4.6 Gesprächsdidaktik: Gespräche im Unterricht...

23
Brünner_Weber_12 1 4.6 Gesprächsdidaktik: Gespräche im Unterricht transkribieren und analysieren Gisela Brünner / Peter Weber 1 Gesprächsdidaktik auf gesprächsanalytischer Grundlage 2 Unterrichtsmodell: Arbeit mit Gesprächen im Deutschunterricht 2.1 Wie kann man Gespräche aufnehmen? 2.2 Wie kann man Gespräche transkribieren? 2.3 Transkriptausschnitt „Glanzmispel“ 2.4 Wie kann man Gespräche analysieren? 3 Beispielanalyse des Verkaufsgesprächs „Glanzmispel“ 3.1 Welche Merkmale von Mündlichkeit weist der Gesprächsausschnitt auf? 3.2 Fragegeleitete Transkriptanalyse 4 Verknüpfungsmöglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten 5 Literatur 1 Gesprächsdidaktik auf gesprächsanalytischer Grundlage Gespräche, von Angesicht zu Angesicht geführt oder medial vermittelt, bestimmen unsere Kommunikation in Alltag und Beruf mindestens genauso wie Texte, die wir produzieren oder rezipieren. Gespräche angemessen und besonders in schwierigen Situationen souverän füh- ren zu können stellt eine Schlüsselqualifikation dar. Deshalb sollte es ein besonderes Anlie- gen des Deutschunterrichts sein, die Gesprächskompetenz (s. Becker-Mrotzek i.d.Bd.) der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Bisher ist in der Schule das Gespräch zwar immer Me- dium des Unterrichts, aber selten Reflexions- und Lerngegenstand. Das Ziel der Förderung von Gesprächskompetenz soll laut Richtlinien und Lehrplänen in den verschiedenen Schulstufen und -formen durch Analyse und aktive Gestaltung mündlicher Kommunikation verfolgt werden, beispielsweise in den Lernbereichen „Reflexion über Spra- che“ und „Sprechen und Zuhören“ (Kernlehrpläne für das Fach Deutsch SI NRW). Als Unter- richtsgegenstände werden hier vor allem innerschulische Gesprächsformen (z.B. Diskussion) genannt, wiederholt aber auch (vor allem in den Abgangsklassen) Alltagsgespräche der au- ßerschulischen Realität, wie das Bewerbungsgespräch, das analysiert und im Rollenspiel simuliert werden soll. Besonders im Berufskolleg hat die Beschäftigung mit Formen und Merkmalen beruflicher Gespräche (z.B. Verkaufs-, Verhandlungs-, Beratungsgespräche) im Fach Deutsch zunehmend in die Lehrpläne Eingang gefunden (s. z.B. www.Schulministerium.NRW.de ). Jedoch fällt bei der Durchsicht der Unterrichtskonzepte und Lehrmaterialien zum Thema Ge- sprächsanalyse und Gesprächsführung auf, dass die dort wiedergegeben Gespräche in der Regel erfunden, vereinfacht und modellhaft schematisiert sind. Aussagen über Gesprächs- merkmale bleiben meist sehr allgemein und bieten kaum weitergehende Erklärungen. Anlei- tungen zum sprachlichen Handeln sind in der Regel normativ-instruktiv, das heißt, sie geben das – u.U. bewährte, aber nicht wissenschaftlich belegte – Rezeptwissen der Ratgeberlitera- tur unreflektiert weiter.

Transcript of 4.6 Gesprächsdidaktik: Gespräche im Unterricht...

Bruumlnner_Weber_12 1

46 Gespraumlchsdidaktik Gespraumlche im Unterricht transkribieren und analysieren Gisela Bruumlnner Peter Weber

1 Gespraumlchsdidaktik auf gespraumlchsanalytischer Grundlage

2 Unterrichtsmodell Arbeit mit Gespraumlchen im Deutschunterricht

21 Wie kann man Gespraumlche aufnehmen

22 Wie kann man Gespraumlche transkribieren

23 Transkriptausschnitt bdquoGlanzmispelldquo

24 Wie kann man Gespraumlche analysieren

3 Beispielanalyse des Verkaufsgespraumlchs bdquoGlanzmispelldquo

31 Welche Merkmale von Muumlndlichkeit weist der Gespraumlchsausschnitt auf

32 Fragegeleitete Transkriptanalyse

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

5 Literatur

1 Gespraumlchsdidaktik auf gespraumlchsanalytischer Grundlage

Gespraumlche von Angesicht zu Angesicht gefuumlhrt oder medial vermittelt bestimmen unsere Kommunikation in Alltag und Beruf mindestens genauso wie Texte die wir produzieren oder rezipieren Gespraumlche angemessen und besonders in schwierigen Situationen souveraumln fuumlh-ren zu koumlnnen stellt eine Schluumlsselqualifikation dar Deshalb sollte es ein besonderes Anlie-gen des Deutschunterrichts sein die Gespraumlchskompetenz (s Becker-Mrotzek idBd) der Schuumllerinnen und Schuumller zu foumlrdern Bisher ist in der Schule das Gespraumlch zwar immer Me-dium des Unterrichts aber selten Reflexions- und Lerngegenstand

Das Ziel der Foumlrderung von Gespraumlchskompetenz soll laut Richtlinien und Lehrplaumlnen in den verschiedenen Schulstufen und -formen durch Analyse und aktive Gestaltung muumlndlicher Kommunikation verfolgt werden beispielsweise in den Lernbereichen bdquoReflexion uumlber Spra-cheldquo und bdquoSprechen und Zuhoumlrenldquo (Kernlehrplaumlne fuumlr das Fach Deutsch SI NRW) Als Unter-richtsgegenstaumlnde werden hier vor allem innerschulische Gespraumlchsformen (zB Diskussion) genannt wiederholt aber auch (vor allem in den Abgangsklassen) Alltagsgespraumlche der au-szligerschulischen Realitaumlt wie das Bewerbungsgespraumlch das analysiert und im Rollenspiel simuliert werden soll Besonders im Berufskolleg hat die Beschaumlftigung mit Formen und Merkmalen beruflicher Gespraumlche (zB Verkaufs- Verhandlungs- Beratungsgespraumlche) im Fach Deutsch zunehmend in die Lehrplaumlne Eingang gefunden (s zB wwwSchulministeriumNRWde)

Jedoch faumlllt bei der Durchsicht der Unterrichtskonzepte und Lehrmaterialien zum Thema Ge-spraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlhrung auf dass die dort wiedergegeben Gespraumlche in der Regel erfunden vereinfacht und modellhaft schematisiert sind Aussagen uumlber Gespraumlchs-merkmale bleiben meist sehr allgemein und bieten kaum weitergehende Erklaumlrungen Anlei-tungen zum sprachlichen Handeln sind in der Regel normativ-instruktiv das heiszligt sie geben das ndash uU bewaumlhrte aber nicht wissenschaftlich belegte ndash Rezeptwissen der Ratgeberlitera-tur unreflektiert weiter

Bruumlnner_Weber_12 2

Wie Lektionen uumlber Verkaufsgespraumlche in Lehrbuumlchern fuumlr den Unterricht an berufsbildenden Schulen haumlufig aussehen verdeutlicht Abbildung 1 (Lachenmann 2003 141)

Abb1 Verkaufsgespraumlche in Lehrbuumlchern

Zwar kann der fingierte Dialog in pointierter Form Verkaumluferverhalten in einer heiklen Situati-on (Kundeneinwand) illustrieren Die Reaktion des Verkaumlufers auf die Kritik der Kundin an der Ware (bdquoSie haben Rechthellip Ihr Vorteil ist aberhellipldquo) wird allerdings nur ansatzweise analy-siert und zum Anlass genommen eine aumluszligerst knappe Handlungsanweisung zu formulieren bdquoProduktvorteile nennen ndash Nachteile ausgleichenldquo Die Arbeitsauftraumlge regen vordergruumlndig zu Transfer Nach- und Weiterdenken an legen aber den Gedanken nahe dass das Aus-wendiglernen von Formeln die beste Vorbereitung auf die Verkaufspraxis sei Dieses Kon-zept der Foumlrderung von Gespraumlchskompetenz leistet einem schematisch-rezeptgeleiteten sprachlichen Handeln Vorschub

Im Folgenden stellen wir ein Konzept dar das der komplexen kommunikativen Wirklichkeit besser gerecht zu werden versucht Schuumller sollen sich mit tatsaumlchlich gefuumlhrten Gespraumlchen beschaumlftigen selbst solche Gespraumlche aufnehmen verschriften und analysieren Dahinter steht die Uumlberlegung dass durch den Erwerb von Faumlhigkeiten zur genauen Wahrnehmung und Interpretation von kommunikativen Phaumlnomenen sich besonders gut Strukturwissen uumlber alltagsweltliche und institutionelle Gespraumlche aufbauen laumlsst Dies ist Voraussetzung dafuumlr das eigene Gespraumlchsverhalten reflektieren und kontrollieren zu koumlnnen Dazu gehoumlrt auch Kommunikationsprobleme rechtzeitig zu erkennen und angemessen auf sie zu reagieren also gleichzeitig soziale Sensibilitaumlt und Perspektivenuumlbernahme wie auch Zielstrebigkeit und Durchsetzungsvermoumlgen zu zeigen

Bruumlnner_Weber_12 3

Theoretischer Hintergrund ist die linguistische Gespraumlchsforschung (Bruumlnner idBd Fiehler idBd) die authentische Gespraumlche empirisch auf die verschiedenen Formen und Funktio-nen des sprachlichen Handelns hin untersucht Die Gespraumlchsforschung analysiert die kom-munikativen Aufgaben die die Gespraumlchsteilnehmer in einem Gespraumlch zu erfuumlllen haben die sprachlichen Handlungsmuster und sprachlichen Mittel die dabei eingesetzt werden Sie rekonstruiert die Probleme die in Gespraumlchen typischerweise auftreten und die Loumlsungen die dafuumlr gefunden werden Ihre Ergebnisse lassen sich fuumlr die Entwicklung gespraumlchsdidak-tischer Konzepte und die Foumlrderung von Gespraumlchskompetenz in Aus- und Fortbildung ver-wenden

2 Unterrichtsmodell Arbeit mit Gespraumlchen im Deutschunterricht

Wir wollen nun vorstellen wie im Deutschunterricht (am Ende der SekI und in der SekII) mit authentischen Gespraumlchen gearbeitet werden kann ndash ein Modell das zT schon in der Praxis erprobt ist Die dafuumlr geeigneten Fragestellungen und methodischen Verfahren erlaumlutern wir an einem konkreten Beispiel (Kap 3) Eine ausfuumlhrlichere Darstellung der Dokumentations- und Analysemoumlglichkeiten muumlndlicher Kommunikation gibt Bruumlnner idBd

Mit dem vorgestellten Unterrichtsmodell lassen sich besonders folgende Unterrichtsziele ver-folgen

bull Zugang und Einblick gewinnen in relevante Formen kommunikativer Praxis (auch in sol-che mit denen die Schuumller noch nicht vertraut sind)

bull sprachanalytisch-methodische Faumlhigkeiten entwickeln (Sensibilisierung fuumlr und genaue Wahrnehmung bzw Interpretation von Gespraumlchssituationen und kommunikativen Phauml-nomenen)

bull Einsichten gewinnen in die Funktionsweisen der muumlndlichen Kommunikation (Merkmale von Muumlndlichkeit erkennen Verlauf von Gespraumlchen bewusst wahrnehmen kontrollieren und gestalten Kommunikationsprobleme rechtzeitig erkennen und angemessen bearbei-ten)

bull eigene Gespraumlchskompetenz verbessern durch die Entwicklung und Anwendung von Kri-terien fuumlr sach- und situationsangemessene Gespraumlchsfuumlhrung

21 Wie kann man Gespraumlche aufnehmen

Die Gespraumlchsforschung arbeitet mit Ton- und Video-Aufnahmen authentischer Gespraumlche von denen genaue Verschriftungen (Transkripte) angefertigt werden Gespraumlche muumlssen aufgenommen damit konserviert und reproduzierbar gemacht und anschlieszligend verschriftet werden um sie detailliert und gruumlndlich analysieren zu koumlnnen Denn das gesprochene Wort ist fluumlchtig nur aus der Erinnerung heraus sind Gespraumlche nicht angemessen zu bearbeiten

Bevor man Aufnahmen macht ist zu uumlberlegen mit welchem Typ von Gespraumlchen man sich beschaumlftigen moumlchte Erste Fragestellungen und Ziele der Untersuchung sind zu formulieren Besonders relevant fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller sind zB Bewerbungs- und Pruumlfungs-gespraumlche jedoch ist der Zugang zu Daten hier schwierig Leicht aufzuzeichnen sind dage-gen Gespraumlche im privaten Bereich oder in den Massenmedien Fuumlr die Behandlung in der Schule eignen sich besonders auch institutionelle berufsuumlbergreifende Gespraumlchstypen Zu

Bruumlnner_Weber_12 4

nennen sind etwa Besprechung Uumlbergabegespraumlch Diskussion Verhandlung Konfliktge-spraumlch oder Beratung Sie kommen in vielen ganz unterschiedlichen Berufen vor wenn auch in verschiedenartigen Auspraumlgungen und Variationen (Bruumlnner 2007)

Die folgenden Vorschlaumlge fuumlr Gespraumlchsaufnahmen lassen sich mit einiger Aussicht auf Er-folg mit Schuumllern realisieren

bull Auskuumlnfte und Beratungen (anonym) ggf telefonisch (zB Bundesbahn Reisebuumlro Call-Center Computer-Hotline Laumlden)

bull Instruktionen Handlungsanleitungen (zB im privaten Bereich Computerprobleme technische Reparaturen Anleitungen zu Taumltigkeiten in Sport und Spiel)

bull mediale Gespraumlche (TV und Radio zB Streitgespraumlche Interviews mit Politikern oder Experten Call-in Sendungen in denen Anrufern Auskunft oder Rat gegeben wird)

bull diverse berufliche Gespraumlchstypen unter Nutzung von Praktika Nebenjobs privaten Fir-menkontakten usw (zB Reparaturannahme in der Autowerkstatt Arbeitsbesprechun-gen Uumlbergabegespraumlche Verkaufs- und Reklamationsgespraumlche Beschwerden Ver-handlungen auf dem Flohmarkt oder Gebrauchtwagenmarkt)

Verfuumlgbare Tonaufnahmen mit zugehoumlrigen Transkriptionen findet man zB in Becker-MrotzekBruumlnner (2006) in verschiedenen Aufsaumltzen der Online-Zeitschrift Gespraumlchsfor-schung (wwwgespraechsforschung-ozsde) sowie im Deutschen Spracharchiv und der Da-tenbank Gesprochenes Deutsch des IDS (httpdsav-oeffids-mannheimdeDSAv)

Welche Gespraumlche auch immer aufgenommen werden von zentraler Bedeutung ist dass sie natuumlrlich (authentisch) sind also nicht fuumlr die Aufnahme inszeniert wurden Zwar kann das Wissen aufgenommen zu werden uU das Aumluszligerungsverhalten der Gespraumlchsteilnehmer beeinflussen Das schmaumllert aber in der Regel nicht den Wert der Aufnahmen weil die meis-ten Sprecher nach kurzer Zeit die Aufnahmesituation nicht mehr beachten Wissen sie nichts von der Aufnahme verhalten sie sich meist ungezwungener Aber das gesprochene Wort unterliegt sofern es nicht an die Oumlffentlichkeit gerichtet ist dem Datenschutz und eine Auf-nahme bedarf der Einwilligung der Betroffenen Namen und andere identifizierende Hinweise werden in Aufnahme und Transkript anonymisiert

Im Vorfeld der geplanten Aufnahmen sind praktische Fragen zu klaumlren Wo und unter wel-chen Umstaumlnden lassen sich Gespraumlche am besten so aufzeichnen dass sie ergiebige und repraumlsentative Untersuchungsgegenstaumlnde werden koumlnnen Eventuell muumlssen Widerstaumlnde der Sprecher uumlberwunden werden Ist es sinnvoll wenn man als teilnehmender Beobachter selbst die Aufnahmen macht oder hat es Vorteile wenn man nicht anwesend ist Sollen Au-dio- oder Videogeraumlte eingesetzt werden Audioaufnahmen sind unauffaumllliger zu bewerkstel-ligen die Gespraumlche damit natuumlrlicher Videoaufnahmen erfassen hingegen auch die non-verbale Kommunikation und die raumlumlichen Konstellationen und erleichtern die Identifizierung der Sprecher

Eine technisch gute Qualitaumlt der Aufnahmen ist wichtig und wird durch ein externes Mikrofon unterstuumltzt Sind Stoumlrgeraumlusche zu stark laumlsst sich das im Nachhinein kaum korrigieren und fuumlhrt zu Problemen beim Transkribieren Ideal sind digitale Aufnahmen weil sie am einfach-sten auf den PC uumlbertragen und dort direkt bearbeitet werden koumlnnen Mit dem freien Audio-Editor Audacity (httpaudacitysourceforgenet) lassen sich Audioaufnahmen bequem

Bruumlnner_Weber_12 5

schneiden in der Lautstaumlrke veraumlndern und durch das Einfuumlgen von Signaltoumlnen anonymisie-ren Ausfuumlhrliche Informationen zu Hard- und Software die in der Gespraumlchsforschung Ver-wendung finden bietet das IDS unter httpgaisids-mannheimdetechnikhtml

22 Wie kann man Gespraumlche transkribieren

Transkribieren heiszligt verbale (und ergaumlnzend uU auch intonatorische und nonverbale) Phauml-nomene aufgenommener Gespraumlche so originalgetreu wie moumlglich ndash dh objektiv registrie-rend nicht interpretierend ndash zu notieren In sogenannter bdquoliterarischer Umschriftldquo koumlnnen arti-kulatorische Besonderheiten der Aussprache (zB dialektale Faumlrbung) wiedergegeben wer-den Besonderheiten muumlndlicher Kommunikation werden nicht geglaumlttet und nicht den gram-matischen Normen angepasst Zweck und Nutzen dieser Arbeit ist es eine schriftliche Grundlage fuumlr die detaillierte Untersuchung von Gespraumlchen zu schaffen Das genaue Abhouml-ren und Transkribieren einer Aufnahme vermittelt ndash gerade fuumlr Anfaumlnger ndash oft schon gute Einblicke in Eigenschaften der gesprochenen Sprache und in das Gespraumlchsverhalten

