtraucher konsumierte keinen AlkoholAnamnestisch bestanden keine Vorerkrankungen des Skelettsystemsoder der Muskulatur

Kommentar zu den Faumlllen 3 und 4 Das Risiko des Aufretens Kortiko-id-induzierter avaskulaumlrer Osteonekrosen ist dosisabhaumlngig Daruumlberhinaus scheinen ein Lebensalter zwischen 30 und 45 Jahren weiblichesGeschlecht genetische Faktoren Alkoholkonsum und Drogenabususpraumldisponierend zu sein Es besteht eine Abhaumlngigkeit des Aufretensavaskulaumlrer Osteonekrosen von der verabreichten Kortikoiddosis [3]Terapeutisch musste im vorliegenden Fall [4] eines 42-jaumlhrigen Pa-tienten augrund der stark ausgepraumlgten Huumlfkopnekrose ein endo-prothetischer Gelenkersatz erwogen werden Im Fall der geschilderten29-jaumlhrigen Patientin [6] mit Kieergelenksdestruktion ist uumlber dieKortikoid-induzierte avaskulaumlre Osteonekrose hinaus eine Inektiondurch die unsachgemaumlszlige Injektion und Verletzung von Knorpel sowiePeriost durch riamcinolonkristalle (bdquoKristallarthropathieldquo) als wei-tere pathogenetische Ursache in Betracht zu ziehen Fuumlr die intraarti-kulaumlre Applikation von Glukokortikoiden sollten daher ausschlieszliglichZubereitungen mit hoher Wasserloumlslichkeit verwendet werden (keinekristalloiden Loumlsungen) wobei maximal 10 mg riamcinolon in klei-

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4122 Fehler bei der Arzneitherapie

ne Gelenke injiziert werden duumlren Glukokortikoide sollten bei aller-gischen Geschehen des oberen Respirationstraktes nach Moumlglichkeit

nicht parenteral in hohen Dosen verabreicht werden Allenalls koumlnnendiese kurzristig und ausschlieszliglich oral in der niedrigsten noch wirk-samen Dosis gegeben werden Intramuskulaumlre Injektionen sollten nichterolgen

Fall 5

Eine 31-jaumlhrige Patientin hatte als Ovulationshemmer seit 10 Jahren025 mg Levonorgestrel und 005 mg Ethinyloumlstradiol eingenommenSie entwickelte arthritische Beschwerden ein Gesichtserythem oraleUlzerationen eine Lymphozytopenie Anaumlmie und Mikrohaumlmatu-rie Die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) war mit 62100 mm er-houmlht Die genannten Symptome und Beunde bestanden uumlber einenZeitraum von zwei Jahren (Arico et al [1]) Diagnostiziert wurde einLupus erythematodes disseminatus Von ihrem Hausarzt wurde diePatientin wegen der Gelenkbeschwerden lediglich mit nichtsteroida-len Antiphlogistika behandelt Zur weiteren Diagnostik erolgten eineNierenbiopsie konsiliarische gynaumlkologische Hals- Nasen- und Oh-renaumlrztliche zahnaumlrztliche dermatologische sowie ophtalmologischeUntersuchungen die jedoch keine richtungsweisenden Resultate erga-ben Die durchgeuumlhrte Haut-Muskelbiopsie zeigte den Beund einerleukozytoklastischen Vaskulitis Nachdem schlieszliglich erwogen wurdedass die Kontrazeptiva-Einnahme (Oumlstrogene) uumlr die genannten Sym-ptome und klinischen Erscheinungen verantwortlich sein koumlnnte wur-de der Ovulationshemmer abgesetzt Darauin traten eine vollstaumln-dige Ruumlckbildung der Gelenkbeschwerden des Gesichtserythems undeine Normalisierung des subjektiven Befindens der Patientin innerhalb

von zehn Wochen ein und die genannten Laborveraumlnderungen wareninnerhalb von dreieinhalb Monaten reversibel Im weiteren Beobach-tungszeitraum von sechs Jahren wurden Lupus Erythematodes-aumlhnli-che Symptome bei der Patientin nicht wieder gesehen

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4 123Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 6

Abraham und Eldad Ben-Chetrit [2] berichten uumlber eine 34-jaumlhrigekinderlose Patientin die sich in ihrer Klinikambulanz augrund einesmakulopapuloumlsen Exanthems des Gesichtes und der Extremitaumlten vor-stellte Die Laboruntersuchungen waren bis au einen erhoumlhten iteruumlr antinukleaumlre Antikoumlrper unauffaumlllig Die immunhistologische Un-tersuchung der Haut ergab bandoumlrmige Praumlzipitationen von Imunglo-bulinen und Komplement (positiver Lupusbandtest LB) Diagnosti-

ziert wurde ein diskoider Lupus erythematodes und eine Behandlungmit Hydroxychloroquin wurde eingeleitet Anamnestisch ist zu erwaumlh-nen dass die Patientin vor zwei Jahren augrund von Inertilitaumlt miteiner Kombination von humanem menopausalem und Chorion-Gona-dotropin sowie Clomiphen behandelt worden war wobei acht Zyklender Kombination verabreicht wurden und ein entsprechendes Anstei-gen der Oumlstradiolspiegel registriert werden konnte Drei Monate nachAbschluss des letzten Zyklus waren die genannten Hauterscheinungenaugetreten Unter der begonnen Behandlung mit Hydroxychloroquinkam es zwar zu einer Besserung der Symptome jedoch bestand weiter-hin Kinderwunsch bei Inertilitaumlt so dass Hydroxychloroquin schlieszlig-lich abgesetzt und zwei weitere Zyklen der Kombination von Gona-dotropinen mit Clomiphen verabreicht wurden Die Patientin wurdedaran anschlieszligend zwar schwanger erlitt jedoch in der 20 SSW einenSpontanabort Zwei Wochen spaumlter wurde sie augrund von Dyspnoeund peripheren Oumldemen stationaumlr augenommen Der arterielle Blut-druck war mit 180120 mmHg erhoumlht die klinische Untersuchung unddie Roumlntgenaunahme des Torax ergaben Pleuraerguumlsse au beidenSeiten Laborchemisch zeigte sich eine Anaumlmie von 8 mgdl eine Nie-renunktionseinschraumlnkung (Kreatininclearance 21 mlmin) und eineProteinurie (4 g24 Stunden) Antinukleaumlre Antikoumlrper und Anticar-diolipin-Antikoumlrper waren im Serum nachweisbar der Coombs-estwar positiv Die Begutachtung der durchgeuumlhrten Nierenbiopsie ergabden Beund einer rapid progressiven Glomerulonephritis Die Patien-tin erhielt intravenoumls Methylprednisolon in taumlglichen Dosierungen von

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4124 Fehler bei der Arzneitherapie

einem Gramm und eine anschlieszligende perorale Erhaltungstherapiemit 15 mg Methylprednisolondie wobei sie die vorgeschlagene Be-

handlung mit Cyclophosphamid ablehnte Unter diesem Terapiere-gime trat zwar eine Besserung ein jedoch persistierten Nierenunkti-onseinschraumlnkung (Kreatinclearance 28 mlmin) und Proteinurie (1 g24 Stunden)

Kommentar zu den Faumlllen 5 und 6 Zusammenassend wurde in beidenFaumlllen die Diagnose einer Oumlstradiol-induzierten Immunvaskulitis ge-

stellt Im Fall 5 war uumlber 8 Jahre ein Ovulationshemmer eingenommenworden bevor sich die Lupus erythematodes-aumlhnlichen Symptomebei der Patientin entwickelten Im Fall 6 war es unter einer Ovulati-ons-induzierenden Behandlung mit humanen Gonadotropinen undClomiphen und entsprechendem Anstieg der Oumlstradiolspiegel zu ei-ner schwergradigen Lupus erythematodes aumlhnlichen Symptomatik mitpersistierender Funktionsstoumlrung der Nieren gekommen Seit Ende dersechziger Jahre wurden in der Literatur vergleichbare Faumllle berichtet(Kirch und Belz [3]) Auch im ierversuch wurden durch Oumlstrogenga-be verursachte Panarteritis nodosa-aumlhnliche Erkrankungen beobachtetBekannt ist dass Schwangerschafen den Verlau von Erkrankungenaus dem Formenkreis der Kollagenosen guumlnstig aber auch unguumlnstigbeein1047298ussen koumlnnen wobei die Frage diskutiert wird ob Ethinyloumlstra-diol-Antikoumlrper dauumlr verantwortlich sind Bei aumltiologisch ungeklaumlrtenErkrankungen im Sinne einer Immunvaskulitis sollte daran gedachtwerden dass in seltenen Faumlllen Oumlstrogen-haltige orale Kontrazepti-

va wie auch eine Ovulations-induzierende Hormonbehandlung diese verursachen koumlnnen Deshalb ist ein Auslassversuch der Medikamenteanzustreben wobei beachtet werden muss dass sich die Symptomatikof erst vier bis 6 Monate spaumlter zuruumlckbildet

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4 125Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 7

Kirch und Belz [3] berichten uumlber eine 44-jaumlhrige 121 kg schwerePatientin die eine Fastenkur (600 kcal taumlglich) beginnt wobei in denersten zehn agen eine Gewichtsreduktion von 131 kg erreicht wirdGleichzeitig wird aus nicht genannten Gruumlnden mit Furosemid thera-piert Als anlaumlsslich einer Routinelaboruntersuchung ein Anstieg derSerumharnsaumlure au 828 micromoll (139 mgdl) bei normalen Kreatininim Serum estgestellt wird wird eine Terapie mit dem Urikosurikum

Benzbromaron eingeleitet Zwei age nach Beginn der Behandlung mitBenzbromaron entwickelte die Patientin eine Oligoanurie und einen er-heblichen Anstieg des Serumkreatinins was zur stationaumlren Aunahmeuumlhrte Augrund des durchgeuumlhrten Fastens und der Verabreichung

von Furosemid wurden von den Klinikaumlrzten unter der Annahme einespraumlrenalen Nierenversagens rehydrierende Maszlignahmen durchgeuumlhrtAls sich jedoch bei der Kontrolle des Urinsedimentes amorphe Urat-kristalle in groszliger Zahl nachweisen lieszligen wurde eine Uratnephropa-thie diagnostiziert Nach Alkalisierung des Urins und Gabe von Allo-purinol kam die Urinproduktion innerhalb der naumlchsten age in Gangund die Nierenunktion normalisierte sich

Kommentar zu dem Fall 7 Im Verlau von Fastenkuren kommt es durchdie Mobilisierung von Fettdepots zur Freisetzung reier Fettsaumlurenund zur Ketoazidose Die vermehrt anallenden Ketonkoumlrper hemmenkompetitiv die renale Harnsaumlureausscheidung woraus eine Hyperurik-aumlmie resultieren kann Urikosurika erhoumlhen die Harnsaumlureeliminationdurch Hemmung der renalen tubulaumlren Ruumlckresorption Im geschil-derten Fall kam es durch die Verabreichung von Benzbromaron zu ei-ner massiven Hyperurikosurie in deren Folge Urate vermehrt in denubuli der Nieren ausgeaumlllt wurden Die Praumlzipitation der Uratkristallewurde durch einen sauren Primaumlrharn inolge der bestehenden Ketoa-zidose beguumlnstigt und uumlhrte schlieszliglich zur Uratnephropathie wobei

von den behandelnden Aumlrzten zunaumlchst aumllschlicherweise von einempraumlrenalen Nierenversagen ausgegangen wurde Im Verlaue von Fas-

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4126 Fehler bei der Arzneitherapie

tenkuren ist stets au eine ausreichende Fluumlssigkeitszuuhr zu achtenbei einer Hyperurikaumlmie sollte eine Harnalkalisierung und die Gabe

von Allopurinol durchgeuumlhrt werden Benzbromaron sollte augrunddes Risikos einer Urikosurika-induzierten Uratnephropathie asten-den Patienten nicht verabreicht werden

Resuumlmee

Fehler bei der Arzneitherapie koumlnnen einerseits zum Ausbleiben dererwuumlnschten Wirkung uumlhren Andererseits kann das Aufreten un-erwuumlnschter Wirkungen verursacht werden Zur Vermeidung vonpharmakotherapiebedingten Fehldiagnosen ist eine praumlzise Erhebungder Medikamentenanamnese unabdingbar Bei der klinischen Unter-suchung ist au charakteristische moumlglicherweise Arzneimittel-indu-zierte Beunde zu achten Die unterschiedlich groszlige Latenzzeit zwi-schen Minuten und Monaten vom Beginn der Gabe des Arzneimittelsbis zum Aufreten von Nebenwirkungen ist zu beruumlcksichtigen Beiraglichen Medikamenten-bedingten bzw seltenen Symptomen sindentsprechende Inormationen durch Verwendung spezialisierter Nach-schlagewerke Literaturrecherchen oder Anragen bei der Herstellerfir-ma oder einem der von Universitaumltskliniken angebotenen Arzneimit-telberatungsdienste einzuholen Bei entsprechendem Verdacht ist dasbetroffene Pharmakon ruumlhzeitig abzusetzen

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4 127Fehler bei der Arzneitherapie

1 Arico M Boccalatte MF Silvestri D

et al Osteonecrosis an emerging

complication o intensive chemothe-

rapy or childhood acute lymphoblas-

tic leukemia Haematologica 2003

88747 ndash 753

2 Ben-Chetrit A Ben-Chetrit E Syste-

mic lupus erythematodes induced by

ovulation induction treatment Arth-

ritis Rheum 1994 371614 ndash 1617

3 Kirch W Belz GG Pharmakothera-

pie-bedingte Fehldiagnosen In Kirch

W (Hrsg) Fehldiagnosen in der Inne-

ren Medizin Stuttgart Fischer 1992

S 327 ndash 353

4 Kirch W Shapiro F Foumllsch UR Health

care quality misdiagnosis at a Uni-

versity hospital in five medical eras J

Public Health 2004 12154 ndash 161

5 Nasser SM Ewan PW Depot cortico-

steroid treatment or hay ever cau-

sing avascular necrosis o both hips

Brit Med J 2001 3221589 ndash 1591

6 Schindler C Paumlssler L Kirch W Se-

vere temporomandibular dysunction

and joint destruction afer intraarti-

cular injection o triamcinolon J Oral

Pathol Med 2004 im Druck

7 reasure RA Fowler PB Millington

H Misdiagnosis o diabetic ketoa-

cidosis as hyperventilation syndrome

Brit Med J 1987 294630

Literatur

Page 4: 2

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4 117Fehler bei der Arzneitherapie

Kasuistiken

Fall 1

reasure und Mitarbeiter [7] berichteten uumlber den Fall einer 52-jaumlh-rigen Patientin die sich in der Notaunahme einer Klinik wegen seitdrei agen bestehenden Panikattacken Palpitationen und Lufnot vor-stellte In der Vergangenheit war die Patientin wegen einer Depressionbehandelt worden Vom Arzt der Notaunahme wurde eine hysterische

Hyperventilation diagnostiziert Die Patientin erhielt Diazepam undwurde an einen Psychiater zur ambulanten Behandlung uumlberwiesenDie Terapie mit Diazepam blieb erolglos Nach drei agen stellte sichdie Patientin erneut in der Notaunahme der Klinik vor wobei sie zu-saumltzlich zu den bereits berichteten Beschwerden uumlber GewichtsverlustPolyurie und Dysurie klagte Die Laboruntersuchung ergab eine Blut-glukosekonzentration von 326 mmoll (587 mgdl) und einen arteriel-len pH-Wert von 72 Diagnostiziert wurde eine diabetische Ketoazido-se nach Einleitung einer entsprechenden Behandlung und Einstellungau Insulin bildeten sich die Symptome vollstaumlndig zuruumlck Panikatta-cken traten bei der Patientin nicht mehr au

Fall 2

Von denselben Autoren [7] wurde der Fall einer 34-jaumlhrigen Patientingeschildert die sich augrund einer infizierten Wunde des rechten Bei-nes und Dyspnoe in der Notaunahme einer Klinik vorstellte Diagnos-tiziert wurden eine infizierte Katzenbisswunde und eine hysterischeHyperventilation Verordnet wurden Diazepam und Antibiotika zurweiteren ambulanten Behandlung Zwei age spaumlter wurde die Patien-tin mit Bewusstlosigkeit in der gleichen Klinik augenommen Hypo-thermie arterielle Hypotonie und eine Wundinektion im Bereich desrechten Oberschenkels wurden estgestellt Die Laboruntersuchungenergaben eine Blutglukosekonzentration von 45 mmoll (810 mgdl) ei-

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4118 Fehler bei der Arzneitherapie

nen arteriellen pH-Wert von 68 ein Serumnatrium von 128 mmollein Serumkalium von 68 mmoll und eine Serumharnsto onzentra-

tion von 272 mmoll Diagnostiziert wurden eine diabetische Ketoa-zidose und ein Leistenabszess sowie moumlgliche beginnende Sepsis DerPatientin wurde intravenoumls Fluumlssigkeit verabreicht sie erhielt daruumlberhinaus Antibiotika und Insulin der Abszess wurde drainiert Augrundeines akuten Nierenversagen wurde eine Dialysebehandlung uumlber dreiage durchgeuumlhrt Unter diesem Terapieregime bildeten sich dieSymptome vollstaumlndig zuruumlck Hyperventilation trat unter der Fortset-

zung der antidiabetischen Behandlung mit regelmaumlszligigen Insulininjek-tionen nicht mehr au

Kommentar zu den Faumlllen 1 und 2 Die Kombination von Angstanaumlllenmit Hyperventilation ist haumlufig und wird traditionell als Hyperventi-lationssyndrom bezeichnet Gemaumlszlig den aktuellen angelsaumlchsischenDiagnosekriterien (Diagnostic and Statistical Manual o PsychiatricDisorders DSM IV) wird das Syndrom heute als Panikstoumlrung be-zeichnet Fruumlher oder spaumlter wird jeder in einer Notallaunahme taumltigeKollege augrund des haumlufigen Aufretens damit konrontiert Of er-leben die Patienten keine bewusste Angst und nehmen das Hyperven-tilieren selbst nicht wahr Von unbewusst bleibenden Symptomen bishin zu einer aggravierenden Ausgestaltung und Darstellung der Anaumll-le gibt es 1047298ieszligende Uumlbergaumlnge was man auch als hysterisches Phaumlno-men bezeichnen kann Das Spektrum moumlglicher Beschwerden umasstUumlbelkeit Somnolenz Visusstoumlrungen und erhoumlhte MiktionsrequenzDie Haumlufigkeit des Aufretens und die Breite des Spektrums von Sym-ptomen kann dazu uumlhren dass das Krankheitsbild uumlberhaumlufig diag-nostiziert wird Die Diagnose sollte daher keinesalls au der Basis derAnamnese allein gestellt werden In den beiden geschilderten Faumlllenhaumltte durch eine einache Bestimmung von Glukose im Blut bzw Urindie Fehldiagnose vermieden bzw die richtige Diagnose gestellt werdenkoumlnnen Die beiden Faumllle belegen auch dass Fehldiagnosen zugrundeliegende Erkrankungen meist keine seltenen sondern haumlufige Krank-heiten sind (Kirch et al [4])

