3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3....

73
EVU – Ländergruppe Österreich 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreich Kurzfassungen zu den Fachvorträgen Samstag, 26. Februar 2005, 9:30 – 16:00 Uhr Bundesanstalt für Verkehr, Wien Strebersdorf veranstaltet von der EVU – Österreich

Transcript of 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3....

Page 1: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

EVU – Ländergruppe Österreich

3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar

in Österreich

Kurzfassungen

zu den Fachvorträgen

Samstag, 26. Februar 2005, 9:30 – 16:00 Uhr

Bundesanstalt für Verkehr, Wien Strebersdorf

veranstaltet von der EVU – Österreich

Page 2: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

Inhalt Seite 1

Inhalt:

Seite

MR DI Dr. Günter BREYER Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie II/ST 2 Leiter der Abteilung ST 2 - Technik

Verkehrssicherheitsarbeit in Österreich ............................................................... 2

DI Michael WEBER Vorsitzender des EVU-Dachverbandes

Unfallrekonstruktion in Europa – Unterschiede und Gemeinsamkeiten Erkenntnisse aus dem EU-Projekt QUERY ........................................................... 8

Prof. Dr.-Ing. habil. Egon-Christian VON GLASNER Präsidialratsvorsitzender des EVU-Dachverbandes

Wahre Sicherheit von Fahrerassistenzsystemen ............................................... 20

Univ.-Prof. DI Dr. Peter LUGNER Technische Universität Wien

Möglichkeiten der Simulation des dynamischen Verhaltens von KFZ ............. 23

Univ.-Prof. DI Dr. Hermann STEFFAN DSD Linz, Technische Universität Graz – Institut für Fahrzeugsicherheit

Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision .............................................. 28

Mag. Dr. Werner GRATZER DWG Sachverständigenbüro Gratzer

Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen – Tunnelunfall in St. Gotthard u.a. .......................................................................... 35

Univ.-Prof. DI Dr. Ernst PFLEGER / DI Hannes GLASER EPIGUS-Institut für ganzheitliche Unfall- und Sicherheitsforschung

Blicktechnische und fahrdynamische Grenzbereiche bei Kurvenfahrten zur Aufklärung von Abkommensunfällen ........................................................... 59

Page 3: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

BREYER, Günter – Verkehrssicherheitsarbeit in Österreich Seite 2

MR DI Dr. tech. Günter BREYER Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie II/ST 2 Leiter der Abteilung ST 2 - Technik

Verkehrssicherheitsarbeit in Österreich

Österreichisches Verkehrssicherheitsprogramm 2002 – 2010

Verkehrssicherheit in Österreich

• Seit den 1970er Jahren ist Verkehrssicher-heit ein zentrales Thema in Österreich

• Seit 1970

- Zunahme des Straßenverkehrs um 300%

- Abnahme der Zahl der Verkehrstoten um 70%

• 2003

- Getötete: 931

- Verletzte: ~ 57.000

- Unfälle: ~ 43.000

=> Österreich ist nicht unter den Spitzenreitern der EU

• Seit 2000

- Wichtiger Impuls durch das „White Paper on European Transport Policy: Time to Decide“ (2001)

- Österr. Verkehrssicherheitsprogramm 2002-2010

- Revision im Jahr 2004

• Schwerpunkte in den Bereichen

- Geschwindigkeit/Abstand

- Alkohol/Drogen

- Sicherheitsgurt/Kindersitz

• Ziel für das Jahr 2010: -50% Getötete

• Zwischenergebnis 2004: -13% Getötete

Page 4: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

BREYER, Günter – Verkehrssicherheitsarbeit in Österreich Seite 3

Österreichisches Unfallgeschehen

Entwicklung der Unfallkenngrößen 1961-2003 (Index 1961 = 100%)

Anzahl der bei Verkehrsunfällen Getöteten pro Mio. Einwohner 2003 (Quelle: IRTAD)

Getötete nach Verkehrsbeteiligung 2003 Getötete nach Straßenart 2003

Page 5: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

BREYER, Günter – Verkehrssicherheitsarbeit in Österreich Seite 4

Verkehrssicherheitsprogramm 2002-2010

• Regierung verabschiedet VSP im Jahr 2002

• VSP beinhaltet einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Erhöhung der Verkehrssicherheit

• 28 Schwerpunkte mit mehr als 100 konkreten Maßnahmen

• Jährliche Reduktionspotentiale werden – soweit möglich - angegeben

• Umsetzung der Maßnahmen begann 2002

• „Startpaket“ wurde Ende 2003 abgeschlossen

• 7. April 2004 (Weltverkehrssicherheitstag „Road Safety is no Accident“): Präsentation der 2. Auflage des VSP in Deutsch und Englisch

• Evaluation der Maßnahmen in regelmäßigen Abständen

Ziele des VSP

Grundsätze:

• Jeder Tote und Schwerverletzte im Verkehr ist einer zuviel

• Die nachhaltige Sicherheitsarbeit im Bereich der Bahn und der Luftfahrt soll für die Straße als Vorbild dienen

• Eine gesunde Sozialwirtschaft hat schon allein aus ökonomischer Sicht die Pflicht, Unfallfolgekosten zu minimieren

Ziele bis 2010:

minus 50 % Getötete

minus 20 % Unfälle mit Personenschaden

Volkswirtschaftliche Kosten

Wichtigste Kostenarten:

• Medizinische Behandlungskosten

• Verlust an Leistungspotential

• Schmerzensgeldzahlungen

• Kosten von Sachschäden

• Rechtskosten

Gesamtkosten für Unfälle im Straßenverkehr:

~ 3.6 Mrd. Euro/Jahr

Page 6: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

BREYER, Günter – Verkehrssicherheitsarbeit in Österreich Seite 5

Ergebnis der österreichischen Kostenträgerrechnung (Metelka et al., 1997)

Kostenträger Kosten (in Euro)

Getöteter 805.215,-

Schwerverletzter 43.605,-

Leichtverletzter 3.695,-

Schwerer Sachschaden 4.870,-

Leichter Sachschaden 1.242,-

Schwerpunkte des VSP

Page 7: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

BREYER, Günter – Verkehrssicherheitsarbeit in Österreich Seite 6

Handlungsfeld „Mensch“

Jährliches Reduktionspotential im Bereich Alkohol und Drogen:

bis zu 100 Getötete bis 2010

Maßnahmen:

erhöhte Alkohol-Überwachungsdichte (“Alko-Vortester”), Schulung im

Bereich Drogenerkennung, Durchführung einer “BOB”-Kampagne, …

Jährliches Reduktionspotential im Bereich Führerscheinausbildung, Fahrtraining:

bis zu 130 Getötete bis 2010

Maßnahmen:

Einführung des Vormerksystems, regelmäßige Erneuerung des Führerscheins

in Abstimmung mit der EU,…

Page 8: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

BREYER, Günter – Verkehrssicherheitsarbeit in Österreich Seite 7

Rechtliche Rahmenbedingungen

Zusammenarbeit

• Innen-, Justiz-, Bildungs-, Gesundheitsministerium

• Bundesländer, Städte, Gemeinden

• Kuratorium für Verkehrssicherheit

• Automobil- und Mobilitätsclubs

• Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer

• Universitäten und Forschungseinrichtungen

Finanzierung

Österreichischer Verkehrssicherheitsfonds

• KFG:

- Gebühr für Wunschkennzeichen (~ 250.000, Euro 145,- für 15 Jahre)

- Zweckgebunden für Verkehrssicherheitsarbeit

• Volumen des Fonds: Euro 40 Mio. in den letzten 15 Jahren

- 60 % Bundesländer

- 40 % Bund

• Dient der Finanzierung von Projekten zur Erhöhung der Verkehrssicherheit in Österreich

MR DI Dr. tech. Günter BREYER

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Sektion II – Infrastruktur; Leiter der Abteilung II/ST 2 - Technik und Verkehrssicherheit 1010 Wien, Stubenring 1 01 / 71 100 - 5419 E-Mail: [email protected]

Page 9: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion in Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 8

DI Michael WEBER Vorsitzender des EVU-Dachverbandes

Unfallrekonstruktion in Europa – Unterschiede und Gemeinsamkeiten Erkenntnisse aus dem EU-Projekt QUERY

Die EVU und ihre Ländergruppen im Wandel – Weiterbildung und Berufsbild

1 Die Vereinigung EVU als Zusammenschluss der Unfallanalytiker in ganz Europa ....... 8

2 Abgrenzung der Berufsbilder ..................................................................................... 11

3 EVU Projekt QUERY ................................................................................................. 11

3.1 Definition ............................................................................................................ 12

3.2 Einführung ......................................................................................................... 12

3.2.1 Prävention .............................................................................................. 12

3.2.2 Gerechte Aufteilung der zivilrechtlichen Kosten ...................................... 12

3.2.3 Satisfaktionen ......................................................................................... 13

3.2.4 Verbesserung der Sicherheit an Kraftfahrzeugen im Straßenraum ......... 13

3.3 Projektziele ........................................................................................................ 13

3.4 Erwartete Ergebnisse von QUERY .................................................................... 14

3.5 QUERY - Phase 1 .............................................................................................. 15

3.6 Europäische Dimension der Recherche .............................................................. 17

4 Weiterbildung der Sachverständigen durch die Knowledge Base EVUonline.org ....... 18

1 Die Vereinigung EVU als Zusammenschluss der Unfallanalytiker in ganz

Europa

Die EVU wurde 1991 von dem Unfallanalytiker Dr. Burg für Sachverständige aus dem

Bereich der Unfallanalyse und Unfallforscher gegründet. Die erste Tagung fand 1992 in

Wien statt.

Da die Mitgliederzahl stetig wuchs, wurde die Vereinigung im Jahr 2000 neu strukturiert: Es

gibt einen Dachverband der EVU mit Sitz in Hamburg, (kurz EVU genannt) und die

Ländergruppen, z.B. Ländergruppe Ungarn, (kurz EVU-Ungarn). Jedes europäische Land

Page 10: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion in Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 9

hat die Möglichkeit, eine eigene Ländergruppe zu gründen. Hiervon haben schon viele

Länder der EU und auch die Schweiz Gebrauch gemacht. Zur Zeit hat die gesamte

Vereinigung EVU rund 500 Mitglieder.

Gemäß der Satzung hat die EVU den Zweck, Verbesserungen von Grundlagen der Unfall-

forschung und Methodik der Unfallanalyse zu fördern und damit zur Erhöhung der

Rechtssicherheit beizutragen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten verbessert sie die

Verkehrssicherheit, indem Informationen über Unfallabläufe publiziert und Konzepte zur

Verbesserung der aktiven und passiven Sicherheit aus den Erkenntnissen realer

Unfallabläufe abgeleitet werden. Zudem betreibt die EVU eine intensive Schulung und

Weiterbildung ihrer Mitglieder. Führende Mitarbeiter aus der europäischen Fahrzeug-

industrie sind in diese Weiterbildung integriert und informieren über modernste Techniken.

Die EVU leistet eigene Forschungsarbeit oder beteiligt sich an geeigneten Projekten. Die

Ergebnisse werden in erster Linie den Mitgliedern zur Verfügung gestellt. Jedoch auch der

Allgemeinheit werden solche Erkenntnisse in Form von Publikationen und Kongresse

weitergegeben.

Von der EVU benannte Mitglieder wirken in nationalen und internationalen Fachgremien mit

und bringen so die Fachkunde des Vereins ein. Die EVU bemüht sich um die Förderung der

internationalen Zusammenarbeit zur Weiterentwicklung von Wissenschaft und Forschung im

Bereich Verkehrssicherheit und Unfallforschung. Der Verein engagiert sich auch bei der

Harmonisierung der Ausbildung und Bestellung von Sachverständigen.

Die EVU führt eine Mitgliederliste, die im Internet unter www.EVUonline.org für jedermann

zugänglich ist. Die Liste hilft dabei, einen geeigneten Unfallanalytiker an einem bestimmten

Unfallort zu finden. Die EVU gibt eigene technische Unterlagen heraus und prüft Werke, die

von den Ländergruppen oder den Fachausschüssen erarbeitet werden. Über den

geschützten Bereich von www.EVUonline.org werden diese Informationen allen Mitgliedern

kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Vereinigung arbeitet auf nationaler Ebene mit den

Autorisierungs- und Zertifizierungsstellen zusammen und treibt die europäische Harmoni-

sierung des Berufsbildes voran. Die Ländergruppen kümmern sich um die nationalen

Interessen des Berufsstandes und sind in den entsprechenden Gremien vertreten.

Die EVU organisiert in jedem Jahr eine ordentliche Mitgliederversammlung. Sie findet immer

im Rahmen der EVU-Jahrestagungen in wechselnden Ländern statt. Sie beruft außerdem

Fachausschüsse ein und betreut deren Arbeit, Internationale Veranstaltungen zur Aus- und

Weiterbildung werden kritisch geprüft und ggf. weiterempfohlen. Der Dachverband ist auch

Page 11: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion in Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 10

zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der EVU und für die Genehmigung der Satzungen der

Ländergruppen.

Generell können natürliche und juristische Personen Mitglieder der EVU werden. Ist eine

Ländergruppe bereits gebildet, kann eine Person nur über die Ländergruppe in die EVU

aufgenommen werden. Nur in Ländern, in denen noch keine Ländergruppe gebildet ist, kann

die Mitgliedschaft direkt über den EVU-Hauptverband in Hamburg erworben werden.

Organe der EVU sind der Vorstand, der Präsidialrat und die Mitgliederversammlung. Der

Vorstand besteht aus dem Vorsitzenden, seinem Stellvertreter, dem Schatzmeister und dem

Schriftführer einerseits (engerer Vorstand) und den Vorsitzenden der Ländergruppen

andererseits, die mit den Mitgliedern des engeren Vorstandes den erweiterten Vorstand

bilden.

Der Präsidialrat, der sich aus besonders profilierten Persönlichkeiten aus Wissenschaft,

Politik, Verwaltung und Industrie zusammensetzt, besteht aus mindestens drei und in der

Regel nicht mehr als elf Personen. Die Wahl erfolgt durch die Mitgliederversammlung auf

Vorschlag des erweiterten Vorstandes. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre und endet erst, wenn

eine Neuwahl wirksam geworden ist. Wiederwahl und Zuwahl sind jederzeit zulässig. Der

Präsidialrat hat die Aufgabe, den Vorstand in wichtigen Vereinsangelegenheiten und

hinsichtlich der Einhaltung der wesentlichen Ziele der EVU zu beraten. Der Präsidialrat wählt

aus seiner Mitte einen Präsidenten und mehrere Vizepräsidenten. Der Präsident oder an

seiner Stelle einer der Vizepräsidenten führt im Präsidialrat den Vorsitz.

Jahrestagungen der EVU - Die

Termin zur Jahrestagung 2005

liegt fest: 21.10.2005 bis

22.10.2005 in Bratislava

Page 12: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion in Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 11

2 Abgrenzung der Berufsbilder

In den deutschsprachigen Ländern hat sich in den letzten Jahrzehnten eine neue

Berufssparte herausgebildet. Es handelt sich um den forensisch tätigen Unfallanalytiker

(Unfallrekonstrukteur) für Straßenverkehrsunfälle. Er wird von Gerichten oder auch von

streitenden Parteien, z. B. Versicherungen, damit beauftragt, den Ablauf eines Unfalls

anhand objektiver Spuren zu rekonstruieren. Auch in anderen europäischen Ländern gibt es

diesen Berufszweig, jedoch wird er in der Regel von Gerichten nur selten angefragt.

In den USA und Großbritannien hat sich dieser Berufszweig parallel entwickelt. Im

Unterschied zu den meisten europäischen Ländern wird er dort aber nicht vom Gericht

sondern von den Parteien beauftragt. Jede Partei hat ihren eigenen Sachverständigen, die

dann vor dem Gericht ihre meist unterschiedlichen Standpunkte austauschen.

Der Unfallanalytiker verfügt europaweit in aller Regel über eine akademische Ausbildung als

Ingenieur oder Physiker.