Transkripte dokumentieren die sprachlich-kommunikative Praxis Sie wirken wie ein Mikro-skop oder eine Zeitlupe und machen viele Phaumlnomene erst fuumlr die Analye zugaumlnglich Sie bewahren die genauen Formen des Gesprochenen schaffen Distanz und erleichtern so er-heblich die genaue Analyse von Gespraumlchen Transkripte lassen sich auch als effiziente Lehr- und Lernmittel einsetzen (FiehlerSchmitt 2004 Becker-MrotzekBruumlnner 2006) Transkripte sind Erkenntnismittel fuumlr kommunikative Strukturen und sprachliche Mittel Sie tragen bei zur Sensibilisierung fuumlr Sprache im Allgemeinen und Gespraumlchsprozesse im Be-sonderen unterstuumltzen eine kritische (Selbst-)Reflexion und stellen eine Ressource sprach-lich-kommunikativer Verfahren dar die zur Loumlsung kommunikativer Aufgaben und Probleme in Gespraumlchen eingesetzt werden koumlnnen

Es gibt verschiedene Transkriptionssysteme d h normierte Verfahren zur Darstellung ge-sprochener Sprache (s dazu Bruumlnner idBd EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online) Die im deutschen Sprachraum am haumlufigsten benutzten Systeme HIAT (Halbin-terpretative Arbeitstranskriptionen) und GAT (Gespraumlchsanalytisches Transkriptionssystem) bedienen sich entweder der Partitur- (HIAT) oder der Zeilenschreibweise (GAT) Bei der Par-titurschreibweise die im folgenden Beispiel bdquoGlanzmispelldquo zur Anwendung kommt werden die gleichzeitigen Kommunikationsereignisse in untereinander angeordneten Zeilen notiert Das ermoumlglicht eine uumlbersichtliche Darstellung von Sprecherwechseln und Phasen parallelen Sprechens Bei der Transkription sollte man sich an den existierenden Transkriptionskonven-tionen orientieren die die Umsetzung muumlndlicher Sprache in Schrift regeln (s Abb 2)

Liegt die Gespraumlchsaufnahme als Datei vor leisten spezialisierte Player fuumlr die Transkripti-onsarbeit gute Dienste zB Ton und Text (wwwton-und-textde) oder f4 (wwwaudiotranskriptionde)

Bruumlnner_Weber_12 6

Abb 2 Die wichtigsten Transkriptionskonventionen nach HIAT

Die erste Transkriptionssoftware HIAT-DOS (wwwehlich-berlindeHIATHIAThtm) ist auch heute noch auf Windows-PCs verwendbar und erzeugt durch Partiturklammern gekenn-zeichnete Flaumlchen mit mehreren Zeilen fuumlr Sprecher verbale Daten intonatorische Daten nonverbale Kommunikation und Kommentare Die neue Transkriptionssoftware EXMARaLDA (wwwexmaraldaorg) ist zugleich Transkriptionseditor Datenverwaltungs- und Analysepro-gramm Transkriptionen koumlnnen in gaumlngige Praumlsentationsformate (RTF HTML PDF) uumlber-fuumlhrt und gemaumlszlig den verschiedenen Transkriptionssystemen (HIAT GAT ua) ausgegeben werden

23 Transkriptausschnitt bdquoGlanzmispelldquo

Das folgende Transkript gibt einen kurzen Ausschnitt (152 min) eines Verkaufsgespraumlchs in einem Gartencenter wieder (Download der Tonaufnahme unter httphomeedouni-dortmundde~bruennerPublikationenhtml) Das Gespraumlch wurde von dem Verkaumlufer mithil-fe eines MiniDisc-Rekorders und eines Krawattenmikrofons aufgenommen Das Transkript wurde mit EXMARaLDA gemaumlszlig den HIAT-Konventionen erstellt

Bruumlnner_Weber_12 7

Situation Die beiden aumllteren Kundinnen hatten im Selbstbedienungsbereich des Gartencen-ters Kuumlbelpflanzen selbstaumlndig (vor-)ausgewaumlhlt und dann den Verkaumlufer gebeten deren Eigenschaften zu beschreiben Daraufhin stellt der Verkaumlufer die Vorzuumlge der Pflanzen dar und gibt Pflegehinweise

[89]

V kupferfarben Son bisgen Ja das is erstK i n 2 Ja Ja So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen alles [90]

V mal die Sache erst mal aumlh sagen wer mal Ja das K i n 1 Ja und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabei [91]

V waumlr jetzt wieder en anderer Charakter K i n 1 Und welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmen Sagen wer mal jetzt nicht aumlh von der [92]

K i n 1 von der erst mal von der Pf aumlh Pflegeleichtigkeit Also und Im Topf und im Schatten K i n 2 Von der Pflege im im Topf Da man [93]

V Es is ja kein Schatten Halbschatten Kin1 Ja doch Es is aber Drei Stunden K i n 2 sie nicht Nee es is es is Drei Stunden is Sonne [94]

K i n 1 Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanze Stellen Se mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am [95]

V Nein Sie muumlssen Nee nee D das Nee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie K i n 1 Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primel [96]

V andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den ganzen Tag in der Sonne schmoren [97]

V im Kuumlbel Ja Sehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist Kin1 Ja das is natuumlrlich auch nich (so gut) Kin2 Genau [98]

V nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden gefroren is und Kin2 Ja genau Genau Ja [99]

V die Sonne knallt auf die Pflanze Sehen Sie Kin1 ((putzt sich die Nase)) () (wird alles) () () Ja ja ich weiszlig Kin2 Ich kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht

Bruumlnner_Weber_12 8

[100] V Das ist fuumlr die Pflanze viel ausgeglichener Also so gesehen Ah die Frage K i n 1 ((lacht)) Na gut Also welche wuumlrden Sie dann nehmen Kin2 so viel Sonne haben Genau Ja [101]

V natuumlrlich Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks Das beantworte ich auch nie direkt K i n 1 Ja Kin2 Das is jetzt natuumlrlich () [102]

V Wenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hier Kin1 Koumlnnen Se aber doch Ja was is am robustesten Das waumlr ne Kin2 Nee Ja [103]

V Aumlhm Jaha ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer K i n 1 gute das is ne gute Frage Ja [104]

V So mal zu sagen hundert aumlh hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm K i n 1 Ja [105]

V dieser Kletterjasmin aumlhm der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Ja an sich die die aumlhm aumlhm der K i n 2 Ja [106]

V Berglorbeer auch K i n 1 Guck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Kin2 Ja ja dann is nich mehr viel ne [107]

V Das is das K i n 1 Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die geht jetzt auf Drei Wochen und weg is se K i n 2 Hm Hm [108]

V Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auch K i n 1 Deshalb nehm ich Ich nehm zum Beispiel auch Kin2 Ja [109]

Kin1 Stauden Das is das gleiche von Stauden Die bluumlhen drei Wochen man hat viel Arbeit damit Ich pflanz mir Kin2 Jaha [110]

V Das is eine () Kin1 lieber Sommerblumen da hab ich den ganzen Sommer was Kin2 So Ich Meine engere Wahl is der oder die [111]

V Aha Ja dann haben Sie hier Das sind zwei verschiedene Charaktere Das is Kin1 Das waumlre auch (gut) K i n 2 Glanzmispel [112]

V schon mal en Fortschritt Aumlhm Hier is es so das etwas Verspielte und Bluumlhende K i n 1 Ja wir kommenschon naumlher Kin2 Ja Ja

Bruumlnner_Weber_12 9

[113] V trotzdem farblich Akzentuierte mit Herbstfaumlrbung Versehene Ja Und da oben das auch aumlhm sagen wer K i n 2 Ja Ja [114]

V etwas Akkuratere Formalere Kin1 Deshalb wuumlrd ich jetz kein Hoch Wenn ich bei ner Glanzmispel wenn ich ne Kin2 Ja Sie is Kein [115]

V Das is K i n 1 Glanz wuumlrd ich kein Hochbaumlumchen nehmen Ich wuumlrde nen Busch nehmen Kin2 Hochbaumlumchen Die Buschen sind aber

24 Wie kann man Gespraumlche analysieren

An Transkripten lassen sich strukturelle und funktionale Besonderheiten muumlndlicher Kommu-nikation herausarbeiten zB Was sind die Zwecke bestimmter Gespraumlche oder Handlungs-muster Erfuumlllen diese hier ihre Funktionen Welche einzelnen kommunikativen Aufgaben stellen sich den Beteiligten Wie bearbeiten sie diese und mit welchem Erfolg Welche Prob-leme entstehen dabei Mit welchen Konsequenzen Welche Loumlsungsversuche unternehmen die Beteiligten und wie gelingen diese Methoden der Arbeit mit Transkripten und leitende Fragestellungen sind in Bruumlnner (idBd) dargestellt Fuumlr Unterrichtszwecke besonders ge-eignet sind ndash als primaumlr analytische Zugaumlnge ndash die Einzelfallanalyse und die fragegeleitete Transkriptanalyse

Bei der Einzelfallanalyse wird die Entwicklung des Gespraumlchs sequenziell von seinem Beginn bis zu seinem Ende Aumluszligerung fuumlr Aumluszligerung Einheit fuumlr Einheit nachgezeichnet Fuumlr jede Aumluszligerung wird eine inhaltliche Paraphrase gegeben und bestimmt wie sie das Gespraumlch thematisch fortfuumlhrt was fuumlr eine Handlung mit ihr vollzogen wird welche Funktion(en) sie an dieser Stelle des Gespraumlchs hat und welche (grammatischen stilistischen prosodischen usw) Besonderheiten die Form der Aumluszligerung uU aufweist Auf diese Weise koumlnnen die Gliederung die wesentlichen Themen und Handlungseinheiten des Gespraumlchs rekonstruiert werden und es lassen sich aus den im Datenmaterial beobachteten Auffaumllligkeiten heraus Analysefragen entwickeln

Bei der fragegeleiteten Transkriptanalyse (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) orientiert man sich an bereits vorformulierten Fragestellungen und richtet einen entsprechenden Fokus auf be-stimmte Transkriptstellen Phaumlnomene oder Problemlagen im Transkript (zB Wie gestalten Verkaumlufer und Kunde ihre Beziehung oder Wie wird mit Einwaumlnden des Kunden umgegan-gen oder Wie werden Scherzen und Lachen fuumlr die Bearbeitung von Gespraumlchsproblemen eingesetzt) Es werden fuumlr die Leitfrage relevante Belegstellen gesucht detailliert analysiert und in Beziehung zueinander gesetzt oder es werden unterschiedliche Beispiele fuumlr ein Phaumlnomen gesammelt verglichen und nach verschiedenen Faumlllen typisiert Dabei ist die Ar-beit mit mehreren Transkripten von Vorteil weil sie Kontrastierungen und Verallgemeinerun-gen uumlber den Einzelfall hinaus erlaubt

Anwendungsbezogene Fragestellungen lassen sich anschlieszligen indem zB Kommunikati-onsprobleme identifiziert und in ihren Konsequenzen beschrieben werden indem Loumlsungs-versuche der Beteiligten im Gespraumlch rekonstruiert in ihren Auswirkungen Vor- und Nachtei-

Bruumlnner_Weber_12 10

len bewertet und auch alternative Loumlsungsmoumlglichkeiten diskutiert werden Solche alternati-ven Loumlsungen kann man Schuumller im Nachspielen des Gespraumlchs konkret ausprobieren las-sen und dabei beobachten wie sich das Gespraumlch dann entwickelt Auf diesem Wege lassen sich auch Handlungsempfehlungen fuumlr Gespraumlche bzw bestimmte Gespraumlchstypen oder ndashsituationen ableiten

Ein primaumlr handelnder Zugang der sich in Ergaumlnzung zu den analytischen Methoden sinnvoll einsetzen laumlsst ist die Simulation authentischer Faumllle (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) Es handelt sich um eine besondere Art des Rollenspiels bei der die Rollen und Handlungsbe-dingungen nach der Vorlage eines authentischen Gespraumlchs vorgegeben werden so dass die Gefahr von unrealistischen bdquoTheater-Effektenldquo reduziert wird Die Schuumller versuchen die gemeinsam erarbeiteten Handlungsempfehlungen in der Simulation authentischer Faumllle prak-tisch umzusetzen und auszuprobieren und erfahren dabei die in einer konkreten Interaktion mit ihnen verbundenen Chancen und Schwierigkeiten Sie koumlnnen ihre Versuche aufzeich-nen und anschlieszligend mit den im zugrunde liegenden authentischen Gespraumlch vorkommen-den kommunikativen Handlungsweisen vergleichen sie kontrastiv diskutieren bewerten usw Hier zeigt sich dann dass es in der Regel nicht nur die eine optimale Form gibt die immer passt und die rezeptartig gelernt werden kann Interaktion bedeutet vielmehr flexibles Han-deln das sich nicht nur an den eigenen Zielen und Moumlglichkeiten sondern auch am Handeln des Gespraumlchspartners orientieren muss

Wie sich mit Transkripten im Unterricht arbeiten laumlsst demonstrieren die Unterrichtsreihen Becker-MrotzekBruumlnner (2002) und (2006) FiehlerSchmitt (2004) geben eine methodisch gut nutzbare Analyse eines Anrufs bei einem Bauunternehmen sie zeigen an diesem Bei-spiel wie sich die in der Wirtschaft oft beschworene Kundenorientierung im konkreten Ge-spraumlchsverhalten zeigt ndash bzw eben nicht zeigt

Eine Reduktion der Komplexitaumlt von Gespraumlchen kann fuumlr den Unterricht manchmal nuumltzlich oder notwendig sein Dann bietet sich an bestimmte wiederkehrende Gespraumlchsaufgaben oder Elemente aus den Gespraumlchen fuumlr die Analyse auszuwaumlhlen Dazu gehoumlren sprachliche Handlungsmuster dh standardisierte Ablaufformen zur Verwirklichung bestimmter gesell-schaftlicher Zwecke (EhlichRehbein 1986) wie zB Frage-Antwort Auskunft einho-lengeben Anliegen vorbringenexplorieren Erklaumlren (der Funktionsweise eines Geraumltes des Sinns einer Maszlignahme) Begruumlnden Anleiten oder Rat suchengeben (zum Handlungsmus-ter Einwand behandeln su) Sprachliche Handlungsmuster sehen bestimmte (mentale und sprachliche) Handlungen in einer bestimmten sequenziellen Abfolge und Verteilung auf die Interaktanten vor sie stellen eine Art inneres Drehbuch fuumlr die Gespraumlchsteilnehmer dar und beinhalten bestimmte Erwartungen an ihr sprachliches Handeln

3 Beispielanalyse des Verkaufsgespraumlchs bdquoGlanzmispelldquo

Der folgende Abschnitt gibt mit der Analyse des Transkripts bdquoGlanzmispelldquo ein Beispiel dafuumlr wie Gespraumlche mit den Mitteln der Gespraumlchsforschung in einer Form untersucht werden koumlnnen die auch im Unterricht praktikabel ist

Verkaufsgespraumlche bieten sich als Untersuchungsgegenstand an weil es sich um einen gut bekannten und zugleich gesellschaftlich und beruflich bedeutsamen Gespraumlchstyp handelt der in vielen Variationen existiert (face-to-face oder am Telefon unter Nutzung von Ge-

Bruumlnner_Weber_12 11

spraumlchsleitfaumlden differierende Produkte usw) und oft unterschiedliche Muster umfasst (zB Argumentieren Beraten Praumlsentieren Erklaumlren Einwandbehandlung) Das im Folgenden verwendete Beispiel stellt somit einerseits Besonderheiten beruflicher Kommunikation vor andererseits beruumlcksichtigt es die Erfahrungswelt der Schuumllerinnen und Schuumller (als Kunden oder auch schon als junge Verkaumlufer)

31 Welche Merkmale von Muumlndlichkeit weist der Gespraumlchsausschnitt auf

Bevor im Rahmen der fragegeleiteten Transkriptanalyse der Individualitaumlt des Ge-spraumlchsausschnitts Rechnung getragen wird dient er zunaumlchst als Beispiel an dem sich vie-le Merkmale von Muumlndlichkeit aufzeigen lassen (ausfuumlhrlich dazu Fiehler 2005) Schon in den ersten Aumluszligerungen sind eine Reihe von Auffaumllligkeiten in Formulierung und Satzbau festzustellen die typisch fuumlr muumlndliche Kommunikation sind Die Ziffern verweisen auf die Partiturflaumlchen des Transkripts Die genaue Betrachtung soll Schuumller auf die Besonderheiten gesprochener Sprache aufmerksam machen und fuumlr die Unterschiede zur Schriftsprache sensibilisieren

bdquoJā So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen allesldquo [89] Die Sprecherin leitet ihre Aumluszligerung mit den Partikeln bdquojaldquo und bdquosoldquo ein die hier eine Gliederungsfunktion uuml-bernehmen Sie macht kurze Pausen und produziert einen Abbruch was beides auf Pla-nungsprobleme bei der Formulierung hinweist Durch Wiederholung des betonten bdquoallesldquo macht sie deutlich dass fuumlr sie die vorangegangene Informationsvermittlung durch den Ver-kaumlufer abgeschlossen ist bdquoJagrave das is erst mal die Sache erst mal aumlh sagen wer malldquo [89f] Die Emphase der Kundin beantwortet der Verkaumlufer seinerseits mit einer Wiederholung Mit seinem zweifachen bdquoerst malldquo verstaumlrkt durch die abschlieszligende Redewendung bdquosagen wer malldquo zeigt er dass er die Wissensvermittlung und Warenpraumlsentation noch ausdehnen koumlnn-te Auch Kundin 1 unterstreicht die Bedeutung ihres Beitrags in besonderer Weise Sie pro-duziert eine reformulierende Erweiterung im Nachsatz bdquoJagrave und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabeildquo [90] Woraufhin der Verkaumlufer seine eher ab-schwaumlchende Zustimmung durch die Verwendung des Konjunktivs und der Fuumlllwoumlrter bdquojetztldquo und bdquowiederldquo ausdruumlckt bdquoJagrave das waumlr jetzt wieder en anderer Charakterldquo [90]

