4 Elektrizität und Magnetismus - qnap.e3.physik.tu ... · 4 Elektrizität und Magnetismus...

82
4 Elektrizität und Magnetismus Elektrizität und Magnetismus wurden zunächst als unabhängige Phänomene verstanden. Rund 150 Jah- re nachdem Newton seine grundlegenden Arbei- ten zur Mechanik publiziert hatte, gelang es Max- well 1 die Grundlagen von Elektrizität und Magne- tismus zusammenzubringen und in 4 Gleichungen, den Maxwell’schen Gleichungen, ihre wichtigsten Eigenschaften zusammenzustellen. 4.1 Ladung und Feld 4.1.1 Übersicht Die Phänomene, die in diesem Kapitel behandelt werden, basieren auf einer Größe, die bisher noch nicht diskutiert wurde: auf der elektrischen Ladung Q. “Gewöhnliche” Materie enthält gleich viele po- sitive wie negative Ladungen. Man kann dieses Gleichgewicht verändern, indem man einzelne La- dungen von einem Material auf ein anderes über- trägt. Dies geht z.B. indem man einen Glasstab mit Leder oder Seide reibt. So erhält man positive La- dungen; reibt man einen Kunststoffstab mit einem Katzenfell oder mit Seide so erhält man negative La- dungen. Diese können auf ein Elektrometer übertra- gen werden; dabei handelt es sich um ein Gerät, wel- ches elektrische Ladungen durch einen Ausschlag des Zeigers anzeigt. Durch mehrmalige Übertragung kann man die Ladungsmenge vergrößern und damit den Ausschlag erhöhen. Überträgt man zunächst ei- ne Art von Ladung und danach, ohne das Elektrome- ter zu entladen, die andere, so nimmt der Ausschlag ab: die beiden Arten von Ladungen heben sich ge- genseitig auf. Einige Eigenschaften der elektrischen Ladung sind: • Ladung ist an Materie gebunden. 1 James Clerk Maxwell (1831 - 1879) • Ladung ist quantisiert, d.h. man findet nur Viel- fache der Elementarladung e =1,6·10 -19 C. • Es gibt positive und negative Ladungen; deren Absolutbetrag ist gleich. Die Ladung eines Teil- chens kann somit betragen ... -2e, -e, 0, +e, +2e, ... . Abbildung 4.1: Charles Augustin de Coulomb (1736-1806). Ladung wird gemessen in der Einheit [Q]= C = Coulomb, nach Charles Augustin de Coulomb, 1736-1806 (! Abb. 4.1). Die Ladung ist eine der Grundeinheiten der Elektrizitätslehre. Ladungen können Bewegungen durchführen. Man unterscheidet drei Bewegungszustände: • ruhende Ladungen. Diese Systeme werden im Rahmen der Elektrostatik beschrieben. • Ladungsbewegungen mit konstanter Geschwin- digkeit, d.h. es fließen stationäre Ströme, wel- che statische Magnetfelder erzeugen. Dies wird im Rahmen der Magnetostatik behandelt. • Ladungen werden beschleunigt und erzeugen deshalb elektromagnetische Wellen. Dies ist das Thema der Elektrodynamik. 133

Transcript of 4 Elektrizität und Magnetismus - qnap.e3.physik.tu ... · 4 Elektrizität und Magnetismus...

4 Elektrizität und Magnetismus

Elektrizität und Magnetismus wurden zunächst alsunabhängige Phänomene verstanden. Rund 150 Jah-re nachdem Newton seine grundlegenden Arbei-ten zur Mechanik publiziert hatte, gelang es Max-well1 die Grundlagen von Elektrizität und Magne-tismus zusammenzubringen und in 4 Gleichungen,den Maxwell’schen Gleichungen, ihre wichtigstenEigenschaften zusammenzustellen.

4.1 Ladung und Feld

4.1.1 Übersicht

Die Phänomene, die in diesem Kapitel behandeltwerden, basieren auf einer Größe, die bisher nochnicht diskutiert wurde: auf der elektrischen LadungQ. “Gewöhnliche” Materie enthält gleich viele po-sitive wie negative Ladungen. Man kann diesesGleichgewicht verändern, indem man einzelne La-dungen von einem Material auf ein anderes über-trägt. Dies geht z.B. indem man einen Glasstab mitLeder oder Seide reibt. So erhält man positive La-dungen; reibt man einen Kunststoffstab mit einemKatzenfell oder mit Seide so erhält man negative La-dungen. Diese können auf ein Elektrometer übertra-gen werden; dabei handelt es sich um ein Gerät, wel-ches elektrische Ladungen durch einen Ausschlagdes Zeigers anzeigt. Durch mehrmalige Übertragungkann man die Ladungsmenge vergrößern und damitden Ausschlag erhöhen. Überträgt man zunächst ei-ne Art von Ladung und danach, ohne das Elektrome-ter zu entladen, die andere, so nimmt der Ausschlagab: die beiden Arten von Ladungen heben sich ge-genseitig auf.

Einige Eigenschaften der elektrischen Ladung sind:

• Ladung ist an Materie gebunden.

1James Clerk Maxwell (1831 - 1879)

• Ladung ist quantisiert, d.h. man findet nur Viel-fache der Elementarladung e =1,6·10�19 C.

• Es gibt positive und negative Ladungen; derenAbsolutbetrag ist gleich. Die Ladung eines Teil-chens kann somit betragen ... -2e, -e, 0, +e, +2e,... .

Abbildung 4.1: Charles Augustin de Coulomb(1736-1806).

Ladung wird gemessen in der Einheit

[Q] = C = Coulomb,

nach Charles Augustin de Coulomb, 1736-1806 (!Abb. 4.1). Die Ladung ist eine der Grundeinheitender Elektrizitätslehre.

Ladungen können Bewegungen durchführen. Manunterscheidet drei Bewegungszustände:

• ruhende Ladungen. Diese Systeme werden imRahmen der Elektrostatik beschrieben.

• Ladungsbewegungen mit konstanter Geschwin-digkeit, d.h. es fließen stationäre Ströme, wel-che statische Magnetfelder erzeugen. Dies wirdim Rahmen der Magnetostatik behandelt.

• Ladungen werden beschleunigt und erzeugendeshalb elektromagnetische Wellen. Dies istdas Thema der Elektrodynamik.

133

4 Elektrizität und Magnetismus

4.1.2 Ladungsquantisierung

Abbildung 4.2: Messung der Ladungsquantisierungdurch Millikan.

Die Quantisierung der elektrischen Ladung wurdein einem berühmten Versuch von Millikan erstmalsnachgewiesen. Abb. 4.2 zeigt schematisch das ver-wendete Experiment. Er brachte kleine Öltröpfchenin einen Raum zwischen zwei geladenen Kondensa-torplatten.

U

+ + + + +

_ _ _ _ _

Röntgen- röhre

mq Fe

FgE

Abbildung 4.3: Öltröpfchen im Feld.

Wie in Abb. 4.3 gezeigt, wurden diese Öltröpfchenmit Licht ionisiert, d.h. geladen. Dadurch wurdensie im elektrischen Feld beschleunigt. Millikan be-obachtete die Bewegung der Öltröpfchen durch einMikroskop. Auf diese Ladung wirkt dann die KraftFe = qE und zieht den Tropfen nach oben. Gleichzei-tig wird der Öltropfen von der Gewichtskraft Fg =�mg nach unten gezogen. Bei der Messung stelltman nun den Zustand durch Verändern der SpannungU = E ·d ein, bei dem der Tropfen schwebt, also:

Fe = q ·E = Fg = m ·g ) q =m ·g ·d

U.

Um den Effekt des Feldes vom Einfluss der Schwer-kraft zu unterscheiden, invertierte er die Polarität derSpannung. Aus diesen Messungen konnte er die La-dung der Öltröpfchen bestimmen und zeigen, dass essich immer um ganzzahlige Vielfache der Elemen-tarladung

e = 1,602189 ·10�19 C

handelte.

Target

q = 0

γ

e+

e-

q =

0

Abbildung 4.4: Erzeugung eines Elektronen-Positronen Paars aus einem Photon.

Für ein abgeschlossenes System gilt, dass die Sum-me der elektrischen Ladungen konstant ist. Es kannzwar Ladung erzeugt werden, aber immer nur in Paa-ren, also gleich viel negative wie positive Ladung.Ein Beispiel dafür ist die Paarerzeugung, bei der einhochenergetisches Photon in ein Elektron und einPositron umgewandelt wird (siehe Abb. 4.4). Ein an-deres Beispiel ist der Zerfall des Neutrons, bei demein Proton (positiv geladen) und eine Elektron (ne-gativ geladen) entstehen.

4.1.3 Elektrostatische Wechselwirkung

Ladungen üben aufeinander Kräfte aus. Abb. 4.5zeigt einen experimentellen Aufbau für die Messungder Coulomb-Anziehung und Abstoßung. Wechsel-wirkung zwischen zwei Tischtennisbällen, die miteiner Graphitschicht überzogen sind und an einemMetallband aufgehängt sind. Werden die beiden Bäl-le an eine Hochspannungsquelle angeschlossen, sobringt man eine Ladung auf die beiden Körper.Bringt man die gleiche Ladung auf beide Körper (in-dem man sie mit dem gleichen Pol der Hochspan-nungsquelle verbindet), so stoßen sie sich ab; bringt

134

4 Elektrizität und Magnetismus

Entgegengesetzte Ladungen: Anziehung

+ -F21 F12

Gleiche Ladungen: Abstoßung

+ +F21 F12

Abbildung 4.5: Anziehung und Abstoßung zwischengeladenen Kugeln.

man entgegengesetzte Ladungen auf die Kugeln soziehen sie sich an.

Da Ladungen mit entgegengesetztem Vorzeichenexistieren, können elektrostatische Kräfte abge-schirmt werden. Dies ist ein wesentlicher Unter-schied zur Anziehung zwischen Massen, welche im-mer anziehend ist und damit nicht abgeschirmt wer-den kann.

Abbildung 4.6: Watteflocken werden auf einer Me-tallplatte aufgeladen.

Das funktioniert nicht nur mit leitenden Gegenstän-den, Ladungen können auch auf nichtleitende Ge-genstände wie z.B. Watteflocken aufgebracht wer-den wenn sie auf einer aufgeladenen Platte liegen,wie in Abb. 4.6 gezeigt. Sie werden dann von dieserabgestoßen und fliegen weg. Dies dauert allerdingsdeutlich länger als bei elektrisch leitenden Gegen-ständen.

4.1.4 Abstandsabhängigkeit

Abbildung 4.7: Coulomb-Drehwaage.

Abb. 4.7 zeigt ein Experiment, mit dem diese Wech-selwirkung etwas quantitativer untersucht werdenkann. Dazu wird auf eine kleine Metallkugel Ladunggebracht, indem sie über eine Hochspannungsquelleauf 10 kV aufgeladen wird. Eine zweite Metallku-gel wird mit der gleichen Spannungsquelle aufgela-den. Die Wechselwirkung zwischen den beiden wirdgemessen, indem die Kraft auf die kleine Kugel alsTorsionskraft auf einen Draht übertragen wird, andem ein Spiegel befestigt ist (siehe Abb. 4.7). DieOrientierung des Spiegels wird gemessen, indem einLaserstrahl daran reflektiert und an die Wand pro-jiziert wird. Wir führen Messungen zu unterschied-lichen Ladungen (d.h. Spannungen) und Abständendurch.

Abbildung 4.8: Ladungen, Kräfte.

Eine Auswertung solcher und ähnlicher Messungenergibt, dass zwischen zwei Ladungen Q1 und Q2 ineinem Abstand r12 (siehe Abb. 4.8) die Kräfte

~F12 = �~F21 =1

4pe0

Q1Q2

r312

~r12

wirken. Hier stellt

e0 = 8,8542 ·10�12 C2

Nm2 = 8,8542 ·10�12 AsVm

135

4 Elektrizität und Magnetismus

die Dielektrizitätskonstante des Vakuums2 dar. Die-ses Kraftgesetz wird als Coulomb-Gesetz bezeich-net. Es hat offenbar die gleiche Struktur wie das Gra-vitationsgesetz. In beiden Fällen ist

• die Kraft proportional zum Produkt der beidenMassen / Ladungen,

• wirkt entlang der Verbindungsachse und

• nimmt mit dem Quadrat des Abstandes ab.

Die elektrostatische (Coulomb-) Wechselwirkung istverantwortlich für den Zusammenhalt von Elektro-nen und Atomkernen in Atomen und Molekülen unddamit für sämtliche chemischen und biologischenProzesse. Die Massenanziehung ist die entscheiden-de Kraft für die Struktur des Kosmos. Allerdings istdie Coulomb-Wechselwirkung sehr viel stärker: ver-gleicht man die Coulomb-Wechselwirkung mit derGravitationswechselwirkung für ein Elektron undein Proton, so ist die Coulomb-Kraft rund 1040 malstärker.

4.1.5 Elektrisches Feld

Elektrische Ladungen üben aufeinander Kräfte aus,welche dem Newton’schen Axiom “actio = reactio”gehorchen. Häufig hat man die Situation, dass einInstrument und ein freies Testteilchen geladen sind;dann ist die Kraft, welche das Testteilchen auf dieApparatur ausübt kaum von Interesse, sondern pri-mär die Kraft, welche die Apparatur auf das Testteil-chen ausübt.

Diese Kraft ist nicht von der Masse des Teilchensabhängig, es geht lediglich seine Ladung ein. Esist deshalb nützlich, vom konkreten Fall eines spe-zifischen Teilchens zu abstrahieren. Man kann dieBehandlung sogar unabhängig von der Ladung desTeilchens machen, indem man die Kraft ~F durch dieLadung q dividiert. Die resultierende Größe ist daselektrische Feld ~E. Dieses stellt die Kraft dar, die aufeine Einheits-Probeladung wirken würde (! Abb.4.9),

~E =~Fq

[E] =NC

=Vm

.

2auch: elektrische Feldkonstante, Permittivität des Vakuums

F

++

--

+ Probeladung

Apparat mit Ladungen

F

Abbildung 4.9: Kraft auf Ladung im Feld eines Plat-tenkondensators (links), resp. einergeladenen Kugel (rechts).

Diese Gleichung kann auch als Definitionsgleichungfür die Einheit Volt verstanden werden. Die elektro-statische Kraft ist dementsprechend gegeben durchdas Produkt aus Feldstärke und Ladung des Testteil-chens; die Einheit ist

[F ] = N =Jm

= CVm

.

Da die Kraft eine Richtung hat, muss auch das Feldeine Richtung enthalten (die gleiche wie die Kraft);man bezeichnet diese Art von Feldern als Vektorfel-der. Analog zum Gravitationsfeld (! Kap. 2.3.1),welches von einer Masse erzeugt wird, wird daselektrische Feld von einer Ladung erzeugt.

Feldvektoren Feldlinien

Abbildung 4.10: Feldvektoren und Feldlinien für ei-ne Punktladung.

Man kann die Feldstärke an jedem Ort durch einenPfeil darstellen, der Betrag und Richtung der Kraftangibt (! Abb. 4.10 links). Der einfachste Fall eineselektrischen Feldes ist durch das elektrische Feld ei-ner Punktladung Q im Ursprung gegeben; das Feld

136

4 Elektrizität und Magnetismus

hat dann die Form

~E(~r) =~F21

q=

14pe0

Qr3~r. (4.1)

Wie in Abb. 4.10 gezeigt, sind die Feldvektoren anallen Punkten radial nach außen gerichtet, wobei dieLänge mit dem Quadrat des Abstandes abnimmt.Das Feld zeigt die Richtung der Kraft auf eine posi-tive Elementarladung. Somit zeigt die Richtung im-mer weg von positiven Ladungen, hin zu negativenLadungen.

Befindet sich die Ladung nicht im Ursprung, sondernan einer allgemeinen Stelle~r0, so wird~r auf der rech-ten Seite von Gleichung (4.1) durch ~r �~r0 ersetzt.Die Felder unterschiedlicher Ladungen sind additiv:Das gesamte Feld einer Gruppe von Ladungen Qi anden Positionen~ri kann als Summe über die einzelnenBeiträge berechnet werden,

~E(~r) =1

4pe0Â

i

Qi

|~r �~ri|3(~r �~ri) .

Bei allen Berechnungen dieser Art darf das zusätzli-che Feld der Probeladung nicht berücksichtigt wer-den: das Feld ist definiert über die Kräfte, welche dieanderen Ladungen auf die Probeladung ausüben; dieProbeladung selber wird als infinitesimal angesehen.

Kugelladung erzeugt FeldMessgerät

misst Feld

Anzeige ~Feld

Angelegte Spannung ~ Ladung

Abbildung 4.11: Messung des Coulomb-Feldes.

Mit einem geeigneten Messgerät kann man direktdas elektrische Feld messen. Abb. 4.11 zeigt einenentsprechenden Messaufbau mit einer geladene Ku-gel, welche ein zentrales Feld erzeugt. Das Experi-ment zeigt, dass das Feld proportional zur Ladungder Kugel und indirekt proportional zum Quadrat des

Abstandes ist, also in guter Übereinstimmung mit

|~E(~r)| = 14pe0

Qr2 ,

Typische Feldstärken sind

Stromleitungen in Wohnhäusern 10�2 V/mRadiowellen 10�1 V/mSonnenlicht 103 V/mBlitz 104 V/mRöntgenröhre 106 V/mWasserstoff-Atom (in 0,5 A) 6·1011 V/mHochleistungs-Laser 1016 V/mUran-Atomkern 2·1021 V/m

4.1.6 Feldlinien

Neben den oben dargestellten Feldvektoren stelltman elektrische Felder auch gerne durch Feldliniendar; diese beginnen und enden immer in Ladungen;im ladungsfreien Raum können Feldlinien somit we-der anfangen noch enden. An jeder Stelle geben siedie Richtung der Kraft / des Feldes an. Die Dichteder Feldlinien ist proportional zur Stärke des Feldes.Im Falle einer Kugel nimmt die Dichte nach außenquadratisch mit dem Abstand ab, wie die Coulomb-Wechselwirkung quadratisch mit dem Abstand ab-nimmt.

Abbildung 4.12: Links: Feldlinien eines elektri-schen Dipols. Rechts: Feldlinienvon zwei positiven Ladungen.

Sind positive und negative Ladungen vorhanden, solaufen die Feldlinien von den positiven zu den ne-gativen Ladungen - wie sich eine positiv geladene

137

4 Elektrizität und Magnetismus

Testladung bewegen würde. Die Richtung der Kraftan jeder Stelle ist durch die Tangente an die Feldli-nie gegeben. Da die Kraft an jeder Stelle des Raumeswohl definiert ist können sich Feldlinien nicht über-schneiden; am Schnittpunkt wäre die Richtung derKraft nicht eindeutig. Sind mehrere Ladungen mitgleichem Vorzeichen vorhanden, so stoßen sich dieFeldlinien gegenseitig ab. Abb. 4.12 zeigt links dieFeldlinien eines elektrischen Dipols, rechts für einSystem aus zwei gleichen Ladungen.

+ - + +

gleiches Vorzeichenentgegengesetztes Vorzeichen

Abbildung 4.13: Elektrische Feldlinien eines Paarsvon Ladungen, gemessen mitGrießkörnern in Öl.

Wie in Abb. 4.13 gezeigt, kann man die Feldliniensichtbar machen, indem man Grießkörner in Öl inden Raum der Feldlinien bringt.

4.1.7 Elektrostatisches Potenzial

Wird eine elektrische Ladung q in einem elektri-schen Feld bewegt, muss Arbeit aufgewendet wer-den. Wie aus dem Kapitel Mechanik bekannt, ist Ar-beit definiert über das Integral

WAB =Z B

A~F(~r) ·d~s = �q

Z B

A~E(~r) ·d~s ,

wobei verwendet wurde, dass die äußere Kraft ~F ge-rade die elektrostatische Kraft q~E überwinden muss.Bei der elektrostatischen Kraft handelt es sich um ei-ne konservative Kraft, d.h. es spielt keine Rolle, aufwelchem Weg man sich von A nach B bewegt unddas Schleifenintegral über einen geschlossenen Wegverschwindet,I

~E ·d~s = 0 .

Somit existiert eine potenzielle Energie Epot , welchedie Arbeit beschreibt, die für den Transport nötig ist.

Meist verwendet man nicht die potenzielle Energie,sondern man dividiert wieder durch die Probeladungq und definiert das elektrische Potenzial U als

UAB =Epot

q=

WAB

q= �

Z B

A~E ·d~s .

Die Einheit des elektrostatischen Potenzials ergibtsich damit als Volt:

[U ] = Volt = V.

Umgekehrt erhält man das elektrische Feld aus demGradienten des Potenzials:

~E(~r) = �~—U.

+ + + +

- - - -

+100V

+75V

+50V

+25V

0V

E

Abbildung 4.14: Feldlinien und Äquipotenzialflä-chen für verschiedene Elektroden.

In einer gegebenen Anordnung kann jedem Punktim Raum ein Potenzial zugeordnet werden, welchesdem Integral des elektrischen Feldes vom Referenz-wert 0 V bis zu diesem Punkt entspricht. So besitzendie Pole einer Batterie ein wohl definiertes Potenzi-al. In einem homogenen elektrischen Feld nimmt dasPotenzial entlang der Feldlinien linear zu. Abb. 4.14zeigt dies für unterschiedliche Randbedingungen.

Das elektrostatische Potenzial lässt sich für eine

138

4 Elektrizität und Magnetismus

Punktladung Q1 relativ leicht rechnen:

Uab = � 14pe0

Z b

a

Q1

r3 ~r ·d~s

= � Q1

4pe0

Z b

a

drr2 =

Q1

4pe0

✓1rb

� 1ra

◆.

In vielen Fällen ist es nützlich, eine feste Referenzzu haben. Man wählt üblicherweise das System alsReferenz, bei dem die Testladung unendlich weitentfernt ist, so dass die elektrostatische Wechselwir-kung verschwindet. Bringt man die Referenzladungaus dem Unendlichen zur Position r, d.h. ~ra ! •,~rb ! r, so wird

U•r =Q1

4pe0

1r

.

Abbildung 4.15 zeigt die entsprechende Abhängig-keit.

Pot

enzi

al U

Distanz r

U�r = Q14��0

1r

Abbildung 4.15: Potenzial einer Punktladung alsFunktion des Abstandes r.

Dies ist die Energie (dividiert durch die Ladung),welche benötigt wird, um die Probeladung ausgroßer Entfernung bis zum Abstand r zu bringen.Diese Größe wird einfach als das skalare Potenzialf = U•r bezeichnet.

Ist das Potenzial für eine Ladungsverteilung be-kannt, so kann umgekehrt daraus das elektrischeFeld berechnet werden. Es gilt allgemein, dass dieKraft als Gradient der potenziellen Energie berech-net werden kann,

~F = �~—Epot .

Dividiert man auf beiden Seiten durch die Testla-dung, so erhält man

~E = �~—f , (4.2)

d.h. das elektrische Feld ist der negative Gradientdes elektrischen Potenzials. Dies ist auch eine sehrbequeme Möglichkeit, das Feld einer Ladungsver-teilung zu berechnen: da das Potenzial ein skalaresFeld ist, kann es leichter berechnet werden als dasvektorielle elektrische Feld. Man erhält das Potenzi-al einer beliebigen Zahl von Ladungen Qi and denPositionen~ri als die Summe

f(~r) =1

4pe0Â

i

Qi

|~r �~ri|.

4.1.8 Äquipotenzialflächen

E(r)

Äquipotenzialflächen

Feldlinien

U(r)=U1 U2 U3 U4

Abbildung 4.16: Feldlinien und Äquipotenzialflä-chen stehen senkrecht aufeinander.

Das Potenzial kann man ebenfalls grafisch darstel-len. Dafür verwendet man meist Äquipotenzialflä-chen, d.h. Flächen gleichen Potenzials. Man kanndiese als eine Art “Höhenlinien” des Potenzials be-trachten (! Abb. 4.16).

Da auf einer Äquipotenzialfläche das Potenzial kon-stant ist, und die Feldlinien durch den Gradienten desPotenzials gegeben sind, stehen die Feldlinien auf je-der Äquipotenzialfläche senkrecht.

Dies ist bei einer Punktladung leicht einzusehen:die Äquipotenzialflächen sind kugelförmige Flächenund stehen damit offensichtlich senkrecht zu denFeldlinien, welche radial nach außen laufen, wie inAbb. 4.17 links gezeigt. Sind mehrere Ladungen vor-handen, so addieren sich wiederum die Potenzialeder einzelnen Ladungen. Für ein Paar von entge-gengesetzten Punktladungen findet man in der Mitteeine Ebene, welche dem Potenzial Null entspricht,

139

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.17: Feldlinien und Äquipotenzialflä-chen für einen Monopol und einenDipol.

während sich die Äquipotenzialflächen in der Näheder Ladungen Kugeln annähern.

Abbildung 4.18: Feldlinien verlaufen an Metall-oberflächen senkrecht; an Spitzen(rechts) ist die Feldliniendichte be-sonders hoch.

Äquipotenzialflächen findet man u. a. als Oberflä-chen metallischer Körper. Wie in Abb. 4.18 gezeigt,stehen somit die Feldlinien senkrecht auf der Ober-fläche. Sie sind proportional zur Flächenladungs-dichte (siehe später). An der Spitze von metallischenGegenständen liegen die Äquipotenzialflächen be-sonders nahe beisammen; hier ist somit die Feld-stärke besonders groß. Generell wächst das elektri-sche Feld mit der zweiten Potenz des inversen Krüm-mungsradius r

E µ 1r2 .

Je kleiner der Krümmungsradius desto höher dieFeldstärke.

Abbildung 4.19: Der Durchschlag erfolgt bei derkleineren Kugel, da diese die höhe-re Spannung an der Oberfläche auf-weist.

Abb. 4.19 zeigt ein entsprechendes Experiment: Bei-de Kugeln werden auf das gleiche Potenzial geladenund haben den gleichen Abstand von der Metallplat-te. Die kleinere Kugel ist stärker gekrümmt; deshalbist hier die Feldstärke höher und der Durchschlagzur Platte erfolgt immer von der kleinen Kugel aus.Man kann diesen Effekt u.a. dazu ausnutzen, Elek-tronen aus einem Metall herauszulösen; der Effektwird dann als Feldemission bezeichnet.

4.1.9 Verschiebungsdichte

A

d A E ( �r )

Abbildung 4.20: Fluss des Feldes ~E durch eine Flä-che A und das Flächenelement d~A.

Der Fluss des elektrischen Feldes durch ein Flächen-element dA ist, wie in Abb. 4.20 gezeigt,

dF = ~E(~r) ·d~A.

Hier stellt d~A einen Vektor senkrecht zur Oberflächedar. Sein Betrag ist gleich der Größe des Flächenele-ments dA.

140

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.21: Fluss der Feldlinien durch eine Ku-gelfläche.

Dies wird nun auf eine geschlossene Kugelflächemit Radius r angewendet, in deren Zentrum sich ei-ne Punktladung Q befindet, wie in Abb. 4.21 ge-zeigt. Aus Symmetriegründen muss die Feldstärkekonstant und die Richtung senkrecht zur Oberflächesein. Die Integration ergibt somit das Produkt ausFeldstärke E(r) und Oberfläche A = 4pr2,

F = ~|E|(r)4pr2.

Nach Gleichung 4.1 ist die Stärke des Feldes auf derKugeloberfläche

|E|(r) =Q

4pe0r2

und die Oberfläche ist. Das Flächenintegral ist dem-nachZZ

A~E ·d~A =

Qe0

.

Das Flächenintegral des elektrischen Feldes wirdoft als elektrischer Fluss bezeichnet. Es ist offen-bar gleich der eingeschlossenen Ladung Q dividiertdurch die elektrische Feldkonstante e0, und unab-hängig vom Abstand von der Ladung.

Wir verwenden diese Beziehung, um eine neue Grö-ße einzuführen, die elektrische Verschiebungsdich-te ~D, welche definiert ist als das Verhältnis aus Felderzeugender Ladung und Oberfläche,

~D =QA~n , [D] =

Cm2 , (4.3)

wobei der Einheitsvektor ~n senkrecht auf der Ober-fläche steht und nach außen zeigt.

4.1.10 Feldgleichung

Wertet man die Definition (4.3) der Verschiebungs-dichte an der Oberfläche einer Kugel aus, in derenZentrum die Ladung Q sitzt, erhält man

~D =Q

4pr2~n = e0~E .

Die Beziehung ~D = e0~E zwischen elektrischem Feldund elektrischer Verschiebungsdichte, welche hierfür eine Kugel hergeleitet wurde, gilt allgemein imVakuum.

Das Integral der Verschiebungsdichte über die Ku-geloberfläche ergibt somitZZ

Kugel~D ·d~A = Q ,

d.h. das Integral der elektrischen Verschiebungsdich-te über die Kugeloberfläche ist gleich der einge-schlossenen Ladung. Diese Beziehung gilt nicht nurwie in diesem Fall für eine Punktladung in einerKugel, sondern für beliebige Ladungsverteilungenrel(~r) in beliebigen Oberflächen:ZZ

A~D ·d~A = Q =

ZZZreldV .

Dies ist die Integralform der Feldgleichung.

Die linke Seite dieser Gleichung kann mit Hilfe desSatzes von Gauß in ein Volumenintegral umgewan-delt werden:ZZ

A~D ·d~A =

ZZZV~—~D ·dV =

ZZZV

reldV .

Da diese Gleichung für jedes Volumen gilt, müssendie Integranden identisch sein,

~—~D(~r) = rel(~r) .

Diese Gleichung wird als die Differenzialform derFeldgleichung bezeichnet. Sie kann als Definitionder elektrischen Verschiebung betrachtet werden.Man drückt diese Beziehung auch dadurch aus, dassman sagt, dass die elektrischen Ladungen die Quel-len des elektrischen Feldes darstellen.

Eine direkte Konsequenz ist, dass der gesamte elek-trische Fluss durch eine geschlossene Oberflächeverschwindet, sofern sie keine Ladung einschließt.Abb. 4.22 zeigt die beiden Fälle für eine Ladung au-ßerhalb (links) und innerhalb (rechts) der Oberflä-che.

141

4 Elektrizität und Magnetismus

q

geschlosseneOberflächegeschlossene

Oberfläche

q außerhalb q innerhalb

Fluss verschwindet Fluss = q/ε0

EE

Abbildung 4.22: Der Fluss durch die Oberfläche ver-schwindet, wenn die Quelle außer-halb des Volumen liegt; sonst istder Fluss gleich der eingeschlosse-nen Ladung.

