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37 4. Einsteins Gleichungen und das Standardmodell der Kosmologie 4.1. Die Einsteinschen Gleichungen (EG) in Robertson-Walker- Metrik Wir haben die beiden Friedmann-Gleichungen bereits in Newtonscher Näherung abgeleitet. Ist es dann überhaupt notwendig, die Ableitung noch einmal mit der ART zu wiederholen? Dafür gibt es eine ganze Reihe guter Gründe. Der Raum der Newtonschen Physik ist ein 3- dimensionaler statischer, euklidischer Raum. Das gilt auch noch für die Mechanik im Rahmen die speziellen Relativitätstheorie (Minkowski-Metrik). Die Raummodelle, auf die wir in der Kosmologie geführt werden, sind i.a. gekrümmte Räume. Selbst wenn der reale physikalische Raum näherungsweise euklidisch ist, so expandiert er doch, ein Phänomen, das in der Newtonschen Theorie keinen Platz hat. Dazu kommen die Beobachtungen der Lichtwege über große Entfernungen, die entsprechend der Materieverteilung im Kosmos gekrümmt sind. Wir müssen deshalb akzeptieren, dass die ART die korrekte Theorie für kosmologische Fragen ist. Wir haben Glück, wenn wir feststellen, dass die Newtonsche Näherung für dieses oder jenes Problem hinreichend exakt ist, oder dass sie mit einer Ergänzung und Uminterpretation weiter verwendet werden kann (s. Kap. 2). Im Allgemeinen ist jedoch Vorsicht geboten. Die Newtonsche Physik darf in der Kosmologie keinesfalls naiv und ungeprüft eingesetzt werden. Fig.4.1. David Hilbert ca. 1910 (!862 – 1943) 1910, fünf Jahre nach der Veröffentlichung seiner Arbeit über die spezielle Relativitätstheorie schrieb Einstein an Arnold Sommerfeld in München: “Ich beschäftige mich jetzt ausschließlich mit dem Gravitationsproblem....Aber das eine ist sicher, daß ich mich im Leben noch nicht annähernd so geplagt habe...Gegen dieses Problem ist die ursprüngliche (spezielle) Relativitätstheorie eine Kinderei.“ Am 25. November 1915 konnte er endlich nach vielen unbefriedigenden Ansätzen die Ergebnisse des erfolgreichen Abschlusses seiner Überlegungen vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften bekannt geben. Wenige

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4. Einsteins Gleichungen und das Standardmodell der Kosmologie

4.1. Die Einsteinschen Gleichungen (EG) in Robertson-Walker- Metrik Wir haben die beiden Friedmann-Gleichungen bereits in Newtonscher Näherung abgeleitet. Ist es dann überhaupt notwendig, die Ableitung noch einmal mit der ART zu wiederholen? Dafür gibt es eine ganze Reihe guter Gründe. Der Raum der Newtonschen Physik ist ein 3-dimensionaler statischer, euklidischer Raum. Das gilt auch noch für die Mechanik im Rahmen die speziellen Relativitätstheorie (Minkowski-Metrik). Die Raummodelle, auf die wir in der Kosmologie geführt werden, sind i.a. gekrümmte Räume. Selbst wenn der reale physikalische Raum näherungsweise euklidisch ist, so expandiert er doch, ein Phänomen, das in der Newtonschen Theorie keinen Platz hat. Dazu kommen die Beobachtungen der Lichtwege über große Entfernungen, die entsprechend der Materieverteilung im Kosmos gekrümmt sind. Wir müssen deshalb akzeptieren, dass die ART die korrekte Theorie für kosmologische Fragen ist. Wir haben Glück, wenn wir feststellen, dass die Newtonsche Näherung für dieses oder jenes Problem hinreichend exakt ist, oder dass sie mit einer Ergänzung und Uminterpretation weiter verwendet werden kann (s. Kap. 2). Im Allgemeinen ist jedoch Vorsicht geboten. Die Newtonsche Physik darf in der Kosmologie keinesfalls naiv und ungeprüft eingesetzt werden.

