3.2 Biotransformation (Entgiftung) - MEDI-LEARN

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www.medi-learn.de 49 3 3.2 Biotransformation (Entgiftung) Nun aber genug der einleitenden Worte und rein ins Geschehen: Die Leber ist das zentrale Organ zur Entgif- tung körpereigener und körperfremder Sub- stanzen. Verantwortlich für diese Funktion ist ihr Biotransformationssystem, das im glatten endoplasmatischen Retikulum der Hepatozy- ten lokalisiert ist. Die Biotransformation ver- folgt dabei zwei Ziele: 1. Die giftige Substanz soll in eine wirkungs- lose Substanz umgewandelt werden (Ent- giftung). 2. Die Substanz soll in eine Form überführt werden, die ihre Ausscheidung über die Nie- re (Harn) oder die Galle (Stuhl) ermöglicht. Grundsätzlich kann der Organismus nur polare Stoffe ausscheiden. Daher dient die Biotrans- formation der Umwandlung apolarer, lipophi- ler Substanzen in polare und somit wasser- lösliche Substanzen. Dies gelingt der Leber durch Kopplung der apolaren Stoffe an pola- re Substanzen. Diese Koppelungsreaktion ist die Phase II der Biotransformation. Eine direk- te Koppelung polarer Substanzen an die apola- re, auszuscheidende Substanz ist nämlich nur selten möglich, da diese meist reaktionsträge ist. Häufig muss die apolare Substanz zuvor durch Einführung einer reaktiven Gruppe ak- tiviert werden. Diese Umwandlungsreaktionen von lipophilen, reaktionsträgen zu reaktions- freudigeren Substanzen als Voraussetzung für die anschließende Kopplungsreaktion stellen die Phase I der Biotransformation dar. Bei dem Versuch der Leber, Stoffe durch Um- wandlung zu entgiften, können zum Teil auch noch giftigere Verbindungen entstehen (Gif- tung). Ein Beispiel ist die Oxidation von Me- thanol über Formaldehyd zur hochtoxischen Ameisensäure. Außerdem können primäre, nicht kanzerogene (nicht krebserregende) Sub- stanzen durch Modifikationen des Biotrans- formationssystems ungewollt in kanzeroge- ne Substanzen umgewandelt werden (einige Pharmaka). abgegeben. Daher führen Leberfunktions- störungen zu einem Anstieg von Bilirubin im Blut und somit zur Gelbsucht (Ikterus). Kupferausscheidung: Bei Überschuss an Kupfer in den Hepatozyten werden Kupfer- ionen an die Gallenkanälchen abgegeben. Ethanol wird in der Leber oxidativ zu Ace- tyl-CoA abgebaut. Bei chronischem Alkohol- abusus kommt es aufgrund des Überangebots an Acetyl-CoA zu einer gesteigerten Fettsäure- und Triglycerid-Synthese. Die Entwicklung einer Fettleber ist die Folge. (Ethanol g Acetaldehyd g Acetat g Acetyl- CoA g Malonyl-CoA g FS-Synthese). 3.2 Biotransformation (Entgiftung) Das Thema Biotransformation bildet das letzte Kapitel dieses Skripts. Ganz nach dem Motto „last but not least“ solltest du diesem Abschnitt jedoch besondere Zuwendung schenken, da es sich auch hierbei um ein Kapitel handelt, wel- ches sowohl für das schriftliche Physikum als auch für deine spätere Tätigkeit als Arzt in ho- hem Maße wichtig ist. So waren bislang Fra- gen zu diesem Thema fester Bestandteil jedes schriftlichen Examens. Diesbezüglich solltest du dir unbedingt merken, welche chemische Reaktion in welchem Schritt der Biotransfor- mation auftaucht. Des Weiteren wird häufig nach den misch- funktionellen Monooxygenasen gefragt (s. 3.2.1, S. 50). Auch in der Klinik spielt die Biotransformati- on eine herausragende Rolle, da viele Medika- mente über diese Funktion der Leber verstoff- wechselt werden. Übrigens … Teile der asiatischen Bevölkerung wei- sen eine Mutation im Aldehyd-De- hydrogenase-2-Gen auf. Bei den be- troffenen Personen führt bereits die Aufnahme geringer Mengen Alkohols zu Symptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Herzrasen (asian flush).