4.1.11 Feld eines geladenen Drahtes

Die Feldgleichung sagt, dass die Ladungen die Quel-len des elektrischen Feldes darstellen. Dies ermög-licht es in vielen Fällen, die Felder zu berechnen, dievon einer Ladungsverteilung erzeugt werden. DasBeispiel der Punktladung wurde für die Herleitungverwendet.

++

++

++

E

Abbildung 4.23: Lineare Ladungsverteilung undFeldlinien.

Abb. 4.23 zeigt als zweites Beispiel das Feld, dasvon einer linienförmigen Ladung erzeugt wird. DieLadung sei gleichmässig auf einem unendlich langendünnen Draht verteilt, mit der linearen Ladungsdich-te l = DQ/Dx. Die elektrischen Felder (~D,~E) müs-sen aus Symmetriegründen radial vom Draht weggerichtet sein und ihre Amplituden können nur ei-ne Funktion des Abstandes sein. Der Fluss durch dieOberfläche A eines Zylinders mit Radius r und Län-

ge ` ist dannZZA~D ·d~n = 2pr`|D(r)| =

ZZZV

reldV = l` ,

d.h. gleich der eingeschlossenen Ladung. Somit istdie elektrische Verschiebungsdichte D(r) als Funkti-on des Abstands r

D =l

2pr.

Die lineare Ladungsdichte wird somit durch denUmfang eines Kreises dividiert, oder die gesamte imZylinder enthaltene Ladung (= l`) durch die Ober-fläche des Zylinders (= 2pr`) .

Abbildung 4.24: Koronaentladung eines Drahtes.

Diese Feldlinien werden sichtbar, wenn die Span-nung hoch genug ist und das umgebende Mediumionisierbar. In Luft z.B. werden durch die hohenSpannungen Moleküle ionisiert. Bei der Rekombi-nation leuchtet das Medium, es kommt zu einer sog.Korona-Entladung. Abbildung 4.24 zeigt als Bei-spiel die Koronaentladung eines Drahtes. Die Spurenfolgen grob den Feldlinien.

4.1.12 Homogene Kugelladung

Als nächstes berechnen wir den Feldverlauf für ei-ne homogene, kugelförmige Ladungsverteilung mitRadius R. Außerhalb der Kugel ist der Feldverlaufunabhängig von der Verteilung der Ladung, da ja nurdie Summe der eingeschlossenen Ladung eine Rollespielt,

D(r > R) =Q

4pr2 .

142

4 Elektrizität und Magnetismus

Für den Feldverlauf im Innern trägt jeweils nur derAnteil der Ladung bei, der sich im Inneren einer ent-sprechenden Kugelschale befindet. Dieser beträgt

Qinnen = Qr3

R3 .

Das Feld beträgt dementsprechend

D(r < R) =Q4p

rR3 .

Innerhalb der Kugel nimmt die Feldstärke somit li-near zu, während sie außerhalb quadratisch mit derEntfernung abfällt.

Da das Coulomb’sche Gesetz die gleiche mathema-tische Form aufweist wie das Newton’sche Gravita-tionsgesetz findet man die gleiche Abhängigkeit fürdie Schwerebeschleunigung im Inneren eines Plane-ten: lineare Zunahme unterhalb der Oberfläche, qua-dratische Abnahme oberhalb.

ZylA!

∆||E!

A!

)(aE⊥

!

+++ + ++

++

+++

+ + ++

++

++

++ + +

+

|| AQ!

∆=∆ σ

)(iE⊥

!A!

∆−

V∆

Abbildung 4.25: Ladungsverteilung auf einer Flä-che.

Völlig analog kann das Feld für eine ebene Ladungs-verteilung der Dichte s = Q/A berechnet werden.Wie in Abb. 4.25 gezeigt betrachtet man einen fla-chen Zylinder, welcher die Ebene umschließt. Des-sen Oberfläche beträgt zweimal die Fläche der Ebe-ne, so dass die Feldstärke D = s/2 beträgt.

4.1.13 Elektrische Dipole

Ein elektrischer Dipol besteht aus zwei entgegen-gesetzten Ladungen in einem festen Abstand a (!

+Q

-Qp

r1

r2r

E(r)

p-Q

+QE(r)

Abbildung 4.26: Feld eines elektrischen Dipols.

Abb. 4.26). Das System ist somit nach außen elek-trisch neutral. Die beiden Ladungen erzeugen jedochein Feld, das man durch Superposition von zweiZentralfeldern leicht bestimmen kann.

Das Potenzial und das Feld des elektrischen Dipolserhält man als Summe über die Beiträge der einzel-nen Ladungen. Mit Ladung �Q bei ~r1 und +Q bei~r2 ergibt das Potenzial

f(~r) =1

4pe0

✓�Q

|~r �~r1|+

Q|~r �~r2|

◆.

Ist der Abstand zu den Ladungen groß im Vergleichzu ihrem Abstand, so kann man das Potenzial nähe-rungsweise ausdrücken als

f(~r) =1

4pe0

~p ·~rr3 .

Hier stellt

~p = Q~a [p] = Cm

das Dipolmoment dar, welches durch das Produktaus Ladung und Abstand gegeben ist. Die Richtungdes Dipols geht von der negativen zur positiven La-dung. In der älteren Literatur wird häufig auch dieEinheit Debye3 verwendet. Dieses ist gut auf atoma-re / molekulare Größen angepasst: 1 Debye = 0.2 eÅ⇡ 3,3 · 10−30 Cm. Diese Einheit wird v.a. auch fürDipolmomente in Molekülen verwendet.

Das elektrische Feld erhält man aus der Ableitungdes Potenzials als

~E(~r) = �~—f(~r) =1

4pe0

3(~p ·~r)~r � (~r ·~r)~pr5 ,

3nach Peter Joseph William Debye, 1884-1966

143

4 Elektrizität und Magnetismus

wiederum in der Näherung eines großen Abstandesvom Dipol. Hier wurde der Dipol in den Koordina-tenursprung gelegt (~r1 ⇡~r2 ⇡ 0). In diesem Bereich(r � p) fällt somit das Dipolfeld mit der dritten Po-tenz des Abstandes ab, im Gegensatz zum Monopol,wo das Feld mit der zweiten Potenz abfällt. Wäh-rend das Feld des Monopols radialsymmetrisch ist,ist dasjenige des Dipols axial symmetrisch.

Diese Entwicklung in so genannten Multipolen kannweitergeführt werden. Die entsprechenden Feldver-teilungen können durch diskrete Ladungsverteilun-gen dargestellt werden, wobei die Multipole mathe-matische Näherungen für große Abstände von derLadungsverteilung darstellen. Es ist möglich, jedeLadungsverteilung als Multipol-Entwicklung darzu-stellen, wobei die höheren Multipole mit zunehmen-dem Abstand an Bedeutung verlieren. Bei einer dis-kreten Ladungsverteilung ist das Dipolmoment

~p = Âi

qi~ri.

Für eine kontinuierliche Ladungsverteilung ist es

~p =ZZZ

re(~r)~r dV.

Abbildung 4.27: Molekulare Dipole.

Dipolmomente treten z.B. in fast allen Molekülenmit unterschiedlichen Kernen auf. Abb. 4.27 zeigteinige Beispiele. Tabelle 4.1 stellt numerische Wertefür einige Beispiele in unterschiedlichen Einheitenzusammen. Das Dipolmoment verschwindet in sym-metrischen Molekülen wie H2, N2, CO2, C6H6.

p p pMolekül 10�30Cm eÅ Debye

HF 6,37 0,398 1,99HCl 3,6 0,225 1,13HBr 2,67 0,167 0,83H2O 6,17 0,385 1,93

Tabelle 4.1: Dipolmomente unterschiedlicher Mole-küle in unterschiedlichen Einheiten.

4.2 Materie im elektrischen Feld

4.2.1 Leiter und Isolatoren

Na+

Na+

Na+

Na+

Na+

Na+

Metall (Na) Ladungen sind frei beweglich

Isolator (NaCl) Ladungen sind nur lokal beweglich

Na+

Na+

Na+ Cl-Cl-

Cl-

Cl-

Cl-

--

--

-

Abbildung 4.28: Geladene Bestandteile elektrischneutraler Materie.

Auch elektrisch neutrale Materie besteht auf mikro-skopischer Ebene aus geladenen Teilchen (Atomker-ne, Elektronen), welche auf unterschiedliche Weiseaneinander gebunden sind. Abb. 4.28 zeigt dies für 2Beispiele. Im Fall von Natrium sind positiv geladeneAtomrümpfe von frei beweglichen Elektronen um-geben. Im Fall von Kochsalz sind die Bestandteilepositiv geladene Natrium-Ionen und negativ gelade-ne Chlorid-Ionen, welche sich nicht weit von ihrenGitterplätzen entfernen können.

Auf diese geladenen Bestandteile wirken in einemelektrischen Feld Kräfte, welche sie je nach ihrer Be-weglichkeit verschieben. Sind die Teilchen über ma-kroskopische Distanzen beweglich, so spricht manvon einem elektrischen Leiter; sind sie nur übermikroskopische Distanzen (< 1nm) beweglich, so

144

4 Elektrizität und Magnetismus

spricht man von einem Isolator. Wie leicht sie be-weglich sind wird durch den elektrischen Wider-stand quantifiziert, der im Kapitel “stationäre Strö-me” diskutiert wird. Im Rahmen der Elektrostatikunterscheidet man lediglich zwischen Leitern undNichtleitern. Letztere werden auch als Isolatorenoder Dielektrika bezeichnet.

4.2.2 Felder und elektrische Leiter

Wir betrachten zunächst elektrische Leiter. Für dieDiskussion statischer elektrischer Felder kann derWiderstand eines elektrischen Leiters zu Null ange-nommen werden. Die direkteste Konsequenz davonist, dass im Inneren eines elektrischen Leiters alleelektrischen Felder verschwinden.

Im Innern von elektrischen Leitern existieren kei-ne statischen elektrischen Felder.

Dies sieht man aus folgender Überlegung: Existiertin einem Leiter ein Feld, so werden die frei bewegli-chen Ladungsträger (=Elektronen) verschoben. Da-durch werden positive und negative Ladungen er-zeugt, welche ihrerseits ein Feld generieren. Dieseswird dem äußeren Feld überlagert und die Bewegungder Ladungsträger endet, wenn die Summe der bei-den Felder verschwindet. Mit Gleichung (4.2)

~E = �~—F = 0

folgt auch, dass das Potenzial im gesamten Körperkonstant ist. Insbesondere bildet auch die Oberflächeeine Äquipotenzialfläche.

Das gleiche gilt an der Oberfläche für Feldkompo-nenten unmittelbar außerhalb des Leiters parallel zurOberfläche: würden solche existieren, so würden dieLadungsträger sich entlang der Oberfläche verschie-ben bis die Felder ausgeglichen wären. Deshalb tref-fen die Feldlinien senkrecht auf die Oberfläche desLeiters, wie in Abb. 4.29 gezeigt.

4.2.3 Oberflächenladungen undSpiegelladungen

Da elektrische Feldlinien nur an elektrischen Ladun-gen enden können, müssen sich auf der Oberfläche

Abbildung 4.29: Feldverlauf und Oberflächenladun-gen bei einem metallischen Körper.

von elektrischen Leitern in einem äußeren elektri-schen Feld Oberflächenladungen bilden. Diese kön-nen quantitativ aus dem Gauß’schen Satz berechnetwerden, da sie die Quelle (Senke) der elektrischenFeldlinien darstellen. Die Flächenladungsdichte ent-spricht der elektrischen Verschiebungsdichte,

D = s =DQDA

= e0E .

Äquipotenzial-fläche

Vakuum

Feldlinie

Abbildung 4.30: Äquipotenzialflächen bei metalli-schen Körpern.

Der Beweis, dass die Feldlinien senkrecht auf derLeiteroberfläche stehen, kann auch anders geführtwerden: Wie in Abb. 4.30 gezeigt und in Abschnitt4.2.2 diskutiert, bildet die Oberfläche eines metal-lischen Körpers eine Äquipotenzialfläche. Da Feld-

145

4 Elektrizität und Magnetismus

linien senkrecht auf Äquipotenzialflächen stehen,müssen sie senkrecht auf der Oberfläche stehen.

Leiter

Spiegelladung

Abbildung 4.31: Links: Ladung oberhalb einer Me-talloberfläche. Rechts: Ladungs-paar ergibt identische Feldlinien.

Bringt man eine Ladung vor einen elektrischen Lei-ter, wie in Abb. 4.31 links, so verlaufen die Feldli-nien genau so wie wenn sich hinter der Metallober-fläche eine entgegengesetzte Ladung befinden würde(Abb. 4.31 rechts). Man nennt diese eine Spiegella-dung. In Wirklichkeit wird sie durch eine Oberflä-chenladungsdichte “simuliert”, welche die gleichenFeldlinien erzeugt. Da die Spiegelladung entgegen-gesetzt zur Kugelladung ist, wirkt zwischen diesenbeiden auch eine entsprechende Anziehungskraft.

Kugel und Spiegelladung Kugel und Kugel

Abbildung 4.32: Links: Geladene Kugel neben einerMetalloberfläche. Rechts: 2 Entge-gengesetzt geladene Kugeln.

Abb. 4.32 zeigt ein Experiment, bei dem man dieKraft auf eine geladene Kugel vergleicht für die bei-den Fälle, dass (i) sie einer entgegengesetzt gelade-nen Kugel ausgesetzt ist, oder (ii) eine geerdete Plat-

te in halber Distanz steht. Innerhalb der Fehlergren-zen misst man die gleiche Auslenkung.

4.2.4 Feldfreie Räume

Genau so wie das Feld im Inneren eines Leiters ver-schwindet, verschwindet es auch in einem Hohlraumim Inneren eines Leiters, sofern dieser keine Ladun-gen enthält.

Abbildung 4.33: Messung des Feldes in einemFaraday-Käfig.

Diese Voraussage kann in einem Experiment über-prüft werden, welches in Abb. 4.33 dargestellt ist:Der Hohlraum wird hier durch einen Drahtkäfig an-genähert. Eine Sonde misst das Potenzial im Innerendes Käfigs: Solange man den Rändern nicht zu na-he kommt, bleibt es konstant. Hohlräume dieser Artwerden als Faraday-Käfige bezeichnet.

Abbildung 4.34: Auto als Faraday-Käfig.

Faraday-Käfige ermöglichen es, äußere Felder vonempfindlichen Apparaten fernzuhalten. Der gleicheEffekt schützt Insassen von Automobilen oder Seil-bahnen vor dem Effekt eines Blitzes, wie in Abb.4.34 gezeigt.

146

4 Elektrizität und Magnetismus

Ladung auf der Außenseite

Keine Ladung auf der Innenseite

metallische Hohlkugel

Elektrometer

Elektrometer

Abbildung 4.35: Transport von elektrischen Ladun-gen von und zu einem Leiter.

Wird eine Ladung auf einen elektrischen Leiter ge-bracht so wandert sie nach außen; das Feld im Innernbleibt Null (!Abb. 4.35).

4.2.5 Influenzladung

Befindet sich ein elektrisch leitender Körper im elek-trischen Feld, so werden Ladungen auf die Ober-fläche so verschoben, dass das Feld im Inneren desKörpers verschwindet. Man erhält eine Oberflächen-ladungsdichte

s =DQDA

[s ] =C

m2 .

Die so erzeugten Oberflächenladungen werden auchals Influenzladungen bezeichnet.

+ -

+ -

+ -

+ -

- +

- +

- +

- +

- -

- -

- -

- -

-- -

- - - - -

+

+

+

+

+

+

+

+

- -

- -

- -

- -

+

+

+

+

+

+

+

+

+ +

+ +

+ +

+ +

-

-

-

-

- + + - + + - + + - + +

+ + + + + + + +

Kunststoffstab Kunststoffstab Glasstab

Abbildung 4.36: Erzeugung und Nachweis von In-fluenzladungen.

Man kann diese Influenzladungen z.B. nachweisen,indem man sie mit einem Elektrometer misst. Abb.4.36 zeigt ein solches Elektrometer, welches mit deräußeren Seite des Bechers verbunden. Bringt man

einen geladenen Kunststoffstab in das Innere desBechers, so wird eine Oberflächenladung erzeugt,wobei die Innenseite des Bechers entgegengesetztzur Ladung des Stabes geladen wird, die Außenseitegleich wie der Stab. Wird die Außenseite geerdet, sowird die dort erzeugt Ladung entfernt und das Elek-trometer zeigt keine Ladung mehr an. Entfernt manzuerst das Erdungskabel und anschließend den Stab,so stellt man fest, dass die Dose jetzt geladen ist. Dasletzte Bild zeigt, wie man mit einem entgegengesetztgeladenen Stab zusätzliche Influenzladung auf denBecher bringen kann.

Abbildung 4.37: Elektrostatischer Mikromotor.

Auf der Basis von Influenzladung kann man elektri-sche Maschinen herstellen. Solche elektrostatischenMotoren haben zwar bisher kaum eine Bedeutung.Sie werden jedoch in Mikromaschinen (! Abb.4.37) verwendet, da sie einfacher zu konstruierensind als konventionelle elektromagnetische Maschi-nen.

4.2.6 Bandgenerator

Ähnliche Ladungsübertragung verwendet man teil-weise für die Erzeugung hoher Spannungen, z.B.beim Van-de-Graaff4-Generator, Wie in Abb. 4.38gezeigt, wird dafür ein umlaufendes elektrisch iso-lierendes Band verwendet, beispielsweise ein Gum-miband, welches als Förderband wirkt, Es wirddurch Reibung oder durch Aufsprühen der Ladung(siehe Koronaentladung) aus einer externen Span-nungsquelle elektrisch aufgeladen. Die Ladung wirddurch die Bewegung des Bandes in das Innere einer

4Robert Jemison Van de Graaff (1901 - 1967)

147

4 Elektrizität und Magnetismus

Motor

Gummiband

isolierte Kugel

Abbildung 4.38: Van-de-Graaff Generator; links:Prinzip; rechts: Foto.

metallischen Hohlkugel transportiert und dort durcheine mit der Kugel leitend verbundene Bürste vomBand “abgestreift”. Sie wandert dann auf die Au-ßenseite der Kugel; da das Innere der Kugel feld-frei bleibt, können immer noch zusätzliche Ladun-gen eingebracht werden und die Kugel kann dadurchauf immer höhere Spannung gegenüber der Umge-bung aufgeladen werden. Die Spannung wird nur be-grenzt durch Funkendurchschläge bei zu hoch ge-wordener Feldstärke. Mit einem einfachen Demon-strationsgerät können damit Spannungen bis zu 240kV erzeugt werden. Mit weiter entwickelten Gerätenerhält man Spannungen bis zu einigen MV. SolcheGeräte werden z.B. für die Beschleunigung von Ele-mentarteilchen verwendet.

4.2.7 Bewegung geladener Teilchen imelektrischen Feld

Ein elektrisch geladenes Teilchen mit Ladung q er-fährt im elektrischen Feld eine Kraft ~F = q~E undwird dadurch beschleunigt:

~a = ~Eqm

.

Damit wird (elektrostatische) potenzielle Energiein kinetische Energie umgewandelt. Durchläuft dasTeilchen eine Spannung V = f2 � f1, so ändert sichseine kinetische Energie um

DEkin =m2

v2 = �DEpot = �q(f2 �f1) .

Die resultierende Energie ist deshalb gegeben durchdas Produkt aus Ladung und Spannungsdifferenz.Man verwendet deshalb für die kinetische Energievon geladenen Teilchen gerne die Einheit

Elektronenvolt = eV = 1,6022 ·10�19C ·1V= 1,6022 ·10�19J ,

oder die üblichen Vielfachen meV, keV, MeV, GeVu.s.w. Ein Elektronenvolt ist die Energie, welche einTeilchen mit einer Elementarladung beim Durchlau-fen der Spannung 1 V erhält.

Um eine Idee von den relevanten Größenordnungenzu erhalten, berechnen wir die Geschwindigkeit ei-nes Elektrons nach Beschleunigung in einem Feldvon 1000 V, also bei einer Energie von 1 keV:

v =

r2Em

=

s2 ·1,6 ·10�16

9,1 ·10�31J

kg

= 1,88 ·107 ms

= 0,06c ,

d.h. etwa 6% der Lichtgeschwindigkeit. Dement-sprechend treten bei Geschwindigkeiten in dieserGrößenordnung bereits relativistische Effekte auf.

Fliegt ein geladenes Teilchen senkrecht zum Feld ineine Region mit elektrischem Feld, so gilt das Un-abhängigkeitsprinzip: es behält seine bisherige Ge-schwindigkeitskomponente bei und wird in Feldrich-tung beschleunigt, d.h. es wird abgelenkt.

Kathode

Heizung

Anode

Ablenkplatten

Strahl

Abbildung 4.39: Funktionsprinzip eines Oszillo-skops.

148

4 Elektrizität und Magnetismus

Dies wird u.a. in Oszillographen verwendet, wo eineAblenkspannung die Bewegung von Elektronen be-einflussen, welche auf den Schirm geschossen wer-den. Abb. 4.39 zeigt das zu Gunde liegende Funkti-onsprinzip.

Erzeugung von Tröpfchen

Signal

Ladung

Papier

Abbildung 4.40: Funktionsprinzip eines Tinten-strahldruckers.

Tintenstrahldrucker verwenden ein ähnliches Prin-zip. Wie in Abb. 4.40 dargestellt, werden zunächstdie Farbtröpfchen erzeugt. Diese erhalten in einerzweiten Stufe eine Ladung, welche von außen kon-trolliert werden kann. Je nach Stärke der Ladungwerden sie im folgenden Feld stärker oder wenigerstark abgelenkt.

Abbildung 4.41: Kerzenflamme in einem elektri-schen Feld.

Eine Kerze, die in einem elektrischen Feld brennt,erzeugt geladene Teilchen, welche in einem elektri-schen Feld abgelenkt werden, wie in Abb. 4.41 ge-zeigt.

4.2.8 Dipole in einem äußeren Feld

In einem homogenen elektrischen Feld erfährt einDipol keine Translationsbeschleunigung, da die bei-den Kräfte auf die beiden Ladungen entgegengesetztsind, wie in Abb. 4.42 gezeigt.

E

+Q

θ

F

-F-Q

a/2

a/2

Abbildung 4.42: Paar von Punktladungen in einemhomogenen elektrischen Feld.

Ist der Dipol nicht parallel zur Feldrichtung, sind diebeiden Kräfte seitlich gegeneinander versetzt. Siebilden ein Kräftepaar, welches ein Drehmoment er-zeugt,

~M =~a⇥~F =~a⇥ (Q~E) = Q~a⇥~E = ~p⇥~E .

Das Drehmoment ~M ist somit proportional zu Feld-stärke ~E und Dipolmoment ~p. Es ist maximal wennder Dipol senkrecht zum Feld orientiert ist und ver-schwindet bei paralleler Orientierung, also wennder Winkel q zwischen Dipol und Feldrichtung einganzzahliges Vielfaches von p ist. Sein Betrag hängtsinusförmig vom Winkel q ab:

|M| = |p||E|sinq .

Der Dipol enthält somit potenzielle Energie alsFunktion des Winkels zur Feldrichtung:

Epot =Z

M(q)dq = �|p| · |E|cosq = �~p ·~E .

Abbildung 4.43: Drehung eines Dipols in einem ho-mogenen elektrischen Feld.

Dieser Effekt kann experimentell verifiziert werden,indem man zwei Kugeln, die an einem Glasstab be-festigt sind, mit entgegengesetzten Ladungen auf-lädt. Wie in Abb. 4.43 gezeigt, wird das elektrische

149

4 Elektrizität und Magnetismus

Feld erzeugt, indem zwei parallele metallische Plat-ten auf beiden Seiten des Dipols aufgestellt und miteiner Hochspannungsquelle verbunden werden. Diepositiv geladene Kugel wird von der negativ gela-denen Platte angezogen, die negativ geladene Ku-gel von der positiv geladenen Platte. Wechselt mandie Polarität der Spannung an den beiden Platten, sodreht sich der Dipol um 180 Grad.

4.2.9 Dipol im inhomogenen Feld

a

E

E 0 E 0 � � EF 1 = � Q E 0

F 2 = Q( E 0 � � E )

Abbildung 4.44: Kräfte auf einen elektrischen Dipolin einem inhomogenen Feld.

In einem inhomogenen Feld wirkt zusätzlich aucheine Translationskraft auf einen elektrischen Dipol.Diese kommt dadurch zustande, dass die Kräfte aufdie beiden Ladungen ungleich groß sind. Abb. 4.44zeigt einen einfachen Fall, wo der Dipol parallel zumFeld orientiert ist, wo also das Drehmoment ver-schwindet. Dann beträgt die gesamte Kraft

FS = F1 +F2 = �QE0 +Q(E0 �DE) = �QDE ,

d.h. sie ist gegeben durch das Produkt von Ladungund Änderung der Feldstärke. Wir können dies auchschreiben als

FS = �QaDEa

= pdEdr

.

Die Kraft ist somit proportional zur Stärke des Di-pols und zum Gradienten des elektrischen Feldes.

Man erhält das gleiche Ergebnis, wenn man die Kraftaus dem Gradienten der potenziellen Energie be-rechnet:

~F = �~—Epot = ~—(~p ·~E) = |~p|~—|~E| ,

wobei wir angenommen haben, dass der Dipol inFeldrichtung orientiert bleibt. Die Kraft ist somitproportional zur Änderung der Feldstärke.

Abbildung 4.45: Ablenkung eines Wasserstrahlsdurch das Feld eines geladenenKunststoffstabes..

Dieser Effekt, dass der Dipol in die Richtung desstärkeren Feldes gezogen wird, lässt sich anhand ei-nes einfachen Experiments nachvollziehen (! Abb.4.45). Die Dipole sind in diesem Fall die Wasser-moleküle und das inhomogene elektrische Feld wirddurch einen elektrostatisch aufgeladenen Kunst-stoffstab erzeugt.

4.3 Kondensatoren

4.3.1 Der Plattenkondensator

Kondensatoren sind einfache Speicher für elektri-sche Ladungen. Offenbar sind alle Anordnungenelektrischer Leiter Ladungsspeicher, da sich auf derOberfläche Ladungen ansammeln können. Es wer-den im allgemeinen gleiche große negative wie posi-tive Ladungen gespeichert, an unterschiedlichen Or-ten. Zwischen den beiden Ladungsschwerpunktenentsteht dadurch eine Spannung oder Potenzialdif-ferenz.

Ein besonders einfaches Beispiel ist der Plattenkon-densator. Wie in Abb. 4.46 gezeigt, werden in ei-nem Plattenkondensator elektrische Ladungen aufzwei Metallplatten gespeichert, die durch einen Iso-lator (z. B. Luft) getrennt sind. Aus Symmetriegrün-den steht das Feld senkrecht zur Oberfläche. Ist derAbstand d und die Potenzialdifferenz U = U2 �U1,dann ist die Feldstärke E = U/d.

150

4 Elektrizität und Magnetismus

dU

A_

+ + + + +

_ _ _ _

E z

-Q

+Q

U1

U2

Abbildung 4.46: Plattenkondensator.

Die Ladung, welche auf einem solchen Kondensa-tor gespeichert werden kann, hängt ab von der an-gelegten Spannung. Messungen zeigen, dass die aufeinem Kondensator gespeicherte Ladung ist in guterNäherung proportional zur angelegten Spannung ist,Q µ U . Die Steigung dieser Geraden, also das Ver-hältnis

C =QU

[C] =CV

= F = Farad

misst die Speicherfähigkeit des Kondensators undwird als Kapazität bezeichnet.

4.3.2 Felder im Plattenkondensator

Aus der Definition der elektrischen Verschiebung(! Kap. 4.1.9) folgt

D =QA

! Q = DA.

Die Spannung über dem Kondensator ist gleich derPotenzialdifferenz und damit gleich dem Integral deselektrischen Feldes,

U = Ed .

Im Vakuum gilt gleichzeitig D = e0E, so dass dieKapazität des Plattenkondensators als

C =QU

=DAEd

= e0Ad

(4.4)

gegeben ist.

Die Beziehung (4.4) wurde direkt aus der Definitionder beiden Größen E und D hergeleitet: Die gesam-te Ladung ist durch das Produkt aus Verschiebungs-dichte D und Fläche A gegeben, während die Span-nung proportional zum Feld und zum Abstand der

Abbildung 4.47: Auf dem Plattenkondensator ge-speicherte Ladung.

Platten ist. Bei konstanter Feldstärke nimmt somitdie Spannung mit dem Abstand der Platten zu. Dieexperimentellen Daten von Fig. 4.47 verifizieren dieProportionalität C µ d�1.

z

~E ⇡ 0 ~E ⇡ 0~E = Ez~ez

+++++

-----

Abbildung 4.48: Feld im Plattenkondensator.

Wie in Abb. 4.48 gezeigt, verlaufen die Feldlinienzwischen den beiden Platten in guter Näherung par-allel zueinander und senkrecht zu den Platten. Einwichtiger Aspekt des Plattenkondensators ist, dassdas Feld zwischen den Platten sehr homogen ist. Au-ßerhalb ist der Verlauf komplizierter und kann nichtdurch eine analytische Funktion dargestellt werden.

4.3.3 Beispiele

Als typisches Beispiel betrachten wir einen Platten-kondensator mit einer Fläche von A = 1 cm2 = 10�4

m2 und einem Plattenabstand von d = 1 mm. Damitbeträgt die Kapazität

C = e0Ad

= 8,85·10�12 10�4

10�3 F = 8,85·10�13 F ⇡ 1pF.

151

4 Elektrizität und Magnetismus

Auf einem solchen Kondensator kann somit bei ei-ner Spannung von U = 1 kV eine Ladung Q = 1 nCgespeichert werden.

Als weiteres Beispiel kann man ausrechnen, wiegroß ein Plattenkondensator mit einer Kapazität von1F sein muss, wenn der Abstand 1 mm beträgt:

A =Cde0

=1F ·10�3m

8,85 ·10�12 As/Vm= 1,13 ·108 m2 ⇡ 100km2.

Vergrößert man den Abstand zwischen den Plat-ten, so nimmt die Kapazität ab. Man kann dabeidie Spannung konstant halten (indem man den Kon-densator an eine Spannungsquelle anschließt); dannnimmt die Ladung auf den Platten ab. Oder mankann die Ladung konstant halten, indem man denKondensator von der Spannungsversorgung trennt.Dann steigt die Spannung, während das E-Feld kon-stant bleibt.

Abbildung 4.49: Parallelschaltung von 2 Kondensa-toren.

Kondensatoren können auch untereinander verbun-den werden. Abb. 4.49 zeigt als Beispiel eine Par-allelschaltung von 2 Kondensatoren. Bei gleichemAbstand zwischen den beiden Plattenpaaren ist dieSpannung für beide gleich und die Ladungen addie-ren sich. Somit ist die Gesamtkapazität

Cp =Q1 +Q2

V= C1 +C2,

d.h. bei Parallelschaltung addieren sich die Kapazi-täten. Bei Reihenschaltung gilt hingegen

Cs =

✓1

C1+

1C2

◆�1

.