Unfallforscher beschäftigen sich weniger mit der Rekonstruktion von Verkehrsunfällen als

mit dem eigentlichen Ablauf. Meist sind sie an forschenden Institutionen wie den

Entwicklungsabteilungen der Automobilindustrie oder an Universitäten tätig. Ihr Ziel ist es,

die passive und aktive Sicherheit von Fahrzeugen zu verbessern. Für ihre Arbeit ist es

wichtig, auf die Erfahrungen der Unfallanalytiker zurückgreifen zu können. Umgekehrt

profitieren die eher praktisch tätigen Unfallanalytiker von den theoretischen Forschungs-

ergebnissen der Unfallforscher in der Automobilindustrie oder mit ihnen verbundenen

Institutionen.

Die außerdem noch auf diesem Gebiet tätigen Sachverständigen erfüllen andere Aufgaben:

Eine sehr große Gruppe bilden die Sachverständigen für Fahrzeugschäden und -bewertung.

Dabei handelt es sich um Experten, die sich mit der Schadenhöhe beschäftigen. Außerdem

gibt es noch die Berufsgruppe der Sachverständigen für Fahrzeuguntersuchungen. Sie sind

überwiegend auf dem Gebiet der technischen Fahrzeugüberwachung tätig. Da jedes dieser

Fachgebiete eine besondere Spezialisierung benötigt, sollten die Berufsbilder in Zukunft

besser voneinander getrennt werden. Auch dies ist ein wesentliches Ziel des EVU.

Page 13: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion in Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 12

3 EVU Projekt QUERY

3.1 Definition

Die EVU hat sich für die nächsten zwei Jahre das Ziel gesetzt, ein Unfallrekonstrukteur-

Netzwerk in ganz Europa aufzubauen und zu erforschen, wie das Berufsbild des

Sachverständigen für Unfallrekonstruktion in die unterschiedlichen Rechtssysteme integriert

ist. Dieses Projekt trägt den deutschen Titel:

Entwicklung der Richtlinien für ein „Best Practices“ Berufsbildes

des Unfallanalytikers.

In der englischen Übersetzung lautet er:

Developing Guidelines for a „Best Practices“ Qualification

of Accident Analysts (kurz QUERY)

3.2 Einführung

Auf den Straßen der Europäischen Union sterben jährlich ca. 40.000 Menschen, 1,5 mio

werden in Folge von Straßenverkehrsunfällen verletzt. Nach einem Verkehrsunfall stellt sich

die Frage nach der Unfallursache und wie man ihn hätte vermeiden können. Die Antwort

hierauf kann in den meisten Fällen nur ein entsprechend qualifizierter Unfallanalytiker

liefern, der anhand des gesicherten Spurenmaterials den Unfallablauf rekonstruiert. Stich-

probenartige Befragungen haben ergeben, dass das Berufsbild dieses Sachverständigen in

den verschiedenen Mitglieds- und Beitrittsländern der EU sehr unterschiedlich definiert ist.

Wie in anderen Berufsfeldern auch wäre es von Vorteil, wenn dieses Berufsfeld europaweit

harmonisiert werden könnte. Dies ist zur Zeit das Hauptziel der EVU.

Die Kenntnis des genauen Unfallablaufs ist eine unabdingbare Voraussetzung für die

nachfolgend aufgezählten Reaktionen auf ein Unfallereignis:

3.2.1 Prävention

Die strafrechtliche Fahndung in Verkehrsfällen setzt voraus, dass der Unfallablauf

rekonstruiert und ein mögliches Verschulden der Beteiligten bewiesen wird. Eine

Präventionswirkung wird dadurch erreicht, dass schuldhaftes Handeln bestraft wird.

3.2.2 Gerechte Aufteilung der zivilrechtlichen Kosten

In den meisten europäischen Rechtssystemen zahlen die Versicherungen des Unfall-

verursachers den materiellen Schaden, steht die Unabwendbarkeit für einen Beteiligten fest,

muss seine Versicherung nicht haften. Zur gerechten Kostenverteilung ist es notwendig, den

Page 14: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion in Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 13

Verursachungsgrad verschiedener Beteiligter festzustellen. Hierzu muss der Unfall

regelmäßig rekonstruiert werden.

3.2.3 Satisfaktionen

In der Regel trifft denjenigen, der einen Unfall verursacht auch ein Verschulden. In diesen

Fällen steht dem Opfer eines Verkehrsunfalls auch eine immaterielle Entschädigung zu

(„Schmerzensgeld“). Der Grad des Verschuldens kann durch eine Unfallrekonstruktion

ermittelt werden.

3.2.4 Verbesserung der Sicherheit an Kraftfahrzeugen im Straßenraum

Die im Rahmen einer Rekonstruktion gewonnenen Erkenntnisse zum Unfallablauf lassen

sich auch in praktische Empfehlungen umsetzen, wie zukünftig Unfälle vermieden (aktive

Sicherheit) oder zumindest wie die Folgen eines Unfalls gemildert werden können (passive

Sicherheit). Der Sachverständige für Unfallrekonstruktion kann die gewonnenen

Erfahrungen aus tatsächlichen Unfällen und aus Unfallversuchen in technische

Empfehlungen umsetzen, mit deren Hilfe sich der Unfallschutz verbessern lässt.

3.3 Projektziele

In allen europäischen Staaten arbeiten hochqualifizierte Unfallanalytiker als Sach-

verständige, die anhand der Unfallspuren den Hergang genau rekonstruieren können.

Bisher sind alle Regelungen zur Aus- und Weiterbildung des Unfallanalytikers, zur

Zulassung bei den Gerichten und anderen Institutionen und zur Position des

Sachverständigen bei Gericht in den einzelnen Ländern unterschiedlich. Es existieren bisher

keine Erhebungen darüber, wie groß die Unterschiede sind und welche Gemeinsamkeiten

sich gebildet haben.

Um diese mit QUERY gesteckten Ziele zu erreichen, wurden zunächst in allen EU-Ländern

und den Beitrittsländern kompetente Ansprechpartner gesucht. Diese Phase war bis

November 2004 abgeschlossen. In jedem Land wurde mindestens ein geeigneter Techniker

als Partner für Query gefunden. Damit lässt sich die rechtliche Stellung des Sach-

verständigen in dem jeweiligen Rechtssystem ermitteln und das Berufsbild grob umreißen.

Nachdem in allen Ländern Kontaktpartner gefunden sind, fand der erste Workshop „Query

Phase 1“ am 4.11.2004 in Budapest statt (vgl. Abschnitt 3.5). Bei diesem Workshop wurden

die unterschiedlichen Berufsbilder an ausgewählten Beispielen von den jeweiligen

Ländervertretern vorgestellt.

Page 15: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion in Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 14

Nach diesem Workshop erfolgt jetzt die eigentliche Datenerfassung durch vertiefende

persönliche Gespräche und auf elektronischem Wege. Die Auswertung der Daten wird

anschließend in einem Zwischenbericht festgehalten. Nach der Datenauswertung werden

die Partner aus den einzelnen Ländern zu einem zweiten Workshop im Herbst 2005

eingeladen. In diesem Workshop werden die Ergebnisse diskutiert und hieraus praktikable

Rahmenbedingungen und Inhalte abgeleitet, um das Berufsbild des Sachverständigen auf

europäischer Ebene zu vereinheitlichen.

Das Projekt QUERY wird von der DG-Tren der Europäischen Union (Generaldirektion

Energie und Transport) mit 50% der Kosten bezuschusst. Mit diesem Zuschuss und

Sponsoring verschiedener Organisationen konnte ein Budget von 120.000.- € für die

Finanzierung aufgebracht werden.

3.4 Erwartete Ergebnisse von QUERY

Mit den Daten und Informationen ist zum ersten Mal ein Überblick gegeben, wie der Sach-

verständige in die verschiedenen Rechtssysteme eingebunden ist, welchen Stellenwert er

einnimmt und über welche beruflichen Qualifikationen er in den einzelnen Ländern verfügt.

Aus diesen Resultaten kann das Berufsbild des europäischen Sachverständigen für

Unfallrekonstruktion festgeschrieben werden:

1. Über welche Ausbildung muss er verfügen?

2. Welche Mindestkenntnisse muss er haben, und wie kann man sie von einer

Zulassung (Zertifizierung) prüfen?

3. Wie kann man nach der Zulassung noch eine Qualitätskontrolle realisieren?

4. Wie werden die Unfallanalytiker honoriert?

Förderung durch

Brüssel

Page 16: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion in Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 15

Alle Ergebnisse sollen mehrsprachig (Deutsch, Englisch, Französisch oder Spanisch) in

einem Buch oder einer Broschüre publiziert werden. Die wichtigsten Daten werden

zusätzlich in Fachzeitschriften (deutschsprachige Länder: Verkehrsunfall und Fahrzeug-

technik, England: ITAI, USA: Accident Reconstruction Journal, etc.) und auch im Internet

(www.EVUonline.org) publiziert.

3.5 QUERY - Phase 1

Am 04.11.2004 wurde in Budapest der erste Workshop zu dem Projekt QUERY

durchgeführt. Hierzu waren Fachleute aus nahezu allen europäischen Ländern erschienen.

Bis dahin war es gelungen, aus allen Staaten der EU 25 (bis auf Malta) ausführliche

Beschreibungen der beruflichen Situation zu erhalten. Zusätzliche Informationen lagen aus

der Schweiz und aus Norwegen vor. Die folgenden Themenbereich wurden in diesen

schriftlichen Präsentationen vor dem Treffen abgefragt:

• fachliche Voraussetzung

• offizielle Zulassung

• Position des Sachverständigen

• Arbeitsbedingungen

• Arbeitsfelder

• Verbände, Institutionen, Aktivität

Es stellte sich heraus, dass dieser Beruf in allen europäischen Ländern existiert. Die

westlichen (Spanien, Portugal, Frankreich und Italien) und die skandinavischen Länder

setzen aber bei der Aufarbeitung von Verkehrsunfällen sehr viel seltener Sachverständige

ein als die deutschsprachigen Länder. Im Westen werden sie überwiegend in Strafverfahren

hinzugezogen. Zivilrechtliche Auseinandersetzungen über Verkehrsunfälle vor Gericht sind

dort eher selten, weil die Versicherungen Streitigkeiten vor Gericht vermeiden. In deutsch-

sprachigen Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz) werden Sachverständige für Unfall-

rekonstruktion auch häufig in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen hinzugezogen, damit

eine gerechte Aufteilung der Kosten erreicht wird.

Im englischen Rechtssystem, das ähnlich aufgebaut ist wie das amerikanische und

australische, gibt es keinen „Gerichtssachverständigen“. Dort treten in der Regel zwei oder

sogar mehr Privatsachverständige gegeneinander an, die von den Parteien gestellt werden.

In den meisten europäischen Staaten wird zwischen einem Gerichtssachverständigen und

einem Privatsachverständigen unterschieden. Die Position des Gerichtssachverständigen ist

in der Regel sehr viel stärker als die des Privatsachverständigen. Zur Auswahl eines

Page 17: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion in Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 16

geeigneten Gerichtssachverständigen stehen den Gerichten meist Listen zur Verfügung.

Oftmals ist aber nicht klar, welche Kriterien es gibt, um in eine solche Liste aufgenommen zu

werden.

Die östlichen Länder Europas haben teilweise einen überraschend hohen Standard in der

Unfallrekonstruktion. Er liegt meist deutlich höher als der in den westlichen Ländern. Die dort

tätigen Sachverständigen werden aber bei gerichtlicher Beauftragung außerordentlich

schlecht bezahlt (3,- bis 11,- €) und müssen deshalb Privataufträge übernehmen, um ihr

Auskommen zu haben.

Zwischen den Teilnehmern bestand Einigkeit darüber, dass eine universitäre Ausbildung mit

einem Ingenieurtitel in Maschinenbau oder einer vergleichbaren Ausbildung Mindest-

voraussetzung für die Berufsausübung sein muss. Wenn die Studienfächer die Grundlagen

der Unfallrekonstruktion und der Automobiltechnik nicht einschließen, sollten auch noch

post-graduate-studies Voraussetzung sein. Für die Zulassung vor Gericht sollte außerdem

noch mehrere Jahre Berufserfahrung in einem Büro zusätzlich vorgeschrieben werden.

Die Zulassung sollte nicht auf Lebenszeit, sondern limitiert für zwei bis fünf Jahre vergeben

werden. Bei der Zulassung soll auch die persönliche Integrität eines Bewerbers geprüft und

auch anschließend weiter überwacht werden.

In den Niederlanden und in Großbritannien wird Unfallrekonstruktion teilweise auch von

Polizeibeamten betrieben. (Im Projekt verstehen wir unter „Unfallrekonstruktion“: Mit

wissenschaftlichen Methoden Rückschlüsse aus den Unfallspuren ziehen.) Die Teilnehmer

von QUERY waren sich darüber einig, dass dies problematisch ist, weil die so verstandene

Unfallrekonstruktion eine solide akademische Ausbildung erfordert, die beim Polizeibeamten

fehlt. Deshalb sollte in den Richtlinien aufgenommen werden, dass Polizeibeamte nur für die

Spurensicherung an der Unfallstelle zuständig sind und auf diesem Gebiet besser aus-

gebildet werden sollen. Nur ausnahmsweise soll es nach umfangreichen Trainingsmaß-

nahmen möglich sein, dass Polizeibeamte auch einfache Unfallrekonstruktionen, wie etwa

die Geschwindigkeitsrückrechnung aus Bremsspuren, durchführen können. Diese beiden

Länder äußerten Bedenken gegen eine Richtlinie, bei der die Polizei überhaupt keine

Befugnisse zur Sachverständigentätigkeit haben soll.

Von den westlichen Teilnehmern, den Skandinaviern und den Engländern wurde beklagt,

dass kaum Austausch mit Mittel- und Osteuropa vorhanden ist. Die EVU ist die einzige

länderübergreifende Organisation in Europa. Wir werden jetzt unsere Aktivitäten in Richtung

dieser Länder verstärken. Hierzu muss die EVU konsequent Englisch als hauptsächliche

Page 18: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion in Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 17

Verständigungssprache nutzen. (Bislang war die Hauptsprache im EVU Deutsch.) Als erstes

konkretes Ergebnis aus dem Workshop wurde eine Email-Diskussionsgruppe gegründet. Sie

wurde bereits eingerichtet, und zwar unter der Adresse

http://uk.groups.yahoo.com/group/eurec/ .

Nach Meinung der Konferenzteilnehmer sollen insbesondere folgende Punkte fest-

geschrieben werden:

• Mindestanforderungen an die berufliche Ausbildung

• erforderliche post-graduate-studies

• erforderliche berufliche Erfahrung

• weitere notwendige Kenntnisse (z. B. Führerscheine)

• Kriterien zur Aufnahme in eine Gerichtsliste

• Qualitätssiegel für den europäischen Sachverständigen

• Zusammensetzung einer Fachkommission zur Prüfung von Sachverständigen

• Prüfungskatalog für die Aufnahme in eine Gerichtsliste

• Mindestanforderungen an die moralische Integrität

• Limitierung der gerichtlichen Zulassung

3.6 Europäische Dimension der Recherche

Eine zuverlässige und genaue Rekonstruktion von Verkehrsunfällen ist nur möglich, wenn

der Unfallanalytiker über ein möglichst großes Fachwissen verfügt. Die von uns erarbeiteten

Empfehlungen lassen sich entweder auf europäischer Ebene oder Länderebene in

Richtlinien oder in Gesetze umsetzen. Durch die zunehmende Internationalisierung des

Verkehrs ist auch mit einer zunehmenden Unfallzahl mit Beteiligung von Bürgern aus

anderen Mitgliedsstaaten zu rechnen. Sowohl für die „zahlende Versicherung“ als auch für

den Bürger ist es beruhigend zu wissen, dass der Unfall von einem qualifizierten

Unfallrekonstrukteur, der europaweit geltende Kriterien erfüllt, analysiert wird. Hierdurch wird

auch die Rechtssicherheit in Europa erhöht.

