4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins · 4 Hydratation des Zements und Gefüge des...

66
4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 4.1 Hydratation des Zements Aus der Reaktion zwischen Zement und Anmachwasser ent- stehen wasserhaltige Verbindungen, die so genannten Hydrat- phasen, die das Erstarren und Erhärten des Zementleims zum Zementstein bewirken. Bei den deutschen Normzementen ist Portlandzementklinker der wichtigste hydraulisch reagierende Hauptbestandteil. Portlandzementklinker besteht im Wesent- lichen aus den im Abschnitt I.3.1.2 beschriebenen Klinkerphasen Tricalciumsilicat (C 3 S), Dicalciumsilicat (C 2 S), Tricalciumalu- minat (C 3 A) und Calciumaluminatferriten (C 2 (A,F)), die beim Brennen der Ausgangsstoffe entstehen. Die verschiedenen Klin- kerphasen unterscheiden sich sowohl in ihrer Reaktionsge- schwindigkeit als auch in ihrem Beitrag zur Festigkeitsentwick- lung des Zementsteins. C 3 A und C 3 S hydratisieren am schnellsten, während C 2 (A,F) und C 2 S deutlich langsamer rea- gieren. Für die Entwicklung der Frühfestigkeit des Portland- zements ist in erster Linie die Hydratation des C 3 S verantwort- lich, während C 2 S zur Festigkeitsentwicklung im höheren Alter beiträgt. Zur Regelung des Erstarrungsverlaufs wird Zementen Calciumsulfat zugegeben. Bild I.4.1-1 verdeutlicht den Beitrag der einzelnen Klinkerphasen zur Festigkeitsentwicklung. 4.1.1 Hydratphasen Die wesentlichen wasserhaltigen Verbindungen, die bei der Hydratation aller Zemente mit Ausnahme des Tonerdezements entstehen und auf denen die Festigkeitsbildung beruht, sind die 4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 109

Transcript of 4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins · 4 Hydratation des Zements und Gefüge des...

4 Hydratation des Zements undGefüge des Zementsteins

4.1 Hydratation des ZementsAus der Reaktion zwischen Zement und Anmachwasser ent-stehen wasserhaltige Verbindungen, die so genannten Hydrat-phasen, die das Erstarren und Erhärten des Zementleims zumZementstein bewirken. Bei den deutschen Normzementen istPortlandzementklinker der wichtigste hydraulisch reagierendeHauptbestandteil. Portlandzementklinker besteht im Wesent-lichen aus den im Abschnitt I.3.1.2 beschriebenen KlinkerphasenTricalciumsilicat (C3S), Dicalciumsilicat (C2S), Tricalciumalu-minat (C3A) und Calciumaluminatferriten (C2(A,F)), die beimBrennen der Ausgangsstoffe entstehen. Die verschiedenen Klin-kerphasen unterscheiden sich sowohl in ihrer Reaktionsge-schwindigkeit als auch in ihrem Beitrag zur Festigkeitsentwick-lung des Zementsteins. C3A und C3S hydratisieren amschnellsten, während C2(A,F) und C2S deutlich langsamer rea-gieren. Für die Entwicklung der Frühfestigkeit des Portland-zements ist in erster Linie die Hydratation des C3S verantwort-lich, während C2S zur Festigkeitsentwicklung im höheren Alterbeiträgt. Zur Regelung des Erstarrungsverlaufs wird ZementenCalciumsulfat zugegeben. Bild I.4.1-1 verdeutlicht den Beitragder einzelnen Klinkerphasen zur Festigkeitsentwicklung.

4.1.1 Hydratphasen

Die wesentlichen wasserhaltigen Verbindungen, die bei derHydratation aller Zemente mit Ausnahme des Tonerdezementsentstehen und auf denen die Festigkeitsbildung beruht, sind die

4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 109

110 I Zement

Calciumsilicathydrate (CSH). Sie entstehen aus den silicatischenKlinkerphasen C3S und C2S und können in ihrer Zusammen-setzung in verhältnismäßig weiten Grenzen variieren. Allgemeinlassen sich die Calciumsilicathydrate durch die Formel mCaO · SiO2 · nH2O beschreiben, wobei m das Molverhältnisvon CaO/SiO2 (C/S-Molverhältnis) darstellt. Entscheidend fürdie Zusammensetzung der sich ausbildenden Hydrate ist diezugegebene Wassermenge im Verhältnis zur Zementmenge, der

80

60

40

20

0

Druc

kfesti

gkeit

in N

/mm

2

28 90 180 360Alter in Tagen

C3A

C4AF

C3S

C2S

Bild I.4.1-1: Druckfestigkeiten der reinen Klinkerphasen biszum Alter von 360 Tagen (nach R. H. Bogue und W. Lerch)

4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 111

Wasserzementwert. Üblicherweise liegt dieser bei der Beton-herstellung zwischen 0,40 und 0,70. Dabei bilden sich sehr fein-körnige, nahezu röntgenamorphe Calciumsilicathydrate, diezusammengefasst als CSH-Phase oder CSH-Gel bezeichnet wer-den. Das C/S-Molverhältnis liegt zwischen 1,2 und 2,3 [Odl1].Geringe Wasserzusätze ergeben C/S-Molverhältnisse, die eherbei den höheren Werten liegen; die Hydrate sind dann kalk-reicher. In der Literatur werden diese CSH-Phasen generell als„tobermoritähnlich“ bezeichnet, da sie eine dem natürlichen

Bild I.4.1-2: ESEM-Aufnahme von CSH-Phase. Spitznade-lige Primärkristallite bilden einen faserförmigen CSH-Belagauf den Zementpartikeln. Neben der mikrokristallinen CSH-Phase ist auch Calciumhydroxid in Form größererKristalle erkennbar. (Hydratationszeit: 24 Stunden)

112 I Zement

Mineral Tobermorit (5 CaO · 6 SiO2 · 5 H2O) ähnliche Kristall-struktur aufweisen.

Elektronenmikroskopische Untersuchungen [Mös1] zeigen, dassdie sich bildenden CSH-Phasen die Morphologie (Form) kleinerspitznadeliger Fasern haben (Bild I.4.1-2). Viele dieser winzigenPrimärkristalle sind zu leisten- und blättchenförmigen Struk-turen zusammengelagert.

Bei der Bildung der Calciumsilicathydrate entsteht Calcium-hydroxid (CH). Calciumhydroxid fällt kristallin in pseudohexa-gonaler Morphologie aus der Porenlösung aus.

Von allen Klinkerphasen weist das Tricalciumaluminat C3A diehöchste Reaktionsgeschwindigkeit auf. Die Art der sich bilden-

Bild I.4.1-3: ESEM-Aufnahme von dünnblättrigen Tetra-calciumaluminathydratkristallen

4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 113

den Hydratphasen ist abhängig vom vorhandenen Sulfatangebot.In Abwesenheit von Sulfat bildet sich dünntafeliges hexagonalesTetracalciumaluminathydrat 4 CaO · Al2O3 · 19 H2O (C4AH19)(Bild I.4.1-3), das beim Trocknen an Luft in die wasserärmereVerbindung C4AH13 übergeht. In Anwesenheit von Sulfat bildensich bevorzugt Calciumaluminatsulfathydrate. In sulfatreichenLösungen entsteht prismatisch nadelförmiges Trisulfat 3 CaO · Al2O3 · 3 CaSO4 · 32 H2O (Ettringit) (Bild I.4.1-4), insulfatärmeren und kalkreicheren Lösungen das hexagonal dünn-tafelige Monosulfat 3 CaO · Al2O3 · CaSO4 · 12 H2O.

Die Hydratation von Calciumaluminatferriten (C2(A,F)) verläuftähnlich. Es entstehen Verbindungen, bei denen – im Vergleich zu

Bild I.4.1-4: ESEM-Aufnahme von prismatisch nadelförmi-gen Ettringitkristallen

114 I Zement

den Hydratationsprodukten des C3A – ein Teil des Al2O3 durchFe2O3 ersetzt ist. In Gegenwart von Sulfat bilden sich Aluminat-ferrit-Trisulfat (AFt), auch Eisenettringit genannt, und Aluminat-ferrit-Monosulfat (AFm). Ein Teil des Ferrits wird in einerhydrogranatförmigen Phase gebunden.

Unter dem Einfluss von Kohlendioxid aus der Luft kann sichMonosulfat in Monocarbonat 3 CaO · Al2O3 · CaCO3 · 11 H2Oumwandeln. Unter Einwirkung von Chloridlösung, beispiels-weise bei Tausalz-Angriff, wandelt sich das Monosulfat zuMonochlorid 3 CaO · Al2O3 · CaCl2 · 10 H2O (Friedelsches Salz)um, dabei wird Chlorid gebunden.

4.1.2 Hydratationsablauf

Das Gemisch aus Zement und Wasser wird als Zementleimbezeichnet. Zementleim besitzt anfangs eine plastische Kon-sistenz. Unmittelbar nach Wasserzugabe beginnen die Hydrata-tionsreaktionen, die ein anfangs geringes, nach einiger Zeit ver-stärktes Ansteifen zur Folge haben. Wenn das Ansteifen einesmit Normkonsistenz hergestellten Leims ein bestimmtes, nachDIN EN 196-3 festgelegtes Maß erreicht, tritt der Beginn desErstarrens ein. Die zeitlich anschließende, weitere Verfestigungdes Zementleims ist als Erstarren, die danach fortschreitendeVerfestigung als Erhärten definiert. Der gesamte Hydratations-ablauf lässt sich demnach in vier Hydratationsstadien unter-teilen. Eine schematische Darstellung der Hydratphasenbildungund des Gefügeaufbaus zeigt Bild I.4.1-5 [Loc2, Odl1].

Unmittelbar nach dem Kontakt mit Wasser setzt eine kurze, aberintensive Hydratation ein (Prä-Induktionsperiode). Calcium-sulfate gehen teilweise und Alkalisulfate nahezu vollständig inLösung. Aus der Reaktion von Calcium- und Sulfationen mitTricalciumaluminat bilden sich auf den Oberflächen der Klin-kerpartikel kurze, hexagonal säulenförmige Ettringitkristalle.

4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 115

Men

gena

nteil

PorenraumCSHkurzfaserig

CSHlangfaserig

Trisulfat

Monosulfat

C4(A,F)H13

Ca(OH)2

0 5 30 1 2 6 1 2 7 28 90

TageStundenMinutenHydratationszeit

Bild I.4.1-5: Schematische Darstellung der Bildung derHydratphasen und der Gefügeentwicklung bei der Hydra-tation des Zements

labiles Gefügeplastisch erstarrt

Grundgefüge stabiles Gefüge

Daneben kommt es, ausgehend vom Tricalciumsilicat, zur Bil-dung von ersten Calciumsilicathydraten in kolloidaler Form.Durch die Bildung einer dünnen Lage von Hydratationsproduk-

116 I Zement

ten auf den Klinkerpartikeln verebbt diese erste Hydratations-periode, und die Ruheperiode oder Induktionsperiode, währendder praktisch keine weitere Hydratation stattfindet, beginnt. Dieersten Hydratationsprodukte sind noch zu klein, um den Raumzwischen den Zementpartikeln zu überbrücken und ein festesGefüge aufzubauen. Damit bleiben die Zementpartikel nochgegeneinander beweglich, d. h. die Konsistenz des Zementleimsist nur wenig steifer geworden.

Das Erstarren des Zementleims beginnt nach etwa ein bis dreiStunden, wenn sich erste, noch sehr feine Calciumsilicathydrat-kristalle, erkennbar anhand ihrer spitznadelig faserförmigenMorphologie, auf den Klinkerpartikeln bilden.

Bild I.4.1-6: ESEM-Aufnahme von Zementstein nach dreiStunden Hydratation. Sichtbar sind erste nadelige CSH-Pri-märkristallite und kurzstengelige prismatische Ettringit-kristalle.

4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 117

Die Morphologie des bereits vorhandenen Ettringits ändert sichzu diesem Zeitpunkt wenig. Bild I.4.1-6 zeigt Hydratations-produkte nach drei Stunden.

Nach Abschluss der Ruheperiode setzt erneut eine intensiveHydratation der Klinkerphasen ein. Diese dritte Periode,Beschleunigungsperiode genannt, beginnt nach etwa vier Stun-den und endet nach 12 bis 24 Stunden. Dabei baut sich einGrundgefüge auf, bestehend aus CSH-Faserbüscheln bzw. CSH-Blattstrukturen, plattigem Calciumhydroxid und in die Längewachsenden Ettringitkristallen. Durch die größeren Kristallewerden die Räume zwischen den Zementpartikeln überbrückt.Die fortschreitende Verfestigung des Gefüges wird als Erhärten

Bild I.4.1-7: ESEM-Aufnahme von Zementstein nach 28 Tagen Hydratation. Sichtbar sind das dichte CSH-Gefügeund bankige Calciumhydroxidkristalle

118 I Zement

des Zements bezeichnet. Im weiteren Hydratationsverlauf nimmtdie Verfestigung stetig zu, aber mit reduzierter Hydratationsrate.Das Gefüge verdichtet sich, die Poren werden immer stärkerausgefüllt. Außer aus Calciumsilicathydraten besteht dasZementsteingefüge aus Aluminathydraten, Aluminatsulfat-hydraten und Calciumhydroxid. Bild I.4.1-7 zeigt beispielhaftdas Zementsteingefüge und Hydratationsprodukte nach28 Tagen.

Der beschriebene Hydratationsablauf gilt für Zemente mit opti-mal angepasstem Sulfatträger (Erstarrungsregler), bei dem daswasserlösliche Sulfatangebot bei Hydratationsbeginn gerade sohoch bemessen ist, dass der hydratisierende Tricalciumaluminat-anteil ausschließlich als Trisulfat gebunden wird. Ohne Sulfat-träger würde der frisch angemachte Zementleim sofort erstarren,da aus dem Tricalciumaluminat unmittelbar große, blättchenför-mige Tetracalciumaluminathydratkristalle entstehen. Diese ver-wachsen in dem mit Anmachwasser gefüllten Raum zwischenden Zementpartikeln zu einem kartenhausähnlichen Gefüge.Dabei bilden sich Brücken zwischen den Zementpartikeln und eskommt auf diese Weise zum schnellen Erstarren. Bei Sulfatman-gel können sich neben Calciumaluminathydrat auch die morpho-logisch ähnlichen Monosulfatkristalle bilden, die ebenfalls zueinem schnellen Erstarren führen.