Fig.4.1. David Hilbert ca. 1910 (!862 – 1943)

1910, fünf Jahre nach der Veröffentlichung seiner Arbeit über die spezielle Relativitätstheorie schrieb Einstein an Arnold Sommerfeld in München: “Ich beschäftige mich jetzt ausschließlich mit dem Gravitationsproblem....Aber das eine ist sicher, daß ich mich im Leben noch nicht annähernd so geplagt habe...Gegen dieses Problem ist die ursprüngliche (spezielle) Relativitätstheorie eine Kinderei.“ Am 25. November 1915 konnte er endlich nach vielen unbefriedigenden Ansätzen die Ergebnisse des erfolgreichen Abschlusses seiner Überlegungen vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften bekannt geben. Wenige

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Wochen vorher hat er seine noch unvollständigen Überlegungen im Mathematischen Seminar in Göttingen in Anwesenheit von David Hilbert vorgetragen, der sich damals intensiv mit physikalischen Problemen befasste. Dieser begriff sehr bald, worauf es Einstein ankam und konnte schon am 20. November 1915 der Göttinger Akademie der Wissenschaften seine elegante Ableitung dessen präsentieren, was als Einsteinsche Gleichungen in die Literatur eingegangen ist. Hilbert schien aber Einsteins Priorität anzuerkennen, obwohl er die richtige Lösung mit 5 Tagen Vorsprung bekannt machte. Die „Allgemeine Relativitätstheorie“ (ART) geht von der Gleichheit träger und schwerer Massen aus, die experimentell sehr gut bestätigt ist. Eine praktische Folge davon ist, dass alle Massen gleich schnell fallen. Das gilt z.B. auch für Passagiere und Gegenstände in einer Raumkapsel. Geringe Abweichungen davon werden als Gezeitenkräfte wirksam. Unter dieser Voraussetzung lässt sich ein Inertialsystem in der ART durch ein frei fallendes System, in welchem sonst keine mechanischen oder elektromagentische Kräfte wirken (z.B. eine Raumkapsel) ersetzen. Da Massen im Raum i. a. ungleichförmig verteilt sind (z.B. Sterne, Sternhaufen, Galaxien), wird ein frei fallendes System (etwa eine Galaxie in einem Galaxiehaufen) eine gekrümmte Bahn beschreiben. Nach Newton würde man die Bahn aus den Gravitationskräften der umgebenden Massen bestimmen. In der ART dagegen bestimmen die Massen die Geometrie des Raumes und umgekehrt die Geometrie die Massenverteilung.

Das frei fallende System bewegt sich in dieser Geometrie auf extremalen Bahnen, den so genannten Geodäten. (s. a. Geodätengleichung A.8.30). Die Geodäte ist der kürzeste Abstand zwischen zwei Punkten

∫=−B

A

dsBA (4.1)

mithin das Resultat der Variation von

∫ =δ 0ds oder ∫ =δ 02ds (4.2)

Das Ergebnis, was hier nicht bewiesen werden soll, heißt Geodätengleichung, in allgemeiner Form

02

2

=Γ+ds

dxds

dxds

xd νλμλν

μ

(4.3)

mit

( )σνλνσλλσνμσμ

νλ ,,,21 gggg −+=Γ (4.4)

Das erste Glied beschreibt die Änderung der Tangente entlang ds, das zweite Glied subtrahiert davon den Anteil der Parallelverschiebung. Auf einer Geodäten kompensieren sich beide Anteile. (Bei der Parallelverschiebung wird der Winkel zwischen Tangente und Kurve konstant gehalten) In der ART verlaufen kräftefreie Bewegungen von Massen immer auf Geodäten, d.h. das Extremalprinzip Gl. A.8.31 ist dabei immer erfüllt. Man kann sich eine gewisse Veranschaulichung dieser ungewohnten Vorstellung Geometrodynamik (John A. Wheeler) verschaffen, indem man gekrümmte 2-dim. Flächen in einem 3-dimensionalen Raum betrachtet. Wir denken dabei an eine gespannte ebene

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Gummie-Membran, die eine euklidische Ebene veranschaulichen soll (s. Fig. 4.2). Eine Styroporkugel als Probemasse, die man angestoßen hat, beschreibt auf der Membran eine geradlinige Bahn. Legt man eine Stahlkugel als Modell eines Gravitationszentrums auf die Membran, so entsteht eine trichterförmige Vertiefung. Die Fläche ist jetzt gekrümmt und die Bahn der Probemasse ist eine geschlossene oder offene Kurve, je nach ihrer Anfangsgeschwindigkeit. Die Bahn wird im Modellversuch durch die Verformung der Gummimembran bestimmt. Die Verallgemeinerung des Modells führt auf einen gekrümmten Raum (in der Übung Kap.3.7 werden 3-dim. Hyperflächen in einer 4-dim. Raumeinbetung betrachtet). Seine lokalen Eigenschaften können mit Hilfe der Riemannschen Geometrie beschrieben werden. Wir haben im vorigen Kapitel bereits gesehen, dass sich gekrümmte Räume als 3-dimensionale Hyperflächen beschreiben lassen, die in einen 4-dim. euklidischen Raum eingebettet sind. Diese Beschreibung war allerdings redundant. Wir konnten die 4. Raumdimension w wieder eliminieren. Statt der Bogenlänge im euklidischen Raum 2222222 sin φθ+θ+= drdrdrdl (4.5)

Fig. 4.2. Euklidischer Raum als ebene Fläche veranschaulicht.