Dies gilt nicht nur für Verkehrsunfälle, sondern auch für die Überwachung von

Verkehrsverstößen. In einigen Ländern werden zur Zeit noch zweifelhafte Meßmethoden

angewendet, die zu Fehlmessungen führen können. Zur Überprüfung dieser Messungen

werden von den Gerichten häufig Sachverständige für Unfallrekonstruktion herangezogen.

Deren kritische Berichte zu den Messmethoden hat schon zu vielen Verbesserungen

geführt.

Page 19: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion in Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 18

Die Informationen, die im Rahmen des Projektes QUERY gewonnen werden, sollen mit

weiteren EU-Projekten, die sich mit dem Bereich der Datensammlung und der

Unfallursachenerforschung verzahnt werden. Die Teilnahme von Repräsentanten aus

anderen Projekten an den QUERY-Workshops ist daher vorgesehen.

Das Interesse der Unfallanalytiker an der Arbeit ihrer Berufskollegen in den EU-Staaten und

in den Beitrittsländern ist groß. Das zeigen unter anderem die von uns jährlich durch-

geführten Fachtagungen. Die Auslandsabteilungen der Versicherungen legen Wert darauf,

dass die Unfälle in den anderen Ländern korrekt und nachvollziehbar abgewickelt werden.

Sie sind deshalb an Publikationen zu diesem Thema sehr interessiert. Rechtsanwälte, die

Auslandsschäden bearbeiten, benötigen qualifizierte Sachverständige vor Ort. Diese

Gruppen können durch Fachpublikationen erreicht und informiert werden. Sollte es in

Zukunft gelingen, ein einheitliches Berufsbild des Sachverständigen für Unfallrekonstruktion

festzuschreiben und eine europäische Zertifizierung zu erreichen, dann kann auch ein

Sachverständigenverzeichnis für die gesamte EU im Internet veröffentlicht werden.

4 Weiterbildung der Sachverständigen durch die Knowledge Base

www.EVUonline.org

Schon seit der Gründung des EVU wurde darüber nachgedacht, wie man Informationen

zwischen den einzelnen Ländern austauscht. Die Idee einer europäischen Mitgliederzeitung

ließ sich leider aus Kostengründen nicht verwirklichen. Mit den neuen Medien Internet und

E-Mail stehen aber elegante und effiziente Werkzeuge zur Verfügung, um eine europäische

Wissensdatenbank für die Mitglieder zu installieren. Dieses Projekt wurde mittlerweile von

der EVU erfolgreich abgeschlossen. Seit Jahresbeginn 2004 steht die dynamisch

aufgebaute Datenbank im Internet zur Verfügung. Sie umfasst folgende Bereiche:

• Umfangreiche Datensammlungen mit Fachartikeln, Büchern, Arbeitsblättern, Programmen und Excel-Sheets

• Versuchsdatenbank mit differenzierten Recherchemöglichkeiten

• Veranstaltungskalender für Fachtagungen und Seminare

• Adressverzeichnis mit Experten und Organisationen (öffentlich)

• Fachbezogene Linksammlung

Alle Informationen einschließlich der downloadbaren Dokumente wie PDF, Excel, Word oder

Fotos sind in einer Access-Datenbank abgelegt. Für den Anwender wurden umfangreiche

Such- und Recherchemöglichkeiten mit Suchmasken und Filtern eingerichtet. Damit ist es

möglich, in Sekundenschnelle nach Schlagwörtern, Autoren oder anderen Suchkriterien die

Page 20: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

WEBER, Michael – Unfallrekonstruktion in Europa (EU-Projekt QUERY) Seite 19

gewünschten Informationen aufzuspüren. Die Knowledge Base wird von den Mitgliedern

selbst mit Daten gefüttert. Man kann Texte, Fotos und auch fertige Dokumente in eine

einfach zu bedienende Maskenstruktur eingeben und die Daten mit einem Mausklick ohne

jegliche Programmierkenntnisse auf den Server bringen. Bedingung hierfür sind allerdings

Redaktionsrechte über die nur einige der Mitglieder verfügen. Damit wird sichergestellt, dass

keine ungeprüften Informationen dort veröffentlicht werden. Jedes Mitglied kann aber Inhalte

an einen der Redakteure schicken, der sie dann sofort publiziert.

DI Michael WEBER

Vorsitzender des EVU-Dachverbandes EVU-Geschäftsstelle, D - 22303 Hamburg, Borweg 6 +49 (040) 636 099 88 E-Mail: [email protected] www.evuonline.org

Artikel zum Download

in www.EVUonline.org

Page 21: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

VON GLASNER, Egon-Christian – Wahre Sicherheit von Fahrerassistenzsystemen Seite 20

Prof. Dr.-Ing. habil. Egon-Christian VON GLASNER Präsidialratsvorsitzender des EVU-Dachverbandes

Wahre Sicherheit von Fahrerassistenzsystemen

Ein Statusreport der Europäischen Vereinigung für Unfallforschung:

„Zukünftige Fahrerassistenzsysteme - ein Beitrag

zur Steigerung der aktiven Sicherheit“

VORTRAGSGLIEDERUNG:

• Aktivitäten zu Fahrerassistenzsystemen weltweit

• Bremssystemmanagement als Plattform für Assistenzsysteme

• Existierende und zukünftige Fahrerassistenzsysteme

- Bremssysteme mit integrierten Dauerbremsanlagen - Stabilitätssysteme mit Überschlagverhinderung

- Koppelkraftregelung, aktive Kupplung für Anhängefahrzeuge - Bremsbelagverschleißharmonisierung - Bremsassistent - Abstandsregeltempomat - Spurassistent - Systeme zur Verbesserung der Nachtsicht - Kommunikation der Fahrzeuge untereinander - Umfeldüberwachung - Verkehrsteilnehmer- und Verkehrszeichenerkennung

- Autonomes Fahren mit X-by-Wire-Systemen

• Fazit: Gedanken zu Fahrerassistenzsystemen

Page 22: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

VON GLASNER, Egon-Christian – Wahre Sicherheit von Fahrerassistenzsystemen Seite 21

AKTIVITÄTEN ZU FAHRERASSISTENZSYSTEMEN WELTWEIT

• Elektronisches Bremssystem (EBS, als Plattform für Fahrerassistenzsysteme) mit Integration von ABS und ASR sowie Retarder- und/oder Motorbremssystem als Minimalausstattung,

• Stabilitätssystem (ESP/FDR) mit Überschlagverhinderung (ROP),

• Koppelkraftregelung zwischen Zug- und Anhängefahrzeug,

• Anfahrregelung am Berg,

• Bremsbelagverschleißregelung,

• Bremsassistent,

• Radar/Laser Abstandsregeltempomat,

• Spurassistent,

• Aktiver Fahrersitz,

• Kraftschlussermittlung zwischen Reifen und Fahrbahn,

• Regensensor,

• Reifendruckkontrolle,

• Warnhinweise basierend auf Informationen des Navigationssystems,

• Systeme zur Verbesserung der Sicht (kurven- und kreuzungsabhängige Beleuchtung, Nachtsichthilfen),

• Fußgänger-, Radfahrer- und Verkehrszeichenerkennung,

• Parkassistent (Einparken und Rangieren),

• Stabilitätssystem (ESP/FDR) und Spurassistent mit Lenkeingriff,

• Intelligenter Abstandsregeltempomat mit Stop-and-Go-Automatisierung,

• Informationsaufnahme durch Kommunikation der Fahrzeuge untereinander,

• Überwachung des Fahrzeugumfelds (Kreuzungs- und Abbiegeassistent, Rückwärtsfahr- und Totwinkelüberwachung),

• Autonomes Fahren mit elektronischer Deichsel („Platooning“), Autopilot, X-by-Wire Systemen (Power-by-Wire, Shift-by-Wire, Steer-by-Wire, Suspension-by-Wire und Brake-by-Wire), etc.

Page 23: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

VON GLASNER, Egon-Christian – Wahre Sicherheit von Fahrerassistenzsystemen Seite 22

FAZIT ZU FAHRERASSISTENZSYSTEMEN

• Mechatronische (= mechanische + elektronische) Fahrerassistenzsysteme

können die heutigen Unfallzahlen noch einmal erheblich mindern.

• Der Schlüssel zur Unfallminderung liegt in der Elektronik, da die

Reaktionszeiten mechatronischer Systeme deutlich kürzer als die

konventioneller, mechanischer Systeme sind.

• Ein unkonzentrierter, übermüdeter Fahrer kann durch Fahrerassistenzsysteme

rechtzeitig vor einer möglichen Unfallsituation gewarnt werden. Notfalls

kompensiert das System die fehlerhafte Reaktion des Fahrers durch

selbständigen Regeleingriff.

• Die sichere Erkennung bei Tag und Nacht vor allem von Fußgängern und

Radfahrern, aber auch von Verkehrszeichen, ist für zukünftige Fahrer-

assistenzsysteme besonders wichtig, um rechtzeitig reagieren und Unfälle

verhindern zu können.

• Stabilitätsregelungen, Spurhaltesysteme und Abstandsregelungen in

Kombination mit der “Elektronischen Knautschzone“ können Unfallzahlen

dramatisch verringern.

Dies würde den Forderungen der EU, bis 2010 die Anzahl der Toten auf

unseren Straßen zu halbieren, stark entgegenkommen.

• Der Fahrer muss von allen Aufgaben, die ihn ablenken oder stark

belasten, entlastet werden. Vernetzte Fahrerassistenzsysteme werden ihm

dabei helfen.

Prof. Dr. Egon-Christian VON GLASNER

Präsidialratsvorsitzender des EVU-Dachverbandes Senior Manager Daimler Chrysler AG (i.R.) D - 73650 Winterbach, Vogelsangweg 13 +49 (0718) 17 18 82 oder +49 (0162) 903 55 66 E-Mail: [email protected]

Page 24: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

LUGNER, Peter – Möglichkeiten der Simulation des dynamischen Verhaltens von KFZ Seite 23

Univ.-Prof. DI Dr. Peter LUGNER Technische Universität Wien

Möglichkeiten der Simulation des dynamischen Verhaltens von KFZ

Einleitung

Für die Analyse der Fahrdynamik eines Kfz ist es wichtig zu wissen, welche Möglichkeiten

heute gegeben sind um das Verhalten rechnerisch zu rekonstruieren. Dabei werden hier

nicht der Kollisionsvorgang und dessen Rekonstruktion betrachtet, sondern es soll

aufgezeigt werden, wie und mit welchen Mitteln eine Fahr- oder auch Auslaufbewegung

eines Fahrzeugs simuliert werden kann. Wie detailliert muss ein Rechenmodell sein um eine

beweiskräftige Aussage über das dynamische Verhalten des Fahrzeugs oder einzelner

Komponenten zu erhalten? Für den Sachverständigen (SV) ergibt sich daraus die

Notwendigkeit zu beurteilen, ob die ihm zur Verfügung stehenden Mittel (und auch Daten)

ausreichen, um eine gegebene Aufgabenstellung sinnvoll lösen und brauchbare Ergebnisse

erhalten zu können.

Systemmodelle

Mit der Betonung auf die Quer- und Längsdynamik des Fahrzeugs werden Modelle für die

mathematische Simulation vorgestellt, deren unterschiedliche Komplexität die möglichen

Anwendungsgebiete charakterisieren.

Reifenmodelle

Bedenkt man, dass abgesehen von den Luftkräften auf das Fahrzeug, alle das dynamische

Fahrverhalten bestimmenden Kräfte über den Reifen bzw. dessen Aufstandsfläche auf das

Fahrzeug übertragen werden, ist es offensichtlich, dass die mathematisch-mechanische

Beschreibung dieser Kraftübertragung besonders wichtig ist. Allerdings muss auch hier

erwähnt werden, dass oft nur dürftige Informationen über die Kontaktpaarung Reifen-

Fahrbahn zur Verfügung stehen.

Page 25: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

LUGNER, Peter – Möglichkeiten der Simulation des dynamischen Verhaltens von KFZ Seite 24

Die für eine Simulation des Fahrverhaltens einsetzbaren Reifenmodelle lassen sich in etwa

wie folgt einteilen:

a.) linearisierte Beschreibung, mit oder ohne Sättigung der maximal übertragbaren

Umfangs- und/oder Seitenkräfte

b.) nichtlineare Approximationen gemessener Kennfelder oder Kennlinien

c.) einfache Deformationsmodelle nur Berücksichtigung der Bewegung des Gürtels

gegen die Felge sowie des globalen Lasch-Fahrbahn Kontaktes

d.) Strukturmodelle mit Darstellung der lokalen Reifen- und Latschstrukturen.

Oft wird es ausreichen die einfacheren Modelle a.) b.) zu verwenden, für die im Allgemeinen

mit wenigen Parametern eine brauchbare Anpassung für die Untersuchung von aktuellen

Bedingungen möglich ist.

Umfasst jedoch eine Fragestellung auch Auswirkungen auf Radaufhängungskomponenten

wobei die lokale Fahrbahnbedingungen maßgeblich sind, wird sich der Einsatz der

komplexeren Modelle (mit dem Nachteil der größeren Anzahl benötigter Kennwerte) kaum

vermeiden lassen.

Fahrzeugmodelle

Für das einfachste Modell eines Pkw werden die Räder einer Achse zu einem „Ersatzrad“ in

Fahrzeugmitte zusammengesetzt, Abb. 1. Das System hat damit keine Aufbaubewegung,

sondern nur eine Quer- und Gierbewegung. Eine Längsdynamik (mit Radlastverlagerung

vorne-hinten) kann mit einem um ein Antriebsystem erweitertes Modell berücksichtigt

werden.

Page 26: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

LUGNER, Peter – Möglichkeiten der Simulation des dynamischen Verhaltens von KFZ Seite 25

Abb. 1: „2-Rad Ersatzmodell“

In Kombination mit einem Reifenmodell der Art a.) können mit diesem Model Fahr-

bewegungen des Gesamtfahrzeugs mit nicht zu großer Querbeschleunigung (ca. bis 0,4 g

für Pkw auf trockener Fahrbahn) simuliert werden. Es ist auch ein wesentlicher Bestandteil

von Fahrdynamik Regelsystemen wie z.B. dem ESP.

Ein 4-Rad-Fahrzeugmodell siehe z.B. Abb. 2 zusammen mit einem Reifenmodell nach b.)

oder c.) erlaubt die Erfassung der Bedingungen an jedem einzelnen Rad (z.B. blockiertes

Rad, wechselnde Kraftschlussbedingungen). Da über die Aufbaubewegung die möglichen

Lastverlagerungen vorne-hinten, links-rechts erfasst werden können, ergeben sich keine

Beschränkungen für die Dynamik des Gesamtfahrzeugs. Modelle dieser Art werden häufig

in Unfallrekonstruktionsprogrammen eingesetzt (z.B. PC-Crash)

Page 27: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

LUGNER, Peter – Möglichkeiten der Simulation des dynamischen Verhaltens von KFZ Seite 26

Abb. 2: „4-Rad Ersatzmodell“

Detaillierte 3D-Fahrzeugmodelle werden heute im Allgemeinen über Mehrkörpersystem-

Programme erstellt und mit diesen (oder etwa auch Simlink) die Simulationen durchgeführt.

Das Modell beinhaltet dabei eine detaillierte Beschreibung der Einzelkomponenten z.B.

Dämpfer von Radaufhängungen, Lenksystem mit Dämpfungseigenschaften und

Elastizitäten, wobei auch die Flexibilität von Teilstrukturen (z.B. Lkw-Rahmen) berücksichtigt

werden kann. Mit Reifenmodellen der Art d.) (aber auch noch c.)) können Analysen lokaler

Bauteile oder auch Einflüsse von lokalen Fahrbahnstrukturen wie Schlaglöcher erfasst

werden. Allerdings ist der nötige Aufwand zur Daten – und Parameterbeschaffung

beträchtlich.