Bei einem Überangebot an Sulfat in der Lösung bildet sichSekundärgips. Dieser besteht aus größeren tafel- oder leisten-förmigen Kristallen, die große Zwischenräume überbrückenkönnen. Das hierauf beruhende schnelle Erstarren kurz nachWasserzugabe wird auch als falsches Erstarren bezeichnet. Beilängerem Mischen des Zementleims oder Mörtels kann dieseErscheinung „überrührt“ werden. Alkalireichere Zemente neigenin Abhängigkeit vom Sulfatisierungsgrad (SG) der Alkalien zuschnellem Erstarren durch übermäßige Ettringit- (SG < 50 %)

4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 119

bzw. durch Syngenitbildung (Syngenit = K2SO4 · CaSO4 · H2O)(SG > 80 %). Bild I.4.1-8 zeigt den Einfluss des K2O-Gehaltsund des Sulfatisierungsgrads der Alkalien von Modellklinkernauf das Erstarren von Zementen [Ric2].

Als optimaler Erstarrungsregler hat sich ein Gemisch aus GipsCaSO4 · 2 H2O und natürlichem Anhydrit CaSO4 (Anhydrit II)erwiesen. Der Gips kann durch geeignete Prozesssteuerung beimMahlen zu Halbhydrat CaSO4 · 1/2 H2O entwässern. Bild I.4.1-9zeigt die unterschiedlichen Wasserlöslichkeiten der Sulfatträgerin Abhängigkeit von der Temperatur. Halbhydrat ist danach bei20 °C deutlich besser löslich als Gips oder natürlicher Anhydrit.

200

160

120

80

40

0

200

160

120

80

40

0

Ersta

rrung

sbeg

inn

in m

in

Ersta

rrung

sbeg

inn

in m

in

0,40,8

1,21,6

2,02,4 0 20 40 60 80 100 120 140

0 20 40 60 80 100 120 1400,8

0

1,62,4

Sulfatisierungsgrad in %

Sulfatisierungsgrad in %

K2O-Gehalt in M.-%

K2 O-Gehalt in M.-%

Bild I.4.1-8: Einfluss des K2O-Gehalts und des Sulfatisie-rungsgrads der Alkalien im Klinker auf das Erstarren vonZementen mit optimiertem Sulfatträger (3,5 M.-% SO3)

120 I Zement

Der zur optimalen Verzögerung des Erstarrens notwendige Gips-anteil muss umso höher sein, je größer die Reaktionsfähigkeitdes C3A, je feiner der Zement gemahlen und je höher die Tem-peratur bei der Verarbeitung ist. Betonzusatzmittel können maß-geblich sowohl die Reaktionsfähigkeit der Aluminatphasen imKlinker als auch das Lösungsverhalten des Calciumsulfatsbeeinflussen und sind daher in ihren Auswirkungen zu beachten.Nach etwa 24 Stunden sollte das zur Erstarrungsregelung zu-gesetzte Calciumsulfat vollständig verbraucht sein, um die

CaSO

4 in Lö

sung

[%]

1,0

0,8

0,6

0,4

0,2

0

Temperatur in ° C50 100 150 200

Halbhydrat

Gips

Nat. Anhydrit

Bild I.4.1-9: Wasserlöslichkeit verschiedener Arten vonCalciumsulfat (nach L. E. Copeland und D. L. Kantro) [Kei2]

4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 121

Anforderungen an die Raumbeständigkeit zu erfüllen. Ausdiesem Grund ist der Sulfatgehalt der Zemente in Abhängig-keit von Zementart und Mahlfeinheit durch die Zementnorm(DIN EN 197-1, Tabelle 3) nach oben begrenzt.

Während für das Erstarren und Verarbeiten das C3A die bestim-mende Phase ist, gewinnen C3S und später C2S mit fortschrei-tender Hydratation für die Festigkeitsausbildung immer mehr anBedeutung (Bild I.4.1-1). Die Hydratationsgeschwindigkeit desZements hängt außer von den Reaktionsgeschwindigkeiten der einzelnen Klinkerphasen und ihren Anteilen (Zusammenset-zung des Zements) noch von weiteren Parametern ab. Hierzuzählen die Kühlgeschwindigkeit bei der Klinkerherstellung, dieKristallitgrößen und der Verwachsungsgrad der Phasen sowieAbweichungen von der idealen Kristallstruktur (Kristalldefekte,Gitterstörungen) und die Anwesenheit von Fremdoxiden (vor-zugsweise K2O und Na2O). Eine Erhöhung der Mahlfeinheitführt zu einer größeren Reaktivität. Darüber hinaus führenerhöhte Ausgangs- und Umgebungstemperaturen zur Beschleu-nigung der Hydratation (s. Abschnitte II.4.4 und II.5.2), wie auch die Art und Dauer des Mischvorgangs und die Höhe desWasserzementwerts.

Die unterschiedlichen Hauptbestandteile des Zements tragen inunterschiedlichem Maße zum Hydratationsverlauf bei. Bei derHydratation eines hüttensandhaltigen Zements wird der glasigeHüttensand (basische, granulierte Hochofenschlacke) durch dasbei der Klinkerhydratation frei werdende Calciumhydroxidalkalisch sowie durch den Sulfatträger sulfatisch angeregt. ImWesentlichen entstehen die gleichen Reaktionsprodukte wie bei der Hydratation von Portlandzement. Unterschiede bestehenim CaO/SiO2-Molverhältnis der CSH-Phasen. Hüttensand-reiche Hochofenzemente enthalten Calciumsilicathydrate mitC/S-Werten um 1,2 bis 1,5. Bei Portlandzement liegen die Werte

122 I Zement

über 1,5. Die latent-hydraulische Reaktivität des Hüttensandshängt von dessen chemischer Zusammensetzung, dem Glas-gehalt, der Kornfeinheit und weiteren Parametern ab. CaO undMgO in der Glasphase erhöhen die Reaktivität. Gleiches giltfür Al2O3. Anfänglich verläuft die Festigkeitsentwicklung vonhüttensandhaltigem Zement langsamer als bei Portlandzement;nach 28 Tagen ist aber praktisch kein Unterschied mehr fest-zustellen.

Puzzolanisch reagierende Stoffe im Zement sind vulkanischeTuffe (z. B. Trass), Phonolithe und Steinkohlenflugaschen. Siereagieren mit dem bei der Hydratation des Klinkeranteils freiwerdenden Calciumhydroxid unter Bildung von Calciumsilicat-hydrat und Calciumaluminathydraten. Die puzzolanische Reak-tivität der Stoffe beruht auf ihrem Glasgehalt und auf ihremGehalt an reaktionsfähigen Oxiden (SiO2, Al2O3, Fe2O3). Puzzo-lane enthalten meist unter 5 M.-% CaO. Daher reagieren sielangsamer als Klinker oder Hüttensand, tragen folglich auchlangsamer zur Festigkeitsentwicklung bei und erfordern einedeutlich längere feuchte Nachbehandlung.

Tonerdezemente unterscheiden sich in ihrer Phasenzusam-mensetzung grundlegend von den silicatreichen Normzemen-ten. Wesentlicher Bestandteil ist das Monocalciumaluminat CaO · Al2O3 (CA), daneben in kalkreicheren Tonerdezementendas C12A7 und in kalkärmeren das CA2. Der SiO2-Anteil ist ent-weder als C2S oder C2AS (Gehlenit) gebunden, das Eisenoxidbildet wie im Portlandzementklinker Calciumaluminatferrit.Davon ausgehend hydratisiert Tonerdezement wesentlich schnel-ler als Portlandzement, bindet dabei etwa doppelt so viel Wasserund spaltet praktisch kein Ca(OH)2 ab. Bei Hydratationstempe-raturen unter 25 °C entstehen aus dem CA die zwar festigkeits-bildenden, aber metastabilen Phasen Monocalciumaluminat –CaO · Al2O3 · 10 H2O (CAH10) und/oder Dicalciumaluminat-

4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 123

hydrat 2 CaO · Al2O3 · 8 H2O (C2AH8). CAH10 und C2AH8 wan-deln sich je nach Lagerungsbedingungen mehr oder wenigerschnell in die stabilen Phasen Hydrogranat 3 CaO · Al2O3 · 6 H2O(C3AH6) und Gibbsit Al2O3 · 3 H2O (AH3) um („Konversion“).Die Umwandlung ist mit einer Zunahme der Porosität und dem-entsprechend mit einem Festigkeitsabfall verbunden. Außerdemkommt es zu einer schnellen Carbonatisierung, und der Korro-sionsschutz des Bewehrungsstahls geht verloren. Bei Temperatu-ren von 40 °C und höher führt die Hydratation unmittelbar zurBildung der stabilen Phasen C3AH6 und AH3. Durch w/z-Wertekleiner als 0,40 lässt sich ein dichtes Zementsteingefüge erzie-len. Tonerdezement ist in Deutschland nicht genormt und darfzur Herstellung von bewehrtem Beton nicht verwendet werden.

4.1.3 Hydratationswärme

Die Hydratation des Zements ist ein exothermer Prozess. Diedabei frei werdende Reaktionsenergie wird Hydratationswärmegenannt und in der Maßeinheit J/g angegeben. Nach DIN 1164(1978) Teil 8 wird die Hydratationswärme, die bei isothermerLagerung freigesetzt wird, mit einem Lösungskalorimeterbestimmt. Die Hydratationswärme ist dabei die Differenz derWärmemengen, die beim jeweiligen Auflösen einer nicht hydra-tisierten und einer hydratisierten Zementprobe in einem Ge-misch aus Salpetersäure und Flusssäure frei werden. Abhängigvon der Zusammensetzung eines Zements ergeben sich bei voll-ständiger Hydratation folgende typische Hydratationswärmen:

Portlandzement 375 bis 525 J/gPortlandhütten- undHochofenzement 355 bis 440 J/gPortlandpuzzolanzement 315 bis 420 J/gPortlandschieferzement 360 bis 480 J/gTonerdezement 545 bis 585 J/g

124 I Zement

Bild I.4.1-10 gibt den typischen Verlauf der Hydratationswärme-entwicklung unterschiedlicher Zemente wieder.

Für die verschiedenen Klinkerphasen mit den jeweiligenHydratationsprodukten sind folgende Reaktionsenthalpienbekannt:

C3S ´ C3S2H4 520 J/gC2S ´ C3S2H4 260 J/gC3A ´ C3A · CS · H12 1140 J/gC3A ´ C3A · 3 CS · H32 1670 J/gC3A ´ C4AH13 1160 J/gC4AF ´ C4AH13 + C4FH13 420 J/gFreies CaO ´ Ca(OH)2 1150 J/gFreies MgO ´ Mg(OH)2 840 J/g

Zeit in h

0

10

20

30

40

CEM I 42,5 R

CEM I 32,5 R

CEM III/B 32,5 NW HS

Hydr

atat

ions

wärm

e in

J/g·h

0 10 30 5020 40

Bild I.4.1-10: Hydratationswärmeentwicklung unterschied-licher Zemente

4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 125

Die Geschwindigkeit und der Verlauf der Wärmefreisetzunghängen somit im Wesentlichen von der Phasenzusammensetzungdes Klinkers und vom Klinkeranteil im Zement ab. Eine erhöhteMahlfeinheit und erhöhte Umgebungstemperaturen beschleu-nigen die Hydratationswärmeentwicklung. Die Hydratations-wärme ist für die Praxis von Bedeutung, weil sie in massigenBauteilen zu einem Anstieg der Betontemperatur führt (s. Ab-schnitte II.5 und II.6).

4.2 Gefüge des Zementsteins

4.2.1 Gefügeaufbau

Durch die Zugabe von Wasser zum Zement entsteht der Zement-leim. Das Maß für das Mischungsverhältnis von Wasser undZement ist der Wasserzementwert w/z, der das Gewichtsverhält-nis von Wasser zu Zement angibt. Die Konsistenz von Zement-leim verändert sich stark mit dem w/z-Wert. Niedrige Werteunter 0,20 ergeben eine krümelige, um 0,20 eine erdfeuchteMasse. Mit einem w/z-Wert zwischen 0,20 und 0,30 entstehteine Paste oder ein steifplastischer Brei, der technisch ebenfallskaum zu nutzen ist, jedoch für Zementprüfungen angewendetwird (z. B. für die Raumbeständigkeitsprüfung (s.Abschnitt I.5.6,oder zur Prüfung des Erstarrens). Ein w/z-Wert zwischen 0,30und 0,40 liefert im unteren Bereich einen zähflüssigen Zement-leim, bei Werten nahe 0,40 entspricht seine Konsistenz etwa dervon Motorenöl. Solcher Zementleim ist zum Herstellen vonbesonders festen Betonen und als Einpressmörtel zum Verpres-sen von Spannkanälen geeignet. Mit weiter steigendem w/z-Wert wird der Zementleim zunehmend dünnflüssiger. Bei Wer-ten über 1,0 hat er eine wasserähnliche Konsistenz. Zur Herstel-lung von Mörtel und Beton werden im Allgemeinen Zement-leime mit einem w/z-Wert zwischen 0,40 und 0,70 verwendet.

126 I Zement

Höhere w/z-Werte können bei weit reichenden Zementleim-Injektionen zum Dichten und Verfestigen des Baugrunds zweck-mäßig sein.

Der Wasserbedarf zur Einstellung einer vorgegebenen Kon-sistenz (z. B. Normkonsistenz) hängt bei gegebener chemischerReaktivität und Sulfatoptimierung des Zements in erster Linievon den physikalischen Parametern Mahlfeinheit (massenbezo-gene Oberfläche) und Kornverteilung ab (s. Abschnitt I.5.1).Kornform und Oberflächenrauigkeit wie auch die Reaktivität derZementpartikel spielen eine untergeordnete Rolle [Sch5].

Wegen seiner im Vergleich zu Wasser etwa dreimal größerenDichte neigt der Zement im Zementleim zum Sedimentieren.Dadurch kann sich an der Oberfläche des Zementleims einemehr oder weniger dicke Wasserschicht ansammeln. DiesenVorgang bezeichnet man als „Wasserabsondern“ oder „Bluten“.Die Neigung zum Wasserabsondern nimmt mit dem w/z-Wertstark zu. Sie ist bei grob gemahlenen Zementen stärker ausge-prägt als bei fein gemahlenen, weil durch größere Oberflächenauch größere Wassermengen als benetzender Film gebundenwerden. Im Beton ist das Wasserabsondern nicht so stark aus-geprägt wie in reinem Zementleim, weil die feine Gesteinskör-nung ebenfalls einen Teil des Zugabewassers zum Benetzenbenötigt.

