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MAGAZIN 27. November 2016 27 26 Kultur Vor dem Start als Kochbuch- Autorin steht ein bitteres Ende als Köchin – bitter für die Gäs- te: 22 Jahre lang führte Tine Giacobbo (60) das einzigartige Restaurant Alpenrose in Zürich. Als alle auf chinesisch-indisch- thailändisch-italienische-etc. Erlebnisgastronomie setzten, kochte Giacobbo allein auf weiter Flur Bewährtes: Bei ihr gab es gutbürgerlich- traditionelle Schweizer Küche auf höchstem Niveau – stets mit der nötigen Extra- portion Butter. Legendär die grosse Salat- schüssel, un- vergessen die saſtigen Braten, schmerzlich vermisst die heimelige Atmosphäre – denn Anfang Jahr war Schluss. Aber Tine Giacobbo lässt uns mit der heimatlosen Leere, welche die Schliessung der Alpenrose hin- terlässt, zum Glück nicht allein. Die Gerichte aus 22 Jahren hat sie überarbeitet, verbessert und für den Hausgebrauch ange- passt. Herausgekommen ist ein Stück Heimat zum Nachkochen: 536 Re- zepte, ihr Lebens- werk. «Jetzt müsst ihr selber kochen» erscheint am 8. De- zember im Echtzeit- Verlag. ZORROS KINODEBÜT Don Diego Vega ist ein zurückhaltender Edelmann. Doch wenn er seine schwarze Maske überzieht und zum Degen greiſt, wird er zum wilden Rächer der Unterdrückten, der seinen Gegnern ein Z ins Gesicht ritzt. «Das Zeichen des Zorro» hat am 27. November 1920 in New York Premiere – der erste Aben- teuerfilm mit Douglas Fairbanks in der Hauptrolle. Am Start: Tine Giacobbo JONAS DREYFUS M wie Motown oder Motortown. So nannte man dank der Auto- industrie die Stadt Detroit. The Jackson 5 Stevie Wonder Smokey Robinson The Temptations The Supremes mit Diana Ross (M.). Marvin Gaye D ie Songs heissen «Baby Girl», «I Want You Back» oder «Stop! In the Name of Love» – und machten Inter- preten wie The Supremes, Dia- na Ross oder The Jackson 5 zu Superstars. Aber eigentlich stehen sie für eine Plattenfirma aus Detroit, die mit schwarzer Musik den weissen Mainstream eroberte: Motown. Kein Musiklabel prägt die 1960er-Jahre stärker. Es steht für Soul-Musik mit Pop-Top- ping. Vorangetrieben von Blä- serfanfaren, Violinen und Backbeat: Ein 4/4-Takt, bei dem der Drummer den zweiten und vierten Schlag betont. «Es war der Sound meiner Kindheit», sagt David-Michael Johnson (55). Der Afroameri- kaner ist einer der Sänger, die ab kommender Woche mit «Mo- town – The Music Show» (nicht zu verwechseln mit dem Musi- cal) in Zürich auftreten – ein kurzweiliges Stück Entertain- ment, das es engagiert mit einem grossen Brocken Musik- geschichte aufnimmt. Vom Kinderfilm zur Kinderschokolade Begleitet von einer neunköpfi- gen Band singen fünf Musical- Stars auf einer Show-Treppe die grössten Motown-Hits und plaudern in teils gebrochenem Deutsch aus dem Nähkästchen der Hit-Werkstatt. Sonntags- Blick Magazin sah die Show in Erlangen (D) und sprach mit den Darstellern. Neben John- son auch mit Meimouna Coffi (36), Sängerin deutsch-benini- scher Herkunft. Um die Epoche der Sixties miterlebt zu haben, mit der sich die Show beschäftigt, ist Fotos: Nadja Athanasiou/Echtzeit Verlag, ASA/Getty Images, Michael Ochs/Getty Images (3), Echoes/Redferns, RB/Redferns, Afro American Newspapers/Gado/Getty Images, Andy Juchli (2) MEISTERKÖCHIN FÜR ZU HAUSE Heute vor Jahren ... 96 Eine Show bringt die grössten Hits des US-Plattenlabels Motown in die Schweiz. Jeder kennt sie – aber woher eigentlich? Ain’t No Mountain High Enough: «Motown – The Music Show». Seele des Soul

