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Bausteine des städtebaulichen Entwerfens 2.17 4 Bausteine des städtebau- lichen Entwerfens 4.1 Baublock Der Baublock stellt das klassische Erschlie- ßungsmuster städtischer Räume (z. B. Antike, Mittelalter, Stadterweiterung des 19. Jh.s) dar. Die Kritik an der dichten Baublockstruktur zu Ende des 19. Jh.s führte zur Ablehnung dieser Baustruktur und zur Propagierung der Reihen- und Zeilenbauweise bzw. zur Entwicklung des reformierten Baublocks ohne hintere Anbauten und mit Begrünung. Erst ab den 1980er-Jahren wird dieser städtebauliche Grundtypus wieder stärker angewandt [2.12]. Der Baublock oder auch Block bezeichnet eine allseitig von Straßen umschlossene Gebäude- gruppe; in der Regel bestehend aus mehreren Parzellen. Der Baublock ist zumeist vierseitig bebaut; er kann auch durch eine nur drei- oder zweiseitige Bebauung gebildet werden. Die Form des Baublockes kann quadratisch, recht- eckig, dreieckig, rund, oval, geschwungen oder auch unregelmäßig sein. Die Erschließung der Gebäude erfolgt von der Straßenseite aus; bei einer offenen Bauweise auch seitlich. Als Sonderfall kann die Erschließung auch von innen erfolgen; allerdings unter Aufgabe der klaren sozialräumlichen Zonierung (s. Abschn. 3). Der vordere Bereich der Baublöcke grenzt vor allem in Altstadtgebieten und innenstadtnahen Wohngebieten des 19. Jh.s direkt an die Straße bzw. an den Bürgersteig an. In den Erdgeschos- sen befinden sich zumeist keine Wohnungen; die Erdgeschosszone mit Geschäften, Gastro- nomie oder Dienstleistungen bildet eine belebte Zone. Auch öffentliche Nutzungen wie Kinder- gärten lassen sich gut in die Baublöcke inte- grieren. In neueren Wohngebieten mit Baublockform wird bei der Lage von Wohnungen im Erdge- schoss zumeist eine Vorgartennutzung oder ein privater Wohnhof als Zwischenzone zwischen Wohnung und öffentlichem Bereich angeord- net. Ein gutes Mittel zur Verhinderung der di- rekten Einsicht bei der Lage einer Erdge- schosswohnung zur Straße hin ist auch die Ein- führung einer Sockelzone (Kellerräume oder Unterbringung von Stellplätzen in Halbtiefga- ragen). BTA_2016.indb 2.17 BTA_2016.indb 2.17 03.02.2016 21:29:23 03.02.2016 21:29:23

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4 Bausteine des städtebau-lichen Entwerfens

4.1 Baublock Der Baublock stellt das klassische Erschlie-ßungsmuster städtischer Räume (z. B. Antike,Mittelalter, Stadterweiterung des 19. Jh.s) dar.Die Kritik an der dichten Baublockstruktur zuEnde des 19. Jh.s führte zur Ablehnung dieserBaustruktur und zur Propagierung der Reihen-und Zeilenbauweise bzw. zur Entwicklung desreformierten Baublocks ohne hintere Anbautenund mit Begrünung. Erst ab den 1980er-Jahrenwird dieser städtebauliche Grundtypus wiederstärker angewandt [2.12].

Der Baublock oder auch Block bezeichnet eineallseitig von Straßen umschlossene Gebäude-gruppe; in der Regel bestehend aus mehrerenParzellen. Der Baublock ist zumeist vierseitigbebaut; er kann auch durch eine nur drei- oderzweiseitige Bebauung gebildet werden. DieForm des Baublockes kann quadratisch, recht-eckig, dreieckig, rund, oval, geschwungen oderauch unregelmäßig sein.

Die Erschließung der Gebäude erfolgt von derStraßenseite aus; bei einer offenen Bauweiseauch seitlich. Als Sonderfall kann die Erschließung auch voninnen erfolgen; allerdings unter Aufgabe derklaren sozialräumlichen Zonierung (s. Abschn.3).