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Fig. 4.3. Krümmung der Fläche durch Anwesenheit einer Masse hier im Modell.

Fig. 4.4. Veranschaulichung: Bahn auf gekrümmter Fläche erhielten wir in der Robertson-Walker-Metrik Gl. 3.17b

⎥⎥⎥⎥

⎢⎢⎢⎢

++−

−= 22222

2

2

2222 sin

1φθθ

κdrdr

Rr

drdtcds (4.6)

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Was wir mit der Substitution Rrr ′= in folgende Form bringen

⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡′+′+

′−′

−= 222222

2222 sin1

φθθκ

drdrr

rdRdtcds (4.7)

wobei wir hier wieder )()( taRtRR ⋅== (4.8) gesetzt haben. In den Resultaten kommt am Ende r′ nicht mehr vor.

Fig. 4.5. Albert Einstein (1879 – 1955) ca. 1910

Die Einsteinschen Gleichungen (EG) verknüpfen diese Geometrie mit der Massenverteilung, indem sie eine Beziehung zwischen 2-stufigen Tensoren herstellen

μνμν ⋅π

= Tc

GG ˆ8ˆ4 (4.9)

Die linke Seite RgRG ˆ21ˆˆ

μνμνμν −= heißt Einstein-Tensor. Sie enthält die Geometrie der

Raum-Zeit im Ricci-Tensor μνR̂ , dem metrischen Tensor μνg und dem Ricci–Skalar μν

μν= RgR ˆˆ . (4.10)

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Wir folgen hier der Einstein-Konvention und lassen (wie schon in Kap. 3) in Summationen die Summenzeichen über gleiche Indizes weg. Während der Einstein-Tensor μνG die lokale Geometrie der Raum-Zeit beschreibt, enthält die rechte Seite die Information über das physikalische System. μνT̂ ist der (auch aus der Elektrodynamik bekannte) Energie-Impulstensor, der das physikalische Feld durch die lokale Energiedichte, lokalen Druck und Spannungen beschreibt. Der Ricci-Tensor μνR̂ ist ein 2-stufiger, symmetrischer Tensor. Er lässt sich aus den

Konnektionen λμνΓ (auch Christoffelsymbole genannt) und ihren Ableitungen berechnen

λ

νσσμλ

σλσ

λμν

λνμλ

λλμνμν ΓΓ−ΓΓ+Γ−Γ= ,,R̂ (4.11)

Die Konnektionen μ

νλΓ enthalten Produkte der Komponenten des metrischen Tensors νλ

g und

seiner Ableitungen λσν,g , sind also letztlich aus dem metrischen Tensor zu gewinnen s. Gl. (4.7). Dabei ist vorausgesetzt, dass es sich um einen torsionsfreien Raum handelt, was in der Kosmologie gewährleistet ist. Es gilt dann die Symmetriebeziehung μ

λνμνλ Γ=Γ (4.12)

Achtung, die μ

νλΓ sind selbst keine Tensoren!

Die gewöhnliche Ableitung nach einer (kontravarianten) Koordinaten νx wird durch ein Komma bezeichnet. Für die kovariante Ableitung steht ein Semikolon anstelle des Kommas:

νμνμ =

∂∂

,AxA

, νσλνσλ =

∂∂

,gxg

und λμνλν

μμν A

xAA Γ+∂∂

=; (4.13)

Die ko- und kontravariante Form des metrischen Tensors sind miteinander über das Kronecker-Symbol verknüpft λ

μνλ

μν δ=gg (4.14) Für die Komponenten der Diagonalform gilt λ

μλλ

μμ δ=gg (4.15)

4.2. Die Berechnung des Ricci-Tensors. Um die EG (4.9) auszuwerten, schreiben wir zunächst die μνg in Polarkoordinaten und definieren