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MAGAZIN27. November 2016 2726 Kultur

Vor dem Start als Kochbuch-Autorin steht ein bitteres Ende als Köchin – bitter für die Gäs-te: 22 Jahre lang führte Tine Giacobbo (60) das einzigartige Restaurant Alpenrose in Zürich. Als alle auf chinesisch- indisch-thailändisch-italienische-etc. Erlebnisgastronomie setzten, kochte Giacobbo allein auf weiter Flur Bewährtes: Bei ihr gab es gutbürgerlich- traditionelle Schweizer Küche auf höchstem Niveau – stets mit der nötigen Extra-portion Butter. Legendär die grosse Salat-schüssel, un-

vergessen die saftigen Braten, schmerzlich vermisst die heimelige Atmosphäre – denn Anfang Jahr war Schluss. Aber Tine Giacobbo lässt uns mit der heimatlosen Leere, welche die Schliessung der Alpenrose hin-terlässt, zum Glück nicht allein. Die Gerichte aus 22 Jahren hat sie überarbeitet, verbessert und für den Hausgebrauch ange-passt. Herausgekommen ist

ein Stück Heimat zum Nachkochen: 536 Re-

zepte, ihr Lebens-werk. «Jetzt müsst ihr selber kochen» erscheint am 8. De-zember im Echtzeit-Verlag.

ZORROS KINODEBÜT Don Diego Vega ist ein zurückhaltender Edelmann. Doch wenn er seine schwarze Maske überzieht und zum Degen

greift, wird er zum wilden Rächer der Unterdrückten, der seinen Gegnern ein Z ins Gesicht ritzt. «Das Zeichen des Zorro» hat am 27. November 1920 in New York Premiere – der erste Aben-teuerfilm mit Douglas Fairbanks in der Hauptrolle.

Am Start: Tine Giacobbo

JONAS DREYFUS

M wie Motown oder Motortown. So nannte man dank

der Auto- industrie die

Stadt Detroit.

The Jackson 5Stevie Wonder

Smokey Robinson

The Temptations

The Supremes mit Diana

Ross (M.).

Marvin Gaye

Die Songs heissen «Baby Girl», «I Want You Back» oder «Stop! In the Name

of Love» – und machten Inter-preten wie The Supremes, Dia-na Ross oder The Jackson 5 zu Superstars. Aber eigentlich stehen sie für eine Plattenfirma aus Detroit, die mit schwarzer Musik den weissen Mainstream eroberte: Motown.

Kein Musiklabel prägt die 1960er-Jahre stärker. Es steht für Soul-Musik mit Pop-Top-ping. Vorangetrieben von Blä-serfanfaren, Violinen und Backbeat: Ein 4/4-Takt, bei dem der Drummer den zweiten und vierten Schlag betont.

«Es war der Sound meiner Kindheit», sagt David-Michael Johnson (55). Der Afroameri-kaner ist einer der Sänger, die ab kommender Woche mit «Mo-town – The Music Show» (nicht

zu verwechseln mit dem Musi-cal) in Zürich auftreten – ein kurzweiliges Stück Entertain-ment, das es engagiert mit einem grossen Brocken Musik-geschichte aufnimmt.

Vom Kinderfilm zur KinderschokoladeBegleitet von einer neunköpfi-gen Band singen fünf Musical-Stars auf einer Show-Treppe die grössten Motown-Hits und plaudern in teils gebrochenem Deutsch aus dem Nähkästchen der Hit-Werkstatt. Sonntags-Blick Magazin sah die Show in Erlangen (D) und sprach mit den Darstellern. Neben John-son auch mit Meimouna Coffi (36), Sängerin deutsch-benini-scher Herkunft.

Um die Epoche der Sixties miterlebt zu haben, mit der sich die Show beschäftigt, ist

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Heute vor Jahren ...96

Eine Show bringt die grössten Hits des US-Plattenlabels Motown in die Schweiz. Jeder kennt sie – aber woher eigentlich?

Ain’t No Mountain High Enough: «Motown – The Music Show».