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4 119Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 3

Eine 29-jaumlhrige Patientin mit chronischen Ruumlckenschmerzen und Ver-dacht au Kieergelenkarthrose wurde durch ihren behandelnden Or-thopaumlden an einen ambulant taumltigen zahnaumlrztlichen Chirurgen unterder Annahme uumlberwiesen es bestehe ein Zusammenhang zwischeneiner vermuteten Kieergelenkerkrankung und den vorliegenden Ruuml-ckenschmerzen (Schindler et al [6]) Vom zahnaumlrztlichen Chirurgenwurde eine bdquoCapsulitisldquo des rechten Kieergelenkes konstatiert obwohl

das Kieergelenk vollstaumlndig beweglich und schmerzrei war und auchanamnestisch kein Hinweis uumlr ein rauma oder eine Arthritis bestandDer Zahnaumlrztliche Chirurg verabreichte 40 mg einer riamcinolon-kristallsuspension intrartikulaumlr worunter sich die Ruumlckenschmerzender Patientin leicht besserten Jedoch entwickelte sie innerhalb von 4Monaten nach der Behandlung progrediente Schmerzen im rechtenKieergelenk sowie rismus Durch eine erneute Injektion von 40 mgriamcinolonkristallsuspension wurde eine Besserung der Beschwer-den nicht erreicht Die Behandlung mit einem Okklusionssplint linder-te die Schmerzen zwar leicht jedoch entwickelte sich ein krepitieren-des Geraumlusch das beim Oumlffnen bzw Schlieszligen des Mundes konstant

vorhanden war Durch die Hauszahnaumlrztin die die Patientin wegender anhaltenden Schmerzen schlieszliglich ausuchte wurde eine Com-putertomographie veranlasst die ausgedehnte KnorpeldestruktionenNekrosen und knoumlchernde Appositionen im Bereich des Kondylusdes rechten Kieergelenkes zeigte Dabei war der Gelenkspalt durchdie knoumlcherende Apposition ast vollstaumlndig ausgeuumlllt ( gt Abb 41) Nach Diskektomie und plastischer Gelenkrekonstruktion war der Zu-stand der Patientin immerhin insoweit gebessert dass sie nun in derLage war den Mund maximal 35 cm Zentimeter ohne Aufreten vonSchmerzen zu oumlffnen

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4120 Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 4

Nasser und Ewan [5] schildern den Fall eines 42-jaumlhrigen Patientender seit seinem 21 Lebensjahr unter bdquoHeuschnupenldquo litt wobei regel-maumlszligig von Juni bis Juli eine Schwellung der Uvula prouse Rhinor-rhoen mit nasaler Obstruktion und eine Konjunktivitis aufraten undeine Graumlser- und Baumpollenallergie nachgewiesen worden waren Inden vergangenen Jahren hatte sich bei der Patientin zusaumltzlich ein al-

⊡ Abb 41

Computertomographie einer 29-jaumlhrigen Patientin nach Injektion

von 80 mg Triamcinolon in das rechte Kiefergelenk ( gt knoumlcherne

Apposition)

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4 121Fehler bei der Arzneitherapie

lergisches Asthma bronchiale entwickelt Die Verabreichung von An-tihistaminika und verschiedener topischer Glukokortikoidpraumlparate

wie Beclometason Fluticason und Budesonid war erolglos gebliebenDaher wurden vom Hausarzt zwischen 1987 und 1997 insgesamt 16 in-tramuskulaumlre Injektionen mit Depotkortikosteroidpraumlparaten durchge-uumlhrt wobei insgesamt 360 mg riamcinolon und 560 mg Methylpred-nisolon gegeben wurden Nach den Injektionen bestand Symptomlin-derung uumlr jeweils sechs Wochen Im August 1997 traten anhaltendeSchmerzen des rechten Huumlfgelenkes und wenige Monate spaumlter auch

des linken Huumlfgelenkes au Die kernspintomographische Aunahmezeigte Signalintensitaumltsminderung des gesamten rechten Huumlfkopesinolge einer avaskulaumlren Nekrose mit umgebendem Oumldem Im linkenHuumlfgelenk zeigten sich die gleichen Veraumlnderungen in geringeremAusmaszlig Der Patient war Nichtraucher konsumierte keinen AlkoholAnamnestisch bestanden keine Vorerkrankungen des Skelettsystemsoder der Muskulatur

Kommentar zu den Faumlllen 3 und 4 Das Risiko des Aufretens Kortiko-id-induzierter avaskulaumlrer Osteonekrosen ist dosisabhaumlngig Daruumlberhinaus scheinen ein Lebensalter zwischen 30 und 45 Jahren weiblichesGeschlecht genetische Faktoren Alkoholkonsum und Drogenabususpraumldisponierend zu sein Es besteht eine Abhaumlngigkeit des Aufretensavaskulaumlrer Osteonekrosen von der verabreichten Kortikoiddosis [3]Terapeutisch musste im vorliegenden Fall [4] eines 42-jaumlhrigen Pa-tienten augrund der stark ausgepraumlgten Huumlfkopnekrose ein endo-prothetischer Gelenkersatz erwogen werden Im Fall der geschilderten29-jaumlhrigen Patientin [6] mit Kieergelenksdestruktion ist uumlber dieKortikoid-induzierte avaskulaumlre Osteonekrose hinaus eine Inektiondurch die unsachgemaumlszlige Injektion und Verletzung von Knorpel sowiePeriost durch riamcinolonkristalle (bdquoKristallarthropathieldquo) als wei-tere pathogenetische Ursache in Betracht zu ziehen Fuumlr die intraarti-kulaumlre Applikation von Glukokortikoiden sollten daher ausschlieszliglichZubereitungen mit hoher Wasserloumlslichkeit verwendet werden (keinekristalloiden Loumlsungen) wobei maximal 10 mg riamcinolon in klei-

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4122 Fehler bei der Arzneitherapie

ne Gelenke injiziert werden duumlren Glukokortikoide sollten bei aller-gischen Geschehen des oberen Respirationstraktes nach Moumlglichkeit

nicht parenteral in hohen Dosen verabreicht werden Allenalls koumlnnendiese kurzristig und ausschlieszliglich oral in der niedrigsten noch wirk-samen Dosis gegeben werden Intramuskulaumlre Injektionen sollten nichterolgen

Fall 5

Eine 31-jaumlhrige Patientin hatte als Ovulationshemmer seit 10 Jahren025 mg Levonorgestrel und 005 mg Ethinyloumlstradiol eingenommenSie entwickelte arthritische Beschwerden ein Gesichtserythem oraleUlzerationen eine Lymphozytopenie Anaumlmie und Mikrohaumlmatu-rie Die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) war mit 62100 mm er-houmlht Die genannten Symptome und Beunde bestanden uumlber einenZeitraum von zwei Jahren (Arico et al [1]) Diagnostiziert wurde einLupus erythematodes disseminatus Von ihrem Hausarzt wurde diePatientin wegen der Gelenkbeschwerden lediglich mit nichtsteroida-len Antiphlogistika behandelt Zur weiteren Diagnostik erolgten eineNierenbiopsie konsiliarische gynaumlkologische Hals- Nasen- und Oh-renaumlrztliche zahnaumlrztliche dermatologische sowie ophtalmologischeUntersuchungen die jedoch keine richtungsweisenden Resultate erga-ben Die durchgeuumlhrte Haut-Muskelbiopsie zeigte den Beund einerleukozytoklastischen Vaskulitis Nachdem schlieszliglich erwogen wurdedass die Kontrazeptiva-Einnahme (Oumlstrogene) uumlr die genannten Sym-ptome und klinischen Erscheinungen verantwortlich sein koumlnnte wur-de der Ovulationshemmer abgesetzt Darauin traten eine vollstaumln-dige Ruumlckbildung der Gelenkbeschwerden des Gesichtserythems undeine Normalisierung des subjektiven Befindens der Patientin innerhalb

von zehn Wochen ein und die genannten Laborveraumlnderungen wareninnerhalb von dreieinhalb Monaten reversibel Im weiteren Beobach-tungszeitraum von sechs Jahren wurden Lupus Erythematodes-aumlhnli-che Symptome bei der Patientin nicht wieder gesehen

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4 123Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 6

Abraham und Eldad Ben-Chetrit [2] berichten uumlber eine 34-jaumlhrigekinderlose Patientin die sich in ihrer Klinikambulanz augrund einesmakulopapuloumlsen Exanthems des Gesichtes und der Extremitaumlten vor-stellte Die Laboruntersuchungen waren bis au einen erhoumlhten iteruumlr antinukleaumlre Antikoumlrper unauffaumlllig Die immunhistologische Un-tersuchung der Haut ergab bandoumlrmige Praumlzipitationen von Imunglo-bulinen und Komplement (positiver Lupusbandtest LB) Diagnosti-

ziert wurde ein diskoider Lupus erythematodes und eine Behandlungmit Hydroxychloroquin wurde eingeleitet Anamnestisch ist zu erwaumlh-nen dass die Patientin vor zwei Jahren augrund von Inertilitaumlt miteiner Kombination von humanem menopausalem und Chorion-Gona-dotropin sowie Clomiphen behandelt worden war wobei acht Zyklender Kombination verabreicht wurden und ein entsprechendes Anstei-gen der Oumlstradiolspiegel registriert werden konnte Drei Monate nachAbschluss des letzten Zyklus waren die genannten Hauterscheinungenaugetreten Unter der begonnen Behandlung mit Hydroxychloroquinkam es zwar zu einer Besserung der Symptome jedoch bestand weiter-hin Kinderwunsch bei Inertilitaumlt so dass Hydroxychloroquin schlieszlig-lich abgesetzt und zwei weitere Zyklen der Kombination von Gona-dotropinen mit Clomiphen verabreicht wurden Die Patientin wurdedaran anschlieszligend zwar schwanger erlitt jedoch in der 20 SSW einenSpontanabort Zwei Wochen spaumlter wurde sie augrund von Dyspnoeund peripheren Oumldemen stationaumlr augenommen Der arterielle Blut-druck war mit 180120 mmHg erhoumlht die klinische Untersuchung unddie Roumlntgenaunahme des Torax ergaben Pleuraerguumlsse au beidenSeiten Laborchemisch zeigte sich eine Anaumlmie von 8 mgdl eine Nie-renunktionseinschraumlnkung (Kreatininclearance 21 mlmin) und eineProteinurie (4 g24 Stunden) Antinukleaumlre Antikoumlrper und Anticar-diolipin-Antikoumlrper waren im Serum nachweisbar der Coombs-estwar positiv Die Begutachtung der durchgeuumlhrten Nierenbiopsie ergabden Beund einer rapid progressiven Glomerulonephritis Die Patien-tin erhielt intravenoumls Methylprednisolon in taumlglichen Dosierungen von

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4124 Fehler bei der Arzneitherapie

einem Gramm und eine anschlieszligende perorale Erhaltungstherapiemit 15 mg Methylprednisolondie wobei sie die vorgeschlagene Be-

handlung mit Cyclophosphamid ablehnte Unter diesem Terapiere-gime trat zwar eine Besserung ein jedoch persistierten Nierenunkti-onseinschraumlnkung (Kreatinclearance 28 mlmin) und Proteinurie (1 g24 Stunden)

Kommentar zu den Faumlllen 5 und 6 Zusammenassend wurde in beidenFaumlllen die Diagnose einer Oumlstradiol-induzierten Immunvaskulitis ge-

stellt Im Fall 5 war uumlber 8 Jahre ein Ovulationshemmer eingenommenworden bevor sich die Lupus erythematodes-aumlhnlichen Symptomebei der Patientin entwickelten Im Fall 6 war es unter einer Ovulati-ons-induzierenden Behandlung mit humanen Gonadotropinen undClomiphen und entsprechendem Anstieg der Oumlstradiolspiegel zu ei-ner schwergradigen Lupus erythematodes aumlhnlichen Symptomatik mitpersistierender Funktionsstoumlrung der Nieren gekommen Seit Ende dersechziger Jahre wurden in der Literatur vergleichbare Faumllle berichtet(Kirch und Belz [3]) Auch im ierversuch wurden durch Oumlstrogenga-be verursachte Panarteritis nodosa-aumlhnliche Erkrankungen beobachtetBekannt ist dass Schwangerschafen den Verlau von Erkrankungenaus dem Formenkreis der Kollagenosen guumlnstig aber auch unguumlnstigbeein1047298ussen koumlnnen wobei die Frage diskutiert wird ob Ethinyloumlstra-diol-Antikoumlrper dauumlr verantwortlich sind Bei aumltiologisch ungeklaumlrtenErkrankungen im Sinne einer Immunvaskulitis sollte daran gedachtwerden dass in seltenen Faumlllen Oumlstrogen-haltige orale Kontrazepti-

va wie auch eine Ovulations-induzierende Hormonbehandlung diese verursachen koumlnnen Deshalb ist ein Auslassversuch der Medikamenteanzustreben wobei beachtet werden muss dass sich die Symptomatikof erst vier bis 6 Monate spaumlter zuruumlckbildet

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4 125Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 7

Kirch und Belz [3] berichten uumlber eine 44-jaumlhrige 121 kg schwerePatientin die eine Fastenkur (600 kcal taumlglich) beginnt wobei in denersten zehn agen eine Gewichtsreduktion von 131 kg erreicht wirdGleichzeitig wird aus nicht genannten Gruumlnden mit Furosemid thera-piert Als anlaumlsslich einer Routinelaboruntersuchung ein Anstieg derSerumharnsaumlure au 828 micromoll (139 mgdl) bei normalen Kreatininim Serum estgestellt wird wird eine Terapie mit dem Urikosurikum

Benzbromaron eingeleitet Zwei age nach Beginn der Behandlung mitBenzbromaron entwickelte die Patientin eine Oligoanurie und einen er-heblichen Anstieg des Serumkreatinins was zur stationaumlren Aunahmeuumlhrte Augrund des durchgeuumlhrten Fastens und der Verabreichung

von Furosemid wurden von den Klinikaumlrzten unter der Annahme einespraumlrenalen Nierenversagens rehydrierende Maszlignahmen durchgeuumlhrtAls sich jedoch bei der Kontrolle des Urinsedimentes amorphe Urat-kristalle in groszliger Zahl nachweisen lieszligen wurde eine Uratnephropa-thie diagnostiziert Nach Alkalisierung des Urins und Gabe von Allo-purinol kam die Urinproduktion innerhalb der naumlchsten age in Gangund die Nierenunktion normalisierte sich

Kommentar zu dem Fall 7 Im Verlau von Fastenkuren kommt es durchdie Mobilisierung von Fettdepots zur Freisetzung reier Fettsaumlurenund zur Ketoazidose Die vermehrt anallenden Ketonkoumlrper hemmenkompetitiv die renale Harnsaumlureausscheidung woraus eine Hyperurik-aumlmie resultieren kann Urikosurika erhoumlhen die Harnsaumlureeliminationdurch Hemmung der renalen tubulaumlren Ruumlckresorption Im geschil-derten Fall kam es durch die Verabreichung von Benzbromaron zu ei-ner massiven Hyperurikosurie in deren Folge Urate vermehrt in denubuli der Nieren ausgeaumlllt wurden Die Praumlzipitation der Uratkristallewurde durch einen sauren Primaumlrharn inolge der bestehenden Ketoa-zidose beguumlnstigt und uumlhrte schlieszliglich zur Uratnephropathie wobei

von den behandelnden Aumlrzten zunaumlchst aumllschlicherweise von einempraumlrenalen Nierenversagen ausgegangen wurde Im Verlaue von Fas-

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4126 Fehler bei der Arzneitherapie

tenkuren ist stets au eine ausreichende Fluumlssigkeitszuuhr zu achtenbei einer Hyperurikaumlmie sollte eine Harnalkalisierung und die Gabe

von Allopurinol durchgeuumlhrt werden Benzbromaron sollte augrunddes Risikos einer Urikosurika-induzierten Uratnephropathie asten-den Patienten nicht verabreicht werden

Resuumlmee

Fehler bei der Arzneitherapie koumlnnen einerseits zum Ausbleiben dererwuumlnschten Wirkung uumlhren Andererseits kann das Aufreten un-erwuumlnschter Wirkungen verursacht werden Zur Vermeidung vonpharmakotherapiebedingten Fehldiagnosen ist eine praumlzise Erhebungder Medikamentenanamnese unabdingbar Bei der klinischen Unter-suchung ist au charakteristische moumlglicherweise Arzneimittel-indu-zierte Beunde zu achten Die unterschiedlich groszlige Latenzzeit zwi-schen Minuten und Monaten vom Beginn der Gabe des Arzneimittelsbis zum Aufreten von Nebenwirkungen ist zu beruumlcksichtigen Beiraglichen Medikamenten-bedingten bzw seltenen Symptomen sindentsprechende Inormationen durch Verwendung spezialisierter Nach-schlagewerke Literaturrecherchen oder Anragen bei der Herstellerfir-ma oder einem der von Universitaumltskliniken angebotenen Arzneimit-telberatungsdienste einzuholen Bei entsprechendem Verdacht ist dasbetroffene Pharmakon ruumlhzeitig abzusetzen

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4 127Fehler bei der Arzneitherapie

1 Arico M Boccalatte MF Silvestri D

et al Osteonecrosis an emerging

complication o intensive chemothe-

rapy or childhood acute lymphoblas-

tic leukemia Haematologica 2003

88747 ndash 753

2 Ben-Chetrit A Ben-Chetrit E Syste-

mic lupus erythematodes induced by

ovulation induction treatment Arth-

ritis Rheum 1994 371614 ndash 1617

3 Kirch W Belz GG Pharmakothera-

pie-bedingte Fehldiagnosen In Kirch

W (Hrsg) Fehldiagnosen in der Inne-

ren Medizin Stuttgart Fischer 1992

S 327 ndash 353

4 Kirch W Shapiro F Foumllsch UR Health

care quality misdiagnosis at a Uni-

versity hospital in five medical eras J

Public Health 2004 12154 ndash 161

5 Nasser SM Ewan PW Depot cortico-

steroid treatment or hay ever cau-

sing avascular necrosis o both hips

Brit Med J 2001 3221589 ndash 1591

6 Schindler C Paumlssler L Kirch W Se-

vere temporomandibular dysunction

and joint destruction afer intraarti-

cular injection o triamcinolon J Oral

Pathol Med 2004 im Druck

7 reasure RA Fowler PB Millington

H Misdiagnosis o diabetic ketoa-

cidosis as hyperventilation syndrome

Brit Med J 1987 294630

Literatur

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4118 Fehler bei der Arzneitherapie

nen arteriellen pH-Wert von 68 ein Serumnatrium von 128 mmollein Serumkalium von 68 mmoll und eine Serumharnsto onzentra-

tion von 272 mmoll Diagnostiziert wurden eine diabetische Ketoa-zidose und ein Leistenabszess sowie moumlgliche beginnende Sepsis DerPatientin wurde intravenoumls Fluumlssigkeit verabreicht sie erhielt daruumlberhinaus Antibiotika und Insulin der Abszess wurde drainiert Augrundeines akuten Nierenversagen wurde eine Dialysebehandlung uumlber dreiage durchgeuumlhrt Unter diesem Terapieregime bildeten sich dieSymptome vollstaumlndig zuruumlck Hyperventilation trat unter der Fortset-

zung der antidiabetischen Behandlung mit regelmaumlszligigen Insulininjek-tionen nicht mehr au