Bei Normkonsistenz sind im Zementleim die einzelnen Zement-partikel von Wasserhüllen umgeben und dadurch gegeneinanderverschiebbar. Durch die bei der Hydratation entstehendenHydratationsprodukte werden sie zunehmend starr miteinanderverbunden. Durch diesen Vorgang verfestigt sich der Zement-leim zu Zementstein. Der Aufbau und die Eigenschaften desZementsteins gehen aus der im Bild I.4.2-1 gezeigten, schema-tisch vereinfachten Darstellung der Hydratation eines einzelnenZementkorns hervor. Links ist ein Zementkorn vor der Wasser-

4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 127

zugabe dargestellt; sein Durchmesser erstreckt sich vom Sub-mikrobereich bis zu etwa100 µm. Nach der Wasserzugabebeginnen die Hydratationsreaktionen, die in Abschnitt I.4.1 imEinzelnen beschrieben sind. Dabei bilden sich als Hydratations-produkte vorwiegend faserförmige Calciumsilicathydrate, Cal-ciumhydroxid sowie in geringerer Menge Ettringit und Monosul-fat. Diese Hydratationsprodukte werden auch als Zementgelbezeichnet. Ihre mittlere Kristallgröße beträgt nur etwa ein Tau-sendstel der mittleren Zementkorngröße und liegt damit imNanometerbereich.

Das Zementgel umgibt das Zementkorn zunächst nur in einerdünnen Schicht, wie in Bild I.4.2-1 in der Mitte dargestellt. Zurweiteren Hydratation diffundiert das Wasser zunächst durch dieäußere Gelschicht bis an den noch nicht hydratisierten Kern desZementkorns. Dort löst es einen weiteren Teil des Zementkorns.In dem dabei frei werdenden inneren Raum fällt ein Teil dergelösten Stoffe sofort als Zementgel aus. Die restlichen gelöstenStoffe diffundieren durch die bereits vorhandene Gelschichtnach außen und fallen dort an der Grenze Gelschicht/Wasser

a) Zementkornvor Wasser-zugabe

b) Zementkornkurz nachWasserzugabe

c) Ende derHydratation

Bild I.4.2-1: Schematisch vereinfachte Darstellung derHydratation eines Zementkorns

128 I Zement

aus. Die Hydratationsprodukte wachsen also in den Wasserraum,der das einzelne Zementkorn allseitig umgibt, hinein. Nachvollständiger Hydratation, die je nach Größe des ZementkornsTage bis Monate dauert, nimmt das Gel einen etwas mehr alsdoppelt so großen Raum ein wie das ursprüngliche Zementkorn(Bild I.4.2-1 rechts).

Bezogen auf das Volumen des nicht hydratisierten Zements unddes bei vollständiger Hydratation chemisch gebundenen Was-seranteils (s. Abschnitt 4.2.2) ist das Volumen der Hydratations-produkte um ca. 6 cm3/100 g Zement kleiner, weil das in denHydratationsprodukten gebundene Wasser weniger Raum ein-nimmt als „freies“ Wasser („chemisches Schwinden“). Dieäußeren Abmessungen des Zementsteins ändern sich dann nicht,wenn durch Wasserzufuhr von außen, z. B. bei unter Wassergelagertem Zementstein, ausreichend Wasser nachgeführt wird.Bei Zementstein mit niedrigen w/z-Werten (w/z ≤ 0,50) undmangelnder Wasserzufuhr von außen führt die chemische Bin-dung von Wasser in den Kristallen der Hydratationsprodukte zu einer äußeren Volumenminderung, die als „autogenes Schwin-den“ oder „Schrumpfen“ bezeichnet wird (s. Abschnitt II.6).

Maßgebend für den Gefügeaufbau und auch die Eigenschaf-ten des Zementsteins ist vor allem der w/z-Wert, durch den die durchschnittliche Dicke der Wasserschicht zwischen zwei benachbarten Zementkörnern bestimmt wird. Sie liegt in der Größenordnung von wenigen µm und nimmt mit demw/z-Wert etwas weniger als proportional zu, d. h. sie wird bei-spielsweise etwa 1,7 mal so groß, wenn sich der w/z-Wert von0,40 auf 0,80 verdoppelt. Schematisch ist dies in der linkenHälfte in Bild I.4.2-2 für die w/z-Werte 0,20, 0,40 und 0,60 dar-gestellt.

Bei der Hydratation des Zements dringen die Hydratationspro-dukte in die wassergefüllten Zwischenräume vor (Bild I.4.2-1).

4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 129

Trocknet der Zementstein nicht vorzeitig aus, so kommt dieserVorgang erst zum Stillstand, wenn die wassergefüllten Zwi-schenräume ganz ausgefüllt sind oder wenn der gesamte Zementhydratisiert ist. Da das Zementgel einschließlich der Gelporeneinen etwas mehr als doppelt so großen Raum einnimmt als derursprüngliche Zement, wäre z. B. bei einem niedrigen w/z-Wertvon 0,20 der sehr kleine Zwischenraum vollständig mit Zement-gel ausgefüllt, bevor der Zement vollständig hydratisiert ist.Dann bleiben im Zementstein noch unhydratisierte Reste in derMitte der ursprünglichen Zementkörner zurück. Andererseits

Wasser

Zement-korn

Hydratation

Wasserzementwertw/z = 0,20

Hydratation

Wasserzementwertw/z = 0,40

Hydratation

Wasserzementwertw/z = 0,60

Kapillarporen(Wasser)

Bild I.4.2-2: Schematische Darstellung der Erhärtung vonZementen bei verschiedenen w/z-Werten

130 I Zement

verbleiben bei einem w/z-Wert von 0,60 auch nach vollständigerHydratation noch Teile des ursprünglich mit Wasser gefülltenZwischenraums in Form von Kapillarporen. Bei einem w/z-Wertvon etwa 0,40 reicht bei einer vollständigen Hydratation dieMenge des Gels gerade aus, um den Platz der ursprünglichenZementkörner sowie des ursprünglich mit Wasser gefülltenZwischenraums vollständig zu füllen.

Die obigen Ausführungen gelten nur im statistischen Mittel, d. h. es kann bei einem w/z-Wert etwas unterhalb 0,40 durchaussein, dass auch nach langjähriger Feuchtlagerung an einer Stelledes Zementsteins noch unhydratisierte Teile eines ursprünglichsehr großen Zementkorns vorliegen, während an anderer Stelleein Hohlraum verblieben ist. Bei gleichem w/z-Wert ist der Auf-bau bei fein gemahlenen Zementen etwas gleichförmiger als beigrob gemahlenen, weil das Volumen der wassergefüllten Zwi-schenräume im Zementleim zwar gleich groß ist, sich jedoch aufmehr Zwischenräume mit demzufolge kleinerem mittlerenAbstand von zwei benachbarten Körnern verteilt.

4.2.2 Wasserbindung

Aus den Erläuterungen zum Aufbau des Feststoffgefüges imZementstein im vorangegangenen Abschnitt ergibt sich, dassWasser im Zementstein in unterschiedlichen Bindungszuständenvorhanden ist. Ein großer Teil des Wassers wird im Laufe derHydratation chemisch in den Hydratphasen eingebunden. Daschemisch gebundene Wasser wird auch als Kristallwasser be-zeichnet. Eine Entfernung dieses Kristallwassers, z. B. durch hoheTemperaturen, bedeutet die Zerstörung der Hydratationsprodukte.

Das Zementgel füllt auch bei dichtester Packung den Raumnicht vollständig aus. Die verbleibenden Zwischenräume, die ca. 25 bis 30 % des Gelvolumens einnehmen, werden als Gel-

4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 131

poren bezeichnet. Die Gelporosität ist weitgehend unabhängigvom w/z-Wert. Der mittlere Durchmesser der Gelporen ent-spricht etwa der Größe der Gelpartikel (wenige nm). Gelporensind immer physikalisch mit Wasser gefüllt. In Abschnitt I.4.2.1wurde erläutert, dass ein w/z-Wert von 0,40 gerade für eine voll-ständige Hydratation von Portlandzement ausreicht. Von diesen40 M.-% Wasser (bezogen auf den Zementgehalt) sind nachAblauf der Hydratation ca. 25 M.-% chemisch in den Hydrata-tionsprodukten gebunden, die Gelporen enthalten ca. 15 M.-%Wasser. Ohne diesen Anteil an Gelporenwasser ist eine vollstän-dige Hydratation nicht möglich.

Im Zementstein verbleiben je nach w/z-Wert unterschiedlichgroße Porenanteile, die durch das nicht für die Hydratation gebrauchte (d. h. gebundene oder in den Gelporen eingelagerte)„Überschusswasser“ eingenommen werden (s. Bild I.4.2-2).Diese so genannten Kapillarporen sind im Durchschnitt 1000-mal so groß wie die Gelporen. Wie Bild I.4.2-3 zeigt, sindKapillarporen oberhalb eines w/z-Werts von ca. 0,40 ein unver-meidbarer Bestandteil des Zementsteingefüges. Ihr Anteilwächst sehr stark mit zunehmendem w/z-Wert. Sie sind dieUrsache dafür, dass sich ein ansteigender w/z-Wert festigkeits-mindernd auswirkt. Der Wassergehalt in den Kapillarporen stehtin direkter Abhängigkeit zu den Umgebungsbedingungen, ins-besondere der relativen Luftfeuchte. Ein Teil dieses Wasserswird bei abnehmender Umgebungsfeuchte desorbiert, beizunehmender Umgebungsfeuchte adsorbiert. Dieser reversibleProzess, der mit einer Volumenänderung verbunden ist, führtzum unvermeidbaren Schwinden und Quellen zementgebunde-ner Baustoffe (s. Abschnitt II.6).

Noch bedeutender ist die Kapillarporosität für alle Dauerhaftig-keitsaspekte, da über die Kapillarporen Lösungen und Gase ein-dringen können, die den Beton schädigen (Abschnitt II.7).

132 I Zement

Bei der Bestimmung des Wassergehalts von Zementstein ist eineklare Trennung zwischen dem chemisch gebundenen Wasser,dem Gelwasser und dem Kapillarwasser nicht möglich. So ge-hört einerseits ein Teil des „freien“ Wassers bereits zum Fest-stoff, z. B. als geordnetes Zwischenschichtwasser in denCalciumsilicathydraten. Andererseits befindet sich ein Teil desGelwassers in so feinen Poren, dass zu seiner Austreibung Tem-peraturen erforderlich sind, bei denen sich bereits Hydratwasseraus verschiedenen Hydratationsprodukten entfernen lässt.Ebenso überlappt der Größenbereich der großen Gelporen mitdem der kleinen Kapillarporen – somit ist eine scharfe Trennungauch hier unmöglich.

100

80

60

40

20

0

Volumen in %

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6

Wasserzementwert

Hydratationsgrad α = 1,0

Kapillarporen

Luftporen

unhydratisierterZement

Zementgel(Feststoff)

Gelporen

Bild I.4.2-3: Zusammensetzung des Zementsteinvolumens inAbhängigkeit vom w/z-Wert

4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 133

Daher wird nach einer seit den Untersuchungen von T.C. Powersgebräuchlichen Konvention [Pow1] zwischen dem „verdampf-baren“ und dem „nicht verdampfbaren“ Wasser des Zement-steins unterschieden. Bei dem verdampfbaren Wasser oder„freien“ Wasser, das sich z. B. durch Trocknung im Vakuumoder im Trockenschrank bei 105 °C austreiben lässt, handelt essich um Kapillar- und Gelwasser. Das nicht verdampfbare Was-ser, das durch Glühen bei rd. 1 000 °C bestimmt werden kann, istchemisch gebunden. Sein Anteil beträgt bei vollständig hydrati-siertem Portlandzement etwa 25 M.-%, bezogen auf die Massedes ursprünglichen Zements. Dieser Wert ändert sich nur wenigmit der Zementzusammensetzung.

4.2.3 Porenlösung

Die Poren des Zementsteins sind zum Teil mit Wasser gefüllt.Die Zusammensetzung dieser so genannten Porenlösung stehtstets in engem dynamischen Gleichgewicht mit den reagieren-den Zementphasen und den neugebildeten Hydratphasen. Sieverändert sich daher im Verlauf der Hydratation, insbesondere in den ersten Stunden und Tagen, sehr stark (s. Bild I.4.2-4)[Gun1, Loc3, Tay1].

Die Zusammensetzung der Porenlösung hat maßgeblichen Ein-fluss auf alle Reaktionen, die während der Zementhydratationablaufen und besonders auf die Dauerhaftigkeit.

Für den Ablauf des Erstarrungsprozesses ist der Sulfatgehalt derLösung entscheidend, in der die Zementpartikel suspendiert(„Zementleim“) sind. Daher wird das Sulfatangebot gezielt mitHilfe des zugegebenen Sulfatträgers gesteuert (s. Abschnitt I.4.1).Dabei ist nicht allein der Gehalt an Sulfatträgern entscheidend,sondern insbesondere auch die Art [Loc4, Lud1]. So sind z. B.Halbhydrat und Anhydrit III viel leichter löslich als Gips oder

134 I Zement

natürlicher Anhydrit II. Eine zunehmende Lösungsgeschwindig-keit des Sulfatträgers ist bei gleichem Sulfatgehalt gleichbedeu-tend mit einem höheren Sulfatangebot in der Porenlösung. DasSulfat des Klinkers liegt in Form leicht löslicher Alkalisulfatevor [Loc5].

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Porenlösung sind gelösteAlkalien. Dieser ist nicht allein vom Alkaligehalt des Zementsabhängig, sondern wird in starkem Maße davon beeinflusst, inwelcher Form die Alkalien im Klinker bzw. in weiteren Haupt-bestandteilen vorliegen. So sind Alkalisulfate sehr leicht löslich,während in den Klinkerphasen eingebundene Alkalien erst mitfortschreitender Hydratation in Lösung gehen. Daher stellt derSulfatisierungsgrad ein wichtiges Bewertungsmerkmal für dieVerfügbarkeit der Alkalien des Klinkers dar.

