28 Jahren war sie am Boden, jetzt ist diese Ikone des ... · aber auch der verkleinerte Bauplan des...

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Kühn und bescheiden: Die L 25 d VII R ist aufs Maximum reduziert – ein Fluggerät für Puristen und Abenteurer

36 www.fliegermagazin.de #12.201336 www.fliegermagazin.de #12.2013

MENSCH & MASCHINE

FLUGZEUGPORTRÄT: KLEMM L 25 D VII R

Perfekt!28 Jahren war sie am Boden, jetzt ist diese Ikone des deutschen Leichtflugzeugbaus wieder in der Luft. Mitglieder der FlugsportgruppeHanns Klemm und der Böblinger Modellflieger haben sie restauriert.1934 hergestellt, ist die D–EJOL das drittälteste Flugzeug hierzulande

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TEXT Peter WolterFOTOS Christian von Wischetzki

Das saß! 42 Jahre lang. Es muss 1971 gewesen sein. Ich schlug ei-ne Ausgabe der Zeitschrift mo-dell auf, und es haute mich um. Elektrisiert starrte ich auf die

Fotos eines Modellflugzeugs, das gerade als Baukasten herausgekommen war und nun vorgestellt wurde. Die Bilder ließen mich nicht mehr los. Nie zuvor und nie mehr da-nach habe ich ein Flugzeugdesign gesehen, das mich so berührt hat. Was ich sah, waren Fotos der Klemm L 25 d VII. Abgebildet war aber auch der verkleinerte Bauplan des Mo-dells, sodass man die Proportionen erfas-sen konnte. Perfekt! Die hoch gestreckten Flügel, außen an der Hinterkante gerundet, der kurze Rumpf, die schlanke Motorhau-be, Propellerachse ganz oben, die beiden offenen Cockpits … Der Abstand zwischen

Sternmotor, und die D–EFTE (1929), eine L 25 a I des Fliegenden Museums Großenhain mit 40-PS-Salmson-Sternmotor.

Spricht es nun für die Unverwüstbarkeit des Musters, dass die ältesten drei fliegen-den Maschinen in Deutschland Klemm 25 sind? Oder ist das Muster so begehrenswert, dass man alles unternimmt, um die Flugfä-higkeit der übrig gebliebenen Exemplare zu erhalten? Doch was heißt überhaupt »Mus-ter«? Schließlich gibt es 25 Versionen, so-fern man alle Baureihen und Ausrüstungs-varianten berücksichtigt, darunter allein 14 verschiedene Motoren von 22 bis 120 PS

Tragfläche und Leitwerk ist identisch mit der Flügeltiefe am Rumpf. Dadurch wirkt das Flugzeug gedrungen, mit seiner hohen Flügelstreckung aber auch elegant. Dieser Gegensatz erzeugt eine ästhetische Span-nung, die fliegerisch neugierig macht. Agili-tät und Stabilität: Was nun? Kunstflugzeug oder Motorsegler?

Und genau so ambivalent sah es auch immer aus in den alten Filmen, wenn Ernst Udet die Klemm flog, zum Beispiel in »S.O.S. Eisberg« oder »Die weiße Hölle vom Piz Palü«: diese Wendigkeit, die wilden Manö-ver, kombiniert mit fließenden Bewegun-gen, so ruhig und harmonisch. Welche Ein-drücke werden hinzukommen, wenn ich die L 25 der Flugsportgruppe Hanns Klemm fliege?

Die D–EJOL, Baujahr 1934, ist die dritt-älteste in Deuschland zugelassene Maschi-ne. Die beiden noch älteren sind ebenfalls Klemm 25: die D–EBMX (1927) des BMW-Konzerns, eine L 25 a VI mit 68-PS-BMW-

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STATIONEN DER D-EJOL, EX D-ELAH

4. SEPTEMBER 1934: Zulassung mit dem Kennzeichen

D–ELAH; erster Halter ist B. Maier in Kempten.