Abbildung 4.50: Kugelkondensator.

4.3.4 Kugelkondensator

Ein weiterer wichtiger Spezialfall ist der Kugelkon-densator (! Abb. 4.50). Man kann sich die beidenPlatten zu konzentrischen Kugeln gebogen vorstel-len, welche entgegengesetzte Gesamtladungen tra-gen. Für die Berechnung der Kapazität C = Q/U be-nötigen man die Spannungsdifferenz zwischen denbeiden Platten, die man aus dem Potenzial bestim-men kann. Wie in Kapitel 4.1.5 gezeigt, erzeugt dieLadung Q auf der inneren Kugel ein Potenzial

f =Q

4pe0r.

Die Potenzialdifferenz beträgt somit

U =Q

4pe0

✓1r1

� 1r2

◆und die Kapazität

C =QU

= 4pe0r1r2

r2 � r1.

Ist die äußere Kugelschale nicht vorhanden (d.h. imUnendlichen), so beträgt die Kapazität

C = 4pe0r1 .

Dies ist insbesondere für die Abschätzung der Kapa-zität von beliebigen Leiterelementen nützlich. Manerhält z.B. folgende typische Kapazitäten

• mikroelektronisches Schaltelement r ⇡0.2 µmC ~ 2·10�17 F .

• Kugel im Vorlesungsexperiment r ⇡ 2 cm C ~2·10�12 F = 2 pF.

152

4 Elektrizität und Magnetismus

• Erde r ⇡ 6,4·106 m C ⇡ 7·10�4 F = 700 µF.

Die Kapazität eines Schaltelements ist ein wichti-ger Beitrag zur Schaltgeschwindigkeit von elektroni-schen Bauteilen. Man versucht deshalb, bei schnel-len Schaltungen die Kapazitäten gering zu halten.

Abbildung 4.51: Messung der Bewegung einzelnerElektronen.

Bei genügend kleinen Kapazitäten stellt man fest,dass die Ladung quantisiert ist. Wie in Abb. 4.51 ge-zeigt, kann man beobachten, wie Elektronen einzelnauf die Kondensatoren gelangen [3].

4.3.5 Ladungstrennung im Kondensator

Man kann die Berechnung der Kapazität überprü-fen indem man Ladung und Spannung unabhängigmisst. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Feld undVerschiebungsdichte unabhängige Größen sind.

Die Influenz kann man über die Kapazitätsänderungnachweisen: es werden Ladungen in den Metallplat-ten im Kondensator induziert, welche das Feld ab-schirmen.

Abb. 4.52 zeigt, wie man Ladungen “erzeugen”kann, indem man sie trennt. Dazu bringt man zweiisolierte, elektrisch leitende Platten in das Feld ei-nes Plattenkondensators. Wie in Kapitel 4.2.2 disku-tiert, ist das Feld im Innern des Leiters =0 und aufder Oberfläche findet man Ladungen - links negati-ve, rechts positive. Trennt man die beiden Platten,besitzt die linke deshalb eine negative Ladung, dierechte eine positive. Man kann die Ladungsspeicheraus dem Feld herausnehmen und ihre Ladungen z.B.auf einem Elektrometer messen.

Dieses Experiment zeigt auch den Unterschied zwi-schen elektrischem Feld und elektrischer Verschie-bungsdichte. Bei der Trennung der Platten bleibt die

Abbildung 4.52: Elektrische Verschiebung in einemPlattenkondensator.

Ladungsdichte auf ihrer Oberfläche wie auch aufder Oberfläche der Kondensatorplatten konstant, d.h.die Verschiebungsdichte ist konstant. Ein Teil desRaums im Kondensator wird jedoch feldfrei und diegesamte Spannung über dem Kondensator nimmt da-durch ab.

4.3.6 Energie des elektrischen Feldes

+ ++ ++

++

+++ ++

++

++ +++ +++ ++++ +

--- -- -- -- -- --

----------- -

-- -- -- --

d

Ladung Q

Ladung -Q

U

E = U/d + dQ

Abbildung 4.53: Transport zusätzlicher Ladung dQzwischen Kondensatorplatten mitLadung Q.

Das elektrische Feld enthält Energie; diese kann manmessen, z.B. indem man einen Kondensator entlädt,oder indem man ihn lädt. Dies eignet sich auch fürdie Berechnung der Energie. Am einfachsten ist die-

153

4 Elektrizität und Magnetismus

se Berechnung anhand des in Abb. 4.53 gezeigtenSchemas in einem Plattenkondensator. Wird LadungdQ von der negativen zur positiven Platte transpor-tiert, so muss dafür eine Arbeit dW = U dQ aufge-wendet werden. Um den Kondensator von 0 auf dieLadung Q zu laden, beträgt die gesamte Arbeit

Wel =Z Q

0U dQ0 =

1C

Z Q

0Q0 dQ0 =

12

Q2

C.

Hier wurde die Beziehung U = Q/C zwischen Span-nung, Ladung und Kapazität eines Kondensators ver-wendet. Diese Arbeit wird in der Energie des elektri-schen Feldes gespeichert. Dies wird besser sichtbardurch die Umformung

Wel =12

Q2

C=

12

CU2 =12

C(Ed)2

=12

e0AdE2 =12

e0V E2 ,

wobei V = Ad das Volumen zwischen den Plattendarstellt. Somit ist die Energiedichte des elektrischenFeldes, d.h. die Energie pro Volumen

wel =Wel

V=

12

e0E2 =12~D ·~E (4.5)

beträgt. Dieser Ausdruck gilt allgemein, nicht nur fürPlattenkondensatoren. Der Wert e0E2/2 gilt nur imVakuum, der Ausdruck ~D ·~E/2 gilt auch für Dielek-trika (siehe Kap. 4.4).

4.3.7 Kräfte auf Kondensatorplatten

Abbildung 4.54: Kräfte auf die Kondensatorplatten.

Wenn das Feld zwischen zwei KondensatorplattenEnergie enthält, muss eine Kraft auf die Kondensa-torplatten wirken (! Abb. 4.54); umgekehrt mussam System Arbeit geleistet werden, wenn man die

Platten auseinander zieht. Bei einer solchen Operati-on bleibt die Feldstärke (und damit die Energiedich-te) konstant, während das Volumen und damit dieGesamtenergie zunimmt. Um den Abstand um denBetrag Dd zu vergrößern, benötigt man die Arbeit

W = ADd wel = ADd12

e0E2 = F Dd .

Somit muss die Kraft auf jede der beiden Platten

F =12

e0AE2 =12

CdE2 =12

CUE =12

QE

betragen.

Es mag zunächst erstaunen, dass hier nicht die ge-samte Ladung mal die Feldstärke eingesetzt werdenmuss. Dies ist ein klassisches Beispiel dafür, dass indas Kraftgesetz F = qE nicht das gesamte Feld ein-gesetzt werden muss, sondern das ungestörte Feld,welches ohne die Probeladung vorhanden ist. DasFeld ohne Probeladung wird durch das Feld einerebenen Ladungsverteilung gegeben, welches gleich-mässig auf beide Oberflächen einer dünnen Platteverteilt ist. Wie in Kapitel 4.1.9 hergeleitet beträgtes D = 1

2QA resp.

Eungest. =12

QAe0

,

während das “gestörte” Feld zwischen den Konden-satorplatten

Egest. =De0

=Q

e0Abeträgt, also einen Faktor 2 stärker ist.

Diese Herleitung zeigt eine der Möglichkeiten auf,elektrische Einheiten wie Spannung oder Feldstär-ke auf eine mechanische Kraftmessung zurückzu-führen.

Die Tatsache, dass die Energiedichte proportionalzum Quadrat des Feldes ist, führt dazu, dass es ener-getisch sinnvoller ist, das Feld über einen größerenBereich zu verteilen; anders ausgedrückt: Feldlinien“stoßen sich ab”.

Die gleichen Gesetze für den Energieinhalt des elek-trischen Feldes gelten auch für zeitabhängig Felderoder elektromagnetische Wellen. Dies erlaubt z.B.die Übertragung von Energie im Sonnenlicht, in Mi-krowellen oder Lasern (! Kap. 6.5).

154

4 Elektrizität und Magnetismus

4.4 Dielektrika

Ein Dielektrikum ist ein Material, welches elektri-schen Strom nur sehr schwach leitet. Deshalb kön-nen im Innern von Dielektrika elektrische Felder exi-stieren.

4.4.1 Polarisation in Dielektrika

In Kapitel 4.3.5 wurde gezeigt, dass auf der Oberflä-che eines elektrischen Leiters in einem elektrischenFeld Ladungen induziert werden. Einen ähnlichenEffekt findet man, wenn man in einen Plattenkon-densator ein polarisierbares, nichtleitendes Materi-al einbringt. Ein solches Material wird als Dielektri-kum bezeichnet.

Dielektrikum

Abbildung 4.55: Änderung der Spannung durch Ein-schieben eines Dielektrikums.

Wenn der Kondensator von der Spannungsquelle ge-trennt wurde, sinkt beim Einbringen des dielektri-schen Materials die Spannung (und damit das elek-trische Feld) von einem Anfangswert U0 auf einenEndwert U = U0/er, wie in Abb. 4.55 gezeigt. Dadie Ladung auf den Platten sich dabei nicht ändert(sie sind ja vom Netzteil abgetrennt), folgt, dassdie Kapazität des Kondensators gestiegen ist, vonCVakuum auf CDielek. Die dimensionslose Proportiona-litätskonstante

er =CDielek

CVakuum

zwischen diesen beiden Werten wird als dielektri-sche Konstante oder relative Permittivität bezeich-net. Sie ist eine Materialkonstante des polarisierba-ren Materials. Da die Kapazität des Kondensators

gegeben ist durch

C =QU

= DA

E d

steigt sie durch das Einfügen des Dielektrikums auf

C = ere0Ad

,

also um den Faktor er. Die Ladungsdichte auf denKondensatorplatten ist gemäß 4.3 C/A = D, mit Dals elektrische Verschiebungsdichte. Gleichzeitig istdie Feldstärke

E =Ud

=Q

Cd= D

ACd

= DAd

de0erA

.

Somit lautet die Beziehung zwischen ~D und ~E

~D = ere0~E.

Das Produkt e = ere0 wird als Permittivität bezeich-net.

Abbildung 4.56: Dielektrische Konstanten unter-schiedlicher Materialien.

Abb. 4.56 listet dielektrische Konstanten von ty-pischen Materialien. Sie bewegen sich zwischen 1und 10. Leicht polarisierbare Flüssigkeiten wie z.B.Wasser können bis etwa 100 gehen, während einigespezielle Materialien darüber hinaus gehen. Dabeihandelt es sich um sog. ferroelektrische Materiali-en. Diese Substanzen werden in Kondensatoren ver-wendet um hohe Kapazitäten zu erreichen. Die Grö-ßenordnungen dieser Materialkonstanten sind auchinteressant für moderne Hochleistungskondensato-ren, welche Kapazitäten bis zu 1 F aufweisen. Manerhält solche Kapazitäten durch eine Kombination

155

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.57: Kondensatortypen.

von großer Oberfläche (viele m2), kleinem Abstand(~µm ) und großer Dielektrizitätskonstante (bis zu1000).

Technisch können sehr unterschiedliche Systeme alsKondensatoren genutzt werden. Abb. 4.57 zeigt ei-ne Übersicht. Neben der Kapazität ist auch die (ma-ximale) Betriebsspannung eines Kondensators einewesentliche Größe, sowie (nur für kleine Kapazitä-ten) das Verhalten bei hohen Frequenzen. Kommer-zielle Kondensatoren sind jeweils auf einen Bereich(Kapazität / Spannung / Frequenz) optimiert.

4.4.2 Mikroskopisches Modell

Abbildung 4.58: Modell für die molekularen Dipoleeines Dielektrikums im Feld einesPlattenkondensators.

Den Unterschied zwischen elektrischem Feld undelektrischer Verschiebung kann man mit Hilfe eineseinfachen Modells auf die molekulare oder atoma-re Struktur des Materials zurückführen. Wie in Abb.4.58 gezeigt, setzen sich die relevanten Materialienhäufig aus Dipolen zusammen. In Abwesenheit ei-nes Feldes (obere Grafik) ist das Material auf Skalenoberhalb der molekularen Skala elektrisch neutral.

In Anwesenheit eines Feldes (unterer Teil von Abb.4.58) orientieren sich die Dipole entlang des Feldes.Im Innern des Materials heben sich Paare von positi-ven und negativen Ladungen gegenseitig auf. Somitbleiben nur die Ladungen an der Oberfläche des Ma-terials übrig. Diese sind den Ladungen auf der Kon-densatorplatte entgegen gerichtet. Die Summe ausden Ladungen auf der Kondensatorplatte und den-jenigen auf der Oberfläche des Dielektrikums sinddemnach um den Faktor 1/er geringer als ohne dasDielektrikum.

Abbildung 4.59: Beiträge zur Polarisation.

Wie in Abb. 4.59 gezeigt, können diese molekularenDipole auf verschiedene Arten zustande kommen:zum einen kann das äußere elektrische Feld die Elek-tronenhülle gegenüber dem positiv geladenen Kernverschieben. Dieser Effekt tritt bei allen Materialienauf.

Der zweite Effekt tritt nur in Materialien auf, wel-che mikroskopische (meist molekulare) statische Di-pole enthalten. Wie in Abschnitt 4.1.13 diskutiert,besitzen asymmetrische Moleküle wie z.B. Wasserein permanentes elektrisches Dipolmoment. Sind dieMoleküle zufällig orientiert (z.B. in einer Flüssig-keit), so besitzt das Material normalerweise trotzdemkein makroskopisches Dipolmoment. Wird ein elek-

156

4 Elektrizität und Magnetismus

trisches Feld angelegt so wird die Orientierung derDipole in Feldrichtung jedoch energetisch gegen-über den anderen Orientierungen bevorzugt. Damitentsteht im Mittel eine Polarisation, welche inversproportional zur Temperatur ist. Solche Materialienwerden als paraelektrisch bezeichnet. Sie zeigen einebevorzugte Orientierung der Dipole in Feldrichtung,so dass die positiven Ladungen näher bei der negativgeladenen Platte liegen und umgekehrt.

4.4.3 Depolarisationsfeld

Da die Ladungen der Dipole im Inneren des Medi-ums sich gegenseitig kompensieren, bleibt das Ma-terial elektrisch neutral. Aufgrund der Oberflächen-ladungen enthält es jedoch ein Dipolmoment ~P. Fürviele Materialien ist dieses proportional zum elektri-schen Feld ~E,

~P = e0ce~E = a

~E ,

wobei die Proportionalitätskonstante ce als Suszep-tibilität bezeichnet wird und a als Polarisierbarkeit.

Abbildung 4.60: Depolarisationsfeld.

Wie in Abb. 4.60 gezeigt, erzeugt dieses Dipolfeldein Depolarisationsfeld

~Edep = �~P/e0 = �ce~E ,

welches dem äußeren Feld entgegen-gerichtet ist.Wenn wir das elektrische Feld (weit) außerhalb desMediums mit E0 bezeichnen, erhalten wir im Mate-rial ein reduziertes Feld

~Em = ~E0 +~Edep = ~E0 � ce~Em .

Aufgelöst nach ~Em erhält man ~Em = ~E0/(c +1). Da-mit wird auch die Spannung zwischen den Plattenauf den Wert

U =U0

ce +1=

U0

er

reduziert. Man identifiziert somit

er = 1+ ce .

Da die Oberflächenladung konstant geblieben ist,bleibt die elektrische Verschiebungsdichte D kon-stant. Somit gilt für ein Dielektrikum mit Suszepti-bilität ce, resp. Dielektrizitätskonstante er

~D = ere0~E = e0~E +~P .

Diese Ausdrücke stellen einen Spezialfall dar; ge-rechnet für den einfachsten Fall eines Plattenkonden-sators. Allgemein hängt das Feld im Dielektrikumauch von dessen Form ab.

Diesen Effekt kann man auch beobachten, wenn mandie Platten an eine Spannungsquelle angeschlossenhat. In diesem Fall bleibt die elektrische Feldstär-ke E die gleiche wie ohne Dielektrikum; hingegensteigt die Ladung auf den Kondensatorplatten unddamit die Verschiebungsdichte D = s = Q/A. Diezusätzlichen Ladungen auf den Kondensatorplattenwerden durch die Oberflächenladungen des Dielek-trikums kompensiert.

Diese Ladung ist die sog. Polarisationsladung, diedurch das elektrische Feld im Dielektrikum erzeugtwird. Das Feld der Polarisationsladungen kompen-siert zum Teil das Feld der Ladungen auf den Kon-densatorplatten.

4.4.4 Kräfte auf Dielektrika in Feldrichtung

Die beiden Ladungsschwerpunkte in einem Dielek-trikum werden vom Feld in entgegengesetzte Rich-tungen gezogen, wie in Abb. 4.61 gezeigt. Es bestehtsomit eine Zugspannung.

Die Oberflächenladungsdichte des Dielektrikumsbeträgt

s =er �1

erD .

157

4 Elektrizität und Magnetismus

Q-Q

Abbildung 4.61: Kraft auf Dielektrikum.

Die Zugspannung (d.h. Kraft pro Fläche) erhaltenwir, wenn wir die Kraft auf diese ebene Ladungsver-teilung im äußeren Feld E0 berechnen. Wie wir beimPlattenkondensator gefunden hatten, beträgt sie:

FA

=12

sE0 =12

er �1er

DE0 =12

er �1er

e0erE20 .

Diese Zugspannungen können zu einer messbarenFormänderung führen, wenn die Dielektrizitätskon-stante genügend groß ist. Dies ist vor allem in ferro-elektrischen Materialien der Fall.

Eine Längenänderung aufgrund einer angelegtenSpannung wird als piezoelektrischer Effekt bezeich-net. Man kann Piezokeramiken z.B. als Lautspre-cher verwenden, aber auch als Stellelemente, welchesehr schnell und präzise Längenänderungen erzeu-gen können (z.B. im Rastertunnelmikroskop).

Umgekehrt erzeugt ein Druck auf ein solches Ma-terial eine Umorientierung der Dipole und dadurcheine Spannung. Man verwendet dies u. A. für Mi-krophone.

4.4.5 Kräfte auf Dielektrika senkrecht zurFeldrichtung

Durch das Einschieben eines Dielektrikums in einenPlattenkondensator sinkt die Feldstärke und damitdie elektrische Feldenergie. Somit muss eine Kraft

~F = �~—Epot

existieren, welche das Dielektrikum in den Spalt desKondensators hineinzieht.

Abbildung 4.62: Flüssiges Dielektrikum im E-Feld.

Besteht das Dielektrikum aus einer Flüssigkeit, sowird sie in das Feld hineingezogen, wie in Abb.4.62 gezeigt. Das System erreicht ein Gleichgewicht,wenn der Druck der Flüssigkeitssäule gerade dieelektrische Kraft kompensiert. Steigt das dielektri-sche Medium mit Dielektrizitätskonstante er um dieHöhe dz weiter in den Kondensator hinein, so ändertdie Kapazität um

dC = d(e0erA`) =

e0

`derA = e0(er �1)L

dz`

.

Damit ändert sich die elektrische Feldenergie um

dWel =12

U2dC =12

U2e0(er �1)L

dz`

.

Die Kraft dWel/dz kann man durch die Fläche L`dividieren um die (mechanische) Spannung

sel =1L`

dWel

dz=

12

✓U`

◆2

e0(er �1)

=12

E2e0(er �1)

zu erhalten, welche die Flüssigkeit nach oben (in denKondensator hinein) zieht.

Die Schwerkraft, die auf die Flüssigkeitssäule wirkt,erzeugt ebenfalls eine Spannung

FG

L`= rgh .

158

4 Elektrizität und Magnetismus

Die beiden Spannungen halten sich die Waage wenn

12

E2e0(er �1) = rgh .

Man kann diesen Ausdruck z.B. dazu verwenden,um die Steighöhe h zu berechnen, oder um die Di-elektrizitätskonstante zu bestimmen:

er = 1+2rgh(e0E)2 .

Im Experiment findet man für Rizinusöl (er ⇡ 4,6)bei 30 kV eine Steighöhe von ca. 1 cm.

4.5 Stationäre Ströme

4.5.1 Ladungstransport

Bisher haben wir nur stationäre Ladungen diskutiert.In einem elektrischen Feld wirkt immer eine Kraftauf elektrische Ladungen. Sind diese beweglich wirddeshalb Ladung transportiert. Man spricht in diesemFall von einem elektrischen Strom.

Strommessgerät

Abbildung 4.63: Diskreter Ladungstransport.

Wie Ladungen in einem Feld transportiert werdenkann man mit mechanischen Hilfsmitteln demon-strieren. Im Experiment von Abb. 4.63 wird die La-dung von einer Kondensatorplatte auf einen Ping-Pong Ball übertragen. Nachdem dieser geladen istwird er im Feld zwischen den Platten beschleunigtbis er auf die andere Kondensatorplatte trifft, wo erdie Ladung an die Platte abgibt. Er nimmt dort dieentgegengesetzte Ladung auf und wird in die um-gekehrte Richtung beschleunigt. Je höher die Span-nung eingestellt wird, desto schneller wird der La-dungstransport. Man misst mit Hilfe eines Strom-messgerätes, dass ein Strom durch den Kondensatorfließt.

Wie in diesem Experiment führt eine Spannung all-gemein dazu, dass elektrische Ladungen, sofern siefrei beweglich sind, in einem Feld transportiert wer-den. Die transportierte Ladung pro Zeiteinheit wirdals Strom bezeichnet,

I =dQdt

[I] =Cs

= A = Ampere .

159

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.64: André Marie Ampère (1775-1836).

Die Einheit erinnert an André Marie Ampère (1775-1836) (! Abb. 4.64). Die Stromstärke ist eine derSI-Basisgrößen; vom Standpunkt der Physik ist je-doch eher die Ladung die Grundgröße, während dieStromstärke davon abgeleitet ist. Die Stromrichtungist definiert als die Richtung, welche dem Transportpositiver Ladung entspricht.

positive Ladungen

E

negative Ladungen

E

positive und negative Ladungen

E

Abbildung 4.65: Stromtransport und Arten von La-dungsträgern.

Die wirklichen transportierten Ladungen sind natür-lich sehr viel kleiner als der Tischtennisball im De-monstrationsexperiment. Wie beim Demonstrations-experiment können aber sowohl positive wie auchnegative Ladungen transportiert werden (! Abb.4.65). Positive Ladungen bewegen sich in Feldrich-tung, negative Ladungen in entgegengesetzter Rich-tung. Der Stromfluss ist jedoch in beiden Fällen inFeldrichtung.

Ladungen können praktisch durch jedes Mediumtransportiert werden, wobei je nach Material unter-schiedliche Träger für die Ladung zur Verfügung ste-hen. Auch im Vakuum kann Strom fließen. Dies wur-de früher in Verstärkern, Röntgenröhren oder Fern-

sehern verwendet. Im Vakuum stehen zunächst kei-ne Ladungsträger zur Verfügung. Es können aberElektronen ins Vakuum emittiert werden und als La-dungsträger dienen wenn z.B. eine Glühkathode ver-wendet wird oder mit Hilfe von Photoemission. Beigenügend hohen Feldstärken findet auch Feldemissi-on statt; dazu verwendet man feine Spitzen: je klei-ner der Radius desto größer die Feldstärke.

4.5.2 Phänomenologie

Strom ist, wie Ladung, immer mit Materie verbun-den. Er macht sich auf unterschiedliche Arten be-merkbar:

• er erzeugt Wärme; dieser Effekt kann als Rei-bungseffekt verstanden werden. Er verschwin-det nur in Supraleitern, welche den Strom ver-lustfrei leiten können.

• er erzeugt ein Magnetfeld; dadurch entstehenKraftwirkungen auf andere magnetische Mate-rialien und bewegte Ladungen.

• in speziellen Fällen können Ströme chemischeReaktionen bewirken. Man spricht dann vonElektrolyse.

Als Stromquellen werden meist Generatoren ver-wendet. Weitere Möglichkeiten sind Batterien, ther-mische Spannungsquellen (Peltier-Elemente), oderoptische Stromquellen (Photodioden, Solarzellen).

Abbildung 4.66: In der Leiterschleife wird ein Stromerzeugt, der ein starkes Magnetfelderzeugt.

Strom kann auch aus Wärme erzeugt werden. Dieso genannten Thermoelemente verwenden Kontak-te zwischen unterschiedlichen Metallen. Wenn man

160

4 Elektrizität und Magnetismus

an diese Kontakte eine Temperaturdifferenz anlegtfließt ein Strom. Abb. 4.66 zeigt ein Experiment,bei dem ein Kontakt zwischen Kupfer und Konstan-tan verwendet; der eine Kontakt wird mit Eiswas-ser gekühlt, der andere mit einem Bunsenbrenner be-heizt. Wird die Temperaturdifferenz genügend hochso, fließt ein hoher Strom durch die Kupferschlei-fe. Dabei kann man auch gleich den zweiten obengenannten Punkt verifizieren: Der Strom erzeugt einMagnetfeld; dieses wird hier so stark, dass man da-mit ein 5 kg schweres Gewicht heben kann.

Abbildung 4.67: Prinzip der photoelektrischenStromerzeugung.

Weitere Möglichkeiten zur Erzeugung von Stromumfassen Solarzellen (=Photodioden), bei denenLicht absorbiert wird und dabei Elektronen-LochPaare (=fehlende Elektronen, "positive" Elektronen).Diese werden von metallischen Kontakten gesam-melt und über den Verbraucher zurückgeführt. Abb.4.67 zeigt die Funktionsweise eines solchen Ele-ments.

4.5.3 Definitionen

Neben dem Strom benötigen wir die elektrischeSpannung. Sie ist definiert über die Arbeit, die fürdie Trennung von Ladungen verrichtet werden muss:

U =WQ

[U ] = V = Volt =JC

.

Die Einheit Volt erinnert an Alessandro Volta (1745-1827) (!Abb. 4.68). Somit wird beim Transport von1 Coulomb über eine Spannungsdifferenz von 1 Veine Energie von 1 Joule benötigt, resp. frei.

Abbildung 4.68: Alessandro Volta (1745-1827) undGeorg Simon Ohm (1789-1854)

Ein Strom, der durch einen Widerstand fließt, lei-stet Arbeit: der Widerstand wird aufgeheizt. Die Lei-stung ist gegeben durch das Produkt aus Spannungund Strom,

P = UI = U2/R = I2R.

[P] = Watt = W

Die zeitlich integrierte Leistung ergibt die Arbeit,welche auch als Produkt aus Ladung und Potenzi-aldifferent U geschrieben werden kann:

W =Z

Pdt = QU.

Sind mehrere Widerstände hintereinander angeord-net, so hängt die Leistung, welche an einem Wider-stand anfällt, von beiden Widerständen ab. Darauskann man Messinstrumente bauen.

4.5.4 Widerstand

Der elektrische Widerstand R ist ein Maß für dieHinderung des Ladungstransportes

R =VI

[R] =VA

= W = Ohm , (4.6)

d.h. der Widerstand eines Leiters beträgt ein Ohmwenn bei einem Stromfluss von 1 Ampère eine Span-nung von 1 V anliegt. Die Einheit Ohm erinnert anGeorg Simon Ohm (1789-1854) (!Abb. 4.68).

161

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.69: Messanordnung zur Verifizierungdes Ohm’schen Gesetzes: links be-trägt der Widerstand 2R, rechts R.

Der Kehrwert des Widerstandes ist der

Leitwert G =1R

[G] = S = Siemens =1W

.

Die Proportionalität (4.6) zwischen Strom und Span-nung wird als Ohm’sches Gesetz bezeichnet. Siekann experimentell z.B. mit Hilfe des in Abb. 4.69gezeigten Aufbaus realisiert werden. Schaltet manzwei Wiederstände in Reihe, so dass durch beide dergleiche Strom fließt, so misst man auch über beidendie gleiche Spannung. Überbrückt man den zweitenWiderstand, wie in Abb. 4.69 rechts gezeigt, so stelltman fest, dass jetzt die ganze Spannung über demersten Widerstand abfällt; sie ist um den Faktor 2gestiegen. Der Strom, welcher vom Messgerät an-gezeigt wird, hat sich ebenfalls verdoppelt. Man ve-rifiziert weiterhin, dass der Strom proportional zurSpannung steigt, wenn wir diese erhöhen.

Abbildung 4.70: Lineare Abhängigkeit zwischenStrom und Spannung.

Abb. 4.70 zeigt die lineare Beziehung zwischenSpannung und Widerstand, welche als Ohm’schesGesetz bezeichnet wird. Es handelt sich aber nichtum ein Naturgesetz, sondern um die Beschreibungeines Verhaltens das man häufig aber nicht immerfindet. Der Widerstand entspricht der Steigung derGeraden, R = dV/dI .

4.5.5 Spezifischer Widerstand in Ohm’schenLeitern

A

U

Abbildung 4.71: Dimensionen eines Leiterstücks.

Der Widerstand R eines Materialelementes hängt abvon den Dimensionen des Leiters, und vom Material,aus dem er besteht. In vielen Fällen ist er proportio-nal zur Länge des Elementes und indirekt proportio-nal zu seinem Querschnitt

R =r `

A.

Man definiert deshalb den spezifischen Widerstandr eines Materials. Die Einheit des spezifischen Wi-derstandes ist

[r] = Wm .

Dieser kann in weiten Bereichen variieren; man un-terscheidet Materialklassen nach ihrem spezifischenWiderstand:

Klasse Material r / WmIsolatoren Bernstein 1018

Quarzglas 5·1016

Glimmer 5·1016

Glas 5·1011

Holz 108..1014

Halbleiter Germanium 0,46Tellur 4,36·10�3

Silizium (rein) 640Leiter Kupfer 5·1016

Silber 1,59·10�8

Quecksilber 96·10�8

Aluminium 2,65·10�8

Eisen 9,77·10�8

Nickel 6,84·10�8

162

4 Elektrizität und Magnetismus

Ganz allgemein besitzen gute Isolatoren spezifischeWiderstände > 1010 W m, Halbleiter können in wei-ten Bereichen um 1Wm variieren, während gute Lei-ter bei ~ 10�8 W m liegen. Die Ursachen für dieseenorme Variationsbreite liegen in der quantenmecha-nischen Struktur der Materie.

Der Kehrwert des spezifischen Widerstandes ist diespezifische Leitfähigkeit s . Mit ihrer Hilfe kannman z.B. die Stromdichte berechnen, als

~j = s

~E.