Page 28: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

LUGNER, Peter – Möglichkeiten der Simulation des dynamischen Verhaltens von KFZ Seite 27

3. Schlussfolgerungen

Das in Abb. 3 aufgezeigte Schema will kurz charakterisieren, welche Möglichkeiten bzw.

Notwendigkeiten sich bei der Beurteilung eines Unfalls ergeben können.

Besondere Kapazitäten Personal, Programme

nötig

Spezialauswertung

Unfallbe- urteilung

Systemanalyse ohne Spezialinformationen

möglich

Erweiterte Auswertung

Details zum Verhalten von Systemkomponenten

Routine Standardauswertung Unfall ja

ja

ja

nein

nein

nein

Abb. 3: Auswahlschema zur Unfallanalyse

Bezüglich der Simulation und Analyse des Fahrzeugverhaltens vor aber auch nach der

Kollision wollen die vorgestellten Fahrzeug- und Reifenmodelle helfen eine passende

Auswahl zu treffen.

Univ.-Prof. DI Dr. Peter LUGNER

TU Wien, Institut für Mechanik und Mechatronik 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 8 / 325 01 / 588 01 - 32 511 E-Mail: [email protected]

Page 29: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

STEFFAN, Hermann – Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision Seite 28

Univ.-Prof. DI Dr. Hermann STEFFAN DSD Linz, Technische Universität Graz – Institut für Fahrzeugsicherheit

Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision

Unfallstatistik EU - Jährliche Unfälle und Folgekosten:

- 40.000 Unfalltote

- 1,6 Millionen Verletzte

- wirtschaftliche Gesamtkosten: 160 Mrd. €

- jede 80. Person in der EU stirbt an einem Verkehrsunfall

Unfallstatistik weltweit - Jährliche Unfälle und Folgekosten:

- >1.000.000 Unfalltote

- Asien: +20% Unfalltote / Jahr

Vergleich Wien Neu Dehli

Fahrzeuge 1 300 000 2 000 000

Tote/Jahr 40 4000

Todesursachen

Page 30: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

STEFFAN, Hermann – Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision Seite 29

Entwicklung der Unfälle Österreich

Getötete Unfälle VerletzteGetötete Unfälle Verletzte

Häufigkeit verschiedener Kollisionstypen

Page 31: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

STEFFAN, Hermann – Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision Seite 30

Problematik USA

- Mehr als 50% der Neuzulassungen sind SUV oder Pickup

- 51% der tödlichen Verletzungen in einem PKW werden durch einen

Seitenanprall verursacht (31% im Jahr 1980)

- In den USA sitzen zirka 60% der beim Seitenanprall tödlich Verletzten in

einem PKW, der von einem SUV oder Pickup getroffen wird

- Im SUV/ Pickup deutlich geringeres Risiko beim Seitenanprall

Beispiel einer Seitenkollision

Testverfahren - Bsp.: EURONCAP

(“New Car Assessment Program” – Unabhängiges Unternehmen)

Testgeschwindigkeit: 50+/-1 km/h

Schlittenmasse: 950 +/- 20 kg

Aufprallwinkel: 90°

Barriere: wie ECE R95

Kriterien:

- Insassenbelastung

- Struktur des Fahrzeuges

- Intrusionen

Bewertung erfolgt nur zusammen mit Frontalaufprall (50/50)

Page 32: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

STEFFAN, Hermann – Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision Seite 31

Testverfahren - Bsp.: FMVSS

(“Motor Vehicle Safety Standard” ~Gesetzgebung in den USA)

FMVSS 214:

Testgeschwindigkeit: 53.9+/- 0.8 km/h

Schlittenmasse: 1367 kg

Aufprallwinkel: 27°

Kriterien:

- Insassenbelastung

- Bergeverhalten

- Struktur des Fahrzeuges

Konventioneller Seitencrash (ECE R 95)

Höhenvergleich der Fahrzeugfronten

Problem: Intrusion Entfaltung Airbag

Page 33: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

STEFFAN, Hermann – Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision Seite 32

Problem: Kopfkontakt

Barrierentest in Nordamerika

IIHS Beurteilung

Insassen:

- Kopf

- Nacken

- Thorax/ Abdomen

- Becken, Bein

Fahrzeug:

- Struktur

IIHS Seitenanprall - Verwendete Dummies

• ECE R95 (EuroSID)

• LINCAP (USSID)

• IIHS (SID2S) - deutlich kleiner

• World SID noch nicht in Verwendung

Page 34: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

STEFFAN, Hermann – Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision Seite 33

Notwendige Versteifungen der Struktur

- Dachstruktur für Kraftpfad

- Bodenstruktur für Kraftpfad

- B-Säule für Biegemoment

Zu imitierende Pulse Simulation Schlitten

Kurvenbeispiel: Testverfahren LINCAP

Türschlitten

Sitzschlitten

Startverriegelung

Zylinder zurSitzpulserzeugung

KolbenstangedervorhandenenAnlage

Ersatzpuls: Beschleunigung Sitz Ersatzpuls: Intrusion

0 0.05 0.1 0.15 0.2 0.25 0.3

0

5

10

15

20

25

30

Originale SitzbeschleunigungBeschleunigung durch Zylinder bei p

vor= 96[bar], Vorsp.weg=280[mm]

-0.02 0 0.02 0.04 0.06 0.08 0.1 0.12 0.14 0.16 0.18-50

0

50

100

150

200OriginalintrusionErsatzintrusionDifferenz der Intrusionen

Page 35: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

STEFFAN, Hermann – Probleme durch den SUV bei der Seitenkollision Seite 34

MADYMO® Simulation

Originalpuls

simulierter Puls

Zusammenfassung:

• Vor allem in den USA deutliche Zunahme von AIS3+ beim Seitencrash

• Hauptursachen: höhere Kontaktzone, steifere Front, höhere Fahrzeugmasse

• Alle 3 Kriterien treffen auf SUV zu

• IIHS Seitencrash trägt diesem Umstand Rechnung

Notwendige Eingriffe für IIHS

• Erhöhung der Struktursteifigkeit insbesondere der B-Säule

• Kopfabstützung über Airbag für fast alle Fahrzeuge notwendig

• Separate Abstimmung des Rückhaltesystems

• Triggerung des Airbags kritisch durch langsameren Anstieg der

Beschleunigungen im Querträger

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hermann Steffan

DSD – Dr. Steffan Datentechnik Ges.m.b.H., Linz 4020 Linz, Salzburger Straße 34 0732 / 34 32 00 E-Mail: [email protected]

Technische Universität Graz Institut für Fahrzeugsicherheit (Vehicle Safety Institute) 8010 Graz, Inffeldgasse 21B/II 0316 / 873 - 9400 E-Mail: [email protected]

Page 36: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 35

Mag. Dr. Werner GRATZER DWG Sachverständigenbüro Gratzer

Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen – Tunnelunfall in St. Gotthard u.a.

Konsequenzen aus den Unfällen zur Prävention und zur Bewältigung

Einleitung .......................................................................................................................... 36

Spezielle Probleme bei Unfällen mit LKW – Beteiligung .................................................... 36 Zum Massenproblem ................................................................................................. 36 Beispiel 1 ........................................................................................................... 36 Beispiel 2 ........................................................................................................... 37 Zum Formgebungsproblem ........................................................................................ 37 Zum Anhängerproblem .............................................................................................. 37 Zu den Reifenkräften ................................................................................................. 38 Zu berücksichtigende Umstände ............................................................................... 38

Unfälle in Alpen – Tunnel .................................................................................................. 39 Untersuchungen vor Ort .................................................................................................... 40 Vermessung der Deformationen ................................................................................ 41 Untersuchung von Kontaktspuren .............................................................................. 42 Spuren ....................................................................................................................... 44 Mehrbildfotogrammetrie (RolleiMetric) und Computerauswertung ..................................... 46 Grundlagen ....................................................................................................................... 48 Struktursteifigkeiten von LKWs .................................................................................. 49 Struktursteifigkeiten von LKWs (derzeitiger Stand: Mai 2002) .................................... 50

Unfallrekonstruktion am Beispiel des „Tauerntunnel-Unfalles“ Kollisionsreihenfolge .................................................................................................. 50 Kollisionsgeschwindigkeit des auffahrenden Fahrzeuges .......................................... 51 Unfallrekonstruktion am Beispiel des „St. Gotthard–Tunnel – Unfalles“ ............................. 53 Zusammenfassung ............................................................................................................ 54

Konsequenzen aus den Unfällen zur Prävention und zur Bewältigung .............................. 56 Präventive Maßnahmen umfassen die folgenden Gebiete: ............................................... 56 Verkehrsregelung ...................................................................................................... 56 Signalisation .............................................................................................................. 57 Verbesserungen an den Fahrzeugen ......................................................................... 57 Maßnahmen zur Schadensbewältigung umfassen die folgenden Gebiete: ........................ 57 Fluchtwege ................................................................................................................ 57 Information der Verkehrsteilnehmer ........................................................................... 57 Zusammenfassung ............................................................................................................ 58

DWG Dr. Werner Gratzer

Sachverständigen-Büro für Unfallrekonstruktionen

Softwareentwicklung für Unfallrekonstruktionen

Page 37: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 36

Einleitung

Unfälle mit LKWs zeichnen sich auf Grund ihrer großen Masse dadurch aus, dass sie

wesentlich energiereicher ablaufen als solche mit PKWs.

In den meisten Fällen stehen als Hilfsmittel zur Rekonstruktion die Auswertung der

Tachografenscheibe zur Verfügung. Wenn eine Auswertung nicht möglich ist, weil das

Fahrzeug etwa einem Brand zum Opfer fiel, oder weil sie vorsätzlich vernichtet wurde, so

müssen andere rekonstruktive Methoden gefunden werden.

Für die Ermittlung der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung kann die Fahrzeug-

deformation herangezogen werden.

Spezielle Probleme bei Unfällen mit LKW - Beteiligung

Aufgrund seiner großen Masse und steifen offenen Bauweise bringt das Nutzfahrzeug

Probleme beim Kollisionsablauf und auch bei dessen Rekonstruktion. Probleme, die etwa

bei einer PKW – PKW –Kollision nicht oder nicht in diesem Ausmaß auftreten.

• Massenproblem

• Steifigkeitsproblem

• Formgebungsproblem

• Anhängerproblem

• Reifenkräfte

Zum Massenproblem

Der Einfluss der großen Masse eines Nutzfahrzeuges lässt sich an den beiden folgenden

Rechenbeispielen aufzeigen (Anm.: Berücksichtigt wurde bei den Berechnungen eine Reifenreibung):

Beispiel 1

Die Geschwindigkeitsänderung eines LKWs mit der Masse von 34.000 kg bei einer Kollision

gegen einen stehenden PKW mit 1.300 kg errechnet sich bei einer Kollisions-

geschwindigkeit von 50 km/h zu rund 3 km/h. Die Auslaufgeschwindigkeit wäre etwa

47 km/h gewesen. Für den PKW würde sich unter Berücksichtigung einer Geschwindig-

keitsdifferenz von 4 km/h nach der Kollision eine Auslaufgeschwindigkeit von knapp 51 km/h

Page 38: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 37

und ein EES-Wert von etwas über 47 km/h errechnen. Hingegen berechnet sich der EES-

Wert für den LKW nur zu rund 2 km/h.

Bei einer Struktursteifigkeit des PKWs von 700 kN/m und des LKWs von 16000 kN/m

errechnet sich die Deformation des PKWs zu über 56 cm und die des LKWs zu 2,5 cm.

Beispiel 2

Bei einer Kollision mit 50 km/h gegen einen stehenden gleich schweren LKW wäre die

Geschwindigkeitsänderung knapp 28 km/h. Bei einer Struktursteifigkeit an der Front von

16000 kN/m und am Heck von 35000 kN/m errechnet sich für die Deformation an der Front

ein Wert von 37 cm (EES-Wert 29 km/h) und am Heck 17 cm (EES-Wert 19,5 km/h).

Zum Formgebungsproblem

Abbildung 1

Zum Anhängerproblem

Auf Grund seiner großen Masse hat der Anhänger einen sehr großen Einfluss auf das

Kollisionsgeschehen. Bereits kleine Änderungen des Winkels zwischen Zugmaschine und

Anhänger bewirken einen mitunter ganz anderen Ablauf. Dies schafft vor allem bei der

Rekonstruktion Probleme, wenn keine Auslaufspuren vorhanden sind. Wird die „Vorwärts-

analyse“ das Impulsverfahren in Vorwärtsrechnung („Vorwärtsanalyse“) angewendet, so

müssen noch zusätzliche anhängerspezifische Parameter berücksichtigt werden. Das heißt

die Zahl der Parameter, die innerhalb einer zulässigen Bandbreite geändert werden können

und müssen, vergrößert sich. Die Änderung der Anhängerwinkelstellung um z.B. 1° kann

rechnerisch bereits zu einem völlig anderen Auslauf der Fahrzeuge führen.

Page 39: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 38

Abbildung 2

Für die Rekonstruktion bedeutet dies, dass einerseits die Bandbreite des Ergebnisses

gegenüber Solofahrzeuge vergrößert werden muss. Andererseits wird es notwendig sein,

der Deformationsenergie als Kontrollgröße verstärkt Aufmerksamkeit zu widmen.

Zu den Reifenkräften

Erfolgt die Kollision bei gebremsten Fahrzeugen, so wird vor allem bei länger andauernden

Kollisionen und bei kleinen Relativgeschwindigkeiten die Reifenreibung sowohl als Impuls-

änderung (Reibungskraft * Stoßdauer) als auch als Reibarbeit (Reibungskraft * Weg

während der Kollision) nicht mehr vernachlässigbar klein und muss bei genauen

Berechnungen daher berücksichtigt werden.

Zu berücksichtigende Umstände

Daraus resultieren bei der Unfallanalyse zu berücksichtigende Umstände:

• Oft lange Stoßdauer

• Reifenkräfte können oft groß werden

• Die Auslaufbewegung kann durch Ladungsverschiebung, Bruch von Teilen der

Radaufhängung u.s.w. beeinflusst werden

• Stoßpunkt und Stoßkräfte sind oft schwer abschätzbar

• Winkelstellung eines vorhandenen Anhängers oft nicht exakt bestimmbar.

• Bewegung des Unfallgegners ist vielfach nicht eben. Ein PKW kann unter den

LKW gedrückt werden. Dabei treten große Reibungskräfte auf.

In vielen Fällen stehen als Hilfsmittel zur Rekonstruktion die Auswertung der

Tachografenscheibe zur Verfügung. Wenn eine Auswertung nicht möglich ist, weil das

Fahrzeug etwa einem Brand zum Opfer fiel, oder weil die Tachoscheibe vorsätzlich

vernichtet wurde, so müssen andere rekonstruktive Methoden gefunden werden.

Page 40: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 39

Unfälle in Alpen – Tunnel

In den letzten Jahren ereigneten sich in Tunnel der Alpen einige schwere Verkehrsunfälle.

Zu den beiden schwersten und folgenreichsten gehören der „Tauerntunnel-Unfall“ (Mai

1999) und der Unfall im St. Gotthard – Tunnel (Oktober 2001). Bei beiden Unfällen brach ein

verheerender Brand aus, obwohl bei beiden Fällen kein Gefahrengut transportiert wurde.

Im Mai 1999 ereignete sich in Österreich im nicht richtungsgetrennten, sogenannten

Tauerntunnel ein folgenschwerer Auffahrunfall, dem 12 Personen und 41 Fahrzeuge zum

Opfer fielen. Ein sich rasch ausbreitender Brand vernichtete sowohl alle Tachografen-

scheiben als auch alle Spuren.

Dieser Unfall war ein charakteristischer Serienunfall, an welchem ein LKW, vier PKWs und

2 Sattelkraftfahrzeuge beteiligt waren.

Der Unfall ereignete sich in einem Abschnitt mit Gegenverkehr rund 600 m vor dem Ende

des mehrere Kilometer langen Tunnels. Wegen einer Bautätigkeit musste eine Signal-

lichtanlage eingerichtet werden. Vor der Rotlicht zeigenden Ampel hielten Fahrzeuge an.