Der vordere Bereich der Baublöcke grenzt vorallem in Altstadtgebieten und innenstadtnahenWohngebieten des 19. Jh.s direkt an die Straßebzw. an den Bürgersteig an. In den Erdgeschos-sen befinden sich zumeist keine Wohnungen;die Erdgeschosszone mit Geschäften, Gastro-nomie oder Dienstleistungen bildet eine belebteZone. Auch öffentliche Nutzungen wie Kinder-gärten lassen sich gut in die Baublöcke inte-grieren.

In neueren Wohngebieten mit Baublockformwird bei der Lage von Wohnungen im Erdge-schoss zumeist eine Vorgartennutzung oder einprivater Wohnhof als Zwischenzone zwischenWohnung und öffentlichem Bereich angeord-net. Ein gutes Mittel zur Verhinderung der di-rekten Einsicht bei der Lage einer Erdge-schosswohnung zur Straße hin ist auch die Ein-führung einer Sockelzone (Kellerräume oderUnterbringung von Stellplätzen in Halbtiefga-ragen).

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2.18 Stadtplanung

Der Baublock führt durch seine Grundstrukturder eindeutigen Grenze zwischen dem öffent-lichen und dem privaten Raum zu klar definier-ten Räumen. Der hintere private Bereich kannsehr vielfältig genutzt werden und erfüllt ver-schiedene Anforderungen.

Eine allseitige Umbauung führt zu dem Pro-blem der Grundrisslösungen in den Baublock-ecken (Belichtungsprobleme, Zuschnitt derGrundrisse, Einsicht „über Eck“ in die Nach-barwohnungen, keine oder nur gering nutzbareFreiflächen im Erdgeschoss etc.). Durch ver-schiedene Anordnungen von Ecklösungenkönnen Konflikte verhindert oder minimiertwerden.

Eine allseitige Umbauung führt zudem zu un-terschiedlichen Ausrichtungen der Gebäude zuden Himmelsrichtungen: Neben der unproble-matischen Ost-West-Orientierung ist eine reineNord-Süd-Orientierung schwieriger zu organi-sieren. Während die Orientierung des Frei-raums im Süden zum Baublockinnern günstigist, kann bei einer Südlage zur Straße hin unterBerücksichtigung der Verkehrsbelastung einprivater Freiraum in Form von kleinen Vorzo-nen angeordnet werden.

Eine weitere Möglichkeit zur Verminderungder Belichtungsprobleme bei einer Nord-Süd-ausrichtung der Wohnbebauung ist die Ausbil-dung von „Durchwohngrundrissen“, die z. B.bei einem durchgehenden Wohn-Essbereicheine zweiseitige Belichtung ermöglichen.Ebenso können die Baublocktiefen reduziertund im Norden lediglich die Nebenräume (Kü-chen/Bäder) angeordnet werden. In denschlechter belichteten Baublockseiten könnenauch Dienstleistungen oder öffentliche Nut-zungen eingefügt werden.

Die durchschnittliche Gebäudetiefe im Woh-nungsbau bei einer Ost-West-Orientierung be-trägt 11 bis 13 m und bei einer Nord-Süd-Orientierung z. B. 9 bis 11 m bei größerenWohnungsbreiten.

Sehr große Baublocktiefen führen zu einer un-rationellen Bodeneinteilung und zur Gefahr derVerdichtung der Grundstücke im Innern derBaublöcke, wie z. B. bei der Berliner Mietska-serne im 19. Jh. Eine zu geringe Baublocktiefekann zur Beeinträchtigung der Freiraumnut-zung im Blockinnern sowie zur Verschattungführen und erhöht den Straßenlandanteil imgesamten Baugebiet.

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Die Baublocktiefe steht zudem in einer Abhän-gigkeit zu den Gebäudehöhen (z. B. Baublock-tiefe bei einer 2- bis 3-geschossigen Bauweise:30 bis 40 m; Baublocktiefe bei 4- bis 5-ge-schossiger Bauweise: 50 bis 60 m).