All dies sind Mittel mit denen die Sprecher spontan deutlich machen wie sie ihre Aumluszligerun-gen verstanden wissen wollen In den folgenden Partiturflaumlchen finden sich weitere Merkmale gesprochener Sprache in den Bereichen Lautlichkeit Lexik und Syntax Typisch fuumlr muumlndli-che Alltagskommunikation sind umgangssprachliche Abweichungen von der Standardlau-tung wie sie an den folgenden und vielen anderen Stellen zu beobachten sind bdquoWuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [95] (Abschwaumlchung des bdquoSieldquo zu bdquoSeldquo Wegfall des Vokals bdquoeldquo in der Endsilbe bei bdquoeingehnldquo Wegfall des Diphthongs bdquoeildquo beim unbestimmten Artikel) bdquodas isldquo [89] (Wegfall des auslautenden Konsonanten bdquotldquo) bdquoJetzt ham werldquo [89] (Assimilation bei bdquohamldquo Abschwaumlchung bei bdquowerldquo) bdquowenn Ses so betrachtenldquo (Verschmelzung von bdquoSieldquo und bdquoesldquo) An einer Stelle faumlllt auch als besondere Lautform eine regional gefaumlrbte Aussprache auf bdquoSon bisgenldquo [89]

Weitere Merkmale von Muumlndlichkeit im Transkript sind Verzoumlgerungspartikeln bdquoaumlhldquo [91] bdquoaumlhmldquo [103] unwillkuumlrliche Wiederholungen bdquoim im Topfldquo [92] Ruumlckversicherungspartikeln bdquojaldquo [102] bdquoneldquo [106] und paralinguale (dh sprachbegleitende stimmliche) Phaumlnomene

Bruumlnner_Weber_12 12

zB ((lacht)) [103] Die Bedeutung der Partikeln bdquojaldquo und bdquoneeldquo haumlngt von der Art der Aus-sprache (Intonation = Tonhoumlhenverlauf) ab Ist die Intonation steigend werden sie als Frage verwendet ist sie das nicht druumlcken sie Zustimmung bzw Ablehnung aus Um diese Unter-schiede deutlich zu machen koumlnnen Satzzeichen (Punkt Frage- oder Ausrufezeichen) oder Striche uumlber dem Wort (rechts- bzw linksseitiger Schraumlgstrich) verwendet werden

Mit Kurzkommentaren wie bdquoGenauldquo [97] und den Interjektionen bdquoJaldquo [100] und bdquoHmldquo [107] zeigt vor allem Kundin 2 dass sie aufmerksam zuhoumlrt Da bdquohmldquo sehr unterschiedlich gemeint sein kann ist es hier besonders wichtig die Intonation zu notieren (Bedeutungen fallend bdquodas ist ja merkwuumlrdigldquo steigend bdquowieso das dennldquo fallend-steigend bdquoeinverstandenldquo gleichbleibend bdquovielleicht aberldquo) Solche Houmlreraktivitaumlten die keine eigenen Redebeitraumlge sind und auch nonverbal realisiert werden koumlnnen sind wichtig fuumlr den Sprecher da sie ihm zeigen ob sein Gegenuumlber versteht und akzeptiert und wie er emotional Anteil nimmt

Mit deiktischen Formulierungen (vermutlich in Verbindung mit Zeigegesten in Blickrichtung der Sprecherin) wird auf in Rede stehende Gegenstaumlnde verwiesen bdquoGuck dir den Busch mal anldquo [106] bdquoIch meine engere Wahl is derldquo [110] Da diese Aussagen ohne optische Zu-satzinformationen nicht interpretierbar sind kann der Transkriptleser nicht nachvollziehen welche Pflanzen gemeint sind

Die Aumluszligerung bdquoIm Topf und im Schattenldquo [92] stellt eine Ellipse dar die nur verstaumlndlich ist weil die Sprecherin bei der Satzkonstruktion auf ihre Vorrednerin Bezug nimmt Diese hatte den Verkaumlufer gefragt welche Pflanzen er empfehlen koumlnne hinsichtlich Pflegeleichtigkeit bdquoim im Topfldquo [92] Daran kann die Sprecherin anknuumlpfen ohne selbst einen vollstaumlndigen Satz bilden zu muumlssen

Abbruumlche wie bdquoDa man sie nichtldquo [93] (ohne Fortsetzung) oder bdquoNee es is es is Drei Stun-den is Sonneldquo [93] (mit Fortsetzung) sind als Formulierungsverfahren genauso normal wie Korrekturen bdquoan sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [105]

Die genannten Erscheinungen sind insgesamt Beispiele fuumlr typische Merkmale des Muumlndli-chen und in ihrer Abweichung von der Schriftsprache nicht als negativ zu bewerten Sie sind kontextspezifische Anpassungen an die Gespraumlchssituation und in der Regel funktional

32 Fragegeleitete Transkriptanalyse

Im Rahmen der (hier nicht wiedergegebenen) Sequenzanalyse (= Schritt-fuumlr-Schritt-Analyse) des Gespraumlchsausschnitts wurden die sprachlichen Handlungen bestimmt und Auffaumllligkeiten auf den verschiedenen Ebenen bzw Dimensionen des Gespraumlchs (s Bruumlnner idBd Sxxx) festgestellt Auf dieser Grundlage wurden die im Folgenden behandelten Analysefragen ent-wickelt

Welche kommunikativen Aufgaben bearbeiten die Gespraumlchsteilnehmer

Die Sequenzanalyse legt nahe den Gespraumlchsabschnitt in fuumlnf Phasen aufzuteilen in denen die Gespraumlchsteilnehmer unterschiedliche kommunikative Aufgaben bearbeiten Kundin 1 wuumlnscht eine persoumlnliche Empfehlung des Verkaumlufers (Phase 1 89-93) der aber korrigiert zunaumlchst die Fehleinschaumltzung der Wachstumsbedingungen am Standort durch die Kundin (Phase 2 93-100) Nachdem die Kundin den Verkaumlufer noch einmal um eine persoumlnliche

Bruumlnner_Weber_12 13

Empfehlung gebeten hat lehnt dieser das ab und gibt stattdessen Wareninformationen (Pha-se 3 100-106) Auf einen Wareneinwand den Kundin 1 aumluszligert geht der Verkaumlufer nur kurz ein (Phase 4 106-110) Als Kundin 2 die Zahl der fuumlr sie in Frage kommenden Pflanzen auf zwei eingrenzt gibt der Verkaumlufer diesbezuumlgliche Wareninformationen (Phase 5 110 ff)

Abb 3 Kommunikative Aufgaben im Gespraumlchsabschnitt

Handlungsstruktur

Phase 1 3 und 5 stehen miteinander in Beziehung und bilden den Haupthandlungsstrang der durch zwei Einschuumlbe (Phase 2 und 4) (schattiert dargestellt) unterbrochen ist Der Ge-spraumlchsabschnitt zeigt also einen geschachtelten Aufbau In die Bemuumlhungen der Kundin 1 zu einer Kaufentscheidung zu finden sind sowohl die Intervention des Verkaumlufers (Begriffs-zuschreibung bdquoHalbschattenldquo) als auch der Kundeneinwand (Unattraktivitaumlt der abgebluumlhten Pflanze) eingebettet Es stoszligen unterschiedliche Gespraumlchsanliegen aufeinander sie koumlnnen aber verknuumlpft werden weil die Gespraumlchspartner zum Teil kooperativ aufeinander eingehen Die Kundin laumlsst sich belehren sie nimmt das Informationsangebot des Verkaumlufers an dieser wiederum akzeptiert den Einwand

Da in der Gespraumlchssequenz verschiedene kommunikative Aufgaben ineinander verflochten sind ist die Situation vielschichtig und mit erhoumlhten Anforderungen an die Reaktionsfaumlhigkeit des Verkaumlufers verbunden Er muss in rascher Folge unterschiedliche Handlungsmuster rea-lisieren Informieren Korrigieren Erklaumlren Argumentieren Einwand behandeln Bei der Dar-stellung des Aufbaus von Verkaufsgespraumlchen in den Verkaufskunde-Schulbuumlchern wird meist der Eindruck erweckt dass Phasen deutlich getrennt aufeinander folgen und von den Gespraumlchspartnern der Reihe nach abgearbeitet werden Die Wirklichkeit stellt sich aber in der Regel komplexer dar

Welche Maszlignahmen zur Gespraumlchsorganisation und Kooperation fuumlhren die Ge-spraumlchsteilnehmer durch

Bruumlnner_Weber_12 14

Abb 4 Themensteuerung im Gespraumlchsschritt

Themensteuerung Zentraler Gegenstand des Gespraumlchsausschnitts ist die Kaufentschei-dung der Kundin 1 In Phase 1 fuumlhrt sie als Thema 1 ihren Wunsch nach einer persoumlnlichen Kaufempfehlung durch den Verkaumlufer hinsichtlich der in Frage kommenden Pflanzen ein Sie bringt ihr Anliegen in Frageform vor bdquoUnd welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmenldquo [91] Die Reaktion des Verkaumlufers in Phase 2 ist aber nicht responsiv denn er kommt der Aufforderung der Kundin die eine spezifische Folgehandlung erwartbar macht nicht nach Er wird stattdessen selber initiativ wenn er unvermittelt Thema 2 (Standorteinschaumltzung) ein-fuumlhrt

In Phase 3 kehrt Kundin 1 zuruumlck zu Thema 1 sie insistiert auf einer Empfehlung worauf der Verkaumlufer teilresponsiv antwortet Er bietet als Ersatz fuumlr eine Empfehlung eine Sachinforma-tion und Metakommunikation Das heiszligt er verhaumllt sich nicht voumlllig unkooperativ aber auch nicht so wie die Kundin es erwartet hat

Ohne Uumlbergang fuumlhrt Kundin 1 in Phase 4 Thema 3 neu ein sie erhebt vehement einen Ein-wand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie verbluumlht ist Die Vermutung liegt nahe dass diese Aumluszligerung nicht eine Nebense-quenz ist sondern als Ausgrenzung nicht in Frage kommender Ware einen Schritt bei der Entscheidungsfindung der Kundin darstellt Der Verkaumlufer verhaumllt sich responsiv und akzep-tiert den Einwand In Phase 5 kehrt Kundin 2 zuruumlck zu Thema 1 grenzt von sich aus die Warenauswahl ein und gibt so dem Verkaumlufer die Moumlglichkeit darauf mit zusaumltzlichen Wa-reninformationen einzugehen (ohne einen Ratschlag geben zu muumlssen)

Bei der Themensteuerung ist also vor allem Kundin 1 initiativ in geringerem Maszlige aber auch der Verkaumlufer Kundin 2 spielt hier eine untergeordnete Rolle

Bruumlnner_Weber_12 15

Sprecherwechsel Da in einem Verkaufsgespraumlch keine besonderen Regeln zur Rederechts-verteilung zu beachten sind koumlnnen sich hier die Gespraumlchspartner gleichberechtigt am Ge-spraumlch beteiligen Meistens melden sie sich mittels Selbstwahl zu Wort [Kundin 89 Verkaumlu-fer 89 uouml] aber auch nach Fremdwahl wenn sie zum Beispiel auf Fragen reagieren [Ver-kaumlufer 100]

Die Wechsel von einem zum anderen Sprecher sind meistens glatt Sogar bei einem abrup-ten Themenwechsel wartet Kundin 1 geduldig den Uumlbernahmepunkt (Satzende) ab [106] Kleine Uumlberlappungen gibt es zwar sie sind aber nicht Ausdruck von Aumlrger und Konfrontati-on sondern von eifriger Zustimmung und engagierter Gespraumlchsbeteiligung [Verkaumlufer ndash Kundin 2 90 Verkaumlufer ndash Kundin 1 91 uouml] Auch bei anderen Parallelsprechphasen zeigt sich eher kooperatives Uumlberlappen das heiszligt die Turnuumlbernahme wird nicht beansprucht [stuumltzende Kommentare zu den Aussagen des Verkaumlufers durch Kundin 1 99 102 Kundin 2 101] In [110] setzt Kundin 2 allerdings ihren Beitrag durch obwohl der Verkaumlufer auf Kundin 1 antworten wollte Houmlreraktivitaumlten (Rezeptionspartikeln haumlufig bdquojaldquoaber auch bdquohmldquo 107 bdquogenauldquo 97-100) erscheinen meist passgenau nach Sinnabschnitten und als Reaktion auf Ruumlckversicherungssignale (zB bdquojaldquo ndash bdquojaldquo 102 104) All das deutet darauf hin dass die Sprecher sich gut verstehen

Gleichzeitiges Sprechen ist nur an einer Stelle auffaumlllig In [95] beginnt der Verkaumlufer zu re-den weil er glaubt Kundin 1 habe ihren Beitrag beendet Kundin 1 spricht aber weiter wor-aufhin der Verkaumlufer zuruumlckzieht Seine Turnuumlbernahme ist also aufgrund eines Irrtums ge-scheitert Da er aber kurz darauf zu Wort kommt stellt diese Situation kein Problem fuumlr das Gespraumlch dar Unterbrechungen bei denen sich die Sprecher gegenseitig das Rederecht streitig machen oder laumlngere Pausen als Anzeichen fuumlr Dissens kommen nicht vor Insge-samt zeigt sich der Gespraumlchsausschnitt unter diesem Aspekt als dynamische aber geord-nete und konfliktfreie Phase

Kooperativitaumlt Alle drei Gespraumlchsteilnehmer erfuumlllen grundsaumltzliche kommunikative Ver-pflichtungen (Folgeerwartungen) wenn sie zum Beispiel Fragen beantworten und Bitten er-fuumlllen oder begruumlndet zuruumlckweisen Sie schaffen mit dieser Bereitschaft zur Kooperation die Voraussetzung dass das Gespraumlch uumlberhaupt funktionieren kann Es faumlllt aber auf dass Kundin 2 hier noch weiter geht als der Verkaumlufer und Kundin 1 die mit ihren zum Teil wider-streitenden Interessen vor allem die thematische Entwicklung des Gespraumlchsabschnitts be-einflussen Kundin 2 unterstuumltzt Kundin 1 wenn sie deren Empfehlungswunsch ergaumlnzt bdquoVon der Pflege im im Topfldquo [92] und die Abwertung der Ware unterstreicht bdquoJaacute jagrave dann is nich mehr viel neldquo [106] Sie unterstuumltzt aber auch den Verkaumlufer dessen Ausfuumlhrungen sie haumlufig mit zustimmenden Houmlrerreaktionen wie bdquogenauldquo bdquojaldquo und bdquohmldquo versieht Bei der Beur-teilung der Lichtverhaumlltnisse am Standort uumlbernimmt sie die Deutung des Verkaumlufers Und schlieszliglich greift sie das von Kundin 1 initiierte und vom Verkaumlufer fortgesetzte Spiel mit der Vorstellung sich in eine Pflanze zu versetzen auf bdquoIch kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht so viel Sonne habenldquo [99]

Dass der Verkaumlufer Kundin 1 eine persoumlnliche Empfehlung verweigert ist ungewoumlhnlich Er verstoumlszligt damit gegen die Maxime der Kooperativitaumlt in der Interaktion (gibt bzw sagt dem Kunden nicht das was er haben beziehungsweise houmlren will) Moumlglicherweise bestimmen Uumlberlegungen sein Verhalten die in einem Verkaufskundebuch so formuliert werden bdquoAch-

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 2

Wie Lektionen uumlber Verkaufsgespraumlche in Lehrbuumlchern fuumlr den Unterricht an berufsbildenden Schulen haumlufig aussehen verdeutlicht Abbildung 1 (Lachenmann 2003 141)

Abb1 Verkaufsgespraumlche in Lehrbuumlchern

Zwar kann der fingierte Dialog in pointierter Form Verkaumluferverhalten in einer heiklen Situati-on (Kundeneinwand) illustrieren Die Reaktion des Verkaumlufers auf die Kritik der Kundin an der Ware (bdquoSie haben Rechthellip Ihr Vorteil ist aberhellipldquo) wird allerdings nur ansatzweise analy-siert und zum Anlass genommen eine aumluszligerst knappe Handlungsanweisung zu formulieren bdquoProduktvorteile nennen ndash Nachteile ausgleichenldquo Die Arbeitsauftraumlge regen vordergruumlndig zu Transfer Nach- und Weiterdenken an legen aber den Gedanken nahe dass das Aus-wendiglernen von Formeln die beste Vorbereitung auf die Verkaufspraxis sei Dieses Kon-zept der Foumlrderung von Gespraumlchskompetenz leistet einem schematisch-rezeptgeleiteten sprachlichen Handeln Vorschub

Im Folgenden stellen wir ein Konzept dar das der komplexen kommunikativen Wirklichkeit besser gerecht zu werden versucht Schuumller sollen sich mit tatsaumlchlich gefuumlhrten Gespraumlchen beschaumlftigen selbst solche Gespraumlche aufnehmen verschriften und analysieren Dahinter steht die Uumlberlegung dass durch den Erwerb von Faumlhigkeiten zur genauen Wahrnehmung und Interpretation von kommunikativen Phaumlnomenen sich besonders gut Strukturwissen uumlber alltagsweltliche und institutionelle Gespraumlche aufbauen laumlsst Dies ist Voraussetzung dafuumlr das eigene Gespraumlchsverhalten reflektieren und kontrollieren zu koumlnnen Dazu gehoumlrt auch Kommunikationsprobleme rechtzeitig zu erkennen und angemessen auf sie zu reagieren also gleichzeitig soziale Sensibilitaumlt und Perspektivenuumlbernahme wie auch Zielstrebigkeit und Durchsetzungsvermoumlgen zu zeigen

Bruumlnner_Weber_12 3

Theoretischer Hintergrund ist die linguistische Gespraumlchsforschung (Bruumlnner idBd Fiehler idBd) die authentische Gespraumlche empirisch auf die verschiedenen Formen und Funktio-nen des sprachlichen Handelns hin untersucht Die Gespraumlchsforschung analysiert die kom-munikativen Aufgaben die die Gespraumlchsteilnehmer in einem Gespraumlch zu erfuumlllen haben die sprachlichen Handlungsmuster und sprachlichen Mittel die dabei eingesetzt werden Sie rekonstruiert die Probleme die in Gespraumlchen typischerweise auftreten und die Loumlsungen die dafuumlr gefunden werden Ihre Ergebnisse lassen sich fuumlr die Entwicklung gespraumlchsdidak-tischer Konzepte und die Foumlrderung von Gespraumlchskompetenz in Aus- und Fortbildung ver-wenden

2 Unterrichtsmodell Arbeit mit Gespraumlchen im Deutschunterricht

Wir wollen nun vorstellen wie im Deutschunterricht (am Ende der SekI und in der SekII) mit authentischen Gespraumlchen gearbeitet werden kann ndash ein Modell das zT schon in der Praxis erprobt ist Die dafuumlr geeigneten Fragestellungen und methodischen Verfahren erlaumlutern wir an einem konkreten Beispiel (Kap 3) Eine ausfuumlhrlichere Darstellung der Dokumentations- und Analysemoumlglichkeiten muumlndlicher Kommunikation gibt Bruumlnner idBd