Für den Alkaligehalt der Porenlösung sind jedoch nicht alleindie Lösungsabläufe der Alkalien aus den Ausgangsstoffen, son-

800

600

400

200

0

Konz

entra

tion

in m

mol

/l

K+Na+Ca++Sulfat

6 h 16 h 2 d 7 d 28 dHydratationsalter

Bild I.4.2-4: Zusammensetzung der Porenlösung in Port-landzementstein (w/z = 0,50) in Abhängigkeit von der Zeit

4 Hydratation des Zements und Gefüge des Zementsteins 135

dern auch die in Abhängigkeit von der Zementzusammensetzungunterschiedlichen Bindungen der Alkalien in den Hydratations-produkten maßgebend. So ist z. B. eine im Vergleich zumZementklinker vermehrte Einbindung von Alkalien in die Reak-tionsprodukte von Hüttensanden und Puzzolanen zu verzeich-nen. Dabei ist nicht eindeutig geklärt, inwiefern es sich um eine chemische Bindung in den Hydratphasen oder um eineadsorptive Bindung an der Oberfläche der Hydratphasen handelt[Men1].

Alkalien können die Reaktivität verschiedener Zementbestand-teile (z. B. Hüttensand, Puzzolane) erhöhen. Im Beton kann sich ein hoher Alkaligehalt der Porenlösung vorteilhaft odernachteilig auf die Dauerhaftigkeit auswirken. So ist die Alkali-Ionen-Konzentration für die Aufrechterhaltung eines für denKorrosionsschutz der Bewehrung wichtigen hohen pH-Wertsentscheidend. Gleichzeitig fördert ein hoher Alkaligehalt aberauch bei alkaliempfindlichen Gesteinskörnungen die Neigungzur schädigenden Alkali-Kieselsäure-Reaktion (s. AbschnittII.7.6), bei der die im Porenwasser gelösten Alkalien mit denkieselsäurehaltigen Bestandteilen der Körnung unter Bildungeines quellenden Alkali-Silica-Gels reagieren.

I

5 Bautechnische Eigenschaften desZements

Für den Anwender sind in erster Linie die bautechnischen Eigen-schaften des Zements von Bedeutung, die stoffliche Zusammen-setzung und Zementart hingegen nur insoweit, wie sie hieraufeinen größeren Einfluss ausüben. Für die Beurteilung der wich-tigsten Eigenschaften, wie z. B. die Festigkeit, das Erstarrenoder die Raumbeständigkeit, legt die Zementnorm Prüfverfahrenund zugehörige Grenzwerte fest (DIN EN 197-1).

Zement ist ein Massenbaustoff der Steine- und Erden-Industrie.Er wird hergestellt aus den in der Natur vorliegenden Rohstof-fen, u. U. mit zusätzlicher Verwendung geeigneter Nebenpro-dukte anderer Industrien. Eigenheiten des jeweiligen Rohstoff-vorkommens oder der Nebenprodukte beeinflussen dabei sowohldie Herstellung als auch die bautechnischen Eigenschaften desZements. Zwar können fehlende Komponenten dem Ausgangs-stoff zugesetzt werden, es ist jedoch im Allgemeinen sowohl austechnischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht mög-lich, unerwünschte Bestandteile, die nur in geringen Mengenund fein verteilt vorhanden sind, den Roh- und Ausgangsstoffenvor der Verarbeitung zu entziehen.

Mit Hilfe der heutigen ausgereiften Zementtechnik können diewichtigen bautechnischen Eigenschaften des Zements – wie z. B. Festigkeit, Erstarren und Raumbeständigkeit – zielsicherund zuverlässig eingestellt werden. Daneben gibt es anderebautechnische Eigenschaften, die sich nur graduell beeinflussenlassen. Dazu zählt z. B. die Festigkeitsentwicklung bei vorge-gebener 28-Tage-Druckfestigkeit. Zemente gleicher Art und

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 137

138 I Zement

Festigkeitsklasse können sich in ihren Eigenschaften wegen derstandortbezogenen Gegebenheiten (Rohstoffvorkommen, Her-stellverfahren) unterscheiden. Bautechnisch sind diese Nuancenin den Zementeigenschaften im Allgemeinen nicht relevant. In der Praxis werden solche Unterschiede durch Erstprüfung beider Beton- bzw. Mörtelherstellung erfasst. Zur Erfüllung vonAnforderungen an die Baustoffqualität ist außer der Einstellungvon Stoffeigenschaften auch ein sachgerechter Umgang mit denBaustoffen erforderlich.

Die Zementnorm DIN EN 197-1 unterscheidet 27 Zementarten,deren Zusammensetzung aus Tafel I.2.1-1 hervorgeht (s. auchAbschnitt I.2).

Im Vergleich zum Zementklinker beteiligen sich Hüttensand,Flugasche und Puzzolane im Allgemeinen langsamer an denHydratationsreaktionen und damit an der Festigkeitsentwick-lung. Folglich wird die bei der Erhärtung entstehende Hydratati-onswärme ebenfalls langsamer freigesetzt. Bautechnisch kannsowohl eine schnelle Erhärtung als auch eine langsame Entwick-lung der Hydratationswärme vorteilhaft sein.

Die Zementnorm räumt die Möglichkeit ein, dem Zement beider Herstellung bis zu 5 M.-% an speziell ausgewählten anorga-nischen, mineralischen Nebenbestandteilen zuzusetzen. Alssolche Nebenbestandteile dürfen Hüttensand, Puzzolane, Flug-asche, gebrannter Schiefer und/oder aus dem Werkbetrieb stam-mende, ungebrannte oder teilweise gebrannte Grundstoffe derKlinkerproduktion, z. B. Rohmehl, verwendet werden. Durchihren Einsatz lassen sich einige physikalische Eigenschaften des Zements verbessern. Dazu zählen insbesondere die Ver-gleichmäßigung der rheologischen Eigenschaften von Zement-leim aus Zementen, die zur Einhaltung einer gleich bleibenden28-Tage-Druckfestigkeit unterschiedlich fein gemahlen werden

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 139

müssen sowie eine Verbesserung des Wasserrückhaltevermögensvon Zement im Beton.

5.1 Mahlfeinheit und KorngrößenverteilungDie wichtigsten Eigenschaften des Zements – Wasseranspruch,Erstarren und die Festigkeitsentwicklung – werden bei gegebe-ner chemischer und mineralogischer Zusammensetzung derHauptbestandteile und optimaler Abstimmung des eingesetztenSulfatträgers maßgebend von der Mahlfeinheit und derKorngrößenverteilung der Hauptbestandteile des Zements beein-flusst. Die Mahlfeinheit kann gemäß DIN EN 196-6 durch diemassebezogene Oberfläche nach Blaine anhand von Luftdurch-lässigkeitsmessungen in cm2/g beschrieben werden. Die Mes-sung ist einfach und schnell durchzuführen und wird deshalb vorallem zur Überwachung des Mahlbetriebs eingesetzt.

Zemente mit einer Mahlfeinheit unter 2 800 cm2/g gelten alsgrob, solche mit mehr als 4 000 cm2/g als fein. Als mittlereMahlfeinheit kann ein Bereich von etwa 2 800 bis 4 000 cm2/gangesehen werden. Sehr feine Zemente haben eine Mahlfeinheitzwischen 5 000 und 7 000 cm2/g.

Die massebezogene Oberfläche ist aber kein eindeutiges Feinheitsmerkmal. So können Mahlgüter auch bei gleichermassebezogener Oberfläche eine deutlich unterschiedlicheKornverteilung haben. Über die Kornverteilung lassen sich dieProdukteigenschaften gezielt beeinflussen.

Im Feinheitsbereich über 125 µm wird die Partikelgrößenver-teilung pulverförmiger Stoffe meist durch Siebanalyse ermit-telt. Für die Analyse des Feinbereichs unterhalb 125 µm wirdderzeit fast ausschließlich das automatisch arbeitende Laser-Granulometer verwendet. Für die Beschreibung von Partikel-

140 I Zement

größenverteilungen hat es sich als zweckmäßig erwiesen, dieMassenverteilung in den einzelnen Korngrößenklassen alsMassenverteilungssumme in M.-% in Abhängigkeit von derKorngröße in µm darzustellen. In einem ausgewählten Kör-nungsnetz nach DIN 66145 (RRSB-Körnungsnetz) ergibt dieMassensummenverteilung von Zementen einen nahezu linearenVerlauf. Diese Gerade kann durch zwei Parameter, den Lage-parameter x´ und das Steigungsmaß n, eindeutig gekennzeichnetwerden. Der Lageparameter x´ bezeichnet z. B. die Korngröße bei einerMassenverteilungssumme von 63,2 M.-%, die ein Maß für denFeinkornanteil ist. Der Lageparameter von Zementen liegt meist zwischen etwa 10 und 40 µm und ist umso kleiner, jefeiner der Zement ausgemahlen wurde. Das Steigungsmaß n istder Anstieg der Verteilungsausgleichsgeraden im Körnungsnetzund damit ein Maß für die Breite der Verteilung. Es liegt meistzwischen etwa 0,8 und 1,1 und ist umso größer, je enger die Verteilung ist. Tafel I.5.1-1 enthält die Mittelwerte von Mes-

Tafel I.5.1-1: Parameter der Korngrößenverteilungen undmassebezogene Oberfläche von Portlandzementen

Zementfestigkeitsklasse CEM I 32,5 CEM I 42,5 CEM I 52,5

Lageparameter der H 31,3 21,0 13,0Kornverteilung im M x´ µm 24,8 16,0 10,8RRSB-Netz N 19,6 11,3 8,6

Steigungsmaß der H 0,99 1,11 1,14Kornverteilung im M n – 0,90 0,99 1,02RRSB-Netz N 0,80 0,84 0,92

massebezogene H 3850 4730 6400Oberfläche M 0m cm2/g 3040 3920 5290nach Blaine N 2540 3200 4570

Stand: 1985 (H = Höchstwert, M = Mittelwert, N = Niedrigstwert)

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 141

sungen der Mahlfeinheit und Korngrößenverteilung an einergrößeren Zahl der in der Bundesrepublik Deutschland hergestell-ten Portlandzemente.

Danach haben zum Beispiel Portlandzemente der Festigkeits-klasse 32,5 im Mittel eine massebezogene Oberfläche von ~ 3 000 cm2/g und einen Lageparameter x´ von ~ 25 µm, d. h.etwa 2/3 der Zementpartikel sind kleiner als 25 µm. Das mittlereSteigungsmaß n beträgt 0,90. Die Korngrößenverteilung ist alsoverhältnismäßig breit. Die Parameter der Korngrößenverteilun-gen wurden aufgrund der Ergebnisse von Messungen mit demLaser-Granulometer errechnet. Im Bild I.5.1-1 sind die Schwan-kungsbereiche der Korngrößenverteilungen am Beispiel ver-schiedener Portlandzemente dargestellt.

Bei gegebener Zusammensetzung des Klinkers und Optimierungdes Sulfatträgergemisches werden die Verarbeitbarkeit und dieFestigkeitsentwicklung des Zements maßgeblich von der Parti-kelgrößenverteilung beeinflusst [Kuh2, Spr3]. Aus der betrieb-lichen Praxis ist bekannt, dass die Normdruckfestigkeit vonPortlandzement unter bestimmten Voraussetzungen mit zuneh-mender massebezogener Oberfläche ansteigt. Darüber hinausweisen Zemente mit gleicher massebezogener Oberfläche undengerer Partikelgrößenverteilung eine größere Normdruckfestig-keit auf als Zemente mit breiter Partikelgrößenverteilung.Schließlich ändert sich die 28-Tage-Normfestigkeit nicht, wennder Lageparameter x´ konstant bleibt.

Bei Zementen mit mehreren Hauptbestandteilen, z. B. Hütten-zementen und Portlandkalksteinzementen, können sich nebenden Mahlfeinheiten und Partikelgrößenverteilungen insbeson-dere die Anteile und Reaktionsfähigkeiten aller Zementkompo-nenten in starkem Maß auf die Normdruckfestigkeit auswirken[Ell3, Mül1].

142 I Zement

5.2 Ansteifen und ErstarrenDurch Mischen von Zement und Wasser entsteht der Zement-leim, der im Beton die einzelnen Körner der Gesteinskörnungumhüllt und durch sein Erhärten fest miteinander verbindet.Dabei geht der nach der Wasserzugabe flüssige Zementleim inden festen Zementstein über. Diese Zustandsänderung von flüs-sig nach fest ist erwünscht und eine kennzeichnende Eigenschaftdes Zements. Sie geschieht nicht schlagartig, vielmehr wird der

Mas

senv

erte

ilung

ssum

me Q

in %

99,9

90

50

20

10

51 5 10 50 100

CEM I 32,5

CEM I 42,5

CEM I 52,5

Bild I.5.1-1: Schwankungsbreite der Korngrößenverteilun-gen verschiedener Zementsorten

Korngröße x in µm

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 143

zunächst dünnflüssige Leim nach einer gewissen Zeit dickflüssi-ger und steifer, erstarrt dann und wird schließlich fest. Ansteifen,Erstarren und Erhärten des Zementleims und Betons treten indieser Reihenfolge bei jeder Betonherstellung in einem techno-logisch beeinflussbaren zeitlichen Ablauf auf.

Der zeitliche Ablauf des Ansteifens, Erstarrens und Erhärtenslässt sich beschreiben, indem die rheologischen Veränderungendes Zementleims oder Betons – seine „Viskosität“ – mit der Zeitregistriert oder über der Zeit aufgetragen werden. Da die Aus-gangsviskosität das Ergebnis stark beeinflussen kann, wird fürvergleichende Untersuchungen zweckmäßig eine bestimmte,definierte Ausgangsviskosität VO eingestellt.