1937: Alfons Schropp in Rohrdorf wird neuer Halter.

1938: Halterwechsel zur Shell-Verkehrsfliegerschule Hamburg

4. SEPTEMBER 1939: Stilllegung, zuvor Grundüberholung

und Konservierung des Motors

1957: Wiederzulassung mit dem Kennzeichen D–EJOL. Neuer

Halter ist eine Gemeinschaft des Luftsportverbands Bonn;

Komplettüberholung inklusive neuer Bespannung und Lackie-

rung, Anbringung einer zweiteilige Kabinenhaube

1970: Komplettüberholung des Motors, unter anderem Kurbel-

welle, Kolben und Zylinder

1972: Rumpfnase, Seitenruder und Flügelrandbögen werden

rot lackiert, Radverkleidungen kommen hinzu.

1975: Rolf Ehmann in Göppingen ist neuer Halter; Stationie-

rung auf dem Berneck.

1980: Die FAI zeichnet die D–EJOL mit dem Phönix-Diplom für

den am besten erhaltenen Oldtimer aus.

1985: Die Stadt Böblingen wird neuer Besitzer.

2009: Die FSG Hanns Klemm Böblingen e. V. übernimmt das

Flugzeug und beginnt mit der Restaurierung

23. August 2011: Erster Motorlauf; die Restaurierung ist

abgeschlossen.

FEBRUAR 2013: Erteilung der vorläufigen Verkehrszulas-

sung durch das Luftfahrt-Bundesamt

21. APRIL 2013: Erstflug nach 28 Jahren

(wenngleich die stärkste Variante, mit Ar-gus-Triebwerk, L 26 e V hieß).

Die Maschine, die in Eutingen bei der Flugsportgruppe Hanns Klemm nun wieder fliegt, hebt sich mar-kant von den frühen L 25 ab. Diese

gleichen mit ihrem eckigen Seitenleitwerk, dem giebelförmige Rumpfrücken und den großen schmalen Rädern weniger den spä-ten Versionen der L 25 als dem Vorgänger L 20. Es sind keine eleganten Flugzeuge, sondern urige Kisten, meist mit unverklei-detem Sternmotor und Designmerkmalen

der zwanziger Jahre. Dagegen sieht die L 25 d VII R fast schon wie die spätere Klemm 35 aus. Das gerundete Seitenleitwerk hat eine nahezu identische Form, der hängende Rei-henmotor ist mit einer ähnlichen Cowling verkleidet – manche Betrachter merken erst am fehlenden Flügelknick, dass sie eine 25 vor sich haben und keine 35. So tun sich beim Anblick einer Klemm 25 über 40 Jah-re Luftfahrtgeschichte auf: von 1924 bis in die späten sechziger Jahre, von der L 20 mit 22-PS-Zweizylindermotor bis zur KL 35, die für den Kunstflug sogar mit 160 PS starken Sechszylindern ausgerüstet wurde.

Als »die Klemm« hat sich im kollektiven Bewusstsein genau jene L 25 eingeprägt, die im April von der Flugsportgruppe Hanns Klemm wieder in die Luft gebracht wurde. Es ist die Standardversion der L 25 mit dem 80 PS leistenden Hirth HM 60 R. Allein von dieser Version wurden zwischen 1931 und 1939 über 600 Exemplare gefertigt. Wie populär das Flugzeug einst war, zeigt die Teilnehmerliste des Deutschlandflugs 1935: 111 von 161 gemeldeten Maschinen waren Klemm 25 der Baureihen d und e. »Die Klemm« war in Deutschland der Trainer und das Sportflugzeug der dreißiger Jahre.