Seeledes Soul

Page 2: 26 Kultur Am Start: Ross (M.). M wie MEISTERKÖCHIN FÜR · PDF fileAin’t No Mountain High Enough: «Motown – The Music Show». Seele des Soul. MAGAZIN 28 Kultur 27. November 2016

MAGAZIN27. November 2016 2928 Kultur

Das Hauptquartier und Studio Hitsville U.S.A. in einem Wohnquartier Detroits (o.). 1972 verlegte Berry Gordy (l.) sein Label nach L. A., 1988 verkaufte er es an MCA. Heute ist es ein Unterlabel von Universal.

Coffi zu jung. «Ich kenne die Mu-sik von meinem Vater, er führte einen Plattenladen in Berlin.»

Es ist typisch für die Hits von Motown: Jede Generation hat sie woanders aufgeschnappt. Der Au-tor dieses Artikels (39) erinnert sich, den Temptations-Klassiker «My Girl» erstmals 1991 im gleich-namigen Kinderfilm mit Macaulay Culkin gehört zu haben. Eine 19-jährige Radiojournalistin, die zur Interviewgruppe gehört, kennt denselben Song aus der Kinder-schokolade-Werbung von 2012.

In der Hitfabrik herrscht SchichtbetriebEr habe die Erfolgswelle von Mo-town miterlebt, als er sehr klein war, sagt Johnson. «Aber an Stevie Wonder kann ich mich noch genau

erinnern.» Der blin-de Sänger, heute 66 Jahre alt, hat bereits mit elf bei Motown unterschrieben, mit zwölf steht sein erstes Album auf Platz eins der US-Charts. Little Stevie Wonder, wie er damals noch heisst, ist der jüngste Künstler, dem das mit ei-nem Debüt jemals gelungen ist. Es sind diese Superlative, Anekdoten und Meilensteine, die Motown auch für Soul-Muffel faszinierend machen.

Berry Gordy (86) hat Mo-town vor 57 Jahren mit 800 Dol-lar gegründet, fünf Jahre später ist es mit 30 Millionen Dollar Ge-winn das grösste von Afroameri-kanern geführte Unternehmen der USA. Unterstützt von seinem Vize-Präsidenten William «Smokey» Ro-binson (76) herrscht Gordy, ein ehemaliger Berufsboxer, mit eiser-ner Hand über sein Studio. Es ist 22 Stunden pro Tag in Betrieb – zwei Stunden ist für Reinigungsarbeiten geschlossen.

Jeden Montag um Punkt neun Uhr stellen Songschreiber und Pro-duzenten dem Chef ihre Lieder vor. Sie müssen allen potenziellen Hö-rern zugänglich sein, allen sozialen Schichten, Rassen, Religionen. «Weissen, Schwarzen, Juden, Nicht-Juden, Polizisten und Räu-bern», wie Gordy es einst for- mulierte. Was der Formel nicht entspricht, hat keine Chance. Songs wie «I Heard It Through the Grapevine» von Marvin Gaye brin-gen es erst über Umwege zum Hit.

Gordy will seine Musik von jegli-chen kritischen Botschaften frei halten und setzt trotzdem poli- tische Zeichen. Zu Zeiten der Bürgerrechtsbewegung, als die Zu-schauer an Konzerten im Süden der USA noch streng nach Rassen getrennt sind, sendet Motown eine klare Botschaft ans weisse Ameri-ka: Seht her, wir können das ge-nauso gut wie ihr!

Soul-Welle vs. Radio BeromünsterWie gelangte dieser «Sound of Young America», wie Gordy ihn taufte, von den amerikanischen Metropolen zu uns? «Die Pop-Kul-tur in der Schweiz ist bisher kaum

1 Vorwoche Neueinstieg WiedereinstiegN W

CHARTS DER WOCHETop 10

N Fantastic Beasts and Where to Find Them Eddie Redmayne

3 Willkommen bei den Hartmanns Senta Berger

1 Jack Reacher: Never Go Back Tom Cruise

2 Doctor Strange Benedict Cumberbatch, Chiwetel Ejiofor

4 Bridget Jones’s Baby Renée Zellweger, Gemma Jones

5 The Girl on the Train Emily Blunt, Haley Bennett

6 Cafe Society Jesse Eisenberg, Kristen Stewart

8 Trolls Stimmen: Lena Meyer-Landrut, Mark Forster

7 Inferno Tom Hanks, Felicity Jones

N Pettersson und Findus – Das schönste Weihnachten überhaupt Stefan Kurt

Kino

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Sofort auf Platz 1: «Fan-tastic Beasts and Where to Find Them».Das Drehbuch schrieb Joan-ne K. Rowling. ▼