Am Ende der stehenden Kolonne kam es zu einem folgenschweren Auffahrunfall.

Eine zentrale Frage war die Kollisionsgeschwindigkeit des letzten Fahrzeuges. Es handelte

sich dabei um einen 34 t schweren Sattelzug. Dieser kollidierte zunächst mit vier PKWs, von

denen zwei zur Seite geschoben und zwei unter das Heck eines davor befindlichen weiteren

Sattelzuges gedrückt wurden. Dieser zweite Sattelzug wurde noch auf einen davor

befindlichen LKW geschoben.

An objektiven Unterlagen waren nur die Endlagen der beiden Sattelzüge und der vier PKWs

sowie deren Deformationen vorhanden. Der LKW wurde nach der Kollision vom Lenker

etwas nach vorne gefahren, sodass seine ursprüngliche Endlage nicht mehr festgestellt

werden konnte.

Anhaltspunkte für die Rekonstruktion lieferten die Aussagen des LKW-Lenkers und des

Lenkers des vorderen Sattelzuges über die kollisionsbedingte Verschiebestrecke bzw. über

den ursprünglichen Tiefenabstand.

Da die Kollisionspositionen der Fahrzeuge nicht objektivierbar waren, konnten die Auslauf-

geschwindigkeiten nicht berechnet werden und es versagt daher die klassische

Kollisionsanalyse (Rückwärtsanalyse). Eine Vorwärtssimulation konnte auch nicht

Page 41: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 40

angewendet werden, da mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass viele Sekundär-

kollisionen der Fahrzeuge untereinander und auch mit der Tunnelwand stattgefunden

haben. Auch wird bei den zur Verfügung stehenden Rekonstruktionsprogrammen die

Kollisionsdauer vernachlässigt. Diese wird im konkreten Fall aber einen wesentlichen

Einfluss gehabt haben, da vermutlich teilweise Kollisionen zeitlich einander überlappten. Die

Berechnung der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung musste daher aus den

Deformationen erfolgen.

Im Oktober 2001 ereignete sich in der Schweiz im nicht richtungsgetrennten St. Gotthard –

Tunnel ein ähnlich schwerer Unfall. Auch hier gerieten die Fahrzeuge in Brand. Insgesamt

kamen elf Personen ums Leben.

Die Charakteristik dieses Unfalls war ganz anders. Ein in Richtung Norden fahrender

Sattelzug kam auf die Gegenfahrbahn und kollidierte mit einem in Richtung Süden

fahrenden Sattelfahrzeug. Der Lenker dieses Fahrzeugs versuchte noch die Kollision durch

ein Ausweichen nach links zu vermeiden. Dennoch kam es zu einer Kollision jeweils

zwischen den rechten vorderen Ecken der Zugfahrzeuge.

Auch bei diesen Fahrzeugen wurden durch Brand die Tachografenscheiben vernichtet.

Die Problematik bei der Rekonstruktion war der große Einfluss den die Auflieger auf Grund

ihrer großen Masse auf das Unfallgeschehen hatten.

Untersuchungen vor Ort

In vielen Fällen stehen als Hilfsmittel zur Rekonstruktion die Auswertungen der Tacho-

grafenscheiben zur Verfügung. Auf die Problematik der Auswertung soll hier nicht im Detail

eingegangen werden. Es darf jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Genauigkeit nur

bei ± einigen km/h und ± 1 s liegt. Wenn im Geschwindigkeitsaufschrieb die berühmte

Rüttelmarke aufscheint, so kann nicht einfach der Schluss gezogen werden, dass die

betreffende Geschwindigkeit auch mit der Kollisionsgeschwindigkeit übereinstimmt.

Wenn eine Auswertung nicht möglich ist, weil das Fahrzeug etwa einem Brand zum Opfer

fiel oder weil die Tachoscheibe unbrauchbar ist (z.B. mehrmals überschrieben) oder

vorsätzlich vernichtet wurde, so müssen andere rekonstruktive Methoden gefunden werden.

Page 42: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 41

Um aus der Deformation die Deformationsenergie bestimmen zu können, muss die

Struktursteifigkeit des deformierten Bereiches ermittelt / abgeschätzt werden. Zu diesem

Zweck mussten mehrere Verkehrsunfälle und Crashtests ausgewertet werden.

Es soll hier das Verfahren aufgezeigt werden, wie die Deformationsenergie berechnet

werden kann.

Vermessung der Deformationen

Verformungen der gesamten Karosserie können sehr gut dadurch ermittelt werden, dass am

Boden eine Umrisslinie und die Radaufstandspunkte mit einem Markierungsspray

aufgebracht werden. Mit Hilfe eines Lotes kann eine höhere Genauigkeit erzielt werden.

Nachdem dann das Fahrzeug entfernt wurde, sind Referenzpunkte zu vermessen und

Lichtbilder zur fotogrammetrischen Auswertung anzufertigen. Die Deformation lässt sich

dann grafisch ermitteln (Abbildung 3).

Abbildung 3

Weniger starke Verformungen lassen sich durch Vergleichsmessungen ermitteln. Liegt z.B.

eine Deformation an der Front vor, so wird der Abstand von ausgewählten Punkten zu nicht

durch die Kollision beeinflussten Punkten der Karosserie oder Achsteilen vermessen. Die

analogen Punkte sind an einem unbeschädigten typengleichen Fahrzeug zu vermessen.

Aus dem Unterschied der Maße ergibt sich dann die Deformation.

Page 43: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 42

Die besten aber auch aufwendigsten Methoden sind:

• dreidimensionale Vermessung mittels eines Messrahmens (Abbildung 4) oder

Abbildung 4: Messrahmen

• Aufbringung von Messpunkten und Anfertigung von Fotos aus verschiedenen

Richtungen und Bearbeitung mittels geeigneter Software zur Anfertigung von

dreidimensionalen Abbildungen (z.B. Fotomodeller, Abbildung 5)

3 D Bild des links abgebildeten Fahrzeuges

Abbildung 5

Untersuchung von Kontaktspuren

Sind mehrere Fahrzeuge in die Kollision verwickelt und bewegten sie sich im Auslauf in

unterschiedliche Richtungen, so ist die Ermittlung der Reihenfolge, in welcher sich die

Fahrzeuge der Unfallstelle näherten, aus der Endlage oft nicht möglich.

Um prüfen zu können, welches Fahrzeug mit welchem in Kontakt kam, müssen Kontakt-

spuren gesucht werden.

• Die einfachste Möglichkeit bieten Auftragspuren. Es muss aber berücksichtigt

werden, dass unter dem Decklack auch andere Farbschichten sein können, das

heißt ein zunächst augenscheinlicher Farbunterschied darf nicht sofort interpretiert

Page 44: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 43

werden. Auch muss berücksichtigt werden, dass auf Hochglanz polierte Farben

einen anderen Farbton haben können als die meist matte Abriebspur. Zur

eindeutigen Identifizierung müssen im Zweifelsfall Proben genommen und

chemisch untersucht werden.

• Die nächste Möglichkeit bieten die Form der Deformation. An vielen Fahrzeugen

gibt es charakteristische Formen, die bestimmte Abdrücke hinterlassen. Dazu

gehören Anhängekupplungen, Abschleppösen, Auspuffendrohre, Türgriffe,

Bullgitter und dergleichen mehr.

Im Fall des „Tauerntunnel-Unfalles“ etwa wurde an einem Fahrzeug eine Anhängekupplung

vorgefunden und dann von dieser entsprechende Kontaktspuren an zwei anderen

Fahrzeugen gefunden (Abbildung 6).

Abbildung 6: Kontakt mit PKW Mazda 626 (links) bzw. LKW Scania (rechts)

Eine wichtige Kontrolle ist der Höhenvergleich der Kontaktspuren.

Zu berücksichtigen ist, dass Fahrzeuge auf Grund einer Bremsung an der Front eingefedert

und am Heck ausgefedert sein können.

Page 45: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 44

Spuren

Beim Unfall im St. Gotthard – Tunnel konnten

verschiedene Spurenkomplexe gefunden und ausge-

wertet werden:

Vom Richtung Norden fahrenden Sattelschlepper

waren vorkollisionäre Spuren verursacht worden, die

es erlaubten, seine Fahrt unmittelbar vor der Kollision

spurenkundlich sehr genau zu rekonstruieren. Auf-

grund einer Felgenanprallspur am rechten Randstein,

einer Reifenspur am Straßenrand, der Kollision mit der

„1 km“ Signalisation, der Schleuderspuren nach links

und der heftigen Kollision mit der linken Tunnelwand

war die Fahrlinie festgelegt.

Abbildung 7: Vorkollisionäre Spuren auf der rechten Tunnelseite

Aus den Lampen am Heck des unfallverursachenden Sattelschleppers konnten die Rück-

lichter und die Bremslampen sichergestellt werden. Die Untersuchung der Glühwendeln der

Bremslampen ergab kalte Brüche, sodass geschlossen werden konnte, dass an diesem

Sattelschlepper die Bremslampen bei beiden Kollisionen nicht aktiviert gewesen waren.

Abbildung 8: Kalt gebrochene Glühwendel der Bremslampe des unfallverursachenden Fahrzeuges

Page 46: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 45

Unter den Felgen der ausgebrannten Fahrzeuge waren noch Fragmente von Reifen

vorhanden. Das rechte Vorderrad des in Richtung Norden fahrenden Sattelkraftfahrzeuges

stand noch auf so einem Fragment. Interessant dabei war, dass die Felge gegenüber der

Lauffläche in Richtung Norden verschoben war.

Abbildung 9: Rechtes Vorderrad und Reifenrest eines beteiligten Fahrzeugs

Daraus kann die Vermutung abgeleitet werden, dass sich dieses Fahrzeug über die

Kollisionsstelle etwas hinaus in Richtung Norden, also in die ursprüngliche Fahrtrichtung

weiter bewegt hat.

Richtung Norden

Page 47: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 46

Mehrbildfotogrammetrie (RolleiMetric) und Computerauswertung (Dipl.-Ing. Jörg Arnold)

Zur maßtechnischen Ermittlung der Unfallsituation und der Kollisionskonfiguration, setzten

wir die Mehrbildfotogrammetrie ein. Unter dem Begriff Mehrbildfotogrammetrie wird ein

fotografisches bzw. fotogrammetrisches Aufnahme- und Auswerteverfahren bezeichnet, das

kaum einschränkende Bedingungen an die Aufnahmekonfiguration stellt und dadurch sehr

flexibel einsetzbar ist.

Eine aufzunehmende Situation mit verschiedenen Objekten in einer räumlichen Umgebung

wird von mehreren Standorten und aus verschiedenen Blickrichtungen fotografiert.

Dabei kam eine kalibrierte Digitalkamera zur Anwendung, deren Fokussierung in diskreten

Schritten (gerastert) eingestellt werden kann. Da durch den CCD-Chip eine sehr genau

definierte Rasterung des Bildes erfolgt (Pixels), sind die Positionen der einzelnen Bildpunkte

sind sehr genau bekannt. Da sich der CCD-Chip hinter dem Objektiv befindet, sind diese

Positionen nicht durch die Objektivverzeichnungen verzerrt.

Durch die Pixel wird ein Referenzsystem definiert, welches der Vermessung der

verschiedenen Bildpunkte dient. Die Lage des Projektionszentrums ist im Referenzsystem

bekannt, ebenso die benutzte Brennweite des Objektivs.

ZZ

Abbildung 10: Prinzip der Mehrbildfotogrammetrie

Page 48: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 47

Fotografiert man nun ein genau bekanntes Objekt (z.B. ein Referenzmessfeld) unter genau

bestimmten Bedingungen mit den verschiedenen Objektiven, so kann aus den Positionen

der Gitterpunkte und den Positionen des abgebildeten Referenzfeldes die Verzeichnung

jedes Objektives bzw. seine Abbildungscharakteristik sehr genau berechnet werden.

Mit einer solchen Messkamera können alle Möglichkeiten der Fototechnik genutzt werden.

Anschließend erfolgt die Verzeichnungskorrektur. Diese Korrektur erfolgt im

Auswertesystem "RolleiMetric" automatisch, sobald die Kalibrierwerte des verwendeten

Kamerasystems in die Tabelle der Kameradaten eingetragen sind.

Die Aufnahme einer Unfallsituation erfolgt nach einem Rasterschema, wobei pro Raster

mindestens vier Fotografien aus vier verschiedenen Richtungen üblich sind.

Durch überlappende Raster können auch sehr ausgedehnte Unfallsituationen - im

vorliegenden Fall über eine Strecke von über 1,5 km - durch Zusammensetzen dieser

Raster erfasst werden. In Bereichen, wo keine Identifikationspunkte vorhanden sind,

müssen zusätzliche Markierungen angebracht werden.

Für die Skalierung der Unfallsituation (Festlegung des Maßstabes) wird die exakte Länge

von mindestens einer Strecke mit einer Länge von etwa einem Drittel der Unfallsituation

benötigt. Eine oder mehrere weitere Strecken dienen der Kontrolle der Skalierung.

Durch das Markieren von korrespondierenden Objekt- oder Markierungspunkten

(Identifikationspunkten) auf den verschiedenen Fotografien der Unfallsituation, kann die

Unfallsituation nun rechnerisch rekonstruiert und die Genauigkeit der Rekonstruktion

ermittelt werden.

Die Anordnung der verschiedenen Objekte in der Unfallsituation kann somit durch

Vermessung von wenigen Identifikationspunkten rechnerisch rekonstruiert werden.

Messungen in den Bildern können nun mit hoher Genauigkeit zur Bestimmung der Position

und Größe der Objekte verwendet werden.

Die Unfallsituation kann aus den so berechneten Daten als maßstäbliche Planskizze oder

als 3D-Bild aus den verschiedensten Blickwinkeln dargestellt werden.

Page 49: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 48

Abbildung 11: Auswertung mittels der Mehrbildfotogrammetrie

Mit diesem System werden auf den Bildern sehr hohe Messgenauigkeiten erzielt.

Grundlagen

Für die rechnerische Berücksichtigung der bei einer Kollision zwischen zwei Fahrzeugen

aufgetretenen Deformationsenergie wird der kollisionsbedingte Schaden anhand der

bleibenden Deformationen beurteilt und eingestuft. Der Schaden an einem Fahrzeug kann

mit einem der Deformationsenergie äquivalenten EES-Wert beschrieben werden

(EnergyEquivalentSpeed). Dieser Wert ist die Geschwindigkeit deren kinetische Energie der

Deformationsenergie entspricht. Ungefähr entspricht der EES-Wert der Geschwindigkeit, mit

der das Fahrzeug gegen eine starre Barriere fahren müsste, um einen vergleichbaren

Schaden zu erhalten. Gewonnen wird der EES-Wert aus dem Vergleich eines vorliegenden

Schadens mit in Katalogen zusammengestellten Schadenbildern von Crashversuchen,

Unfallversuchen und Auswertungen realer Verkehrsunfälle, bei denen der jeweilige EES-

Wert mit Hilfe bekannter Randbedingungen berechnet werden konnte.

Page 50: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 49

Der EES-Wert kann auch aus der Deformation und der Struktursteifigkeit berechnet werden.

Die Methode dieser Berechnungen wurde vom Verfasser in mehreren Artikel und Vorträgen

bereits erläutert (1 und 2). Es wird daher an dieser Stelle auf eine ausführliche Erläuterung

verzichtet und der Zusammenhang nur kurz dargelegt.

Wird ein linearer Kraft-Weg-Zusammenhang angenommen, so gilt:

2

21

21 EESmlscED ==

ED.........Deformationsenergie c ........Struktursteifigkeit s........ dynamische Deformation l .........bleibende Deformation m ...... Masse EES...EES-Wert

Die dynamische Deformation wird erreicht am Ende der Kompressionsphase ehe sich das

Fahrzeug etwas rückverformt. Näherungsweise gilt, dass die dynamische Deformation etwa

5% größer als die bleibende Deformation ist.