Kommentar zu den Faumlllen 1 und 2 Die Kombination von Angstanaumlllenmit Hyperventilation ist haumlufig und wird traditionell als Hyperventi-lationssyndrom bezeichnet Gemaumlszlig den aktuellen angelsaumlchsischenDiagnosekriterien (Diagnostic and Statistical Manual o PsychiatricDisorders DSM IV) wird das Syndrom heute als Panikstoumlrung be-zeichnet Fruumlher oder spaumlter wird jeder in einer Notallaunahme taumltigeKollege augrund des haumlufigen Aufretens damit konrontiert Of er-leben die Patienten keine bewusste Angst und nehmen das Hyperven-tilieren selbst nicht wahr Von unbewusst bleibenden Symptomen bishin zu einer aggravierenden Ausgestaltung und Darstellung der Anaumll-le gibt es 1047298ieszligende Uumlbergaumlnge was man auch als hysterisches Phaumlno-men bezeichnen kann Das Spektrum moumlglicher Beschwerden umasstUumlbelkeit Somnolenz Visusstoumlrungen und erhoumlhte MiktionsrequenzDie Haumlufigkeit des Aufretens und die Breite des Spektrums von Sym-ptomen kann dazu uumlhren dass das Krankheitsbild uumlberhaumlufig diag-nostiziert wird Die Diagnose sollte daher keinesalls au der Basis derAnamnese allein gestellt werden In den beiden geschilderten Faumlllenhaumltte durch eine einache Bestimmung von Glukose im Blut bzw Urindie Fehldiagnose vermieden bzw die richtige Diagnose gestellt werdenkoumlnnen Die beiden Faumllle belegen auch dass Fehldiagnosen zugrundeliegende Erkrankungen meist keine seltenen sondern haumlufige Krank-heiten sind (Kirch et al [4])

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4 119Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 3

Eine 29-jaumlhrige Patientin mit chronischen Ruumlckenschmerzen und Ver-dacht au Kieergelenkarthrose wurde durch ihren behandelnden Or-thopaumlden an einen ambulant taumltigen zahnaumlrztlichen Chirurgen unterder Annahme uumlberwiesen es bestehe ein Zusammenhang zwischeneiner vermuteten Kieergelenkerkrankung und den vorliegenden Ruuml-ckenschmerzen (Schindler et al [6]) Vom zahnaumlrztlichen Chirurgenwurde eine bdquoCapsulitisldquo des rechten Kieergelenkes konstatiert obwohl

das Kieergelenk vollstaumlndig beweglich und schmerzrei war und auchanamnestisch kein Hinweis uumlr ein rauma oder eine Arthritis bestandDer Zahnaumlrztliche Chirurg verabreichte 40 mg einer riamcinolon-kristallsuspension intrartikulaumlr worunter sich die Ruumlckenschmerzender Patientin leicht besserten Jedoch entwickelte sie innerhalb von 4Monaten nach der Behandlung progrediente Schmerzen im rechtenKieergelenk sowie rismus Durch eine erneute Injektion von 40 mgriamcinolonkristallsuspension wurde eine Besserung der Beschwer-den nicht erreicht Die Behandlung mit einem Okklusionssplint linder-te die Schmerzen zwar leicht jedoch entwickelte sich ein krepitieren-des Geraumlusch das beim Oumlffnen bzw Schlieszligen des Mundes konstant

vorhanden war Durch die Hauszahnaumlrztin die die Patientin wegender anhaltenden Schmerzen schlieszliglich ausuchte wurde eine Com-putertomographie veranlasst die ausgedehnte KnorpeldestruktionenNekrosen und knoumlchernde Appositionen im Bereich des Kondylusdes rechten Kieergelenkes zeigte Dabei war der Gelenkspalt durchdie knoumlcherende Apposition ast vollstaumlndig ausgeuumlllt ( gt Abb 41) Nach Diskektomie und plastischer Gelenkrekonstruktion war der Zu-stand der Patientin immerhin insoweit gebessert dass sie nun in derLage war den Mund maximal 35 cm Zentimeter ohne Aufreten vonSchmerzen zu oumlffnen

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4120 Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 4

Nasser und Ewan [5] schildern den Fall eines 42-jaumlhrigen Patientender seit seinem 21 Lebensjahr unter bdquoHeuschnupenldquo litt wobei regel-maumlszligig von Juni bis Juli eine Schwellung der Uvula prouse Rhinor-rhoen mit nasaler Obstruktion und eine Konjunktivitis aufraten undeine Graumlser- und Baumpollenallergie nachgewiesen worden waren Inden vergangenen Jahren hatte sich bei der Patientin zusaumltzlich ein al-

⊡ Abb 41

Computertomographie einer 29-jaumlhrigen Patientin nach Injektion

von 80 mg Triamcinolon in das rechte Kiefergelenk ( gt knoumlcherne

Apposition)

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4 121Fehler bei der Arzneitherapie

lergisches Asthma bronchiale entwickelt Die Verabreichung von An-tihistaminika und verschiedener topischer Glukokortikoidpraumlparate

wie Beclometason Fluticason und Budesonid war erolglos gebliebenDaher wurden vom Hausarzt zwischen 1987 und 1997 insgesamt 16 in-tramuskulaumlre Injektionen mit Depotkortikosteroidpraumlparaten durchge-uumlhrt wobei insgesamt 360 mg riamcinolon und 560 mg Methylpred-nisolon gegeben wurden Nach den Injektionen bestand Symptomlin-derung uumlr jeweils sechs Wochen Im August 1997 traten anhaltendeSchmerzen des rechten Huumlfgelenkes und wenige Monate spaumlter auch

des linken Huumlfgelenkes au Die kernspintomographische Aunahmezeigte Signalintensitaumltsminderung des gesamten rechten Huumlfkopesinolge einer avaskulaumlren Nekrose mit umgebendem Oumldem Im linkenHuumlfgelenk zeigten sich die gleichen Veraumlnderungen in geringeremAusmaszlig Der Patient war Nichtraucher konsumierte keinen AlkoholAnamnestisch bestanden keine Vorerkrankungen des Skelettsystemsoder der Muskulatur

Kommentar zu den Faumlllen 3 und 4 Das Risiko des Aufretens Kortiko-id-induzierter avaskulaumlrer Osteonekrosen ist dosisabhaumlngig Daruumlberhinaus scheinen ein Lebensalter zwischen 30 und 45 Jahren weiblichesGeschlecht genetische Faktoren Alkoholkonsum und Drogenabususpraumldisponierend zu sein Es besteht eine Abhaumlngigkeit des Aufretensavaskulaumlrer Osteonekrosen von der verabreichten Kortikoiddosis [3]Terapeutisch musste im vorliegenden Fall [4] eines 42-jaumlhrigen Pa-tienten augrund der stark ausgepraumlgten Huumlfkopnekrose ein endo-prothetischer Gelenkersatz erwogen werden Im Fall der geschilderten29-jaumlhrigen Patientin [6] mit Kieergelenksdestruktion ist uumlber dieKortikoid-induzierte avaskulaumlre Osteonekrose hinaus eine Inektiondurch die unsachgemaumlszlige Injektion und Verletzung von Knorpel sowiePeriost durch riamcinolonkristalle (bdquoKristallarthropathieldquo) als wei-tere pathogenetische Ursache in Betracht zu ziehen Fuumlr die intraarti-kulaumlre Applikation von Glukokortikoiden sollten daher ausschlieszliglichZubereitungen mit hoher Wasserloumlslichkeit verwendet werden (keinekristalloiden Loumlsungen) wobei maximal 10 mg riamcinolon in klei-

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4122 Fehler bei der Arzneitherapie

ne Gelenke injiziert werden duumlren Glukokortikoide sollten bei aller-gischen Geschehen des oberen Respirationstraktes nach Moumlglichkeit

nicht parenteral in hohen Dosen verabreicht werden Allenalls koumlnnendiese kurzristig und ausschlieszliglich oral in der niedrigsten noch wirk-samen Dosis gegeben werden Intramuskulaumlre Injektionen sollten nichterolgen

Fall 5

Eine 31-jaumlhrige Patientin hatte als Ovulationshemmer seit 10 Jahren025 mg Levonorgestrel und 005 mg Ethinyloumlstradiol eingenommenSie entwickelte arthritische Beschwerden ein Gesichtserythem oraleUlzerationen eine Lymphozytopenie Anaumlmie und Mikrohaumlmatu-rie Die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) war mit 62100 mm er-houmlht Die genannten Symptome und Beunde bestanden uumlber einenZeitraum von zwei Jahren (Arico et al [1]) Diagnostiziert wurde einLupus erythematodes disseminatus Von ihrem Hausarzt wurde diePatientin wegen der Gelenkbeschwerden lediglich mit nichtsteroida-len Antiphlogistika behandelt Zur weiteren Diagnostik erolgten eineNierenbiopsie konsiliarische gynaumlkologische Hals- Nasen- und Oh-renaumlrztliche zahnaumlrztliche dermatologische sowie ophtalmologischeUntersuchungen die jedoch keine richtungsweisenden Resultate erga-ben Die durchgeuumlhrte Haut-Muskelbiopsie zeigte den Beund einerleukozytoklastischen Vaskulitis Nachdem schlieszliglich erwogen wurdedass die Kontrazeptiva-Einnahme (Oumlstrogene) uumlr die genannten Sym-ptome und klinischen Erscheinungen verantwortlich sein koumlnnte wur-de der Ovulationshemmer abgesetzt Darauin traten eine vollstaumln-dige Ruumlckbildung der Gelenkbeschwerden des Gesichtserythems undeine Normalisierung des subjektiven Befindens der Patientin innerhalb

von zehn Wochen ein und die genannten Laborveraumlnderungen wareninnerhalb von dreieinhalb Monaten reversibel Im weiteren Beobach-tungszeitraum von sechs Jahren wurden Lupus Erythematodes-aumlhnli-che Symptome bei der Patientin nicht wieder gesehen

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4 123Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 6

Abraham und Eldad Ben-Chetrit [2] berichten uumlber eine 34-jaumlhrigekinderlose Patientin die sich in ihrer Klinikambulanz augrund einesmakulopapuloumlsen Exanthems des Gesichtes und der Extremitaumlten vor-stellte Die Laboruntersuchungen waren bis au einen erhoumlhten iteruumlr antinukleaumlre Antikoumlrper unauffaumlllig Die immunhistologische Un-tersuchung der Haut ergab bandoumlrmige Praumlzipitationen von Imunglo-bulinen und Komplement (positiver Lupusbandtest LB) Diagnosti-

ziert wurde ein diskoider Lupus erythematodes und eine Behandlungmit Hydroxychloroquin wurde eingeleitet Anamnestisch ist zu erwaumlh-nen dass die Patientin vor zwei Jahren augrund von Inertilitaumlt miteiner Kombination von humanem menopausalem und Chorion-Gona-dotropin sowie Clomiphen behandelt worden war wobei acht Zyklender Kombination verabreicht wurden und ein entsprechendes Anstei-gen der Oumlstradiolspiegel registriert werden konnte Drei Monate nachAbschluss des letzten Zyklus waren die genannten Hauterscheinungenaugetreten Unter der begonnen Behandlung mit Hydroxychloroquinkam es zwar zu einer Besserung der Symptome jedoch bestand weiter-hin Kinderwunsch bei Inertilitaumlt so dass Hydroxychloroquin schlieszlig-lich abgesetzt und zwei weitere Zyklen der Kombination von Gona-dotropinen mit Clomiphen verabreicht wurden Die Patientin wurdedaran anschlieszligend zwar schwanger erlitt jedoch in der 20 SSW einenSpontanabort Zwei Wochen spaumlter wurde sie augrund von Dyspnoeund peripheren Oumldemen stationaumlr augenommen Der arterielle Blut-druck war mit 180120 mmHg erhoumlht die klinische Untersuchung unddie Roumlntgenaunahme des Torax ergaben Pleuraerguumlsse au beidenSeiten Laborchemisch zeigte sich eine Anaumlmie von 8 mgdl eine Nie-renunktionseinschraumlnkung (Kreatininclearance 21 mlmin) und eineProteinurie (4 g24 Stunden) Antinukleaumlre Antikoumlrper und Anticar-diolipin-Antikoumlrper waren im Serum nachweisbar der Coombs-estwar positiv Die Begutachtung der durchgeuumlhrten Nierenbiopsie ergabden Beund einer rapid progressiven Glomerulonephritis Die Patien-tin erhielt intravenoumls Methylprednisolon in taumlglichen Dosierungen von

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4124 Fehler bei der Arzneitherapie

einem Gramm und eine anschlieszligende perorale Erhaltungstherapiemit 15 mg Methylprednisolondie wobei sie die vorgeschlagene Be-

handlung mit Cyclophosphamid ablehnte Unter diesem Terapiere-gime trat zwar eine Besserung ein jedoch persistierten Nierenunkti-onseinschraumlnkung (Kreatinclearance 28 mlmin) und Proteinurie (1 g24 Stunden)

Kommentar zu den Faumlllen 5 und 6 Zusammenassend wurde in beidenFaumlllen die Diagnose einer Oumlstradiol-induzierten Immunvaskulitis ge-

stellt Im Fall 5 war uumlber 8 Jahre ein Ovulationshemmer eingenommenworden bevor sich die Lupus erythematodes-aumlhnlichen Symptomebei der Patientin entwickelten Im Fall 6 war es unter einer Ovulati-ons-induzierenden Behandlung mit humanen Gonadotropinen undClomiphen und entsprechendem Anstieg der Oumlstradiolspiegel zu ei-ner schwergradigen Lupus erythematodes aumlhnlichen Symptomatik mitpersistierender Funktionsstoumlrung der Nieren gekommen Seit Ende dersechziger Jahre wurden in der Literatur vergleichbare Faumllle berichtet(Kirch und Belz [3]) Auch im ierversuch wurden durch Oumlstrogenga-be verursachte Panarteritis nodosa-aumlhnliche Erkrankungen beobachtetBekannt ist dass Schwangerschafen den Verlau von Erkrankungenaus dem Formenkreis der Kollagenosen guumlnstig aber auch unguumlnstigbeein1047298ussen koumlnnen wobei die Frage diskutiert wird ob Ethinyloumlstra-diol-Antikoumlrper dauumlr verantwortlich sind Bei aumltiologisch ungeklaumlrtenErkrankungen im Sinne einer Immunvaskulitis sollte daran gedachtwerden dass in seltenen Faumlllen Oumlstrogen-haltige orale Kontrazepti-

va wie auch eine Ovulations-induzierende Hormonbehandlung diese verursachen koumlnnen Deshalb ist ein Auslassversuch der Medikamenteanzustreben wobei beachtet werden muss dass sich die Symptomatikof erst vier bis 6 Monate spaumlter zuruumlckbildet

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4 125Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 7

Kirch und Belz [3] berichten uumlber eine 44-jaumlhrige 121 kg schwerePatientin die eine Fastenkur (600 kcal taumlglich) beginnt wobei in denersten zehn agen eine Gewichtsreduktion von 131 kg erreicht wirdGleichzeitig wird aus nicht genannten Gruumlnden mit Furosemid thera-piert Als anlaumlsslich einer Routinelaboruntersuchung ein Anstieg derSerumharnsaumlure au 828 micromoll (139 mgdl) bei normalen Kreatininim Serum estgestellt wird wird eine Terapie mit dem Urikosurikum

Benzbromaron eingeleitet Zwei age nach Beginn der Behandlung mitBenzbromaron entwickelte die Patientin eine Oligoanurie und einen er-heblichen Anstieg des Serumkreatinins was zur stationaumlren Aunahmeuumlhrte Augrund des durchgeuumlhrten Fastens und der Verabreichung

von Furosemid wurden von den Klinikaumlrzten unter der Annahme einespraumlrenalen Nierenversagens rehydrierende Maszlignahmen durchgeuumlhrtAls sich jedoch bei der Kontrolle des Urinsedimentes amorphe Urat-kristalle in groszliger Zahl nachweisen lieszligen wurde eine Uratnephropa-thie diagnostiziert Nach Alkalisierung des Urins und Gabe von Allo-purinol kam die Urinproduktion innerhalb der naumlchsten age in Gangund die Nierenunktion normalisierte sich

Kommentar zu dem Fall 7 Im Verlau von Fastenkuren kommt es durchdie Mobilisierung von Fettdepots zur Freisetzung reier Fettsaumlurenund zur Ketoazidose Die vermehrt anallenden Ketonkoumlrper hemmenkompetitiv die renale Harnsaumlureausscheidung woraus eine Hyperurik-aumlmie resultieren kann Urikosurika erhoumlhen die Harnsaumlureeliminationdurch Hemmung der renalen tubulaumlren Ruumlckresorption Im geschil-derten Fall kam es durch die Verabreichung von Benzbromaron zu ei-ner massiven Hyperurikosurie in deren Folge Urate vermehrt in denubuli der Nieren ausgeaumlllt wurden Die Praumlzipitation der Uratkristallewurde durch einen sauren Primaumlrharn inolge der bestehenden Ketoa-zidose beguumlnstigt und uumlhrte schlieszliglich zur Uratnephropathie wobei

von den behandelnden Aumlrzten zunaumlchst aumllschlicherweise von einempraumlrenalen Nierenversagen ausgegangen wurde Im Verlaue von Fas-

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4126 Fehler bei der Arzneitherapie

tenkuren ist stets au eine ausreichende Fluumlssigkeitszuuhr zu achtenbei einer Hyperurikaumlmie sollte eine Harnalkalisierung und die Gabe

von Allopurinol durchgeuumlhrt werden Benzbromaron sollte augrunddes Risikos einer Urikosurika-induzierten Uratnephropathie asten-den Patienten nicht verabreicht werden