1 | Spritkontrolle: Stefan Saile prüft den Benzin-stand im Fronttank

2 | Original-Bordapotheke: »Baldriantropfen gegen Herzbeschwerden«

3 | Fast 80 Jahre alt: Der Hirth HM 60 R ist generalüberholt und läuft perfekt

4 | Urig: Statt Seitenruderpedalen hat die L 25 eine durchgehende Pedalbrücke. Links (gelb) die Handpumpe zur Versorgung des Fronttanks

5 | Restauriert: Das Gepäckfach war zugemacht worden, jetzt erfüllt es wieder seinen Zweck

6 | Außenbords montiert: Der Fahrtmesser ist von beiden Sitzen ablesbar

25 Jahre Abstand: Die KL 107 C der FSG Hanns Klemm wurde 1959 gebaut und wirkt sehr modern gegenüber der L 25

Augenweide: Lange Flügel, kurzer Rumpf, schmale Schnauze – der Schatten überzeich-net die charakteristischen Proportionen

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Zur ihrer Beliebtheit trugen sicher auch die Langstreckenflüge von Elly Beinhorn bei, die 1931 mit einer Salmson-L 25 nach Portu-giesisch-Guinea führten und 1932 mit einer Argus-L 25 um die Welt. Expeditionen nach Island, Spitzbergen und Nordamerika ver-bindet man ebenso mit der Marke Klemm wie berühmte Namen: Wolf Hirth, Theo Os-terkamp, Richard Perlia, Heinz Rühmann …

Mit seiner Idee vom günstigen Sportflugzeug sprach der eins-tige Daimler-Chefkonstrukteur Hanns Klemm sowohl Schulen

als auch Vereine und private Halter an. Das Einsatzspektrum der L 25 reichte von der Ausbildung über den F-Schlepp bis zum Betrieb auf Ski und Schwimmern. Mit ei-nem vergleichsweise schwachen Motor er-reichte sie Höhen bis fast 5000 Meter und Reisegeschwindigkeiten um 140 km/h. Die Holzbauweise war reparaturfreundlich; je-

die Maschine mit dem Ziel, sie wieder flug-fähig zu machen und zu betreiben.

4000 Arbeitsstunden, erzählt Stefan Saile, seien in die Restaurierung geflossen. Der Maschinenbauingenieur war von An-fang an dabei und so etwas wie der Projekt-leiter. Das fünfköpfige Team bestand vor al-lem aus Mitgliedern des Modellflugvereins Böblingen. »Für die war das relativ einfach«, sagt Saile, »ein 1:1-Modell hat ja größere To-leranzen – da mussten sie nicht so genau arbeiten.« Zum Glück waren die tragenden Strukturen in gutem Zustand, am Rumpf musste im Wesentlichen der Rücken neu angefertigt werden. Bei dieser Gelegenheit restaurierte man auch das Gepäckfach hin-term Pilotensitz; es war irgendwann zu-gemacht worden. Viel Zeit kosteten eini-ge Details, etwa das Umschaltgetriebe des Brandhahngestänges oder die Alubleche zur Befestigung der Windschutzscheiben, in denen allein 100 Stunden stecken. Den

der Club, der sich mit Segelflugzeugen aus-kannte, konnte eine Klemm zusammenfli-cken. Und wenn’s im Hangar eng wurde, klappte man die Flügel an den Rumpf. So ließ sich der Apparat, rückwärts an ein Auto gehängt, auch auf Straßen transportieren.

28 Jahre lang schlummerten all diese Qualitäten in der D–EJOL. Bis 1985 hatte Rolf Ehmann die Maschine vom Berneck aus geflogen, zuletzt nur noch selten, und so beschloss der Göppinger, sie in gute Hände zu geben. Manfred Göstemeier von der Flugsportgruppe Hanns Klemm stellte den Kontakt zur Stadt Böblingen her, von 1926 bis ’59 Heimat des Leichtflugzeugbau Klemm und des Nachfolgeunternehmens Klemm-Flugzeugbau. Nachdem die hell-blaue L 25 in den Besitz der Stadt überge-gangen war, kam sie nicht mehr in die Luft. Ab und zu führte die Flugsportgruppe drin-gende Arbeiten aus, um den Verfall aufzu-halten. Im Jahr 2009 übernahm der Verein

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AKTUELLER NACHBAU AUS ESCHWEILER

FAST WIE DAS ORIGINAL sieht die Klemm L 25

von Detlef Oberbach und Josef Schmitz aus. Der Rotec-

Sternmotor ist kein Stilbruch, denn auch früher flog die L

25 mit Sternmotoren, und zwar von BMW und Salmson.