Mit dem Prinzip des Baublocks verbunden istdie Nutzungsmischung von Wohnen, Gewerbe,Läden oder öffentlichen Einrichtungen (histori-sche Herausbildung im Mittelalter oder in denStadterweiterungen des 19. Jh.s). Als städtebau-liches Leitbild wird heutzutage die Nutzungs-mischung wieder akzeptiert und das Prinzip derFunktionstrennung (städtebauliches Leitbild1920 bis 1970) eher kritisch angesehen. DieNutzungsmischung gilt als Garant für dieSchaffung urbaner städtischer Qualität. DasPrinzip des Baublocks und der Nutzungsmi-schung erlebte eine Renaissance bei den Stadt-erweiterungsplanungen der 1990er-Jahre (z. B.Freiburg: Rieselfeld und Vauban-Gelände; Tü-bingen: Französisches Viertel; Berlin: Kirch-steigsfeld).

Die Wohnnutzungen befinden sich in der Regelab dem 1. oder 2. Obergeschoss. Es gibt dieMöglichkeit, die Nutzungen innerhalb einesGebäudes zu mischen oder eine Nutzungsmi-schung innerhalb des Baublocks oder einesQuartiers anzuordnen.

Baublockformen modernen Typs erlauben ins-besondere bei einer dichteren städtischen Bau-weise die Unterbringung des erhöhten Stell-platzbedarfes unterhalb der Gebäude und derFreiflächen in Form von Tiefgaragen oderHalbtiefgaragen. Die Stellplätze können einendirekten Zugang von den einzelnen Treppen-häusern oder von einigen zentral gelegenenAufgängen aus erhalten. 4.2 Reihe Die Reihenbebauung ist wie der Baublock einaltes städtebauliches Entwurfselement. Reihen-hausbebauungen sind im antiken Griechenlandebenso zu finden wie im Mittelalter.

Bei der Reihenbebauung werden die Gebäudeund Parzellen in offener oder geschlossenerBauweise entlang einer Straße addiert. DieserAnbau an die Straße kann zweiseitig (bessereAusnutzung der Erschließung) als auch einseitigerfolgen. Die Reihenbebauung kann über langeoder kurze Abschnitte verfügen und entlang derStraße einen geradlinigen oder gekrümmten Ver-lauf haben, bevor sie wieder von einem öffent-lichen Straßenraum durchbrochen wird [2.13].

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2.20 Stadtplanung

Durch die Länge der addierten Parzellen undderen Stellung zum Straßenraum sowie derDrehung der Baukörper kann die städtebaulicheWirkung und die Stadtgestaltung beeinflusstwerden. Durch Vor- und Zurücksprünge kannder Straßenraum in sich verengende oder sicherweiternde Räume geteilt und in einzelne Se-quenzen unterteilt werden. Die Reihe passt sichbeliebig der topografischen Situation an, z. B.durch einen gekrümmten Straßenverlauf undDrehung der Gebäude. Im Prinzip ist auch bei einer Reihe eine Nut-zungsmischung möglich.

Die Reihenbebauung kann direkt zur Straßeorientiert sein oder Vorbereiche in Form vonVorzonen, Vorgärten oder Vorhöfen erhalten.Oft werden auch Stellplätze, Garagen oderCarports hier angeordnet.

Die Reihenbebauung kann als zweiseitige Be-bauung entlang der Straße angeordnet werden.Damit erhält sie eine klare Zuordnung der vor-

deren Erschließungsbereiche zueinander, wäh-rend die hinteren Garten- und Freiraumbereicheder Parzellen aneinanderstoßen. Bei einer ein-seitigen Erschließung und der Lage des öffent-lichen Erschließungsweges direkt angrenzendan die privaten Freiflächen können Nutzungs-probleme durch die weniger klare sozialräum-liche Zonierung entstehen. Die zur Straße hin gewandten Gebäude derReihe sind mit ihren Nutzungen in das Stadtge-füge integriert und erlauben eine soziale Kon-trolle des Straßenraums.