Resuumlmee

Fehler bei der Arzneitherapie koumlnnen einerseits zum Ausbleiben dererwuumlnschten Wirkung uumlhren Andererseits kann das Aufreten un-erwuumlnschter Wirkungen verursacht werden Zur Vermeidung vonpharmakotherapiebedingten Fehldiagnosen ist eine praumlzise Erhebungder Medikamentenanamnese unabdingbar Bei der klinischen Unter-suchung ist au charakteristische moumlglicherweise Arzneimittel-indu-zierte Beunde zu achten Die unterschiedlich groszlige Latenzzeit zwi-schen Minuten und Monaten vom Beginn der Gabe des Arzneimittelsbis zum Aufreten von Nebenwirkungen ist zu beruumlcksichtigen Beiraglichen Medikamenten-bedingten bzw seltenen Symptomen sindentsprechende Inormationen durch Verwendung spezialisierter Nach-schlagewerke Literaturrecherchen oder Anragen bei der Herstellerfir-ma oder einem der von Universitaumltskliniken angebotenen Arzneimit-telberatungsdienste einzuholen Bei entsprechendem Verdacht ist dasbetroffene Pharmakon ruumlhzeitig abzusetzen

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4 127Fehler bei der Arzneitherapie

1 Arico M Boccalatte MF Silvestri D

et al Osteonecrosis an emerging

complication o intensive chemothe-

rapy or childhood acute lymphoblas-

tic leukemia Haematologica 2003

88747 ndash 753

2 Ben-Chetrit A Ben-Chetrit E Syste-

mic lupus erythematodes induced by

ovulation induction treatment Arth-

ritis Rheum 1994 371614 ndash 1617

3 Kirch W Belz GG Pharmakothera-

pie-bedingte Fehldiagnosen In Kirch

W (Hrsg) Fehldiagnosen in der Inne-

ren Medizin Stuttgart Fischer 1992

S 327 ndash 353

4 Kirch W Shapiro F Foumllsch UR Health

care quality misdiagnosis at a Uni-

versity hospital in five medical eras J

Public Health 2004 12154 ndash 161

5 Nasser SM Ewan PW Depot cortico-

steroid treatment or hay ever cau-

sing avascular necrosis o both hips

Brit Med J 2001 3221589 ndash 1591

6 Schindler C Paumlssler L Kirch W Se-

vere temporomandibular dysunction

and joint destruction afer intraarti-

cular injection o triamcinolon J Oral

Pathol Med 2004 im Druck

7 reasure RA Fowler PB Millington

H Misdiagnosis o diabetic ketoa-

cidosis as hyperventilation syndrome

Brit Med J 1987 294630

Literatur

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4 119Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 3

Eine 29-jaumlhrige Patientin mit chronischen Ruumlckenschmerzen und Ver-dacht au Kieergelenkarthrose wurde durch ihren behandelnden Or-thopaumlden an einen ambulant taumltigen zahnaumlrztlichen Chirurgen unterder Annahme uumlberwiesen es bestehe ein Zusammenhang zwischeneiner vermuteten Kieergelenkerkrankung und den vorliegenden Ruuml-ckenschmerzen (Schindler et al [6]) Vom zahnaumlrztlichen Chirurgenwurde eine bdquoCapsulitisldquo des rechten Kieergelenkes konstatiert obwohl

das Kieergelenk vollstaumlndig beweglich und schmerzrei war und auchanamnestisch kein Hinweis uumlr ein rauma oder eine Arthritis bestandDer Zahnaumlrztliche Chirurg verabreichte 40 mg einer riamcinolon-kristallsuspension intrartikulaumlr worunter sich die Ruumlckenschmerzender Patientin leicht besserten Jedoch entwickelte sie innerhalb von 4Monaten nach der Behandlung progrediente Schmerzen im rechtenKieergelenk sowie rismus Durch eine erneute Injektion von 40 mgriamcinolonkristallsuspension wurde eine Besserung der Beschwer-den nicht erreicht Die Behandlung mit einem Okklusionssplint linder-te die Schmerzen zwar leicht jedoch entwickelte sich ein krepitieren-des Geraumlusch das beim Oumlffnen bzw Schlieszligen des Mundes konstant

vorhanden war Durch die Hauszahnaumlrztin die die Patientin wegender anhaltenden Schmerzen schlieszliglich ausuchte wurde eine Com-putertomographie veranlasst die ausgedehnte KnorpeldestruktionenNekrosen und knoumlchernde Appositionen im Bereich des Kondylusdes rechten Kieergelenkes zeigte Dabei war der Gelenkspalt durchdie knoumlcherende Apposition ast vollstaumlndig ausgeuumlllt ( gt Abb 41) Nach Diskektomie und plastischer Gelenkrekonstruktion war der Zu-stand der Patientin immerhin insoweit gebessert dass sie nun in derLage war den Mund maximal 35 cm Zentimeter ohne Aufreten vonSchmerzen zu oumlffnen

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4120 Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 4

Nasser und Ewan [5] schildern den Fall eines 42-jaumlhrigen Patientender seit seinem 21 Lebensjahr unter bdquoHeuschnupenldquo litt wobei regel-maumlszligig von Juni bis Juli eine Schwellung der Uvula prouse Rhinor-rhoen mit nasaler Obstruktion und eine Konjunktivitis aufraten undeine Graumlser- und Baumpollenallergie nachgewiesen worden waren Inden vergangenen Jahren hatte sich bei der Patientin zusaumltzlich ein al-

⊡ Abb 41

Computertomographie einer 29-jaumlhrigen Patientin nach Injektion

von 80 mg Triamcinolon in das rechte Kiefergelenk ( gt knoumlcherne

Apposition)

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4 121Fehler bei der Arzneitherapie

lergisches Asthma bronchiale entwickelt Die Verabreichung von An-tihistaminika und verschiedener topischer Glukokortikoidpraumlparate

wie Beclometason Fluticason und Budesonid war erolglos gebliebenDaher wurden vom Hausarzt zwischen 1987 und 1997 insgesamt 16 in-tramuskulaumlre Injektionen mit Depotkortikosteroidpraumlparaten durchge-uumlhrt wobei insgesamt 360 mg riamcinolon und 560 mg Methylpred-nisolon gegeben wurden Nach den Injektionen bestand Symptomlin-derung uumlr jeweils sechs Wochen Im August 1997 traten anhaltendeSchmerzen des rechten Huumlfgelenkes und wenige Monate spaumlter auch

des linken Huumlfgelenkes au Die kernspintomographische Aunahmezeigte Signalintensitaumltsminderung des gesamten rechten Huumlfkopesinolge einer avaskulaumlren Nekrose mit umgebendem Oumldem Im linkenHuumlfgelenk zeigten sich die gleichen Veraumlnderungen in geringeremAusmaszlig Der Patient war Nichtraucher konsumierte keinen AlkoholAnamnestisch bestanden keine Vorerkrankungen des Skelettsystemsoder der Muskulatur

Kommentar zu den Faumlllen 3 und 4 Das Risiko des Aufretens Kortiko-id-induzierter avaskulaumlrer Osteonekrosen ist dosisabhaumlngig Daruumlberhinaus scheinen ein Lebensalter zwischen 30 und 45 Jahren weiblichesGeschlecht genetische Faktoren Alkoholkonsum und Drogenabususpraumldisponierend zu sein Es besteht eine Abhaumlngigkeit des Aufretensavaskulaumlrer Osteonekrosen von der verabreichten Kortikoiddosis [3]Terapeutisch musste im vorliegenden Fall [4] eines 42-jaumlhrigen Pa-tienten augrund der stark ausgepraumlgten Huumlfkopnekrose ein endo-prothetischer Gelenkersatz erwogen werden Im Fall der geschilderten29-jaumlhrigen Patientin [6] mit Kieergelenksdestruktion ist uumlber dieKortikoid-induzierte avaskulaumlre Osteonekrose hinaus eine Inektiondurch die unsachgemaumlszlige Injektion und Verletzung von Knorpel sowiePeriost durch riamcinolonkristalle (bdquoKristallarthropathieldquo) als wei-tere pathogenetische Ursache in Betracht zu ziehen Fuumlr die intraarti-kulaumlre Applikation von Glukokortikoiden sollten daher ausschlieszliglichZubereitungen mit hoher Wasserloumlslichkeit verwendet werden (keinekristalloiden Loumlsungen) wobei maximal 10 mg riamcinolon in klei-

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4122 Fehler bei der Arzneitherapie

ne Gelenke injiziert werden duumlren Glukokortikoide sollten bei aller-gischen Geschehen des oberen Respirationstraktes nach Moumlglichkeit

nicht parenteral in hohen Dosen verabreicht werden Allenalls koumlnnendiese kurzristig und ausschlieszliglich oral in der niedrigsten noch wirk-samen Dosis gegeben werden Intramuskulaumlre Injektionen sollten nichterolgen

Fall 5

Eine 31-jaumlhrige Patientin hatte als Ovulationshemmer seit 10 Jahren025 mg Levonorgestrel und 005 mg Ethinyloumlstradiol eingenommenSie entwickelte arthritische Beschwerden ein Gesichtserythem oraleUlzerationen eine Lymphozytopenie Anaumlmie und Mikrohaumlmatu-rie Die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) war mit 62100 mm er-houmlht Die genannten Symptome und Beunde bestanden uumlber einenZeitraum von zwei Jahren (Arico et al [1]) Diagnostiziert wurde einLupus erythematodes disseminatus Von ihrem Hausarzt wurde diePatientin wegen der Gelenkbeschwerden lediglich mit nichtsteroida-len Antiphlogistika behandelt Zur weiteren Diagnostik erolgten eineNierenbiopsie konsiliarische gynaumlkologische Hals- Nasen- und Oh-renaumlrztliche zahnaumlrztliche dermatologische sowie ophtalmologischeUntersuchungen die jedoch keine richtungsweisenden Resultate erga-ben Die durchgeuumlhrte Haut-Muskelbiopsie zeigte den Beund einerleukozytoklastischen Vaskulitis Nachdem schlieszliglich erwogen wurdedass die Kontrazeptiva-Einnahme (Oumlstrogene) uumlr die genannten Sym-ptome und klinischen Erscheinungen verantwortlich sein koumlnnte wur-de der Ovulationshemmer abgesetzt Darauin traten eine vollstaumln-dige Ruumlckbildung der Gelenkbeschwerden des Gesichtserythems undeine Normalisierung des subjektiven Befindens der Patientin innerhalb

von zehn Wochen ein und die genannten Laborveraumlnderungen wareninnerhalb von dreieinhalb Monaten reversibel Im weiteren Beobach-tungszeitraum von sechs Jahren wurden Lupus Erythematodes-aumlhnli-che Symptome bei der Patientin nicht wieder gesehen

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4 123Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 6

Abraham und Eldad Ben-Chetrit [2] berichten uumlber eine 34-jaumlhrigekinderlose Patientin die sich in ihrer Klinikambulanz augrund einesmakulopapuloumlsen Exanthems des Gesichtes und der Extremitaumlten vor-stellte Die Laboruntersuchungen waren bis au einen erhoumlhten iteruumlr antinukleaumlre Antikoumlrper unauffaumlllig Die immunhistologische Un-tersuchung der Haut ergab bandoumlrmige Praumlzipitationen von Imunglo-bulinen und Komplement (positiver Lupusbandtest LB) Diagnosti-

ziert wurde ein diskoider Lupus erythematodes und eine Behandlungmit Hydroxychloroquin wurde eingeleitet Anamnestisch ist zu erwaumlh-nen dass die Patientin vor zwei Jahren augrund von Inertilitaumlt miteiner Kombination von humanem menopausalem und Chorion-Gona-dotropin sowie Clomiphen behandelt worden war wobei acht Zyklender Kombination verabreicht wurden und ein entsprechendes Anstei-gen der Oumlstradiolspiegel registriert werden konnte Drei Monate nachAbschluss des letzten Zyklus waren die genannten Hauterscheinungenaugetreten Unter der begonnen Behandlung mit Hydroxychloroquinkam es zwar zu einer Besserung der Symptome jedoch bestand weiter-hin Kinderwunsch bei Inertilitaumlt so dass Hydroxychloroquin schlieszlig-lich abgesetzt und zwei weitere Zyklen der Kombination von Gona-dotropinen mit Clomiphen verabreicht wurden Die Patientin wurdedaran anschlieszligend zwar schwanger erlitt jedoch in der 20 SSW einenSpontanabort Zwei Wochen spaumlter wurde sie augrund von Dyspnoeund peripheren Oumldemen stationaumlr augenommen Der arterielle Blut-druck war mit 180120 mmHg erhoumlht die klinische Untersuchung unddie Roumlntgenaunahme des Torax ergaben Pleuraerguumlsse au beidenSeiten Laborchemisch zeigte sich eine Anaumlmie von 8 mgdl eine Nie-renunktionseinschraumlnkung (Kreatininclearance 21 mlmin) und eineProteinurie (4 g24 Stunden) Antinukleaumlre Antikoumlrper und Anticar-diolipin-Antikoumlrper waren im Serum nachweisbar der Coombs-estwar positiv Die Begutachtung der durchgeuumlhrten Nierenbiopsie ergabden Beund einer rapid progressiven Glomerulonephritis Die Patien-tin erhielt intravenoumls Methylprednisolon in taumlglichen Dosierungen von

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4124 Fehler bei der Arzneitherapie

einem Gramm und eine anschlieszligende perorale Erhaltungstherapiemit 15 mg Methylprednisolondie wobei sie die vorgeschlagene Be-

handlung mit Cyclophosphamid ablehnte Unter diesem Terapiere-gime trat zwar eine Besserung ein jedoch persistierten Nierenunkti-onseinschraumlnkung (Kreatinclearance 28 mlmin) und Proteinurie (1 g24 Stunden)

Kommentar zu den Faumlllen 5 und 6 Zusammenassend wurde in beidenFaumlllen die Diagnose einer Oumlstradiol-induzierten Immunvaskulitis ge-

stellt Im Fall 5 war uumlber 8 Jahre ein Ovulationshemmer eingenommenworden bevor sich die Lupus erythematodes-aumlhnlichen Symptomebei der Patientin entwickelten Im Fall 6 war es unter einer Ovulati-ons-induzierenden Behandlung mit humanen Gonadotropinen undClomiphen und entsprechendem Anstieg der Oumlstradiolspiegel zu ei-ner schwergradigen Lupus erythematodes aumlhnlichen Symptomatik mitpersistierender Funktionsstoumlrung der Nieren gekommen Seit Ende dersechziger Jahre wurden in der Literatur vergleichbare Faumllle berichtet(Kirch und Belz [3]) Auch im ierversuch wurden durch Oumlstrogenga-be verursachte Panarteritis nodosa-aumlhnliche Erkrankungen beobachtetBekannt ist dass Schwangerschafen den Verlau von Erkrankungenaus dem Formenkreis der Kollagenosen guumlnstig aber auch unguumlnstigbeein1047298ussen koumlnnen wobei die Frage diskutiert wird ob Ethinyloumlstra-diol-Antikoumlrper dauumlr verantwortlich sind Bei aumltiologisch ungeklaumlrtenErkrankungen im Sinne einer Immunvaskulitis sollte daran gedachtwerden dass in seltenen Faumlllen Oumlstrogen-haltige orale Kontrazepti-

va wie auch eine Ovulations-induzierende Hormonbehandlung diese verursachen koumlnnen Deshalb ist ein Auslassversuch der Medikamenteanzustreben wobei beachtet werden muss dass sich die Symptomatikof erst vier bis 6 Monate spaumlter zuruumlckbildet

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4 125Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 7

Kirch und Belz [3] berichten uumlber eine 44-jaumlhrige 121 kg schwerePatientin die eine Fastenkur (600 kcal taumlglich) beginnt wobei in denersten zehn agen eine Gewichtsreduktion von 131 kg erreicht wirdGleichzeitig wird aus nicht genannten Gruumlnden mit Furosemid thera-piert Als anlaumlsslich einer Routinelaboruntersuchung ein Anstieg derSerumharnsaumlure au 828 micromoll (139 mgdl) bei normalen Kreatininim Serum estgestellt wird wird eine Terapie mit dem Urikosurikum

Benzbromaron eingeleitet Zwei age nach Beginn der Behandlung mitBenzbromaron entwickelte die Patientin eine Oligoanurie und einen er-heblichen Anstieg des Serumkreatinins was zur stationaumlren Aunahmeuumlhrte Augrund des durchgeuumlhrten Fastens und der Verabreichung

von Furosemid wurden von den Klinikaumlrzten unter der Annahme einespraumlrenalen Nierenversagens rehydrierende Maszlignahmen durchgeuumlhrtAls sich jedoch bei der Kontrolle des Urinsedimentes amorphe Urat-kristalle in groszliger Zahl nachweisen lieszligen wurde eine Uratnephropa-thie diagnostiziert Nach Alkalisierung des Urins und Gabe von Allo-purinol kam die Urinproduktion innerhalb der naumlchsten age in Gangund die Nierenunktion normalisierte sich

Kommentar zu dem Fall 7 Im Verlau von Fastenkuren kommt es durchdie Mobilisierung von Fettdepots zur Freisetzung reier Fettsaumlurenund zur Ketoazidose Die vermehrt anallenden Ketonkoumlrper hemmenkompetitiv die renale Harnsaumlureausscheidung woraus eine Hyperurik-aumlmie resultieren kann Urikosurika erhoumlhen die Harnsaumlureeliminationdurch Hemmung der renalen tubulaumlren Ruumlckresorption Im geschil-derten Fall kam es durch die Verabreichung von Benzbromaron zu ei-ner massiven Hyperurikosurie in deren Folge Urate vermehrt in denubuli der Nieren ausgeaumlllt wurden Die Praumlzipitation der Uratkristallewurde durch einen sauren Primaumlrharn inolge der bestehenden Ketoa-zidose beguumlnstigt und uumlhrte schlieszliglich zur Uratnephropathie wobei

von den behandelnden Aumlrzten zunaumlchst aumllschlicherweise von einempraumlrenalen Nierenversagen ausgegangen wurde Im Verlaue von Fas-

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4126 Fehler bei der Arzneitherapie

tenkuren ist stets au eine ausreichende Fluumlssigkeitszuuhr zu achtenbei einer Hyperurikaumlmie sollte eine Harnalkalisierung und die Gabe

von Allopurinol durchgeuumlhrt werden Benzbromaron sollte augrunddes Risikos einer Urikosurika-induzierten Uratnephropathie asten-den Patienten nicht verabreicht werden