Mit dem vorgestellten Unterrichtsmodell lassen sich besonders folgende Unterrichtsziele ver-folgen

bull Zugang und Einblick gewinnen in relevante Formen kommunikativer Praxis (auch in sol-che mit denen die Schuumller noch nicht vertraut sind)

bull sprachanalytisch-methodische Faumlhigkeiten entwickeln (Sensibilisierung fuumlr und genaue Wahrnehmung bzw Interpretation von Gespraumlchssituationen und kommunikativen Phauml-nomenen)

bull Einsichten gewinnen in die Funktionsweisen der muumlndlichen Kommunikation (Merkmale von Muumlndlichkeit erkennen Verlauf von Gespraumlchen bewusst wahrnehmen kontrollieren und gestalten Kommunikationsprobleme rechtzeitig erkennen und angemessen bearbei-ten)

bull eigene Gespraumlchskompetenz verbessern durch die Entwicklung und Anwendung von Kri-terien fuumlr sach- und situationsangemessene Gespraumlchsfuumlhrung

21 Wie kann man Gespraumlche aufnehmen

Die Gespraumlchsforschung arbeitet mit Ton- und Video-Aufnahmen authentischer Gespraumlche von denen genaue Verschriftungen (Transkripte) angefertigt werden Gespraumlche muumlssen aufgenommen damit konserviert und reproduzierbar gemacht und anschlieszligend verschriftet werden um sie detailliert und gruumlndlich analysieren zu koumlnnen Denn das gesprochene Wort ist fluumlchtig nur aus der Erinnerung heraus sind Gespraumlche nicht angemessen zu bearbeiten

Bevor man Aufnahmen macht ist zu uumlberlegen mit welchem Typ von Gespraumlchen man sich beschaumlftigen moumlchte Erste Fragestellungen und Ziele der Untersuchung sind zu formulieren Besonders relevant fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller sind zB Bewerbungs- und Pruumlfungs-gespraumlche jedoch ist der Zugang zu Daten hier schwierig Leicht aufzuzeichnen sind dage-gen Gespraumlche im privaten Bereich oder in den Massenmedien Fuumlr die Behandlung in der Schule eignen sich besonders auch institutionelle berufsuumlbergreifende Gespraumlchstypen Zu

Bruumlnner_Weber_12 4

nennen sind etwa Besprechung Uumlbergabegespraumlch Diskussion Verhandlung Konfliktge-spraumlch oder Beratung Sie kommen in vielen ganz unterschiedlichen Berufen vor wenn auch in verschiedenartigen Auspraumlgungen und Variationen (Bruumlnner 2007)

Die folgenden Vorschlaumlge fuumlr Gespraumlchsaufnahmen lassen sich mit einiger Aussicht auf Er-folg mit Schuumllern realisieren

bull Auskuumlnfte und Beratungen (anonym) ggf telefonisch (zB Bundesbahn Reisebuumlro Call-Center Computer-Hotline Laumlden)

bull Instruktionen Handlungsanleitungen (zB im privaten Bereich Computerprobleme technische Reparaturen Anleitungen zu Taumltigkeiten in Sport und Spiel)

bull mediale Gespraumlche (TV und Radio zB Streitgespraumlche Interviews mit Politikern oder Experten Call-in Sendungen in denen Anrufern Auskunft oder Rat gegeben wird)

bull diverse berufliche Gespraumlchstypen unter Nutzung von Praktika Nebenjobs privaten Fir-menkontakten usw (zB Reparaturannahme in der Autowerkstatt Arbeitsbesprechun-gen Uumlbergabegespraumlche Verkaufs- und Reklamationsgespraumlche Beschwerden Ver-handlungen auf dem Flohmarkt oder Gebrauchtwagenmarkt)

Verfuumlgbare Tonaufnahmen mit zugehoumlrigen Transkriptionen findet man zB in Becker-MrotzekBruumlnner (2006) in verschiedenen Aufsaumltzen der Online-Zeitschrift Gespraumlchsfor-schung (wwwgespraechsforschung-ozsde) sowie im Deutschen Spracharchiv und der Da-tenbank Gesprochenes Deutsch des IDS (httpdsav-oeffids-mannheimdeDSAv)

Welche Gespraumlche auch immer aufgenommen werden von zentraler Bedeutung ist dass sie natuumlrlich (authentisch) sind also nicht fuumlr die Aufnahme inszeniert wurden Zwar kann das Wissen aufgenommen zu werden uU das Aumluszligerungsverhalten der Gespraumlchsteilnehmer beeinflussen Das schmaumllert aber in der Regel nicht den Wert der Aufnahmen weil die meis-ten Sprecher nach kurzer Zeit die Aufnahmesituation nicht mehr beachten Wissen sie nichts von der Aufnahme verhalten sie sich meist ungezwungener Aber das gesprochene Wort unterliegt sofern es nicht an die Oumlffentlichkeit gerichtet ist dem Datenschutz und eine Auf-nahme bedarf der Einwilligung der Betroffenen Namen und andere identifizierende Hinweise werden in Aufnahme und Transkript anonymisiert

Im Vorfeld der geplanten Aufnahmen sind praktische Fragen zu klaumlren Wo und unter wel-chen Umstaumlnden lassen sich Gespraumlche am besten so aufzeichnen dass sie ergiebige und repraumlsentative Untersuchungsgegenstaumlnde werden koumlnnen Eventuell muumlssen Widerstaumlnde der Sprecher uumlberwunden werden Ist es sinnvoll wenn man als teilnehmender Beobachter selbst die Aufnahmen macht oder hat es Vorteile wenn man nicht anwesend ist Sollen Au-dio- oder Videogeraumlte eingesetzt werden Audioaufnahmen sind unauffaumllliger zu bewerkstel-ligen die Gespraumlche damit natuumlrlicher Videoaufnahmen erfassen hingegen auch die non-verbale Kommunikation und die raumlumlichen Konstellationen und erleichtern die Identifizierung der Sprecher

Eine technisch gute Qualitaumlt der Aufnahmen ist wichtig und wird durch ein externes Mikrofon unterstuumltzt Sind Stoumlrgeraumlusche zu stark laumlsst sich das im Nachhinein kaum korrigieren und fuumlhrt zu Problemen beim Transkribieren Ideal sind digitale Aufnahmen weil sie am einfach-sten auf den PC uumlbertragen und dort direkt bearbeitet werden koumlnnen Mit dem freien Audio-Editor Audacity (httpaudacitysourceforgenet) lassen sich Audioaufnahmen bequem

Bruumlnner_Weber_12 5

schneiden in der Lautstaumlrke veraumlndern und durch das Einfuumlgen von Signaltoumlnen anonymisie-ren Ausfuumlhrliche Informationen zu Hard- und Software die in der Gespraumlchsforschung Ver-wendung finden bietet das IDS unter httpgaisids-mannheimdetechnikhtml

22 Wie kann man Gespraumlche transkribieren

Transkribieren heiszligt verbale (und ergaumlnzend uU auch intonatorische und nonverbale) Phauml-nomene aufgenommener Gespraumlche so originalgetreu wie moumlglich ndash dh objektiv registrie-rend nicht interpretierend ndash zu notieren In sogenannter bdquoliterarischer Umschriftldquo koumlnnen arti-kulatorische Besonderheiten der Aussprache (zB dialektale Faumlrbung) wiedergegeben wer-den Besonderheiten muumlndlicher Kommunikation werden nicht geglaumlttet und nicht den gram-matischen Normen angepasst Zweck und Nutzen dieser Arbeit ist es eine schriftliche Grundlage fuumlr die detaillierte Untersuchung von Gespraumlchen zu schaffen Das genaue Abhouml-ren und Transkribieren einer Aufnahme vermittelt ndash gerade fuumlr Anfaumlnger ndash oft schon gute Einblicke in Eigenschaften der gesprochenen Sprache und in das Gespraumlchsverhalten

Transkripte dokumentieren die sprachlich-kommunikative Praxis Sie wirken wie ein Mikro-skop oder eine Zeitlupe und machen viele Phaumlnomene erst fuumlr die Analye zugaumlnglich Sie bewahren die genauen Formen des Gesprochenen schaffen Distanz und erleichtern so er-heblich die genaue Analyse von Gespraumlchen Transkripte lassen sich auch als effiziente Lehr- und Lernmittel einsetzen (FiehlerSchmitt 2004 Becker-MrotzekBruumlnner 2006) Transkripte sind Erkenntnismittel fuumlr kommunikative Strukturen und sprachliche Mittel Sie tragen bei zur Sensibilisierung fuumlr Sprache im Allgemeinen und Gespraumlchsprozesse im Be-sonderen unterstuumltzen eine kritische (Selbst-)Reflexion und stellen eine Ressource sprach-lich-kommunikativer Verfahren dar die zur Loumlsung kommunikativer Aufgaben und Probleme in Gespraumlchen eingesetzt werden koumlnnen

Es gibt verschiedene Transkriptionssysteme d h normierte Verfahren zur Darstellung ge-sprochener Sprache (s dazu Bruumlnner idBd EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online) Die im deutschen Sprachraum am haumlufigsten benutzten Systeme HIAT (Halbin-terpretative Arbeitstranskriptionen) und GAT (Gespraumlchsanalytisches Transkriptionssystem) bedienen sich entweder der Partitur- (HIAT) oder der Zeilenschreibweise (GAT) Bei der Par-titurschreibweise die im folgenden Beispiel bdquoGlanzmispelldquo zur Anwendung kommt werden die gleichzeitigen Kommunikationsereignisse in untereinander angeordneten Zeilen notiert Das ermoumlglicht eine uumlbersichtliche Darstellung von Sprecherwechseln und Phasen parallelen Sprechens Bei der Transkription sollte man sich an den existierenden Transkriptionskonven-tionen orientieren die die Umsetzung muumlndlicher Sprache in Schrift regeln (s Abb 2)

Liegt die Gespraumlchsaufnahme als Datei vor leisten spezialisierte Player fuumlr die Transkripti-onsarbeit gute Dienste zB Ton und Text (wwwton-und-textde) oder f4 (wwwaudiotranskriptionde)

Bruumlnner_Weber_12 6

Abb 2 Die wichtigsten Transkriptionskonventionen nach HIAT

Die erste Transkriptionssoftware HIAT-DOS (wwwehlich-berlindeHIATHIAThtm) ist auch heute noch auf Windows-PCs verwendbar und erzeugt durch Partiturklammern gekenn-zeichnete Flaumlchen mit mehreren Zeilen fuumlr Sprecher verbale Daten intonatorische Daten nonverbale Kommunikation und Kommentare Die neue Transkriptionssoftware EXMARaLDA (wwwexmaraldaorg) ist zugleich Transkriptionseditor Datenverwaltungs- und Analysepro-gramm Transkriptionen koumlnnen in gaumlngige Praumlsentationsformate (RTF HTML PDF) uumlber-fuumlhrt und gemaumlszlig den verschiedenen Transkriptionssystemen (HIAT GAT ua) ausgegeben werden

23 Transkriptausschnitt bdquoGlanzmispelldquo

Das folgende Transkript gibt einen kurzen Ausschnitt (152 min) eines Verkaufsgespraumlchs in einem Gartencenter wieder (Download der Tonaufnahme unter httphomeedouni-dortmundde~bruennerPublikationenhtml) Das Gespraumlch wurde von dem Verkaumlufer mithil-fe eines MiniDisc-Rekorders und eines Krawattenmikrofons aufgenommen Das Transkript wurde mit EXMARaLDA gemaumlszlig den HIAT-Konventionen erstellt

Bruumlnner_Weber_12 7

Situation Die beiden aumllteren Kundinnen hatten im Selbstbedienungsbereich des Gartencen-ters Kuumlbelpflanzen selbstaumlndig (vor-)ausgewaumlhlt und dann den Verkaumlufer gebeten deren Eigenschaften zu beschreiben Daraufhin stellt der Verkaumlufer die Vorzuumlge der Pflanzen dar und gibt Pflegehinweise

[89]

V kupferfarben Son bisgen Ja das is erstK i n 2 Ja Ja So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen alles [90]

V mal die Sache erst mal aumlh sagen wer mal Ja das K i n 1 Ja und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabei [91]

V waumlr jetzt wieder en anderer Charakter K i n 1 Und welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmen Sagen wer mal jetzt nicht aumlh von der [92]

K i n 1 von der erst mal von der Pf aumlh Pflegeleichtigkeit Also und Im Topf und im Schatten K i n 2 Von der Pflege im im Topf Da man [93]

V Es is ja kein Schatten Halbschatten Kin1 Ja doch Es is aber Drei Stunden K i n 2 sie nicht Nee es is es is Drei Stunden is Sonne [94]

K i n 1 Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanze Stellen Se mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am [95]

V Nein Sie muumlssen Nee nee D das Nee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie K i n 1 Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primel [96]

V andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den ganzen Tag in der Sonne schmoren [97]

V im Kuumlbel Ja Sehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist Kin1 Ja das is natuumlrlich auch nich (so gut) Kin2 Genau [98]

V nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden gefroren is und Kin2 Ja genau Genau Ja [99]

V die Sonne knallt auf die Pflanze Sehen Sie Kin1 ((putzt sich die Nase)) () (wird alles) () () Ja ja ich weiszlig Kin2 Ich kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht

Bruumlnner_Weber_12 8

[100] V Das ist fuumlr die Pflanze viel ausgeglichener Also so gesehen Ah die Frage K i n 1 ((lacht)) Na gut Also welche wuumlrden Sie dann nehmen Kin2 so viel Sonne haben Genau Ja [101]

V natuumlrlich Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks Das beantworte ich auch nie direkt K i n 1 Ja Kin2 Das is jetzt natuumlrlich () [102]

V Wenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hier Kin1 Koumlnnen Se aber doch Ja was is am robustesten Das waumlr ne Kin2 Nee Ja [103]

V Aumlhm Jaha ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer K i n 1 gute das is ne gute Frage Ja [104]

V So mal zu sagen hundert aumlh hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm K i n 1 Ja [105]

V dieser Kletterjasmin aumlhm der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Ja an sich die die aumlhm aumlhm der K i n 2 Ja [106]

V Berglorbeer auch K i n 1 Guck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Kin2 Ja ja dann is nich mehr viel ne [107]

V Das is das K i n 1 Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die geht jetzt auf Drei Wochen und weg is se K i n 2 Hm Hm [108]

V Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auch K i n 1 Deshalb nehm ich Ich nehm zum Beispiel auch Kin2 Ja [109]

Kin1 Stauden Das is das gleiche von Stauden Die bluumlhen drei Wochen man hat viel Arbeit damit Ich pflanz mir Kin2 Jaha [110]

V Das is eine () Kin1 lieber Sommerblumen da hab ich den ganzen Sommer was Kin2 So Ich Meine engere Wahl is der oder die [111]

V Aha Ja dann haben Sie hier Das sind zwei verschiedene Charaktere Das is Kin1 Das waumlre auch (gut) K i n 2 Glanzmispel [112]

V schon mal en Fortschritt Aumlhm Hier is es so das etwas Verspielte und Bluumlhende K i n 1 Ja wir kommenschon naumlher Kin2 Ja Ja

Bruumlnner_Weber_12 9

[113] V trotzdem farblich Akzentuierte mit Herbstfaumlrbung Versehene Ja Und da oben das auch aumlhm sagen wer K i n 2 Ja Ja [114]

V etwas Akkuratere Formalere Kin1 Deshalb wuumlrd ich jetz kein Hoch Wenn ich bei ner Glanzmispel wenn ich ne Kin2 Ja Sie is Kein [115]

V Das is K i n 1 Glanz wuumlrd ich kein Hochbaumlumchen nehmen Ich wuumlrde nen Busch nehmen Kin2 Hochbaumlumchen Die Buschen sind aber

24 Wie kann man Gespraumlche analysieren

An Transkripten lassen sich strukturelle und funktionale Besonderheiten muumlndlicher Kommu-nikation herausarbeiten zB Was sind die Zwecke bestimmter Gespraumlche oder Handlungs-muster Erfuumlllen diese hier ihre Funktionen Welche einzelnen kommunikativen Aufgaben stellen sich den Beteiligten Wie bearbeiten sie diese und mit welchem Erfolg Welche Prob-leme entstehen dabei Mit welchen Konsequenzen Welche Loumlsungsversuche unternehmen die Beteiligten und wie gelingen diese Methoden der Arbeit mit Transkripten und leitende Fragestellungen sind in Bruumlnner (idBd) dargestellt Fuumlr Unterrichtszwecke besonders ge-eignet sind ndash als primaumlr analytische Zugaumlnge ndash die Einzelfallanalyse und die fragegeleitete Transkriptanalyse

Bei der Einzelfallanalyse wird die Entwicklung des Gespraumlchs sequenziell von seinem Beginn bis zu seinem Ende Aumluszligerung fuumlr Aumluszligerung Einheit fuumlr Einheit nachgezeichnet Fuumlr jede Aumluszligerung wird eine inhaltliche Paraphrase gegeben und bestimmt wie sie das Gespraumlch thematisch fortfuumlhrt was fuumlr eine Handlung mit ihr vollzogen wird welche Funktion(en) sie an dieser Stelle des Gespraumlchs hat und welche (grammatischen stilistischen prosodischen usw) Besonderheiten die Form der Aumluszligerung uU aufweist Auf diese Weise koumlnnen die Gliederung die wesentlichen Themen und Handlungseinheiten des Gespraumlchs rekonstruiert werden und es lassen sich aus den im Datenmaterial beobachteten Auffaumllligkeiten heraus Analysefragen entwickeln

Bei der fragegeleiteten Transkriptanalyse (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) orientiert man sich an bereits vorformulierten Fragestellungen und richtet einen entsprechenden Fokus auf be-stimmte Transkriptstellen Phaumlnomene oder Problemlagen im Transkript (zB Wie gestalten Verkaumlufer und Kunde ihre Beziehung oder Wie wird mit Einwaumlnden des Kunden umgegan-gen oder Wie werden Scherzen und Lachen fuumlr die Bearbeitung von Gespraumlchsproblemen eingesetzt) Es werden fuumlr die Leitfrage relevante Belegstellen gesucht detailliert analysiert und in Beziehung zueinander gesetzt oder es werden unterschiedliche Beispiele fuumlr ein Phaumlnomen gesammelt verglichen und nach verschiedenen Faumlllen typisiert Dabei ist die Ar-beit mit mehreren Transkripten von Vorteil weil sie Kontrastierungen und Verallgemeinerun-gen uumlber den Einzelfall hinaus erlaubt