Bild I.5.2-1 gibt schematisch die Definition von Ansteifen,Erstarren und Erhärten von Zement wieder, wie sie der Prüfungdes Erstarrens nach DIN EN 196-3 zugrunde liegt. Zunächstwird dabei aus Zement und Wasser ein steifer Zementleim miteiner definierten Ausgangsviskosität VO („Normsteife“) her-gestellt. Es wird also kein festgelegter Wasserzementwert beidieser Prüfung verwendet, vielmehr muss die für die Norm-steife erforderliche Wassermenge durch Vorversuche ermitteltwerden. Er liegt im Regelfall zwischen 23 und 34 M.-%. Dabeihaben sehr feine Zemente meistens einen höheren Wasser-anspruch als Zemente mit grober und mittlerer Mahlfeinheit.Geprüft wird sowohl die Normsteife VO als auch die als Erstar-rungsbeginn festgelegte Viskosität VA und die als Erstarrungs-ende festgelegte Viskosität VE mit dem Nadelgerät nach L. J. Vicat.

Die Zeit von der Wasserzugabe bis zum Erreichen der Viskosi-tät VA wird als Erstarrungsbeginn und die Zeit von der Wasser-zugabe bis zum Erreichen der Viskosität VE als Erstarrungsendebezeichnet. Die Viskositätsänderung von VO bis VA, die zeitlichvor dem Erstarrungsbeginn liegt, wird als Ansteifen und die

144 I Zement

nach dem Erstarrungsende über VE hinausgehende Viskositäts-änderung als Erhärten bezeichnet.

Die bei der Prüfung nach DIN EN 196-3 ermittelten Werte sindnur ein Vergleichsmaßstab und können nicht ohne weiteres aufdie Praxis übertragen werden, weil das Erstarren des Betons vonzahlreichen weiteren Einflüssen bestimmt wird, wie z. B. vomWasserzementwert und der Frischbetontemperatur.

Nach DIN EN 197-1 darf der Erstarrungsbeginn je nach Festig-keitsklasse zwischen 45 und 75 Minuten eintreten, was im All-gemeinen eine für die Praxis ausreichende Verarbeitungszeit

VE

VA

V0

0 Zeit nach dem Anmachen

Erhärten

Erstarren

Ansteifen

„Viskosität”

Bild I.5.2-1: Definition von Ansteifen, Erstarren undErhärten von Zement bei einer Prüfung der Erstarrungs-zeiten

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 145

bedeutet. Für Betonwaren ist im Hinblick auf eine frühe Entfor-mung des jungen Betons i. d. R. ein Erstarrungsbeginn nahe amgeforderten Mindestwert erwünscht. Umgekehrt wird für Trans-portbeton häufig ein später einsetzender Erstarrungsbeginngewünscht, um bei sehr langen Anfahrtswegen die Verarbeitbar-keit des Betons zu erhalten.

Zwischen dem Erstarrungsbeginn und der Geschwindigkeit dessich daran anschließenden Erhärtens besteht zwar kein direkterZusammenhang, jedoch kann im Allgemeinen unterstelltwerden, dass sehr schnell erhärtende Zemente einen deutlichfrüheren Erstarrungsbeginn (unter zwei Stunden) aufweisen als langsam erhärtende Zemente (zwischen zwei und vier Stun-den).

Zement, der unterhalb der für die entsprechende Festigkeits-klasse festgelegten Verarbeitungszeit erstarrt, ist nicht normge-recht, obwohl sich dies auf alle anderen Eigenschaften nichtnachteilig auswirkt, wenn der Beton trotzdem ausreichend ver-arbeitet und vollständig verdichtet werden kann. Dagegen ent-wickelt Zement, der schon nach wenigen Minuten unter Wärme-entwicklung erstarrt (früher bei der manuellen Verarbeitung mit einem Löffel als „Löffelbinder“ bezeichnet), häufig nurunzureichende Eigenschaften. Demgegenüber ist das kurz nachWasserzugabe beobachtete „falsche Erstarren“, das ohneWärmeentwicklung verläuft und auf spontaner Bildung vonGips (sekundärer Gips) beruht, häufig durch kurzes Nach-mischen zu überwinden, ohne dass Nachteile damit verbundensind (s. Abschnitt I.4.1.2).

Auch mit Zementen, die bei der Herstellung hinsichtlich desSulfats optimal eingestellt worden sind, kann bei der Beton-herstellung ein frühzeitiges Ansteifen auftreten. So bewirkenhöhere Frischbetontemperaturen nicht nur allgemein einen

146 I Zement

schnelleren Ablauf von chemischen Reaktionen, sondern sie ver-schieben auch das Optimum des Sulfatzusatzes. Höhere Frisch-betontemperaturen bewirken bei allen Zementen eine Zunahmedes Ansteifens und eine Abnahme des Erstarrungsbeginns,weshalb in DIN 1045-2 für diesen Fall gesonderte Maßnahmengefordert werden.

Betonzusätze, die sich auf die chemisch-mineralogischen Reak-tionen des Zements in den ersten Stunden nach dem Anmachenstärker auswirken, können das Ansteifen und Erstarren desBetons gezielt beeinflussen (s. Abschnitt II.2). Verunreinigun-gen, auch in kleinen, unwesentlich erscheinenden Mengen,können das Erstarren deutlich verkürzen oder verlängern. Z. B. können geringe Mengen Zucker oder zuckerähnlicher,organischer Stoffe das Erstarren und Erhärten vollständig oderfür sehr lange Zeit verhindern.

Auch durch eine nicht sachgerechte Lagerung im Silo oder beimTransport kann sich das Erstarren verändern, insbesondere durchReaktionen mit Wasserdampf sowie Kohlendioxid der Luft. Es empfiehlt sich daher, länger gelagerten Zement vor dem Ver-arbeiten auf sein Erstarren – insbesondere auf eine Verkürzungdes Erstarrungsbeginns – zu überprüfen. Hierzu reicht gewöhn-lich eine vereinfachte Prüfung, die auch beispielsweise imTransportbetonwerk ohne großen Aufwand durchzuführen ist.Dabei wird eine Zementprobe von Hand mit knapp 30 M.-%Wasser angemacht, sodass ein steifer Brei entsteht, den mananschließend vor Austrocknen geschützt (Gefäß mit Deckel)lagert. Der Zementleim muss nach einer Stunde noch leicht ver-formbar und nach zwölf Stunden fest sein.

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 147

5.3 WasseranspruchDer Wasseranspruch des Zements zur Herstellung von Zement-leim mit festgelegter Konsistenz (z. B. Normsteife) ergibt sichim Wesentlichen aus zwei Anteilen. Der überwiegende Anteildes Zugabewassers dient dazu, die Hohlräume zwischen denPartikeln einer Zementschüttung zu füllen und die Partikel miteinem Wasserfilm zu überziehen, bis sie sich gegeneinander frei verschieben können. Dieser physikalisch bedingte Wasser-anspruch liegt in der Größenordnung von 25 bis 30 M.-% undsteigt mit zunehmender massebezogener Oberfläche, insbe-sondere mit enger werdender Korngrößenverteilung. Bei kon-stanter massebezogener Oberfläche bewirkt ein Anstieg desSteigungsmaßes der Korngrößenverteilung des Zements von n = 0,9 auf n = 1,1 eine Zunahme des physikalischen Wasserbe-darfs um etwa 5 bis 6 M.-%. Dieser Anstieg ist auf ein zuneh-mendes Hohlraumvolumen zwischen den Zementpartikelnzurückzuführen [Res1]. Dieser Effekt kann sich z. B. beimgemeinsamen Mahlen von Zementen mit mehreren Haupt-bestandteilen unterschiedlicher Mahlbarkeit (z. B. Zementklin-ker und Hüttensand) bemerkbar machen. So nimmt beispiels-weise in hüttensandhaltigen Zementen der Wasseranspruchinsbesondere bei größeren Hüttensandanteilen zu. In diesen Fäl-len kann durch verfahrenstechnische Maßnahmen, z. B. durchgetrenntes Mahlen und Mischen (s. Abschnitt I.3.2.3) oder durchZumischen kleiner Anteile von sehr feindispersen Stoffen mitgeringer Reaktivität und breiter Partikelgrößenverteilung, derWasseranspruch für die Normkonsistenz vermindert werden.Außerdem wird die Partikelgrößenverteilung des Zements durchdas verwendete Mahlsystem und die Betriebsweise der Mahl-anlage beeinflusst [Mül1].

Ein geringerer Teil des Zugabewassers wird für die Anfangs-hydratation der Zementbestandteile verbraucht. Auch dieser

148 I Zement

Teil des Wasseranspruchs steigt mit zunehmender Mahlfeinheitdes Zements leicht an. Eine Steigerung der Oberfläche um1 000 cm2/g führt bei sulfatoptimierten Zementen zu einerErhöhung des chemisch bedingten Wasserbedarfs um maximal1 M.-% [Sch5]. Darüber hinaus werden geringe Wassermengenzur Benetzung der im Frühstadium der Hydratation entstandenenHydratationsprodukte benötigt.

5.4 VerarbeitbarkeitDie Verarbeitbarkeit des Betons wird überwiegend von derKornzusammensetzung der Gesteinskörnung sowie von derMenge und der Konsistenz des Zementleims bestimmt. Beidurchschnittlicher Betonzusammensetzung ist der Einfluss einessulfatoptimierten Zements auf die Verarbeitbarkeit gering; imWesentlichen macht sich nur eine stark von den durchschnitt-lichen Verhältnissen abweichende Mahlfeinheit des Zements aufdie Verarbeitbarkeit von zementarmen oder zementreichenBetonmischungen etwas stärker bemerkbar. Veränderungen derMahlfeinheit innerhalb des mittleren Bereichs wirken sich aufdie Verarbeitbarkeit von Mörtel und Beton praktisch nicht aus,werden daher in der Praxis im Allgemeinen nicht wahrgenom-men [Ren1].

Grobe Zemente haben ein geringeres Wasserrückhaltevermögenund neigen daher zum Absondern von Wasser (Bluten). Beizementarmen Betonmischungen aus Gesteinskörnung mit gerin-gem Feinstsandgehalt liefern sie daher einen „kurzen“ Mörteloder Beton, der etwas Wasser absondert, sich leichter entmischtund weniger gut verarbeiten lässt. Vorteilhaft wirkt sich insbe-sondere bei grob gemahlenen Zementen eine Zumahlung vonbis zu 5 M.-% Rohmehl oder Puzzolan aus, die aufgrund ihrerleichteren Mahlbarkeit sehr fein aufgeteilt werden und daher

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 149

die Neigung zum Wasserabsondern stark herabsetzen. Dieswirkt sich beispielsweise auf die Verarbeitbarkeit von Pump-beton oder bei der Herstellung von Sichtbeton günstig aus. Eineähnliche Wirkung lässt sich auch durch die Verwendung vonZementen mit mehreren Hauptbestandteilen (z. B. CEM II) oder durch die Zugabe fein gemahlener Gesteinsmehle oderanderer Zusatzstoffe, wie z. B. Puzzolanen oder Flugaschen,sowie durch Zugabe luftporenbildender oder stabilisierenderZusatzmittel zum Beton erreichen. Solche Zusätze werden nichtverwendet, wenn ein Wasserabsondern gewünscht wird, wie z. B. bei der Herstellung von Schleuderbeton oder von Faser-beton.

Zemente mit einem erhöhten Wasseranspruch liefern bei niedri-gen Wasserzementwerten einen zähklebrigen Zementleim. Fürdie Verarbeitung und Verdichtung von solchen und zugleichzementreichen Mischungen ist daher ein höherer Aufwand erfor-derlich. In der Praxis wird jedoch häufig ein höherer Wasserzu-satz gewählt, der Festigkeitseinbußen zur Folge hat.

5.5 Erhärten und FestigkeitDer Festigkeitsbeitrag, den ein Zement im Beton liefert, wirddurch seine Normdruckfestigkeit beurteilt. Unter sonst gleichenBedingungen steigt die Betonfestigkeit praktisch linear mit derNormdruckfestigkeit des Zements an (s. Abschnitt II.2.1).

Bei der Bestimmung der Zement-Normdruckfestigkeit nach DIN EN 196-1 wird die Festigkeit eines definierten Norm-mörtels nach 2- bzw. 7- und 28-tägigem Erhärten unter Wasservon 20 ± 1°C bestimmt. Das Mischungsverhältnis der Massenan Zement und Normsand im Normmörtel beträgt 1:3, der Was-serzementwert 0,50. Um nicht in jedem Einzelfall vor derAnwendung die Festigkeit prüfen zu müssen, wird genormter

Tafel I.5.5-1: Zementfestigkeitsklassen nach DIN EN 197-1

Druckfestigkeit in N/mm2

Festigkeits- Anfangsfestigkeit Normfestigkeitklasse

2 Tage 7 Tage 28 Tage

32,5 N – ≥16,0≥32,5 ≤52,5

32,5 R ≥10,0 –

42,5 N ≥10,0 –≥42,5 ≤62,5

42,5 R ≥20,0 –

52,5 N ≥20,0 –≥52,5 –

52,5 R ≥30,0 –

150 I Zement

Zement in verschiedenen Festigkeitsklassen hergestellt undgeliefert. Tafel I.5.5-1 enthält die Grenzwerte der Festigkeits-klassen nach DIN EN 197-1, bei der sowohl die Anfangsfestig-keit als auch die 28-Tage-Festigkeit (Normfestigkeit) berück-sichtigt werden. Kennzeichnend für die Einteilung der Zementein Festigkeitsklassen sind gleiche 28-Tage-Zielfestigkeiteninnerhalb einer Festigkeitsklasse, die durch eine Mindestfestig-keit und bei den Klassen 32,5 und 42,5 zusätzlich durch einenoberen Grenzwert der Normfestigkeit festgelegt sind.

Neben der 28-Tage-Normfestigkeit hat die Festigkeitsentwick-lung, insbesondere die Anfangsfestigkeit, nach einigen Tagen,baupraktische Bedeutung, z. B. für das Ausschalen, Vorspannenoder Betonieren bei niedriger Temperatur. Aus Vergleichsgrün-den wurde für die normal und schnell erhärtenden Zemente zurKennzeichnung der Anfangsfestigkeit ein Prüftermin nach2 Tagen festgelegt. Für den langsamer erhärtenden Zement der

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 151

Klasse 32,5 erwies sich ein Prüftermin nach 7 Tagen als aus-sagekräftiger.