Resuumlmee

Fehler bei der Arzneitherapie koumlnnen einerseits zum Ausbleiben dererwuumlnschten Wirkung uumlhren Andererseits kann das Aufreten un-erwuumlnschter Wirkungen verursacht werden Zur Vermeidung vonpharmakotherapiebedingten Fehldiagnosen ist eine praumlzise Erhebungder Medikamentenanamnese unabdingbar Bei der klinischen Unter-suchung ist au charakteristische moumlglicherweise Arzneimittel-indu-zierte Beunde zu achten Die unterschiedlich groszlige Latenzzeit zwi-schen Minuten und Monaten vom Beginn der Gabe des Arzneimittelsbis zum Aufreten von Nebenwirkungen ist zu beruumlcksichtigen Beiraglichen Medikamenten-bedingten bzw seltenen Symptomen sindentsprechende Inormationen durch Verwendung spezialisierter Nach-schlagewerke Literaturrecherchen oder Anragen bei der Herstellerfir-ma oder einem der von Universitaumltskliniken angebotenen Arzneimit-telberatungsdienste einzuholen Bei entsprechendem Verdacht ist dasbetroffene Pharmakon ruumlhzeitig abzusetzen

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4 127Fehler bei der Arzneitherapie

1 Arico M Boccalatte MF Silvestri D

et al Osteonecrosis an emerging

complication o intensive chemothe-

rapy or childhood acute lymphoblas-

tic leukemia Haematologica 2003

88747 ndash 753

2 Ben-Chetrit A Ben-Chetrit E Syste-

mic lupus erythematodes induced by

ovulation induction treatment Arth-

ritis Rheum 1994 371614 ndash 1617

3 Kirch W Belz GG Pharmakothera-

pie-bedingte Fehldiagnosen In Kirch

W (Hrsg) Fehldiagnosen in der Inne-

ren Medizin Stuttgart Fischer 1992

S 327 ndash 353

4 Kirch W Shapiro F Foumllsch UR Health

care quality misdiagnosis at a Uni-

versity hospital in five medical eras J

Public Health 2004 12154 ndash 161

5 Nasser SM Ewan PW Depot cortico-

steroid treatment or hay ever cau-

sing avascular necrosis o both hips

Brit Med J 2001 3221589 ndash 1591

6 Schindler C Paumlssler L Kirch W Se-

vere temporomandibular dysunction

and joint destruction afer intraarti-

cular injection o triamcinolon J Oral

Pathol Med 2004 im Druck

7 reasure RA Fowler PB Millington

H Misdiagnosis o diabetic ketoa-

cidosis as hyperventilation syndrome

Brit Med J 1987 294630

Literatur

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4120 Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 4

Nasser und Ewan [5] schildern den Fall eines 42-jaumlhrigen Patientender seit seinem 21 Lebensjahr unter bdquoHeuschnupenldquo litt wobei regel-maumlszligig von Juni bis Juli eine Schwellung der Uvula prouse Rhinor-rhoen mit nasaler Obstruktion und eine Konjunktivitis aufraten undeine Graumlser- und Baumpollenallergie nachgewiesen worden waren Inden vergangenen Jahren hatte sich bei der Patientin zusaumltzlich ein al-

⊡ Abb 41

Computertomographie einer 29-jaumlhrigen Patientin nach Injektion

von 80 mg Triamcinolon in das rechte Kiefergelenk ( gt knoumlcherne

Apposition)

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4 121Fehler bei der Arzneitherapie

lergisches Asthma bronchiale entwickelt Die Verabreichung von An-tihistaminika und verschiedener topischer Glukokortikoidpraumlparate

wie Beclometason Fluticason und Budesonid war erolglos gebliebenDaher wurden vom Hausarzt zwischen 1987 und 1997 insgesamt 16 in-tramuskulaumlre Injektionen mit Depotkortikosteroidpraumlparaten durchge-uumlhrt wobei insgesamt 360 mg riamcinolon und 560 mg Methylpred-nisolon gegeben wurden Nach den Injektionen bestand Symptomlin-derung uumlr jeweils sechs Wochen Im August 1997 traten anhaltendeSchmerzen des rechten Huumlfgelenkes und wenige Monate spaumlter auch

des linken Huumlfgelenkes au Die kernspintomographische Aunahmezeigte Signalintensitaumltsminderung des gesamten rechten Huumlfkopesinolge einer avaskulaumlren Nekrose mit umgebendem Oumldem Im linkenHuumlfgelenk zeigten sich die gleichen Veraumlnderungen in geringeremAusmaszlig Der Patient war Nichtraucher konsumierte keinen AlkoholAnamnestisch bestanden keine Vorerkrankungen des Skelettsystemsoder der Muskulatur

Kommentar zu den Faumlllen 3 und 4 Das Risiko des Aufretens Kortiko-id-induzierter avaskulaumlrer Osteonekrosen ist dosisabhaumlngig Daruumlberhinaus scheinen ein Lebensalter zwischen 30 und 45 Jahren weiblichesGeschlecht genetische Faktoren Alkoholkonsum und Drogenabususpraumldisponierend zu sein Es besteht eine Abhaumlngigkeit des Aufretensavaskulaumlrer Osteonekrosen von der verabreichten Kortikoiddosis [3]Terapeutisch musste im vorliegenden Fall [4] eines 42-jaumlhrigen Pa-tienten augrund der stark ausgepraumlgten Huumlfkopnekrose ein endo-prothetischer Gelenkersatz erwogen werden Im Fall der geschilderten29-jaumlhrigen Patientin [6] mit Kieergelenksdestruktion ist uumlber dieKortikoid-induzierte avaskulaumlre Osteonekrose hinaus eine Inektiondurch die unsachgemaumlszlige Injektion und Verletzung von Knorpel sowiePeriost durch riamcinolonkristalle (bdquoKristallarthropathieldquo) als wei-tere pathogenetische Ursache in Betracht zu ziehen Fuumlr die intraarti-kulaumlre Applikation von Glukokortikoiden sollten daher ausschlieszliglichZubereitungen mit hoher Wasserloumlslichkeit verwendet werden (keinekristalloiden Loumlsungen) wobei maximal 10 mg riamcinolon in klei-

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4122 Fehler bei der Arzneitherapie

ne Gelenke injiziert werden duumlren Glukokortikoide sollten bei aller-gischen Geschehen des oberen Respirationstraktes nach Moumlglichkeit

nicht parenteral in hohen Dosen verabreicht werden Allenalls koumlnnendiese kurzristig und ausschlieszliglich oral in der niedrigsten noch wirk-samen Dosis gegeben werden Intramuskulaumlre Injektionen sollten nichterolgen

Fall 5

Eine 31-jaumlhrige Patientin hatte als Ovulationshemmer seit 10 Jahren025 mg Levonorgestrel und 005 mg Ethinyloumlstradiol eingenommenSie entwickelte arthritische Beschwerden ein Gesichtserythem oraleUlzerationen eine Lymphozytopenie Anaumlmie und Mikrohaumlmatu-rie Die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) war mit 62100 mm er-houmlht Die genannten Symptome und Beunde bestanden uumlber einenZeitraum von zwei Jahren (Arico et al [1]) Diagnostiziert wurde einLupus erythematodes disseminatus Von ihrem Hausarzt wurde diePatientin wegen der Gelenkbeschwerden lediglich mit nichtsteroida-len Antiphlogistika behandelt Zur weiteren Diagnostik erolgten eineNierenbiopsie konsiliarische gynaumlkologische Hals- Nasen- und Oh-renaumlrztliche zahnaumlrztliche dermatologische sowie ophtalmologischeUntersuchungen die jedoch keine richtungsweisenden Resultate erga-ben Die durchgeuumlhrte Haut-Muskelbiopsie zeigte den Beund einerleukozytoklastischen Vaskulitis Nachdem schlieszliglich erwogen wurdedass die Kontrazeptiva-Einnahme (Oumlstrogene) uumlr die genannten Sym-ptome und klinischen Erscheinungen verantwortlich sein koumlnnte wur-de der Ovulationshemmer abgesetzt Darauin traten eine vollstaumln-dige Ruumlckbildung der Gelenkbeschwerden des Gesichtserythems undeine Normalisierung des subjektiven Befindens der Patientin innerhalb

von zehn Wochen ein und die genannten Laborveraumlnderungen wareninnerhalb von dreieinhalb Monaten reversibel Im weiteren Beobach-tungszeitraum von sechs Jahren wurden Lupus Erythematodes-aumlhnli-che Symptome bei der Patientin nicht wieder gesehen

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4 123Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 6

Abraham und Eldad Ben-Chetrit [2] berichten uumlber eine 34-jaumlhrigekinderlose Patientin die sich in ihrer Klinikambulanz augrund einesmakulopapuloumlsen Exanthems des Gesichtes und der Extremitaumlten vor-stellte Die Laboruntersuchungen waren bis au einen erhoumlhten iteruumlr antinukleaumlre Antikoumlrper unauffaumlllig Die immunhistologische Un-tersuchung der Haut ergab bandoumlrmige Praumlzipitationen von Imunglo-bulinen und Komplement (positiver Lupusbandtest LB) Diagnosti-

ziert wurde ein diskoider Lupus erythematodes und eine Behandlungmit Hydroxychloroquin wurde eingeleitet Anamnestisch ist zu erwaumlh-nen dass die Patientin vor zwei Jahren augrund von Inertilitaumlt miteiner Kombination von humanem menopausalem und Chorion-Gona-dotropin sowie Clomiphen behandelt worden war wobei acht Zyklender Kombination verabreicht wurden und ein entsprechendes Anstei-gen der Oumlstradiolspiegel registriert werden konnte Drei Monate nachAbschluss des letzten Zyklus waren die genannten Hauterscheinungenaugetreten Unter der begonnen Behandlung mit Hydroxychloroquinkam es zwar zu einer Besserung der Symptome jedoch bestand weiter-hin Kinderwunsch bei Inertilitaumlt so dass Hydroxychloroquin schlieszlig-lich abgesetzt und zwei weitere Zyklen der Kombination von Gona-dotropinen mit Clomiphen verabreicht wurden Die Patientin wurdedaran anschlieszligend zwar schwanger erlitt jedoch in der 20 SSW einenSpontanabort Zwei Wochen spaumlter wurde sie augrund von Dyspnoeund peripheren Oumldemen stationaumlr augenommen Der arterielle Blut-druck war mit 180120 mmHg erhoumlht die klinische Untersuchung unddie Roumlntgenaunahme des Torax ergaben Pleuraerguumlsse au beidenSeiten Laborchemisch zeigte sich eine Anaumlmie von 8 mgdl eine Nie-renunktionseinschraumlnkung (Kreatininclearance 21 mlmin) und eineProteinurie (4 g24 Stunden) Antinukleaumlre Antikoumlrper und Anticar-diolipin-Antikoumlrper waren im Serum nachweisbar der Coombs-estwar positiv Die Begutachtung der durchgeuumlhrten Nierenbiopsie ergabden Beund einer rapid progressiven Glomerulonephritis Die Patien-tin erhielt intravenoumls Methylprednisolon in taumlglichen Dosierungen von

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4124 Fehler bei der Arzneitherapie

einem Gramm und eine anschlieszligende perorale Erhaltungstherapiemit 15 mg Methylprednisolondie wobei sie die vorgeschlagene Be-

handlung mit Cyclophosphamid ablehnte Unter diesem Terapiere-gime trat zwar eine Besserung ein jedoch persistierten Nierenunkti-onseinschraumlnkung (Kreatinclearance 28 mlmin) und Proteinurie (1 g24 Stunden)

Kommentar zu den Faumlllen 5 und 6 Zusammenassend wurde in beidenFaumlllen die Diagnose einer Oumlstradiol-induzierten Immunvaskulitis ge-

stellt Im Fall 5 war uumlber 8 Jahre ein Ovulationshemmer eingenommenworden bevor sich die Lupus erythematodes-aumlhnlichen Symptomebei der Patientin entwickelten Im Fall 6 war es unter einer Ovulati-ons-induzierenden Behandlung mit humanen Gonadotropinen undClomiphen und entsprechendem Anstieg der Oumlstradiolspiegel zu ei-ner schwergradigen Lupus erythematodes aumlhnlichen Symptomatik mitpersistierender Funktionsstoumlrung der Nieren gekommen Seit Ende dersechziger Jahre wurden in der Literatur vergleichbare Faumllle berichtet(Kirch und Belz [3]) Auch im ierversuch wurden durch Oumlstrogenga-be verursachte Panarteritis nodosa-aumlhnliche Erkrankungen beobachtetBekannt ist dass Schwangerschafen den Verlau von Erkrankungenaus dem Formenkreis der Kollagenosen guumlnstig aber auch unguumlnstigbeein1047298ussen koumlnnen wobei die Frage diskutiert wird ob Ethinyloumlstra-diol-Antikoumlrper dauumlr verantwortlich sind Bei aumltiologisch ungeklaumlrtenErkrankungen im Sinne einer Immunvaskulitis sollte daran gedachtwerden dass in seltenen Faumlllen Oumlstrogen-haltige orale Kontrazepti-

va wie auch eine Ovulations-induzierende Hormonbehandlung diese verursachen koumlnnen Deshalb ist ein Auslassversuch der Medikamenteanzustreben wobei beachtet werden muss dass sich die Symptomatikof erst vier bis 6 Monate spaumlter zuruumlckbildet

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4 125Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 7

Kirch und Belz [3] berichten uumlber eine 44-jaumlhrige 121 kg schwerePatientin die eine Fastenkur (600 kcal taumlglich) beginnt wobei in denersten zehn agen eine Gewichtsreduktion von 131 kg erreicht wirdGleichzeitig wird aus nicht genannten Gruumlnden mit Furosemid thera-piert Als anlaumlsslich einer Routinelaboruntersuchung ein Anstieg derSerumharnsaumlure au 828 micromoll (139 mgdl) bei normalen Kreatininim Serum estgestellt wird wird eine Terapie mit dem Urikosurikum

Benzbromaron eingeleitet Zwei age nach Beginn der Behandlung mitBenzbromaron entwickelte die Patientin eine Oligoanurie und einen er-heblichen Anstieg des Serumkreatinins was zur stationaumlren Aunahmeuumlhrte Augrund des durchgeuumlhrten Fastens und der Verabreichung

von Furosemid wurden von den Klinikaumlrzten unter der Annahme einespraumlrenalen Nierenversagens rehydrierende Maszlignahmen durchgeuumlhrtAls sich jedoch bei der Kontrolle des Urinsedimentes amorphe Urat-kristalle in groszliger Zahl nachweisen lieszligen wurde eine Uratnephropa-thie diagnostiziert Nach Alkalisierung des Urins und Gabe von Allo-purinol kam die Urinproduktion innerhalb der naumlchsten age in Gangund die Nierenunktion normalisierte sich

Kommentar zu dem Fall 7 Im Verlau von Fastenkuren kommt es durchdie Mobilisierung von Fettdepots zur Freisetzung reier Fettsaumlurenund zur Ketoazidose Die vermehrt anallenden Ketonkoumlrper hemmenkompetitiv die renale Harnsaumlureausscheidung woraus eine Hyperurik-aumlmie resultieren kann Urikosurika erhoumlhen die Harnsaumlureeliminationdurch Hemmung der renalen tubulaumlren Ruumlckresorption Im geschil-derten Fall kam es durch die Verabreichung von Benzbromaron zu ei-ner massiven Hyperurikosurie in deren Folge Urate vermehrt in denubuli der Nieren ausgeaumlllt wurden Die Praumlzipitation der Uratkristallewurde durch einen sauren Primaumlrharn inolge der bestehenden Ketoa-zidose beguumlnstigt und uumlhrte schlieszliglich zur Uratnephropathie wobei

von den behandelnden Aumlrzten zunaumlchst aumllschlicherweise von einempraumlrenalen Nierenversagen ausgegangen wurde Im Verlaue von Fas-

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4126 Fehler bei der Arzneitherapie

tenkuren ist stets au eine ausreichende Fluumlssigkeitszuuhr zu achtenbei einer Hyperurikaumlmie sollte eine Harnalkalisierung und die Gabe

von Allopurinol durchgeuumlhrt werden Benzbromaron sollte augrunddes Risikos einer Urikosurika-induzierten Uratnephropathie asten-den Patienten nicht verabreicht werden

Resuumlmee

Fehler bei der Arzneitherapie koumlnnen einerseits zum Ausbleiben dererwuumlnschten Wirkung uumlhren Andererseits kann das Aufreten un-erwuumlnschter Wirkungen verursacht werden Zur Vermeidung vonpharmakotherapiebedingten Fehldiagnosen ist eine praumlzise Erhebungder Medikamentenanamnese unabdingbar Bei der klinischen Unter-suchung ist au charakteristische moumlglicherweise Arzneimittel-indu-zierte Beunde zu achten Die unterschiedlich groszlige Latenzzeit zwi-schen Minuten und Monaten vom Beginn der Gabe des Arzneimittelsbis zum Aufreten von Nebenwirkungen ist zu beruumlcksichtigen Beiraglichen Medikamenten-bedingten bzw seltenen Symptomen sindentsprechende Inormationen durch Verwendung spezialisierter Nach-schlagewerke Literaturrecherchen oder Anragen bei der Herstellerfir-ma oder einem der von Universitaumltskliniken angebotenen Arzneimit-telberatungsdienste einzuholen Bei entsprechendem Verdacht ist dasbetroffene Pharmakon ruumlhzeitig abzusetzen

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4 127Fehler bei der Arzneitherapie

1 Arico M Boccalatte MF Silvestri D

et al Osteonecrosis an emerging

complication o intensive chemothe-

rapy or childhood acute lymphoblas-

tic leukemia Haematologica 2003

88747 ndash 753

2 Ben-Chetrit A Ben-Chetrit E Syste-

mic lupus erythematodes induced by

ovulation induction treatment Arth-

ritis Rheum 1994 371614 ndash 1617

3 Kirch W Belz GG Pharmakothera-

pie-bedingte Fehldiagnosen In Kirch

W (Hrsg) Fehldiagnosen in der Inne-

ren Medizin Stuttgart Fischer 1992

S 327 ndash 353

4 Kirch W Shapiro F Foumllsch UR Health

care quality misdiagnosis at a Uni-

versity hospital in five medical eras J

Public Health 2004 12154 ndash 161

5 Nasser SM Ewan PW Depot cortico-

steroid treatment or hay ever cau-

sing avascular necrosis o both hips

Brit Med J 2001 3221589 ndash 1591

6 Schindler C Paumlssler L Kirch W Se-

vere temporomandibular dysunction

and joint destruction afer intraarti-

cular injection o triamcinolon J Oral

Pathol Med 2004 im Druck

7 reasure RA Fowler PB Millington

H Misdiagnosis o diabetic ketoa-

cidosis as hyperventilation syndrome

Brit Med J 1987 294630

Literatur

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4 121Fehler bei der Arzneitherapie

lergisches Asthma bronchiale entwickelt Die Verabreichung von An-tihistaminika und verschiedener topischer Glukokortikoidpraumlparate

wie Beclometason Fluticason und Budesonid war erolglos gebliebenDaher wurden vom Hausarzt zwischen 1987 und 1997 insgesamt 16 in-tramuskulaumlre Injektionen mit Depotkortikosteroidpraumlparaten durchge-uumlhrt wobei insgesamt 360 mg riamcinolon und 560 mg Methylpred-nisolon gegeben wurden Nach den Injektionen bestand Symptomlin-derung uumlr jeweils sechs Wochen Im August 1997 traten anhaltendeSchmerzen des rechten Huumlfgelenkes und wenige Monate spaumlter auch

des linken Huumlfgelenkes au Die kernspintomographische Aunahmezeigte Signalintensitaumltsminderung des gesamten rechten Huumlfkopesinolge einer avaskulaumlren Nekrose mit umgebendem Oumldem Im linkenHuumlfgelenk zeigten sich die gleichen Veraumlnderungen in geringeremAusmaszlig Der Patient war Nichtraucher konsumierte keinen AlkoholAnamnestisch bestanden keine Vorerkrankungen des Skelettsystemsoder der Muskulatur