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N Game of Thrones – Staffel 6 Iain Glen, Lena Headey

1 Independence Day: Wiederkehr Liam Hemsworth

2 Ein ganzes halbes Jahr Emilia Clarke, Sam Claflin

3 Ice Age 5 – Kollision voraus! Ray Romano

4 Central Intelligence Dwayne Johnson, Kevin Hart

N Arrow – Staffel 4 David Ramsey, John Barrowman

W Schellen-Ursli Jonas Hartmann, Julia Jeker

N The Beatles: Eight Days a Week – The Touring Years The Beatles

5 Star Wars – Das Erwachen der Macht Daisy Ridley

8 Zoomania Ginnifer Goodwin, Jason Bateman

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1 Die Schattenschwester Lucinda Riley N Cox Christoph Ransmayr

4 Das Paket Sebastian Fitzek

5 Nussschale Ian McEwan

10 Weisswurstconnection Rita Falk

3 Meine geniale Freundin Elena Ferrante

2 Totenfang Simon Beckett

7 Das Leben ist gut Alex Capus

8 Cheers Martin Suter

W Di schöni Fanny Pedro Lenz

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N Shindy Dreams

9 Leonard Cohen You Want It Darker

N Sting 57th & 9th

1 Robbie Williams The Heavy Entertainment Show

N Leonard Cohen The Essential

N Adrian Stern Chum mir singed die Songs wo mir liebed und tanzed mit ihne dur d’Nacht.

6 Trauffer Heiterefahne

4 Gölä Stärne

N Emeli Sandé Long Live the Angels

N Patricia Kaas Patricia Kaas

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erforscht», sagt Erich Keller. Der 48-jährige Historiker baut fürs Schweizerische Sozialarchiv eine Sammlung auf, die dieses Manko ausgleichen soll.

Bis es so weit sei, so Keller, gebe es nur eine Möglichkeit, etwas über Motown herauszufinden: die Be-fragung von Zeitzeugen. Denn bis 1968 gab es in der Schweiz noch gar keine Hitparade – und erst recht keine Labels, die Soul veröf-fentlichten.

Musikjournalist Martin Schäfer (68) ist langjähriger Experte für Black Music und erlebt die Soul-Welle im Basel der frühen 1960er-Jahre als Teenager mit. «Wer sich damals für Musik interessierte, kannte Motown», sagt er. Beim «Landessender» Beromünster lau-fen deutsche Schlager, doch bei Stationen aus der Romandie, aus Frankreich oder Österreich gehen Motown-Hits wie «Dancing in the

Street» von Martha and the Vandel-las über den Äther. Auch als Vinyl-Singles habe es diese Songs zu kaufen gegeben, sagt Schäfer. Ver-mutlich direkt aus Deutschland im-portiert, wo «schwarze Musik» nicht zuletzt dank US-Militärstütz-punkten relativ verbreitet ist. Oder aus England, wo Soul früh ange-kommen ist.

Was machte den Motown-Sound in den Ohren eines Zeitzeugen aus? Martin Schäfer: «Die Sänger kamen vom Gospel, sie hatten die besseren Stimmen als die weissen Acts.» Die Hausband von Motown, The Funk Brothers, setzte sich aus den besten Jazz-Musikern Detroits zusammen. «Dieser Sound hat ein hohes musi-kalisches Niveau – deshalb funktio-niert er heute so gut wie damals.» l

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Musical-Stars David-Michael John-son und Meimouna Coffi in Aktion.

«Motown – The Music Show»: 29. November bis 11. Dezember, Maag Halle, Zürich. Ab 78 Franken. Fo

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Songs für Räuber und Polizisten

Motown in Zahlen

... Top-Ten-Hits landet Motown zwischen 1961 und 1971 in den USA.Mehr als die Hälfte davon verkaufte

sich über eine Million Mal.

... Nummer-1-Hits verbuchen The Supremes in 18 Jahren

Bandgeschichte. Die erfolgreichste Leadsängerin ist Diana Ross.

... Jahre alt ist Michael Jackson, als er bei Motown einen Vertrag erhält.

... Millionen Dollar erhält Berry Gordy, als er Motown 1988 verkauft.

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