Zwischen der Struktursteifigkeit, der Deformation und dem EES-Wert gilt für den Fall, dass

die Fahrzeuge ein von der Masse abhängiges, vergleichbares Rückverformungsverhalten

aufweisen näherungsweise:

))(()(

21

221

222

21

411

221

1 EESmmvmlEESmmmc

⋅++∆⋅

⋅⋅+=

Als Struktursteifigkeit wird also der linearisierte Zusammenhang zwischen Kraft und

Deformation verstanden.

Struktursteifigkeiten von LKWs

Um aus der Deformation die Verformungsenergie berechnen zu können, muss die

Struktursteifigkeit bekannt sein.

Während für PKWs EES-Wert-Kataloge vorhanden sind, existieren solche Hilfsmittel für

LKWs nicht. Literaturrecherchen ergaben, dass zwar eine Reihe von Crash-Test mit LKWs

1 Gratzer, W. und Burg, H.: Analyse von Serienkollisionen und Berechnung der Insassenbeschleunigung im gestoßenen Fahrzeug, Artikel in: Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik, 1994, Heft 4, 1995, Heft 10.

2 Gratzer, W. Kontrollparameter bei der Kollisionsanalyse, Vortrag gehalten anlässlich der 1. Europäische Fachtagung Unfallrekonstruktion Wildhaus 1999, Artikel in: Verkehrsunfall und Fahrzeugtechnik 2000, Heft 2

Page 51: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 50

gefahren wurden, jedoch unterblieben Berechnungen von Steifigkeitswerten. Aus diesem

Grunde mussten nachträglich aus in der Vergangenheit durchgeführten Crash-Versuchen

und aus rekonstruierbaren realen Unfällen Werte ermittelt werden.

Struktursteifigkeiten von LKWs (derzeitiger Stand: Mai 2002)

Einen wesentlichen Einfluss auf die Struktursteifigkeit hat die Anstoßposition, wobei bei

LKWs auch die Lage in Bezug auf die Höhe eine Rolle spielt.

Es zeigte sich, dass im Bereich der Frontbeplankung oberhalb der Stoßstange Werte von

4000 bis 7000 kN/m resultierten. Bei leichten Kollisionen mit kleinen und lokal begrenzten

Deformationen können auch deutlich kleinere Werte etwa im Bereich um 1300 kN/m

auftreten.

Erfolgte die Kollision gegen Stoßstange und Längsträger, so ergaben die Berechnungen

wesentlich größere Struktursteifigkeitswerte von über 16000 kN/m.

Noch größere Werte ergaben sich für den Heckbereich, wo auch Struktursteifigkeiten über

50.000 kN/m und mehr ermittelt werden konnten.

Im Vergleich zu PKWs liegt die Steifigkeit also um Faktor 10 - 15 darüber. Dies erscheint in

Hinblick auf die entsprechend größere Masse auch einleuchtend.

Unfallrekonstruktion am Beispiel des „Tauerntunnel-Unfalles“

Beim Tauerntunnelunfalle waren auf Grund des Brandes weder Spuren noch Tachografen-

scheiben vorhanden. So konnten sonst übliche Methoden nicht angewendet werden.

Dieser Unfall ereignete sich in einem Abschnitt mit Gegenverkehr rund 600 m vor dem Ende

des mehrere Kilometer langen Tunnels. Wegen einer Bautätigkeit musste eine Signal-

lichtanlage eingerichtet werden. Vor der Rotlicht zeigenden Ampel hielten Fahrzeuge an.

Am Ende der stehenden Kolonne kam es zu einem folgenschweren Auffahrunfall.

Eine zentrale Frage war die Kollisionsgeschwindigkeit des letzten Fahrzeuges. Es handelte

sich dabei um einen 34 t schweren Sattelzug. Dieser kollidierte zunächst mit vier PKWs, von

denen zwei zur Seite geschoben und zwei unter das Heck eines davor befindlichen weiteren

Page 52: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 51

Sattelzuges gedrückt wurden. Dieser zweite Sattelzug wurde noch auf einen davor

befindlichen LKW geschoben.

An objektiven Unterlagen waren nur die Endlagen der beiden Sattelzüge und der vier PKWs

sowie deren Deformationen vorhanden. Der LKW wurde nach der Kollision vom Lenker

etwas nach vorne gefahren, sodass seine ursprüngliche Endlage nicht mehr festgestellt

werden konnte. Anhaltspunkte lieferten die Aussagen des LKW-Lenkers und des Lenkers

des vorderen Sattelzuges über die kollisionsbedingte Verschiebestrecke bzw. über den

ursprünglichen Tiefenabstand.

Da die Kollisionspositionen der Fahrzeuge nicht objektivierbar waren, können auch die

Auslaufgeschwindigkeiten nicht berechnet werden und es versagt daher die klassische

Kollisionsanalyse. Eine Vorwärtssimulation kann auch nicht angewendet werden, da mit

Sicherheit davon auszugehen ist, dass viele Sekundärkollisionen der Fahrzeuge

untereinander und auch mit der Tunnelwand stattgefunden haben. Auch werden bei den zur

Verfügung stehenden Rekonstruktionsprogrammen die Kollisionsdauer vernachlässigt.

Diese wird im konkreten Fall aber einen wesentlichen Einfluss gehabt haben, da vermutlich

teilweise Kollisionen einander zeitlich überlappten. Die Berechnung der kollisionsbedingten

Geschwindigkeitsänderung musste daher aus den Deformationen erfolgen.

Kollisionsreihenfolge

Abbildung 12: Übersichtsskizze

Page 53: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 52

Es ließ sich bereits an Ort und Stelle feststellen, dass eine Hauptunfallstelle vorhanden war.

In der Übersichtskizze sind das die Fahrzeuge 28, 29, 30, 31, 32a, 32b und 33. Die

Fahrzeuge 32a und 32 b waren so zusammengedrückt unter dem Heck von Fahrzeug 29,

dass es zunächst auch wegen der schlechten Sicht (Ruß, Staub und schlechte

Beleuchtung) den Anschein hatte, es wäre nur ein Fahrzeug, dem dann die Nummer 32

zugewiesen wurde. So musste schließlich diese Nummer aufgeteilt werden.

Abbildung 13: Endlage der Fahrzeuge 29, 32b, 32a und 33

Abbildung 14: objektiviert Endpositionen (Ausschnitt der Fotogrammetrie)

29

Bordwand

32 b

Heck

32 a

Front

33

Front

Hauptunfallstelle

Page 54: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 53

Aus den Schäden ließ sich daher folgende Reihenfolge der Kollisionen der Hauptkollisions-

stelle herleiten:

Fahrzeug Nr. 33 stößt gegen Nr. 31, dieses wurde gegen das stehende Fahrzeug 30

geschoben, welches dann gegen Fahrzeug 32a prallte.

30 und 31 werden nach rechts abgedrängt.

In weiterer Folge stößt 33 gegen 32a und schiebt dieses gegen 32b.

Die Front von 32a und das Heck von 32b bewegen sich nach links, wobei sich Fahrzeug

32b im Uhrzeigersinn dreht und 32a entgegen dazu. Dadurch klatschen die Karosserien mit

den Seiten zusammen und werden durch das nachkommende Fahrzeug Nr. 33 unter das

Heck von Nr. 29 gedrückt.

Durch die Kollision von 30 gegen 32a wird das Heck von Fahrzeug 30 und die Front von

Fahrzeug 31 hochgehoben. 30 überschlägt sich, fliegt nach rechts in den Zwischenraum

zwischen Nr. 29 und der Tunnelwand und landet auf der Fahrertüre, die Front in Richtung

Villach zeigend (nach rechts in der Skizze) also entgegengesetzt zur ursprünglichen

Fahrtrichtung. Schließlich gerät 31 mit der Front gegen die Tunnelwand und mit dem Heck

gegen die rechte Seite von 33. Die dadurch entstehende Verkeilung bewirkt einerseits eine

massive Stauchung des Fahrzeugs in Längsrichtung, andererseits kommt es zu einem

seitlichen Druck gegen Fahrzeug 33, die eine Ablenkung der Fahrtrichtung nach links

bewirkt.

Kollisionsgeschwindigkeit des auffahrenden Fahrzeuges

Einen wesentlichen Einfluss auf den Ablauf der Kollision hatte die große Masse des

Fahrzeuges 33.

Bei der Analyse der Kollisionen ist zu berücksichtigen, dass Fahrzeug 33 die beiden

Fahrzeuge 32a uns 32 b gegen und in weiterer Folge unter Fahrzeug 29 schob. Das

bedeutet, dass diese Fahrzeuge sozusagen "im Paket" gegen 29 prallten. Rechnerisch kann

dies dadurch berücksichtigt werden, dass die Fahrzeuge 32a, 32b und 33 zu einem einzigen

Fahrzeug mit einer Masse, die der Summe der Einzelmassen entspricht, zusammengefasst

werden.

In die Kollisionsanalyse geht dann der aus der Summe der einzelnen Deformationsenergien

berechnete EES-Wert von 39 km/h ein.

Page 55: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 54

Das heißt also, man definiert ein Fahrzeug mit der Gesamtmasse der drei Fahrzeuge 32a,

32b und 33. Dann werden die Deformationsenergien dieser Fahrzeuge addiert und daraus

der EES-Wert für dieses fiktive Fahrzeug berechnet. Mit diesen Werten wird die Kollision

gegen Fahrzeug 29 berechnet und weiter Fahrzeug 29 gegen Fahrzeug 28.

Es resultierte dann eine Kollisionsgeschwindigkeit von Fahrzeug 33 (eigentlich des fiktiven

Fahrzeugs) gegen Fahrzeug 29 von 41 km/h. Bei der Berechnung wurde eine Bremsung

während dieser Kollision mit 4,5 m/s² berücksichtigt.

Die Kollisionsgeschwindigkeit bei der ersten Kollision von Fahrzeug 33 gegen Fahrzeug 31

lässt sich aus der kinetischen Energie der Kollisionsgeschwindigkeit von 41 km/h plus der

Deformationsenergie von Fahrzeug 30 und 31 plus der Deformationsenergie der seitlichen

Deformation von Fahrzeug 33 berechnen. Daraus berechnet sich eine Geschwindigkeits-

untergrenze von 50 km/h.

Unbestimmt bleibt der Geschwindigkeitsabbau durch eine mögliche Bremsung des

Fahrzeuges 33. Auf Grund der Zeugenaussagen, könnte davon ausgegangen werden, dass

zumindest ein Teil der Strecke von der ersten Kollision bis zur letzten Kollision gegen

Fahrzeug 29 bremsend zurückgelegt wurde. In der berechneten Kollisionsgeschwindigkeit

von 41 km/h (Kollision gegen 29) ist eine Bremsstrecke von rund 3 m und eine Bremsdauer

von 0,5 s berücksichtigt.

Unfallrekonstruktion am Beispiel des „St. Gotthard–Tunnel – Unfalles“

Bei Kollisionen von Sattelkraftfahrzeugen kommt erschwerend die große Masse des

Aufliegers dazu. Abweichungen von wenigen Graden verändern beträchtlich das Ergebnis.

Da im vorliegenden Fall weder Vorkollisionsspuren noch Auslaufspuren vorhanden waren,

konnten die Einlaufs- und die Auslaufsrichtung nicht ermittelt, sondern nur vermutet werden.

Bei beiden Fahrzeugen kann (und wird dies auch vermutet) vor der Kollision bereits ein von

Null abweichender Winkel zwischen Zugfahrzeug und Auflieger vorhanden gewesen sein.

Diese Winkelabweichung bewirkt, dass das Zugfahrzeug eine andere Richtung des

Impulses hatte als der Auflieger. Die große Gesamtmasse des Aufliegers hat nun zur Folge,

dass bereits kleine Winkeländerungen große Auswirkung auf das berechnete Ergebnis

haben.

Page 56: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 55

Das bedeutete, dass grundsätzlich größere Toleranzen im Ergebnis (vermutlich ± 5 km/h)

akzeptiert werden müssen.

Abbildung 15

Abbildung 16

Aus der Verschiebung der Felge des rechten Vorderrades von Fahrzeug 1 relativ zum

Reifenfragment nach Norden ist abzuleiten, dass sich das Fahrzeug nach der Kollision noch

weiter in Richtung Norden also in die ursprüngliche Fahrtrichtung bewegte.

Daraus ergibt sich, dass Fahrzeug 1 gegenüber Fahrzeug 2 einen erheblichen

Geschwindigkeitsüberhang gehabt haben muss.

Die Kollisionsanalyse lieferte als Kollisionsgeschwindigkeit für Fahrzeug 1 einen Wert im

Bereich von 40 km/h bis 45 km/h und für Fahrzeuge 2 einen Wert im Bereich um 10 km/h.

Page 57: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 56

Zusammenfassung

Ist bei einem Unfall mit LKW-Beteiligung die Tachografenscheibe nicht auswertbar, so

ergeben sich für den Unfallanalytiker erhöhte Anforderungen.

Zusätzlich zur unumgänglich notwendigen technischen Untersuchung sind sämtliche

vorhandenen Spurenkomplexe von Bedeutung und insbesondere auch die Deformationen

zu vermessen. Als Hilfsmittel für die Berechnung der Deformationsenergien dienen die

Struktursteifigkeiten.

In Zukunft wäre es wünschenswert, auch für LKWs mehr Daten zu ermitteln und zu

sammeln.

Konsequenzen aus den Unfällen zur Prävention und zur Bewältigung

Das Hauptrisiko im Verkehr und insbesondere in Tunnelsituationen ist der Mensch als

Fahrzeuglenker. Kommen hohes Verkehrsaufkommen und dichter Schwerverkehr dazu,

potenzieren sich die Risiken und das resultierende Gefährdungspotenzial bei einem

Zwischenfall nimmt sehr stark zu.

Oberste Priorität muss also die Prävention haben, damit sich gar keine solchen

Zwischenfälle ereignen. Die allgemein gültige Regel, dass durch eine den Verhältnissen

angepasste Geschwindigkeit, genügend Abstand und Konzentration auf den Verkehr die

oftmals entscheidenden zusätzlichen Sicherheitsreserven geschaffen werden können, tönt

wie eine Binsenwahrheit, kann aber unter Umständen über Leben oder Tod entscheiden!

Präventive Maßnahmen umfassen die folgenden Gebiete:

Verkehrsregelung

• Dosiersystem mit permanenter Videoüberwachung UND -aufzeichnung

• Kein Gegenverkehr in längeren Tunnels

• Minimalabstand 150 m für den Schwerverkehr

• (Halb-)Barrieren und Signalisation (Ampeln) zur Sperrung des Tunnels bei

Unfall/Brand/evtl. Stau

• Polizeibeamte vor Ort

Page 58: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 57

Signalisation

• Abstandsmarkierungen auf den Fahrbahnen alle 50 m

• Regelmäßige Anzeige der Distanzen bis zu den Tunnelenden

• Auffälligkeit der Leitlinien am Rand verstärken zur optischen Führung entlang des

Fahrbahnrandes, keine Überbetonung der Mittelleitlinien

• Akustische Warneinrichtung beim Be- und Überfahren der Leitlinien („Ratterlinien“,

Sicherheitslinien mit Stufenmarkierungen)

• Vermeiden von längeren monotonen Tunnelstrecken durch ändernde Beleuchtung,

Gestaltung

Verbesserungen an den Fahrzeugen

• Abstandsmanager und Spurmanager für Lastwagen und Cars (z.B. Mercedes

Actros)

• Batterietrennschalter bei Kollision oder Überschlag (Tiltschalter wie bei

Rallyefahrzeugen, Crashsensoren)

• Brandunterdrückungssysteme auf Lastwagen und Cars

• Unfalldatenschreiber für Schwerverkehr obligatorisch

Maßnahmen zur Schadensbewältigung umfassen die folgenden Gebiete:

Fluchtwege

• Pannenstreifen in allen Tunnels vorsehen (Zugang für Rettungskräfte und

Fluchtwege)

• Blitzlichter zur optischen Führung bei Brand resp. Evakuierung

• Beleuchtung der Bedienelemente der Türen

Information der Verkehrsteilnehmer

• RDS Tunnelradio mit Zwangseinschaltung des Autoradios

• Automatisches Stauende-Warnsystem mit dynamischer Signalisation

• Automatische Warndurchsagen durch Leitsystem ausgelöst (Brand, Evakuierung,

Stau etc.)