Temperatur T

~T

ρrest

Spe

zifis

cher

Wid

erst

and ρ

Abbildung 4.72: Temperaturabhängigkeit des spe-zifischen Widerstandes eines Me-talls.

Der Widerstand variiert mit der Temperatur. Für Me-talle findet man meist ein lineares Ansteigen mitder Temperatur, während er bei niedrigen Tempe-raturen näherungsweise konstant bleibt. Abb. 4.72zeigt qualitativ diese Abhängigkeit. Man kann die-se Abhängigkeit z.B. untersuchen, indem man denWiderstand bei Raumtemperatur und bei der Tem-peratur von flüssigem Stickstoff misst. Bei Kupfernimmt der Widerstand um fast eine Größenordnungab, bei NTC-Widerständen um mehrere Größenord-nungen zu, während Konstantan und KohleschichtWiderstände eine relativ geringe Abhängigkeit zei-gen.

4.5.6 Modelle für die Leitfähigkeit

Dieser Befund kann in der Festkörperphysik inter-pretiert werden. Ganz grob kann man ihn so erklä-ren, dass ideale metallische Festkörper bei tiefen

Temperaturen keinen Widerstand für die elektrischeLeitung bieten. Bei endlichen Temperaturen findenSchwingungen der Ionen um ihre Gleichgewichts-position statt, und diese Schwingungen behindernden Ladungstransport. Je höher die Temperatur, de-sto stärker die Schwingungen und desto schlechterdie elektrische Leitung. Der endliche Widerstand beitiefen Temperaturen kann auf Kristallfehler zurück-geführt werden.

Abbildung 4.73: Modell für die spezifische Leitfä-higkeit.

In einem mechanischen Modell kann man sich dasso vorstellen, dass die Ladungsträger als Kugeln ei-ne schiefe Ebene hinunterrollen (! Abb. 4.73). Nor-malerweise würden sie durch die Schwerkraft be-schleunigt. Sind jedoch auf dieser schiefen EbeneHindernisse vorhanden, so stoßen die Kugeln damitund werden so langsamer hinunterrollen. Die Ener-gie, welche die Kugeln bei den Stössen an die Hin-dernisse abgeben, wird durch das Anheben in dasSystem hineingegeben. Im elektrischen Leiter wirddiese Energie durch die Spannung zugeführt und andie Ionen übergeben. Dies führt zu einer Aufheizungdes Materials.

Während bei den meisten Festkörpern Elektronenfür den Ladungstransport verantwortlich sind, kön-nen auch Ionen Ladung transportieren. Materialien,bei denen dies auftritt, werden als feste Elektroly-te bezeichnet. Ihre technologische Bedeutung steigtmomentan da sie eine Grundlage für Brennstoffzel-len und Batterien bilden. Die Leitfähigkeit für Ionensteigt mit der Temperatur stark an.

Eine ähnliche Situation findet man auch bei derSignalübertragung in Nerven: die Signale werden

163

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.74: Modell für die Nervenleitung.

elektrisch übertragen, wie in Abb. 4.74 gezeigt. Al-lerdings findet der Ladungstransport senkrecht zurReizleitungsrichtung statt, welche mit der Richtungder Nervenfaser zusammenfällt. Das Signal wirddurch die Spannung definiert, welche zwischen demInneren der Zelle und ihrer Umgebung anliegt. La-dungsträger sind hier nicht Elektronen, sondern Na-trium (Na+) und Kalium (K+) Ionen.

Abbildung 4.75: Einfluss der Myelinscheide auf dieNervenleitung.

Die Nervenfasern sind von einer Hülle umgeben,welche eine abschirmende Wirkung hat (!Abb.4.75). Die Signalübertragung findet so statt, dassdas Aktionspotenzial von einem Ring (="Ranvier-scher Schnürring") zwischen zwei Myelinscheidenzum nächsten springt.

4.5.7 Driftgeschwindigkeit

Elektrische Signale werden praktisch mitLichtgeschwindigkeit übertragen: die Signal-Übertragungsgeschwindigkeit ist durch die Aus-

breitungsgeschwindigkeit der Spannung, alsodes elektrischen Feldes bestimmt. Die einzelnenLadungsträger bewegen sich hingegen mit ei-ner wesentlich geringeren Geschwindigkeit, dersogenannten Driftgeschwindigkeit.

dx

v!

A!

dxAdQ!

ρ=

Wie schnell ist der elektrische Strom?

Abbildung 4.76: Modell zur Bestimmung der Drift-geschwindigkeit.

Um den Strom als lokale Größe zu definieren ver-wendet man die Stromdichte

j =dIdA

,

also den Strom pro Fläche (! Abb. 4.76). Sie kannmikroskopisch als Produkt aus Ladungsdichte nqund Geschwindigkeit v der Ladungsträger geschrie-ben werden:

j = nqv .

Wir verwenden diese Beziehung, um die Driftge-schwindigkeit v der Ladungsträger zu berechnen,wobei wir annehmen, dass die Dichte der Ladungs-träger von der Größenordnung der Dichte der Atomein einem Metall ist. Die Anzahl Atome berechnenwir z.B. für Kupfer. Die Atommasse ist 63.5 u, dieDichte = 8950 kg m�3. Somit enthält 1 m3 Kupfer8,95·103 / 63,5 = 141 kMol Atome. Mit der Avoga-drozahl NA = 6·1023 erhalten wir die Anzahl Atomepro m3:

n = 6 ·1023 ·141 ·103m�3 = 0,85 ·1029m�3

⇡ 1029Atome/m3

Für die Stromdichte j setzen wir 1 A/mm2 = 106

A/m2 als typischen Wert. Damit erhält man für die

164

4 Elektrizität und Magnetismus

Driftgeschwindigkeit

v = j/(nq) =106

1029 ·1,6 ·10�19A

m2m�3C

= 6 ·10�5 ms

= 60µm

s.

Elektronen in einem Draht bewegen sich somit sehrlangsam!

Interessant ist auch, dass die Geschwindigkeit di-rekt proportional zum Feld, also zur äußeren Kraftist. Dies kontrastiert mit dem Bild eines freien La-dungsträgers, bei dem die Beschleunigung propor-tional zur Kraft ist. Ein solches Verhalten erhält manbei einer reibungsbehafteten Bewegung, d.h. für eineBewegungsgleichung

mdvdt

= qE � gv.

Ein stationärer Zustand wird dann erreicht wenn dieresultierende Kraft auf der rechten Seite verschwin-det, qE = gv. Die berechnete Driftgeschwindigkeitist somit gegeben durch das Verhältnis

vD =qEg

,

d.h. sie wird bestimmt durch das Verhältnis von elek-trischer Kraft zur inneren Reibung für die Ladungs-träger.

4.5.8 Supraleiter

00

Wid

erst

and R

Temperatur TTc

Wid

erst

and R

Temperatur T

Abbildung 4.77: Temperaturabhängigkeit der elek-trischen Leitfähigkeit bei Supralei-tern.

Bei Supraleitern findet bei tiefen Temperaturen einÜbergang statt zu einem Zustand, wo der elektri-sche Widerstand verschwindet. Dieser Effekt wur-de 1911 von Kamerlingh Onnes entdeckt, nachdemes ihm gelungen war, Helium zu verflüssigen. Abb.4.77 zeigt die Original-Messkurve für Quecksilberaufgetragen: bei 4.2 K sinkt der Widerstand auf Null.Der plötzliche Übergang entspricht einem Phasen-übergang, ähnlich wie der Siedepunkt; er tritt beieiner kritischen Temperatur Tc auf. Viele Elemen-te und Verbindungen werden bei unterschiedlichenTemperaturen supraleitend. Einige kritische Tempe-raturen sind

Stoff Tc/KAl 1,19Be 0,026Hg 4,15Zn 0,9Wo 0,012Pb 7,2

V3Si 17,1Nb3Si 18,0

Nb3Al8Ge0,2 20,7YBa2Cu3O6+x 90HgBa2CuO4+x 133

CsRb2C60 31

Abbildung 4.78: Supraleitende Magneten.

Die verlustlose Leitung von elektrischem Strom istfür verschiedene Anwendungen interessant, so fürdie Erzeugung von starken Magnetfeldern, wie siez.B. in Kernspintomographen benötigt werden. Abb.4.78 zeigt 2 Beispiele für solche Magneten.

165

4 Elektrizität und Magnetismus

4.5.9 HalbleiterLe

itfäh

igke

it [Ω

-1m

-1]

Inverse Temperatur [10-3 K-1]

600o 200o 0o C -100o

Si

Abbildung 4.79: Temperaturabhängigkeit des spe-zifischen Widerstandes in einemHalbleiter (Si).

Im Gegensatz zu Metallen sinkt bei Halbleitern derWiderstand mit zunehmender Temperatur, d.h. dieLeitfähigkeit nimmt zu, wie in Abb. 4.79 gezeigt.Man unterscheidet hier zwei Bereiche: im Hochtem-peraturbereich I dominieren die intrinsischen La-dungsträger; ihre Zahl nimmt mit der Temperatur ex-ponentiell zu. Bei niedrigeren Temperaturen (II) do-minieren Ladungsträger, welche durch Fremdatomeeingebracht wurden, wie z.B. Phosphor. Durch dasEinbringen von Fremdatomen kann man die elektri-schen Eigenschaften von Halbleitern in weiten Gren-zen variieren; dies ist der wichtigste Grund für dieenorme Rolle, welche Halbleiter heute spielen.

Ob ein Material als Halbleiter oder Isolator betrach-tet wird, ist zu einem guten Teil temperaturabhängig.

So ist Glas bei tiefen Temperaturen ein sehr guterIsolator; bei hohen Temperaturen werden jedoch ein-zelne Ionen beweglich und man erhält eine erhebli-che Leitfähigkeit.

4.5.10 Ladungstransport in Gasen undFlüssigkeiten

Auch in Gasen können Ladungen transportiert wer-den. Die Elektronen werden dabei beschleunigt bissie wieder auf Gasteilchen treffen und schlagen wei-tere Elektronen aus diesen heraus.

Man kann den Effekt z.B. in Luft nachweisen. Da-durch findet man häufig ein nichtlineares Verhal-ten, da die Ladungen in einem elektrischen Feldbeschleunigt werden, dadurch genügend kinetischeEnergie erhalten um weitere Ladungen durch Stoß-ionisation zu erzeugen, welche selber ebenfalls kine-tische Energie erhalten.

In Flüssigkeiten und Gasen können Ladungen durchIonen transportiert werden. Sind keine geladenenTeilchen vorhanden können diese z. T. auch durchDissoziation (Elektrolyse) erzeugt werden.

Spannung U [V]

Stro

m I

[A]

Up

0,6

0,4

0,2

00 1 2 3

Abbildung 4.80: Stromleitung in Elektrolyten.

So findet man in verdünnter Schwefelsäure H+,HSO�

4 und SO2�4 Ionen, welche im elektrischen Feld

diffundieren. Hier wird der Strom somit von positi-ven und negativen Ladungsträgern transportiert (!Abb. 4.80).

Bei niedrigen Spannungen fließt in Elektrolyten keinStrom; die Polarisationsspannung UP wird durchdas unterschiedliche chemische Potenzial der beidenElektroden hervorgerufen. Oberhalb dieser Span-nung verhält sich das System in guter Näherung wieein Ohm’scher Leiter.

Wenn die Ionen die Elektroden erreichen geben sieein Elektron an die Elektrode ab, resp. nehmen esvon dort auf. Diese Art von Reaktion wird als Elek-trolyse bezeichnet. Sie wird für verschiedene tech-nische Anwendungen verwendet, wie z.B. die Spal-tung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff.

Die umgekehrte Reaktion verwendet man in Batte-rien; sind die Prozesse reversibel, so kann man ent-sprechende Elemente zur Speicherung von elektri-schem Strom verwenden.

166

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.81: Aufbau einer Batterie.

Bei gewöhnlichen Batterien besteht die Kathode auseinem Kohlestab und Manganoxid als Reaktionsmit-tel, während die Anode aus einem Zinkblech besteht.Abb. 4.81 zeigt schematisch den Aufbau einer sol-chen Batterie.

Abbildung 4.82: Blei-Akku.

Das am weitesten verbreitete System ist wohl dieBleibatterie (!Abb. 4.82), wo die Umwandlungvon Blei in Bleisulfat in verdünnter Schwefelsäu-re verwendet wird. Bei anderen Elektrolyten (z.B.AgNO3) wird an einer der Elektroden Metall (Ag)abgeschieden. Solche Systeme werden verwendetfür das Veredeln von Werkstücken durch Beschich-ten mit einer Metallschicht.

4.6 Schaltungen

4.6.1 Kirchhoff’sche Gesetze

Die Kirchhoff’schen “Gesetze” sind nützliche Re-geln für die Analyse elektrischer Stromkreise. Das1. Kirchhoff’sche Gesetz wird auch als Knotenregelbezeichnet (!Abb. 4.83); es ist eine direkte Kon-sequenz des Erhaltungsgesetzes für elektrische La-dung.

IN

I3

I2I1

Abbildung 4.83: 1. Kirchhoff’sches Gesetz = Kno-tenregel.

Es lautet: die Summe aller Ströme die in einen Kno-ten hinein fließen ist gleich der Summe aller Strömedie aus dem Knoten heraus fließen

Âi

Ii = 0 .

Dies bedeutet im Wesentlichen, dass im Knoten kei-ne Ladungen gespeichert, erzeugt oder vernichtetwerden.

UN

U1

U2

U3

Abbildung 4.84: 2. Kirchhoff’sches Gesetz = Ma-schenregel.

Das zweite Kirchhoff’sche Gesetz wird auch alsMaschenregel bezeichnet: In einem geschlossenen

167

4 Elektrizität und Magnetismus

Stromkreis (=Masche; Abb. 4.84) ist die Summe al-ler Spannungen gleich Null. Die Spannung als vor-zeichenbehaftete Größe muss dabei immer in dergleichen Richtung gemessen werden.

4.6.2 Einfache Schaltungen

Als einfaches Anwendungsbeispiel betrachten wirden Spannungsabfall über zwei in Reihe geschalte-ten Widerständen, wie in Abb. 4.85 gezeigt.

Abbildung 4.85: Reihenschaltung von 2 Widerstän-den.

Der Strom muss gemäss Maschenregel überallgleich sein,

I = I1 = I2 = I3 = ....

Für die Spannung finden wir

U = U1 +U2 +U3 + ... = R1I +R2I +R3I + ....

Wir berechnen nun den Widerstand, welcher diegleiche Wirkung hat wie zwei in Serie geschalteteWiderstände. Nach Definition ist das

R =UI

= Âi

Ri,

d.h. der Gesamtwiderstand ist gleich der Summe dereinzelnen Widerstände.

Im Experiment verbinden wir zwei Widerstände vonR1 = R2 = R = 80W. Wenn wir eine konstante Span-nung von 20 V über einen Widerstand legen beträgtder Strom 250 mA; liegt die gleiche Spannung an derSerienschaltung so sinkt der Strom auf 125 mA, ent-sprechend einem Widerstand von 160 W. Dies kannauch direkt durch eine Widerstandsmessung verifi-ziert werden.

Als zweites Anwendungsbeispiel betrachten wir denSpannungsabfall über zwei parallel geschalteten Wi-derständen (! Abb. 4.86). Gemäss dem zweitemKirchhoff’schen Gesetz muss die Summe der bei-den Spannungen (im Kreis gemessen) verschwin-den, d.h. sie müssen entgegengesetzt gleich sein.

Abbildung 4.86: Parallelschaltung von Widerstän-den.

Messen wir beide Spannungen von links nach rechtsmüssen die Spannungen gleich sein, U1 = U2 = U .Somit fließen über die beiden Widerstände die Strö-me

I1 =UR1

I2 =UR2

,

oder

I1/I2 = R2/R1.

Gemäss dem ersten Kirchhoff’schen Gesetz mussdie Summe der Ströme über die beiden Widerständegleich dem zugeführten Strom sein, I1 + I2 = I. Dar-aus können wir den Widerstand der Parallelschal-tung bestimmen:

R =UI

=U

I1 + I2=

UU/R1 +U/R2

=1

1R1

+ 1R2

oder

1R

=1

R1+

1R2

.

Auch dieses Resultat wird im Experiment verifiziert.

Abbildung 4.87: Spannungsteiler.

Als nächstes Beispiel betrachten wir einen Span-nungsteiler (!Abb. 4.87). Er besteht aus zwei inSerie geschalteten Widerständen. Gemäß Knotenre-gel fließt durch beide Widerstände der gleiche StromI = I1 = I2. Der Spannungsabfall über dem ersten

168

4 Elektrizität und Magnetismus

Widerstand U1 = IR1 und über dem zweiten Wider-stand U2 = IR2. Da der gesamte Spannungsabfall ge-mäss der Maschenregel der treibenden Spannung U0entsprechen muss, erhalten wir

U1 = U0R1

R1 +R2, U2 = U0

R2

R1 +R2,

d.h. die Spannung wird im Verhältnis der Widerstän-de geteilt.

Wir verifizieren dies für einen Schiebewiderstand.

4.6.3 Wheatstone’sche Brückenschaltung

Abbildung 4.88: Wheatstone’sche Brückenschal-tung.

Ein solcher Spannungsteiler wird auch verwendet inder Wheatstone’schen 5 Brücke, welche als Grund-lage für die Messung von Widerständen verwendetwird (! Abb. 4.88). Der zu messende Widerstand Rxwird dabei mit bekannten Widerständen R0, R1 undR2 verglichen, wobei das Verhältnis von R1 zu R2 soeingestellt wird, dass durch das Strommessgerät keinStrom fließt und somit auch keine Spannung abfällt.Solche Messungen sind besonders empfindlich undwenig störanfällig.

Der Strom durch das Messinstrument verschwindetwenn für die Masche ACD U1 = Ux = R1I1 = RxIxund für die Masche CBD R2I2 = R0I0. Außerdemmuss gelten I1 = I2 und Ix = I0. Division der beidenersten Gleichungen ergibt

R1I1

R2I2=

RxIx

R0I0=

R1

R2=

Rx

R0

5Charles Wheatstone 1802-1875

oder

Rx = R0R1

R2.

Im Experiment verwenden wir R0 = 25 W. Die Mes-sung ergibt ein Verhältnis R1/R2 = 30,2/69,8 =0,433. Somit erhalten wir

Rx = R0R1

R2= 10,82W

Die direkte Messung ergibt Rx = 11.2W.

4.6.4 Elektrische Schaltelemente

Elektrische Schaltungen werden aus unterschiedli-chen Elementen aufgebaut. Die Menge an mögli-chen Elementen ist natürlich unbegrenzt. Es ist abersinnvoll, einige besonders wichtige Elemente aufzu-listen, wobei sie immer idealisiert werden.

• Ohm’sche Widerstände; sie zeichnen sich durcheine lineare Beziehung zwischen Strom undSpannung aus:

V = RI.

• Kondensatoren; wie bereits diskutiert findetman hier (im Idealfall) eine lineare Beziehungzwischen der gespeicherten Ladung und derSpannung:

V =QC

.

• Induktivitäten (Spulen). Hier besteht eine linea-re Beziehung zwischen der zeitlichen Änderungdes Stroms und der Spannung

V = LdIdt

.

• Dioden zeigen für negative Spannungen einengeringen Strom; für positive Spannungen ist derStrom deutlich größer und nichtlinear. Bei Röh-rendioden erreicht er einen Sättigungswert, dervon der Heizleistung abhängt. Bei Halbleiterdi-oden steigt der Strom an, bis die Schädigungs-grenze erreicht wird.

169

4 Elektrizität und Magnetismus

• Man kann Dioden u.a. dazu verwenden, um denStrom gleichzurichten oder um eine Begren-zung einzubauen.

• In einer Gasentladung nimmt der Widerstandmit zunehmendem Strom so stark ab, dass dienötige Spannung sogar absinkt. Man sprichthier von einem negativen differenziellen Wider-stand.

4.7 Magnetfelder

4.7.1 Grundlagen

Während die Wechselwirkungen zwischen stati-schen elektrischen Ladungen sich durch das Cou-lomb’sche Gesetz, resp. ein elektrisches Feld be-schreiben lassen, treten bei bewegten Ladungen zu-sätzlich magnetische Wechselwirkungen auf. Die-se können ebenso durch ein magnetisches Feld be-schrieben werden. Das Magnetfeld wird mit demBuchstaben B, resp. H bezeichnet. Die Unterschei-dung zwischen diesen beiden Magnetfeldern wird et-was später diskutiert. Die Einheiten sind

[B] = T = Tesla =Vsm2 [H] =

Am

.

Abbildung 4.89: Magnetischer Dipol mit Feldlinien.

Im Falle des elektrischen Feldes wirken die elek-trischen Ladungen als Quellen des Feldes; es exi-stieren jedoch keine magnetischen “Ladungen” (d.h.Monopole), und somit keine Quellen für das magne-tische Feld. Magnetische Feldlinien haben deshalbnie einen Anfang oder ein Ende, wie in Abb. 4.89gezeigt. Als magnetische Grundeinheiten kann mandie magnetischen Dipole betrachten.

Das WegintegralH

~B · d~s eines Magnetfeldes ist ab-hängig vom Weg, im Gegensatz zum elektrischenFeld: Magnetfelder können somit nicht als Gradi-enten eines Potenzials geschrieben werden. Dies isteine direkte Konsequenz davon, dass die Feldliniengeschlossene Kurven darstellen. Man kann das Ma-gnetfeld statt dessen als Rotation eines Vektorpoten-zials schreiben,

~B = rot~A .

170

4 Elektrizität und Magnetismus

Darauf soll hier aber nicht weiter eingegangen wer-den.

4.7.2 Dipole im Magnetfeld

Es gibt zwar keine magnetischen Ladungen, aber inAnalogie zu den elektrischen Dipole gibt es magne-tische Dipole.

θ

B

µ

M

Abbildung 4.90: Magnetischer Dipol im Magnet-feld.

Genau wie auf elektrische Dipole in einem elektri-schen Feld ein Drehmoment wirkt, erfahren magne-tische Dipole ~

µ ([µ] =Am2) im Magnetfeld ~B einDrehmoment

~M =~µ ⇥~B,

wie in Abb. 4.90 dargestellt. Das Drehmoment istsomit maximal wenn der Dipol senkrecht zur Feld-richtung orientiert ist und verschwindet für paralleleOrientierung.

B µB µ

Ene

rgie

E

0 π/2 πWinkel θ

Abbildung 4.91: Energie des Dipols als Funktion derOrientierung.

Die potenzielle Energie ist analog zum elektrischenDipol

Epot = �~µ ·~B = �µ ·B cosq ,

wobei q den Winkel zwischen Dipol- und Feld-richtung darstellt. Abb. 4.91 zeigt die Abhängigkeitder potenziellen Energie von der Orientierung. DieGleichgewichtsstellung entspricht somit der Orien-tierung parallel zu den Feldlinien, q = 0.

Abbildung 4.92: Kraft auf einen Dipol in einem in-homogenen Feld.

Genau wie bei elektrischen Dipolen wirkt auch aufmagnetische Dipole in einem inhomogenen Feld ei-ne Kraft, die von der Orientierung der Dipole bezüg-lich dem Magnetfeld abhängt (! Abb. 4.92). Sindsie im Gleichgewicht, d.h. parallel zum Feld orien-tiert, so werden sie in Richtung des stärkeren Fel-des gezogen. Ist die Orientierung entgegengesetzt,so werden sie abgestoßen.

4.7.3 Feldlinien und Magnetpole

Genau wie beim elektrischen Feld beschreibt manauch das magnetische Feld mit Hilfe von Feldlinien.diese können z.B. über die Orientierung von magne-tischen Dipolen gemessen werden. Da keine Quellenfür magnetische Felder existieren, sind magnetischeFeldlinien immer geschlossene Schleifen.

Feldlinien können auf unterschiedliche Arten sicht-bar gemacht werden. Meist verwendet man dafürEisen-Feilspäne oder kleine, drehbar gelagerte Ma-gnetchen.

Magnetfelder werden entweder durch elektrischeStröme oder magnetische Körper erzeugt. Ein typi-sches Beispiel ist ein Stabmagnet. Abb. 4.93 zeigtschematisch einen Stabmagneten. Er besitzt zweimagnetische Pole, d.h. er bildet einen magnetischenDipol. Die Feldlinien beginnen am einen Pol, wel-cher magnetischer Nordpol genannt wird, laufendurch die Umgebung zum andern Ende, dem magne-tischen Südpol, und im Material zurück. Bringt man

171

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.93: Stabmagnet, Pole, Feldlinien.

mehrere Stabmagnete zusammen so richtet sich dereine nach den Magnetfeldlinien des anderen aus.

Anziehung Abstoßung

F2

F1

F2

F1

Abbildung 4.94: Anziehung und Abstoßung vonMagneten.

Die niedrigste Energie hat die Kombination offen-bar dann wenn ungleiche Pole benachbart sind: ent-gegengesetzt Pole ziehen sich an, gleiche Pole sto-ßen sich ab (siehe Abb. 4.94), in Analogie zu elek-trischen Ladungen.

Abbildung 4.95: Teilung eines Stabmagneten ergibt2 Stabmagneten.

Im Gegensatz zu elektrischen Ladungen oder elek-trischen Dipole lassen sich Magnetpole nicht tren-nen. Zerbricht man einen Stabmagneten, dann erge-ben sich zwei kürzere Magnete, welche beide jeweilszwei Polen besitzen, wie in Abb. 4.95 dargestellt.

Arktischer Magnetpol

Geographischer Nordpol

MR

MR

78,5oN, 103,4oW

Abbildung 4.96: Magnetfeld der Erde. Der arkti-sche Magnetpol befindet sich in derNähe des geographischen Nordpolsund ist ein magnetischer Südpol.

4.7.4 Erdmagnetfeld und Kompass

Auf Grund des Drehmomentes können magnetischeDipole dazu verwendet werden, die Orientierungund Stärke eines Magnetfeldes zu messen. Ein gutesBeispiel für einen magnetischen Dipol ist eine Kom-passnadel. Diese richtet sich im Magnetfeld der Erdeso aus, dass eines seiner Enden nach Norden weist.Man bezeichnet dieses Ende als magnetischen Nord-pol. Da der magnetische Nordpol einer Nadel von ei-nem magnetischen Südpol angezogen wird und nachNorden zeigt ist offenbar der magnetische Südpolder Erde in der Nähe des geographischen Nordpols(genauer: 78.5�N, 103.4�W), der magnetische Nord-pol in der Nähe des geographischen Südpols (65�S,139�E). Wie in Abb. 4.96 gezeigt, liegen die ma-gnetischen Pole sich in der Nähe aber nicht exaktbeim geographischen Pol befinden zeigt ein Kom-pass nicht exakt nach Norden (in Deutschland: Ab-weichung (Deklination) 2�). Die Feldlinien sind au-ßerdem nicht horizontal (in Deutschland: Inklination55�).

Die Nutzung des magnetischen Kompass wurde inChina um das Jahr 1000 entwickelt; Kolumbus nutz-te ihn für die Fahrt nach Amerika. In beiden Fällenwussten die Seefahrer wie sie ihn benutzen konnten,ohne aber die Funktionsweise zu kennen. Erst imJahre 1600 konnte William Gilbert zeigen, dass manden Kompass verstehen kann wenn man annimmt,dass die Erde ein Magnetfeld besitzt.

172

4 Elektrizität und Magnetismus

4.7.5 Magnetfeld elektrischer Ströme

Magnetfelder können nicht nur von Dipolen erzeugtwerden, sondern auch von bewegten elektrischen La-dungen. Dies weiss man erst seit dem 19. Jahrhun-dert.

Abbildung 4.97: Links: Experiment von Oerstedzum Nachweis dass ein elektri-scher Strom ein Magnetfeld er-zeugt. Rechts: das erzeugte Feldum den Leiter im Querschnitt.

Ørsted6 stellte 1821 fest, dass stromdurchflosseneLeiter eine Kompassnadel in der Nähe beeinflussen.Abb. 4.97 zeigt schematisch das entsprechende Ex-periment.

Abbildung 4.98: Nachweis des Magnetfeldes durcheinen Kompass.

Abb. 4.98 zeigt eine aktuelle Version des Oersted-Experiments. Hier stellt man einen Wettbewerb zwi-schen dem Erdmagnetfeld und dem Magnetfeld desDrahtes fest. In der linken Bildhälfte ist der Stromausgeschaltet. Der Leiter und die Kompassnadel sindparallel zum Erdmagnetfeld ausgerichtet. Rechts istder Strom eingeschaltet und erzeugt ein Magnetfeldsenkrecht zur Richtung des Leiters, wie schematischin Abb. 4.97 rechts dargestellt. Die Kompassnadelrichtet sich entlang der Vektorsumme aus dem Erd-magnetfeld und dem Magnetfeld des Stroms aus.

6Hans Christian Ørsted (1777 - 1851)

4.7.6 Das Durchflutungsgesetz

Mit Hilfe einer Reihe von solchen Experimentenstellt man fest, dass ein Strom, der durch einen gera-den Leiter fließt, kreisförmige Feldlinien erzeugt, inderen Zentrum sich der Leiter befindet, wie in Abb.4.99 gezeigt. Die Stärke des Magnetfeldes ist dabeiproportional ist zum Strom. Man verwendet diesenBefund für die Definition der Magnetfeldstärke.

j

B

Rechte Hand Regel

Abbildung 4.99: Rechte-Hand-Regel für das Ma-gnetfeld.

Die Richtung des Magnetfeldes kann durch die”Rechte-Hand-Regel” bestimmt werden (! Abb.4.99): zeigt der Daumen der rechten Hand in Strom-richtung, so geben die anderen Finger die Richtungdes B-Feldes an.

Aus der Definition der Stromdichte ~j = d~I/dA, wel-che durch ein Flächenelement dA fließt (! Kap.4.5.5) folgt umgekehrt dass der Gesamtstrom durcheine Fläche A gegeben als das Integral der Strom-dichte über diese Fläche,ZZ

A~j ·d~A = I.

Das Magnetfeld in der Nähe einer stromdurchflos-senenen Fläche ist allgemein gegeben durch dasAmpère’sche oder Durchflutungsgesetz. Es lautet,dass das Schleifenintegral des Magnetfeldes über ei-ne beliebige geschlossene Kurve gleich dem Flä-chenintegral der Stromdichte über die eingeschlos-sene Fläche ist,I

~H ·d~s =ZZ

A~j ·d~A = Â

iIi , (4.7)

wobei das Flächenintegral über die Fläche läuft, dievom Pfad des Schleifenintegrals umschlossen wird.