Obwohl die Tragfläche mit ihrem separaten Mittelstück

und den vielen unterschiedlichen Rippen sehr aufwändig

zu bauen war, stellten die Klemm-Fans aus Eschweiler

ihr Replikat in nur einem Jahr ferig. Dazu war allerdings

Full-time-Einsatz notwendig. Oberbach – Pilot und

Besitzer – brachte unter anderem Erfahrung im Bau von

RV-Kitplanes mit; Schmitz ist Modellbauer, hat keine

Pilotenlizenz, fliegt aber gern mit und erwägt jetzt, den

Schein zu machen.

Grundlage der Konstruktion sind Pläne und Fotos aus

verschiedenen Quellen. Besonders hilfreich war Klemm-

Spezialist Marc Kön vom LTB Follmann in Sehlem; Kön hat

als Prüfer auch die Böblinger D–EJOL betreut. Unterstützt

wurden Oberbach und Schmitz darüber hinaus von den

Amateurbauer-Organisation Oskar Ursinus Vereinigung

(OUV).

Mit dem australischen Sternmotor, der 110 PS leistet und

einen modernen 1,95 Meter großen Helix-Propeller an-

treibt, ist der L-25-Nachbau keineswegs übermotorisiert,

denn durch Verstärkungen am Tragwerk wiegt die E–EKDJ

etwas mehr als das Original. Auch ihre maximale Abflug-

masse liegt über jener von einst: 750 Kilogramm statt

720. Auf die Reiseflugleistung von 70 bis 75 Knoten (130

bis 140 km/h) wirkt sich das nicht aus. So schnell ist auch

die Hirth-motorisierte L 25. Unterschiede gibt es dennoch,

beispielsweise haben die Cockpits seitliche Klappen, um

den Einsieg zu erleichtern, und die Bremsen werden nicht

mechanisch betätigt, sondern hydraulisch.

Bis Mitte August absolvierte die in Aachen-Merzbrück

stationierte D–EKDJ etwa 40 Starts und 26 Flugstunden.

Dabei kam es leider zum Totalausfall des Motors. Der

Rotec hat sich selbst zerlegt, nachdem sich das (interne)

offensichtlich nicht gesicherte Lüfterrad von der Kurbel-

welle gelöst hatte – Oberbach geht von einem Montage-

fehler des Herstellers aus. Bei der Notlandung auf einem

Stoppelfeld entstanden keine weiteren Schäden. Jetzt

erwägt der Besitzer, einen bewährten Lycoming O-235

einzubauen, der bis zu 125 PS leistet. Selbst dieser Boxer

ließe sich mit Verweis auf die Original-Klemm recht-

fertigen: Die L 25 hatte anfangs einen zweizylindrigen

Daimler F 7502, und in mehreren Ländern wurde sie auf

amerikanische Vierzylinder-Boxer umgerüstet.

Motor überholte der LTB Flugtechnik Stutt-gart; FSG-Mitglied Michael »Lausi« Vogel schweißte einen 4-in-1-Schalldämpfer; Ger-hard Rentschler hatte unter anderem die Idee, mit einem modifizierten Wagenhe-ber die neuen Gummis der Fahrwerksfede-rung zu montieren; Abdeckungen für die Schlitze zwischen den Flügeln und deren Mittelteil stellte der Blechbearbeitungs-betrieb her, bei dem Hubert Grimm ange-stellt ist; in der Lackiererei von Ralf Ziegler kam die Farbe drauf, nachdem die Klemm ausgetucht und neu bespannt worden war. Jahrelang lang hatte Michael Gillet seine Werkstatt und Maschinen zur Verfügung gestellt, bis im Sommer 2011 alle Arbeiten abgeschlossen waren.