Page 59: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

GRATZER, Werner – Analyse von Kollisionen mit Nutzfahrzeugen Seite 58

Zusammenfassung

Das Hauptrisiko im Verkehr und insbesondere in Tunnelsituationen ist der Mensch als Fahr-

zeuglenker. Durch die Beeinflussung seines Verhaltens kann die beste Präventionswirkung

erzielt werden.

Daneben gilt es, alle möglichen technischen präventiven Maßnahmen zu ergreifen.

Schlussendlich sind die Maßnahmen zur Schadensbewältigung nach einem Ereignis zu

optimieren.

Dr. Werner Gratzer

DWG - Sachverständigenbüro Gratzer 5110 Oberndorf, Weitwörth 10 06272 / 77 363 oder 0664 / 34 22 155 E-Mail: [email protected]

Page 60: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 59

Univ.-Prof. DI Dr. Ernst PFLEGER / DI Hannes GLASER EPIGUS-Institut für ganzheitliche Unfall- und Sicherheitsforschung

Blicktechnische und fahrdynamische Grenzbereiche bei Kurvenfahrten zur Aufklärung von Abkommensunfällen

Allgemeines zur Navigation in Kurven ............................................................................... 59

Verbesserung der optischen Führung und

Blickuntersuchungen mit dem viewpointsystem ........................................................... 61

Simulationen zur Bestimmung der fahrdynamischen Grenzbereiche (Bsp. A2 - Wechsel) 65

Bestimmung der Grenzgeschwindigkeiten.................................................................. 65

Fahrstreifenwechselmanöver in Kurven ..................................................................... 68

Ergebnis der Untersuchungen mithilfe der Simulation ................................................ 72

Allgemeines zur Navigation in Kurven

Die Navigation in Kurven erfolgt über ständige Blicksprünge zwischen Fixationszielen, die

entscheidend sind, ob Fahrzeuglenker die Krümmungsverhältnisse im Streckenabschnitt

richtig erkennen können. Dabei zeigen sich typische sägezahnartige Blickfolgen, um den

Fahrraum und die weitere Linienführung zu erfassen (siehe Abbildung 1).

Es zeigen sich jedoch gerade in Bezug auf Kurvenfahrten immer wieder große Probleme,

die in weiterer Folge zu Abkommensunfällen führen können. Ursachen dafür sind nicht an

die lokalen Verhältnisse angepasste Geschwindigkeiten aber auch wahrnehmungs-

technische Mängel, die zu einer Fehleinschätzung der Situation führen. Dabei werden

einerseits die Krümmungsverhältnisse unterschätzt – d.h. es wird ein größerer Radius

erwartet – und andererseits der Krümmungsbeginn nicht richtig erkannt wird, sodass die

Einlenkung zu spät erfolgt.

Page 61: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 60

1

2

3

45

6

7

8

9

1011

12

13

14

15

16

17

18

19

Straße

Ausfahrt

Ausfahrt

Spiegel

Fahrbahn nahFahrbahn fernFahrbahn Scheitel-punkt

Legende:

11

10

9

8

7

6

4

5

2

3

1

12

13

14

15

FeldwegFeldweg

Feldweg

Leitschie

ne

Fahrbahn nahFahrbahn fernFahrbahn Scheitel-punkt

Legende:

Abbildung 1: typische Navigationsstrukturen in Kurven

Untersuchungen der Zusammenhänge zwischen Kurvenradius, Grenzgeschwindigkeiten

und Einlenkverspätungen mithilfe der EDV-Simulation haben gezeigt, dass bereits sehr

kurze Einlenkverspätungen im Bereich von mehreren Zehntelsekunden ausreichen, die

Grenzgeschwindigkeit der sicheren Befahrbarkeit des Kurvenbereichs rapide herabzu-

setzen. Dies ergibt sich bei Einlenkverspätungen aufgrund des wesentlich engeren

Kurvenradius, der am Beginn der Bogenfahrt gewählt werden muss, um die gewollte

Fahrlinie zu halten.

In Abbildung 2 ist ein Beispiel dieser Simulationsreihen dargestellt, wobei folgende Grenz-

Fahrzustände betrachtet wurden:

1. Maximale Geschwindigkeit bei sicherer Kurvenfahrt (Kurvengrenzgeschwindigkeit) => Fahrzeug bleibt steuerbar und Fahrspur wird nicht verlassen

2. Mitbenützen des äußeren Fahrstreifens (Überfahren der Mittellinie) => Überragen der Mittellinie bis 0,5 m

3. Abkommen von der Straße (Überfahren des Banketts) => Hinausgetragenwerden über den Gegenfahrstreifen

Page 62: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 61

Grenzgeschwindigkeit für sicheres Fahren

80

85

90

95

100

105

110

115

120

125

130

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7Einlenkverspätung [s}

Ges

chw

ind

igke

it [k

m/h

]

R = 150 m R = 200 m R = 250 m

R = 150 m y = -25x + 103 Bestimmtheitsmaß R2 = 1 R = 200 m y = -25x + 112 Bestimmtheitsmaß R2 = 1 R = 250 m y = -25x + 121 Bestimmtheitsmaß R2 = 1

Abbildung 2: Grenzgeschwindigkeit für sichere Kurvenfahrt in Abhängigkeit von der

Einlenkverspätung für R = 150 m bis R = 250 m

Die grundsätzliche Frage in diesem Zusammenhang ist, wodurch diese Einlenk-

verspätungen entstehen können. Betrachtet man dabei den Zeit- und Wegbedarf zum

Erkennen einer Kurve, wird offensichtlich, dass die Krümmungsverhältnisse bei einer

Annäherungsgeschwindigkeit von 100 km/h spätestens 70 m vor dem Erreichen des

Bogenanfangs erkannt werden müssen.

1. Wahrnehmungsverzögerung 0,4 s 11 m

2. Reaktion 1,0 s 28 m

3. technische Aktion (Lenken) 1,0 s 28 m

Summe 2,4 s 67 m

Sind vor Ort unzureichende Informationen über die Krümmungsverhältnisse oder

Fehlführungen vorhanden, ist die gesicherte Wahrnehmbarkeit und Erkennbarkeit der

Linienführung nicht mehr gegeben und Defizite entstehen, die im ungünstigsten Fall zu

einem Abkommensunfall führen.

Verbesserung der optischen Führung und Blickuntersuchungen mit dem

viewpointsystem

Die Gefahr der unzureichenden Informationsdarbietung ist besonders bei Dunkelheit

gegeben. Aufgrund des begrenzten ausgeleuchteten Bereichs vor dem Fahrzeug bei

Nutzung des Abblendlichts und des Fernlichts können viele Informationsträger – die bei Tag

zusätzliche Führungsmarken darstellen – nicht mehr erkannt werden. Speziell bei

R=250m

R=200m

R=150m

Page 63: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 62

Linksbögen ergeben sich durch die asymmetrische Ausleuchtung des Abblendlichts weite

Bereiche, die nicht eingesehen werden können (Abbildung 3).

Abbildung 3: Sicht unter Abblendlicht bei Kurvenfahrt sowie in der Annäherung am Beispiel R = 100 m und R = 150 m. Der eingetragene Winkel von 20° kennzeichnet

den Bereich, in dem die Leuchtdichte ausreicht, um retroreflektierende Flächen aufgrund ihrer Leuchtstärke sowie aufgrund ihrer Position im Sichtfeld wahrzunehmen.

Es zeigt sich bei Dunkelheit auch deutlich, dass die Entfernungen zu beachteten Punkten,

die die Navigation unterstützen, deutlich abnehmen. Die Ergebnisse einer Forschungsarbeit

verdeutlichen diese Verschiebung in den fahrzeugnahen Bereich, der vom Scheinwerfer-

kegel ausgeleuchtet wurde (siehe Abbildung 4).

A01

0%10%20%30%40%50%60%70%80%90%

100%

Tag Nacht

Pro

zent

uale

Ver

teilu

ng d

er

Fahr

bahn

fixat

ione

n [%

]

Fahrbahn_nahFahrbahn_SPFahrbahn_fern

Abbildung 4: Verschiebung der Fixationspunkte in den fahrzeugnahen Bereich bei Dunkelheit

Page 64: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 63

In den besonders ungünstigen Linkskurven mit engen Krümmungsradien besteht die

Möglichkeit der besseren Kennzeichnung nur mithilfe von selbstleuchtenden oder retro-

reflektierenden Elementen, die eine entsprechende optische Überschwelligkeit aufweisen.

Weiters wurde im Rahmen der Blickuntersuchungen erkannt, dass dem Fahrzeuglenker

mindestens 6 (besser noch 8) Führungselemente zur Verfügung stehen müssen, damit er

den Krümmungsverlauf eindeutig und rechtzeitig erkennen kann. Die daraus resultierende

Frage nach den optimalen Abständen wurde mithilfe eines grafischen Verfahrens gelöst und

ist in der folgenden Abbildung beispielhaft dargestellt.

Zweirichtungsverkehr: optimaler Abstand von Führungsmarken in Abhängigkeit vom Kurvenradius

(6 bzw. 8 Elemente sichtbar)

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600

Kurvenradius [m]

op

tim

aler

Ab

stan

d [

m]

optimaler Abstand 6 Elemente

optimaler Abstand 8 ElementeTrendlinie (Potenziell) 6 Elemente

Trendlinie (Potenziell) 8 Elemente

Trendlinie (Potenziell) 6 Elemente: y = 0,8781 x 0,5423 R² = 1,0000

Trendlinie (Potenziell) 8 Elemente: y = 0,6272 x 0,5423 R² = 1,0000

Abbildung 5: Optimaler Abstand der Führungsmarken in Abhängigkeit vom Kurvenradius

Im Rahmen einer weiteren Forschungsarbeit wurden die am Markt

erhältlichen Modelle sowie ein neu entwickelter Reflektor

(vps*DELTAmarker) getestet und bewertet (Abbildung 6), wobei besonderer

Wert auf die Erkennbarkeit von Elementen im hinteren Kurvenbereich gelegt

wurde. Aufgrund der großen Reflektorfläche und der Neigung der

Seitenflächen hat das neuentwickelte Element die mit Abstand besten

Ergebnisse erzielt. Die Anbringung dieses Reflektors kann

auf normalen Leitpflöcken erfolgen, es können jedoch auch

Betonleitwände ausgestattet werden.

Page 65: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 64

„„Gut sichtbarGut sichtbar““

•• vpsvps**DELTADELTAmarkermarker

•• 3M Reflektor gro3M Reflektor großß „„BLR 250BLR 250““

•• 3M Reflektor gro3M Reflektor großß, mit Pfeil , mit Pfeil „„BLR 250BLR 250--WinkelbakeWinkelbake““

„„Schlecht sichtbarSchlecht sichtbar““

•• 3M Reflektor klein, seitlich 3M Reflektor klein, seitlich „„BLR 150BLR 150““

•• Swareflex WallflexSwareflex Wallflex

•• SwareflexSwareflex Reflektor klein, seitlich Reflektor klein, seitlich „„33503350““

BodennBodennäägel und Markierungskngel und Markierungsknööpfe wurden aufgrund der pfe wurden aufgrund der schlechten Ergebnisse ausgenommen!schlechten Ergebnisse ausgenommen!

Abbildung 6: Bewertung der getesteten Reflektoren

Das folgende Beispiel zeigt die Wirkung dieser neuen Elemente anhand einer umgestalteten

Kurve auf der B 27 in Niederösterreich.

vor der Maßnahmensetzung nach der Maßnahmensetzungvor der Maßnahmensetzung nach der Maßnahmensetzung

Abbildung 7: Neuausstattung einer Kurve der B 27 mit vps*DELTAmarkern

in verdichteter Aufstellung

Page 66: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 65

Simulationen zur Bestimmung der fahrdynamischen Grenzbereiche

Aufgrund der großen Anzahl an Abkommensunfällen im Untersuchungsabschnitt wurden

Reihensimulationen mit dem Programm PC-Crash durchgeführt. Dabei sollten folgende

Fragestellungen geklärt werden:

• Ermittlung der Grenzgeschwindigkeiten bei unterschiedlichen Fahrbahnzuständen in Abhängigkeit von der Einlenkverspätung.

• Untersuchung des Einflusses geringer Ungenauigkeiten im Einlenkvorgang.

• Simulation von Fahrstreifenwechselvorgängen zur Herausarbeitung spezieller Problematiken.

In Summe wurden im Rahmen des Projekts 250 optimierte Simulationen auf einem

dreidimensionalen Geländemodell der ungünstigsten Kurve (R=450 m, Querneig. = 5,6%,

Längsneig. = -3,4%) durchgeführt!

Bestimmung der Grenzgeschwindigkeiten (Bsp. A2 - Wechsel)

Basierend auf den zulässigen Höchstgeschwindigkeiten von 130 km/h auf trockener

Fahrbahn und 80 km/h bei Nässe wurde die Geschwindigkeit eines durchschnittlichen Pkw-

Fahrzeuges in 10 km/h-Schritten erhöht und das Verhalten des Fahrzeugs untersucht. Als

Beurteilungskriterien wurden das sichere Halten der Fahrlinie ohne unkontrollierte

Bewegungsabläufe des Fahrzeuges und ohne Spurenabzeichnung (eingestellt auf 85% der

zur Verfügung stehenden Bodenhaftung (0,85*mü*Fs0)) herangezogen.

Als kritische Punkte, die zu einer negativen Bewertung der Fahrlinie führen, können die

Szenarien „Abkommen vom Fahrstreifen nach rechts“ und „Abkommen auf den linken

Fahrstreifen“ definiert werden. Bei beiden Grenzfällen wird ein geringes Überragen der

Fahrstreifenbegrenzung von 50 cm toleriert. Der Einlenkpunkt und der Lenkwinkel werden

vor der Berechnung manuell vorgegeben, in der Simulation wird dann programmintern

versucht, die Fahrlinie unter Berücksichtigung einer realistischen Fahrdynamik zu halten. Ist

dies aufgrund der vorgegebenen Parameter (Geschwindigkeit, Radius, Einlenkpunkt,...)

nicht möglich, führt die Bewegung des Fahrzeuges zu einem Verlassen der Fahrspur.

Das Einlenken in die Kurve erfolgt in der Weise, dass innerhalb einer Sekunde nach Beginn

des Einlenkvorganges der angestrebte Lenkwinkel (und damit der angestrebte Kurven-

radius) erreicht wird. Der Beginn des Einlenkens wird damit abhängig von der

Geschwindigkeit. Je schneller gefahren wird, desto früher muss mit dem Einlenken

begonnen werden, um richtig in die Kreisbahn einlenken zu können.

Page 67: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 66

Wie bereits ausgeführt, ist der Einlenkpunkt bei konstanter Einlenkzeit von 1 s für jede

Geschwindigkeit gesondert zu ermitteln. Dieser wird danach je nach Fahrgeschwindigkeit

und untersuchter Einlenkverspätung (in 0,1 s-Inkrementen) in Richtung Krümmungsbeginn

verschoben. Als Einlenkverspätung wird dabei jene Zeitspanne bezeichnet, die zwischen

dem optimalen und dem für die jeweilige Simulation kennzeichnenden Einlenkzeitpunkt

verstreicht.

Um nicht nur den Einfluss eines zu späten Lenkmanövers beurteilen zu können wurden

weitere Simulationsreihen gefahren, bei welchen der ermittelte optimale Lenkwinkel um 10%

erhöht wurde. In Anbetracht der geringen notwendigen Lenkraddrehungen ist diese

Ungenauigkeit beim Einlenkvorgang durchaus zu erwarten.