173

4 Elektrizität und Magnetismus

Das Weg-Integral des magnetischen Feldes entlangder geschlossenen Kurve ist somit gleich dem ge-samten Strom durch die Fläche. Daraus folgt auchdie Einheit für das Magnetfeld: [H] = A/m. Mit Hil-fe des Satzes von Stokes erhält man daraus die diffe-rentielle Form:

~—⇥ ~H = ~j.

Das Wegintegral eines Magnetfeldes ergibt offenbareinen Strom; wir vergleichen dies mit dem Weginte-gral des elektrischen Feldes, welches eine Spannung,resp. eine Potenzialdifferenz ergibt. Die Dimensio-nen der beiden Felder sind [E] = V/m und [H] = A/m.

Für einen geraden, unendlichen, stromdurchflosse-nen Leiter ist das Feld aus Symmetriegründen kreis-förmig. Da der eingeschlossene Strom für alle Kreiseder gleiche ist, folgt aus (4.7)I

~H ·d~s = 2prH

oder

H =I

2pr,

d.h. das Feld fällt proportional zum Abstand ab.

4.7.7 Spulen

Aus dem Durchflutungsgesetz kann man auch fürweitere Leiteranordnungen die Magnetfelder be-rechnen. Eine wichtige Art sind Spulen.

Für eine zylinderförmige (Solenoid-) Spule befindensich die Feldlinien vor allem innerhalb des Zylin-ders, wie in Abb. 4.100 gezeigt. Außerhalb ist dasFeld wesentlich schwächer. Wir vernachlässigen hierdiejenigen Feldlinien, welche zwischen den einzel-nen Windungen aus der Spule hinauslaufen. Alle üb-rigen Feldlinien umschließen in guter Näherung Nmal den Leiter. Somit ist der Strom, der durch dievon dieser Feldlinie aufgespannte Fläche fließt NI.Wendet man darauf das Durchflutungsgesetz an, soerhält man

NI =I

~H ·d~s =Z

innen~Hi ·d~s +

Zaussen

~Ha ·d~s

Abbildung 4.100: Verlauf der Feldlinien in einerstromdurchflossenen Spule; oben:schematisch; unten; sichtbar ge-machte Feldlinien mit Hilfe vonEisenspänen.

⇡Z

innen~Hi ·d~s .

Hi beschreibt das Feld im Inneren der Spule, Ha au-ßerhalb. Da das äußere Feld deutlich schwächer istals das innere kann es in guter Näherung vernachläs-sigt werden. Das Feld im Inneren ist in guter Nähe-rung konstant, so dass das Integral zu H` wird, wobei` die Länge der Spule darstellt. Damit erhalten wirfür das Feld im Innern einer langen, dünnen Spule

H =IN`

.

Sowohl die Proportionalität zum Strom wie auch zurWindungszahl kann im Experiment verifiziert wer-den. Man sieht auch, dass das Feld im Innern derSpule recht homogen ist und außerhalb rasch abfällt.

Mit Hilfe von solchen Anordnungen werden heu-te die stärksten Magnetfelder erzeugt, die man imLabor erreichen kann, bis zu etwas über 100 Tmit nicht-destruktiven Anordnungen, bei destrukti-ven Experimenten auch deutlich höher. In astrophy-sikalischen Objekten gibt es noch deutlich stärkereMagnetfelder: Auf der Oberfläche von Neutronen-sternen, wie z. B. Pulsaren, bis zu 108 T, bei Magne-taren, einer speziellen Sorte von Neutronensternen,bis zu 1011 T.

174

4 Elektrizität und Magnetismus

4.7.8 Das Biot-Savart Gesetz

(Benannt nach Jean Baptiste Biot (1774-1862), undFelix Savart (1791-1841))

Das Durchflutungsgesetz erlaubt einem nur für spe-zielle Fälle die Berechnung des Magnetfeldes, da eslediglich dessen Integral enthält.

d ~H(~r) =I d~⇥ ~r

4�r3

I d~

~r

d ~H(~r)

Abbildung 4.101: Magnetfeld eines Strom-Elementes.

Für beliebig geformte stromdurchflossene Leiterverwendet man eine differentielle Form und be-rechnet den Beitrag d~H eines infinitesimalen Lei-terstücks d` zum Magnetfeld im Punkt P (! Abb.4.101). Er beträgt

d~H(~r) =I d~⇥~r4pr3 .

~r stellt den Verbindungsvektor vom Leiterelementzum Punkt P dar, an dem das Feld berechnet werdensoll. Offenbar steht das Feld senkrecht zum Verbin-dungsvektor~r und zum Leiterelement d~ d.h. senk-recht auf der Ebene, welche durch P und das Leiter-element definiert wird.

Für einen beliebigen (nicht notwendigerweise ge-schlossenen) Leiter erhält man das Magnetfeld alsIntegral über den Leiter,

~H(~r) =1

4p

Z I d~⇥~rr3 .

Das Biot-Savart’sche Gesetz kann in einem gewis-sen Sinn auch als das magnetische Äquivalent zumCoulomb’schen Gesetz angesehen werden: Währenddas Coulomb’sche Gesetz die Felderzeugung durchelektrische Ladungselemente beschreibt, wird hierdie Felderzeugung durch Stromelemente beschrie-ben.

4.7.9 Magnetfeld ringförmiger Spulen

Abbildung 4.102: Kreisstrom und Längenelementd~.

Als Beispiel berechnen wir das Magnetfeld im Mit-telpunkt eines kreisförmigen Leiters, wie in Abb.4.102 gezeigt. d~ steht hier immer senkrecht auf ~r,so dass man d~⇥~r durch dsR ersetzen kann, wobeiR den Radius des Rings darstellt. Damit wird

H =I

4pR2

Ids =

I4pR2 2pR =

I2R

.

ds ds

Rdφ

R α

I

r

P

α

d B �d B

d B ||

x

Abbildung 4.103: Magnetfeld auf der Spulenachse.

Analog kann man das Magnetfeld außerhalb der Lei-terebene entlang der Symmetrieachse berechnen (!Abb. 4.103). Aus Symmetriegründen bleibt nach In-tegration über die Spule lediglich die Komponentein Achsenrichtung übrig. Es genügt deshalb, wennwir die Projektion auf die Achse berechnen, welcheproportional ist zu cosa . Diese beträgt

H =I

4pr2 2pR cosa .

Da cosa = R/r wird somit

H = IR2

2r3 =I R2

2(R2 + `2)3/2 ,

175

4 Elektrizität und Magnetismus

wobei ` den Abstand von der Leiterebene darstellt.

Ist der Abstand ` groß im Vergleich zum Radius R,so kann dies vereinfacht werden zu

H =I R2

2`3 ,

d.h. das Feld fällt mit der dritten Potenz des Abstan-des ab. Der Kreisstrom IR2 im Zähler entspricht ei-nem magnetischen Dipol; dessen Stärke is propor-tional zum Strom I und zur umflossenen Fläche.

1

-1

20

0.2

0.4

0.6

1

0.8

0 -2

1

0.5

0

R

R

R

x0

P R2 � x

R2 + x

x Abstand

B

Abbildung 4.104: Ortsabhängigkeit der Magnetfeld-stärke in einem Spulenpaar alsFunktion des Abstandes zwischenden Spulen.

Benötigt man ein homogenes Magnetfeld, das besserzugänglich ist als für eine lange Spule, so kann manzwei (oder mehr) solche Spulen kombinieren wie inAbb. 4.104 gezeigt. In der Mitte zwischen den bei-den Spulen ist die Ableitung der Stärke des Magnet-feldes aus Symmetriegründen immer Null, d.h. dasMagnetfeld ist extremal und damit relativ homogen.Ist der Abstand gering, so erhält man ein Maximum,ist der Abstand groß, so handelt es sich um ein Mini-mum. Abb. 4.104 zeigt das Magnetfeld als Funktiondes Spulenabstands und als Funktion des Ortes aufder Achse.

Helmholtz7 hat gezeigt, dass man für zwei Spulendie beste Homogenität erhält wenn die Spulen mitRadius R im Abstand R voneinander angebracht wer-den: dann wechselt die Krümmung von positiv aufnegativ, d.h. sie verschwindet ebenfalls. Dazu mussin beiden Spulen der gleiche Strom in die gleicheRichtung fließen.

7Hermann von Helmholtz (1821-1894)

4.7.10 Flussdichte und magnetischeFeldenergie

Im Rahmen der Elektrostatik hatten wir zwei Artenvon Feldern diskutiert, das elektrische Feld E unddie Verschiebungsdichte D, welche Polarisationsef-fekte des Mediums enthält. Genauso gibt es in derMagnetostatik zwei Felder, das Magnetfeld H unddie Flussdichte B. Im Vakuum sind die beiden Fel-der wieder direkt proportional:

B = µ0H [B] = T = Tesla =Vsm2 . (4.8)

Die Proportionalitätskonstante

µ0 = 4p ·10�7 VsAm

⇡ 1,257 ·10�6 VsAm

wird als magnetische Feldkonstante oder Permeabi-lität des Vakuums bezeichnet. Eine präzisere Defini-tion wird im Zusammenhang mit dem Induktionsge-setz gegeben.

Befinden sich die Felder nicht im Vakuum, sondernin einem Material, so muss die Proportionalität vonGleichung (4.8) um eine materialabhängige Kon-stante µr korrigiert werden. Diese liegt für die mei-sten Materialien nahe bei eins, außer bei den fer-romagnetische Materialien, welche in Kapitel 4.9.5diskutiert werden.

Wie im elektrischen Feld ist auch im magnetischenFeld Energie gespeichert. Die magnetische Energie-dichte ist

wmagn =12

µ0H2 =12

HB ,

in offensichtlicher Analogie zur Elektrostatik (4.5).Die entsprechenden Einheiten sind

[HB] =Am

Vsm2 =

Jm3 .

Da die Energie proportional zum Quadrat der Feld-stärke ist, erhält man wiederum eine effektive Absto-ßung der Feldlinien. Ein Magnetfeld speichert somitje nach Stärke eine große Energiemenge.

176

4 Elektrizität und Magnetismus

4.8 Bewegte Ladungen imMagnetfeld

4.8.1 Lorentzkraft

Bewegte Ladungen erzeugen Magnetfelder. Umge-kehrt erzeugen Magnetfelder Kräfte auf bewegte La-dungen. Während statische Ladungen nur von elek-trischen Feldern beeinflusst werden, wirken auf be-wegte Ladungen auch in einem magnetischen FeldKräfte.

q

B

v

FL

Abbildung 4.105: Kraft auf eine Ladung, die sich ineinem Magnetfeld bewegt.

Bewegt sich eine Ladung q mit der Geschwindigkeit~v in einem Magnetfeld ~B (! Abb. 4.105), so spürtsie eine Kraft

~FL = q(~v⇥~B),

welche als Lorentzkraft8 bezeichnet wird. Die dreiVektoren Geschwindigkeit, Magnetfeldrichtung undKraft bilden ein rechtshändiges Koordinatensystem.Die Kraft wird maximal wenn die Bewegung senk-recht zum Magnetfeld erfolgt und verschwindetwenn sie parallel zu den Feldlinien läuft. Da dieKraft, und damit die Beschleunigung senkrecht zumGeschwindigkeitsvektor stehen, ändert sich der Be-trag der Geschwindigkeit nicht, sondern lediglich dieRichtung. In einem homogenen Magnetfeld bewe-gen sich geladene Teilchen daher auf Kreisbahnenoder Spiralbahnen.

Die Ablenkung der Elektronen in einem Elektronen-strahl durch ein Magnetfeld wurde früher in Fernseh-geräten und Computermonitoren verwendet. Abb.4.106 zeigt eine experimentelle Verifizierung des Ef-fekts mit Hilfe des sogenannten Fadenstrahlrohrs.

Um ein homogenes Magnetfeld zu erhalten verwen-det man ein Spulenpaar in Helmholtz Anordnung.

8nach Hendrik Antoon Lorentz (1853 - 1928)

Abbildung 4.106: Fadenstrahlrohr.

Abbildung 4.107: Spur der Elektronen in Magnetfel-dern unterschiedlicher Stärke.

Die Elektronen werden über eine Beschleunigungs-spannung in die Röhre “geschossen”. Um den Elek-tronenstrahl sichtbar zu machen, wird verdünntesWasserstoffgas verwendet, welches durch Elektro-nenstösse zum Leuchten gebracht wird. Ohne einäußeres Feld bewegen sich die Elektronen geradli-nig. Legt man ein Magnetfeld an, so wird der Strahlgebogen. Je stärker das Magnetfeld, desto enger dieKurve, wie in Abb. 4.107 gezeigt. Wird der Radiusgenügend klein, so kann er vollständig in der Röhrebeobachtet werden.

4.8.2 Geladene Teilchen im Magnetfeld

Bewegt sich ein geladenes Teilchen senkrecht zumMagnetfeld, so wirkt eine Kraft, die senkrecht zumMagnetfeld und zum Geschwindigkeitsvektor steht.Das Teilchen wird dadurch beschleunigt, der Betragder Geschwindigkeit ändert sich jedoch nicht. Ge-schwindigkeit und Beschleunigung bleiben in einerEbene senkrecht zum Magnetfeld, das Teilchen be-

177

4 Elektrizität und Magnetismus

wegt sich auf einer Kreisbahn. Der Radius r dieserKreisbahn ist gegeben durch das Gleichgewicht zwi-schen Zentrifugalkraft FZF und Lorentzkraft FL :

FZF = mv2

r= FL = qvB.

Somit ist

mv = qrB.

Wird die Geschwindigkeit v durch Beschleunigungmit einer elektrischen Potenzialdifferenz U erzeugt,so beträgt die kinetische Energie

Ekin =mv2

2= qU.

Somit

m2v2 = q2r2B2 = 2mqU.

Der Radius beträgt somit

r =1B

s2mU

q.

Umgekehrt kann aus der Messung des Radius dasVerhältnis von Ladung zu Masse bestimmt werden

qm

=2U

r2B2 , (4.9)

sofern das Magnetfeld bekannt ist.

Diese Messung kann auch am Fadenstrahlrohrdurchgeführt werden. Im Experiment wurde eine Be-schleunigungsspannung von 200 V verwendet. Dergemessene Strom kann in ein Magnetfeld umgerech-net werden:

B = 0,78 ImTA

.

Es wurden folgende Werte für Strom und Bahnradiusgemessen:

I [A] B [mT] r [cm] q/m [1011 C/kg]1,25 0,998 4,55 1,941,5 1,17 3,73 2,12,0 1,56 2,91 1,94

Der Literaturwert beträgt, mit der Elementarladunge und der Elektronenmasse me

eme

=1,602 ·10�19C9,109 ·10�31kg

= 1,760 ·1011 Ckg

.

4.8.3 Anwendungen

Abbildung 4.108: Teilchenspuren in der BEBC(=Big European Bubble Cham-ber) am CERN.

Die Möglichkeit, aus der Bahn eines Teilchens seinespezifische Ladung, also das Verhältnis von Ladungzu Masse zu bestimmen, wird z.B. in der Teilchen-physik intensiv genutzt, z.B. in so genannten Blasen-kammern, wo die Messung des Bahnradius wichtigeRückschlüsse auf die Art des erzeugten Teilchens er-möglicht. Abb. 4.108 zeigt als Beispiel einige Spu-ren, welche am CERN beobachtet wurden. Die Rich-tung der Bahnkrümmung erlaubt die Bestimmungdes Vorzeichens der Ladung.

=Ub

2R

R

+

Teilchenquelle

Schirm

q, m

v0

Spektrallinie

Beschleunigungs- strecke

B

Abbildung 4.109: Massenspektrometer.

Man verwendet diesen Effekt auch, um Teilchennach ihrer Masse (genauer: dem Verhältnis aus La-dung zu Masse) zu sortieren. Wie in Abb. 4.109 ge-zeigt, werden die geladenen Teilchen zunächst in ei-nem elektrischen Feld beschleunigt. Danach werden

178

4 Elektrizität und Magnetismus

sie in einem Magnetfeld B abgelenkt, auf eine Kreis-bahn mit Radius R. durch Auflösen von Gleichung(4.9) erhält man die Masse als Funktion des Bahnra-dius:

m = qB2R2

2U.

Solche Geräte werden z.B. in der Chemie verwen-det, um Moleküle zu identifizieren. Sie werden alsMassenspektrometer bezeichnet.

4.8.4 Bahnen im Magnetfeld

Bewegt sich das Teilchen parallel zu den Magnet-feldlinien, so verschwindet das Vektorprodukt~v⇥~B.Somit wirkt in diesem Fall keine Kraft auf das Teil-chen, es kann sich entlang der Magnetfeldlinien freibewegen.

Unabhängigkeitsprinzip:

Komponente || Ballgemeine Bahn:

B

B

vp

Komponente B

Abbildung 4.110: Allgemeine Bahn im Magnetfeld.

Im allgemeinen Fall hat das Teilchen Geschwindig-keitskomponenten parallel und senkrecht zum Ma-gnetfeld. Während die parallele Komponente nichtbeeinflusst wird und deshalb konstant bleibt, wirddie senkrechte Komponente auf eine Kreisbahn ge-zwungen. Insgesamt resultiert somit eine Spiralbe-wegung um die Magnetfeldlinien, wie in Abb. 4.110gezeigt. Dies kann wiederum im Fadenstrahlrohr be-obachtet werden, indem man den Strahl verkippt, sodass er auch eine Komponente parallel zur Achse derHelmholtz-Spulen aufweist.

Bewegt sich ein geladenes Teilchen in einem inho-mogenen Magnetfeld mit einer Geschwindigkeits-komponente entlang der Magnetfeldrichtung, sowirkt eine Kraft gegen diese Richtung, wie in Abb.

Abbildung 4.111: Magnetische Flasche.

4.111 gezeigt. Die Geschwindigkeit in Feldrichtungwird dadurch reduziert. Offenbar wirken somit Re-gionen starken Feldes wie ein Spiegel. "MagnetischeFlaschen" können deshalb für den Einschluss vonelektrisch geladenen Teilchen verwendet werden.

4.8.5 Geladene Teilchen im Erdmagnetfeld

Abbildung 4.112: Geladene Teilchen im Magnetfeldder Erde.

Das Magnetfeld der Erde fängt auf ähnliche Weiseelektrisch geladene Teilchen ein. Abb. 4.112 zeigtschematisch die Regionen, in denen Teilchen einge-fangen werden.

Diese Bewegung von geladenen Teilchen ist u.a. fürdie Strahlungsgürtel (van Allen Gürtel) um die Er-de verantwortlich. Allerdings können geladene Teil-chen ebensowenig in diesen Bereich eindringen wiesie ihn verlassen können. Die hier gefangenen Teil-chen wurden stattdessen zu einem wesentlichen Teilin der Magnetosphäre erzeugt. Wie in Abb. 4.113gezeigt, schlagen kosmische Strahlen aus der Erdat-mosphäre Neutronen heraus, welche als ungeladeneTeilchen vom Magnetfeld der Erde nicht beeinflusst

179

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.113: Einfangen der Teilchen.

werden. Sie haben jedoch eine endliche Lebensdauerund zerfallen z.T. im Magnetfeld in Protonen. Diesewerden vom Magnetfeld eingefangen.

Abbildung 4.114: Verformung des Erdmagnetfeldesim Sonnenwind.

Das Magnetfeld der Erde wird verzerrt durch denSonnenwind. Abb. 4.114 zeigt den Effekt. Dieserkommt dadurch zustande, dass die geladenen Teil-chen im Magnetfeld durch die Lorentzkraft in unter-schiedliche Richtungen abgelenkt werden. Dadurchfließt netto ein Strom senkrecht zum äußeren Ma-gnetfeld. Dieser Strom erzeugt ein zusätzliches Ma-gnetfeld, welches sich dem vorhandenen überlagert.Das Resultat entspricht einer Kraft auf die Feldlini-en: sie werden in der Richtung der bewegten Ladun-gen gedrückt. Das Magnetfeld der Erde ist deshalbstark asymmetrisch: Auf der Seite der Sonne fällt esnach ca. 10 Erdradien auf die Stärke des Magnetfel-des der Sonne ab; auf der sonnenabgewandten Seitereicht es bis auf ca. 1000 Erdradien hinaus.

Abbildung 4.115: Das Polarlicht (Aurora Borealis)entsteht in den obersten Schichtender Erdatmosphäre.

Die geladenen Teilchen des Sonnenwindes werdenvom Magnetfeld der Erde abgelenkt, aber nicht ein-gefangen. Wenn sie in die Erdatmosphäre eindrin-gen, ionisieren sie die Luftmoleküle und regen siezum Leuchten an, wie in Abb. 4.115 gezeigt. Daskann als Nordlicht beobachtet werden. Die Leuchter-scheinungen finden in der Ionosphäre, in Höhen vonmehreren hundert Kilometern statt, da die Teilchennicht bis in niedrigere Bereiche der Atmosphäre ge-langen.

Abbildung 4.116: Polarlicht aus dem Weltraum.

Die Satellitenaufnahme in Abb. 4.116 zeigt, dassNordlichter vor allem in der Nähe der magnetischenPole stattfinden, wo die Magnetfeldlinien des Erd-magnetfeldes in die Erdatmosphäre eindringen.

Wie das Licht zustande kommt lässt sich u. A. anseinem Spektrum ablesen: im Gegensatz zum Son-nenlicht, welches ein kontinuierliches Spektrum auf-

180

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.117: Spektren aus dem Nordlicht.

weist (d.h. sämtliche Wellenlängen sind vorhanden),besitzt das Nordlicht ein diskretes Linienspektrum,wie in Abb. 4.117 gezeigt. Die beobachteten Lini-en kommen dadurch zustande, dass die hochenerge-tischen Teilchen beim Eintreten in die Erdatmosphä-re durch Stösse Luftmoleküle ionisieren. Wenn dieseaus ihren hoch angeregten Zuständen in niedriger an-geregte zurückfallen senden sie Licht von wohl defi-nierter Wellenlänge aus.

4.8.6 Gekreuzte E- und B-Felder

Die Lorentzkraft ist genau so wie die Coulomb-Wechselwirkung proportional zur Ladung. Die Lor-entzkraft ist zusätzlich aber auch proportional zurGeschwindigkeit, d.h. sie verschwindet, wenn dieLadung ruht. Man kann diesen Unterschied dazuverwenden, ein Geschwindigkeitsfilter für geladeneTeilchen zu konstruieren.

Abbildung 4.118: Gekreuzte Felder als Geschwin-digkeitsfilter.

Abb. 4.118 zeigt das Prinzip: Man verwendet dazuein elektrisches und ein magnetisches Feld im rech-ten Winkel zueinander. Eine Ladung q, welche sich

durch diese beiden Felder bewegt, erfährt die Kraft

~F = q(~E +~v⇥~B).

Diese verschwindet wenn die beiden Vektoren ~E und~v⇥~B in entgegengesetzte Richtungen zeigen und dieGeschwindigkeit des Teilchens gerade

v0 =|E||B|

beträgt. Teilchen, für die diese Bedingung erfülltist, treffen durch die Blende am Ende des Appa-rates, während langsamere oder schnellere Teilchennach unten oder oben abgelenkt werden, wie in Abb.4.118 gezeigt.

Die elektrische und die magnetische Kraft sind bei-de proportional zur Ladung q, aber die Lorentz-kraft ist außerdem proportional zur Geschwindigkeitv. Bei geringen Geschwindigkeiten ist deshalb dieCoulomb-Kraft meistens wichtiger. Bei hohen Ge-schwindigkeiten, d.h. v ⇡ c ändert sich dies jedoch.Ein Magnetfeld von 1 T erzeugt dann die gleicheKraft wie ein elektrisches Feld

E = cB = 3 ·108 Vm

.

Dieser Wert ist deutlich höher als die Werte, welcheüblicherweise in einem Labor erreicht werden kön-nen. Für schnelle Teilchen sind somit Magnetfeldereine deutlich effizientere Methode, ihre Flugbahn zulenken.

4.8.7 Zyklotron

Mit Hilfe einer Kombination von elektrischen undmagnetischen Feldern können elektrische Teilchenauf räumlich begrenztem Raum auf hohe Geschwin-digkeiten beschleunigt werden. Ein relativ weit ver-breitetes Gerät ist das Zyklotron.

Im Zyklotron (! Abb. 4.119) werden Protonendurch ein homogenes Magnetfeld auf Kreisbahnengezwungen. Zur Beschleunigung wird zwischen denbeiden halbkreisförmigen (D-förmigen) Elektrodenein elektrisches Wechselfeld angelegt. Dieses wirdsynchron mit den umlaufenden Ionen umgepolt, ty-pischerweise mit 10-30 MHz. Dadurch erfahren die

181

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.119: Zyklotron.

positiven Ionen im Spalt zwischen den beiden Elek-troden immer ein Feld in Vorwärtsrichtung und wer-den so beschleunigt. Im Bereich der Elektroden istdas Gebiet frei von elektrischen Feldern, sie werdenlediglich durch das senkrecht zu den Platten ange-legte magnetische Feld auf Kreisbahnen geführt.

Wechsel-spannung

VakuumpumpeDeflektor

Vakuum-kammer

Fenster

“Dees”

Abbildung 4.120: Bewegung der Ionen im Zyklo-tron.

Abb. 4.120 zeigt die Bahnen von geladene Teil-chen im Magnetfeld. Bei konstanter Energie sind dieentsprechenden Bahnen Kreisbahnen, wie in Kapi-tel 4.8.4 gezeigt. Deren Radius ist bestimmt durchdas Gleichgewicht aus Lorentzkraft und Zentrifugal-kraft:

evB = mv2

r.

Daraus ergibt sich der Radius der Kreisbahn

r =mveB

und die Geschwindigkeit der Teilchen

v =eBrm

.

Der Radius ist somit proportional zur Geschwindig-keit und indirekt proportional zur Stärke des Ma-gnetfeldes. Beim Beschleunigungsprozess wird denElektronen durch Hochfrequenzfelder Energie zuge-führt, sie werden also beschleunigt. Aufgrund derzunehmenden Geschwindigkeit wird der Bahnradiusgrößer. Da der Radius proportional ist zur Geschwin-digkeit, bleibt die Umlaufzeit konstant,

T =2pr

v= 2p

meB

.

Somit ist die benötigte Hochfrequenz für alle Teil-chen die gleiche, unabhängig von ihrer Geschwin-digkeit und dem Bahnradius. Sie hängt jedoch vonder spezifischen Ladung e/m ab.

Die Energie der Ionen ist

Ekin =mv2

2=

(eBr)2

2m.

Die maximale Energie wird erreicht, wenn die Teil-chen den maximalen Radius erreichen. Dieser istdurch die Grenzen des Vakuumgefäßes oder des Ma-gnetfeldes gegeben. Mit solchen Geräten könnenEnergien von bis zu 25 MeV erreicht werden.

4.8.8 Hall Effekt

Während wir bisher nur die Bewegung geladenerTeilchen im Vakuum diskutiert haben findet mandie gleichen Prozesse auch in Materie. So kann dieKompensation von gekreuzten elektrischen und ma-gnetischen Feldern in Halbleitern beobachtet wer-den. Er wird dort als Hall-Effekt bezeichnet.

Abbildung 4.121: Hall Effekt: Strom im Magnet-feld.

182

4 Elektrizität und Magnetismus

Fließt ein Strom in einem dünnen Plättchen derDicke `, und ist ein Magnetfeld senkrecht dazu an-gelegt, so erfahren die Ladungsträger eine Lorentz-kraft, welche sie in der Geometrie von Abb. 4.121nach oben oder unten ablenkt. Abb. 4.121 zeigt dieentsprechende Mess-Anordnung. Die Lorentzkraftwird dann kompensiert, wenn sich durch die abge-lenkten Ladungsträger ein elektrisches Feld senk-recht zur Flussrichtung aufgebaut hat.

Abbildung 4.122: Kräfte beim Hall Effekt.

Abb. 4.122 zeigt den Fall, dass sich die Kräfte geradekompensieren - einmal für positive Ladungen, ein-mal für negative. Handelt es sich bei den Ladungs-trägern um Elektronen, so ist die Bewegungsrich-tung der Ladungsträger entgegen der Stromrichtung.Dann kompensiert das Feld die Lorentzkraft wenn

eEx =eUx

`= �evyBz .

Diese resultierende Spannung

Ux = �`vyBz = UH

wird als Hall-Spannung UH bezeichnet.

Wie in Kapitel 4.5.7 diskutiert, wird die Geschwin-digkeit vy der Ladungsträger als Driftgeschwindig-keit bezeichnet. Sie kann über die Stromdichte j undLadungsträgerdichte n bestimmt werden:

j =I

`d= nqvy .

Damit wird die Driftgeschwindigkeit

vy =j

nq=

I`d nq

und wir erhalten für die Hall Spannung

UH = Ux = �` jBz

nq= � IBz

nqd.

Die Messung der Hall Spannung kann deshalb zurMessung der magnetischen Flussdichte Bz (bei be-kannter Ladungsträgerdichte) oder zur Messung derLadungsträgerdichte n (bei bekannter Flussdichte)verwendet werden.

4.8.9 Messung der Ladungsträgerdichte

Die Hall Spannung ist indirekt proportional zurDichte der Ladungsträger. Der Grund ist, dass beigeringerer Ladungsträgerdichte die Geschwindigkeitder Ladungsträger bei gegebenem Strom größer istund somit die Lorentzkraft stärker wirkt. Deshalbmacht sich der Halleffekt bei Halbleitern, wo die La-dungsträgerdichte gering ist, stärker bemerkbar alsbei Metallen mit hoher Ladungsträgerdichte.

Abbildung 4.123: Messung des Hall Effektes.

Abb. 4.123 zeigt ein entsprechendes Experiment.Hier wird ein Wismut Plättchen mit einer Breite vond = 2 mm verwendet. Die Ladungsträgerdichte nevon Wismut beträgt 2·106 C m�3. Bei einem Stromvon 4 A und einem Feld von B = 35 mT erhält maneine Hall Spannung von

UH =4A35 ·10�3T

2 ·106Cm�32 ·10�3m= 35µV .

Wismut ist für Hall-Experimente wegen der gerin-gen Ladungsträgerdichte besonders geeignet. FürKupfer findet man im Experiment eine Hall-Konstante (Materialkonstante)

KH =1

nq= �0.55 ·10�3 m3

C.

Das Vorzeichen besagt dass die Ladungsträger nega-tiv (d.h. Elektronen) sind. Mit q = �e = -1.6·10�19

183

4 Elektrizität und Magnetismus

C findet man für die Dichte der Ladungsträger

n =1

KHe=

11,6 ·10�19C0,55 ·1010m3/C

= 11,3 ·1028m�3 .

Diesen Wert kann man vergleichen mit der Dichteder Atome in Kupfer:

nCu =NAr

M=

6,02 ·10238,91 ·106

63,55m�3

= 8,46 ·1028m�3 .