Bei einer Reihe treten keine Belichtungspro-bleme aufgrund der fehlenden Ecksituationenauf. Eine Ost-West-Ausrichtung der Reihe führtzu günstigen Belichtungsverhältnissen. Bei derNord-Süd-Ausrichtung kann durch die Anord-nung von privaten Gärten oder Vorhöfen miteinem entsprechenden Rückversatz der Bebau-ung die günstige Süd-Ausrichtung auch beieinem zweiseitigen Anbau der Straßen genutztwerden. Insbesondere bei der Anordnung einerreinen Nord-Südlage aus energetischen Ge-sichtspunkten („Bauen mit der Sonne“) musseine Auseinandersetzung mit der Grundrissor-ganisation und Freiraumgestaltung erfolgen.Oft führt die reine Ausrichtung einer Siedlungzur Sonne zu schematischen und starren städte-baulichen Lösungen. An den Straßenecken stößt eine Reihenbebau-ung oft mit einer fensterlosen Giebelseite zurStraße. Damit auch hier ein „Gesicht“ zur Stra-ße entsteht, können Nutzungen in den seitlichenGrundstücksflächen angeordnet werden (z. B.Wintergärten, Erker oder Balkone). Ebensokönnen hier Nebenräume, Schuppen, Garagenoder Sammelstellplätze festgelegt werden.

Reihenhausparzelle bei Ein- und Zweifamilien-häusern: 5,5 bis 6,5 m; in Einzelfällen auch bis4,5 m. Reihenhausbebauung mit Stadthäusern: hierhandelt es sich um Wohnungstypen mit einerMischung aus Wohnen und Arbeiten bzw. ausgroßzügig geschnittenen Stadtwohnhäusern mithohem Wohnflächenanteil und Ausdehnungüber mehrere, zumeist 3 Etagen.

Der ruhende Verkehr wird bei einer niedrig ge-schossigen, gering verdichteten Reihenbebauungvor den Gebäuden, in den seitlichen Grund-stücksgrenzen (bei Unterbrechung der Reihe)oder auch in Sammelstellplätzen und -garagenuntergebracht. Bei einer dichteren Bauweise sindTief- und Halbtiefgaragen unter den Reihenhäu-sern und Freiräumen unterzubringen.

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4.3 Zeile Die Zeilenbebauung entsteht ebenfalls durcheine Addition von Gebäuden und Parzellen. Sieorientiert sich jedoch mit ihren Kopfbauten zurErschließungsstraße. Von der Straße aus werdendie Zeilenbauten über einen Erschließungswegbzw. eine Stichstraße erschlossen. Die Zeilen-bauung entwickelte sich seit den 1920er-Jahrenim Zuge der Wohnungsbaureformen (Ausrich-tung zur Sonne, Rationalisierung und Typisie-rung von Bauform und Grundrissen, Kostensen-kung etc.). Neben den Zeilenbauten im Ge-schosswohnungsbau wurden auch Ein- undZweifamilienhäuser in dieser Grundstruktur er-richtet. Insbesondere bei den Stadterweiterungs-planungen der 1950/1960er-Jahre bildete derZeilenbau den zentralen Grundtypus.

Die sozialräumliche Zonierung bei einer Zeile istdurch die einseitige Erschließung oft mit derSchwierigkeit verbunden eine klare Zuordnungund Abgrenzung zwischen den öffentlichen,gemeinschaftlichen und privaten Räumen zuschaffen. Hierdurch entstehen oftmals diffuseRäume, die nicht genutzt werden und als reine„Pflegeanlagen“ und Abstandsgrün fungieren. Verstärkt wird diese geringe Nutzungsmöglich-keit der Freiräume durch die fehlende Zuord-nung von Freiflächen zur Erdgeschosszone(z. B. durch die weit verbreitete Ausbildungvon Sockelgeschossen mit „schwebenden“ Bal-kons oder Loggien).

Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem feh-lenden Kontakt der Gebäude zur Straße. DieHaupterschließungsstraße erfüllt eine reine Er-schließungsfunktion und es entstehen anonymeStraßenräume ohne soziale Kontrolle. Bei einer größeren Anzahl von additiven Zei-lenelementen entsteht eine monotone Struktur.