Anwendungsbezogene Fragestellungen lassen sich anschlieszligen indem zB Kommunikati-onsprobleme identifiziert und in ihren Konsequenzen beschrieben werden indem Loumlsungs-versuche der Beteiligten im Gespraumlch rekonstruiert in ihren Auswirkungen Vor- und Nachtei-

Bruumlnner_Weber_12 10

len bewertet und auch alternative Loumlsungsmoumlglichkeiten diskutiert werden Solche alternati-ven Loumlsungen kann man Schuumller im Nachspielen des Gespraumlchs konkret ausprobieren las-sen und dabei beobachten wie sich das Gespraumlch dann entwickelt Auf diesem Wege lassen sich auch Handlungsempfehlungen fuumlr Gespraumlche bzw bestimmte Gespraumlchstypen oder ndashsituationen ableiten

Ein primaumlr handelnder Zugang der sich in Ergaumlnzung zu den analytischen Methoden sinnvoll einsetzen laumlsst ist die Simulation authentischer Faumllle (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) Es handelt sich um eine besondere Art des Rollenspiels bei der die Rollen und Handlungsbe-dingungen nach der Vorlage eines authentischen Gespraumlchs vorgegeben werden so dass die Gefahr von unrealistischen bdquoTheater-Effektenldquo reduziert wird Die Schuumller versuchen die gemeinsam erarbeiteten Handlungsempfehlungen in der Simulation authentischer Faumllle prak-tisch umzusetzen und auszuprobieren und erfahren dabei die in einer konkreten Interaktion mit ihnen verbundenen Chancen und Schwierigkeiten Sie koumlnnen ihre Versuche aufzeich-nen und anschlieszligend mit den im zugrunde liegenden authentischen Gespraumlch vorkommen-den kommunikativen Handlungsweisen vergleichen sie kontrastiv diskutieren bewerten usw Hier zeigt sich dann dass es in der Regel nicht nur die eine optimale Form gibt die immer passt und die rezeptartig gelernt werden kann Interaktion bedeutet vielmehr flexibles Han-deln das sich nicht nur an den eigenen Zielen und Moumlglichkeiten sondern auch am Handeln des Gespraumlchspartners orientieren muss

Wie sich mit Transkripten im Unterricht arbeiten laumlsst demonstrieren die Unterrichtsreihen Becker-MrotzekBruumlnner (2002) und (2006) FiehlerSchmitt (2004) geben eine methodisch gut nutzbare Analyse eines Anrufs bei einem Bauunternehmen sie zeigen an diesem Bei-spiel wie sich die in der Wirtschaft oft beschworene Kundenorientierung im konkreten Ge-spraumlchsverhalten zeigt ndash bzw eben nicht zeigt

Eine Reduktion der Komplexitaumlt von Gespraumlchen kann fuumlr den Unterricht manchmal nuumltzlich oder notwendig sein Dann bietet sich an bestimmte wiederkehrende Gespraumlchsaufgaben oder Elemente aus den Gespraumlchen fuumlr die Analyse auszuwaumlhlen Dazu gehoumlren sprachliche Handlungsmuster dh standardisierte Ablaufformen zur Verwirklichung bestimmter gesell-schaftlicher Zwecke (EhlichRehbein 1986) wie zB Frage-Antwort Auskunft einho-lengeben Anliegen vorbringenexplorieren Erklaumlren (der Funktionsweise eines Geraumltes des Sinns einer Maszlignahme) Begruumlnden Anleiten oder Rat suchengeben (zum Handlungsmus-ter Einwand behandeln su) Sprachliche Handlungsmuster sehen bestimmte (mentale und sprachliche) Handlungen in einer bestimmten sequenziellen Abfolge und Verteilung auf die Interaktanten vor sie stellen eine Art inneres Drehbuch fuumlr die Gespraumlchsteilnehmer dar und beinhalten bestimmte Erwartungen an ihr sprachliches Handeln

3 Beispielanalyse des Verkaufsgespraumlchs bdquoGlanzmispelldquo

Der folgende Abschnitt gibt mit der Analyse des Transkripts bdquoGlanzmispelldquo ein Beispiel dafuumlr wie Gespraumlche mit den Mitteln der Gespraumlchsforschung in einer Form untersucht werden koumlnnen die auch im Unterricht praktikabel ist

Verkaufsgespraumlche bieten sich als Untersuchungsgegenstand an weil es sich um einen gut bekannten und zugleich gesellschaftlich und beruflich bedeutsamen Gespraumlchstyp handelt der in vielen Variationen existiert (face-to-face oder am Telefon unter Nutzung von Ge-

Bruumlnner_Weber_12 11

spraumlchsleitfaumlden differierende Produkte usw) und oft unterschiedliche Muster umfasst (zB Argumentieren Beraten Praumlsentieren Erklaumlren Einwandbehandlung) Das im Folgenden verwendete Beispiel stellt somit einerseits Besonderheiten beruflicher Kommunikation vor andererseits beruumlcksichtigt es die Erfahrungswelt der Schuumllerinnen und Schuumller (als Kunden oder auch schon als junge Verkaumlufer)

31 Welche Merkmale von Muumlndlichkeit weist der Gespraumlchsausschnitt auf

Bevor im Rahmen der fragegeleiteten Transkriptanalyse der Individualitaumlt des Ge-spraumlchsausschnitts Rechnung getragen wird dient er zunaumlchst als Beispiel an dem sich vie-le Merkmale von Muumlndlichkeit aufzeigen lassen (ausfuumlhrlich dazu Fiehler 2005) Schon in den ersten Aumluszligerungen sind eine Reihe von Auffaumllligkeiten in Formulierung und Satzbau festzustellen die typisch fuumlr muumlndliche Kommunikation sind Die Ziffern verweisen auf die Partiturflaumlchen des Transkripts Die genaue Betrachtung soll Schuumller auf die Besonderheiten gesprochener Sprache aufmerksam machen und fuumlr die Unterschiede zur Schriftsprache sensibilisieren

bdquoJā So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen allesldquo [89] Die Sprecherin leitet ihre Aumluszligerung mit den Partikeln bdquojaldquo und bdquosoldquo ein die hier eine Gliederungsfunktion uuml-bernehmen Sie macht kurze Pausen und produziert einen Abbruch was beides auf Pla-nungsprobleme bei der Formulierung hinweist Durch Wiederholung des betonten bdquoallesldquo macht sie deutlich dass fuumlr sie die vorangegangene Informationsvermittlung durch den Ver-kaumlufer abgeschlossen ist bdquoJagrave das is erst mal die Sache erst mal aumlh sagen wer malldquo [89f] Die Emphase der Kundin beantwortet der Verkaumlufer seinerseits mit einer Wiederholung Mit seinem zweifachen bdquoerst malldquo verstaumlrkt durch die abschlieszligende Redewendung bdquosagen wer malldquo zeigt er dass er die Wissensvermittlung und Warenpraumlsentation noch ausdehnen koumlnn-te Auch Kundin 1 unterstreicht die Bedeutung ihres Beitrags in besonderer Weise Sie pro-duziert eine reformulierende Erweiterung im Nachsatz bdquoJagrave und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabeildquo [90] Woraufhin der Verkaumlufer seine eher ab-schwaumlchende Zustimmung durch die Verwendung des Konjunktivs und der Fuumlllwoumlrter bdquojetztldquo und bdquowiederldquo ausdruumlckt bdquoJagrave das waumlr jetzt wieder en anderer Charakterldquo [90]

All dies sind Mittel mit denen die Sprecher spontan deutlich machen wie sie ihre Aumluszligerun-gen verstanden wissen wollen In den folgenden Partiturflaumlchen finden sich weitere Merkmale gesprochener Sprache in den Bereichen Lautlichkeit Lexik und Syntax Typisch fuumlr muumlndli-che Alltagskommunikation sind umgangssprachliche Abweichungen von der Standardlau-tung wie sie an den folgenden und vielen anderen Stellen zu beobachten sind bdquoWuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [95] (Abschwaumlchung des bdquoSieldquo zu bdquoSeldquo Wegfall des Vokals bdquoeldquo in der Endsilbe bei bdquoeingehnldquo Wegfall des Diphthongs bdquoeildquo beim unbestimmten Artikel) bdquodas isldquo [89] (Wegfall des auslautenden Konsonanten bdquotldquo) bdquoJetzt ham werldquo [89] (Assimilation bei bdquohamldquo Abschwaumlchung bei bdquowerldquo) bdquowenn Ses so betrachtenldquo (Verschmelzung von bdquoSieldquo und bdquoesldquo) An einer Stelle faumlllt auch als besondere Lautform eine regional gefaumlrbte Aussprache auf bdquoSon bisgenldquo [89]

Weitere Merkmale von Muumlndlichkeit im Transkript sind Verzoumlgerungspartikeln bdquoaumlhldquo [91] bdquoaumlhmldquo [103] unwillkuumlrliche Wiederholungen bdquoim im Topfldquo [92] Ruumlckversicherungspartikeln bdquojaldquo [102] bdquoneldquo [106] und paralinguale (dh sprachbegleitende stimmliche) Phaumlnomene

Bruumlnner_Weber_12 12

zB ((lacht)) [103] Die Bedeutung der Partikeln bdquojaldquo und bdquoneeldquo haumlngt von der Art der Aus-sprache (Intonation = Tonhoumlhenverlauf) ab Ist die Intonation steigend werden sie als Frage verwendet ist sie das nicht druumlcken sie Zustimmung bzw Ablehnung aus Um diese Unter-schiede deutlich zu machen koumlnnen Satzzeichen (Punkt Frage- oder Ausrufezeichen) oder Striche uumlber dem Wort (rechts- bzw linksseitiger Schraumlgstrich) verwendet werden

Mit Kurzkommentaren wie bdquoGenauldquo [97] und den Interjektionen bdquoJaldquo [100] und bdquoHmldquo [107] zeigt vor allem Kundin 2 dass sie aufmerksam zuhoumlrt Da bdquohmldquo sehr unterschiedlich gemeint sein kann ist es hier besonders wichtig die Intonation zu notieren (Bedeutungen fallend bdquodas ist ja merkwuumlrdigldquo steigend bdquowieso das dennldquo fallend-steigend bdquoeinverstandenldquo gleichbleibend bdquovielleicht aberldquo) Solche Houmlreraktivitaumlten die keine eigenen Redebeitraumlge sind und auch nonverbal realisiert werden koumlnnen sind wichtig fuumlr den Sprecher da sie ihm zeigen ob sein Gegenuumlber versteht und akzeptiert und wie er emotional Anteil nimmt

Mit deiktischen Formulierungen (vermutlich in Verbindung mit Zeigegesten in Blickrichtung der Sprecherin) wird auf in Rede stehende Gegenstaumlnde verwiesen bdquoGuck dir den Busch mal anldquo [106] bdquoIch meine engere Wahl is derldquo [110] Da diese Aussagen ohne optische Zu-satzinformationen nicht interpretierbar sind kann der Transkriptleser nicht nachvollziehen welche Pflanzen gemeint sind

Die Aumluszligerung bdquoIm Topf und im Schattenldquo [92] stellt eine Ellipse dar die nur verstaumlndlich ist weil die Sprecherin bei der Satzkonstruktion auf ihre Vorrednerin Bezug nimmt Diese hatte den Verkaumlufer gefragt welche Pflanzen er empfehlen koumlnne hinsichtlich Pflegeleichtigkeit bdquoim im Topfldquo [92] Daran kann die Sprecherin anknuumlpfen ohne selbst einen vollstaumlndigen Satz bilden zu muumlssen

Abbruumlche wie bdquoDa man sie nichtldquo [93] (ohne Fortsetzung) oder bdquoNee es is es is Drei Stun-den is Sonneldquo [93] (mit Fortsetzung) sind als Formulierungsverfahren genauso normal wie Korrekturen bdquoan sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [105]

Die genannten Erscheinungen sind insgesamt Beispiele fuumlr typische Merkmale des Muumlndli-chen und in ihrer Abweichung von der Schriftsprache nicht als negativ zu bewerten Sie sind kontextspezifische Anpassungen an die Gespraumlchssituation und in der Regel funktional

32 Fragegeleitete Transkriptanalyse

Im Rahmen der (hier nicht wiedergegebenen) Sequenzanalyse (= Schritt-fuumlr-Schritt-Analyse) des Gespraumlchsausschnitts wurden die sprachlichen Handlungen bestimmt und Auffaumllligkeiten auf den verschiedenen Ebenen bzw Dimensionen des Gespraumlchs (s Bruumlnner idBd Sxxx) festgestellt Auf dieser Grundlage wurden die im Folgenden behandelten Analysefragen ent-wickelt

Welche kommunikativen Aufgaben bearbeiten die Gespraumlchsteilnehmer

Die Sequenzanalyse legt nahe den Gespraumlchsabschnitt in fuumlnf Phasen aufzuteilen in denen die Gespraumlchsteilnehmer unterschiedliche kommunikative Aufgaben bearbeiten Kundin 1 wuumlnscht eine persoumlnliche Empfehlung des Verkaumlufers (Phase 1 89-93) der aber korrigiert zunaumlchst die Fehleinschaumltzung der Wachstumsbedingungen am Standort durch die Kundin (Phase 2 93-100) Nachdem die Kundin den Verkaumlufer noch einmal um eine persoumlnliche

Bruumlnner_Weber_12 13

Empfehlung gebeten hat lehnt dieser das ab und gibt stattdessen Wareninformationen (Pha-se 3 100-106) Auf einen Wareneinwand den Kundin 1 aumluszligert geht der Verkaumlufer nur kurz ein (Phase 4 106-110) Als Kundin 2 die Zahl der fuumlr sie in Frage kommenden Pflanzen auf zwei eingrenzt gibt der Verkaumlufer diesbezuumlgliche Wareninformationen (Phase 5 110 ff)

Abb 3 Kommunikative Aufgaben im Gespraumlchsabschnitt

Handlungsstruktur

Phase 1 3 und 5 stehen miteinander in Beziehung und bilden den Haupthandlungsstrang der durch zwei Einschuumlbe (Phase 2 und 4) (schattiert dargestellt) unterbrochen ist Der Ge-spraumlchsabschnitt zeigt also einen geschachtelten Aufbau In die Bemuumlhungen der Kundin 1 zu einer Kaufentscheidung zu finden sind sowohl die Intervention des Verkaumlufers (Begriffs-zuschreibung bdquoHalbschattenldquo) als auch der Kundeneinwand (Unattraktivitaumlt der abgebluumlhten Pflanze) eingebettet Es stoszligen unterschiedliche Gespraumlchsanliegen aufeinander sie koumlnnen aber verknuumlpft werden weil die Gespraumlchspartner zum Teil kooperativ aufeinander eingehen Die Kundin laumlsst sich belehren sie nimmt das Informationsangebot des Verkaumlufers an dieser wiederum akzeptiert den Einwand

Da in der Gespraumlchssequenz verschiedene kommunikative Aufgaben ineinander verflochten sind ist die Situation vielschichtig und mit erhoumlhten Anforderungen an die Reaktionsfaumlhigkeit des Verkaumlufers verbunden Er muss in rascher Folge unterschiedliche Handlungsmuster rea-lisieren Informieren Korrigieren Erklaumlren Argumentieren Einwand behandeln Bei der Dar-stellung des Aufbaus von Verkaufsgespraumlchen in den Verkaufskunde-Schulbuumlchern wird meist der Eindruck erweckt dass Phasen deutlich getrennt aufeinander folgen und von den Gespraumlchspartnern der Reihe nach abgearbeitet werden Die Wirklichkeit stellt sich aber in der Regel komplexer dar

Welche Maszlignahmen zur Gespraumlchsorganisation und Kooperation fuumlhren die Ge-spraumlchsteilnehmer durch

Bruumlnner_Weber_12 14

Abb 4 Themensteuerung im Gespraumlchsschritt

Themensteuerung Zentraler Gegenstand des Gespraumlchsausschnitts ist die Kaufentschei-dung der Kundin 1 In Phase 1 fuumlhrt sie als Thema 1 ihren Wunsch nach einer persoumlnlichen Kaufempfehlung durch den Verkaumlufer hinsichtlich der in Frage kommenden Pflanzen ein Sie bringt ihr Anliegen in Frageform vor bdquoUnd welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmenldquo [91] Die Reaktion des Verkaumlufers in Phase 2 ist aber nicht responsiv denn er kommt der Aufforderung der Kundin die eine spezifische Folgehandlung erwartbar macht nicht nach Er wird stattdessen selber initiativ wenn er unvermittelt Thema 2 (Standorteinschaumltzung) ein-fuumlhrt

In Phase 3 kehrt Kundin 1 zuruumlck zu Thema 1 sie insistiert auf einer Empfehlung worauf der Verkaumlufer teilresponsiv antwortet Er bietet als Ersatz fuumlr eine Empfehlung eine Sachinforma-tion und Metakommunikation Das heiszligt er verhaumllt sich nicht voumlllig unkooperativ aber auch nicht so wie die Kundin es erwartet hat

Ohne Uumlbergang fuumlhrt Kundin 1 in Phase 4 Thema 3 neu ein sie erhebt vehement einen Ein-wand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie verbluumlht ist Die Vermutung liegt nahe dass diese Aumluszligerung nicht eine Nebense-quenz ist sondern als Ausgrenzung nicht in Frage kommender Ware einen Schritt bei der Entscheidungsfindung der Kundin darstellt Der Verkaumlufer verhaumllt sich responsiv und akzep-tiert den Einwand In Phase 5 kehrt Kundin 2 zuruumlck zu Thema 1 grenzt von sich aus die Warenauswahl ein und gibt so dem Verkaumlufer die Moumlglichkeit darauf mit zusaumltzlichen Wa-reninformationen einzugehen (ohne einen Ratschlag geben zu muumlssen)

Bei der Themensteuerung ist also vor allem Kundin 1 initiativ in geringerem Maszlige aber auch der Verkaumlufer Kundin 2 spielt hier eine untergeordnete Rolle

Bruumlnner_Weber_12 15

Sprecherwechsel Da in einem Verkaufsgespraumlch keine besonderen Regeln zur Rederechts-verteilung zu beachten sind koumlnnen sich hier die Gespraumlchspartner gleichberechtigt am Ge-spraumlch beteiligen Meistens melden sie sich mittels Selbstwahl zu Wort [Kundin 89 Verkaumlu-fer 89 uouml] aber auch nach Fremdwahl wenn sie zum Beispiel auf Fragen reagieren [Ver-kaumlufer 100]