Die Simulationen wurden sowohl für trockene als auch für nasse Fahrbahn durchgeführt. Als

Grundlage für die Simulationen bei trockenen Verhältnissen wurde ein globaler Reibbeiwert

der Fahrbahn von 0,8 angenommen, bei Nässe 0,5. Lokale Störungszonen (z.B. Spur-

rinnen) wurden im Simulationsprogramm durch Reibungspolygone vorgegeben, die einen

anderen als den globalen Reibwert aufweisen. Für die Simulationen mit wassergefüllten

Spurrinnen wurde ein lokal begrenzter Wert von 0,1 angenommen.

Die Untersuchungen für trockene Fahrbahn brachten das in Abbildung 8 dargestellte

Ergebnis, auf nasser Fahrbahn wurden die Grenzgeschwindigkeiten der Abbildung 9

erhalten (+/- 5 km/h).

Grenzgeschwindigkeiten bei trockener Fahrbahn und unterschiedlichen Einlenkverspätungen

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

220

0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0

Einlenkverspätung [s]

Gre

nzg

esch

win

dig

keit

[km

/h]

Trocken, optimierte LenkungTrocken, zu starke LenkungLinear (Trocken, optimierte Lenkung)Polynomisch (Trocken, zu starke Lenkung)

Trend Linear (Trocken, optimierte Lenkung): y = -100x + 205 R² = 1,000

Trend Polynomisch (Trocken, zu starke Lenkung): y = 40,793x3+1,7483x2-152,33x+208,43 R² = 0,9888

Abbildung 8: Vergleich der Grenzgeschwindigkeiten auf trockener Fahrbahn

Page 68: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 67

Grenzgeschwindigkeiten bei nasser Fahrbahn

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

220

0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0

Einlenkverspätung [s]

Gre

nzg

esch

win

dig

keit

[km

/h]

Nass +10%NassNass mit SpurrinnePolynomisch (Nass +10%)Polynomisch (Nass)Polynomisch (Nass mit Spurrinne)

Trend Polynomisch (Nass): y = -39,627x2 - 27,646x + 166,33 R² = 0,9730

Trend Polynomisch (Nass +10%): y = -17,483x2 - 56,154x + 168,29 R² = 0,9836

Trend Polynomisch (Nass mit Spurrinnen): y = -29,138x2 + 4,5921x + 115,63 R² = 0,8990

Abbildung 9: Vergleich der Grenzgeschwindigkeiten auf nasser Fahrbahn

Als Ergebnis der Untersuchung der Grenzgeschwindigkeiten in Abhängigkeit von der

Einlenkverspätung konnte folgendes festgestellt werden:

• Unter Einhaltung der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h auf trockener Fahrbahn ist ein gefahrloses Durchfahren der Kurve mit optimal gewähltem Lenkeinschlag auch bei Einlenkverspätungen von 0,7-0,8 s möglich. Erfolgt eine geringfügig zu starke Einlenkbewegung, sinkt die maximal mögliche Einlenkverspätung auf einen Wert von 0,5-0,6 Sekunden.

• Unter Einhaltung der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h ist ein sicheres Befahren der Kurve trotz Einlenkverspätungen von über 1,0 s möglich.

• In Zusammenhang mit den Spurrinnen wirken sich Einlenkverspätungen bis zu einer gewissen Größenordnung positiv aus, da dann der Bereich zwischen Fahrstreifenbegrenzung und Spurrinne befahren wird.

Es ist daher davon auszugehen, dass weniger die Geschwindigkeiten für die hohe

Anzahl an Abkommensunfällen verantwortlich sind, sondern dass andere

Grenzbereiche im fahrdynamischen Ablauf überschritten werden! Aus diesem Grund

wurden Fahrstreifenwechselvorgänge im Kurvenbereich im Detail untersucht!

Page 69: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 68

Fahrstreifenwechselmanöver in Kurven

Aufgrund der Ergebnisse der Grenzgeschwindigkeitsuntersuchung wurden weitere

Simulationen durchgeführt, um auch die fahrdynamischen Zusammenhänge bei Fahr-

streifenwechselvorgängen in Kurvenbereichen im Detail zu betrachten.

Ausgehend von den höchstzulässigen Geschwindigkeiten für die Fahrbahnzustände

„Trocken“ und „Nass“ wurden die Abhängigkeiten im Lenkverhalten bei der zulässigen und

bei leicht überhöhten Geschwindigkeiten ermittelt. Als Grundannahme wurde dabei

getroffen, dass der Fahrstreifenwechselvorgang erst im späteren Verlauf der Bogenfahrt

stattfindet, wenn der Lenkeinschlag und die Querbeschleunigung bereits konstant sind.

Als konstanter Wert für den Fahrstreifenwechsel wurde eine Zeitspanne von 3 Sekunden

angenommen, in welcher das Fahrzeug den Fahrstreifenwechsel praktisch beendet hat und

sich bereits vollständig auf dem kurvenäußeren Fahrstreifen befindet. Dieser Wert deckt sich

mit Angaben aus der Sachverständigenliteratur (z.B. 3) für normale, nicht abrupt

durchgeführte Fahrstreifenwechselmanöver und wurde mithilfe von Simulationen auf

gerader Strecke verifiziert. Die zeitliche Verteilung der Lenkmanöver (Auslenken und

Zurücklenken) wurde dabei gleichmäßig verteilt angenommen (1:1).

Bei den Erstversuchen der Umsetzung dieser Vorsimulationen auf ein Fahrmanöver im

Bogen hat sich gezeigt, dass eine gleichmäßige Verteilung der Lenkeinschläge und vor

allem der Zeiten, in welchen der Lenkeinschlag konstant gehalten wird, nicht sinnvoll ist.

Durch die bereits wirksame Querkraft darf der erste Lenkvorgang (Auslenken) nur verkürzt

ausgeführt werden, hingegen muss das folgende stärkere Einschlagen auch die noch

wirksame Querbeschleunigung überwinden und damit stärker ausfallen. Um diese

Zusammenhänge zu berücksichtigen, wurde die zeitliche Verteilung der Lenkeinschläge auf

1 s für das Auslenken und 2 s für das Zurücklenken geändert (1:2). Danach wird wieder ein

Lenkeinschlag gewählt, der eine konstante Fahrt auf der Kreisbahn ermöglicht. Die

Stellzeiten für die Lenkung wurden analog zu den Untersuchungen der Einlenkvorgänge mit

1 s konstant vorgegeben.

Es zeigen sich im Vergleich der unterschiedlichen zeitlichen Verteilungen von 1:1 und 1:2

deutliche Änderungen im Verlauf der Querbeschleunigungen bei ansonsten identen

Randbedingungen. So nimmt der Maximalwert der auftretenden Querbeschleunigung durch

das kürzere Auslenken um etwa 25% ab (siehe Abbildungen 10 und 11).

3 Danner, M., Halm, J.: „Technische Analyse von Verkehrsunfällen“, Eurotax AG, Pfäffikon (CH) 1994

Page 70: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 69

-0.50

-1.00

-1.50

-2.00

-2.50

-3.00

-3.50

-4.00

-4.50

-5.00

-5.50

m/s²

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18sec

2 - 1 AQ

2

Abbildung 10: Querbeschleunigungsverlauf des Fahrstreifenwechsels im Bogen mit gleichmäßig (1:1)

verteilten Lenkmanövern (130 km/h, Auslenkwinkel 0,00°; max. Querbeschleunigung -5,70 m/s²)

Abbildung 11: Querbeschleunigungsverlauf des Fahrstreifenwechsels im Bogen mit ungleichmäßig

(1:2) verteilten Lenkmanövern (130 km/h, Auslenkwinkel 0,00°; max. Querbeschleunigung -4,30 m/s²)

Anzumerken ist, dass bei dieser zeitlichen Verteilung das Zurücklenken bereits dann

beginnen muss, wenn das Fahrzeug noch nicht einmal die Leitlinie zwischen den

Fahrstreifen erreicht hat (Abbildung 12)!

Bei den Untersuchungen hat sich gezeigt, dass gerade auf trockener Fahrbahn bei höheren

Geschwindigkeiten nahezu keine Fahrstreifenwechselmanöver innerhalb von 3,0 s möglich

sind. Die stärkste Abhängigkeit ist in diesem Zusammenhang mit dem Lenkeinschlag

gegeben, der beim Auslenken am Beginn des Manövers gewählt wird. Ist dieser nur

geringfügig zu groß, muss der Folgeeinschlag so stark erfolgen, dass die Quer-

beschleunigung deutlich ansteigt und den vorgegebenen Grenzwert von 4,50 m/s²

übersteigt oder unkontrollierte Bewegungsabläufe beim Zurücklenken die Folge sind.

Page 71: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 70

konstante Bogenfahrt am rechten Fahrstreifen

Beginn Auslenkvorgang für 1 s, mit Stellzeit 1 s

Beginn Zurücklenken unmittelbar nach dem Erreichen des

Auslenkeinschlags für 2 s, mit einer Stellzeit von 1 s

Abgeschlossener Fahrstreifenwechsel nach 3 s

und Änderung des Lenkwinkels auf den notwendigen Korrektureinschlag

Abbildung 12: Aufteilung der Sequenzen im Fahrstreifenwechselmanöver (1:2)

In Tabelle 1 sind beispielsweise die Ergebnisse für ein Fahrstreifenwechselmanöver auf

trockener Fahrbahn mit 130 km/h dargestellt. (Anm.: Lenkwinkel bei konst. Bogenfahrt: -0,31)

Tabelle 1: Fahrstreifenwechselvorgänge mit 130 km/h auf trockener Fahrbahn mit Variation des Auslenkwinkels

Lenk

win

kel

Aus

lenk

en [°

] (S

tellz

eit 1

s)

Spu

rkre

isra

dius

A

usle

nken

[m]

Lenk

win

kel

Rüc

klen

ken

[°]

(Ste

llzei

t 1 s

)

Spu

rkre

isra

dius

R

ückl

enke

n [m

]

Seq

uenz

daue

r R

ückl

enke

n [s

]

Folg

eein

schl

ag

für F

ahrt

auf

Kre

isba

hn [°

]

max

imal

e Q

uer-

besc

hl. [

m/s

²]

Bew

ertu

ng

-0,25 Re R=619 m ---- ---- ---- ---- +/-

-0,20 Re R=774 m ---- ---- ---- ---- +/-

-0,15 Re R=1032 m ---- ---- ---- ---- +/-

-0,10 Re R=1567 m ---- ---- ---- ---- +/-

-0,05 Re R=3094 m -0,44 Re R=352 m 2,0 -0,32 -3,90 +

0,00 gerade -0,50 Re R=310 m 2,0 -0,25 -4,30 +

+0,05 Li R=3094 m -0,56 Re R=277 m 2,0 -0,20 -4,75 -

+0,10 Li R=1567 m -0,62 Re R=250 m 2,0 -0,15 -5,15 -

+0,15 Li R=1032 m -0,74 Re R=214 m 2,0 +0,25 -5,85 --

+0,20 Li R=774 m ---- ---- ---- ---- --

Bewertung: +/- ........Auslenken zu gering, Fahrstreifenwechsel in 3 s nicht möglich + ..........Fahrstreifenwechsel in 3 s ohne Gefährdung möglich - ...........Überschreiten der Grenze der Querbeschl. von 4,50 m/s² -- ..........starkes Gegenlenken notwendig - Gefahr der Überreaktion

In dieser Tabelle zeigt sich eindeutig, dass der mögliche Bereich der Lenkwinkeländerung

für ein Fahrstreifenwechselmanöver innerhalb von 3 s sehr eng begrenzt ist. Besonders

Page 72: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 71

auffällig ist, dass bereits bei 1 s dauernden Auslenkvorgängen mit einem Winkel von mehr

als +0,10° (Einschlag nach Links) ein sicherer Fahrstreifenwechsel unmöglich wird.

Zieht man als zusätzliches Bewertungskriterium die maximal auftretende Quer-

beschleunigung heran, wird der günstige Bereich noch weiter eingeschränkt. Selbst bei

geringen Auslenkwinkeln von +0,05° bzw. +0,10° treten maximale Fliehbeschleunigungen

größer 4,50 m/s² auf. Der günstige Bereich des Auslenkwinkels für den Fahrstreifenwechsel

bei 130 km/h innerhalb von 3,0 s umfasst nur noch Lenkbewegungen mit Winkeln von

-0,05°und 0,00° (geradeaus).

Dies verdeutlicht, dass für Fahrstreifenwechselvorgänge in Kurvenbereichen

vollkommen andere Gesetzmäßigkeiten in Bezug auf die Lenkmanöver gelten, als in

geraden Streckenabschnitten. Durch die wesentlich größere Häufigkeit von

Fahrstreifenwechseln bzw. Überholvorgängen auf Geraden können somit die vom

Fahrzeuglenker eingelernten – auf gerade Bereiche optimierte – Handlungsabläufe zu

großen Problemen und Sicherheitsgefährdungen führen. Dies gilt in besonderem

Maße für unroutinierte Fahrzeuglenkern!

Als Ergebnis der Untersuchung der Fahrstreifenwechselmanöver können folgende

Schlussfolgerungen getroffen werden:

Trockene Fahrbahn - Untersuchte Geschwindigkeiten 130 / 140 / 150 km/h

• Bereich der Lenkwinkel für das Auslenken, um den Fahrstreifenwechsel innerhalb von 3,0 s abzuschließen, ist sehr klein.

• Bei 150 km/h ist kein sicherer Fahrstreifenwechsel innerhalb von 3,0 s möglich!

• Beschränkender Faktor ist in den meisten Fällen der Grenzwert der Querbeschleunigung von 4,50 m/s².

Nasse Fahrbahn - Untersuchte Geschwindigkeiten: 80 / 90 / 100 / 110 km/h

• Bereich der Lenkwinkel für das Auslenken ist im Vergleich zu trockener Fahrbahn deutlich größer.

• Beschränkender Faktor ist die sichere Einhaltung der Fahrlinie innerhalb des Fahrstreifens und nicht die auftretende Querbeschleunigung.

• Es zeigt sich eindeutig der große Einfluss der gefahrenen Geschwindigkeit!

Page 73: 3. EVU - Verkehrssicherheitsseminar in Österreichevuonline.org/attachments/article/215/3. EVU... · 2005-02-27 · 3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich 26. Februar

3. EVU – Verkehrssicherheitsseminar in Österreich

26. Februar 2005, Wien

PFLEGER / GLASER – Blicktechnische und fahrdyn. Grenzbereiche bei Kurvenfahrten Seite 72

Ergebnis der Untersuchungen mithilfe der Simulation

• Weniger die hohen Geschwindigkeiten als die Lenkmanöver und

Fahrstreifenwechselvorgänge führen zu den größten Gefährdungen

im untersuchten Abschnitt der A2!

• Für Fahrstreifenwechselmanöver müssen von den Fahrzeuglenkern

neue Handlungsmuster erlernt werden, da die Erfahrungen auf

geraden Streckenabschnitten im Bogen zu höheren Gefährdungen

führen!

• Aus diesen Gründen sollten speziell die Fahrstreifenwechsel-

vorgänge in unfallträchtigen Kurvenabschnitten mit Radien < 500 m

unterbunden werden!

• Zu beachten ist, dass auch das Rechtsfahrgebot in einer engen

Linkskurve zu Gefährdungen führen kann! Dieser Fahrvorgang

entspricht fahrdynamisch dem Überholvorgang in Rechtskurven.

• Empfohlen wird daher die Anbringung einer Sperrlinie anstelle der

Leitlinie in den kritischen Bereichen!

Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Ernst Pfleger

Vorsitzender der EVU-Ländergruppe Österreich Leiter des EPIGUS-Instituts für ganzheitliche Unfall- und Sicherheitsforschung 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 81 / Stiege 4 01 / 208 90 90 oder 0664 / 20 20 234 E-Mail: [email protected] bzw. [email protected]

Dipl.-Ing. Hannes Glaser

EPIGUS-Institut für ganzheitliche Unfall- und Sicherheitsforschung 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 81 / Stiege 4 01 / 208 90 90 E-Mail: [email protected]