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3.2 Biotransformation (Entgiftung)

Nun aber genug der einleitenden Worte und rein ins Geschehen: Die Leber ist das zentrale Organ zur Entgif-tung körpereigener und körperfremder Sub-stanzen. Verantwortlich für diese Funktion ist ihr Biotransformationssystem, das im glatten endoplasmatischen Retikulum der Hepatozy-ten lokalisiert ist. Die Biotransformation ver-folgt dabei zwei Ziele:1. Die giftige Substanz soll in eine wirkungs-

lose Substanz umgewandelt werden (Ent-giftung).

2. Die Substanz soll in eine Form überführt werden, die ihre Ausscheidung über die Nie-re (Harn) oder die Galle (Stuhl) ermöglicht.

Grundsätzlich kann der Organismus nur polare Stoffe ausscheiden. Daher dient die Biotrans-formation der Umwandlung apolarer, lipophi-ler Substanzen in polare und somit wasser-lösliche Substanzen. Dies gelingt der Leber durch Kopplung der apolaren Stoffe an pola-re Substanzen. Diese Koppelungsreaktion ist die Phase II der Biotransformation. Eine direk-te Koppelung polarer Substanzen an die apola-re, auszuscheidende Substanz ist nämlich nur selten möglich, da diese meist reaktionsträge ist. Häu�g muss die apolare Substanz zuvor durch Einführung einer reaktiven Gruppe ak-tiviert werden. Diese Umwandlungsreaktionen von lipophilen, reaktionsträgen zu reaktions-freudigeren Substanzen als Voraussetzung für die anschließende Kopplungsreaktion stellen die Phase I der Biotransformation dar.Bei dem Versuch der Leber, Stoffe durch Um-wandlung zu entgiften, können zum Teil auch noch giftigere Verbindungen entstehen (Gif-tung). Ein Beispiel ist die Oxidation von Me-thanol über Formaldehyd zur hochtoxischen Ameisensäure. Außerdem können primäre, nicht kanzerogene (nicht krebserregende) Sub-stanzen durch Modi�kationen des Biotrans-formationssystems ungewollt in kanzeroge-ne Substanzen umgewandelt werden (einige Pharmaka).

abgegeben. Daher führen Leberfunktions-störungen zu einem Anstieg von Bilirubin im Blut und somit zur Gelbsucht (Ikterus).

– Kupferausscheidung: Bei Überschuss an Kupfer in den Hepatozyten werden Kupfer-ionen an die Gallenkanälchen abgegeben.

Ethanol wird in der Leber oxidativ zu Ace-tyl-CoA abgebaut. Bei chronischem Alkohol-abusus kommt es aufgrund des Überangebots an Acetyl-CoA zu einer gesteigerten Fettsäure- und Triglycerid-Synthese. Die Entwicklung einer Fettleber ist die Folge. (EthanolgAcetaldehydgAcetatgAcetyl-CoA gMalonyl-CoAgFS-Synthese).

3.2 Biotransformation (Entgiftung)

Das Thema Biotransformation bildet das letzte Kapitel dieses Skripts. Ganz nach dem Motto „last but not least“ solltest du diesem Abschnitt jedoch besondere Zuwendung schenken, da es sich auch hierbei um ein Kapitel handelt, wel-ches sowohl für das schriftliche Physikum als auch für deine spätere Tätigkeit als Arzt in ho-hem Maße wichtig ist. So waren bislang Fra-gen zu diesem Thema fester Bestandteil jedes schriftlichen Examens. Diesbezüglich solltest du dir unbedingt merken, welche chemische Reaktion in welchem Schritt der Biotransfor-mation auftaucht.Des Weiteren wird häu�g nach den misch-funktionellen Monooxygenasen gefragt (s. 3.2.1, S. 50). Auch in der Klinik spielt die Biotransformati-on eine herausragende Rolle, da viele Medika-mente über diese Funktion der Leber verstoff-wechselt werden.

Übrigens …Teile der asiatischen Bevölkerung wei-sen eine Mutation im Aldehyd-De-hydrogenase-2-Gen auf. Bei den be-troffenen Personen führt bereits die Aufnahme geringer Mengen Alkohols zu Symptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Herzrasen (asian �ush).