Die Wechsel von einem zum anderen Sprecher sind meistens glatt Sogar bei einem abrup-ten Themenwechsel wartet Kundin 1 geduldig den Uumlbernahmepunkt (Satzende) ab [106] Kleine Uumlberlappungen gibt es zwar sie sind aber nicht Ausdruck von Aumlrger und Konfrontati-on sondern von eifriger Zustimmung und engagierter Gespraumlchsbeteiligung [Verkaumlufer ndash Kundin 2 90 Verkaumlufer ndash Kundin 1 91 uouml] Auch bei anderen Parallelsprechphasen zeigt sich eher kooperatives Uumlberlappen das heiszligt die Turnuumlbernahme wird nicht beansprucht [stuumltzende Kommentare zu den Aussagen des Verkaumlufers durch Kundin 1 99 102 Kundin 2 101] In [110] setzt Kundin 2 allerdings ihren Beitrag durch obwohl der Verkaumlufer auf Kundin 1 antworten wollte Houmlreraktivitaumlten (Rezeptionspartikeln haumlufig bdquojaldquoaber auch bdquohmldquo 107 bdquogenauldquo 97-100) erscheinen meist passgenau nach Sinnabschnitten und als Reaktion auf Ruumlckversicherungssignale (zB bdquojaldquo ndash bdquojaldquo 102 104) All das deutet darauf hin dass die Sprecher sich gut verstehen

Gleichzeitiges Sprechen ist nur an einer Stelle auffaumlllig In [95] beginnt der Verkaumlufer zu re-den weil er glaubt Kundin 1 habe ihren Beitrag beendet Kundin 1 spricht aber weiter wor-aufhin der Verkaumlufer zuruumlckzieht Seine Turnuumlbernahme ist also aufgrund eines Irrtums ge-scheitert Da er aber kurz darauf zu Wort kommt stellt diese Situation kein Problem fuumlr das Gespraumlch dar Unterbrechungen bei denen sich die Sprecher gegenseitig das Rederecht streitig machen oder laumlngere Pausen als Anzeichen fuumlr Dissens kommen nicht vor Insge-samt zeigt sich der Gespraumlchsausschnitt unter diesem Aspekt als dynamische aber geord-nete und konfliktfreie Phase

Kooperativitaumlt Alle drei Gespraumlchsteilnehmer erfuumlllen grundsaumltzliche kommunikative Ver-pflichtungen (Folgeerwartungen) wenn sie zum Beispiel Fragen beantworten und Bitten er-fuumlllen oder begruumlndet zuruumlckweisen Sie schaffen mit dieser Bereitschaft zur Kooperation die Voraussetzung dass das Gespraumlch uumlberhaupt funktionieren kann Es faumlllt aber auf dass Kundin 2 hier noch weiter geht als der Verkaumlufer und Kundin 1 die mit ihren zum Teil wider-streitenden Interessen vor allem die thematische Entwicklung des Gespraumlchsabschnitts be-einflussen Kundin 2 unterstuumltzt Kundin 1 wenn sie deren Empfehlungswunsch ergaumlnzt bdquoVon der Pflege im im Topfldquo [92] und die Abwertung der Ware unterstreicht bdquoJaacute jagrave dann is nich mehr viel neldquo [106] Sie unterstuumltzt aber auch den Verkaumlufer dessen Ausfuumlhrungen sie haumlufig mit zustimmenden Houmlrerreaktionen wie bdquogenauldquo bdquojaldquo und bdquohmldquo versieht Bei der Beur-teilung der Lichtverhaumlltnisse am Standort uumlbernimmt sie die Deutung des Verkaumlufers Und schlieszliglich greift sie das von Kundin 1 initiierte und vom Verkaumlufer fortgesetzte Spiel mit der Vorstellung sich in eine Pflanze zu versetzen auf bdquoIch kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht so viel Sonne habenldquo [99]

Dass der Verkaumlufer Kundin 1 eine persoumlnliche Empfehlung verweigert ist ungewoumlhnlich Er verstoumlszligt damit gegen die Maxime der Kooperativitaumlt in der Interaktion (gibt bzw sagt dem Kunden nicht das was er haben beziehungsweise houmlren will) Moumlglicherweise bestimmen Uumlberlegungen sein Verhalten die in einem Verkaufskundebuch so formuliert werden bdquoAch-

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 3

Theoretischer Hintergrund ist die linguistische Gespraumlchsforschung (Bruumlnner idBd Fiehler idBd) die authentische Gespraumlche empirisch auf die verschiedenen Formen und Funktio-nen des sprachlichen Handelns hin untersucht Die Gespraumlchsforschung analysiert die kom-munikativen Aufgaben die die Gespraumlchsteilnehmer in einem Gespraumlch zu erfuumlllen haben die sprachlichen Handlungsmuster und sprachlichen Mittel die dabei eingesetzt werden Sie rekonstruiert die Probleme die in Gespraumlchen typischerweise auftreten und die Loumlsungen die dafuumlr gefunden werden Ihre Ergebnisse lassen sich fuumlr die Entwicklung gespraumlchsdidak-tischer Konzepte und die Foumlrderung von Gespraumlchskompetenz in Aus- und Fortbildung ver-wenden

2 Unterrichtsmodell Arbeit mit Gespraumlchen im Deutschunterricht

Wir wollen nun vorstellen wie im Deutschunterricht (am Ende der SekI und in der SekII) mit authentischen Gespraumlchen gearbeitet werden kann ndash ein Modell das zT schon in der Praxis erprobt ist Die dafuumlr geeigneten Fragestellungen und methodischen Verfahren erlaumlutern wir an einem konkreten Beispiel (Kap 3) Eine ausfuumlhrlichere Darstellung der Dokumentations- und Analysemoumlglichkeiten muumlndlicher Kommunikation gibt Bruumlnner idBd

Mit dem vorgestellten Unterrichtsmodell lassen sich besonders folgende Unterrichtsziele ver-folgen

bull Zugang und Einblick gewinnen in relevante Formen kommunikativer Praxis (auch in sol-che mit denen die Schuumller noch nicht vertraut sind)

bull sprachanalytisch-methodische Faumlhigkeiten entwickeln (Sensibilisierung fuumlr und genaue Wahrnehmung bzw Interpretation von Gespraumlchssituationen und kommunikativen Phauml-nomenen)

bull Einsichten gewinnen in die Funktionsweisen der muumlndlichen Kommunikation (Merkmale von Muumlndlichkeit erkennen Verlauf von Gespraumlchen bewusst wahrnehmen kontrollieren und gestalten Kommunikationsprobleme rechtzeitig erkennen und angemessen bearbei-ten)

bull eigene Gespraumlchskompetenz verbessern durch die Entwicklung und Anwendung von Kri-terien fuumlr sach- und situationsangemessene Gespraumlchsfuumlhrung

21 Wie kann man Gespraumlche aufnehmen

Die Gespraumlchsforschung arbeitet mit Ton- und Video-Aufnahmen authentischer Gespraumlche von denen genaue Verschriftungen (Transkripte) angefertigt werden Gespraumlche muumlssen aufgenommen damit konserviert und reproduzierbar gemacht und anschlieszligend verschriftet werden um sie detailliert und gruumlndlich analysieren zu koumlnnen Denn das gesprochene Wort ist fluumlchtig nur aus der Erinnerung heraus sind Gespraumlche nicht angemessen zu bearbeiten

Bevor man Aufnahmen macht ist zu uumlberlegen mit welchem Typ von Gespraumlchen man sich beschaumlftigen moumlchte Erste Fragestellungen und Ziele der Untersuchung sind zu formulieren Besonders relevant fuumlr die Schuumllerinnen und Schuumller sind zB Bewerbungs- und Pruumlfungs-gespraumlche jedoch ist der Zugang zu Daten hier schwierig Leicht aufzuzeichnen sind dage-gen Gespraumlche im privaten Bereich oder in den Massenmedien Fuumlr die Behandlung in der Schule eignen sich besonders auch institutionelle berufsuumlbergreifende Gespraumlchstypen Zu

Bruumlnner_Weber_12 4

nennen sind etwa Besprechung Uumlbergabegespraumlch Diskussion Verhandlung Konfliktge-spraumlch oder Beratung Sie kommen in vielen ganz unterschiedlichen Berufen vor wenn auch in verschiedenartigen Auspraumlgungen und Variationen (Bruumlnner 2007)

Die folgenden Vorschlaumlge fuumlr Gespraumlchsaufnahmen lassen sich mit einiger Aussicht auf Er-folg mit Schuumllern realisieren

bull Auskuumlnfte und Beratungen (anonym) ggf telefonisch (zB Bundesbahn Reisebuumlro Call-Center Computer-Hotline Laumlden)

bull Instruktionen Handlungsanleitungen (zB im privaten Bereich Computerprobleme technische Reparaturen Anleitungen zu Taumltigkeiten in Sport und Spiel)

bull mediale Gespraumlche (TV und Radio zB Streitgespraumlche Interviews mit Politikern oder Experten Call-in Sendungen in denen Anrufern Auskunft oder Rat gegeben wird)

bull diverse berufliche Gespraumlchstypen unter Nutzung von Praktika Nebenjobs privaten Fir-menkontakten usw (zB Reparaturannahme in der Autowerkstatt Arbeitsbesprechun-gen Uumlbergabegespraumlche Verkaufs- und Reklamationsgespraumlche Beschwerden Ver-handlungen auf dem Flohmarkt oder Gebrauchtwagenmarkt)

Verfuumlgbare Tonaufnahmen mit zugehoumlrigen Transkriptionen findet man zB in Becker-MrotzekBruumlnner (2006) in verschiedenen Aufsaumltzen der Online-Zeitschrift Gespraumlchsfor-schung (wwwgespraechsforschung-ozsde) sowie im Deutschen Spracharchiv und der Da-tenbank Gesprochenes Deutsch des IDS (httpdsav-oeffids-mannheimdeDSAv)

Welche Gespraumlche auch immer aufgenommen werden von zentraler Bedeutung ist dass sie natuumlrlich (authentisch) sind also nicht fuumlr die Aufnahme inszeniert wurden Zwar kann das Wissen aufgenommen zu werden uU das Aumluszligerungsverhalten der Gespraumlchsteilnehmer beeinflussen Das schmaumllert aber in der Regel nicht den Wert der Aufnahmen weil die meis-ten Sprecher nach kurzer Zeit die Aufnahmesituation nicht mehr beachten Wissen sie nichts von der Aufnahme verhalten sie sich meist ungezwungener Aber das gesprochene Wort unterliegt sofern es nicht an die Oumlffentlichkeit gerichtet ist dem Datenschutz und eine Auf-nahme bedarf der Einwilligung der Betroffenen Namen und andere identifizierende Hinweise werden in Aufnahme und Transkript anonymisiert

Im Vorfeld der geplanten Aufnahmen sind praktische Fragen zu klaumlren Wo und unter wel-chen Umstaumlnden lassen sich Gespraumlche am besten so aufzeichnen dass sie ergiebige und repraumlsentative Untersuchungsgegenstaumlnde werden koumlnnen Eventuell muumlssen Widerstaumlnde der Sprecher uumlberwunden werden Ist es sinnvoll wenn man als teilnehmender Beobachter selbst die Aufnahmen macht oder hat es Vorteile wenn man nicht anwesend ist Sollen Au-dio- oder Videogeraumlte eingesetzt werden Audioaufnahmen sind unauffaumllliger zu bewerkstel-ligen die Gespraumlche damit natuumlrlicher Videoaufnahmen erfassen hingegen auch die non-verbale Kommunikation und die raumlumlichen Konstellationen und erleichtern die Identifizierung der Sprecher

Eine technisch gute Qualitaumlt der Aufnahmen ist wichtig und wird durch ein externes Mikrofon unterstuumltzt Sind Stoumlrgeraumlusche zu stark laumlsst sich das im Nachhinein kaum korrigieren und fuumlhrt zu Problemen beim Transkribieren Ideal sind digitale Aufnahmen weil sie am einfach-sten auf den PC uumlbertragen und dort direkt bearbeitet werden koumlnnen Mit dem freien Audio-Editor Audacity (httpaudacitysourceforgenet) lassen sich Audioaufnahmen bequem

Bruumlnner_Weber_12 5

schneiden in der Lautstaumlrke veraumlndern und durch das Einfuumlgen von Signaltoumlnen anonymisie-ren Ausfuumlhrliche Informationen zu Hard- und Software die in der Gespraumlchsforschung Ver-wendung finden bietet das IDS unter httpgaisids-mannheimdetechnikhtml

22 Wie kann man Gespraumlche transkribieren

Transkribieren heiszligt verbale (und ergaumlnzend uU auch intonatorische und nonverbale) Phauml-nomene aufgenommener Gespraumlche so originalgetreu wie moumlglich ndash dh objektiv registrie-rend nicht interpretierend ndash zu notieren In sogenannter bdquoliterarischer Umschriftldquo koumlnnen arti-kulatorische Besonderheiten der Aussprache (zB dialektale Faumlrbung) wiedergegeben wer-den Besonderheiten muumlndlicher Kommunikation werden nicht geglaumlttet und nicht den gram-matischen Normen angepasst Zweck und Nutzen dieser Arbeit ist es eine schriftliche Grundlage fuumlr die detaillierte Untersuchung von Gespraumlchen zu schaffen Das genaue Abhouml-ren und Transkribieren einer Aufnahme vermittelt ndash gerade fuumlr Anfaumlnger ndash oft schon gute Einblicke in Eigenschaften der gesprochenen Sprache und in das Gespraumlchsverhalten

Transkripte dokumentieren die sprachlich-kommunikative Praxis Sie wirken wie ein Mikro-skop oder eine Zeitlupe und machen viele Phaumlnomene erst fuumlr die Analye zugaumlnglich Sie bewahren die genauen Formen des Gesprochenen schaffen Distanz und erleichtern so er-heblich die genaue Analyse von Gespraumlchen Transkripte lassen sich auch als effiziente Lehr- und Lernmittel einsetzen (FiehlerSchmitt 2004 Becker-MrotzekBruumlnner 2006) Transkripte sind Erkenntnismittel fuumlr kommunikative Strukturen und sprachliche Mittel Sie tragen bei zur Sensibilisierung fuumlr Sprache im Allgemeinen und Gespraumlchsprozesse im Be-sonderen unterstuumltzen eine kritische (Selbst-)Reflexion und stellen eine Ressource sprach-lich-kommunikativer Verfahren dar die zur Loumlsung kommunikativer Aufgaben und Probleme in Gespraumlchen eingesetzt werden koumlnnen

Es gibt verschiedene Transkriptionssysteme d h normierte Verfahren zur Darstellung ge-sprochener Sprache (s dazu Bruumlnner idBd EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online) Die im deutschen Sprachraum am haumlufigsten benutzten Systeme HIAT (Halbin-terpretative Arbeitstranskriptionen) und GAT (Gespraumlchsanalytisches Transkriptionssystem) bedienen sich entweder der Partitur- (HIAT) oder der Zeilenschreibweise (GAT) Bei der Par-titurschreibweise die im folgenden Beispiel bdquoGlanzmispelldquo zur Anwendung kommt werden die gleichzeitigen Kommunikationsereignisse in untereinander angeordneten Zeilen notiert Das ermoumlglicht eine uumlbersichtliche Darstellung von Sprecherwechseln und Phasen parallelen Sprechens Bei der Transkription sollte man sich an den existierenden Transkriptionskonven-tionen orientieren die die Umsetzung muumlndlicher Sprache in Schrift regeln (s Abb 2)

Liegt die Gespraumlchsaufnahme als Datei vor leisten spezialisierte Player fuumlr die Transkripti-onsarbeit gute Dienste zB Ton und Text (wwwton-und-textde) oder f4 (wwwaudiotranskriptionde)

Bruumlnner_Weber_12 6

Abb 2 Die wichtigsten Transkriptionskonventionen nach HIAT

Die erste Transkriptionssoftware HIAT-DOS (wwwehlich-berlindeHIATHIAThtm) ist auch heute noch auf Windows-PCs verwendbar und erzeugt durch Partiturklammern gekenn-zeichnete Flaumlchen mit mehreren Zeilen fuumlr Sprecher verbale Daten intonatorische Daten nonverbale Kommunikation und Kommentare Die neue Transkriptionssoftware EXMARaLDA (wwwexmaraldaorg) ist zugleich Transkriptionseditor Datenverwaltungs- und Analysepro-gramm Transkriptionen koumlnnen in gaumlngige Praumlsentationsformate (RTF HTML PDF) uumlber-fuumlhrt und gemaumlszlig den verschiedenen Transkriptionssystemen (HIAT GAT ua) ausgegeben werden

23 Transkriptausschnitt bdquoGlanzmispelldquo

Das folgende Transkript gibt einen kurzen Ausschnitt (152 min) eines Verkaufsgespraumlchs in einem Gartencenter wieder (Download der Tonaufnahme unter httphomeedouni-dortmundde~bruennerPublikationenhtml) Das Gespraumlch wurde von dem Verkaumlufer mithil-fe eines MiniDisc-Rekorders und eines Krawattenmikrofons aufgenommen Das Transkript wurde mit EXMARaLDA gemaumlszlig den HIAT-Konventionen erstellt

Bruumlnner_Weber_12 7

Situation Die beiden aumllteren Kundinnen hatten im Selbstbedienungsbereich des Gartencen-ters Kuumlbelpflanzen selbstaumlndig (vor-)ausgewaumlhlt und dann den Verkaumlufer gebeten deren Eigenschaften zu beschreiben Daraufhin stellt der Verkaumlufer die Vorzuumlge der Pflanzen dar und gibt Pflegehinweise

[89]

V kupferfarben Son bisgen Ja das is erstK i n 2 Ja Ja So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen alles [90]

V mal die Sache erst mal aumlh sagen wer mal Ja das K i n 1 Ja und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabei [91]

V waumlr jetzt wieder en anderer Charakter K i n 1 Und welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmen Sagen wer mal jetzt nicht aumlh von der [92]

K i n 1 von der erst mal von der Pf aumlh Pflegeleichtigkeit Also und Im Topf und im Schatten K i n 2 Von der Pflege im im Topf Da man [93]

V Es is ja kein Schatten Halbschatten Kin1 Ja doch Es is aber Drei Stunden K i n 2 sie nicht Nee es is es is Drei Stunden is Sonne [94]

K i n 1 Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanze Stellen Se mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am [95]

V Nein Sie muumlssen Nee nee D das Nee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie K i n 1 Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primel [96]

V andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den ganzen Tag in der Sonne schmoren [97]

V im Kuumlbel Ja Sehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist Kin1 Ja das is natuumlrlich auch nich (so gut) Kin2 Genau [98]

V nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden gefroren is und Kin2 Ja genau Genau Ja [99]