Offenbar tragen pro Cu-Atom 1,3 Elektronen zurelektrischen Leitung bei. Man kann dies verallge-meinern: In metallischen Leitern ist das Verhältnisder Leitungselektronen zu Atomen von der Größen-ordnung eins.

Aus dem Vorzeichen der Hall Konstanten kann manauch die Art der Ladungsträger bestimmen. In denmeisten Metallen sind die Ladungsträger negativ ge-laden, d.h. es handelt sich um Elektronen.

4.8.10 Stromdurchflossene Leiter imMagnetfeld

Abbildung 4.124: Leiterschaukel im Magnetfeld.

Befinden sich die bewegten Ladungen in einem Lei-ter, so wirkt eine entsprechende Kraft auf den Leiter.Abb. 4.124 zeigt eine entsprechende experimentelleAnordnung. Die Summe der Lorentz-Kräfte auf alleN = nV beweglichen Ladungen im Volumen V be-trägt

~FL = V nq(~v⇥~B) = V (~j ⇥~B).

Hier wurde die Stromdichte

j =IA

= nqv

verwendet, wobei angenommen wurde, dass sie überdas betrachtete Volumen konstant sei. Dies ist für in-finitesimale Volumenelemente erfüllt; es ist deshalbsinnvoll, die Kraft auf das entsprechende Volumen-element zu beziehen:

~FL

DV= ~j ⇥~B.

Offenbar ergibt das Vektorprodukt von Stromdich-te und Flussdichte die Kraftdichte. Diese Gleichungenthält keine Proportionalitätskonstante; dies ist keinZufall: Die Flussdichte B wurde so definiert, dass indieser Gleichung die Proportionalitätskonstante = 1wird.

Genau wie die Ladungen wird der stromdurchflosse-ne Leiter senkrecht aus dem Magnetfeld hinaus ge-drückt. Die Kraft beträgt für ein infinitesimales Lei-terstück d`

d~F = I(d~⇥~B).

Man verifiziert im qualitativen Vorlesungsexperi-ment dass sowohl eine Umkehrung der Stromrich-tung wie auch eine Umkehrung der Richtung desMagnetfeldes eine Umkehr der Kraftwirkung erge-ben.

Den gleichen Effekt kann man auch über das Ma-gnetfeld erklären: Der stromdurchflossene Leiter er-zeugt ein kreisförmiges Magnetfeld, welches demäußeren Magnetfeld überlagert wird. Das gesamteMagnetfeld ist auf einer Seite des Leiters schwächerals auf der anderen Seite. Da Magnetfeldlinien sichgegenseitig abstoßen, resultiert dies in einer Kraftauf den Leiter, welche so wirkt, dass die Feldstärkeausgeglichen wird.

4.8.11 Parallele stromdurchflossene Leiter

Analog wirkt eine Kraft zwischen zwei stromdurch-flossenen Leitern, wie im Beispiel von Abb. 4.125.Man kann dies verstehen, indem man die Kraft, dieauf den Leiter 2 wirkt, beschreibt als Resultat des

184

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.125: Parallele stromdurchflossene Lei-ter.

Stromflusses im Magnetfeld des Leiters 1 (und um-gekehrt): Der eine Leiter erzeugt ein Magnetfeld

H1 =I1

2pr! B1 =

µ0

2p

I1

r.

Der stromdurchflossene zweite Leiter der Länge ` er-fährt damit eine Kraft

~F2 = I2~⇥~B .

Die Richtung der Kraft ist offenbar senkrecht zumLeiter und senkrecht zum Feld. Das Feld ist wieder-um senkrecht zur Ebene, in der sich die beiden Lei-ter befinden. Damit wirkt die Kraft in der Ebene derLeiter. Der Betrag ist

|F | =µ0`

2prI1I2 .

Da die Kraft auf beide Leiter gleich wirkt, wurdehier der Index 2 weggelassen. Der numerische Wertwird mit µ0 = 4p ·10�7 Vs/Am und I1 = I2 = 1A,` =r = 1m, |F | = 2 · 10�7 N. Dieser Wert ist exakt, oh-ne Rundung, weil die Stromstärke im SI-System sodefiniert ist:

1 Ampere ist die Stärke eines zeitlich unverän-derlichen Stroms, der, durch zwei im Vakuumparallel im Abstand von 1 Meter voneinanderangeordnete, geradlinige, unendlich lange Lei-ter von vernachläßigbar kleinem kreisförmigemQuerschnitt fließend, zwischen diesen Leitern je1 Meter Leiterlänge die Kraft 2·10�7 Newtonhervorruft.

Für praktische Realisierungen werden allerdings et-was andere Geometrien verwendet. Die Richtung derKraft ist anziehend, sofern die beiden Ströme paral-lel fließen, abstoßend wenn sie in entgegengesetzteRichtungen fließen.

Abbildung 4.126: Feldlinien von 2 parallelen Strö-men.

Man kann den Effekt auch auf eine etwas symme-trischere Weise herleiten, indem man die Überlage-rung der Feldlinien betrachtet, wie in Abb. 4.126 ge-zeigt. Fließen die beiden Ströme parallel, so kommtes zwischen den beiden Leitern zu einer Redukti-on der Feldstärke und damit zu einer anziehendenKraft. Fließen die beiden Ströme in entgegengesetz-ter Richtung, so verstärken sich die Felder zwischenden Leitern und die Abstoßung der Feldlinien führtzu einer Abstoßung der Leiter.

ohne Strom nach Einschalten des Stroms

Abbildung 4.127: Pinch Effekt an einem System ausAluminiumleitern.

Die gegenseitige Anziehung von parallel fließendenStrömen erzeugt eine Art gegenseitige Anziehungs-kraft. Je größer die Stromdichte desto größer die ge-genseitige Anziehung. Abb. 4.127 zeigt dies an ei-nem einfachen Beispiel, in dem ein Strom durch einBündel von Aluminiumstreifen fließt. Diese ziehensich immer stärker zusammen, bis sie an der dünn-sten Stelle verglühen.

185

4 Elektrizität und Magnetismus

4.8.12 Drehmoment auf Leiterschleife

Abbildung 4.128: Kräfte auf Leiterschleife im Ma-gneten.

Wir verwenden diese Resultate, um das Drehmo-ment zu berechnen, welches auf eine stromdurch-flossene Leiterschleife in einem Magnetfeld wirkt.Abb. 4.128 zeigt die entsprechende Anordnung. DieLeiterschleife sei um eine Achse (in der Figur ge-strichelt gezeichnet) drehbar gelagert. Wir brauchenhier nur die beiden parallelen Teilstücke der Länge `zu betrachten. Sie liegen senkrecht zu den Magnet-feldlinien, so dass der Betrag der Kraft durch

F = I `B

gegeben ist. Zusammen bilden sie ein Kräftepaarund erzeugen ein Drehmoment

M = F `0 sinq

0 = I ``0 B sinq

0 = I AB sinq

0,

also proportional zum Produkt aus Strom, stromum-flossener Fläche A und Flussdichte B. Das Drehmo-ment wird maximal, wenn die Flächennormale zurSchleife senkrecht zu den Feldlinien liegt, also beiq

0= ±p/2.

Man kann dieses Resultat auch sehr kompakt schrei-ben als

~M = I~A⇥~B,

wobei ~A wie üblich senkrecht auf der Fläche A stehtund sein Betrag gleich der Fläche ist. Dieses Resul-tat gilt allgemein, nicht nur für rechteckige Strom-schleifen. In Analogie zum entsprechenden Resultatder Elektrostatik kann man ein magnetisches Dipol-moment ~µ definieren

~µ = I~A

Abbildung 4.129: Demonstration des Drehmoments.

und erhält ~M =~µ ⇥~B - genau wie zu Beginn des Ka-

pitels für elementare magnetische Dipole diskutiert.

Man kann diesen Effekt leicht verifizieren, indemman eine stromdurchflossene Spule in das Magnet-feld eines Permanentmagneten bringt. Abb. 4.129zeigt das entsprechende Experiment.

Abbildung 4.130: Schematischer Aufbau einesDrehspulinstruments.

Dieses Prinzip kann z.B. für die Messung einesStroms verwendet werden. Wie in Abb. 4.130 ge-zeigt, lässt man ihn durch eine Leiterschleife flie-ßen, welche sich in einem Magnetfeld befindet. Diebeiden Teilstücke, welche senkrecht zu den Feldlini-en laufen, erzeugen ein Drehmoment, welches übereinen Zeiger nachgewiesen wird.

4.8.13 Elektromotoren

Das Drehmoment, welches eine stromdurchflosse-ne Spule in einem Magnetfeld erfährt, bildet auchdie Basis für Elektromotoren. Wie in Abb. 4.131gezeigt, verwendet man einen statischen Magneten(Stator) und stromdurchflossene Leiter, welche einenmagnetischen Dipol erzeugen, der sich im Magnet-feld des Stators ausrichtet.

186

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.131: Aufbau eines Elektromotors.

Da man in diesem Fall im Allgemeinen eine kontinu-ierliche Rotation erhalten möchte, muss der Strom-fluss entsprechend angepasst werden. Indem mandiesen Dipol in eine andere Richtung dreht erreichtman eine Drehung des Rotors. Dazu müssen dieStröme im richtigen Moment auf andere Leitersät-ze übertragen werden. Dies leisten die sogenanntenBürsten oder Schleifkontakte. Diese Art von Moto-ren wird mit Gleichstrom betrieben und wird deshalbals Gleichstrommotor bezeichnet.

Eine andere Möglichkeit ist der Betrieb mit Wech-selstrom. Entsprechende Motoren werden als Wech-selstrommotoren bezeichnet.

4.8.14 Elektromagnetische Bezugsysteme

Die elektrischen und magnetischen Felder sind engmiteinander verknüpft; bei einem Wechsel des Be-zugsystems gehen die einen (teilweise) in die andernüber.

Abbildung 4.132: Kraft auf bewegte Ladung.

Abb. 4.132 zeigt eine Box, in der eine Ladung

an einem Kraftmesser aufgehängt ist. Wird dieseBox durch ein horizontales (||y) Magnetfeld bewegt,wirkt auf die Ladung eine Lorentzkraft

~F1 = q(~v⇥~B)

nach unten. Für einen Beobachter, der sich mit derBox mitbewegt, wird v = 0, und die Lorentzkraft ver-schwindet. Er sieht aber trotzdem die Auslenkung.Offenbar existiert in seinem Bezugsystem ein elek-trisches Feld, welches eine Kraft

~F2 = q~E

bewirkt. Offenbar entsteht durch den Übergang insbewegte Bezugsystem ein zusätzliches Feld

~E 0 =~v⇥~B .

Abbildung 4.133: Felder in einem bewegten Bezug-system.

Ein analoges Gedankenexperiment kann man fürmagnetische Wechselwirkungen durchführen. InAbb. 4.133 bewegt sich eine Magnetnadel zwischenzwei geladenen Platten. Ein Beobachter, der sich mitder Nadel mitbewegt, sieht auf beiden Seiten eineFlächenstromdichte, welche ein Magnetfeld erzeugt.Die Stärke dieses Magnetfeldes beträgt (ohne Her-leitung)

B0 = �e0µ0(~v⇥~E) ,

wobei ~E das Feld ist, welches im Ruhesystem durchdie Ladungsverteilung erzeugt wird.

Beide Felder - das elektrische wie das magnetische -sind jeweils senkrecht zur Bewegungsrichtung undsenkrecht zum ursprünglichen Feld orientiert. DieFeldkomponenten entlang der Bewegungsrichtungwerden jeweils nicht betroffen.

187

4 Elektrizität und Magnetismus

4.8.15 Lorentz-Transformation

Die hier diskutierten Beziehungen müssen modi-fiziert werden wenn die Geschwindigkeit sich derLichtgeschwindigkeit c nähert. Sie lauten dann füreine Bewegung in x-Richtung mit Geschwindigkeitvx = bc :

E 0x = Ex H 0

x = HxE 0

y = g(Ey � vxBz) H 0y = g(Hy + vxDz)

E 0z = g(Ez + vxBy) H 0

z = g(Hz � vxDy)

Der Lorentz-Faktor

g =1q

1� v2

c2

wurde bereits in Kapitel 2.8.11 eingeführt. Er ist ~1 so lange die Geschwindigkeit klein ist im Ver-gleich zur Lichtgeschwindigkeit. Wie in der Relati-vitätstheorie gezeigt wird kann die Geschwindigkeitnicht größer als c werden. Wenn v ! c geht, wird g

sehr groß. Diese Transformation der Feldgleichun-gen kann auch verwendet werden, um z.B. das Biot-Savart’sche Gesetz aus dem Coulomb-Gesetz herzu-leiten.

Ladung in Ruhe

vSchnelle Ladung

Beschleunigte Ladung

v, a

Abbildung 4.134: Feldlinien von relativistisch be-wegten Ladungen.

Die Feldlinien sehen dementsprechend anders aus:für sehr schnelle Teilchen sind die Feldlinien in ei-ner Ebene senkrecht zur Bewegungsrichtung kon-zentriert, wie in Abb. 4.134 gezeigt. Bei beschleu-nigten Ladungen werden sie außerdem gekrümmt.

Dies ist auch der Grund dafür dass die Strahlungbei relativistischen Teilchen grösstenteils in Vor-wärtsrichtung abgestrahlt wird. Abb. 4.135 zeigt denStrahlungskegel für eine Ladung, welche sich mit

relativistiches Teilchen

v

Relativistische Verengung des Strahlungskegels in Vorwärtsrichtung

v = 0,9 c

Abbildung 4.135: Relativistische Verengung desStrahlungskegels in Vorwärtsrich-tung.

90 % der Lichtgeschwindigkeit bewegt. Ein Beispieldafür solche relativistischen Teilchen sind Elektro-nen in einem Speicherring (wie z.B. DELTA).

4.9 Materie im Magnetfeld

Diese Kapitel behandelt die magnetischen Eigen-schaften von Materie. Hier geht es nicht um mikro-skopische elementare Teilchen wie einzelne magne-tische Dipole, sondern um makroskopische Körper.Deren Eigenschaften können jedoch auf die Wech-selwirkungen zwischen den darin enthaltenen ele-mentaren magnetischen Dipolen zurückgeführt wer-den.

188

4 Elektrizität und Magnetismus

4.9.1 Elementare magnetische Dipole

Ein Stahldraht kann magnetisiert werden indem manihn in ein Magnetfeld bringt. Der Draht enthält an-schließend einen Nord- und einen Südpol, wie mananhand der Wechselwirkung mit einer Kompassna-del nachweisen kann.

Abbildung 4.136: Dipole in einem magnetisiertenDraht.

Dass es sich hier um mikroskopische Dipol handelt,und nicht um jeweils einen magnetischen Monopolam Ende des Drahtes, sieht man daran, dass manbeim Teilen des Drahtes in zwei Teile die Teile nichteine “Ladung” enthalten, sondern selber wieder alsDipole wirken, wie in Abb. 4.136 gezeigt.

Abbildung 4.137: Elementarer Dipol = Kreisstrom.

Die Aufteilung in immer kleinere Dipole geht weiterbis auf die atomare Ebene. Wie bei der Diskussionder stromdurchflossenen Leiterschleife gezeigt, er-zeugen elektrische Kreisströme magnetische Dipol-momente

~µ = IA~n [µ]= Am2 ,

wobei I den Strom, A die Fläche und ~n den Nor-malenvektor auf die Fläche darstellt. Solche Dipoleexistieren auch in mikroskopischer Form in unter-schiedlichen Materialien. Als ein einfaches Modellberechnen wir das magnetische Moment eines Elek-trons, welches wie in Abb. 4.137 gezeigt um einenAtomkern kreist. In einem klassischen Modell be-schreiben wir den Kreisstrom durch ein einzelnes

Elektron. Dieses erzeugt einen Strom

|I| = ew

2p

.

Damit wird das magnetische Moment

µ = Ipr2 =r2ew

2.

In der Quantenmechanik wird gezeigt, dass der Dre-himpuls von Elektronen in Atomen nur Werte anneh-men kann, die einem Vielfachen der Planck’schenKonstanten

h =h

2p

= 1,05459 ·10�34Js

besitzen; im klassischen Modell entspricht dies fürden kleinsten nicht verschwindenden Wert des Dre-himpulses

h = mer2w.

Damit wird das magnetische Moment dieses atoma-ren Kreisstroms

µB =eh

2me=

1,6 ·10�19C1,05 ·10�34Js2,9 ·10�31kg

= 9,27 ·10�24Am2 .

Dieses elementare magnetische Moment wird alsBohr’sches Magneton bezeichnet. Es stellt die Ein-heit für mikroskopische magnetische Momente dar.In realen Systemen ergeben sich Korrekturen, dieaber von der Größenordnung von eins sind.

4.9.2 Magnetisierung

Abbildung 4.138: Induzierte Kreisströme.

189

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.139: Links: Spule erzeugt Magnetfeld.Rechts: magnetisches Material er-höht die Flussdichte.

Analog zum elektrischen Feld wird auch bei magne-tischen Feldern im Material eine magnetische Pola-risation induziert, wie in Abb. 4.138 gezeigt.

Wir betrachten zunächst die Anordnung von Abb.4.139 links: eine Solenoidspule erzeugt im Innernein Magnetfeld H. Bringt man ein magnetisches Ma-terial in diese Spule so stellt man fest, dass diemagnetische Flussdichte B bei gleichem Strom zu-nimmt, wie in Abb. 4.139 rechts gezeigt. Die Zunah-me der Flussdichte B kann man mit einer Hall-Sondemessen, wenn der Eisenkern hineingeschoben wird.Man kann sich dies so vorstellen, dass im magneti-schen Stab Ringströme fließen, welche ein zusätzli-ches Feld erzeugen, das parallel zum externen FeldµH liegt.

Wie in Abb. 4.138 und 4.139 gezeigt, kann man sichdiese zusätzlichen Ringströme entweder als an derOberfläche liegend (wie die Oberflächenladungenbei Dielektrika) vorstellen, oder als kleine Ringströ-me im gesamten Volumen des Stabes. Die Ringströ-me im Innern kompensieren sich gegenseitig, ledig-lich der Oberflächenstrom bleibt unkompensiert. ImGegensatz zu einer normalen Stromdichte ist die-ser magnetische Oberflächenstrom jedoch verlust-frei, d.h. er führt nicht zu einer Erwärmung undbleibt zeitlich unverändert.

Die gesamte magnetische Flussdichte im Material ist

Bm = µrB0 = µrµ0H0 = B0 + µ0J,

wobei sich H0 und B0 auf die Situation ohne Materi-al, d.h. auf die leere Spule beziehen. µr ist die relati-ve Permeabilität (=Durchlässigkeit) des Mediums.

In der letzten Gleichung stellt der Term µ0J den Bei-trag des Materials zum gesamten Feld dar. J wird als

magnetische Polarisation oder Magnetisierung be-zeichnet, und ist durch die Stärke, Dichte und Aus-richtung der mikroskopischen Dipole gegeben. Sieist häufig proportional zum äußeren Feld,

~J = (µr �1)~H0 = cm~H0.

Die Proportionalitätskonstante cm wird als magneti-sche Suszeptibilität bezeichnet. Sie kann wahlweiseanstelle der Permeabilität µr verwendet werden.

Permeabilität und magnetische Suszeptibilität kön-nen gemessen werden, indem man die Änderung derInduktivität einer Spule beim Einführen des entspre-chenden Materials misst - in enger Analogie zum Di-elektrikum im Plattenkondensator.

4.9.3 Klassifikation magnetischenVerhaltens

Man unterscheidet drei Klassen von magnetischenMaterialien, welche sich durch die Werte von cm un-terscheiden:

• in diamagnetischen Materialien ist die magne-tische Polarisation klein und entgegen dem äu-ßeren Feld ausgerichtet, cm < 0 .

• in paramagnetischen Materialien ist die magne-tische Polarisation klein und parallel zum äuße-ren Feld ausgerichtet, cm > 0 .

• in ferromagnetischen Materialien ist die ma-gnetische Polarisation groß und parallel zumäußeren Feld ausgerichtet, cm � 0. Häufig istsie aber nicht mehr proportional zum äußerenFeld.

Ist die Suszeptibilität negativ, so ist die induzierteMagnetisierung dem äußeren Magnetfeld entgegen-gerichtet. Die Energie des so induzierten magneti-schen Dipols ist damit positiv und proportional zurStärke des Magnetfeldes. Auf ein diamagnetischesMaterial wirkt deshalb eine Kraft in Richtung desschwächeren Feldes.

Diesen Fall erhält man z.B. wenn man eine Glas-kugel in ein inhomogenes magnetisches Feld bringt,wie in Abb. 4.140 gezeigt. Dabei spielt es keine Rol-le welches der Nord- und welches der Südpol ist, die

190

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.140: Kraft in einem inhomogenen Ma-gnetfeld.

Glaskugel wird immer in Richtung des schwächerenFeldes bewegt. Im Gegensatz dazu ist die Magneti-sierung in einem paramagnetischen Material parallelzum äußeren Feld orientiert. Es kann seine Energiesomit erniedrigen indem es sich in Richtung des stär-keren Feldes bewegt. Diesen Fall kann man mit einerAluminiumkugel nachvollziehen.

Die Unterscheidung zwischen Dia- und Paramagne-tismus kann auch mit Hilfe von Stäbchen vorgenom-men werden, welche sich im Magnetfeld parallel re-spektive senkrecht zu den Feldlinien ausrichten.

B = 0

Magnetfeld aus

B > 0

Magnetfeld ein

Abbildung 4.141: Eine rote paramagnetische Flüs-sigkeit wird in ein Magnetfeldhinein gezogen.

Magnetische Eigenschaften findet man nicht nurin Festkörpern; auch Flüssigkeiten sind paramagne-tisch wenn sie entsprechende Ionen enthalten. Abb.4.141 zeigt als Beispiel eine Lösung von FeCl3, wel-che paramagnetische Eisenionen enthält. Auch indiesem Fall kann das Material Energie gewinnen in-dem es sich in das Gebiet mir höherer Energie be-wegt, also im Rohr hochsteigt.

Abb. 4.142 fasst die wichtigsten magnetischen Stof-feigenschaften zusammen.

Abbildung 4.142: Übersicht über magnetische Ma-terialeigenschaften.

4.9.4 Mikroskopisches Modell

Das magnetische Verhalten unterschiedlicher Mate-rialien kann auf mikroskopische Eigenschaften zu-rückgeführt werden. Die wichtigsten Beiträge stam-men von den magnetischen Momenten der Elek-tronen, wobei unterschieden werden kann zwischenderen Bahnmoment ~mBahn und Spin-Moment ~mSpin,welcher der Eigenrotation der Elektronen entspricht.

Der Diamagnetismus existiert in allen Körpern; erkann jedoch durch andere Effekte überdeckt wer-den. In diamagnetischen Materialien sind die Elek-tronen jeweils in Paaren vorhanden, deren magne-tische Momente entgegengesetzt ausgerichtet sind.Dadurch tragen diese nicht zum Magnetismus bei.Hingegen erzeugt das äußere Magnetfeld eine Prä-zession der Elektronenhülle. Der daraus resultieren-de Kreisstrom erzeugt eine magnetische Polarisationin entgegengesetzter Richtung zum externen Feld, sodass die Flussdichte reduziert wird.

Generell ist der Diamagnetismus umso stärker jegrößer die Elektronendichte ist und je weiter dieElektronen vom Atomkern entfernt sind. Abb. 4.143zeigt die Suszeptibilitäten für eine Auswahl vonMaterialien - links für diamagnetische Materialien,rechts für paramagnetische.

In paramagnetischen Materialien existieren magneti-sche Spin-Momente, welche ohne Magnetfeld zufäl-lig orientiert sind und sich deshalb gegenseitig kom-pensieren. Liegt ein äußeres Magnetfeld an, so wer-den die magnetischen Momente teilweise ausgerich-

191

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.143: Suszeptibilität in diamagneti-schen (links) und paramagne-tischen Materialien (rechts).

B=0

Dipole ungeordnet

B>0

Dipole leicht geordnet

B≫0

Dipole geordnet

Abbildung 4.144: Mikroskopisches Modell des Pa-ramagnetismus.

tet und erzeugen eine Polarisation parallel zum äu-ßeren Feld, wie in Abb. 4.144 skizziert. Die Stärkedieser Polarisation ist durch das Gleichgewicht zwi-schen dem Energiegewinn durch parallele Orientie-rung und der thermischen Bewegung gegeben.

Quantenmechanik

Bext/T [T/K]

M/M

max

Cur

ie-G

eset

z1,0

0,75

0,5

0,25

00 1 2 3

1,3 K2,0 K3,0 K4,2 K

Abbildung 4.145: Temperaturabhängigkeit der Ma-gnetisierung.

Die Ausrichtung der magnetischen Dipole im Ma-gnetfeld ist teilweise statistischer Natur, wobei einstarkes Magnetfeld eine stärkere Ausrichtung be-vorzugt, während hohe Temperaturen zu einer reinzufälligen und damit gleich verteilten Orientierungführen. Insgesamt wird die Suszeptibilität in einem

gewissen Bereich durch das Curie-Gesetz9

cm =CT

beschrieben. Die Curie-Konstante C ist eine materi-alabhängige Konstante, welche die Stärke der inter-nen magnetischen Momente enthält. In Abb. 4.145ist die Magnetisierung

~M = cm~H

dargestellt. Die rote Gerade zeigt die Voraussage desCurie-Modells.

Bei tiefen Temperaturen und hohen Feldern findetman Abweichungen von diesem linearen Verhalten,wie in Abb. 4.145 gezeigt. Sie können dadurch er-klärt werden, dass dann alle Dipole vollständig aus-gerichtet sind. Eine quantitative Behandlung ist je-doch nur mit Hilfe der Quantenmechanik möglich.

4.9.5 Ferromagnetismus

In Materialien mit nur teilweise gefüllten Elektro-nenschalen kann die starke Wechselwirkung zwi-schen den Elektronen zu einem qualitativ anderenVerhalten führen. In diesen ferromagnetischen Sub-stanzen wie Eisen, Kobalt oder Nickel sind die Kon-stanten cm und µr � 1 (etwa 5000 bei Eisen). Außer-dem ist der Zusammenhang B(H) nicht mehr line-ar und damit auch µr(H) eine Funktion des äußerenFeldes. Die mikroskopische Ursache davon ist, dassdie Wechselwirkung zwischen den atomaren Dipo-len wesentlich stärker ist als die Wechselwirkungmit dem äußeren Magnetfeld. Je nach Vorzeichender Wechselwirkung ist es dann für die Dipole ener-getisch günstiger, sich parallel zu ihren Nachbarnzu orientieren (bei ferromagnetischer Wechselwir-kung), oder anti-parallel (bei antiferromagnetischerWechselwirkung).

Die starke Wechselwirkung zwischen den magneti-schen Momenten führt zu einer bevorzugten paral-lelen Ausrichtung ihrer magnetischen Momente sodass auch ohne externes Magnetfeld eine endlicheMagnetisierung existieren kann. Die Richtung die-ser Magnetisierung hängt von der Vorgeschichte des

91896 von Pierre Curie (1859 - 1906) vorgeschlagen

192

4 Elektrizität und Magnetismus

Materials ab. Dieses Verhalten wird als Ferroma-gnetismus (oder Antiferromagnetismus) bezeichnet.Man nutzt den Effekt z.B. in Permanentmagneten.Abb. 4.146 zeigt den Effekt anhand eines einfachenModells.

Abbildung 4.146: Modell für ferromagnetische Ma-terialien.

Gegen die parallele Ausrichtung wirkt wiederum diethermische Bewegung. Es gibt deshalb eine Tempe-ratur TC, oberhalb der sich solche Materialien wieein Paramagnet verhalten, während sie sich unter-halb ferromagnetisch verhalten. Die genaue Tempe-raturabhängigkeit der Suszeptibilität ist jedoch etwasanders als bei reinen Paramagneten:

cm(Ferromagnet) =C

T �TCfuer T > TC .

Dies wird als Curie-Weiss-Gesetz10 bezeichnet. Hiernimmt die Suszeptibilität mit abnehmender Tempe-ratur zu und divergiert bei der kritischen Tempera-tur TC, der Curie-Temperatur. Bei dieser Temperaturgenügt somit (idealisiert) schon ein beliebig kleinesFeld, um eine makroskopische magnetische Polari-sation zu erzeugen, es entsteht eine spontane Polari-sation. Diese kritischen Temperaturen sind stark ma-terialabhängig. Sie können weniger als 1 K oder >1000 K betragen.

Indem man ein ferromagnetisches Material über dieCurie-Temperatur erwärmt, macht man es zu einemParamagneten; kühlt man es wieder ab so wird eswieder zu einem Ferromagneten. Abb. 4.147 zeigtein Experiment, welches die Erwärmung des Nickel-rades ausnutzt, um das Material paramagnetisch zu10Pierre Curie und Pierre-Ernest Weiss (1865 - 1940)

Abbildung 4.147: Änderung der magnetischenEigenschaften bei der Curie-Temperatur.

machen (also im Vergleich zum ferromagnetischenMaterial nichtmagnetisch. Es wird deshalb wenigerstark vom Magneten angezogen als der ferromagne-tische Teil des Rings, es entsteht netto ein Drehmo-ment, welches auf den Ring wirkt und er beginnt sichzu drehen. Dadurch wird ein anderer Teil erwärmtund das Drehmoment dadurch aufrecht erhalten.

4.9.6 Magnetische Domänen

Die spontane Polarisierung des ferromagnetischenMaterials entsteht zunächst nur lokal, d.h. die Mo-mente orientieren sich auf einer Skala von Mikro-metern parallel zueinander. Es entstehen Bereiche,in denen die Momente alle in die gleiche Richtungorientiert sind.

Diese kleinen magnetischen Domänen werden alsWeiss’sche Bezirke11 bezeichnet und sind die grös-sten magnetisch homogenen Bereiche. Abb. 4.148zeigt ein Beispiel. Ohne äußeres Magnetfeld tretenauf einer größeren Skala alle Orientierungen gleich-wertig auf. Weiss’sche Bezirke kann man u.a. imPolarisationsmikroskop beobachten. Je nach Art desKristallgitters gibt es verschiedene mögliche Vor-zugsorientierungen für die Domänen. Im Beispielvon Abb. 4.148 gibt es vier äquivalente Orientierun-gen, in einem ebenen hexagonalen Modell sechs.

Wird ein äußeres Feld angelegt, so wachsen dieBezirke, in denen die Magnetisierung parallel zum

11nach Pierre Weiss (1865-1940)

193

4 Elektrizität und Magnetismus

4 unterschiedlicheMagnetisierungsrichtungen

Abbildung 4.148: Weiß’sche Bezirke in einem fer-romagnetischen Material. Links:schematische Darstellung der Ori-entierung. Rechts: Im Polarisati-onsmikroskop.