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2.22 Stadtplanung

4.4 Hof Beim Bautyp Hof und Hofanlage (Herkunft:Bauernhof; Klosterhof) erfolgt die Erschlie-ßung vom Hof aus. Der öffentliche Zugang zurHoffläche erfolgt von der Straße aus. Der Hofbietet sich als additives Strukturelement bei derstädtebaulichen Planung an. Beim Ein- undZweifamilienhausbau werden z. B. über einenHof kleinere Gebäudegruppen erschlossen. DerHof wird von der Straße aus über einen kleinenZugangsweg in Form einer Sackgasse mit oderohne Wendemöglichkeit erschlossen. Überdiese Straße ist der Hof zwar an das öffentlicheStraßennetz angebunden, erhält aber die Funk-tion einer halböffentlichen bzw. gemeinschaft-lichen Fläche. Zum Teil werden diese Zu-gangswege und Hofflächen auch als Privatflä-chen ausgebaut. Die Hoffläche kann neben der Erschließungder Gebäude auch als gemeinschaftliche Flä-che, als Spielfläche oder für gemeinsame Akti-vitäten genutzt werden. Die Nutzung als Stell-platzfläche ist möglich, mindert aber die Quali-tät des Hofes. Die Einführung von Sammel-stellplätzen an der Zugangsseite entlastet dieHoffläche von störendem Verkehr. Höfe kön-nen vielfältige Ausprägungen, z. B. als rechtek-kiger, runder oder geschwungener Hof, haben.

Die aufkommende Gartenstadtbebauung zuEnde des 19. bzw. frühen 20 Jh.s. hat insbeson-dere den Hoftyp als neue Form der Erschlie-ßung von Kleinhäusern mit Garten genutzt. Dasgemeinschaftliche und genossenschaftliche Prin-zip, welches mit den frühen Gartenstädten ver-bunden war, fand ihre Entsprechung in derBaustruktur des Hofes (Protagonist z. B. Rai-mond Unwin um 1908).

Auch in verdichteten städtischen Strukturenkann die Hofform eingesetzt werden; er ist hiereher als umgekehrter Baublock zu sehen miteiner im Inneren des Hofes liegenden Erschlie-ßung. Als bedeutendstes Beispiel dieses Typsist der Wiener Gemeindewohnungsbau der1920er-Jahre zu nennen.

Bei der Gestaltung der Hofform können – ähn-lich wie beim Baublock – Belichtungs- und Er-schließungsprobleme in den Ecken auftreten undmüssen durch Grundrisslösungen oder Versätze/Öffnungen gelöst werden. In verdichteten Bau-formen ist auch die Einfügung von Tief- oderHalbtiefgaragen unter der Hoffläche möglich.

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Durch die Anordnung des Hofes erfolgt eineklare Trennung zwischen dem öffentlichenvorderen und dem hinteren privaten Bereich.Die Verknüpfungspunkte zwischen dem Hofund der vorderen Bebauung an der Straße sindbesonders zu beachten. 4.5 Solitär Der Solitär ist ein allein stehendes, aus einerGebäudegruppe und einem städtebaulichenoder landschaftlichen Umfeld herausragendesGebäude.

In der Geschichte sind Solitärbauten vor allemBauten mit besonders hervorgehobenen Nut-zungen wie Kirchen, Tempel, Rathäuser,Schlösser, Theater, Villen etc. Sie unterscheiden sich in Größe, Materialitätund zumeist architektonischer Gestaltung vonder Umgebung und stehen in Distanz zur be-nachbarten Bebauung. Die „Moderne“ des 20. Jh.s brachte Solitärbau-ten auch im Wohnungsbau in der Form derWohnhochhäuser hervor. Solitärbauten erlan-gen auch eine Bedeutung als Bürohaus-komplexe oder als Bauten mit besonderer Aus-strahlung (z. B. das Guggenheimmuseum inBilbao von Frank Gehry).

Solitäre können durch die Zuordnung derGrundstücke zur Straße einen eindeutig defi-nierten „vorderen“ Bereich erhalten. Bei sehrhohen Solitärbauten sind die Freiräume (bis aufdie Erdgeschosszonen) durch eine starke Ein-sicht aus den oberen Geschossen oft wenigernutzbar. Aufgrund des hohen Bewohneranteilsbesteht die Gefahr einer Übernutzung der Frei-flächen (insbesondere der Spielflächen).

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