V die Sonne knallt auf die Pflanze Sehen Sie Kin1 ((putzt sich die Nase)) () (wird alles) () () Ja ja ich weiszlig Kin2 Ich kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht

Bruumlnner_Weber_12 8

[100] V Das ist fuumlr die Pflanze viel ausgeglichener Also so gesehen Ah die Frage K i n 1 ((lacht)) Na gut Also welche wuumlrden Sie dann nehmen Kin2 so viel Sonne haben Genau Ja [101]

V natuumlrlich Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks Das beantworte ich auch nie direkt K i n 1 Ja Kin2 Das is jetzt natuumlrlich () [102]

V Wenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hier Kin1 Koumlnnen Se aber doch Ja was is am robustesten Das waumlr ne Kin2 Nee Ja [103]

V Aumlhm Jaha ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer K i n 1 gute das is ne gute Frage Ja [104]

V So mal zu sagen hundert aumlh hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm K i n 1 Ja [105]

V dieser Kletterjasmin aumlhm der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Ja an sich die die aumlhm aumlhm der K i n 2 Ja [106]

V Berglorbeer auch K i n 1 Guck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Kin2 Ja ja dann is nich mehr viel ne [107]

V Das is das K i n 1 Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die geht jetzt auf Drei Wochen und weg is se K i n 2 Hm Hm [108]

V Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auch K i n 1 Deshalb nehm ich Ich nehm zum Beispiel auch Kin2 Ja [109]

Kin1 Stauden Das is das gleiche von Stauden Die bluumlhen drei Wochen man hat viel Arbeit damit Ich pflanz mir Kin2 Jaha [110]

V Das is eine () Kin1 lieber Sommerblumen da hab ich den ganzen Sommer was Kin2 So Ich Meine engere Wahl is der oder die [111]

V Aha Ja dann haben Sie hier Das sind zwei verschiedene Charaktere Das is Kin1 Das waumlre auch (gut) K i n 2 Glanzmispel [112]

V schon mal en Fortschritt Aumlhm Hier is es so das etwas Verspielte und Bluumlhende K i n 1 Ja wir kommenschon naumlher Kin2 Ja Ja

Bruumlnner_Weber_12 9

[113] V trotzdem farblich Akzentuierte mit Herbstfaumlrbung Versehene Ja Und da oben das auch aumlhm sagen wer K i n 2 Ja Ja [114]

V etwas Akkuratere Formalere Kin1 Deshalb wuumlrd ich jetz kein Hoch Wenn ich bei ner Glanzmispel wenn ich ne Kin2 Ja Sie is Kein [115]

V Das is K i n 1 Glanz wuumlrd ich kein Hochbaumlumchen nehmen Ich wuumlrde nen Busch nehmen Kin2 Hochbaumlumchen Die Buschen sind aber

24 Wie kann man Gespraumlche analysieren

An Transkripten lassen sich strukturelle und funktionale Besonderheiten muumlndlicher Kommu-nikation herausarbeiten zB Was sind die Zwecke bestimmter Gespraumlche oder Handlungs-muster Erfuumlllen diese hier ihre Funktionen Welche einzelnen kommunikativen Aufgaben stellen sich den Beteiligten Wie bearbeiten sie diese und mit welchem Erfolg Welche Prob-leme entstehen dabei Mit welchen Konsequenzen Welche Loumlsungsversuche unternehmen die Beteiligten und wie gelingen diese Methoden der Arbeit mit Transkripten und leitende Fragestellungen sind in Bruumlnner (idBd) dargestellt Fuumlr Unterrichtszwecke besonders ge-eignet sind ndash als primaumlr analytische Zugaumlnge ndash die Einzelfallanalyse und die fragegeleitete Transkriptanalyse

Bei der Einzelfallanalyse wird die Entwicklung des Gespraumlchs sequenziell von seinem Beginn bis zu seinem Ende Aumluszligerung fuumlr Aumluszligerung Einheit fuumlr Einheit nachgezeichnet Fuumlr jede Aumluszligerung wird eine inhaltliche Paraphrase gegeben und bestimmt wie sie das Gespraumlch thematisch fortfuumlhrt was fuumlr eine Handlung mit ihr vollzogen wird welche Funktion(en) sie an dieser Stelle des Gespraumlchs hat und welche (grammatischen stilistischen prosodischen usw) Besonderheiten die Form der Aumluszligerung uU aufweist Auf diese Weise koumlnnen die Gliederung die wesentlichen Themen und Handlungseinheiten des Gespraumlchs rekonstruiert werden und es lassen sich aus den im Datenmaterial beobachteten Auffaumllligkeiten heraus Analysefragen entwickeln

Bei der fragegeleiteten Transkriptanalyse (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) orientiert man sich an bereits vorformulierten Fragestellungen und richtet einen entsprechenden Fokus auf be-stimmte Transkriptstellen Phaumlnomene oder Problemlagen im Transkript (zB Wie gestalten Verkaumlufer und Kunde ihre Beziehung oder Wie wird mit Einwaumlnden des Kunden umgegan-gen oder Wie werden Scherzen und Lachen fuumlr die Bearbeitung von Gespraumlchsproblemen eingesetzt) Es werden fuumlr die Leitfrage relevante Belegstellen gesucht detailliert analysiert und in Beziehung zueinander gesetzt oder es werden unterschiedliche Beispiele fuumlr ein Phaumlnomen gesammelt verglichen und nach verschiedenen Faumlllen typisiert Dabei ist die Ar-beit mit mehreren Transkripten von Vorteil weil sie Kontrastierungen und Verallgemeinerun-gen uumlber den Einzelfall hinaus erlaubt

Anwendungsbezogene Fragestellungen lassen sich anschlieszligen indem zB Kommunikati-onsprobleme identifiziert und in ihren Konsequenzen beschrieben werden indem Loumlsungs-versuche der Beteiligten im Gespraumlch rekonstruiert in ihren Auswirkungen Vor- und Nachtei-

Bruumlnner_Weber_12 10

len bewertet und auch alternative Loumlsungsmoumlglichkeiten diskutiert werden Solche alternati-ven Loumlsungen kann man Schuumller im Nachspielen des Gespraumlchs konkret ausprobieren las-sen und dabei beobachten wie sich das Gespraumlch dann entwickelt Auf diesem Wege lassen sich auch Handlungsempfehlungen fuumlr Gespraumlche bzw bestimmte Gespraumlchstypen oder ndashsituationen ableiten

Ein primaumlr handelnder Zugang der sich in Ergaumlnzung zu den analytischen Methoden sinnvoll einsetzen laumlsst ist die Simulation authentischer Faumllle (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) Es handelt sich um eine besondere Art des Rollenspiels bei der die Rollen und Handlungsbe-dingungen nach der Vorlage eines authentischen Gespraumlchs vorgegeben werden so dass die Gefahr von unrealistischen bdquoTheater-Effektenldquo reduziert wird Die Schuumller versuchen die gemeinsam erarbeiteten Handlungsempfehlungen in der Simulation authentischer Faumllle prak-tisch umzusetzen und auszuprobieren und erfahren dabei die in einer konkreten Interaktion mit ihnen verbundenen Chancen und Schwierigkeiten Sie koumlnnen ihre Versuche aufzeich-nen und anschlieszligend mit den im zugrunde liegenden authentischen Gespraumlch vorkommen-den kommunikativen Handlungsweisen vergleichen sie kontrastiv diskutieren bewerten usw Hier zeigt sich dann dass es in der Regel nicht nur die eine optimale Form gibt die immer passt und die rezeptartig gelernt werden kann Interaktion bedeutet vielmehr flexibles Han-deln das sich nicht nur an den eigenen Zielen und Moumlglichkeiten sondern auch am Handeln des Gespraumlchspartners orientieren muss

Wie sich mit Transkripten im Unterricht arbeiten laumlsst demonstrieren die Unterrichtsreihen Becker-MrotzekBruumlnner (2002) und (2006) FiehlerSchmitt (2004) geben eine methodisch gut nutzbare Analyse eines Anrufs bei einem Bauunternehmen sie zeigen an diesem Bei-spiel wie sich die in der Wirtschaft oft beschworene Kundenorientierung im konkreten Ge-spraumlchsverhalten zeigt ndash bzw eben nicht zeigt

Eine Reduktion der Komplexitaumlt von Gespraumlchen kann fuumlr den Unterricht manchmal nuumltzlich oder notwendig sein Dann bietet sich an bestimmte wiederkehrende Gespraumlchsaufgaben oder Elemente aus den Gespraumlchen fuumlr die Analyse auszuwaumlhlen Dazu gehoumlren sprachliche Handlungsmuster dh standardisierte Ablaufformen zur Verwirklichung bestimmter gesell-schaftlicher Zwecke (EhlichRehbein 1986) wie zB Frage-Antwort Auskunft einho-lengeben Anliegen vorbringenexplorieren Erklaumlren (der Funktionsweise eines Geraumltes des Sinns einer Maszlignahme) Begruumlnden Anleiten oder Rat suchengeben (zum Handlungsmus-ter Einwand behandeln su) Sprachliche Handlungsmuster sehen bestimmte (mentale und sprachliche) Handlungen in einer bestimmten sequenziellen Abfolge und Verteilung auf die Interaktanten vor sie stellen eine Art inneres Drehbuch fuumlr die Gespraumlchsteilnehmer dar und beinhalten bestimmte Erwartungen an ihr sprachliches Handeln

3 Beispielanalyse des Verkaufsgespraumlchs bdquoGlanzmispelldquo

Der folgende Abschnitt gibt mit der Analyse des Transkripts bdquoGlanzmispelldquo ein Beispiel dafuumlr wie Gespraumlche mit den Mitteln der Gespraumlchsforschung in einer Form untersucht werden koumlnnen die auch im Unterricht praktikabel ist

Verkaufsgespraumlche bieten sich als Untersuchungsgegenstand an weil es sich um einen gut bekannten und zugleich gesellschaftlich und beruflich bedeutsamen Gespraumlchstyp handelt der in vielen Variationen existiert (face-to-face oder am Telefon unter Nutzung von Ge-

Bruumlnner_Weber_12 11

spraumlchsleitfaumlden differierende Produkte usw) und oft unterschiedliche Muster umfasst (zB Argumentieren Beraten Praumlsentieren Erklaumlren Einwandbehandlung) Das im Folgenden verwendete Beispiel stellt somit einerseits Besonderheiten beruflicher Kommunikation vor andererseits beruumlcksichtigt es die Erfahrungswelt der Schuumllerinnen und Schuumller (als Kunden oder auch schon als junge Verkaumlufer)

31 Welche Merkmale von Muumlndlichkeit weist der Gespraumlchsausschnitt auf

Bevor im Rahmen der fragegeleiteten Transkriptanalyse der Individualitaumlt des Ge-spraumlchsausschnitts Rechnung getragen wird dient er zunaumlchst als Beispiel an dem sich vie-le Merkmale von Muumlndlichkeit aufzeigen lassen (ausfuumlhrlich dazu Fiehler 2005) Schon in den ersten Aumluszligerungen sind eine Reihe von Auffaumllligkeiten in Formulierung und Satzbau festzustellen die typisch fuumlr muumlndliche Kommunikation sind Die Ziffern verweisen auf die Partiturflaumlchen des Transkripts Die genaue Betrachtung soll Schuumller auf die Besonderheiten gesprochener Sprache aufmerksam machen und fuumlr die Unterschiede zur Schriftsprache sensibilisieren

bdquoJā So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen allesldquo [89] Die Sprecherin leitet ihre Aumluszligerung mit den Partikeln bdquojaldquo und bdquosoldquo ein die hier eine Gliederungsfunktion uuml-bernehmen Sie macht kurze Pausen und produziert einen Abbruch was beides auf Pla-nungsprobleme bei der Formulierung hinweist Durch Wiederholung des betonten bdquoallesldquo macht sie deutlich dass fuumlr sie die vorangegangene Informationsvermittlung durch den Ver-kaumlufer abgeschlossen ist bdquoJagrave das is erst mal die Sache erst mal aumlh sagen wer malldquo [89f] Die Emphase der Kundin beantwortet der Verkaumlufer seinerseits mit einer Wiederholung Mit seinem zweifachen bdquoerst malldquo verstaumlrkt durch die abschlieszligende Redewendung bdquosagen wer malldquo zeigt er dass er die Wissensvermittlung und Warenpraumlsentation noch ausdehnen koumlnn-te Auch Kundin 1 unterstreicht die Bedeutung ihres Beitrags in besonderer Weise Sie pro-duziert eine reformulierende Erweiterung im Nachsatz bdquoJagrave und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabeildquo [90] Woraufhin der Verkaumlufer seine eher ab-schwaumlchende Zustimmung durch die Verwendung des Konjunktivs und der Fuumlllwoumlrter bdquojetztldquo und bdquowiederldquo ausdruumlckt bdquoJagrave das waumlr jetzt wieder en anderer Charakterldquo [90]

All dies sind Mittel mit denen die Sprecher spontan deutlich machen wie sie ihre Aumluszligerun-gen verstanden wissen wollen In den folgenden Partiturflaumlchen finden sich weitere Merkmale gesprochener Sprache in den Bereichen Lautlichkeit Lexik und Syntax Typisch fuumlr muumlndli-che Alltagskommunikation sind umgangssprachliche Abweichungen von der Standardlau-tung wie sie an den folgenden und vielen anderen Stellen zu beobachten sind bdquoWuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [95] (Abschwaumlchung des bdquoSieldquo zu bdquoSeldquo Wegfall des Vokals bdquoeldquo in der Endsilbe bei bdquoeingehnldquo Wegfall des Diphthongs bdquoeildquo beim unbestimmten Artikel) bdquodas isldquo [89] (Wegfall des auslautenden Konsonanten bdquotldquo) bdquoJetzt ham werldquo [89] (Assimilation bei bdquohamldquo Abschwaumlchung bei bdquowerldquo) bdquowenn Ses so betrachtenldquo (Verschmelzung von bdquoSieldquo und bdquoesldquo) An einer Stelle faumlllt auch als besondere Lautform eine regional gefaumlrbte Aussprache auf bdquoSon bisgenldquo [89]

Weitere Merkmale von Muumlndlichkeit im Transkript sind Verzoumlgerungspartikeln bdquoaumlhldquo [91] bdquoaumlhmldquo [103] unwillkuumlrliche Wiederholungen bdquoim im Topfldquo [92] Ruumlckversicherungspartikeln bdquojaldquo [102] bdquoneldquo [106] und paralinguale (dh sprachbegleitende stimmliche) Phaumlnomene

Bruumlnner_Weber_12 12

zB ((lacht)) [103] Die Bedeutung der Partikeln bdquojaldquo und bdquoneeldquo haumlngt von der Art der Aus-sprache (Intonation = Tonhoumlhenverlauf) ab Ist die Intonation steigend werden sie als Frage verwendet ist sie das nicht druumlcken sie Zustimmung bzw Ablehnung aus Um diese Unter-schiede deutlich zu machen koumlnnen Satzzeichen (Punkt Frage- oder Ausrufezeichen) oder Striche uumlber dem Wort (rechts- bzw linksseitiger Schraumlgstrich) verwendet werden

Mit Kurzkommentaren wie bdquoGenauldquo [97] und den Interjektionen bdquoJaldquo [100] und bdquoHmldquo [107] zeigt vor allem Kundin 2 dass sie aufmerksam zuhoumlrt Da bdquohmldquo sehr unterschiedlich gemeint sein kann ist es hier besonders wichtig die Intonation zu notieren (Bedeutungen fallend bdquodas ist ja merkwuumlrdigldquo steigend bdquowieso das dennldquo fallend-steigend bdquoeinverstandenldquo gleichbleibend bdquovielleicht aberldquo) Solche Houmlreraktivitaumlten die keine eigenen Redebeitraumlge sind und auch nonverbal realisiert werden koumlnnen sind wichtig fuumlr den Sprecher da sie ihm zeigen ob sein Gegenuumlber versteht und akzeptiert und wie er emotional Anteil nimmt

Mit deiktischen Formulierungen (vermutlich in Verbindung mit Zeigegesten in Blickrichtung der Sprecherin) wird auf in Rede stehende Gegenstaumlnde verwiesen bdquoGuck dir den Busch mal anldquo [106] bdquoIch meine engere Wahl is derldquo [110] Da diese Aussagen ohne optische Zu-satzinformationen nicht interpretierbar sind kann der Transkriptleser nicht nachvollziehen welche Pflanzen gemeint sind

Die Aumluszligerung bdquoIm Topf und im Schattenldquo [92] stellt eine Ellipse dar die nur verstaumlndlich ist weil die Sprecherin bei der Satzkonstruktion auf ihre Vorrednerin Bezug nimmt Diese hatte den Verkaumlufer gefragt welche Pflanzen er empfehlen koumlnne hinsichtlich Pflegeleichtigkeit bdquoim im Topfldquo [92] Daran kann die Sprecherin anknuumlpfen ohne selbst einen vollstaumlndigen Satz bilden zu muumlssen

Abbruumlche wie bdquoDa man sie nichtldquo [93] (ohne Fortsetzung) oder bdquoNee es is es is Drei Stun-den is Sonneldquo [93] (mit Fortsetzung) sind als Formulierungsverfahren genauso normal wie Korrekturen bdquoan sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [105]

Die genannten Erscheinungen sind insgesamt Beispiele fuumlr typische Merkmale des Muumlndli-chen und in ihrer Abweichung von der Schriftsprache nicht als negativ zu bewerten Sie sind kontextspezifische Anpassungen an die Gespraumlchssituation und in der Regel funktional

32 Fragegeleitete Transkriptanalyse

Im Rahmen der (hier nicht wiedergegebenen) Sequenzanalyse (= Schritt-fuumlr-Schritt-Analyse) des Gespraumlchsausschnitts wurden die sprachlichen Handlungen bestimmt und Auffaumllligkeiten auf den verschiedenen Ebenen bzw Dimensionen des Gespraumlchs (s Bruumlnner idBd Sxxx) festgestellt Auf dieser Grundlage wurden die im Folgenden behandelten Analysefragen ent-wickelt

Welche kommunikativen Aufgaben bearbeiten die Gespraumlchsteilnehmer

Die Sequenzanalyse legt nahe den Gespraumlchsabschnitt in fuumlnf Phasen aufzuteilen in denen die Gespraumlchsteilnehmer unterschiedliche kommunikative Aufgaben bearbeiten Kundin 1 wuumlnscht eine persoumlnliche Empfehlung des Verkaumlufers (Phase 1 89-93) der aber korrigiert zunaumlchst die Fehleinschaumltzung der Wachstumsbedingungen am Standort durch die Kundin (Phase 2 93-100) Nachdem die Kundin den Verkaumlufer noch einmal um eine persoumlnliche