Abbildung 4.149: Barkhausen Effekt: NichtstetigeVerschiebung von Domänenwän-den.

äußeren Feld liegt auf Kosten der anderen Bezir-ke. Bei noch stärkeren Feldern können auch gan-ze Domänen umklappen. Diesen Effekt kann manauch akustisch hörbar machen. In diesem Experi-ment werden drei dünne Drähte aus Nickel, geglüh-tem Eisen und Stahldraht verglichen. Wie in Abb.4.149 gezeigt, verschieben sich die Domänenwän-de nicht kontinuierlich, sondern sprungartig. Bei je-dem Sprung nimmt die Flussdichte plötzlich zu. Da-durch wird in der Spule ein Spannungspuls induziert,der als Knacken hörbar wird. Dieser Effekt wird alsBarkhausen-Effekt bezeichnet.

Wenn das Feld genügend groß wird, stellen sich al-le atomaren Dipole parallel zum äußeren Feld, dasMaterial ist vollständig polarisiert. Wird das äußere

Feld entfernt, dann bleibt ein Teil dieser Magneti-sierung erhalten. Diese Materialien können deshalbauch ohne äußeres Magnetfeld eine Magnetisierungzeigen.

Allgemein ist die Beziehung zwischen B und Hin ferromagnetischen Materialien nicht mehr linear.Man kann eine Permeabilität nur noch differentielldefinieren:

µr =1µ0

dBdH

.

Material µr

Ferrite 1000Fe (rein) 10000

Co 1400Ni-Fe (µ-Metall) <100000

Tabelle 4.2: Permeabilität µr von ferromagnetischenMaterialien.

Diese Permeabilitäten / Suszeptibilitäten könnensehr groß sein, im Bereich von 1000 bis 100’000. Ta-belle 4.2 zeigt einige Beispiele. Das Material mit dergrössten Suszeptibilität, µ-Metall, wird insbesonde-re verwendet, um magnetische Felder abzuschirmen.

Abbildung 4.150: Magnetische Datenspeicherung;links: Festplatte; rechts: Spur ausmagnetischen Zellen (bits).

Es existiert eine ganze Reihe von weiteren Anwen-dungen für ferromagnetische Materialien. Eine da-von ist die Verwendung für die Speicherung vonDaten. In einer Festplatte sind, wie in Abbildung

194

4 Elektrizität und Magnetismus

4.150 gezeigt, einzelne Bezirke mit einer bestimm-ten Richtung polarisiert.

4.9.7 Magnetische Hysterese

In ferromagnetischen Materialien ist die Flussdich-te B nicht mehr proportional zur Stärke des äußerenFeldes H, sondern sie hängt sowohl von H ab wieauch von der Vorgeschichte.

Externes Feld H

Flus

sdic

hte B

Remanenz Br

Koerzitivfeld Hc

Abbildung 4.151: Magnetische Hysterese.

Trägt man für ein ferromagnetisches Material diemagnetische Flussdichte gegen das äußere Magnet-feld auf, so erhält man eine Kurve, die von der zeit-lichen Änderung der Felder abhängt. Abb. 4.151zeigt das generelle Verhalten. Beginnt man mit ei-nem nicht magnetisierten Material, so findet manein näherungsweise lineares Verhalten. Bei größe-ren Feldern treten Sättigungseffekte auf. Diese kön-nen auf die vollständige Ausrichtung der Weiß’schenBezirke zurückgeführt werden. Wird das Feld wie-der verringert so bleibt die Orientierung zunächsterhalten. Auch ohne äußeres Feld findet man eineMagnetisierung, die sogenannte Remanenz Br. Diesist die charakteristische Eigenschaft eines Perma-nentmagneten. Erst wenn ein Gegenfeld (das Koer-zitivfeld Hc) angelegt wird kann diese Magnetisie-rung auf Null reduziert werden. Für stärker negativesFeld tritt eine negative Magnetisierung auf, welcheschließlich ebenfalls sättigt.

Im Experiment wird das äußere Magnetfeld H unddie magnetische Flussdichte B gemessen, welches ineinem Eisenkern einer Solenoidspule erzeugt wird.Das äußere Magnetfeld wird periodisch variiert,

während die Flussdichte über eine zweite Spule ge-messen wird.

Abbildung 4.152: Remanenz und Koerzitivfeld eini-ger Materialien.

Gute Permanentmagnete haben hohe Koerzitivfeld-stärken und hohe Remanenzen (! Abb. 4.152). DieRemanenzfelder liegen in der Größenordnung von 1T, während die Koerzitivfelder von einigen 1000 biszu einigen 100000 A/m gehen können. Die höchstenWerte erzielt man mit seltenen Erden, da diese einegroße Zahl ungepaarter Elektronen enthalten.

Sät

tigun

gs-F

luss

dich

te BS [T

]

Koerzitivfeld Hc [A/m]

Abbildung 4.153: Sättigungsfeld und Koerzitivfeldunterschiedlicher magnetischerWerkstoffe.

Während die Sättigungsfeldstärken alle im Bereichvon 1 T liegen, können die Koerzitivfelder über vie-le Größenordnungen variieren. Man beachte die lo-garithmische Skala in Abb. 4.153.

Die Fläche der Hysterese im B-H Diagramm hatdie Einheit einer Energiedichte; sie entspricht derEnergie, welche in einem Zyklus des äußeren H-Feldes im Material deponiert wird. Bei Transforma-toren (siehe Kapitel 3.6) finden viele solche Zyklenstatt. Man versucht deshalb die Hysteresen für sol-che Anwendungen möglichst gering zu machen. Ma-terialien, welche diese Bedingung erfüllen, werden

195

4 Elektrizität und Magnetismus

als magnetisch weich bezeichnet; sie zeichnen sichdadurch aus, dass die Magnetisierung nach Entfer-nung des äußeren Feldes wieder verschwindet. Fürsolche Anwendungen sind z.B. Ferrite gut geeignet,da sie schon bei geringen Koerzitivfeldern umpola-risiert werden.

4.9.8 Weitere magnetische Ordnungseffekte

Ferromagnetismus

Antiferromagnetismus

Ferrimagnetismus

Abbildung 4.154: Unterschiedliche Arten magneti-scher Ordnung.

Neben ferromagnetischem Verhalten gibt es auch an-tiferromagnetisches Verhalten. Abb. 4.154 vergleichtdie verschiedenen Arten magnetischer Ordnung. Beiantiferromagnetischer Wechselwirkung ist die anti-parallele Orientierung energetisch günstiger. Die kri-tische Temperatur wird hier als Neel-Temperatur TNbezeichnet. Oberhalb der Neel-Temperatur gilt einabgewandeltes Curie-Weiss Gesetz

cm =C

T +TN.

Unterhalb TN ist cm stark materialabhängig und zeigteine komplizierte Temperaturabhängigkeit.

Eine weitere Klasse von magnetischen Materialiensind die Ferrimagnete oder Ferrite. Hier sind magne-tische Momente unterschiedlicher Größe antiparallelausgerichtet sind und kompensieren sich teilweise.

Die Ausrichtung der magnetischen Momente kannauch Auswirkungen auf die Form des Materials ha-ben. Bei piezoelektrischen Materialien konnte dieForm mit Hilfe eines angelegten elektrischen Fel-des verändert werden. Ähnlich kann mit Hilfe vonmagnetischen Feldern die Form von magnetischenMaterialien geändert werden. Dieser Effekt wird als

mit Feld

ohne Feld

negative Magnetostriktion

Eisen

ohne Feld

positive Magnetostriktion

mit Feld

Nickel

Abbildung 4.155: Magnetostriktion.

Magnetostriktion bezeichnet. Bei positiver Magne-tostriktion (z.B. Fe; Abb. 4.155 oben) verlängert sichdas Material beim Anlegen eines Feldes; bei negati-ver Magnetostriktion (z.B. Nickel) verkürzt und ver-breitert sich das Material.

4.9.9 Ferrofluide

Abbildung 4.156: Oberfläche eines Ferrofluids imFeld eines Stabmagneten.

Auch Flüssigkeiten können ferromagnetische Ei-genschaften haben - man bezeichnet sie dann alsFerrofluide. Sie bestehen aus wenigen Nanometergroßen magnetischen Partikeln, die in einer Träger-flüssigkeit kolloidal suspendiert sind. Die Partikelwerden in der Regel mit einer polymeren Oberflä-chenbeschichtung stabilisiert. Echte Ferrofluide sindstabile Dispersionen, was bedeutet, dass sich die fe-sten Teilchen nicht mit der Zeit absetzen und selbstin extrem starken Magnetfeldern nicht aneinanderanlagern oder sich von der Flüssigkeit als anderePhase abscheiden. Ferrofluide sind superparamagne-tisch und besitzen eine sehr geringe Hysterese. Abb.

196

4 Elektrizität und Magnetismus

4.156 zeigt die Oberfläche eines Ferrofluids im Feldeines Stabmagneten.

4.9.10 Magnetische Eigenschaften vonSupraleitern

Neben der verlustlosen Leitung von Elektrizität ha-ben Supraleiter auch außergewöhnliche magnetischeEigenschaften.

BaBc

Bm

BaBc

0

1

Abbildung 4.157: Temperaturabhängigkeit derFlussdichte im Innern einesSupraleiters (links) und der ma-gnetischen Permeabilität (rechts).

Insbesondere sind sie perfekte Diamagneten. Diesbedeutet, dass magnetische Felder nicht ins innereeines Supraleiters eindringen können. Wie in Abb.4.157 gezeigt gilt dies allerdings nur bis ein kriti-sches Feld erreicht ist; oberhalb dieser Feldstärkedringt das Magnetfeld wieder ein. Dadurch brichtauch die Supraleitung zusammen.

Abbildung 4.158: Kreisströme an der Oberfläche ei-nes Supraleiters.

Das Ausstoßen des Magnetfeldes geschieht dadurch,dass an der Oberfläche des Supraleiters Kreisströmeentstehen, die ein Magnetfeld erzeugen, welches dasäußere Feld gerade kompensiert. Abb. 4.157 zeigtschematisch den Oberflächenstrom.

Man kann dies durch die Permeabilität µr aus-drücken: sie beträgt im supraleitenden Bereich 0,

wie in Abb. 4.157 rechts gezeigt. Wenn ein kriti-sches Feld erreicht wird, dringt das Feld wieder indas Material ein, die Permeabilität wird 1. DieseEigenschaft, das Magnetfeld auszustoßen, wird alsMeißner-Ochsenfeld Effekt12 bezeichnet.

µr

Bc1 Bc2Ba

-µ0J

Bc1 Bc2Ba

Abbildung 4.159: Permeabilität und Magnetisierungin einem Typ-II Supraleiter.

In sogenannten Typ II Supraleitern wird diesesVerhalten etwas modifiziert: hier dringt das Feldnicht mehr schlagartig ein, sondern die Permeabilitätsteigt über einen Bereich von Feldstärken an bis sieden Wert 1 erreicht. Abb. 4.159 zeigt die Permeabi-lität als Funktion der Temperatur.

4.9.11 Anwendungen

Abbildung 4.160: Meissner-Effekt.

Dieses Verhalten kann mit einem Experiment de-monstriert werden, bei dem ein Magnet auf einenSupraleiter gelegt wird. Handelt es sich um einenHoch-Tc Supraleiter, so genügt flüssiger Stickstoff,um ihn unter die kritische Temperatur abzukühlen.Wie in Abb. 4.160 gezeigt, wird dadurch das Feldaus dem Supraleiter ausgestoßen und der Magnetschwebt über dem Supraleiter. Man kann dies auchso verstehen, dass der induzierte Oberflächenstromein Feld erzeugt, welches dem äußeren entgegenge-setzt ist. Es stehen sich somit zwei gleiche Pole ge-genüber, was zu einer Abstoßung führt.

12nach Fritz Walther Meißner (1882-1974) und Robert Ochsen-feld (1901-1993)

197

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.161: Ein Kobalt-Magnet schwebt übereinem Supraleiter.

Abb. 4.161 zeigt eine Fotographie eines entspre-chenden Vorlesungsexperiments.

Abbildung 4.162: Zug schwebt mit Hilfe von supra-leitenden Magneten.

Dieser Effekt wird z.B. bei einem japanischen Kon-kurrenzprodukt zum Transrapid verwendet, um ihnüber der Schiene schweben zu lassen. Abb. 4.162zeigt einen Prototypen.

4.10 Zeitabhängige Felder undStröme

Bisher hatten wir diskutiert, wie elektrische Strömemagnetische Felder erzeugen. Jetzt wird der umge-kehrte Prozess diskutiert: wie ein zeitlich veränder-liches Magnetfeld eine Spannung und damit einenStrom induziert.

Abbildung 4.163: Flussänderung induziert Span-nung.

Abbildung 4.164: Ein Magnet wird in eine Leiter-schleife geschoben und induziertdadurch eine Spannung.

4.10.1 Induktion: Phänomenologie

Das Phänomen der Induktion kann anhand eines ein-fachen Experimentes gezeigt werden, wie in Abb.4.164 gezeigt. Hier wird ein Stabmagnet in eineLeiterschlaufe geschoben, während die Spannungüber der Leiterschlaufe gemessen wird. Man stelltfest, dass beim Hineinschieben eine positive Span-nung gemessen wird, welche wieder auf Null fällt,wenn der Magnet nicht mehr verschoben wird. BeimHerausziehen findet man wieder eine Spannung,aber mit entgegengesetztem Vorzeichen. Dreht manden Stabmagneten, schiebt also den entgegengesetz-ten Pol in die Leiterschleife, so misst man einennegativen Spannungspuls, beim Herausziehen einenpositiven.

Wird die Bewegung schneller durchgeführt, so wirdder Spannungsstoß kürzer, aber intensiver; die Flä-

198

4 Elektrizität und Magnetismus

langsame Änderung

schnelle Änderung

Uind

Flus

s Φ

Φ1

Φ2

Zeit t

Abbildung 4.165: Fluss als Funktion der Zeit und in-duzierte Spannung.

cheR

U(t)dt bleibt konstant. Abb. 4.165 zeigt zweiBeispiele in roter respektive blauer Farbe. In beidenFällen steigt der magnetische Fluss durch die Spu-le von F1 auf F2, aber über unterschiedliche Zeiten.Im roten Fall entsteht ein kurzer aber starker Span-nungspuls, im blauen Fall ein schwacher aber langerPuls.

4.10.2 Magnetischer Fluss

Aus einer Reihe von Experimenten dieser Art fin-det man, dass dieses Integral gegeben ist durch dieÄnderung des magnetischen Flusses durch die Spu-le. Der magnetische Fluss f durch eine Fläche A istdefiniert als das Integral

f =Z

~B ·~A =Z

BdA cosq ,

d.h. nur die Komponente der Flussdichte senkrechtzur Fläche trägt bei. Bildlich kann man sich denFluss als die Summe aller Feldlinien vorstellen, wel-che die Fläche A durchstoßen. Die Einheit des ma-gnetischen Flusses,

[f ] = Vs = Wb = Weber ,

bezieht sich auf Wilhelm Weber (1804-1891). Diemagnetische Flussdichte B ist dementsprechend de-finiert als Fluss pro Fläche,

B =df

dA[B] =

Vsm2 = T = Tesla .

Die Einheit Tesla erinnert an Nikola Tesla (1856-1943).

Die magnetische Flussdichte ~B und das Magnetfeld~H sind im Vakuum und in vielen Materialien direktproportional zueinander:

~B = µrµ0~H .

µ0 = 4p ·10�7 VsAm

⇡ 1,257 ·10�6 VsAm

.

Die Proportionalitätskonstante µ0 wird als magneti-sche Feldkonstante oder Permeabilität des Vakuumsbezeichnet. In einem Material wird die Permeabili-tät des Vakuums mit der relativen Permeabilität µrmultipliziert.

Steigt der Fluss durch die Leiterschleife linear mitder Zeit, so misst man eine Spannung, die währenddieser Zeit konstant ist, wie in Abb. 4.165 gezeigt.Je schneller das Magnetfeld steigt, desto höher istdie Spannung. Das Integral

RU(t)dt, in diesem Fall

U Dt, ist jedoch unabhängig von der Rate und nurdurch die Flussdifferenz Df zwischen Anfangs- undEndwert gegeben,Z

U(t)dt = f1 �f2 = �Df .

4.10.3 Induktionsgesetz

Eine nützlichere Schreibweise für die Beziehungzwischen Flussänderung und induzierter Spannungist die differenzielle Form

Uind(t) = �Ndf

dt,

wobei N die Anzahl der Windungen darstellt. DieÄnderung df/dt, resp. f2 � f1 des magnetischenFlusses kann auf unterschiedliche Weise erreichtwerden. Wir beschränken uns hier auf den einfachenFall, dass das Magnetfeld homogen ist. Dann ist

df

dt=

ddt

(BA cosq).

Hier stellt A die Fläche der Leiterschleife und q denWinkel zwischen Feldrichtung und Flächennorma-ler dar. Somit existieren drei Möglichkeiten, um eineSpannung zu induzieren:

Man kann

199

4 Elektrizität und Magnetismus

• die Flussdichte B ändern. Dies wird typischer-weise mit einem Elektromagneten erreicht. DasPrinzip wird vor allem im Transformator ver-wendet, der in Kapitel 4.10.12 im Detail be-handelt wird. Eine etwas andere Möglichkeit,die Flussdichte zu ändern, basiert darauf, dassman einen Magneten mehr oder weniger weitin die Leiterschleife hinein schiebt. Dies wur-de im obigen Experiment gezeigt und wird beieinigen Typen von Mikrofonen verwendet.

• die Fläche A der Schleife ändern.

Abbildung 4.166: Änderung der Schleifengrößedurch rollenden Stab.

Dies wird z.B. beim in Abb. 4.166 gezeigten Expe-riment gemacht, indem man eine Leiterschleife ver-wendet, welche aus zwei festen und einem rollen-den Kupferstab gebildet wird. Ein Permanentmagnetsorgt für den Fluss durch diese Spule.

Abbildung 4.167: Orientierung der Spule.

• Als dritte Möglichkeit kann man die Orientie-rung der Schleife bezüglich dem Magnetfeldändern. Das Experiment von Abb. 4.167 ver-

wendet dafür eine Spule, die eine große An-zahl Windungen aufweist. Damit ist es möglich,sogar im Erdmagnetfeld eine leicht messbareInduktionsspannung zu erzeugen. Den zweitenund dritten Fall kann man zusammenfassen alseine Änderung von d~A/dt.

B(t)

E

E

Abbildung 4.168: Magnetische Flussdichte und in-duziertes Feld.

Betrachtet man die induzierte Spannung über einemgeschlossenen Ring wie in Abb. 4.168, so entsprichtsie einem Integral des Feldes über die Schleife,

U(t) =I

SchleifeE(t,r)dr µ ∂

∂ tB(t).

Dies ist nicht mit der üblichen Definition einesPotenzials vereinbar, welches auf dem Ring eineneindeutigen Wert besitzen sollte und somit für einSchleifenintegral verschwinden sollte. Es wird des-halb als Wirbelfeld bezeichnet. Wie dieses zu inter-pretieren ist, hängt von den physikalischen Randbe-dingungen ab. So kann der Ring nicht ganz geschlos-sen sein und die Spannungsdifferenz über einem Wi-derstand abfallen.

4.10.4 Wechselstromgenerator

Wir betrachten den dritten Fall etwas genauer; erstellt die Grundlage für die Erzeugung von Stromin Kraftwerken dar. Abb. 4.169 zeigt das Prinzip.Wir betrachten hier eine rechteckige Schleife, wel-che sich um eine Achse senkrecht zum Magnetfelddreht. Die induzierte Spannung beträgt

Uind = �df

dt= �N

ddt

(~B0 ·~A).

200

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.169: Drehbare Spule im Magnetfeld.

Wir gehen davon aus, dass sowohl das Magnetfeld~B0 wie auch der Betrag A der Fläche konstant sind.

Hingegen soll die Orientierung von ~A sich mit einerkonstanten Winkelgeschwindigkeit w ändern. Damitwird

Uind = �Nddt

(B0A coswt) = N B0Aw sinwt.

Man erhält also eine Spannung, die sinusförmig va-riiert. Dieser Effekt ist die Grundlage für elektri-sche Generatoren. Die elektrische Leistung, die da-bei gewonnen wird, muss durch mechanische Arbeitkompensiert werden, welche nötig ist, um den indu-zierten Dipol im statischen Magnetfeld zu drehen.Dies gilt allgemein, für alle hier vorgestellten Vari-anten der Induktion: die induzierten Ströme erzeu-gen ein Magnetfeld, welches der Ursache entgegen-wirkt (Lenz’sche Regel). Entsprechend kann man al-le gezeigten Anordnungen nicht nur als Generator,sondern auch umgekehrt als Motor betreiben.

4.10.5 Induzierte Ströme und Lenz’scheRegel

Das Experiment zeigt zunächst, dass in der Leiter-schleife eine Spannung induziert wird. Natürlich ent-spricht dieser Spannung auch ein Strom. Ein Stromdurch eine Leiterschleife erzeugt darin einen magne-tischen Dipol. Damit stellt sich die Frage, wie dieserDipol orientiert ist - gleich wie der Magnet, der ihnerzeugt, oder umgekehrt.

Für die Klärung dieser Frage verwenden wir denThomson-Ring: Wie in Abb. 4.170 gezeigt, wird ei-ne Leiterspule aus Aluminium um einen Eisenkern

Abbildung 4.170: Versuchsaufbau zum Thomson-Ring Versuch.

gelegt, in dem mit Hilfe einer Induktionsspule einwechselndes Magnetfeld erzeugt wird. Man beob-achtet, dass die Spule schwebt. Somit wird sie vomMagneten, der den Strom induziert, abgestoßen.

Abbildung 4.171: Die Lenz’sche Regel.

Daraus folgt, dass der induzierte Magnet dem er-zeugenden Magneten entgegen-gerichtet ist. DiesesResultat ist allgemein als “Lenz’sche Regel”13 be-kannt: Wie in Abb. 4.171 gezeigt, wirkt die indu-zierte Spannung ihrer Ursache entgegen. Im Fal-le einer Leiterschleife erzeugt die Spannung einenStrom, welcher eine Änderung des Feldes verrin-gert: Wird der Magnet in die Spule hineingescho-ben so schwächt der induzierte Strom dieses Feld ab;wird er herausgezogen, so verstärkt der induzierteStrom das Feld, d.h. er versucht eine Abschwächungzu verringern. Der induzierte Dipol erzeugt in bei-den Fällen eine Kraft, welche überwunden werdenmuss wenn der Magnet in die Leiterschleife hineingeschoben wird.

13Heinrich Friedrich Emil Lenz (1804 - 1865)

201

4 Elektrizität und Magnetismus

4.10.6 Wirbelströme

Zeitlich variable Magnetfelder, die in elektrischeLeiter eindringen, erzeugen dort ebenfalls Ströme,welche die Quellen von Magnetfeldern sind. Die-se Ströme werden als Wirbelströme bezeichnet. Siekönnen schädlich sein, wie z.B. in Transformato-ren, wo sie für einen Teil der Verluste verantwortlichsind, oder nützlich, wie z.B. in Wirbelstrombremsen,wo sie als verschleissfreie Bremsen dienen.

Abbildung 4.172: Wirbelströme: Eine Kupferschei-be fällt durch ein Magnetfeldund wird durch Wirbelströme ge-bremst.

Den Effekt kann man z.B. beobachten wenn man ei-ne Münze durch ein Magnetfeld fallen lässt. Dabeifindet man, dass sie nur langsam in das Magnetfeldeindringt (siehe Abb. 4.172). Im homogenen Ma-gnetfeld fällt sie mit normaler Geschwindigkeit, dahier der Fluss konstant bleibt. Am unteren Ende desMagnetfeldes wird sie wieder stark verlangsamt. DerEffekt zeigt eine gewisse Analogie zum Meissner-Effekt: Auch hier verzögern die Wirbelströme dasEindringen des Magnetfeldes in das Leitermaterial.Allerdings kann dies für normal leitende Materialiennur eine Verzögerung bewirken, da die Verluste imLeiter ein Abklingen der Oberflächenströme bewir-ken.

Den Effekt der Wirbelstrombremse man auch an-hand des Waltenhofen’schen Pendels zeigen (!Abb. 4.173). Dabei schwingt ein Pendel mit einerKupferplatte als Gewicht zwischen den Polschuheneines Magneten. Je stärker das Magnetfeld ist, wel-ches hier eingeschaltet wird, desto stärker ist dieBremswirkung. Dieser Effekt verschwindet prak-tisch völlig, wenn statt einer durchgehenden Kup-ferplatte eine Kupferplatte mit Schlitzen eingesetztwird. Die Schlitze eliminieren einen Teil der Wirbel-ströme und damit die Bremswirkung. Dies wird. u.a.

Abbildung 4.173: Waltenhofen’sches Pendel.

in Transformatoren genutzt: die Eisenkerne in Trans-formatoren enthalten Schlitze, um Wirbelströme unddamit verbundene Verluste zu verringern.

Abbildung 4.174: Wirbelstrombremse als Kupp-lung.

Man kann Wirbelströme auch dazu verwenden, ei-ne verschleissfreie Kupplung zu bauen. Bei dem inAbb. 4.174 gezeigten System dreht sich der Hufei-senmagnet so, dass die Feldlinien sich in der frei ro-tierenden Kupferscheibe K bewegen. Dabei werdenWirbelströme induziert, welche die Kupferscheibein eine Drehbewegung versetzen. Wirbelstrombrem-sen werden nach dem Prinzip des Waltenhofen’schenPendels konstruiert.

4.10.7 Selbstinduktion

Wird ein elektrischer Leiter von einem variablenStrom durchflossen, so erzeugt er ein zeitlich verän-derliches Magnetfeld, welches auch im Leiter selbsteine Spannung erzeugt, die der zeitlichen Änderungentgegenwirkt. Dieser Effekt wird als Selbstindukti-on bezeichnet. Die Stärke hängt von der Geometrieder Leiter ab. Der Effekt muss vor allem bei der Ent-wicklung von schnellen Schaltungen berücksichtigt

202

4 Elektrizität und Magnetismus

werden, wo er wesentlich zur Beschränkung der Ge-schwindigkeit beiträgt.

A

B(t)

U(t)I(t)

Abbildung 4.175: Der Strom I(t) erzeugt in der Spu-le das Feld ~B(t).

Wir betrachten als Beispiel eine lange zylinderför-mige Spule der Länge ` mit N Wicklungen, wie inAbb. 4.175 gezeigt. Bei einem Strom I beträgt dasMagnetfeld im Innern

H =IN`

.

Ändert man den Strom durch die Spule, so induziertdie damit verbundene Flussänderung eine Spannung

Uind = �Ndf

dt= �NAµ0µr

dHdt

= �NAµ0µrN`

dIdt

.

Der Proportionalitätsfaktor zwischen Stromände-rung und induzierter Spannung wird als Induktivitätbezeichnet,

Uind = �LdIdt

. [L] = Henry =VsA

= Ws

Die Einheit Henry bezieht sich auf Joseph Henry(1797-1878). Im hier betrachteten Fall einer Spuleist somit

LSpule = µ0µrN2A

`.

Die Definition der Induktivität erfolgt analog zumKondensator, wo die Kapazität als Verhältnis aus ge-speicherter Ladung (d.h. Integral des Stroms) undSpannung definiert ist. Bei der Induktivität erzeugtnicht das Integral, sondern die zeitliche Änderung

des Stroms eine Spannung. Induktivitäten sind, ne-ben Widerständen und Kapazitäten die dritte Formvon passiven, linearen elektronischen Bauelemen-ten. Wie bei Widerständen addieren sich Induktivi-täten bei Serienschaltung, während bei Parallelschal-tungen die Kehrwerte addiert werden.

Die Induktivität kann auch gemessen werden als In-tegral der induzierten Spannung für eine gegebeneStromänderung:

L =

R I2I1

UinddtI2 � I1

.

Das Integral umfasst den Zeitbereich während demder Strom von I1 auf I2 = I1 +DI geändert wird.

I = 5A

L 1 6V / 5A

L 2 60W / 220 V

Abbildung 4.176: Einschaltverzögerung durch In-duktionsspulen.

Das Einschaltverhalten einer Induktivität kann imExperiment sichtbar gemacht werden, indem mandie entsprechenden Ströme über Glühlampen sicht-bar macht. Abb. 4.176 zeigt einen entsprechendenAufbau. Hier fließt nach Schließen des Schalters einkonstanter Strom von 5 A durch die Lampe L1. Un-mittelbar nach Einschalten wächst der Strom durchdie Spule, während der Strom durch die Lampe L2abnimmt. Beim Öffnen des Schalters löscht L1 aus,während die Lampe L2 noch brennt: die im Magnet-feld der Spule enthaltene Energie wird durch dieseLampe entladen.

4.10.8 Magnetische Feldenergie

Mit Hilfe der Selbstinduktion kann für eine langedünne Zylinderspule der Energieinhalt des magne-tischen Feldes hergeleitet werden (! Abb. 4.177):Damit der Strom I durch die Spule fließen kann,

203

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.177: Magnetfeld einer Spule.

muss die Arbeit

W =Z

UIdt = LZ dI

dtIdt

geleistet werden. Hier wurde berücksichtigt, dass dievon außen angelegte Spannung gerade die induzierteSpannung kompensieren muss,

U = �Uind = LdIdt

.

Die Integration ergibt

W = LZ

IdI =12

LI2.

Schreibt man den Strom als Funktion der magneti-schen Feldstärke H = IN/`, I = H`/N, so erhält man

W =12

LH2`2

N2 =12

H2`2

N2 µ0µrN2A

`

=12

H2µ0µr`A =

µ0µr

2H2V.

Division durch das Volumen V = `A ergibt die Ener-giedichte

wmagn =12

H2µ0µr =

12

HB. (4.10)

Dies gilt für eine lineare Beziehung zwischen H undB; für nichtlineare Abhängigkeiten muss die Energiedurch Integration bestimmt werden.

Mit Hilfe der Selbstinduktion können auch sehr hoheSpannungen erzeugt werden indem man den Stromsehr schnell ändert, z.B. indem man ihn plötzlich un-terbricht.