Kommentar zu den Faumlllen 3 und 4 Das Risiko des Aufretens Kortiko-id-induzierter avaskulaumlrer Osteonekrosen ist dosisabhaumlngig Daruumlberhinaus scheinen ein Lebensalter zwischen 30 und 45 Jahren weiblichesGeschlecht genetische Faktoren Alkoholkonsum und Drogenabususpraumldisponierend zu sein Es besteht eine Abhaumlngigkeit des Aufretensavaskulaumlrer Osteonekrosen von der verabreichten Kortikoiddosis [3]Terapeutisch musste im vorliegenden Fall [4] eines 42-jaumlhrigen Pa-tienten augrund der stark ausgepraumlgten Huumlfkopnekrose ein endo-prothetischer Gelenkersatz erwogen werden Im Fall der geschilderten29-jaumlhrigen Patientin [6] mit Kieergelenksdestruktion ist uumlber dieKortikoid-induzierte avaskulaumlre Osteonekrose hinaus eine Inektiondurch die unsachgemaumlszlige Injektion und Verletzung von Knorpel sowiePeriost durch riamcinolonkristalle (bdquoKristallarthropathieldquo) als wei-tere pathogenetische Ursache in Betracht zu ziehen Fuumlr die intraarti-kulaumlre Applikation von Glukokortikoiden sollten daher ausschlieszliglichZubereitungen mit hoher Wasserloumlslichkeit verwendet werden (keinekristalloiden Loumlsungen) wobei maximal 10 mg riamcinolon in klei-

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4122 Fehler bei der Arzneitherapie

ne Gelenke injiziert werden duumlren Glukokortikoide sollten bei aller-gischen Geschehen des oberen Respirationstraktes nach Moumlglichkeit

nicht parenteral in hohen Dosen verabreicht werden Allenalls koumlnnendiese kurzristig und ausschlieszliglich oral in der niedrigsten noch wirk-samen Dosis gegeben werden Intramuskulaumlre Injektionen sollten nichterolgen

Fall 5

Eine 31-jaumlhrige Patientin hatte als Ovulationshemmer seit 10 Jahren025 mg Levonorgestrel und 005 mg Ethinyloumlstradiol eingenommenSie entwickelte arthritische Beschwerden ein Gesichtserythem oraleUlzerationen eine Lymphozytopenie Anaumlmie und Mikrohaumlmatu-rie Die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) war mit 62100 mm er-houmlht Die genannten Symptome und Beunde bestanden uumlber einenZeitraum von zwei Jahren (Arico et al [1]) Diagnostiziert wurde einLupus erythematodes disseminatus Von ihrem Hausarzt wurde diePatientin wegen der Gelenkbeschwerden lediglich mit nichtsteroida-len Antiphlogistika behandelt Zur weiteren Diagnostik erolgten eineNierenbiopsie konsiliarische gynaumlkologische Hals- Nasen- und Oh-renaumlrztliche zahnaumlrztliche dermatologische sowie ophtalmologischeUntersuchungen die jedoch keine richtungsweisenden Resultate erga-ben Die durchgeuumlhrte Haut-Muskelbiopsie zeigte den Beund einerleukozytoklastischen Vaskulitis Nachdem schlieszliglich erwogen wurdedass die Kontrazeptiva-Einnahme (Oumlstrogene) uumlr die genannten Sym-ptome und klinischen Erscheinungen verantwortlich sein koumlnnte wur-de der Ovulationshemmer abgesetzt Darauin traten eine vollstaumln-dige Ruumlckbildung der Gelenkbeschwerden des Gesichtserythems undeine Normalisierung des subjektiven Befindens der Patientin innerhalb

von zehn Wochen ein und die genannten Laborveraumlnderungen wareninnerhalb von dreieinhalb Monaten reversibel Im weiteren Beobach-tungszeitraum von sechs Jahren wurden Lupus Erythematodes-aumlhnli-che Symptome bei der Patientin nicht wieder gesehen

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4 123Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 6

Abraham und Eldad Ben-Chetrit [2] berichten uumlber eine 34-jaumlhrigekinderlose Patientin die sich in ihrer Klinikambulanz augrund einesmakulopapuloumlsen Exanthems des Gesichtes und der Extremitaumlten vor-stellte Die Laboruntersuchungen waren bis au einen erhoumlhten iteruumlr antinukleaumlre Antikoumlrper unauffaumlllig Die immunhistologische Un-tersuchung der Haut ergab bandoumlrmige Praumlzipitationen von Imunglo-bulinen und Komplement (positiver Lupusbandtest LB) Diagnosti-

ziert wurde ein diskoider Lupus erythematodes und eine Behandlungmit Hydroxychloroquin wurde eingeleitet Anamnestisch ist zu erwaumlh-nen dass die Patientin vor zwei Jahren augrund von Inertilitaumlt miteiner Kombination von humanem menopausalem und Chorion-Gona-dotropin sowie Clomiphen behandelt worden war wobei acht Zyklender Kombination verabreicht wurden und ein entsprechendes Anstei-gen der Oumlstradiolspiegel registriert werden konnte Drei Monate nachAbschluss des letzten Zyklus waren die genannten Hauterscheinungenaugetreten Unter der begonnen Behandlung mit Hydroxychloroquinkam es zwar zu einer Besserung der Symptome jedoch bestand weiter-hin Kinderwunsch bei Inertilitaumlt so dass Hydroxychloroquin schlieszlig-lich abgesetzt und zwei weitere Zyklen der Kombination von Gona-dotropinen mit Clomiphen verabreicht wurden Die Patientin wurdedaran anschlieszligend zwar schwanger erlitt jedoch in der 20 SSW einenSpontanabort Zwei Wochen spaumlter wurde sie augrund von Dyspnoeund peripheren Oumldemen stationaumlr augenommen Der arterielle Blut-druck war mit 180120 mmHg erhoumlht die klinische Untersuchung unddie Roumlntgenaunahme des Torax ergaben Pleuraerguumlsse au beidenSeiten Laborchemisch zeigte sich eine Anaumlmie von 8 mgdl eine Nie-renunktionseinschraumlnkung (Kreatininclearance 21 mlmin) und eineProteinurie (4 g24 Stunden) Antinukleaumlre Antikoumlrper und Anticar-diolipin-Antikoumlrper waren im Serum nachweisbar der Coombs-estwar positiv Die Begutachtung der durchgeuumlhrten Nierenbiopsie ergabden Beund einer rapid progressiven Glomerulonephritis Die Patien-tin erhielt intravenoumls Methylprednisolon in taumlglichen Dosierungen von

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4124 Fehler bei der Arzneitherapie

einem Gramm und eine anschlieszligende perorale Erhaltungstherapiemit 15 mg Methylprednisolondie wobei sie die vorgeschlagene Be-

handlung mit Cyclophosphamid ablehnte Unter diesem Terapiere-gime trat zwar eine Besserung ein jedoch persistierten Nierenunkti-onseinschraumlnkung (Kreatinclearance 28 mlmin) und Proteinurie (1 g24 Stunden)

Kommentar zu den Faumlllen 5 und 6 Zusammenassend wurde in beidenFaumlllen die Diagnose einer Oumlstradiol-induzierten Immunvaskulitis ge-

stellt Im Fall 5 war uumlber 8 Jahre ein Ovulationshemmer eingenommenworden bevor sich die Lupus erythematodes-aumlhnlichen Symptomebei der Patientin entwickelten Im Fall 6 war es unter einer Ovulati-ons-induzierenden Behandlung mit humanen Gonadotropinen undClomiphen und entsprechendem Anstieg der Oumlstradiolspiegel zu ei-ner schwergradigen Lupus erythematodes aumlhnlichen Symptomatik mitpersistierender Funktionsstoumlrung der Nieren gekommen Seit Ende dersechziger Jahre wurden in der Literatur vergleichbare Faumllle berichtet(Kirch und Belz [3]) Auch im ierversuch wurden durch Oumlstrogenga-be verursachte Panarteritis nodosa-aumlhnliche Erkrankungen beobachtetBekannt ist dass Schwangerschafen den Verlau von Erkrankungenaus dem Formenkreis der Kollagenosen guumlnstig aber auch unguumlnstigbeein1047298ussen koumlnnen wobei die Frage diskutiert wird ob Ethinyloumlstra-diol-Antikoumlrper dauumlr verantwortlich sind Bei aumltiologisch ungeklaumlrtenErkrankungen im Sinne einer Immunvaskulitis sollte daran gedachtwerden dass in seltenen Faumlllen Oumlstrogen-haltige orale Kontrazepti-

va wie auch eine Ovulations-induzierende Hormonbehandlung diese verursachen koumlnnen Deshalb ist ein Auslassversuch der Medikamenteanzustreben wobei beachtet werden muss dass sich die Symptomatikof erst vier bis 6 Monate spaumlter zuruumlckbildet

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4 125Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 7

Kirch und Belz [3] berichten uumlber eine 44-jaumlhrige 121 kg schwerePatientin die eine Fastenkur (600 kcal taumlglich) beginnt wobei in denersten zehn agen eine Gewichtsreduktion von 131 kg erreicht wirdGleichzeitig wird aus nicht genannten Gruumlnden mit Furosemid thera-piert Als anlaumlsslich einer Routinelaboruntersuchung ein Anstieg derSerumharnsaumlure au 828 micromoll (139 mgdl) bei normalen Kreatininim Serum estgestellt wird wird eine Terapie mit dem Urikosurikum

Benzbromaron eingeleitet Zwei age nach Beginn der Behandlung mitBenzbromaron entwickelte die Patientin eine Oligoanurie und einen er-heblichen Anstieg des Serumkreatinins was zur stationaumlren Aunahmeuumlhrte Augrund des durchgeuumlhrten Fastens und der Verabreichung

von Furosemid wurden von den Klinikaumlrzten unter der Annahme einespraumlrenalen Nierenversagens rehydrierende Maszlignahmen durchgeuumlhrtAls sich jedoch bei der Kontrolle des Urinsedimentes amorphe Urat-kristalle in groszliger Zahl nachweisen lieszligen wurde eine Uratnephropa-thie diagnostiziert Nach Alkalisierung des Urins und Gabe von Allo-purinol kam die Urinproduktion innerhalb der naumlchsten age in Gangund die Nierenunktion normalisierte sich

Kommentar zu dem Fall 7 Im Verlau von Fastenkuren kommt es durchdie Mobilisierung von Fettdepots zur Freisetzung reier Fettsaumlurenund zur Ketoazidose Die vermehrt anallenden Ketonkoumlrper hemmenkompetitiv die renale Harnsaumlureausscheidung woraus eine Hyperurik-aumlmie resultieren kann Urikosurika erhoumlhen die Harnsaumlureeliminationdurch Hemmung der renalen tubulaumlren Ruumlckresorption Im geschil-derten Fall kam es durch die Verabreichung von Benzbromaron zu ei-ner massiven Hyperurikosurie in deren Folge Urate vermehrt in denubuli der Nieren ausgeaumlllt wurden Die Praumlzipitation der Uratkristallewurde durch einen sauren Primaumlrharn inolge der bestehenden Ketoa-zidose beguumlnstigt und uumlhrte schlieszliglich zur Uratnephropathie wobei

von den behandelnden Aumlrzten zunaumlchst aumllschlicherweise von einempraumlrenalen Nierenversagen ausgegangen wurde Im Verlaue von Fas-

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4126 Fehler bei der Arzneitherapie

tenkuren ist stets au eine ausreichende Fluumlssigkeitszuuhr zu achtenbei einer Hyperurikaumlmie sollte eine Harnalkalisierung und die Gabe

von Allopurinol durchgeuumlhrt werden Benzbromaron sollte augrunddes Risikos einer Urikosurika-induzierten Uratnephropathie asten-den Patienten nicht verabreicht werden

Resuumlmee

Fehler bei der Arzneitherapie koumlnnen einerseits zum Ausbleiben dererwuumlnschten Wirkung uumlhren Andererseits kann das Aufreten un-erwuumlnschter Wirkungen verursacht werden Zur Vermeidung vonpharmakotherapiebedingten Fehldiagnosen ist eine praumlzise Erhebungder Medikamentenanamnese unabdingbar Bei der klinischen Unter-suchung ist au charakteristische moumlglicherweise Arzneimittel-indu-zierte Beunde zu achten Die unterschiedlich groszlige Latenzzeit zwi-schen Minuten und Monaten vom Beginn der Gabe des Arzneimittelsbis zum Aufreten von Nebenwirkungen ist zu beruumlcksichtigen Beiraglichen Medikamenten-bedingten bzw seltenen Symptomen sindentsprechende Inormationen durch Verwendung spezialisierter Nach-schlagewerke Literaturrecherchen oder Anragen bei der Herstellerfir-ma oder einem der von Universitaumltskliniken angebotenen Arzneimit-telberatungsdienste einzuholen Bei entsprechendem Verdacht ist dasbetroffene Pharmakon ruumlhzeitig abzusetzen

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4 127Fehler bei der Arzneitherapie

1 Arico M Boccalatte MF Silvestri D

et al Osteonecrosis an emerging

complication o intensive chemothe-

rapy or childhood acute lymphoblas-

tic leukemia Haematologica 2003

88747 ndash 753

2 Ben-Chetrit A Ben-Chetrit E Syste-

mic lupus erythematodes induced by

ovulation induction treatment Arth-

ritis Rheum 1994 371614 ndash 1617

3 Kirch W Belz GG Pharmakothera-

pie-bedingte Fehldiagnosen In Kirch

W (Hrsg) Fehldiagnosen in der Inne-

ren Medizin Stuttgart Fischer 1992

S 327 ndash 353

4 Kirch W Shapiro F Foumllsch UR Health

care quality misdiagnosis at a Uni-

versity hospital in five medical eras J

Public Health 2004 12154 ndash 161

5 Nasser SM Ewan PW Depot cortico-

steroid treatment or hay ever cau-

sing avascular necrosis o both hips

Brit Med J 2001 3221589 ndash 1591

6 Schindler C Paumlssler L Kirch W Se-

vere temporomandibular dysunction

and joint destruction afer intraarti-

cular injection o triamcinolon J Oral

Pathol Med 2004 im Druck

7 reasure RA Fowler PB Millington

H Misdiagnosis o diabetic ketoa-

cidosis as hyperventilation syndrome

Brit Med J 1987 294630

Literatur

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4122 Fehler bei der Arzneitherapie

ne Gelenke injiziert werden duumlren Glukokortikoide sollten bei aller-gischen Geschehen des oberen Respirationstraktes nach Moumlglichkeit

nicht parenteral in hohen Dosen verabreicht werden Allenalls koumlnnendiese kurzristig und ausschlieszliglich oral in der niedrigsten noch wirk-samen Dosis gegeben werden Intramuskulaumlre Injektionen sollten nichterolgen

Fall 5

Eine 31-jaumlhrige Patientin hatte als Ovulationshemmer seit 10 Jahren025 mg Levonorgestrel und 005 mg Ethinyloumlstradiol eingenommenSie entwickelte arthritische Beschwerden ein Gesichtserythem oraleUlzerationen eine Lymphozytopenie Anaumlmie und Mikrohaumlmatu-rie Die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) war mit 62100 mm er-houmlht Die genannten Symptome und Beunde bestanden uumlber einenZeitraum von zwei Jahren (Arico et al [1]) Diagnostiziert wurde einLupus erythematodes disseminatus Von ihrem Hausarzt wurde diePatientin wegen der Gelenkbeschwerden lediglich mit nichtsteroida-len Antiphlogistika behandelt Zur weiteren Diagnostik erolgten eineNierenbiopsie konsiliarische gynaumlkologische Hals- Nasen- und Oh-renaumlrztliche zahnaumlrztliche dermatologische sowie ophtalmologischeUntersuchungen die jedoch keine richtungsweisenden Resultate erga-ben Die durchgeuumlhrte Haut-Muskelbiopsie zeigte den Beund einerleukozytoklastischen Vaskulitis Nachdem schlieszliglich erwogen wurdedass die Kontrazeptiva-Einnahme (Oumlstrogene) uumlr die genannten Sym-ptome und klinischen Erscheinungen verantwortlich sein koumlnnte wur-de der Ovulationshemmer abgesetzt Darauin traten eine vollstaumln-dige Ruumlckbildung der Gelenkbeschwerden des Gesichtserythems undeine Normalisierung des subjektiven Befindens der Patientin innerhalb

von zehn Wochen ein und die genannten Laborveraumlnderungen wareninnerhalb von dreieinhalb Monaten reversibel Im weiteren Beobach-tungszeitraum von sechs Jahren wurden Lupus Erythematodes-aumlhnli-che Symptome bei der Patientin nicht wieder gesehen

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4 123Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 6