In der Zementnorm werden für die Anfangsfestigkeit nur Min-destwerte gefordert. Aus rohstoffbedingten Gründen ist es nichtmöglich, einen Zielwert sowohl für die 28-Tage-Normfestigkeitals auch für die Anfangsfestigkeit vorzugeben. Die Zemente derFestigkeitsklassen 32,5 und 42,5, die derzeit mehr als 90 % derErzeugung ausmachen, weisen bei jeweils gleicher 28-Tage-Festigkeit je nach ihrer Zusammensetzung unterschiedlicheAnfangsfestigkeiten auf. Diese Festigkeitsklassen sind daher inZemente mit normaler Anfangserhärtung (Kennzeichen N ) undsolche mit höherer Anfangserhärtung (Kennzeichen R) unterteiltworden.

Die Festigkeitsentwicklung des aus Wasser und Zement gebil-deten Zementsteins ist auch nach 28 Tagen nicht abgeschlossen.Das gilt insbesondere für Zemente, die grob gemahlen sind oder aufgrund ihrer chemisch-mineralogischen Zusammenset-zung langsam erhärten. Die Endfestigkeit wird bei normalenErhärtungstemperaturen um 20 °C erst nach Monaten erreicht,vorausgesetzt, dass der Zementstein im Beton nicht vorheraustrocknet. Bezogen auf die 28-Tage-Festigkeit ist bei sehrschnell erhärtenden Zementen mit einem Festigkeitszuwachsvon bis zu 10 %, bei normal erhärtenden Zementen von 10 bis25 % und bei langsam erhärtenden Zementen von 25 bis 40 %, in Einzelfällen sogar bis 50 % zu rechnen. Für die Festigkeitsent-wicklung des Zementsteins ist es wichtig, dass der Beton oderMörtel nicht austrocknet. Die mitunter auf Baustellen anzu-treffende Auffassung, dass Beton schnell „austrocknen“ muss,ist für das Bauwerk schädlich. Die Nachbehandlungsemp-findlichkeit von Beton nimmt bei Verwendung von Zementenmit mehreren Hauptbestandteilen oder bei Einsatz von Beton-zusatzstoffen zu.

152 I Zement

5.6 Raumbeständigkeit

Nach der Zementnorm dürfen nur Zemente ausgeliefert werden,die raumbeständig sind; alle Zemente werden hierauf im Rah-men der Eigen- und Fremdüberwachung laufend überprüft. DieRaumbeständigkeit kann z. B. durch einen unzulässig hohenGehalt an freiem Kalk (Calciumoxid), Magnesia (Magnesium-oxid) oder an Sulfat beeinträchtigt werden. Durch die Bestim-mung des Dehnungsmaßes mit dem Le Chatelier-Ring nach DIN EN 196-3 im Rahmen der Eigen- und Fremdüberwachungwird ein zu hoher Gehalt an freiem Kalk erfasst. Der Gehalt an Magnesia im Zementklinker ist auf das unschädliche Maßvon 5,0 M.-% und der Gehalt an Sulfat als SO3 je nach Zusam-mensetzung und Festigkeitsklasse des Zements auf 3,5 bis4,5 M.-%, entsprechend den Festlegungen der DIN EN 197-1,begrenzt. Durch chemische Analysen nach DIN EN 196-2werden diese Grenzgehalte vom Hersteller überprüft. Darüberhinaus müssen Verunreinigungen beim Transport (z. B. Silofahr-zeuge, Schiff) und bei der Zwischenlagerung in Silos durchentsprechende Kontrollmaßnahmen überwacht und ausgeschlos-sen werden.

5.7 Transportvorgänge im Zementstein

Zementstein besitzt aufgrund des Aufbaus der Hydratationspro-dukte kein absolut dichtes Gefüge. So ist das Zementgel immervon Gelporen durchsetzt, die etwa 25 bis 30 % des Gelvolumenseinnehmen. Oberhalb eines Wasserzementwerts von ca. 0,40kommen Kapillarporen hinzu, deren Anteil und Größe mit zuneh-mendem Wasserzementwert stark ansteigen (s. Abschnitt I.4.2.2).In Mörtel und Beton können außerdem Luftporen und Verdich-tungsporen auftreten. Bild I.5.7-1 gibt einen Überblick vonGrößen der verschiedenen Porenarten und über mögliche Unter-

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 153

suchungsmethoden. Im Porensystem des Zementsteins könnenin Abhängigkeit von der Porengröße und dem Feuchtegehalt inden Poren (luft- oder wassergefüllt) Transportvorgänge durchDiffusion, kapillares Saugen oder laminare Strömung bzw. durchKombination dieser Mechanismen erfolgen.

Im Bild I.5.7-2 sind diese Transportmechanismen schematischdargestellt und die treibenden Kräfte für den Transport angege-ben. Diffusionsvorgänge von Atomen, Molekülen oder in Wassergelösten Ionen aufgrund von Konzentrationsunterschieden undder Molekularbewegung sind in allen Porenarten möglich. Inden sehr kleinen, stets wassergefüllten Gelporen sind die Trans-portgeschwindigkeiten jedoch äußerst gering.

nm

µ m

mm

cm

in m

Poren Untersuchungsmethoden

Verd

ichtu

ngsp

oren

Luftp

oren

Gelp

oren

Kapi

llarp

oren

Elek

trone

nmikr

osko

p

indi

rekte

Met

hode

n

Mikr

osko

p

Auge10-1

10-2

10-3

10-4

10-5

10-6

10-7

10-8

10-9

10-10

Bild I.5.7-1: Größe der Zementsteinporen und geeigneteUntersuchungsmethoden

154 I Zement

GasFlüssigkeit

luft- oderwassergefüllt

Konzentrationsdifferenz ∆ C

Diffusion

Flüssigkeit luftgefüllt

Oberflächenspannung σRandwinkel ϑ

Kapillarleitung

GasFlüssigkeit

luft- oderwassergefüllt

Druckdifferenz ∆ p

Laminare Strömung

Bild I.5.7-2: Transportmechanismen für Gase und Flüssig-keiten im Zementstein

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 155

Da das Zementgel für Gase und Flüssigkeiten praktisch undurch-lässig ist, hängt die Dichtheit des Zementsteins weitestgehendvom Kapillarporengehalt und von der Kapillarporengröße ab.Dabei ist neben der Gesamtporosität und der Porengrößenver-teilung des Zementsteins die Verbindung der Kapillarporenuntereinander von besonderer Bedeutung für die transportiertenStoffmengen. Die durch kapillares Saugen oder durch laminareStrömung unter hohem Druck transportierten Flüssigkeitsmen-gen sind gering.

Im Bild I.5.7-3 ist im oberen Teil die Wasserdurchlässigkeit vonZementstein in Abhängigkeit vom Kapillarporenanteil aufgetra-gen [Pow1]. Im unteren Teil ist der Zusammenhang zwischendem Kapillarporenanteil, dem Wasserzementwert und demHydratationsgrad dargestellt [Loc6]. Aus dem Bild geht hervor,dass bis zu einem Kapillarporenanteil von etwa 20 Vol.-% (ent-sprechend einem w/z-Wert von etwas über 0,50 bei vollständigerHydratation, bzw. von 0,40 bei einem Hydratationsgrad von 70 % oder von 0,30 bei einem Hydratationsgrad von etwa 50 %)die Wasserdurchlässigkeit des Zementsteins sehr klein, prak-tisch gleich Null ist. Das bedeutet, dass die vorhandenen Kapil-larporen untereinander nicht verbunden sind und dass derStofftransport durch dichte Zementgelstrukturen unterbrochenwird.

Mit zunehmendem Kapillarporenanteil – etwa ab 25 Vol.-% –sind die Poren mehr und mehr untereinander verbunden, und dieWasserdurchlässigkeit steigt stark an. Zementstein mit einemw/z-Wert von 0,70 hat auch bei vollständiger Hydratation einenso hohen Kapillarporenanteil, dass er wasserdurchlässig bleibt.Eine ähnliche Wasserdurchlässigkeit weist Zementstein miteinem w/z-Wert von 0,50 auf, wenn der Zement nur zu 60 %hydratisiert ist, z. B. aufgrund einer ungenügenden Nachbehand-lung. Bei erneutem Wasserkontakt kann dieser Zementstein

156 I Zement

140

120

100

80

Was

serd

urch

lässig

keit

in 10

-14 m

/s

60

40

20

0

3 400

3 400

7 800 325

233

416

Alterin Tagen

Spezif. Oberflächein cm2/g

100

80

400 10 20

0,80,7

0,60,5

0,40,30,2

30 40Anteil der Kapillarporen in Vol.-%

Hydr

atatio

nsgr

ad in

%

Wasserzementwert

60

Bild I.5.7-3: Wasserdurchlässigkeit von Zementstein inAbhängigkeit von der Kapillarporosität und vom Wasser-zementwert (nach [Pow1, Loc6])

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 157

jedoch nachhydratisieren, wodurch die Wasserdurchlässigkeitstark abnimmt. Wird dabei eine fast vollständige Hydratationerreicht, so wird dieser Zementstein durch Nachhydratationpraktisch wasserundurchlässig [Grä1].

Der Kapillarporenraum des Zementsteins stellt demnach denEindringweg für z. B. Gase oder Flüssigkeiten in Mörtel undBetone dar. Der Einfluss des Kapillarporenanteils bzw. desWasserzementwerts sowie des Kapillardurchmessers auf dieTransportmechanismen Diffusion, kapillares Saugen und lami-nare Strömung geht aus folgenden Beispielen hervor.

In Tafel I.5.7-1 sind Diffusionskoeffizienten für die Gasdiffu-sion von Sauerstoff in trockenen Kapillarporen von Betonen mit unterschiedlichen Wasserzementwerten sowie für dieDiffusion von Chloridionen in mit Wasser gesättigten Kapillar-poren aufgeführt [Thi1]. Anschaulicher als die Diffusions-koeffizienten sind die Zeiträume, die die diffundierenden Sub-stanzen benötigen, um z. B. eine Wegstrecke von 1 cm zurück-zulegen [Klo1]. Diese für stationäre Diffusionsbedingungenberechneten Zeiten sind ebenfalls in Tafel I.5.7-1 aufgeführt.

Tafel I.5.7-1: Diffusion von Sauerstoff in lufttrockenemBeton sowie von Chloridionen in wassergesättigtem Beton

Substanz Wasser- Diffusions- Diffusionszeitzementwert koeffizient für einen Weg

in 10–12m2/s von 1 cm

Sauerstoff0,70 ~30 000 bis 300 000 ~3 Minuten bis 0,5 Stunden

(Gas/Gas)0,60 ~8 000 bis 30 000 ~0,5 Stunden bis 2 Stunden

0,50 ~1500 bis 8 000 ~2 Stunden bis 10 Stunden

Chloridionen 0,60 bis 0,40 ~15 bis 0,1 ~40 Tage bis 15 Jahre(fest/flüssig)

158 I Zement

Daraus geht hervor, dass die Diffusion von Gasen i. d. R.schnell verläuft, sodass selbst dichte, aber trockene Betoneüblicher Konstruktionsdicke innerhalb von Tagen von Sauer-stoffgas durchdrungen werden können. Bei Kohlenstoffdioxid(CO2) gelten jedoch andere Regeln (s. Abschnitt II.7.2). Für dasEindringen von Chlorid in die wassergefüllten Kapillarporendichter Betone werden hingegen Monate oder mehrere Jahrebenötigt.

In Kapillaren mit geringem Durchmesser führen kapillare Wech-selwirkungen zu sehr großen Steighöhen. In Tafel I.5.7-2 sinddie für Wasser berechneten, theoretischen maximalen Steig-höhen für gut benetzbare Materialien unter idealen Bedingungenin Abhängigkeit vom Kapillarradius aufgelistet. Die in den sehrkleinen Kapillaren transportablen, sehr geringen Stoffmengenbesitzen baupraktisch keine Bedeutung. Auch steigt der Strö-mungswiderstand in engen Kapillaren sehr stark an, sodass diemaximalen Steighöhen erst nach sehr langen Zeiten erreichtwerden [Klo1]. Für die Aufnahme von Wasser und darin ge-lösten Stoffen in Zementstein oder Beton mit Kapillarporen im

Tafel I.5.7-2: Kapillare Steighöhen für Wasser beim Ein-dringen in gut benetzbare Materialien unter idealen Bedin-gungen

Kapillar- maximaleradius Steighöhe in m

1 mm 0,015

100 µm 0,15

10 µm 1,5

1 µm 15

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 159

Mikrometerbereich ist das kapillare Saugen jedoch der maßgeb-liche von den in Bild I.5.7-2 gezeigten Transportvorgängen.In Tafel I.5.7-3 sind für Betone mit unterschiedlichen Wasser-zementwerten die durch kapillares Saugen nach einem Tag auf-genommenen Wassermengen in kg je m2 Betonoberfläche sowiedie dazugehörigen Eindringtiefen aufgeführt [Lun1].Diese Beispiele unterstreichen noch einmal, welche Bedeutungder Kapillarporenanteil bzw. der Wasserzementwert für dieDichtheit von Zementstein und Beton, z. B. gegenüber Gasenund Flüssigkeiten, hat. Um Betone mit hoher Dauerhaftigkeitherzustellen, ist deshalb ein niedriger Wasserzementwert desBetons von besonderer Bedeutung. Der Einsatz von Beton-zusatzmitteln ermöglicht es heute, Betone mit niedrigen Wasser-zementwerten und gut verarbeitungsfähiger Konsistenz herzu-stellen (s. Abschnitt II.2.4).

Tafel I.5.7-3: Durch kapillaren Wassertransport nach einemTag vom Beton aufgenommene Wassermengen sowie diedazugehörigen Eindringtiefen [Lun1]

Wasserzementwert aufgenommene mittlereWassermenge Eindringtiefe

in kg/m2 in cm

0,60 ~4,0 ~4,5

0,50 ~2,5 ~2,0

0,40 ~1,5 ~1,5

160 I Zement

5.8 Chemische Widerstandsfähigkeit

Bei einem chemischen Angriff auf erhärteten Beton wird zwi-schen einem lösenden und einem treibenden Angriff unterschie-den. Ein lösender chemischer Angriff wird durch Säuren undbestimmte austauschfähige Salze hervorgerufen. Er löst denZementstein aus dem Beton heraus. Dieser Vorgang schreitetvon außen nach innen fort und ist mit einem Absanden derBetonoberflächen verbunden. Das Treiben wird meist durchIonen hervorgerufen, die in den erhärteten Beton eindringen, mitbestimmten Hydratphasen des Zementsteins reagieren unddadurch neue Phasen bilden können. Wenn diese Phasenneu-bildungen einen größeren Raum einnehmen als die Ausgangs-bestandteile, wird ein Kristallisationsdruck im Innern desBetons hervorgerufen, der zu Spannungen führt. Diese Form des chemischen Angriffs ist zunächst nicht äußerlich erkennbar.Der Beton weist unter diesen Voraussetzungen häufig einehöhere Festigkeit auf. Werden die Spannungen so groß, dass die Zugfestigkeit des Betons überschritten wird, zerreisst dasGefüge. Es kommt zu Treiberscheinungen und Rissbildung.