Dies wird z.B. beim Funkeninduktor (! Abb. 4.178)verwendet. Dieser ist aus einer zylindrischen Primär-spule mit wenigen und einer darüber gewickelten Se-kundärspule mit vielen Windungen aufgebaut. Man

0.20.1Zeit [s]St

rom

in d

er

Prim

ärsp

ule

Span

nung

übe

r Se

kund

ärsp

ule

Abbildung 4.178: Funkeninduktor.

lässt dabei zunächst einen Strom durch die Primär-spule fließen. Wenn das Feld in der Spule stark ge-nug ist, öffnet es einen Schalter, welcher den Stromunterbricht. Im Magnetfeld in der Spule ist jedochgemäß Gl. (4.10) eine erhebliche Energie gespei-chert, die nach außen abgeführt werden muss. Durchdie rasche Änderung des Stroms ändert sich der ma-gnetische Fluss durch die darüber gewickelte Sekun-därspule mit vielen Windungen. Dadurch wird einehohe Spannung aufgebaut, welche über eine Funken-strecke kurzgeschlossen wird. Dieses Prinzip wirdauch in Benzinmotoren zur Erzeugung des Zündfun-kens im Zylinder verwendet.

4.10.9 Periodische Ströme und Felder

Periodische Spannungen, Ströme und Felder spieleneine besonders wichtige Rolle. Sie werden beschrie-ben durch harmonische Funktionen

U(t) = U0 cos(wt +fu).

Hier stellt U0 die Amplitude, w die Kreisfrequenzund fu die Phase dar. In einem linearen System fließtdann ein Strom I(t) mit der gleichen Frequenz:

I(t) = I0 cos(wt +fi). (4.11)

Die beiden Phasen unterscheiden sich wenn dieSchaltung Induktivitäten und / oder Kapazitäten ent-hält (was in realen Schaltungen immer der Fall ist!).

Wenn Spannungen und Ströme zeitabhängig sind, istes nützlich, ihre Stärke über einen zeitunabhängigen

204

4 Elektrizität und Magnetismus

Parameter zu quantifizieren. Eine Möglichkeit sindEffektivwerte, z.B.

Ie f f =

s1T

Z T

0I2dt.

Für eine sinus-förmige Zeitabhängigkeit wie in(4.11) ist

Ie f f = I0

s1T

Z T

0cos2

wt dt =I0p

2.

Zeit

Spannung Strom

Leistung

Abbildung 4.179: Strom, Spannung und Leistung alsFunktion der Zeit.

Die Leistung, welche bei einem Wechselstrom übereiner Impedanz abfällt, ändert sich als Funktionder Zeit. Die mittlere Leistung eines Wechselstromshängt deshalb nicht nur von der Amplitude oder vomEffektivwert von Strom und Spannung ab, sondernauch von der relativen Phase. Sie kann berechnetwerden als

P =1T

Z T

0I(t)U(t)dt =

12

I0U0 cos(fu �fi) .

Die Leistung hängt somit vom Produkt der Ampli-tuden von Strom und Spannung ab und oszilliertmit der relativen Phase fu � fi zwischen Strom undSpannung. Abb. 4.179 zeigt die Zeitabhängigkeit füreinen spezifischen Fall.

Beim 3-Phasen Wechselstrom verwendet man dreiLeiter (zusätzlich zum Nulleiter), in denen die Phaseder Spannung jeweils um 120 Grad verschoben ist:

UR = U0 sin(wt)

US = U0 sin(wt � 2p

3)

UT = U0 sin(wt � 4p

3)

U R S T

t

US

UT

UR

Abbildung 4.180: 3-Phasen Wechselstrom.

Diese drei Phasen können als komplexe Amplitudendargestellt werden. In Europa ist die Frequenz n =w/2p = 50 Hz, die Amplitude U0 = 325 V. Die Span-nung zwischen zwei der drei Phasen beträgt

U2 = 2U0 sin2p

3= 563V,

was einem Effektivwert von 398 V (~ 400 V) ent-spricht. Man sieht leicht, dass die Summe der dreiAmplituden verschwindet.

4.10.10 Komplexe Schreibweise, Impedanz

U0

Zeit t

U(t)

Abbildung 4.181: Darstellung einer harmonischenZeitabhängigkeit als komplexeAmplitude.

Wechselströme und Wechselspannungen könnenauch gut als komplexe Größen dargestellt werden,d.h. als Absolutbetrag und Phase. Die physikalischenGrößen entsprechen dem reellen Anteil. Eine Wech-selspannung der Kreisfrequenz wird dann als

U(t) = Uw

ei(wt+fu) = Uw

eifueiwt

dargestellt, wie in Abb. 4.181 gezeigt. Meist rech-net man nur mit der komplexen Amplitude U

w

eifu .Die Realteile werden auch als Wirkanteile, die Ima-ginärteile als Blindanteile bezeichnet. Gemäss der

205

4 Elektrizität und Magnetismus

Euler’schen Formel eia = cosa + isina kann mandie beiden Schreibweisen ineinander überführen:

U(t) = U0 cos(wt +fn) = ¬[U0ei(wt+fu)] .

Diese Notation hat den großen Vorteil, dass Kapa-zitäten (Kondensatoren) und Induktivitäten (Spulen)einfach als komplexe Widerstände behandelt werdenkönnen. Für alle passiven, linearen Elemente gilt

U = Z I .

Hier stellt Z die Impedanz der Schaltung dar, inoffensichtlicher Verallgemeinerung des Ohm’schenGesetzes.

ϕ

ZIm(Z)

Re(Z)

indu

ktive

Ach

se

„Blin

dwid

erst

and“

ohmsche Achse „Wirkwiderstand“

|Z|

Abbildung 4.182: Impedanz in der komplexen Ebe-ne.

Wie in Abb. 4.182 gezeigt, ist der Realteil der Im-pedanz gegeben durch den Ohm’schen Widerstand,während die imaginäre Achse die Beiträge von In-duktivitäten und Kondensatoren enthält.

Die Berechnung von zeitabhängigen Problemen inelektrischen Schaltungen reduziert sich von der Lö-sung von Differentialgleichungen auf die Lösungvon einfachen lineare algebraischen Gleichungen.Der Preis, den man dafür bezahlt, ist, dass das Ver-hältnis zwischen Spannungen und Strömen von derFrequenz des Wechselstroms abhängt.

Ein idealer Ohm’scher Widerstand ist für Gleich-und Wechselströme identisch, d.h. das Verhältnisvon Spannung und Strom ist konstant. Ein Konden-sator ist für Gleichströme undurchlässig, stellt aberfür hohe Frequenzen einen Kurzschluss dar; die ent-sprechende Impedanz ist indirekt proportional zurFrequenz.

UI

ωt

Abbildung 4.183: Phasenverschiebung zwischenStrom und Spannung über einemKondensator.

Strom und Spannung sind jedoch nicht in Phase.Wie in Abb. 4.183 gezeigt, erreicht die Spannungdann ihr Maximum, wenn das Integral des Stromsmaximal ist, d.h. beim Nulldurchgang des Stroms.Die Phasenverzögerung um 90 Grad entspricht inder komplexen Darstellung einer Multiplikation miteip/2 = i. Die Impedanz einer Kapazität C ist deshalb

Z(C) =1

iwC.

Eine Spule ist für hohe Frequenzen undurchlässig,stellt aber für Gleichströme einen Kurzschluss dar.Hier ist die Spannung proportional zur Ableitung desStroms, sie eilt dem Strom um eine Viertelperiodevoraus. Die Impedanz ist deshalb

Z(L) = iwL .

Zusammengefasst sind die Impedanzen Zw

= Uw

/Iw

für

• Ohm’schen Widerstand Z(R) = R

• Induktionsspule Z(L) = iwL

• Kondensator Z(C) = 1iwC .

Die Frequenz der Wechselspannung geht in den 3Fällen in unterschiedlicher Weise ein. Daraus folgtauch eine unterschiedliche Abhängigkeit von derFrequenz. Abb. 4.184 fasst die Frequenzabhängig-keit schematisch zusammen: Bei einem Widerstandbesteht keine Abhängigkeit. Bei einer Spule nimmtder Betrag der Impedanz linear mit der Frequenz zu,beim Kondensator nimmt er mit der indirekt propor-tional zur Frequenz ab.

206

4 Elektrizität und Magnetismus

1| |CZ Cω=

| |LZ Lω=

|| Z

| |RZ R=

Frequenz ω

Abbildung 4.184: Frequenzabhängigkeit der Impe-danz für Widerstand (blau), Spule(rot) und Kapazität (grün).

4.10.11 Rechnen mit Impedanzen

Die Rechenregeln für komplexe Impedanzen sinddie gleichen wie für Widerstände. So kann die Kno-tenregel ersetzt werden durch die Regel, dass dieSumme aller Ladungen, welche durch einen Knotenfließt, verschwindet.

Für die Parallel-, resp. Serienschaltung von Impe-danzen gelten die gleichen Rechenregeln wie fürWiderstände. Daraus folgt z.B., dass für eine Seri-enschaltung von Kapazitäten die Kehrwerte addiertwerden,

1C

=1

C1+

1C2

.

Die komplexe Schreibweise eignet sich auch, um dieLeistung zu berechnen. Man erhält den Effektivwertder Leistung, oder die Wirkleistung, für einen Wech-selstrom als

P =12

¬{UI?} =12

¬{U?I} .

Der Faktor12

=1T

Z T

0cos2

wt dt

enthält die Mittelung über eine Periode der Oszilla-tion.

Für einen Ohm’schen Widerstand sind Strom undSpannung immer in Phase, d.h.

U = U0ei(wt+f) , I = I0ei(wt+f) ,

Abbildung 4.185: Strom und Spannung beimOhm’schen Widerstand.

mit gleicher Phase f , wie in Abb. 4.185 gezeigt. ImZeigerdiagramm sind die beiden komplexen Ampli-tuden parallel. Somit ist

P =12

¬n

U0ei(wt+f)I0e�i(wt+f)o

=12

U0I0 .

y

x

U~

I~

� = �/2

U, I U(t)I(t)

t

P(t)

Pt

Abbildung 4.186: Strom und Spannung bei einerSpule.

Für eine rein imaginäre Impedanz (Spule oder Kon-densator) sind Spannung und Strom 90� außer Phase,Abb. 4.186 zeigt den Fall einer Spule.

U = U0ei(wt+f) ,

I = I0ei(wt+f�p/2) .

Die Effektivleistung ist dann

P =12

¬n

U0ei(wt+f)I0e�i(wt+f�p/2)o

=12

U0I0¬n

eip/2o

= 0,

d.h. es wird keine mittlere Arbeit geleistet. Die mo-mentane Leistung P(t) ist während einer Periode

207

4 Elektrizität und Magnetismus

gleich lang positiv wie negativ. Ein idealer Trans-formator z.B., der im Leerlauf betrieben wird, ziehtkeine Leistung. Allerdings sind in den ZuleitungenStrom und (Verlust-)Spannung nicht notwendiger-weise außer Phase, so, dass trotzdem Verluste auf-treten.

In einer allgemeinen elektrischen Schaltung findetman sowohl reelle wie auch imaginäre Impedan-zen. Die Gesamtimpedanz erhält man bei Serien-schaltung durch Addition, bei Parallelschaltungendurch Addition der Kehrwerte. Mit den resultieren-den komplexen Impedanzen kann anschließend wiegewohnt gerechnet werden.

4.10.12 Transformatoren

Transformatoren sind eine Möglichkeit, Spannungenauf einen anderen benötigten Wert zu bringen.

U2N2

R

I2

Sekundärspule

U1 N1

I1

Primärspule

B(t)

A=const.

Abbildung 4.187: Transformatorschaltung.

Ein Transformator besteht aus zwei Spulen mit denWindungszahlen N1 und N2, die auf ein Eisenjochgewickelt sind. Abb. 4.187 zeigt die Schaltung fürden idealen, d.h. verlustfreien Transformator. RealeTransformatoren weisen Verluste auf, aufgrund

• Streufeld Verluste: fs < fp

• Ohm’sche Verluste in den Spulenwiderständen

• Wirbelstromverluste im Transformator-Blech

• Ummagnetisierungsverluste (=Fläche der Hy-sterese)

Für den idealen Transformator kann der induzier-te magnetische Fluss über das Induktionsgesetz be-rechnet werden. Auf der Eingangsseite wird einWechselstrom der Spannung U1 angelegt, welcher in

der Spule einen magnetischen Fluss f erzeugt. Die-ser magnetische Fluss wird gerade so stark, dass diegemäß Induktionsgesetz erzeugte Spannung der Ein-gangsspannung entspricht,

U1 = �N1df

dt,

wobei N1 die Zahl der Windungen auf der Eingangs-seite (= der Primärseite) angibt.

Im idealen Transformator wird der gesamte erzeug-te magnetische Fluss mit Hilfe eines Eisenkerns zurzweiten, sekundärseitigen Spule mit N2 Windungengebracht. Dort wird, ebenfalls nach Induktionsge-setz, eine Wechselspannung

U2 = �N2df

dt

induziert. Das Verhältnis der beiden Spannungen istsomit

U2 = U1N2

N1,

d.h. die beiden Spannungen an einem Transformatorverhalten sich (im Leerlauf) wie das Verhältnis derbeiden Windungszahlen.

4.10.13 Anwendungen

Wird ein Verbraucher angeschlossen, d.h. fließt aufder Sekundärseite ein Strom, so muss die dadurchinduzierte Spannung ebenfalls berücksichtigt wer-den. Das Übertragungsverhältnis hängt außerdemvon den Verlusten im Transformator ab, also z.B. da-von, ob die gesamte Flussdichte auf die Sekundärsei-te übertragen wird. Die übliche Konstruktion einesTransformators nutzt direkt die Tatsache, dass die in-duzierte Spannung durch die Änderung der magne-tischen Flussdichte B und nicht durch die Änderungdes magnetischen Feldes H bestimmt ist: der Eisen-kern erhöht die Flussdichte und damit die induzierteSpannung um µr.

Transformatoren werden vor allem verwendet, umdie Spannung von einer Netzspannung (z.B. 230 V)auf die aktuell benötigte Spannung zu transformie-ren (z.B. 12 V). Sie können aber auch dazu verwen-det werden, sehr hohe Ströme zu erzeugen, z.B. zum

208

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.188: Links: Erzeugung einer Hoch-spannung. Rechts: Erzeugung ei-nes hohen Stroms.

Schweißen. Abb. 4.188 zeigt 2 entsprechende An-wendungen. Links wird eine Hochspannung erzeugt.Dafür wurde ein Transformator mit 23000 Wicklun-gen auf der Sekundärspule und 500 auf der Primär-spule verwendet um eine Spannung von 230 V auf10 kV zu transformieren. Im zweiten Fall wurdenauf der Primärseite wiederum 500 Wicklungen ver-wendet, auf der Sekundärseite 5 Wicklungen. Damitwurde aus einem primärseitigen Strom von 2,5 A einsekundärseitiger Strom von 250 A erzeugt. Dieserreicht um den Nagel durchzuschmelzen.

Transformatoren werden u.a. verwendet, um dieSpannung bei der Übertragung über große Distan-zen zu erhöhen und sie anschließend wieder zu er-niedrigen. Dies ist deshalb nützlich weil dadurch dieVerluste gering gehalten werden. Dies kann man an-hand eines einfachen Rechenbeispiels zeigen: Wirnehmen an, dass eine Leistung von 2 kW vom Er-zeuger zum Verbraucher übertragen werden soll und,dass die Übertragungsleitung einen Widerstand vonR = 10 W aufweise. Bei einer Spannung von 200 Vwird ein Strom von 10 A benötigt. Die Spannungsinkt dann bis zum Verbraucher auf 100 V, so, dassnur noch 1 kW (=50%) zur Verfügung stehen. Wirddie gleiche Leistung bei 20 kV übertragen so wirdein Strom von 0.1 A benötigt; die Spannung sinkt um1 V auf 19999 V, d.h. die Verluste sind auf 1/20000reduziert worden.

4.10.14 Aperiodische Ströme

Je größer der Kondensator, desto mehr Zeit benötigtman bei gegebenem Strom, um ihn zu laden. Mankann die komplexe Schreibweise auch für aperiodi-sche Ströme verwenden.

R

CI

U0

Abbildung 4.189: Stromkreis mit Schalter.

Wir betrachten einen Schaltkreis, der eine Span-nungsquelle U0 enthält, einen Widerstand R, einenKondensator C, und einen Schalter S (! Abb.4.189). Unmittelbar nach dem Schließen des Schal-ters S findet man die Spannungen

VR = IR VC =I

iwC.

Mit VR +VC = U0 findet man

IR+ I1

iwC= U0 ,

oder

I(w) =U0

R+ 1iwC

=U0

R1

1+ 1iwRC

.

Dieser Ausdruck beschreibt das Verhalten desStroms im Frequenzbereich: für kleine Frequenzenw < 1/RC ist der Nenner groß und es fließt keinStrom, für große Frequenzen beträgt der Strom

I0 =U0

R.

Dieses Resultat kann qualitativ leicht nachvollzogenwerden: Ein Gleichstrom kann nicht durch den Kon-densator fließen, für hohe Frequenzen (wRC � 1)wirkt der Kondensator dagegen wie ein Kurzschluss

209

4 Elektrizität und Magnetismus

und die gesamte Spannung fällt über dem Wider-stand ab.

Um das zeitliche Verhalten zu bestimmen, kann manI(w) Fourier-transformieren. Das Resultat ist

I(t) = I0e�t/RC .

Der Strom setzt somit zunächst mit dem Maximal-wert ein, der ohne den Kondensator fließen würde,und nimmt exponentiell auf Null ab. Die Zeitkon-stante ist gegeben durch das Produkt aus Widerstandund Kapazität, tRC = RC.

Um schnelle Schaltungen zu erhalten, benötigt mansomit kleine Kapazitäten und Widerstände. Dieswird am Besten bei integrierten Schaltkreisen er-reicht.

RL

+ - U0

S

I

U U0

i i0

t

tte ta

Abbildung 4.190: Widerstand und Spule als Tief-passfilter.

Legt man an eine Spule eine Spannung an, so folgtder Strom verzögert. Wir berechnen hier das Aus-schaltverhalten: Wenn die Batterie in Abb. 4.190überbrückt ist, muss die Summe der Spannungenüber der Spule und dem Widerstand verschwinden:

I R = �LdIdt

.

Die Lösung dieser Bewegungsgleichung für die Stel-lung des Schalter wie in Abb. 4.190 und einen endli-chen Anfangsstrom I0 ist

I(t) = I0e�tR/L.

Der Strom fällt somit exponentiell auf Null ab, mitder Zeitkonstanten tRL = L/R.

Der Einschaltvorgang unterscheidet sich lediglichdurch die zusätzliche Spannungsquelle. Der Stromsteigt deshalb vom Anfangswert Null exponentiell

auf den Langzeitwert I• = U/R an. Bei langen Zei-ten hat die Spule also keinen Einfluss auf das Verhal-ten der Schaltung; sie verzögern jedoch die Zeit, bisder stationäre Zustand erreicht wird. Schnelle Schal-tungen erhält man somit mit kleinen Induktivitätenund großen Widerständen in Serie zur Induktivität.

4.11 Die Maxwell Gleichungen

Im Bereich der klassischen Mechanik bieten dieNewton’schen Gesetze eine Grundlage für die mei-sten beobachteten Phänomene. Im Gebiet von Elek-trizität und Magnetismus liefern die Maxwell’schenGleichungen eine noch umfassendere Beschreibung,welche die Grundlage für alle beobachteten Phäno-mene umfasst. Die vier Gleichungen, welche Max-well 1861-1864 hergeleitet hat, basieren auf damalsbereits bekannten Beziehungen wie dem Durchflu-tungsgesetz und dem Induktionsgesetz und bleibenbis heute gültig. Je nach Materialsystem müssen sieum die relevanten Daten für das Medium ergänztwerden (Suszeptibilitäten und Permeabilitäten). An-sonsten wird ihre Gültigkeit nur durch die Quanten-mechanik begrenzt; die Verallgemeinerung auf Phä-nomene, bei denen die Quantenmechanik eine Rollespielt, liefert die Quanten-Elektrodynamik.

210

4 Elektrizität und Magnetismus

4.11.1 Felder

Die Maxwell-Gleichungen stellen Beziehungen zwi-schen elektrischen und magnetischen Feldern her.Deren Definitionen werden deshalb hier nochmalszusammengefasst. Das elektrische Feld ~E ist defi-niert über die Kraft ~F , die auf eine Probeladung qwirkt:

~E =~Fq

[E] =NC

=Vm

.

Die elektrische Verschiebungsdichte ~D kann dage-gen über eine Flächenladungsdichte definiert wer-den,

~D =Q

4pr2~n [D] =C

m2 .

In vielen Systemen ist ~D proportional zu ~E:

~D = ere0~E e0 ⇡ 8.85 ·10�12 AsVm

.

Im Vakuum ist er = 1.

Den magnetischen Teil des Feldes beschreibt die ma-gnetische Feldstärke

~H [H] =Am

,

resp. die magnetische Flussdichte ~B, welche häufigdirekt proportional zu ~H ist:

~B = µ0µr~H µ0 =4p

107VsAm

[B] =Vsm2 = T.

In nichtmagnetischen Materialien ist µr = 1. Hierwurde angenommen, dass das Medium isotrop sei,dass also alle Richtungen gleichwertig seien. Diesist insbesondere in Festkörpern meist nicht der Fall.Die Proportionalitätskonstanten er, µr werden dannzu Tensoren.

Es gilt das Überlagerungsprinzip:

~Et = Âi

~Ei,

wobei ~Ei das Feld darstellt, welches von der Ladungqi erzeugt wird: die Felder einzelner Ladungen ad-dieren sich. Daraus folgt auch, dass der Fluss durch

eine beliebige Oberfläche sich ebenfalls als Summeder einzelnen Beiträge, respektive im kontinuierli-chen Grenzfall als Integral ergibt:ZZ

O~Et ·d~A = Â

i

ZZO

~Ei ·d~A =1e0

Âi

qi =qt

e0,

mit qt = Âi qi als Gesamtladung.

Für das Magnetfeld giltZZO~B ·d~A = 0. (4.12)

Wie beim Fluss des elektrischen Feldes ist der Flussdes magnetischen Feldes ein Maß für die Zahl derFeldlinien, welche durch die entsprechende Flächedringen. In differenzieller Form wird aus (4.12)

div~B(~r) = 0.

Dies ist ein Ausdruck dafür, dass magnetische Feld-linien immer geschlossen sind.

4.11.2 Die Grundgleichungen vonElektrizitätslehre und Magnetismus

Zwischen den Feldern und den Ladungen gibt es ei-nige Beziehungen, die wir bereits diskutiert haben:

elektrischeFeldgleichung : div~D(~r) = r(~r)

magnetischeFeldgleichung : div~B(~r) = 0

Induktionsgesetz :Uind = �dFdt

Durchflutungsgesetz :I

~H ·d~s =ZZ

A~j ·d~A.

Während diese Phänomene zunächst als relativ un-abhängig voneinander gesehen wurden, konnte Ja-mes Clerk Maxwell 1864 eine Theorie des Elek-tromagnetismus aufstellen, welche alle Phänomenein einem einheitlichen Gesamtbild zusammenfasste.Für eine einheitliche Schreibweise werden das In-duktionsgesetz und das Durchflutungsgesetz etwasumgeformt. Beide sind hier in ihrer Integralform ge-schrieben, bei denen jeweils über eine Fläche A in-tegriert wird. In der differentiellen Form beziehen

211

4 Elektrizität und Magnetismus

Stabmagnet

Leiterschleife

Abbildung 4.191: Induktionsgesetz (links) undDurchflutungsgesetz (rechts).

sie sich beide auf ein infinitesimales Flächenele-ment. Außerdem drücken wir die abgeleiteten Grö-ßen U =

RE und F =

RRB durch die Felder aus, so

dass die Gleichungen direkt die Felder E, D, H undB miteinander verknüpfen. Damit erhält das Indukti-onsgesetz die Form

Uind =I

dA~E ·d~s = � ∂

∂ t

ZZA~B ·d~A.

Das erste Integral erfolgt entlang dem Rand der Flä-che, das zweite Integral über die Fläche. Mit Hilfedes Stokes’schen Satzes wandeln wir das Linienin-tegral ebenfalls in ein Flächenintegral um:I

dA~E ·d~s =

ZZA

rot(~E) ·d~A = � ∂

∂ t

ZZA~B ·d~A.

Da diese Gleichung für beliebige Flächen A gilt,müssen die Integranden gleich sein,

rot(~E) = ~—⇥~E = � ∂

∂ t~B.

In analoger Weise erhalten wir aus dem Durchflu-tungsgesetz die differentielle Form

rot(~H) = ~—⇥ ~H = ~j. (4.13)

4.11.3 Der Verschiebungsstrom

Betrachtet man nur den Strom, welcher in einem Lei-ter fließt, so kommt es zu Unstetigkeiten, z.B. bei derAufladung eines Kondensators: zwischen den Plat-ten werden keine Elektronen transportiert. Trotzdemerscheinen auf der einen Seite Ladungen, welche aufder anderen Seite entfernt werden. Betrachtet man

also die Spannung, welche in einer Leiterschleife er-zeugt wird, wenn der Strom durch den Kondensa-tor ändert, so würde man unterschiedliche Resultateerhalten, je nachdem ob man die Integrationsflächedurch den Draht vor dem Kondensator oder durchden Bereich zwischen den Kondensatorplatten legt.Dies ist unphysikalisch und entspricht nicht dem ex-perimentellen Befund.

Maxwell erkannte, dass die Gleichung (4.13) unvoll-ständig war: neben den “gewöhnlichen” Strömen jkann auch der sog. “Verschiebungsstrom”, welchereiner Änderung der dielektrischen Verschiebung ent-spricht, einen Beitrag zum Magnetfeld liefern. DieLadung auf den Kondensatorplatten beträgt

Q =ZZ

A~D ·d~A.

Der Strom ist Ladung pro Zeit, also

dQdt

= Iv =ddt

ZZA~D ·d~A.

Berücksichtigt man dies im Durchflutungsgesetz, sowird dieses zuI

dA~H ·d~s = I + Iv,

respektive in der differenziellen Form zu

rot(~H) = ~j +ddt

~D.

�t~D

Abbildung 4.192: Beitrag des Verschiebungsstromszum Magnetfeld.

Die Änderung d~D/dt der dielektrischen Verschie-bung ~D als Funktion der Zeit erzeugt also ein ent-sprechendes Magnetfeld, wie in Abb. 4.192 skiz-ziert. Dieses kann z.b. mit Hilfe des Induktionsge-setzes über die induzierte Spannung nachgewiesenwerden.

212

4 Elektrizität und Magnetismus

Toroidspule zur Vermessung der kreisförmigen Magnetfelder

Kondensator HF-Voltmeter

Abbildung 4.193: Messung des Verschiebungs-stroms über das induzierteMagnetfeld.

Abbildung 4.193 zeigt ein entsprechendes Experi-ment. Im Luftspalt zwischen den beiden Konden-satorplatten befindet sich eine torusförmige Spule,welche die Flussänderung entlang ihrer Achse misst.Hier werden offenbar keine Ladungsträger durch denLuftspalt verschoben, aber es wird ein elektrischesFeld und damit eine dielektrische Verschiebung auf-gebaut. Die zeitliche Änderung dieses Feldes er-zeugt ein kreisförmiges Magnetfeld, konzentrischzur Achse des System, wie ein normaler Strom. Die-se kann über seine Induktionswirkung in der toroi-dalen Spule experimentell nachgewiesen werden.

4.11.4 Die Maxwell-Gleichungen

Die erste Maxwell-Gleichung entspricht der Feld-gleichung. Sie kann in integraler oder differenziellerForm geschrieben werden:ZZ

A~D ·d~A = qt ~— ·~D(~r) = r(~r). (4.14)

Die zweite Maxwell-Gleichung ist analog für dasMagnetfeld, respektive die nicht vorhandene magne-tische Ladung:ZZ

A~B ·d~A = 0 ~— ·~B(~r) = 0. (4.15)

Während die ersten beiden Gleichungen das elektri-sche, respektive das magnetische Feld mit der La-dungsverteilung verknüpfen, stellen die dritte und

vierte Maxwell Gleichung eine Beziehung zwischender zeitlichen Ableitung des einen Feldes und demanderen Feld her. Die dritte entspricht dem Indukti-onsgesetz:

ZdA

~E ·d~r = � ddt

ZZA~B ·d~A ~—⇥~E = �d~B

dt.

(4.16)

Die vierte Gleichung entspricht dem erweitertenDurchflutungsgesetz:

Z~H ·d~r = I +

ddt

ZZA~D ·d~A ~—⇥ ~H =~j+

d~Ddt

.

(4.17)

Hier bezieht sich A jeweils auf eine Fläche und dAauf den Rand dieser Fläche. Die Gleichungen weiseneine hohe Symmetrie auf: sie bleiben fast identischwenn H $ E und B $ D ersetzt werden, außer

• dass das Vorzeichen bei der zeitlichen Ablei-tung wechselt

• die magnetische Ladungsdichte rm identischverschwindet und damit auch die magnetischeStromdichte.

Der von Maxwell eingeführte Beitrag des Verschie-bungsstroms verschwindet für zeitlich konstante Fel-der. Bei der Diskussion von Wellen erhält er jedocheine entscheidende Bedeutung.

Maxwell erkannte auch, dass nach diesen Gleichun-gen Wellen existieren müssten, d.h. sich räumlichausbreitende zeitabhängige elektromagnetische Fel-der. Diese werden in Kapitel 6.5 diskutiert. 20 Jahrespäter gelang es Heinrich Hertz, diese Wellen expe-rimentell nachzuweisen.

Weitere 20 Jahre später wurden elektromagnetischeWellen erstmals für die Übertragung von Informa-tionen über große Distanzen verwendet. Marconi te-stete 1901 die erste transatlantische Funkverbindung(! Abb. 4.194). Dies gilt allerdings heute nichtmehr als gesichert - vermutlich hatte er nur eine Stö-rung als Signal interpretiert.

Neben den oben angegebenen Gleichungen benötigtman für die Beschreibung der Wellenausbreitung in

213

4 Elektrizität und Magnetismus

Abbildung 4.194: Marconi’s Empfangsstation inNeufundland.

Materie noch die ebenfalls bereits bekannten Mate-rialgleichungen

B = µrµ0H und D = ere0E.

4.11.5 Grenzflächen

Die Maxwell-Gleichungen liefern viele nützlicheResultate. Eine einfache aber sehr nützliche Bezie-hung erhält man aus den davon abgeleiteten Konti-nuitätsbedingungen. Falls auf der Grenzfläche keinStrom fließt, liefert das 4. Maxwell’sche Gesetz

~—⇥ ~H = 0 ! H1|| = H2

|| ,

d.h. die parallele Komponente des H-Feldes ist ander Grenzfläche kontinuierlich. Aus der 2. Max-well’schen Gleichung erhält man

~— ·~B = 0 ! B1? = B2

?,

d.h. die senkrechte Komponente des B-Feldes istkontinuierlich. Analog folgt aus der ersten und drit-ten Maxwell Gleichung

D1? = D2

? E1|| = E2

||.

214