( ) ( )φθ ddrdcdtdxdxdxdx −−′−= ,,,,,, 3210 . (4.16) Wir schreiben aus Bequemlichkeit wieder r anstelle von r ′ . Dann wird

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100 =g , ( )2211 1/ rRg κ−−= , 22

22 rRg −= , θ22233 sinrRg −= (4.17)

Nach Gl. (4.15) sind die Komponenten der kontravarianten Form die reziproken Werte von Gl. (4.17), also ( ) 2211 /1 Rrg κ−−= etc. Damit können die Konnektionen berechnet werden. Die von Null verschiedenen Komponenten lauten wie folgt

( )21011 1/ rRRc κ−=Γ − & , RRrc &210

22−=Γ , RRrc &θ=Γ − 2210

33 sin ,

RRc /1101

&−=Γ , ( )2111 1/ rr κ−κ=Γ , ( )21

22 1 rr κ−−=Γ ,

( ) θκ−−=Γ 22133 sin1 rr ,

RRc /12

02&−=Γ , r/12

12 =Γ , θθ−=Γ cossin233 ,

RRc /13

03&−=Γ , r/13

13 =Γ , θ=Γ ctg323 (4.18)

Dazu kommen noch alle λ

μνΓ , die durch Vertauschung der unteren beiden Indizes nach Gl. (4.12) aus den angegebenen Komponenten hervorgehen. Gl. (4.18) eingesetzt in Gl. (4.11) ergibt die 4 Diagonalglieder des Ricci-Tensors

RcRR 200 /3ˆ &&−= , ( ) ( )222

211 1/221ˆ rcRRRc

R κ−κ++= &&& ,

( )κ++= 222

2

22 22ˆ cRRRcrR &&& , ( )κ++θ= 222

2

2

33 22sinˆ cRRRcrR &&& (4.19)

Nun müssen wir noch nach Gl. (4.10) den Ricci-Skalar berechnen, wozu wir die reziproken Werte von μνg aus Gl. (4.15) benutzen

λλ

λλ =g

g 1 (4.20)

Wir erhalten

100 =g , ( ) 2211 /1 Rrg κ−−= , 2222 /1 Rrg −= , 22233 sin/1 rRg θ−= (4.21) Der Ricci-Skalar wird dann ( ) 2222 /6ˆ RccRRRRgR κ++−== μν

μν &&& (4.22) 4.3. Der Energie-Impuls-Tensor.

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Wir wenden uns jetzt der rechten Seite der EG zu, welche die Physik enthält. Die kosmische Materie betrachten wir hier als klassische Flüssigkeit. In einem beliebigen Inertialsystem erhalten wir für den Energie-Impuls-Tensor

( ) μννμμν ε pguupT −+= (4.23) Hier bedeutet

2cρ=ε (4.24) die Energie-Dichte. In vielen Lehrbüchern wird von Anfang an c =1 gesetzt, so dass ρε = wird. Die μu sind kovariante Komponenten der Vierergeschwindigkeit. . Entsprechendes gilt für die kontravariante Form μννμμν ε pguupT −⋅+= )( (4.25) Eine besonders einfache Gestalt bekommt der Energie-Impuls-Tensor im Ruhesystem oder im mit der Flüssigkeit mitbewegten System (was gleichbedeutend ist) in folgender Form

⎟⎟⎟⎟⎟

⎜⎜⎜⎜⎜

==

pp

pTTg

000000000000ε

νμμσ

σν (4.26)

Im momentanen Ruhesystem ist die 4–Geschwindigkeit ( )0,0,0,cu γ=μ (4.27) Es trägt also nur 2

00 cuu = bei. Damit erhalten wir in der Robertson-Walker-Metrik unter Berücksichtigung von μν

λνκμκλ TggT = :

ε=00T , ( )2211 1/ rpRT κ−= , 22

22 RprT = , 22233 sin RprT θ= (4.28)

Wir berechnen die 00-Komponenten auf der linken und auf der rechten Seite der EG:

( ) 222220000 /3/3ˆ

21ˆ RccRRRRcRRgR κ+++−=− &&&&& (4.29)

und

επ

4004

88c

GTc

G (4.30)

Das ergibt

( ) επ

=κ+ 222

2

83c

GcRR

& (4.31)

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In entsprechender Weise erhält man eine Gleichung der (11)-Komponenten

( ) 22

22 82 Rpc

GcRRR π=κ++− &&& (4.32)