Aggressive Gase, wie Schwefelwasserstoff oder Schwefeldioxid,können ebenfalls in den Beton eindringen und bei Feuchtigkeitmit Bestandteilen des Zementsteins reagieren. GasförmigesKohlendioxid reagiert zusammen mit Wasser zunächst mit dem Calciumhydroxid des Zementsteins und bildet Calcit(Calciumcarbonat CaCO3).

5.8.1 Lösender Angriff

Beton ist gegenüber einem sehr starken lösenden Angriff, wie z. B. durch starke Säuren, nicht widerstandsfähig. Zweckmäßigzusammengesetzter Beton kann jedoch gegen schwachen undstarken Angriff einen hohen Angriffswiderstand entwickeln.

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 161

Hüttensandreiche Hochofenzemente weisen gegenüber denmeisten lösenden Angriffen eine graduell höhere Widerstands-fähigkeit auf als andere Normzemente, jedoch ist der Unter-schied der verschiedenen Zementarten im Vergleich zur Bedeu-tung der Gefügedichtigkeit gering. Dementsprechend könnenalle Zemente als praktisch gleich widerstandsfähig gegen lösen-den Angriff bezeichnet werden [Wis1] (s. Abschnitt II.7.3.1).

5.8.2 Treibender Angriff

Erhärteter Zementstein muss raumbeständig sein, d. h. es dürfenkeine Treiberscheinungen auftreten, die das Betongefüge zer-stören können. Bei den chemischen Vorgängen im Beton, diedennoch Treiben hervorrufen, wird zwischen Kalk-, Magnesia-,Sulfat- und Alkalitreiben unterschieden. Beim Einsatz normge-recht zusammengesetzter Zemente (s. Abschnitt I.5.6) tritt Kalk-und Magnesiatreiben nicht auf. Ein Alkalitreiben ist dann zuerwarten, wenn neben Gesteinskörnung, die alkaliempfindlicheKieselsäure enthält, auch ein erhöhter wirksamer Alkaligehaltin der Porenlösung und vor allem Feuchtigkeit vorhanden sind (s. Abschnitt II.7). Eine Schädigung unterbleibt, wennZemente mit niedrigem wirksamen Alkaligehalt (NA-Zemente, s. Tafel I.2.2-3) eingesetzt werden. Beim Sulfattreiben wird zwi-schen Gips- und Ettringittreiben unterschieden. Eine besondereArt des Sulfatangriffs ist die Bildung von Thaumasit, die übereine Auflösung des Zementsteingefüges zu einer Entfestigungführt. (Im englischen Sprachgebrauch wird diese Art der Schädi-gung als TSA = Thaumasite Form of Sulphate Attack bezeich-net.)

Gipstreiben

Bei der Hydratation des Klinkeranteils im Zement entstehen ausden Calciumsilicaten Alit und Belit Calciumsilicathydrate und

162 I Zement

Calciumhydroxid. Das bei der Zementhydratation gleichzeitig in Lösung gehende Aluminat und der Sulfatträger reagierennormalerweise zu Ettringit, sodass in der Porenlösung die Kon-zentration an Sulfationen verarmt. Erst wenn Sulfationen z. B.aus der Gesteinskörnung oder von außen in den erhärteten Betongelangen, kommt es zur Reaktion zwischen Calciumhydroxidund Sulfat unter Bildung von Gips CaSO4 · 2 H2O, der durchden Kristallwachstumsdruck Treibschäden verursachen kann.Die Höhe der Schädigung hängt dabei von der Menge des zuge-führten Sulfats sowie des vorhandenen Calciumhydroxids imZementstein ab.

Ettringittreiben

Bei der Hydratation des Aluminats C3A entsteht in Gegenwartvon Calciumsulfat spontan Ettringit (primärer Ettringit) 3 CaO · Al2O3 · 3 CaSO4 · 32 H2O, der sich mit steigenderHydratationsdauer aufgrund eines Überangebots an Aluminathy-drat in Monosulfat umwandelt [Kal1, Ait1]. Das ist dann derFall, wenn die Sulfatkonzentration von 8,6 mg SO3/l in derPorenlösung unterschritten wird [D’An1]. In älteren Betonenwird jedoch häufig kein Monosulfat, sondern wiederum Ettringitnachgewiesen [Lud2, Gho1, Mor1, Pun1, Hei1, Yan1, Joh1].Diese Rückbildung aus Monosulfat in Ettringit wird damiterklärt, dass Ettringit gegenüber Monosulfat bei Raumtempera-tur die stabilere Phase ist [D’An1, Jon1, Mce1].

Bei der Wärmebehandlung von Beton wird nach dem derzeiti-gen Erkenntnisstand bei nicht ausreichender Vorlagerung dergrößte Teil des in Lösung gegangenen Sulfats des Zements nichtchemisch in Ettringit, sondern adsorptiv an Calciumsilicat-hydrate gebunden. Dieses physikalisch gebundene Sulfat istjederzeit mobilisierbar und kann unter geeigneten Bedingungen

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 163

und zu einem späteren Zeitpunkt Ettringit bilden [Odl2, Syl1].Deshalb sollte die Temperatur bei der Wärmebehandlung desBetons 60 °C nicht überschreiten [Law1, Ri17] und eine aus-reichende Vorlagerung eingehalten werden, um die primäreEttringitbildung nicht zu behindern [Kel1]. Tritt eine Betonzer-störung durch Neubildung von Ettringit im Zementstein auf,wird von einer Schädigung durch sekundäre Ettringitbildunggesprochen (SEB, im englischen Sprachgebrauch DEF =Delayed Ettringite Formation). Die Ursache für die schädigendeverzögerte Ettringitbildung ist bisher noch nicht vollständiggeklärt. Sie wird offensichtlich von der Zusammensetzung desZements, von den Konzentrationsverhältnissen und dem pH-Wert in der Porenlösung des Betons beeinflusst [Her1, Cha1].Zemente mit geringeren C3A- und Sulfatgehalten verminderndabei das Risiko einer schädigenden sekundären Ettringitbil-dung. Nach [Met1] wird Ettringit, der in Poren und Gefüge-störungen in größeren Kristallen (10 bis 100 µm) vorhanden ist, als festigkeitssteigernd und nicht treibend angesehen. Dieser Typ entsteht bei niedrigen Hydroxidionenkonzentratio-nen (OH-) im Beton. Bei sehr hohen OH-Ionenkonzentrationen,wie sie während der Hydratation von Portlandzement vorliegen,werden zunehmend kleine, 1 bis 2 µm lange stäbchenförmigeKristalle gebildet, die bei pH-Werten über 13,5 durch Wasser-adsorption Treiberscheinungen verursachen können [Met2].

Schädigung durch Thaumasit

Thaumasit ist ein Calciumsilicatcarbonatsulfathydrat CaSiO3 ·CaCO3 · CaSO4 · 15 H2O und wie Ettringit seit langem als Mine-ral in der Natur bekannt. In zementgebundenen Baustoffen ist es erst in den 60er-Jahren entdeckt worden. Für seine Bildungmüssen Kieselsäure, Carbonat, Sulfat und Wasser sowieCalcium vorhanden sein.

164 I Zement

Calcium liegt im erhärteten Zementstein als Calciumhydroxidund in der Porenlösung als Calciumion vor. Sulfat ist über denErstarrungsregler Bestandteil des Zements und im Zementsteinnormalerweise an Aluminat fest gebunden. Maßgebend ist des-halb die Sulfatzufuhr von außen durch Einwirkung sulfat-haltiger Wässer und Böden auf den Zementstein. Kieselsäureist in den hydratisierten und nicht hydratisierten Calcium-silicatverbindungen im Zementstein gebunden. Carbonat kannz. B. aus der Gesteinskörnung stammen oder durch Carbo-natisierung des Zementsteins gebildet werden. ZwischenEttringit und Thaumasit gibt es eine lückenlose Mischkristall-reihe [Kol1].

Umfangreiche Untersuchungen des Forschungsinstituts derZementindustrie haben gezeigt, dass durch Carbonatisierungunter bestimmten Bedingungen Calciumaluminatsulfat- undCalciumsilicathydrate zerstört werden können. Hierdurch gehteinerseits Sulfat in Lösung, und es entsteht andererseits reak-tionsfähige Kieselsäure. Diese Produkte der Carbonatisierungkönnen jedoch nur bei Temperaturen <10 °C bei gleichzeitigerAnwesenheit von CO2, Calcium und Wasser zu Thaumasitreagieren und eine Betonschädigung durch Verlust der Gefüge-festigkeit verursachen [Syl1].

In England wurden in letzter Zeit Schäden an Fundament-betonen bekannt, die Kalkstein mit hohen Feinstanteilen alsGesteinskörnung enthielten. Die Schädigung machte sich nichtin Form von Rissen bemerkbar, vielmehr löste sich dasZementsteingefüge von der Oberfläche her fortlaufend bereitsnach wenigen Jahren auf. Als schädigende Ursache wurde dieBildung von Thaumasit in Folge eines Angriffs schwefelsäure-haltiger Wässer von außen nachgewiesen [Rep1]. DerartigeSchädigungen wurden in Deutschland bisher nicht beobach-tet.

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 165

5.8.3 Carbonatisierung

Bei der Zugabe von Wasser zum Zement nimmt die entstehendeLösung sehr schnell einen pH-Wert von über 12,5 an, weil Alka-lien und Calciumhydroxid Ca(OH)2 in Lösung gehen. Das Cal-ciumhydroxid entsteht überwiegend bei der Hydratation desTricalciumsilicats. Die Löslichkeit von Calciumhydroxid istabhängig von der Temperatur und von den in der Lösung vor-handenen Bestandteilen. Bei 20 °C lösen sich 0,165 g Ca(OH)2

in 100 ml Wasser. Mit steigender Temperatur und mit zuneh-mender Alkalikonzentration nimmt die Löslichkeit ab. Wird beifortschreitender Zementhydratation die Sättigungsgrenze (Lös-lichkeitsprodukt) überschritten, fällt Calciumhydroxid als Fest-stoff aus, das im Zementstein in Form von Calciumhydroxid-kristallen (Portlandit) eingebettet ist.

Der Korrosionsschutz des Bewehrungsstahls wird vom pH-Wertdes ihn umgebenden Mediums bestimmt. Bei einem pH-Wertüber 10 bildet sich auf der Stahloberfläche eine Passivschichtaus, die den Stahl auch bei Feuchtigkeit und in Gegenwart vonSauerstoff vor Korrosion schützt. Chloridionen können auch beihohen pH-Werten die Passivschicht an der Stahloberflächedurchbrechen und lokale Korrosion (Lochfraß) hervorrufen.Sinkt der pH-Wert infolge Carbonatisierung unter 9, wird diePassivschicht angegriffen, und der Stahl beginnt bei Feuchtig-keits- und Sauerstoffzufuhr auf der gesamten Fläche zu rosten.

Es kommt zur Carbonatisierung, wenn der Zementstein langsamaustrocknet und dabei CO2, das in der Luft mit einem Volu-menanteil von etwa 0,03 % vorhanden ist, in die feinen Kapillar-poren eindringen kann. Es löst sich in den dünnen Wasserfilmen,die die Poren auskleiden. Dabei kann der pH-Wert in der Poren-lösung auf etwas unter 9 fallen. Bei höheren CO2-Gehalten, z. B. in Schornsteinen, kann der pH-Wert unter den Neutralwertvon 7 auch in den sauren Bereich absinken. Die gebildete Koh-

166 I Zement

lensäure reagiert dann mit dem Calciumhydroxid unter Bildungvon Calciumcarbonat. Hauptsächlich wird dabei Calcit als Cal-ciumcarbonatmodifikation gebildet, gelegentlich treten auchVaterit und Aragonit auf, die insbesondere in Verbindung mithüttensandreichen Zementen festgestellt wurden. Vaterit undAragonit sind instabil und wandeln sich mit der Zeit in Calcitum. Außerdem sind sie gegenüber Chloridlösung wenigerbeständig als Calcit und können sich unter Tausalzbeanspru-chung auflösen und somit die Kapillarporosität erhöhen. Da derCalcit etwa 10 % mehr Raum beansprucht als das Calcium-hydroxid, aus dem er entstanden ist, wird die Festigkeit desZementsteins durch die Carbonatisierung nicht vermindert, son-dern erhöht.

Die Carbonatisierung im Zementstein schreitet von außen nachinnen fort. Die Carbonatisierungstiefe kann am einfachsten undmit hinreichender Genauigkeit mit dem Phenolphthalein-Indika-tortest bestimmt werden. Dazu wird eine frische Bruchflächedes Zementsteins mit einer 1%igen alkoholischen Phenolphtha-leinlösung besprüht. Dabei bleibt der Bereich unterhalb einespH-Werts von 9 farblos. Bei höheren pH-Werten wird derZementstein rot angefärbt. Die carbonatisierte Schicht lässt sichnoch genauer mikroskopisch im Dünnschliff anhand der hohenDoppelbrechung des Calcits bestimmen. Im Laufe der Zeit wirdnicht nur das bei der Hydratation der Calciumsilicate abgespal-tene Calciumhydroxid carbonatisiert, sondern auch die übrigenHydratphasen. Calciumsilicathydrate wandeln sich im Carbona-tisierungsbereich in Calciumcarbonat und Kieselgel um. AusEttringit entstehen Calciumcarbonat, Aluminiumhydroxid undGips sowie aus Monosulfat und TetracalciumaluminathydratMonocarbonat. Als Folge des Carbonatisierens schwindet derZementstein. Dieser Vorgang wird als Carbonatisierungsschwin-den bezeichnet. Die Menge des gebildeten Calciumcarbonats

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 167

und die Carbonatisierungstiefe werden insbesondere durch diePorosität und Durchlässigkeit des Zementsteins bestimmt. Einausreichend hoch bemessener Mindestzementgehalt, ein ausrei-chend geringer w/z-Wert, ein genügend hoher Alkalipuffer sowieeine sorgfältige Nachbehandlung verringern die Carbonatisie-rungsgeschwindigkeit auf ein technisch tolerierbares Maß[VDZ1, Wal1]. Bei Bauwerksuntersuchungen wurde beobachtet,dass bei den in Deutschland vorherrschenden Feuchtebedingun-gen kein signifikanter Unterschied in der Carbonatisierungstiefe von Betonen mit Portlandzementen oder Hochofenzementenvorliegt [Nei1].