»Bei so einem Projekt brauchst du ein Netzwerk«, sagt Stefan Saile, dessen Frau zwei Handtaschen opfern musste, weil man das Leder brauchte: als Dämmschicht zwischen der Blechverkleidung hinterm Brandspant und dem darunter liegenden Holz. Mühsam, erinnert sich der Schwabe, sei vor allem die Schleiferei gewesen, um die alte Farbe an den beplankten Stellen zu entfernen. Zeitweise habe man die Team-mitglieder an ihren blauen Gesichtern er-kannt, einer entscheidenden Qualifikation: »Wer blau worde isch, der derf se au fliege.«

Eine Ausnahme machte man bei Testpilot Klaus Plasa, der am 21. Ap-ril 2013 zum »Erst«flug startete. »Al-les lassen, wie es ist«, lautete sein

Resümee nach der Landung. Hellblau … Die Farbe ist das Einzige, wo-

mit ich mich nicht anfreunden kann, als die D–EJOL auf dem Vereinsflugplatz in Eutingen vor mir steht. Doch so war das Flugzeug nun mal die längste Zeit lackiert, vielleicht sogar schon vor dem Krieg, des-halb entschieden sich die Böblinger wieder für Hellblau. Ursprünglich, als D–ELAH, war sie freilich farblos lackiert. »95 Prozent sind original«, sagt Stefan Saile beim Rundgang um die Klemm. Die Böblinger Enthusiasten wollten kein neues Flugzeug, sondern eins, dem man sein Alter ansehen darf. Um die Patina nicht zu zerstören, wurde nur das Nö-tigste erneuert. Im Cockpit, dessen Boden alte Leimreste zieren, ergänzt lediglich ein Funkgerät die ursprüngliche Ausstattung, außerdem ist jetzt ein ELT an Bord. Das In-

strumentenbrett wurde ersetzt, wie früher besteht es aber aus Pertinax. Spornrad und Höhenrudertrimmung waren bereits von Vorbesitzern montiert worden – ursprüng-lich hatte die L 25 einen Schleifsporn und keine Trimmung. Heckbeleuchtung und Positionslichter sind jedoch von 1934. Ku-rios ist das Original-Notfallset. Es enthält Baldriantropfen gegen Herzbeschwerden, Natriumtabletten gegen Sodbrennen, Hoff-mannstropfen gegen Magenbeschwerden,

Traubenzucker-Cola-Tabletten gegen Müdig- keit, Nähnadel, Tampon und einiges mehr.

Über die linke Fläche steige ich ins vor-dere Cockpit. Es riecht nach Öl. Wo sind die …? Eine Pedalbrücke! Einzelpedale fürs Sei-tenruder gibt es nicht und auch sonst nur recht wenig, jedenfalls im vorderen Cock-pit, dafür aber einen rätselhaften Hebel aus Holz, der wie ein gekürzter Schlagzeugstock aussieht. Dieter Egeler, ein Pilot aus der Klemm-Gruppe, mit dem ich fliegen wer-

3 | Ungewöhnlich: Pitotrohr auf dem rechten Flügel. Vor oder unter der Fläche wäre es weniger geschützt

4 | Gummifederung: Das senkrechte Fahrwerksbein bewegt sich in einer Kulisse auf und ab

Hohe Streckung: Durch die große schlanke Tragfläche mit ihrem stark tragenden Profil benötigt die L 25 wenig Motorleistung

1 | Nützlich, aber nicht original: Ursprünglich hatte die L 25 keine Höhenrudertrimmung

2 | Einstellbar: Die Höhenruderflosse lässt sich unterschiedlich montieren – je nach Lastigkeit1 2