Die (22)- und (33)-Komponenten ergeben äquivalente Gleichungen, so daß wir auf ihre Auswertung verzichten können. 4.4. Erhaltungssätze und Friedmann-Gleichungen. Die kovariante Divergenz verschwindet für den Energie-Impuls-Tensor

μσνμσ

σνμνσ

μνν

μνν Γ+Γ+== TTTT ,; 0 (4.33)

was der Erhaltung der Massenenergie und des Impulses entspricht. Das Entsprechende gilt auch für den Einstein-Tensor und wird in A.10 des Anhangs gezeigt. Die Auswertung von Gl. (4.33) ergibt (s. A.10)

( ) 03 =+ε+ε pRR&

& (4.34)

Es ist also bei allgemein relativistischer Behandlung kein Rückgriff auf die Thermodynamik nötig, um die „Fluid-Gleichung“ (Gl. 4.25 und Anhang A.12) herzuleiten. Sie ergibt sich aus dem Verschwinden der kovarianten Divergenz des Energie-Impuls-Tensors. Wir leiten jetzt die Friedmann-Gleichungen her und eliminieren zunächst κ+ 22 cR& mit Hilfe von Gl. 4.22 aus 4.23 mit dem Ergebnis

( )pcG

RR 3

34

2+ε

π−=

&& (4.35)

Damit erhalten wir die erste Friedmanngleichung und eine Aussage über die Beschleunigung des Skalenparameters )(ta&& . Neu ist hier, dass auch der Druck p auftritt, der ebenso wie die Energiedichte ε zur Gravitation beiträgt. Bei Gasen aus Teilchen mit Ruhemasse ist i.a.

ε<<p . Im Strahlungsfeld oder bei einem ultrarelativistischen Gas (heißes Plasma im frühen

Universum oder Neutrinos) kann allerdings ε31

≈p sein.

Als nächstes schreiben wir Gl. 4.22 in folgender Form

κ−επ

==⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛2

2

22

2

38

Rc

cGH

RR&

(4.36)

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Das ist die zweite Friedmanngleichung, wie wir sie bereits in Kap. 2 in Newtonscher

Näherung abgeleitet haben, wobei wir nach Gl. 4.2a auch 22

⎟⎠⎞

⎜⎝⎛=⎟⎟

⎞⎜⎜⎝

⎛aa

RR &&

setzen können. Für

0tt = ist die Hubble-Konstante

κ−επ

= 2

2

022

0 38

Rc

cGH (4.37)

Der Faktor 2/ Rκ bestimmt wieder die Krümmung, die im euklidischen Fall, also bei kritischer Dichte verschwindet. In allen anderen Fällen hängt die Krümmung von der Dichte ab. Diesen Zusammenhang kann ausschließlich die ART liefern. Mit Gl. 4.26 liefert sie unabhängig davon auch einen Ausdruck für die Beschleunigung. Die Friedmanngleichungen scheinen eine globale Aussage über den Kosmos (mit Skalenparameter und Krümmungsradius) zu machen. Das erscheint zunächst als ein Widerspruch zur ART, die immer nur lokale Aussagen zulässt. Der Widerspruch löst sich, wenn man bedenkt, dass wir bei den hier besprochenen Modellen immer Isotropie und Homogenität des Raumes voraus gesetzt haben. Über die Topologie (sein Zusammenhang über große Entfernungen) können dabei keine Aussagen gemacht. Auch ein euklidischer (oder fast euklidischer) Raum kann eine nicht triviale Topologie haben. Wie diese beschaffen sein könnte, diese Frage bleibt offen.

4.5. Historisches Einstein hatte in seiner Publikation „Kosmologische Betrachtungen zur allgemeinen Relativitätstheorie“, Sitzungsber. d. Preuß. Akademie der Wissenschaften 1917, S. 142 – 152 das Modell eines statischen Kosmos behandelt. Dazu musste er eine kosmologische Konstante (s. Kap. 5) einführen, die für einen negativen Druck sorgte, für die Einstein aber keinerlei physikalische Begründung geben konnte. Erst Alexander Friedmann zeigte, dass Einsteins Modell instabil ist und dass der Normalfall (ohne kosmologische Konstante) ein dynamisches Universum ergibt. Wer war Alexander Friedmann dessen Namen die Gleichungen 4.26 und 4.27 heute tragen? Friedmann publizierte seine Arbeiten über Kosmologie in der Zeitschrift für Physik 10, 377 (1922) und 21, 326 (1924). Aber sie fanden erst viel später Beachtung. Einstein las die Arbeiten Friedmanns, aber hielt sie für falsch und publizierte sofort einen entsprechenden Kommentar. Erst einige Monate später, als er den russischen Physiker Yuri A. Krutkov, einen Freund Friedmanns, traf und mit ihm die Arbeiten diskutierte, musste er seinen Irrtum zugeben. Einstein schrieb deshalb sofort an die Z. f. Physik und erkannte Friedmanns Lösungen ausdrücklich als korrekt an.