Abraham und Eldad Ben-Chetrit [2] berichten uumlber eine 34-jaumlhrigekinderlose Patientin die sich in ihrer Klinikambulanz augrund einesmakulopapuloumlsen Exanthems des Gesichtes und der Extremitaumlten vor-stellte Die Laboruntersuchungen waren bis au einen erhoumlhten iteruumlr antinukleaumlre Antikoumlrper unauffaumlllig Die immunhistologische Un-tersuchung der Haut ergab bandoumlrmige Praumlzipitationen von Imunglo-bulinen und Komplement (positiver Lupusbandtest LB) Diagnosti-

ziert wurde ein diskoider Lupus erythematodes und eine Behandlungmit Hydroxychloroquin wurde eingeleitet Anamnestisch ist zu erwaumlh-nen dass die Patientin vor zwei Jahren augrund von Inertilitaumlt miteiner Kombination von humanem menopausalem und Chorion-Gona-dotropin sowie Clomiphen behandelt worden war wobei acht Zyklender Kombination verabreicht wurden und ein entsprechendes Anstei-gen der Oumlstradiolspiegel registriert werden konnte Drei Monate nachAbschluss des letzten Zyklus waren die genannten Hauterscheinungenaugetreten Unter der begonnen Behandlung mit Hydroxychloroquinkam es zwar zu einer Besserung der Symptome jedoch bestand weiter-hin Kinderwunsch bei Inertilitaumlt so dass Hydroxychloroquin schlieszlig-lich abgesetzt und zwei weitere Zyklen der Kombination von Gona-dotropinen mit Clomiphen verabreicht wurden Die Patientin wurdedaran anschlieszligend zwar schwanger erlitt jedoch in der 20 SSW einenSpontanabort Zwei Wochen spaumlter wurde sie augrund von Dyspnoeund peripheren Oumldemen stationaumlr augenommen Der arterielle Blut-druck war mit 180120 mmHg erhoumlht die klinische Untersuchung unddie Roumlntgenaunahme des Torax ergaben Pleuraerguumlsse au beidenSeiten Laborchemisch zeigte sich eine Anaumlmie von 8 mgdl eine Nie-renunktionseinschraumlnkung (Kreatininclearance 21 mlmin) und eineProteinurie (4 g24 Stunden) Antinukleaumlre Antikoumlrper und Anticar-diolipin-Antikoumlrper waren im Serum nachweisbar der Coombs-estwar positiv Die Begutachtung der durchgeuumlhrten Nierenbiopsie ergabden Beund einer rapid progressiven Glomerulonephritis Die Patien-tin erhielt intravenoumls Methylprednisolon in taumlglichen Dosierungen von

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4124 Fehler bei der Arzneitherapie

einem Gramm und eine anschlieszligende perorale Erhaltungstherapiemit 15 mg Methylprednisolondie wobei sie die vorgeschlagene Be-

handlung mit Cyclophosphamid ablehnte Unter diesem Terapiere-gime trat zwar eine Besserung ein jedoch persistierten Nierenunkti-onseinschraumlnkung (Kreatinclearance 28 mlmin) und Proteinurie (1 g24 Stunden)

Kommentar zu den Faumlllen 5 und 6 Zusammenassend wurde in beidenFaumlllen die Diagnose einer Oumlstradiol-induzierten Immunvaskulitis ge-

stellt Im Fall 5 war uumlber 8 Jahre ein Ovulationshemmer eingenommenworden bevor sich die Lupus erythematodes-aumlhnlichen Symptomebei der Patientin entwickelten Im Fall 6 war es unter einer Ovulati-ons-induzierenden Behandlung mit humanen Gonadotropinen undClomiphen und entsprechendem Anstieg der Oumlstradiolspiegel zu ei-ner schwergradigen Lupus erythematodes aumlhnlichen Symptomatik mitpersistierender Funktionsstoumlrung der Nieren gekommen Seit Ende dersechziger Jahre wurden in der Literatur vergleichbare Faumllle berichtet(Kirch und Belz [3]) Auch im ierversuch wurden durch Oumlstrogenga-be verursachte Panarteritis nodosa-aumlhnliche Erkrankungen beobachtetBekannt ist dass Schwangerschafen den Verlau von Erkrankungenaus dem Formenkreis der Kollagenosen guumlnstig aber auch unguumlnstigbeein1047298ussen koumlnnen wobei die Frage diskutiert wird ob Ethinyloumlstra-diol-Antikoumlrper dauumlr verantwortlich sind Bei aumltiologisch ungeklaumlrtenErkrankungen im Sinne einer Immunvaskulitis sollte daran gedachtwerden dass in seltenen Faumlllen Oumlstrogen-haltige orale Kontrazepti-

va wie auch eine Ovulations-induzierende Hormonbehandlung diese verursachen koumlnnen Deshalb ist ein Auslassversuch der Medikamenteanzustreben wobei beachtet werden muss dass sich die Symptomatikof erst vier bis 6 Monate spaumlter zuruumlckbildet

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4 125Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 7

Kirch und Belz [3] berichten uumlber eine 44-jaumlhrige 121 kg schwerePatientin die eine Fastenkur (600 kcal taumlglich) beginnt wobei in denersten zehn agen eine Gewichtsreduktion von 131 kg erreicht wirdGleichzeitig wird aus nicht genannten Gruumlnden mit Furosemid thera-piert Als anlaumlsslich einer Routinelaboruntersuchung ein Anstieg derSerumharnsaumlure au 828 micromoll (139 mgdl) bei normalen Kreatininim Serum estgestellt wird wird eine Terapie mit dem Urikosurikum

Benzbromaron eingeleitet Zwei age nach Beginn der Behandlung mitBenzbromaron entwickelte die Patientin eine Oligoanurie und einen er-heblichen Anstieg des Serumkreatinins was zur stationaumlren Aunahmeuumlhrte Augrund des durchgeuumlhrten Fastens und der Verabreichung

von Furosemid wurden von den Klinikaumlrzten unter der Annahme einespraumlrenalen Nierenversagens rehydrierende Maszlignahmen durchgeuumlhrtAls sich jedoch bei der Kontrolle des Urinsedimentes amorphe Urat-kristalle in groszliger Zahl nachweisen lieszligen wurde eine Uratnephropa-thie diagnostiziert Nach Alkalisierung des Urins und Gabe von Allo-purinol kam die Urinproduktion innerhalb der naumlchsten age in Gangund die Nierenunktion normalisierte sich

Kommentar zu dem Fall 7 Im Verlau von Fastenkuren kommt es durchdie Mobilisierung von Fettdepots zur Freisetzung reier Fettsaumlurenund zur Ketoazidose Die vermehrt anallenden Ketonkoumlrper hemmenkompetitiv die renale Harnsaumlureausscheidung woraus eine Hyperurik-aumlmie resultieren kann Urikosurika erhoumlhen die Harnsaumlureeliminationdurch Hemmung der renalen tubulaumlren Ruumlckresorption Im geschil-derten Fall kam es durch die Verabreichung von Benzbromaron zu ei-ner massiven Hyperurikosurie in deren Folge Urate vermehrt in denubuli der Nieren ausgeaumlllt wurden Die Praumlzipitation der Uratkristallewurde durch einen sauren Primaumlrharn inolge der bestehenden Ketoa-zidose beguumlnstigt und uumlhrte schlieszliglich zur Uratnephropathie wobei

von den behandelnden Aumlrzten zunaumlchst aumllschlicherweise von einempraumlrenalen Nierenversagen ausgegangen wurde Im Verlaue von Fas-

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4126 Fehler bei der Arzneitherapie

tenkuren ist stets au eine ausreichende Fluumlssigkeitszuuhr zu achtenbei einer Hyperurikaumlmie sollte eine Harnalkalisierung und die Gabe

von Allopurinol durchgeuumlhrt werden Benzbromaron sollte augrunddes Risikos einer Urikosurika-induzierten Uratnephropathie asten-den Patienten nicht verabreicht werden

Resuumlmee

Fehler bei der Arzneitherapie koumlnnen einerseits zum Ausbleiben dererwuumlnschten Wirkung uumlhren Andererseits kann das Aufreten un-erwuumlnschter Wirkungen verursacht werden Zur Vermeidung vonpharmakotherapiebedingten Fehldiagnosen ist eine praumlzise Erhebungder Medikamentenanamnese unabdingbar Bei der klinischen Unter-suchung ist au charakteristische moumlglicherweise Arzneimittel-indu-zierte Beunde zu achten Die unterschiedlich groszlige Latenzzeit zwi-schen Minuten und Monaten vom Beginn der Gabe des Arzneimittelsbis zum Aufreten von Nebenwirkungen ist zu beruumlcksichtigen Beiraglichen Medikamenten-bedingten bzw seltenen Symptomen sindentsprechende Inormationen durch Verwendung spezialisierter Nach-schlagewerke Literaturrecherchen oder Anragen bei der Herstellerfir-ma oder einem der von Universitaumltskliniken angebotenen Arzneimit-telberatungsdienste einzuholen Bei entsprechendem Verdacht ist dasbetroffene Pharmakon ruumlhzeitig abzusetzen

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4 127Fehler bei der Arzneitherapie

1 Arico M Boccalatte MF Silvestri D

et al Osteonecrosis an emerging

complication o intensive chemothe-

rapy or childhood acute lymphoblas-

tic leukemia Haematologica 2003

88747 ndash 753

2 Ben-Chetrit A Ben-Chetrit E Syste-

mic lupus erythematodes induced by

ovulation induction treatment Arth-

ritis Rheum 1994 371614 ndash 1617

3 Kirch W Belz GG Pharmakothera-

pie-bedingte Fehldiagnosen In Kirch

W (Hrsg) Fehldiagnosen in der Inne-

ren Medizin Stuttgart Fischer 1992

S 327 ndash 353

4 Kirch W Shapiro F Foumllsch UR Health

care quality misdiagnosis at a Uni-

versity hospital in five medical eras J

Public Health 2004 12154 ndash 161

5 Nasser SM Ewan PW Depot cortico-

steroid treatment or hay ever cau-

sing avascular necrosis o both hips

Brit Med J 2001 3221589 ndash 1591

6 Schindler C Paumlssler L Kirch W Se-

vere temporomandibular dysunction

and joint destruction afer intraarti-

cular injection o triamcinolon J Oral

Pathol Med 2004 im Druck

7 reasure RA Fowler PB Millington

H Misdiagnosis o diabetic ketoa-

cidosis as hyperventilation syndrome

Brit Med J 1987 294630

Literatur

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4 123Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 6

Abraham und Eldad Ben-Chetrit [2] berichten uumlber eine 34-jaumlhrigekinderlose Patientin die sich in ihrer Klinikambulanz augrund einesmakulopapuloumlsen Exanthems des Gesichtes und der Extremitaumlten vor-stellte Die Laboruntersuchungen waren bis au einen erhoumlhten iteruumlr antinukleaumlre Antikoumlrper unauffaumlllig Die immunhistologische Un-tersuchung der Haut ergab bandoumlrmige Praumlzipitationen von Imunglo-bulinen und Komplement (positiver Lupusbandtest LB) Diagnosti-

ziert wurde ein diskoider Lupus erythematodes und eine Behandlungmit Hydroxychloroquin wurde eingeleitet Anamnestisch ist zu erwaumlh-nen dass die Patientin vor zwei Jahren augrund von Inertilitaumlt miteiner Kombination von humanem menopausalem und Chorion-Gona-dotropin sowie Clomiphen behandelt worden war wobei acht Zyklender Kombination verabreicht wurden und ein entsprechendes Anstei-gen der Oumlstradiolspiegel registriert werden konnte Drei Monate nachAbschluss des letzten Zyklus waren die genannten Hauterscheinungenaugetreten Unter der begonnen Behandlung mit Hydroxychloroquinkam es zwar zu einer Besserung der Symptome jedoch bestand weiter-hin Kinderwunsch bei Inertilitaumlt so dass Hydroxychloroquin schlieszlig-lich abgesetzt und zwei weitere Zyklen der Kombination von Gona-dotropinen mit Clomiphen verabreicht wurden Die Patientin wurdedaran anschlieszligend zwar schwanger erlitt jedoch in der 20 SSW einenSpontanabort Zwei Wochen spaumlter wurde sie augrund von Dyspnoeund peripheren Oumldemen stationaumlr augenommen Der arterielle Blut-druck war mit 180120 mmHg erhoumlht die klinische Untersuchung unddie Roumlntgenaunahme des Torax ergaben Pleuraerguumlsse au beidenSeiten Laborchemisch zeigte sich eine Anaumlmie von 8 mgdl eine Nie-renunktionseinschraumlnkung (Kreatininclearance 21 mlmin) und eineProteinurie (4 g24 Stunden) Antinukleaumlre Antikoumlrper und Anticar-diolipin-Antikoumlrper waren im Serum nachweisbar der Coombs-estwar positiv Die Begutachtung der durchgeuumlhrten Nierenbiopsie ergabden Beund einer rapid progressiven Glomerulonephritis Die Patien-tin erhielt intravenoumls Methylprednisolon in taumlglichen Dosierungen von

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4124 Fehler bei der Arzneitherapie

einem Gramm und eine anschlieszligende perorale Erhaltungstherapiemit 15 mg Methylprednisolondie wobei sie die vorgeschlagene Be-

handlung mit Cyclophosphamid ablehnte Unter diesem Terapiere-gime trat zwar eine Besserung ein jedoch persistierten Nierenunkti-onseinschraumlnkung (Kreatinclearance 28 mlmin) und Proteinurie (1 g24 Stunden)

Kommentar zu den Faumlllen 5 und 6 Zusammenassend wurde in beidenFaumlllen die Diagnose einer Oumlstradiol-induzierten Immunvaskulitis ge-

stellt Im Fall 5 war uumlber 8 Jahre ein Ovulationshemmer eingenommenworden bevor sich die Lupus erythematodes-aumlhnlichen Symptomebei der Patientin entwickelten Im Fall 6 war es unter einer Ovulati-ons-induzierenden Behandlung mit humanen Gonadotropinen undClomiphen und entsprechendem Anstieg der Oumlstradiolspiegel zu ei-ner schwergradigen Lupus erythematodes aumlhnlichen Symptomatik mitpersistierender Funktionsstoumlrung der Nieren gekommen Seit Ende dersechziger Jahre wurden in der Literatur vergleichbare Faumllle berichtet(Kirch und Belz [3]) Auch im ierversuch wurden durch Oumlstrogenga-be verursachte Panarteritis nodosa-aumlhnliche Erkrankungen beobachtetBekannt ist dass Schwangerschafen den Verlau von Erkrankungenaus dem Formenkreis der Kollagenosen guumlnstig aber auch unguumlnstigbeein1047298ussen koumlnnen wobei die Frage diskutiert wird ob Ethinyloumlstra-diol-Antikoumlrper dauumlr verantwortlich sind Bei aumltiologisch ungeklaumlrtenErkrankungen im Sinne einer Immunvaskulitis sollte daran gedachtwerden dass in seltenen Faumlllen Oumlstrogen-haltige orale Kontrazepti-

va wie auch eine Ovulations-induzierende Hormonbehandlung diese verursachen koumlnnen Deshalb ist ein Auslassversuch der Medikamenteanzustreben wobei beachtet werden muss dass sich die Symptomatikof erst vier bis 6 Monate spaumlter zuruumlckbildet

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Fall 7

Kirch und Belz [3] berichten uumlber eine 44-jaumlhrige 121 kg schwerePatientin die eine Fastenkur (600 kcal taumlglich) beginnt wobei in denersten zehn agen eine Gewichtsreduktion von 131 kg erreicht wirdGleichzeitig wird aus nicht genannten Gruumlnden mit Furosemid thera-piert Als anlaumlsslich einer Routinelaboruntersuchung ein Anstieg derSerumharnsaumlure au 828 micromoll (139 mgdl) bei normalen Kreatininim Serum estgestellt wird wird eine Terapie mit dem Urikosurikum

Benzbromaron eingeleitet Zwei age nach Beginn der Behandlung mitBenzbromaron entwickelte die Patientin eine Oligoanurie und einen er-heblichen Anstieg des Serumkreatinins was zur stationaumlren Aunahmeuumlhrte Augrund des durchgeuumlhrten Fastens und der Verabreichung

von Furosemid wurden von den Klinikaumlrzten unter der Annahme einespraumlrenalen Nierenversagens rehydrierende Maszlignahmen durchgeuumlhrtAls sich jedoch bei der Kontrolle des Urinsedimentes amorphe Urat-kristalle in groszliger Zahl nachweisen lieszligen wurde eine Uratnephropa-thie diagnostiziert Nach Alkalisierung des Urins und Gabe von Allo-purinol kam die Urinproduktion innerhalb der naumlchsten age in Gangund die Nierenunktion normalisierte sich

Kommentar zu dem Fall 7 Im Verlau von Fastenkuren kommt es durchdie Mobilisierung von Fettdepots zur Freisetzung reier Fettsaumlurenund zur Ketoazidose Die vermehrt anallenden Ketonkoumlrper hemmenkompetitiv die renale Harnsaumlureausscheidung woraus eine Hyperurik-aumlmie resultieren kann Urikosurika erhoumlhen die Harnsaumlureeliminationdurch Hemmung der renalen tubulaumlren Ruumlckresorption Im geschil-derten Fall kam es durch die Verabreichung von Benzbromaron zu ei-ner massiven Hyperurikosurie in deren Folge Urate vermehrt in denubuli der Nieren ausgeaumlllt wurden Die Praumlzipitation der Uratkristallewurde durch einen sauren Primaumlrharn inolge der bestehenden Ketoa-zidose beguumlnstigt und uumlhrte schlieszliglich zur Uratnephropathie wobei

von den behandelnden Aumlrzten zunaumlchst aumllschlicherweise von einempraumlrenalen Nierenversagen ausgegangen wurde Im Verlaue von Fas-

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4126 Fehler bei der Arzneitherapie

tenkuren ist stets au eine ausreichende Fluumlssigkeitszuuhr zu achtenbei einer Hyperurikaumlmie sollte eine Harnalkalisierung und die Gabe

von Allopurinol durchgeuumlhrt werden Benzbromaron sollte augrunddes Risikos einer Urikosurika-induzierten Uratnephropathie asten-den Patienten nicht verabreicht werden

Resuumlmee

Fehler bei der Arzneitherapie koumlnnen einerseits zum Ausbleiben dererwuumlnschten Wirkung uumlhren Andererseits kann das Aufreten un-erwuumlnschter Wirkungen verursacht werden Zur Vermeidung vonpharmakotherapiebedingten Fehldiagnosen ist eine praumlzise Erhebungder Medikamentenanamnese unabdingbar Bei der klinischen Unter-suchung ist au charakteristische moumlglicherweise Arzneimittel-indu-zierte Beunde zu achten Die unterschiedlich groszlige Latenzzeit zwi-schen Minuten und Monaten vom Beginn der Gabe des Arzneimittelsbis zum Aufreten von Nebenwirkungen ist zu beruumlcksichtigen Beiraglichen Medikamenten-bedingten bzw seltenen Symptomen sindentsprechende Inormationen durch Verwendung spezialisierter Nach-schlagewerke Literaturrecherchen oder Anragen bei der Herstellerfir-ma oder einem der von Universitaumltskliniken angebotenen Arzneimit-telberatungsdienste einzuholen Bei entsprechendem Verdacht ist dasbetroffene Pharmakon ruumlhzeitig abzusetzen