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Mit Rotec R2800: L 25 von Detlef Oberbach (r.) und Josef Schmitz. Auch das Original wurde mit Sternmotoren versehen

FOTO

: PIE

RRE

SCHM

ITT

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Hersteller Leichtflugzeugbau Klemm GmbH

Baujahr 1934Werknummer 798Kennung D–ELAH,

ab 1957 D–EJOLSpannweite 13,00 mFlügelfläche 20,00 m2

Länge 7,50 mHöhe 2,05 m

Leermasse 444 kg (ursprünglich 390 kg)

MTOM 720 kg Tankinhalt 139 l Motor / Leistung Hirth HM 60 R /

82 PS bei 2400 rpmPropeller Schwarz, 2-Blatt, fest,

Holz, 1,96 m

VLandung 60 km/hVReise 110 – 140 km/hVne 290 km/hStartstrecke 120 mMaximalhöhe 4600 m Reichweite ca. 950 km*Endurance ca. 8,5 h*

* plus 0,5 h Reserve

TECHNISCHE DATEN

Klemm L 25 d VII R

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trument. Als der Hirth warm ist, geht’s los. Vollgas, Start auf der Piste 06.

Ich habe mir die Klemm leichtfüßi-ger vorgestellt. Bei kostbaren historischen Mustern wird gern ein Riesenhype um die angeblich so heiklen Flugeigenschaften ge-macht. Wie sensibel und seitenwindemp-findlich die Maschinen seien – dabei ist Seitenwindempfindlichkeit auch bei mo-dernen Taildraggern ganz normal. Die L 25 jedenfalls ist ein Musterbeispiel an Gutmü-tigkeit. Sie war ja auch ein Trainer, und es war mal ganz selbstverständlich, auf so et-was fliegen zu lernen.

»Wo fliegen wir hin?« »Zu den Böblinger Modellbauern«, kommt durch den Kopf-

sieben Versuche – endlich, der Hirth zün-det, Quatsch: Er lebt, er atmet, stampft, zittert, wärmt seine Muskeln und bringt seinen Kreislauf auf Trab. Wir werden die-se alten Motoren, da bin ich sicher, irgend-wann eher als Lebewesen verstehen und weniger als Maschinen, spätestens wenn der Verbrennungsmotor als Industriepro-dukt ausgestorben sein wird.

Auf dem Drehzahlmesser, rechts außerhalb des Cockpits befestigt und so für beide Piloten ables- bar, zeigt die Nadel während des

Warmlaufens 900, 950 Umdrehungen an. Es ist das einzige Motorüberwachungsins-

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Romantisch und effizient: Mit ihrer »aufgeräumten« Aerodynamik und der schlich-ten Bauweise verkörperte die L 25 in den dreißiger Jahren die Vision vom günstigen Leichtflugzeug für jedermann

de, erklärt mir dessen Funktion: »Damit pumpt man den Sprit aus der Fläche in den Fronttank.« Auch hinten hat der Pilot einen Pumpenschlegel, doch es sei der Job des vorn Sitzenden, scherzen die umste-henden Flieger, das Benzin umzupumpen – 60 Zyklen für einen Liter. Der Falltank vorn im Rumpf fasst 43. Zwar hat die D–EJOL ein elektrisches System, ein Anlasser aber fehlt. Ursprünglich startete man den Hirth HM 60 R mit einer Kurbel, die von der linken Seite durch ein Loch in der Motorverklei-dung gesteckt wurde, doch die Böblinger werfen den Motor am Propeller an.

Heute ist Lausi dran. Der Hirth will nicht. Lausi kommt ins Schwitzen. Sechs,

hörer zurück, »die haben heute ihr 50-jäh-riges Jubiläum.« Die Modellbauer! Ohne sie würde die D–EJOL nicht wieder fliegen. Also nach Norden, an der Autobahn Stutt-gart–Singen entlang zum Modellflugplatz, der östlich der A81 liegt. Bei 1800 Umdre-hungen pro Minute machen wir ungefähr 110 km/h, mehr muss nicht sein. Der alte großvolumige Langhuber hört sich an wie ein Traktor, wie etwas, das gar nicht ausge-hen kann, das immer weiterläuft, mit dem man immer weiterfliegen kann, egal wohin.