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Fig. 4.6. Albert Einstein (1879 – 1955), Aufn. v. 1925

Fig. 4.7. Alexander Alexandrowitsch Friedmann (1888 – 1925) Friedmann wurde 1888 in St. Petersburg als Sohn eines Komponisten und einer Pianistin geboren. Er studierte Mathematik und Meteorologie. Am ersten Weltkrieg nahm er als Freiwilliger teil, leitete die Flugnavigation und fertigte Tabellen mit ballistischen Daten für die Artillerie und den Bombenabwurf an. Nach der Revolution war er zunächst Professor für Mechanik in Perm. 1920 kehrte er nach St. Petersburg zurück und arbeitete an der Akademie der Wissenschaften. Neben der Meteorologie beschäftige er sich mit Quantentheorie und der ART. Er starb 1925 nach offiziellen Angaben an Typhus. Aber Georg Gamow (1904 – 1968), der ein Student von Friedmann war, behauptete, er sei an einer Lungenentzündung gestorben, welche er sich bei einem seiner Ballonaufstiege im Dienste der Meteorologie geholt habe. 4.7. Zusammenfassung Nach Einführung der Einstein-Gleichungen werden die Komponenten des Einstein-Tensors in der Robertson-Walker-Metrik abgeleitet. Der Energieimpuls-Tensor wird für eine

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„kosmische“ Flüssigkeit der Energie/Materiedichte ε und des Drucks P angegeben und für ein mitbewegtes Bezugssystem in der Robertson-Walker-Metrik umgeschrieben. Aus den 4 Einstein-Gleichungen ergeben sich die beiden Friedmann-Gleichungen für aa&& und 2)( aa& . Die Divergenz des Energie-Impuls-Tensors führt zu einem Erhaltungssatz der Masse bzw. der Energie (s.a. Fluidgleichung). Wenn die Zustandsgleichung, also der Zusammenhang zwischen ε und P, bekannt ist, kann a(t) durch Lösung der Friedmann-Gleichungen berechnet werden. 4.8. Literatur J.N. Islam: An introduction to mathematical cosmology. Cambridge University Press 1992 Hubert Gönner: Einführung in die Kosmologie. Spektrum Verlag 1994. Hubert Gönner: Einführung in die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie. Spektrum Verlag 1996. R.U. Sexl / H.K. Urbanke: Gravitation und Kosmologie. BI Wissenschaftsverlag 3. Aufl. 1987 Sean M. Carroll: Lecture Notes on General Relativity. http://arxiv.org/PS_cache/gr-qc/pdf/9712/9712019.pdf 4.9. Aufgaben 4.9.1. Zeige, dass )

21(ˆ TgTR klklkl −Κ= eine andere Form der Einstein-Gleichungen ist.

Hinweis: Benutze ikik

kik

ik RgRgR ˆˆˆ ≡= ∑ und den metrischen Tensor nk

knkl gg δ=⋅ (s. 4.9),

der hier in Diagonalform gegeben ist d.h. 1,1 111100

00 == gggg ect., weswegen gilt 4=⋅ kk

kk gg . 4.9.2. Die Energiedichte, die ein Beobachter misst, der sich mit der Geschwindigkeit

),,,( 3210 uuuu bewegt, ist ∑ lkkl uuT . Sie sollte in vernünftigen physikalischen Systemen

immer positiv sein. Mit den Ergebnissen der vorigen Aufgabe lässt sich eine Bedingung für den Ricci-Tensor ableiten. Leite daraus die Bedimgung 0ˆ ≥lk

kl uuR ab. 4.9.3. Berechne den Ricci-Skalar aus den Komponenten des Ricci-Tensors (4.22) und der Beziehung (4.19) ab. 4.9.4. Zeige dass das räumliche Volumenelement der Robertson-Walker-Metrik wie folgt geschrieben werden kann )3(321 gdxdxdxdV ⋅= wobei )3(g die Determinante des räumlichen Teils des metrischen Tensors ist.