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1 Arico M Boccalatte MF Silvestri D

et al Osteonecrosis an emerging

complication o intensive chemothe-

rapy or childhood acute lymphoblas-

tic leukemia Haematologica 2003

88747 ndash 753

2 Ben-Chetrit A Ben-Chetrit E Syste-

mic lupus erythematodes induced by

ovulation induction treatment Arth-

ritis Rheum 1994 371614 ndash 1617

3 Kirch W Belz GG Pharmakothera-

pie-bedingte Fehldiagnosen In Kirch

W (Hrsg) Fehldiagnosen in der Inne-

ren Medizin Stuttgart Fischer 1992

S 327 ndash 353

4 Kirch W Shapiro F Foumllsch UR Health

care quality misdiagnosis at a Uni-

versity hospital in five medical eras J

Public Health 2004 12154 ndash 161

5 Nasser SM Ewan PW Depot cortico-

steroid treatment or hay ever cau-

sing avascular necrosis o both hips

Brit Med J 2001 3221589 ndash 1591

6 Schindler C Paumlssler L Kirch W Se-

vere temporomandibular dysunction

and joint destruction afer intraarti-

cular injection o triamcinolon J Oral

Pathol Med 2004 im Druck

7 reasure RA Fowler PB Millington

H Misdiagnosis o diabetic ketoa-

cidosis as hyperventilation syndrome

Brit Med J 1987 294630

Literatur

Page 11: 2

7182019 2

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4124 Fehler bei der Arzneitherapie

einem Gramm und eine anschlieszligende perorale Erhaltungstherapiemit 15 mg Methylprednisolondie wobei sie die vorgeschlagene Be-

handlung mit Cyclophosphamid ablehnte Unter diesem Terapiere-gime trat zwar eine Besserung ein jedoch persistierten Nierenunkti-onseinschraumlnkung (Kreatinclearance 28 mlmin) und Proteinurie (1 g24 Stunden)

Kommentar zu den Faumlllen 5 und 6 Zusammenassend wurde in beidenFaumlllen die Diagnose einer Oumlstradiol-induzierten Immunvaskulitis ge-

stellt Im Fall 5 war uumlber 8 Jahre ein Ovulationshemmer eingenommenworden bevor sich die Lupus erythematodes-aumlhnlichen Symptomebei der Patientin entwickelten Im Fall 6 war es unter einer Ovulati-ons-induzierenden Behandlung mit humanen Gonadotropinen undClomiphen und entsprechendem Anstieg der Oumlstradiolspiegel zu ei-ner schwergradigen Lupus erythematodes aumlhnlichen Symptomatik mitpersistierender Funktionsstoumlrung der Nieren gekommen Seit Ende dersechziger Jahre wurden in der Literatur vergleichbare Faumllle berichtet(Kirch und Belz [3]) Auch im ierversuch wurden durch Oumlstrogenga-be verursachte Panarteritis nodosa-aumlhnliche Erkrankungen beobachtetBekannt ist dass Schwangerschafen den Verlau von Erkrankungenaus dem Formenkreis der Kollagenosen guumlnstig aber auch unguumlnstigbeein1047298ussen koumlnnen wobei die Frage diskutiert wird ob Ethinyloumlstra-diol-Antikoumlrper dauumlr verantwortlich sind Bei aumltiologisch ungeklaumlrtenErkrankungen im Sinne einer Immunvaskulitis sollte daran gedachtwerden dass in seltenen Faumlllen Oumlstrogen-haltige orale Kontrazepti-

va wie auch eine Ovulations-induzierende Hormonbehandlung diese verursachen koumlnnen Deshalb ist ein Auslassversuch der Medikamenteanzustreben wobei beachtet werden muss dass sich die Symptomatikof erst vier bis 6 Monate spaumlter zuruumlckbildet

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4 125Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 7

Kirch und Belz [3] berichten uumlber eine 44-jaumlhrige 121 kg schwerePatientin die eine Fastenkur (600 kcal taumlglich) beginnt wobei in denersten zehn agen eine Gewichtsreduktion von 131 kg erreicht wirdGleichzeitig wird aus nicht genannten Gruumlnden mit Furosemid thera-piert Als anlaumlsslich einer Routinelaboruntersuchung ein Anstieg derSerumharnsaumlure au 828 micromoll (139 mgdl) bei normalen Kreatininim Serum estgestellt wird wird eine Terapie mit dem Urikosurikum

Benzbromaron eingeleitet Zwei age nach Beginn der Behandlung mitBenzbromaron entwickelte die Patientin eine Oligoanurie und einen er-heblichen Anstieg des Serumkreatinins was zur stationaumlren Aunahmeuumlhrte Augrund des durchgeuumlhrten Fastens und der Verabreichung

von Furosemid wurden von den Klinikaumlrzten unter der Annahme einespraumlrenalen Nierenversagens rehydrierende Maszlignahmen durchgeuumlhrtAls sich jedoch bei der Kontrolle des Urinsedimentes amorphe Urat-kristalle in groszliger Zahl nachweisen lieszligen wurde eine Uratnephropa-thie diagnostiziert Nach Alkalisierung des Urins und Gabe von Allo-purinol kam die Urinproduktion innerhalb der naumlchsten age in Gangund die Nierenunktion normalisierte sich

Kommentar zu dem Fall 7 Im Verlau von Fastenkuren kommt es durchdie Mobilisierung von Fettdepots zur Freisetzung reier Fettsaumlurenund zur Ketoazidose Die vermehrt anallenden Ketonkoumlrper hemmenkompetitiv die renale Harnsaumlureausscheidung woraus eine Hyperurik-aumlmie resultieren kann Urikosurika erhoumlhen die Harnsaumlureeliminationdurch Hemmung der renalen tubulaumlren Ruumlckresorption Im geschil-derten Fall kam es durch die Verabreichung von Benzbromaron zu ei-ner massiven Hyperurikosurie in deren Folge Urate vermehrt in denubuli der Nieren ausgeaumlllt wurden Die Praumlzipitation der Uratkristallewurde durch einen sauren Primaumlrharn inolge der bestehenden Ketoa-zidose beguumlnstigt und uumlhrte schlieszliglich zur Uratnephropathie wobei

von den behandelnden Aumlrzten zunaumlchst aumllschlicherweise von einempraumlrenalen Nierenversagen ausgegangen wurde Im Verlaue von Fas-

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4126 Fehler bei der Arzneitherapie

tenkuren ist stets au eine ausreichende Fluumlssigkeitszuuhr zu achtenbei einer Hyperurikaumlmie sollte eine Harnalkalisierung und die Gabe

von Allopurinol durchgeuumlhrt werden Benzbromaron sollte augrunddes Risikos einer Urikosurika-induzierten Uratnephropathie asten-den Patienten nicht verabreicht werden

Resuumlmee

Fehler bei der Arzneitherapie koumlnnen einerseits zum Ausbleiben dererwuumlnschten Wirkung uumlhren Andererseits kann das Aufreten un-erwuumlnschter Wirkungen verursacht werden Zur Vermeidung vonpharmakotherapiebedingten Fehldiagnosen ist eine praumlzise Erhebungder Medikamentenanamnese unabdingbar Bei der klinischen Unter-suchung ist au charakteristische moumlglicherweise Arzneimittel-indu-zierte Beunde zu achten Die unterschiedlich groszlige Latenzzeit zwi-schen Minuten und Monaten vom Beginn der Gabe des Arzneimittelsbis zum Aufreten von Nebenwirkungen ist zu beruumlcksichtigen Beiraglichen Medikamenten-bedingten bzw seltenen Symptomen sindentsprechende Inormationen durch Verwendung spezialisierter Nach-schlagewerke Literaturrecherchen oder Anragen bei der Herstellerfir-ma oder einem der von Universitaumltskliniken angebotenen Arzneimit-telberatungsdienste einzuholen Bei entsprechendem Verdacht ist dasbetroffene Pharmakon ruumlhzeitig abzusetzen

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4 127Fehler bei der Arzneitherapie

1 Arico M Boccalatte MF Silvestri D

et al Osteonecrosis an emerging

complication o intensive chemothe-

rapy or childhood acute lymphoblas-

tic leukemia Haematologica 2003

88747 ndash 753

2 Ben-Chetrit A Ben-Chetrit E Syste-

mic lupus erythematodes induced by

ovulation induction treatment Arth-

ritis Rheum 1994 371614 ndash 1617

3 Kirch W Belz GG Pharmakothera-

pie-bedingte Fehldiagnosen In Kirch

W (Hrsg) Fehldiagnosen in der Inne-

ren Medizin Stuttgart Fischer 1992

S 327 ndash 353

4 Kirch W Shapiro F Foumllsch UR Health

care quality misdiagnosis at a Uni-

versity hospital in five medical eras J

Public Health 2004 12154 ndash 161

5 Nasser SM Ewan PW Depot cortico-

steroid treatment or hay ever cau-

sing avascular necrosis o both hips

Brit Med J 2001 3221589 ndash 1591

6 Schindler C Paumlssler L Kirch W Se-

vere temporomandibular dysunction

and joint destruction afer intraarti-

cular injection o triamcinolon J Oral

Pathol Med 2004 im Druck

7 reasure RA Fowler PB Millington

H Misdiagnosis o diabetic ketoa-

cidosis as hyperventilation syndrome

Brit Med J 1987 294630

Literatur

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4 125Fehler bei der Arzneitherapie

Fall 7

Kirch und Belz [3] berichten uumlber eine 44-jaumlhrige 121 kg schwerePatientin die eine Fastenkur (600 kcal taumlglich) beginnt wobei in denersten zehn agen eine Gewichtsreduktion von 131 kg erreicht wirdGleichzeitig wird aus nicht genannten Gruumlnden mit Furosemid thera-piert Als anlaumlsslich einer Routinelaboruntersuchung ein Anstieg derSerumharnsaumlure au 828 micromoll (139 mgdl) bei normalen Kreatininim Serum estgestellt wird wird eine Terapie mit dem Urikosurikum

Benzbromaron eingeleitet Zwei age nach Beginn der Behandlung mitBenzbromaron entwickelte die Patientin eine Oligoanurie und einen er-heblichen Anstieg des Serumkreatinins was zur stationaumlren Aunahmeuumlhrte Augrund des durchgeuumlhrten Fastens und der Verabreichung

von Furosemid wurden von den Klinikaumlrzten unter der Annahme einespraumlrenalen Nierenversagens rehydrierende Maszlignahmen durchgeuumlhrtAls sich jedoch bei der Kontrolle des Urinsedimentes amorphe Urat-kristalle in groszliger Zahl nachweisen lieszligen wurde eine Uratnephropa-thie diagnostiziert Nach Alkalisierung des Urins und Gabe von Allo-purinol kam die Urinproduktion innerhalb der naumlchsten age in Gangund die Nierenunktion normalisierte sich

Kommentar zu dem Fall 7 Im Verlau von Fastenkuren kommt es durchdie Mobilisierung von Fettdepots zur Freisetzung reier Fettsaumlurenund zur Ketoazidose Die vermehrt anallenden Ketonkoumlrper hemmenkompetitiv die renale Harnsaumlureausscheidung woraus eine Hyperurik-aumlmie resultieren kann Urikosurika erhoumlhen die Harnsaumlureeliminationdurch Hemmung der renalen tubulaumlren Ruumlckresorption Im geschil-derten Fall kam es durch die Verabreichung von Benzbromaron zu ei-ner massiven Hyperurikosurie in deren Folge Urate vermehrt in denubuli der Nieren ausgeaumlllt wurden Die Praumlzipitation der Uratkristallewurde durch einen sauren Primaumlrharn inolge der bestehenden Ketoa-zidose beguumlnstigt und uumlhrte schlieszliglich zur Uratnephropathie wobei

von den behandelnden Aumlrzten zunaumlchst aumllschlicherweise von einempraumlrenalen Nierenversagen ausgegangen wurde Im Verlaue von Fas-

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4126 Fehler bei der Arzneitherapie

tenkuren ist stets au eine ausreichende Fluumlssigkeitszuuhr zu achtenbei einer Hyperurikaumlmie sollte eine Harnalkalisierung und die Gabe

von Allopurinol durchgeuumlhrt werden Benzbromaron sollte augrunddes Risikos einer Urikosurika-induzierten Uratnephropathie asten-den Patienten nicht verabreicht werden

Resuumlmee

Fehler bei der Arzneitherapie koumlnnen einerseits zum Ausbleiben dererwuumlnschten Wirkung uumlhren Andererseits kann das Aufreten un-erwuumlnschter Wirkungen verursacht werden Zur Vermeidung vonpharmakotherapiebedingten Fehldiagnosen ist eine praumlzise Erhebungder Medikamentenanamnese unabdingbar Bei der klinischen Unter-suchung ist au charakteristische moumlglicherweise Arzneimittel-indu-zierte Beunde zu achten Die unterschiedlich groszlige Latenzzeit zwi-schen Minuten und Monaten vom Beginn der Gabe des Arzneimittelsbis zum Aufreten von Nebenwirkungen ist zu beruumlcksichtigen Beiraglichen Medikamenten-bedingten bzw seltenen Symptomen sindentsprechende Inormationen durch Verwendung spezialisierter Nach-schlagewerke Literaturrecherchen oder Anragen bei der Herstellerfir-ma oder einem der von Universitaumltskliniken angebotenen Arzneimit-telberatungsdienste einzuholen Bei entsprechendem Verdacht ist dasbetroffene Pharmakon ruumlhzeitig abzusetzen

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4 127Fehler bei der Arzneitherapie

1 Arico M Boccalatte MF Silvestri D

et al Osteonecrosis an emerging

complication o intensive chemothe-

rapy or childhood acute lymphoblas-

tic leukemia Haematologica 2003

88747 ndash 753

2 Ben-Chetrit A Ben-Chetrit E Syste-

mic lupus erythematodes induced by

ovulation induction treatment Arth-

ritis Rheum 1994 371614 ndash 1617

3 Kirch W Belz GG Pharmakothera-

pie-bedingte Fehldiagnosen In Kirch

W (Hrsg) Fehldiagnosen in der Inne-

ren Medizin Stuttgart Fischer 1992

S 327 ndash 353

4 Kirch W Shapiro F Foumllsch UR Health

care quality misdiagnosis at a Uni-

versity hospital in five medical eras J

Public Health 2004 12154 ndash 161

5 Nasser SM Ewan PW Depot cortico-

steroid treatment or hay ever cau-

sing avascular necrosis o both hips

Brit Med J 2001 3221589 ndash 1591

6 Schindler C Paumlssler L Kirch W Se-

vere temporomandibular dysunction

and joint destruction afer intraarti-

cular injection o triamcinolon J Oral

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7 reasure RA Fowler PB Millington

H Misdiagnosis o diabetic ketoa-

cidosis as hyperventilation syndrome

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4126 Fehler bei der Arzneitherapie

tenkuren ist stets au eine ausreichende Fluumlssigkeitszuuhr zu achtenbei einer Hyperurikaumlmie sollte eine Harnalkalisierung und die Gabe

von Allopurinol durchgeuumlhrt werden Benzbromaron sollte augrunddes Risikos einer Urikosurika-induzierten Uratnephropathie asten-den Patienten nicht verabreicht werden

Resuumlmee

Fehler bei der Arzneitherapie koumlnnen einerseits zum Ausbleiben dererwuumlnschten Wirkung uumlhren Andererseits kann das Aufreten un-erwuumlnschter Wirkungen verursacht werden Zur Vermeidung vonpharmakotherapiebedingten Fehldiagnosen ist eine praumlzise Erhebungder Medikamentenanamnese unabdingbar Bei der klinischen Unter-suchung ist au charakteristische moumlglicherweise Arzneimittel-indu-zierte Beunde zu achten Die unterschiedlich groszlige Latenzzeit zwi-schen Minuten und Monaten vom Beginn der Gabe des Arzneimittelsbis zum Aufreten von Nebenwirkungen ist zu beruumlcksichtigen Beiraglichen Medikamenten-bedingten bzw seltenen Symptomen sindentsprechende Inormationen durch Verwendung spezialisierter Nach-schlagewerke Literaturrecherchen oder Anragen bei der Herstellerfir-ma oder einem der von Universitaumltskliniken angebotenen Arzneimit-telberatungsdienste einzuholen Bei entsprechendem Verdacht ist dasbetroffene Pharmakon ruumlhzeitig abzusetzen

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et al Osteonecrosis an emerging

complication o intensive chemothe-

rapy or childhood acute lymphoblas-

tic leukemia Haematologica 2003

88747 ndash 753

2 Ben-Chetrit A Ben-Chetrit E Syste-

mic lupus erythematodes induced by

ovulation induction treatment Arth-

ritis Rheum 1994 371614 ndash 1617

3 Kirch W Belz GG Pharmakothera-

pie-bedingte Fehldiagnosen In Kirch

W (Hrsg) Fehldiagnosen in der Inne-

ren Medizin Stuttgart Fischer 1992

S 327 ndash 353

4 Kirch W Shapiro F Foumllsch UR Health

care quality misdiagnosis at a Uni-

versity hospital in five medical eras J

Public Health 2004 12154 ndash 161

5 Nasser SM Ewan PW Depot cortico-

steroid treatment or hay ever cau-

sing avascular necrosis o both hips

Brit Med J 2001 3221589 ndash 1591

6 Schindler C Paumlssler L Kirch W Se-

vere temporomandibular dysunction

and joint destruction afer intraarti-

cular injection o triamcinolon J Oral

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7 reasure RA Fowler PB Millington

H Misdiagnosis o diabetic ketoa-

cidosis as hyperventilation syndrome

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4 127Fehler bei der Arzneitherapie

1 Arico M Boccalatte MF Silvestri D

et al Osteonecrosis an emerging

complication o intensive chemothe-

rapy or childhood acute lymphoblas-

tic leukemia Haematologica 2003

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2 Ben-Chetrit A Ben-Chetrit E Syste-

mic lupus erythematodes induced by

ovulation induction treatment Arth-

ritis Rheum 1994 371614 ndash 1617

3 Kirch W Belz GG Pharmakothera-

pie-bedingte Fehldiagnosen In Kirch

W (Hrsg) Fehldiagnosen in der Inne-

ren Medizin Stuttgart Fischer 1992

S 327 ndash 353

4 Kirch W Shapiro F Foumllsch UR Health

care quality misdiagnosis at a Uni-

versity hospital in five medical eras J

Public Health 2004 12154 ndash 161

5 Nasser SM Ewan PW Depot cortico-

steroid treatment or hay ever cau-

sing avascular necrosis o both hips

Brit Med J 2001 3221589 ndash 1591

6 Schindler C Paumlssler L Kirch W Se-

vere temporomandibular dysunction

and joint destruction afer intraarti-

cular injection o triamcinolon J Oral

Pathol Med 2004 im Druck

7 reasure RA Fowler PB Millington

H Misdiagnosis o diabetic ketoa-

cidosis as hyperventilation syndrome

Brit Med J 1987 294630

Literatur