Um den Schönbuch zu übersteigen, ei-nen Höhenzug, durch den ein Autobahn-tunnel führt, schiebe ich das Gas etwas rein, 2000 rpm, das reicht. Über dem Gelände

der Böblinger Modellflieger winken wir den Zuschauern zu – dort unten wird jetzt sicher der Sprecher erklären, dass es Mitglieder seines Vereins waren, die diese Kostbarkeit wieder flugfähig gemacht haben. Wenn ich vor 42 Jahren da unten gestanden wäre, als Modellbauer … Beim Überflug einer Klemm L 25 d VII, einer echten, hätte ich die Baldri-antropfen aus der Bordapotheke gebraucht.

Es macht Spaß, neben der Fotomaschi-ne dahinzutuckern. Beim Kurven muss man richtig ins Querruder langen und den Seitenruder-»Balken« treten, wie die Vor-derachse einer Seifenkiste. Gemächlich legt sich die Klemm dann auf die Seite – klar, bei 13 Metern Spannweite. Was müssen Ernst

Udet und Liesel Bach gearbeitet haben bei ihren Kunstflugdarbietungen! Das Höhen-ruder benötigt weniger Kraft und wirkt besser, eigentlich wie bei modernen Flug-zeugen. Aber an denen wollen wir diesen Oldtimer nicht messen. Seine Qualitäten haben mit der besonderen Art des Fliegens zu tun, die ein offener Tiefdecker bietet. Die Cockpitromantik gleicht der eines Doppel-deckers der dreißiger Jahre, der Blick nach vorn über die Reihenmotorschnauze erin-nert an die Bücker Jungmann, die anfangs auch einen HM 60 R hatte. Aber die Klemm ist wunderbar clean. Es gibt kein Baldachin-, Flügelstiel- und Spannseil-Geraffel und kei-ne zweite Fläche, die den Blick versperrt. Als ob das notwendig wäre fürs Flair! Von außen, ja, da sehen Doppeldecker vielver-sprechend aus – aber wenn man im Cockpit sitzt, fühlt sich nichts so pur an wie ein offe-ner Tiefdecker. Die Klemm ist für mich der Archetyp dieses Konzepts.

Am meisten begeistert mich der Blick zur Seite über die Fläche: Trotz der verkürzenden Perspek- tive wirkt sie lang, und mit ihren

gerundeten Querrudern, deren Kontur har-monisch in die Randbögen übergeht, sieht sie fast wie eine elliptische Fläche aus. Da draußen am Randbogen, was geschieht da? Wahrscheinlich nichts, das strömungs-technisch mit Winglets oder anderen aus-gefuchsten Flügelabschlüssen mithalten könnte. Aber so, wie sich die Klemmflügel durch die Luft bewegen, ist kaum vorstell-bar, dass es eine geschmeidigere Art gibt, Luft in Empfang zu nehmen und weiterzu-reichen. Diese Tragfläche, das ganze Flug-zeug, macht kein Aufheben um die Arbeit, die es verrichtet. Mit schmaler, feiner Nase spürt es den Naturkräften nach, genügsam, aber effizient. Damit nach Afrika? Um die ganze Welt?

Die Geschichte hat diese Fragen beant-wortet, und wenn die L 25 d VII R so dasteht, nach der Landung, mit ihrer schlanken Schnauze, die sie über den Horizont reckt, wirkt sie auf mich immer noch so geheim-nisvoll ambivalent wie immer: kühn und bescheiden zugleich.

War Hanns Klemm nicht genauso?

»Wir passen gut auf sie auf, wie auf eine minderjährige Tochter«Stefan SaileFSG Hanns Klemm Böblingen e. V.

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