Die Aufnahme von Kohlensäure ist stark vom Feuchtigkeits-zustand des Zementsteins abhängig. Zementstein, dessen Porenmit Wasser gefüllt sind, carbonatisiert nicht oder nur sehrlangsam, weil das Wasser die Diffusion von Kohlendioxid inden Zementstein verhindert. Beim Austrocknen des Zement-steins vermindert sich der Wassergehalt im Porensystem. Rela-tive Luftfeuchtigkeiten der Umgebung zwischen 50 und 70 %fördern die Carbonatisierung am stärksten und verhindern diese unter 30 % vollständig. In Mitteleuropa treten derarttrockene Umweltbedingungen nicht oder nur sehr kurzzeitigauf.

Bauteile, die im Freien dem Niederschlag ausgesetzt sind, carbo-natisieren wesentlich langsamer als gleiche Bauteile, die vorNiederschlag geschützt sind. Um carbonatisieren zu können,muss erst das bei Niederschlag aufgenommene Wasser verdun-sten. In Bereichen mit konstanter Temperatur und mittlerer Luft-feuchtigkeit ist der Carbonatisierungsfortschritt in erster Nähe-rung proportional der Quadratwurzel aus der Zeit, d. h. dieCarbonatisierungsgeschwindigkeit wird mit zunehmender Zeit-dauer geringer (s. Abschnitt II.7).

168 I Zement

5.8.4 Sulfatwiderstand

Für den Sulfatwiderstand von Zementstein im Beton sind diechemische Sulfatempfindlichkeit der hydratisierten und nochnicht hydratisierten Bestandteile des Zements sowie die Fähig-keit des Zementsteins, die Diffusion der Sulfationen zu behin-dern, verantwortlich. Sulfathaltige Wässer, Böden und Gasegreifen üblich zusammengesetzten Beton mehr oder wenigerstark an. Übersteigt die Sulfatkonzentration eine bestimmteSchwelle, so ist ein Beton mit hohem Sulfatwiderstand erforder-lich. Solche Betone müssen eine hohe Dichtigkeit und Festigkeitaufweisen. Wenn die Sulfatkonzentration der angreifendenLösung 600 mg SO4

2–/l übersteigt, müssen Zemente mit hohemSulfatwiderstand, d. h. mit HS-Eigenschaft (s. Abschnitt I.2,Tafel I.2.2-3) eingesetzt werden. Bis zu einer Sulfatkonzentra-tion von 1500 mg SO4

2–/l im angreifenden Wasser können ersatz-weise auch Gemische aus Normzementen und 20 bis 40 M.-%Steinkohleflugasche nach DIN EN 450 verwendet werden. BeiPortlandschieferzement und Hochofenzement (CEM III/A)genügen 10 M.-% Steinkohleflugasche (s. Abschnitt II.7)[DAf1].

Durch den Einsatz von HS-Portlandzementen wird das Reak-tionspotential an neu gebildeten dehnungsfördernden Phasenaufgrund des geringen C3A- und Al2O3-Gehalts eingeschränkt.Mit diesen Zementen bildet sich nur in geringem Umfang Ettrin-git, der zudem aufgrund eines höheren Eisengehalts im Ettringit-gitter und einer damit verbundenen anderen Morphologie einegeringere Treibwirkung hervorruft. Der hohe Sulfatwiderstandder hüttensandhaltigen Zemente beruht in erster Linie auf derVerminderung der Sulfatdiffusion durch die besondere Gefüge-dichtigkeit des Zementsteins, darüber hinaus auf dem Verdün-nungseffekt des C3A-Gehalts im Zementklinkeranteil durch Hüt-tensand und dem geringeren Anteil des bei der Hydratation des

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 169

Zements gebildeten Ca(OH)2. Puzzolanisch reaktionsfähigesAl2O3 kann das chemische Reaktionspotential von Zementsteingegenüber Sulfat steigern.

Um Zemente unabhängig von ihrer Zusammensetzung nachihrer chemischen Sulfatwiderstandsfähigkeit einzuordnen, wer-den Prüfverfahren, die als Schnellprüfverfahren ausgelegt sind,eingesetzt. Dabei werden z. B. in ihrer Konzentration starküberhöhte Salzlösungen verwendet, die nicht den natürlichenGegebenheiten entsprechen. Außerdem wird bewusst eineSchwächung des Zementstein- und Betongefüges z. B. durcheine erhöhte Gefügeporosität oder durch Wahl von Prüfkörpernmit höheren Oberflächen/Volumen-Verhältnissen herbeigeführt[Koc1, Wit1, Loc6]. Aus zahlreichen Vergleichungsunter-suchungen ging bisher hervor, dass sowohl die Reproduzierbar-keit wie auch die Vergleichbarkeit der Prüfergebnisse unbefrie-digend sind und daher noch Forschungsbedarf für eine Normungeines dieser Prüfverfahren besteht.

Sulfate dringen von außen als wasserlösliche Sulfate, wie z. B.Natriumsulfat Na2SO4, Magnesiumsulfat MgSO4 oder Calcium-sulfat CaSO4, in den Beton ein und reagieren chemisch unterVolumenvergrößerung mit den Bestandteilen des Zementsteins.Einige der möglichen Reaktionen sind in Tafel I.5.8-1 zu-sammengestellt. Als Reaktionspartner von Calciumsulfat kom-men nur Aluminathydrate (z. B. C4AH19) oder Monosulfat (C3A · CaSO4 · 12 H2O) in Frage. Dabei entsteht Ettringit. Füreine Reaktion mit Na2SO4 stehen im Zementstein Calcium-hydroxid, Aluminathydrat und Monosulfathydrat zur Verfügung,die zu Gips, Monosulfat und Ettringit reagieren können. Magne-siumhaltige Lösungen verhalten sich sehr ähnlich. Magnesium-sulfat kann darüber hinaus auch mit dem Calciumanteil aus denSilicathydraten unter Bildung von Gips reagieren. Dadurch wirdeine Gefügeschwächung beschleunigt, die mit Festigkeitsein-

170 I Zement

bußen, Treiberscheinungen und verstärkter Sulfatdiffusion ver-bunden ist. Durch Bildung von Magnesiumhydroxid Mg(OH)2

auf der Betonoberfläche kann die Sulfatdiffusion behindert wer-den. Normalerweise liegen alle drei Salze in gelöster Form imangreifenden Wasser vor, sodass die chemischen Reaktionenaußerordentlich komplex verlaufen [Wis1].

5.9 UmweltverträglichkeitJeder Zement enthält geringe Mengen an Spurenelementen, dieim Wesentlichen durch die natürlichen Einsatzstoffe, wie z. B.Kalkstein und Ton, eingetragen werden. Dabei wird die Spann-weite der Spurenelementgehalte in den Einsatzstoffen durch diegeochemische Verteilung in den Lagerstätten bestimmt. Werdennatürliche Einsatzstoffe im heute üblichen Rahmen, der sich ausden Anforderungen an die Produktqualität und an die technischeEignung ergibt, teilweise durch sekundäre Roh- oder Brenn-stoffe ersetzt, können sowohl geringfügige Erhöhungen als auchVerminderungen der Spurenelementgehalte auftreten. Diese Ver-

Tafel I.5.8-1: Reaktionen von angreifenden Sulfaten mitBestandteilen des Zements und die dabei vorwiegend ent-stehenden Reaktionsprodukte

angreifendes Reaktionspartner ReaktionsproduktMedium im Zementstein

CaSO4 4 CaO · Al2O3 · 19 H2O 3 CaO · Al2O3 · CaSO4 · 12 H2O3 CaO · Al2O3 · CaSO4 · 12 H2O 3 CaO · Al2O3 · 3 CaSO4 · 32 H2O

Na2SO4 Ca(OH)2 CaSO4 · 2 H2O4 CaO · Al2O3 · 19 H2O 3 CaO · Al2O3 · CaSO4 · 12 H2O3 CaO · Al2O3 · CaSO4 · 12 H2O 3 CaO · Al2O3 · 3 CaSO4 · 32 H2O

MgSO4 Ca(OH)2 CaSO4 · 2 H2O3 CaO · 2 SiO2 · n H2O Mg(OH)2

4 CaO · Al2O3 · 19 H2O 3 CaO · Al2O3 · CaSO4 · 12 H2O3 CaO · Al2O3 · CaSO4 · 12 H2O 3 CaO · Al2O3 · 3 CaSO4 · 32 H2O

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 171

änderungen werden in den meisten Fällen durch die natürlichenKonzentrationsschwankungen in den primären Einsatzstoffenüberlagert.

In Tafel I.5.9-1 sind die Spannweiten der Gehalte einiger Spu-renelemente in deutschen Normzementen zusammengestellt.Diese Spannweiten entsprechen weitgehend dem Konzentra-tionsbereich von Spurenelementen in natürlichen Böden. DieSpurenelemente liegen in den Zementen im Allgemeinen alsschwer lösliche Verbindungen vor. Eine Ausnahme bildet dasElement Chrom. Die geringen Mengen, die in erster Linie ausder Tonkomponente des Rohmaterials herrühren, werden beimKlinkerbrennprozess oxidiert und als Chromat Cr(VI) im Klin-ker gebunden.

Für die Verarbeitung von Mörteln und Betonen ist entscheidend,dass die meisten Schwermetalle, wie Blei, Cadmium, Zink usw.,im Zementleim praktisch nicht in löslicher Form auftreten.

Tafel I.5.9-1: Spannweiten der Schwermetallgehalte in deut-schen Normzementen; Angaben in g/t, glühverlustfrei

Element Spannweite

Blei 2 bis 200

Cadmium <0,1 bis 8

Chrom 12 bis 105

Kobalt 1 bis 30

Nickel 5,5 bis 80

Quecksilber <0,02 bis 0,35

Thallium <0,5 bis 2

Zink 20 bis 450

172 I Zement

Alkali- und Chromverbindungen können demgegenüber imZementleim anfänglich zu einem höheren Anteil gelöst vorlie-gen. So heben die Alkalien den pH-Wert deutlich über 12,5 an.Bei Chromverbindungen ist davon auszugehen, dass im Zement-leim anfänglich 10 bis 20 % des gesamten Chroms als Chromatgelöst werden können (Chromatgehalt und Arbeitsschutzmaß-nahmen s. Abschnitt I.3.4.2). Mit fortschreitender Hydratationwird das gelöste Chromat in bzw. an die Hydratphasen gebundenund ist im erhärteten Zementstein in praktisch unlöslicher Formenthalten [Pis1].

Die bei der Hydratation des Zements entstehenden Hydratpha-sen binden nicht nur Spurenelemente, die aus dem Zement stam-men, sondern darüber hinaus auch noch zusätzliche Spurenele-mentmengen. Wenn Zementsuspensionen Schwermetalle alswasserlösliche Salze gezielt in hohen Konzentrationen zugege-ben werden, werden diese in den meisten Fällen in unlöslicheVerbindungen überführt bzw. die Löslichkeit wird deutlich redu-ziert. Im Bild I.5.9-1 sind die in Lösung verbleibenden Anteileder einer Zementsuspension zugegebenen Schwermetalle Blei(Pb), Cadmium (Cd), Chrom (Cr), Quecksilber (Hg), Thallium(Tl) und Zink (Zn) dargestellt. Die Suspension enthielt zuBeginn 2 bis 10 g gelöste Salze der vorgenannten Elementesowie 70 g Portlandzement je Liter. Der in Lösung verbleibendeAnteil wurde nach zweistündiger Kontaktzeit im Filtratbestimmt. Aus dem Bild geht hervor, dass die Verbindungen derElemente Blei, Cadmium und Zink in praktisch vollständigunlösliche Formen überführt werden. Beim Thallium liegt dergelöste Anteil bei 0,1 %, beim Quecksilber bei 5 % der zugegebe-nen Mengen. Lediglich das zugesetzte Chrom bleibt währendder kurzen Kontaktzeit vollständig in Lösung. Mit fortschreiten-der Hydratation nimmt jedoch auch die Konzentration desChroms rasch ab [Spr4, Spr5].

5 Bautechnische Eigenschaften des Zements 173

0,001

0,01

0,1

1

10

100

In d

er S

uspe

nsio

n ge

löste

r Ant

eil in

% d

es G

esam

tgeh

alts

Schwermetall

Cr Hg Tl Pb Zn Cd

< 0,001 < 0,001 < 0,001

Bild I.5.9-1: In der wässrigen Phase von Zementsuspensionengelöster Anteil von Schwermetallen, die als wasserlöslicheVerbindungen zugegeben wurden. Kontaktzeit: zwei Stunden

Bei der Bewertung der Umweltverträglichkeit von Zementenmuss weiterhin berücksichtigt werden, dass sich die Freisetzungvon Stoffen mit zunehmender Erhärtung allein durch die Ausbil-dung des dichten, festen Zementsteingefüges sehr stark vermin-dert, da im Porenwasser gelöste Substanzen nur durch sehr lang-sam ablaufende Diffusionsprozesse eluiert werden können. Dietreibende Kraft für eine Freisetzung durch Diffusionsvorgängesind Konzentrationsunterschiede der Stoffe in der Porenlösungdes Zementsteins und dem auslaugenden Umgebungswasser.Dabei hängt die Konzentration eines Stoffs in der Porenlösungvon der Wechselwirkung mit den Hydratationsprodukten ab.Sorptionseffekte, chemische Bindungsvorgänge an der Ober-fläche der Hydratphasen, Fällungsreaktionen mit geeignetenPartnern oder der Einbau in das Kristallgitter der Hydratphasenvermindern die Konzentrationen von im Porenwasser gelöstenStoffen in erheblichem Maße. Dieser Mechanismus ist fürSchwermetalle, aber auch für Betonverflüssiger und Fließmitteluntersucht worden [Spa1].

174 I Zement