Bruumlnner_Weber_12 13

Empfehlung gebeten hat lehnt dieser das ab und gibt stattdessen Wareninformationen (Pha-se 3 100-106) Auf einen Wareneinwand den Kundin 1 aumluszligert geht der Verkaumlufer nur kurz ein (Phase 4 106-110) Als Kundin 2 die Zahl der fuumlr sie in Frage kommenden Pflanzen auf zwei eingrenzt gibt der Verkaumlufer diesbezuumlgliche Wareninformationen (Phase 5 110 ff)

Abb 3 Kommunikative Aufgaben im Gespraumlchsabschnitt

Handlungsstruktur

Phase 1 3 und 5 stehen miteinander in Beziehung und bilden den Haupthandlungsstrang der durch zwei Einschuumlbe (Phase 2 und 4) (schattiert dargestellt) unterbrochen ist Der Ge-spraumlchsabschnitt zeigt also einen geschachtelten Aufbau In die Bemuumlhungen der Kundin 1 zu einer Kaufentscheidung zu finden sind sowohl die Intervention des Verkaumlufers (Begriffs-zuschreibung bdquoHalbschattenldquo) als auch der Kundeneinwand (Unattraktivitaumlt der abgebluumlhten Pflanze) eingebettet Es stoszligen unterschiedliche Gespraumlchsanliegen aufeinander sie koumlnnen aber verknuumlpft werden weil die Gespraumlchspartner zum Teil kooperativ aufeinander eingehen Die Kundin laumlsst sich belehren sie nimmt das Informationsangebot des Verkaumlufers an dieser wiederum akzeptiert den Einwand

Da in der Gespraumlchssequenz verschiedene kommunikative Aufgaben ineinander verflochten sind ist die Situation vielschichtig und mit erhoumlhten Anforderungen an die Reaktionsfaumlhigkeit des Verkaumlufers verbunden Er muss in rascher Folge unterschiedliche Handlungsmuster rea-lisieren Informieren Korrigieren Erklaumlren Argumentieren Einwand behandeln Bei der Dar-stellung des Aufbaus von Verkaufsgespraumlchen in den Verkaufskunde-Schulbuumlchern wird meist der Eindruck erweckt dass Phasen deutlich getrennt aufeinander folgen und von den Gespraumlchspartnern der Reihe nach abgearbeitet werden Die Wirklichkeit stellt sich aber in der Regel komplexer dar

Welche Maszlignahmen zur Gespraumlchsorganisation und Kooperation fuumlhren die Ge-spraumlchsteilnehmer durch

Bruumlnner_Weber_12 14

Abb 4 Themensteuerung im Gespraumlchsschritt

Themensteuerung Zentraler Gegenstand des Gespraumlchsausschnitts ist die Kaufentschei-dung der Kundin 1 In Phase 1 fuumlhrt sie als Thema 1 ihren Wunsch nach einer persoumlnlichen Kaufempfehlung durch den Verkaumlufer hinsichtlich der in Frage kommenden Pflanzen ein Sie bringt ihr Anliegen in Frageform vor bdquoUnd welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmenldquo [91] Die Reaktion des Verkaumlufers in Phase 2 ist aber nicht responsiv denn er kommt der Aufforderung der Kundin die eine spezifische Folgehandlung erwartbar macht nicht nach Er wird stattdessen selber initiativ wenn er unvermittelt Thema 2 (Standorteinschaumltzung) ein-fuumlhrt

In Phase 3 kehrt Kundin 1 zuruumlck zu Thema 1 sie insistiert auf einer Empfehlung worauf der Verkaumlufer teilresponsiv antwortet Er bietet als Ersatz fuumlr eine Empfehlung eine Sachinforma-tion und Metakommunikation Das heiszligt er verhaumllt sich nicht voumlllig unkooperativ aber auch nicht so wie die Kundin es erwartet hat

Ohne Uumlbergang fuumlhrt Kundin 1 in Phase 4 Thema 3 neu ein sie erhebt vehement einen Ein-wand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie verbluumlht ist Die Vermutung liegt nahe dass diese Aumluszligerung nicht eine Nebense-quenz ist sondern als Ausgrenzung nicht in Frage kommender Ware einen Schritt bei der Entscheidungsfindung der Kundin darstellt Der Verkaumlufer verhaumllt sich responsiv und akzep-tiert den Einwand In Phase 5 kehrt Kundin 2 zuruumlck zu Thema 1 grenzt von sich aus die Warenauswahl ein und gibt so dem Verkaumlufer die Moumlglichkeit darauf mit zusaumltzlichen Wa-reninformationen einzugehen (ohne einen Ratschlag geben zu muumlssen)

Bei der Themensteuerung ist also vor allem Kundin 1 initiativ in geringerem Maszlige aber auch der Verkaumlufer Kundin 2 spielt hier eine untergeordnete Rolle

Bruumlnner_Weber_12 15

Sprecherwechsel Da in einem Verkaufsgespraumlch keine besonderen Regeln zur Rederechts-verteilung zu beachten sind koumlnnen sich hier die Gespraumlchspartner gleichberechtigt am Ge-spraumlch beteiligen Meistens melden sie sich mittels Selbstwahl zu Wort [Kundin 89 Verkaumlu-fer 89 uouml] aber auch nach Fremdwahl wenn sie zum Beispiel auf Fragen reagieren [Ver-kaumlufer 100]

Die Wechsel von einem zum anderen Sprecher sind meistens glatt Sogar bei einem abrup-ten Themenwechsel wartet Kundin 1 geduldig den Uumlbernahmepunkt (Satzende) ab [106] Kleine Uumlberlappungen gibt es zwar sie sind aber nicht Ausdruck von Aumlrger und Konfrontati-on sondern von eifriger Zustimmung und engagierter Gespraumlchsbeteiligung [Verkaumlufer ndash Kundin 2 90 Verkaumlufer ndash Kundin 1 91 uouml] Auch bei anderen Parallelsprechphasen zeigt sich eher kooperatives Uumlberlappen das heiszligt die Turnuumlbernahme wird nicht beansprucht [stuumltzende Kommentare zu den Aussagen des Verkaumlufers durch Kundin 1 99 102 Kundin 2 101] In [110] setzt Kundin 2 allerdings ihren Beitrag durch obwohl der Verkaumlufer auf Kundin 1 antworten wollte Houmlreraktivitaumlten (Rezeptionspartikeln haumlufig bdquojaldquoaber auch bdquohmldquo 107 bdquogenauldquo 97-100) erscheinen meist passgenau nach Sinnabschnitten und als Reaktion auf Ruumlckversicherungssignale (zB bdquojaldquo ndash bdquojaldquo 102 104) All das deutet darauf hin dass die Sprecher sich gut verstehen

Gleichzeitiges Sprechen ist nur an einer Stelle auffaumlllig In [95] beginnt der Verkaumlufer zu re-den weil er glaubt Kundin 1 habe ihren Beitrag beendet Kundin 1 spricht aber weiter wor-aufhin der Verkaumlufer zuruumlckzieht Seine Turnuumlbernahme ist also aufgrund eines Irrtums ge-scheitert Da er aber kurz darauf zu Wort kommt stellt diese Situation kein Problem fuumlr das Gespraumlch dar Unterbrechungen bei denen sich die Sprecher gegenseitig das Rederecht streitig machen oder laumlngere Pausen als Anzeichen fuumlr Dissens kommen nicht vor Insge-samt zeigt sich der Gespraumlchsausschnitt unter diesem Aspekt als dynamische aber geord-nete und konfliktfreie Phase

Kooperativitaumlt Alle drei Gespraumlchsteilnehmer erfuumlllen grundsaumltzliche kommunikative Ver-pflichtungen (Folgeerwartungen) wenn sie zum Beispiel Fragen beantworten und Bitten er-fuumlllen oder begruumlndet zuruumlckweisen Sie schaffen mit dieser Bereitschaft zur Kooperation die Voraussetzung dass das Gespraumlch uumlberhaupt funktionieren kann Es faumlllt aber auf dass Kundin 2 hier noch weiter geht als der Verkaumlufer und Kundin 1 die mit ihren zum Teil wider-streitenden Interessen vor allem die thematische Entwicklung des Gespraumlchsabschnitts be-einflussen Kundin 2 unterstuumltzt Kundin 1 wenn sie deren Empfehlungswunsch ergaumlnzt bdquoVon der Pflege im im Topfldquo [92] und die Abwertung der Ware unterstreicht bdquoJaacute jagrave dann is nich mehr viel neldquo [106] Sie unterstuumltzt aber auch den Verkaumlufer dessen Ausfuumlhrungen sie haumlufig mit zustimmenden Houmlrerreaktionen wie bdquogenauldquo bdquojaldquo und bdquohmldquo versieht Bei der Beur-teilung der Lichtverhaumlltnisse am Standort uumlbernimmt sie die Deutung des Verkaumlufers Und schlieszliglich greift sie das von Kundin 1 initiierte und vom Verkaumlufer fortgesetzte Spiel mit der Vorstellung sich in eine Pflanze zu versetzen auf bdquoIch kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht so viel Sonne habenldquo [99]

Dass der Verkaumlufer Kundin 1 eine persoumlnliche Empfehlung verweigert ist ungewoumlhnlich Er verstoumlszligt damit gegen die Maxime der Kooperativitaumlt in der Interaktion (gibt bzw sagt dem Kunden nicht das was er haben beziehungsweise houmlren will) Moumlglicherweise bestimmen Uumlberlegungen sein Verhalten die in einem Verkaufskundebuch so formuliert werden bdquoAch-

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 4

nennen sind etwa Besprechung Uumlbergabegespraumlch Diskussion Verhandlung Konfliktge-spraumlch oder Beratung Sie kommen in vielen ganz unterschiedlichen Berufen vor wenn auch in verschiedenartigen Auspraumlgungen und Variationen (Bruumlnner 2007)

Die folgenden Vorschlaumlge fuumlr Gespraumlchsaufnahmen lassen sich mit einiger Aussicht auf Er-folg mit Schuumllern realisieren

bull Auskuumlnfte und Beratungen (anonym) ggf telefonisch (zB Bundesbahn Reisebuumlro Call-Center Computer-Hotline Laumlden)

bull Instruktionen Handlungsanleitungen (zB im privaten Bereich Computerprobleme technische Reparaturen Anleitungen zu Taumltigkeiten in Sport und Spiel)

bull mediale Gespraumlche (TV und Radio zB Streitgespraumlche Interviews mit Politikern oder Experten Call-in Sendungen in denen Anrufern Auskunft oder Rat gegeben wird)

bull diverse berufliche Gespraumlchstypen unter Nutzung von Praktika Nebenjobs privaten Fir-menkontakten usw (zB Reparaturannahme in der Autowerkstatt Arbeitsbesprechun-gen Uumlbergabegespraumlche Verkaufs- und Reklamationsgespraumlche Beschwerden Ver-handlungen auf dem Flohmarkt oder Gebrauchtwagenmarkt)

Verfuumlgbare Tonaufnahmen mit zugehoumlrigen Transkriptionen findet man zB in Becker-MrotzekBruumlnner (2006) in verschiedenen Aufsaumltzen der Online-Zeitschrift Gespraumlchsfor-schung (wwwgespraechsforschung-ozsde) sowie im Deutschen Spracharchiv und der Da-tenbank Gesprochenes Deutsch des IDS (httpdsav-oeffids-mannheimdeDSAv)

Welche Gespraumlche auch immer aufgenommen werden von zentraler Bedeutung ist dass sie natuumlrlich (authentisch) sind also nicht fuumlr die Aufnahme inszeniert wurden Zwar kann das Wissen aufgenommen zu werden uU das Aumluszligerungsverhalten der Gespraumlchsteilnehmer beeinflussen Das schmaumllert aber in der Regel nicht den Wert der Aufnahmen weil die meis-ten Sprecher nach kurzer Zeit die Aufnahmesituation nicht mehr beachten Wissen sie nichts von der Aufnahme verhalten sie sich meist ungezwungener Aber das gesprochene Wort unterliegt sofern es nicht an die Oumlffentlichkeit gerichtet ist dem Datenschutz und eine Auf-nahme bedarf der Einwilligung der Betroffenen Namen und andere identifizierende Hinweise werden in Aufnahme und Transkript anonymisiert

Im Vorfeld der geplanten Aufnahmen sind praktische Fragen zu klaumlren Wo und unter wel-chen Umstaumlnden lassen sich Gespraumlche am besten so aufzeichnen dass sie ergiebige und repraumlsentative Untersuchungsgegenstaumlnde werden koumlnnen Eventuell muumlssen Widerstaumlnde der Sprecher uumlberwunden werden Ist es sinnvoll wenn man als teilnehmender Beobachter selbst die Aufnahmen macht oder hat es Vorteile wenn man nicht anwesend ist Sollen Au-dio- oder Videogeraumlte eingesetzt werden Audioaufnahmen sind unauffaumllliger zu bewerkstel-ligen die Gespraumlche damit natuumlrlicher Videoaufnahmen erfassen hingegen auch die non-verbale Kommunikation und die raumlumlichen Konstellationen und erleichtern die Identifizierung der Sprecher

Eine technisch gute Qualitaumlt der Aufnahmen ist wichtig und wird durch ein externes Mikrofon unterstuumltzt Sind Stoumlrgeraumlusche zu stark laumlsst sich das im Nachhinein kaum korrigieren und fuumlhrt zu Problemen beim Transkribieren Ideal sind digitale Aufnahmen weil sie am einfach-sten auf den PC uumlbertragen und dort direkt bearbeitet werden koumlnnen Mit dem freien Audio-Editor Audacity (httpaudacitysourceforgenet) lassen sich Audioaufnahmen bequem

Bruumlnner_Weber_12 5

schneiden in der Lautstaumlrke veraumlndern und durch das Einfuumlgen von Signaltoumlnen anonymisie-ren Ausfuumlhrliche Informationen zu Hard- und Software die in der Gespraumlchsforschung Ver-wendung finden bietet das IDS unter httpgaisids-mannheimdetechnikhtml

22 Wie kann man Gespraumlche transkribieren

Transkribieren heiszligt verbale (und ergaumlnzend uU auch intonatorische und nonverbale) Phauml-nomene aufgenommener Gespraumlche so originalgetreu wie moumlglich ndash dh objektiv registrie-rend nicht interpretierend ndash zu notieren In sogenannter bdquoliterarischer Umschriftldquo koumlnnen arti-kulatorische Besonderheiten der Aussprache (zB dialektale Faumlrbung) wiedergegeben wer-den Besonderheiten muumlndlicher Kommunikation werden nicht geglaumlttet und nicht den gram-matischen Normen angepasst Zweck und Nutzen dieser Arbeit ist es eine schriftliche Grundlage fuumlr die detaillierte Untersuchung von Gespraumlchen zu schaffen Das genaue Abhouml-ren und Transkribieren einer Aufnahme vermittelt ndash gerade fuumlr Anfaumlnger ndash oft schon gute Einblicke in Eigenschaften der gesprochenen Sprache und in das Gespraumlchsverhalten

Transkripte dokumentieren die sprachlich-kommunikative Praxis Sie wirken wie ein Mikro-skop oder eine Zeitlupe und machen viele Phaumlnomene erst fuumlr die Analye zugaumlnglich Sie bewahren die genauen Formen des Gesprochenen schaffen Distanz und erleichtern so er-heblich die genaue Analyse von Gespraumlchen Transkripte lassen sich auch als effiziente Lehr- und Lernmittel einsetzen (FiehlerSchmitt 2004 Becker-MrotzekBruumlnner 2006) Transkripte sind Erkenntnismittel fuumlr kommunikative Strukturen und sprachliche Mittel Sie tragen bei zur Sensibilisierung fuumlr Sprache im Allgemeinen und Gespraumlchsprozesse im Be-sonderen unterstuumltzen eine kritische (Selbst-)Reflexion und stellen eine Ressource sprach-lich-kommunikativer Verfahren dar die zur Loumlsung kommunikativer Aufgaben und Probleme in Gespraumlchen eingesetzt werden koumlnnen

Es gibt verschiedene Transkriptionssysteme d h normierte Verfahren zur Darstellung ge-sprochener Sprache (s dazu Bruumlnner idBd EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online) Die im deutschen Sprachraum am haumlufigsten benutzten Systeme HIAT (Halbin-terpretative Arbeitstranskriptionen) und GAT (Gespraumlchsanalytisches Transkriptionssystem) bedienen sich entweder der Partitur- (HIAT) oder der Zeilenschreibweise (GAT) Bei der Par-titurschreibweise die im folgenden Beispiel bdquoGlanzmispelldquo zur Anwendung kommt werden die gleichzeitigen Kommunikationsereignisse in untereinander angeordneten Zeilen notiert Das ermoumlglicht eine uumlbersichtliche Darstellung von Sprecherwechseln und Phasen parallelen Sprechens Bei der Transkription sollte man sich an den existierenden Transkriptionskonven-tionen orientieren die die Umsetzung muumlndlicher Sprache in Schrift regeln (s Abb 2)

Liegt die Gespraumlchsaufnahme als Datei vor leisten spezialisierte Player fuumlr die Transkripti-onsarbeit gute Dienste zB Ton und Text (wwwton-und-textde) oder f4 (wwwaudiotranskriptionde)

Bruumlnner_Weber_12 6

Abb 2 Die wichtigsten Transkriptionskonventionen nach HIAT

Die erste Transkriptionssoftware HIAT-DOS (wwwehlich-berlindeHIATHIAThtm) ist auch heute noch auf Windows-PCs verwendbar und erzeugt durch Partiturklammern gekenn-zeichnete Flaumlchen mit mehreren Zeilen fuumlr Sprecher verbale Daten intonatorische Daten nonverbale Kommunikation und Kommentare Die neue Transkriptionssoftware EXMARaLDA (wwwexmaraldaorg) ist zugleich Transkriptionseditor Datenverwaltungs- und Analysepro-gramm Transkriptionen koumlnnen in gaumlngige Praumlsentationsformate (RTF HTML PDF) uumlber-fuumlhrt und gemaumlszlig den verschiedenen Transkriptionssystemen (HIAT GAT ua) ausgegeben werden

23 Transkriptausschnitt bdquoGlanzmispelldquo

Das folgende Transkript gibt einen kurzen Ausschnitt (152 min) eines Verkaufsgespraumlchs in einem Gartencenter wieder (Download der Tonaufnahme unter httphomeedouni-dortmundde~bruennerPublikationenhtml) Das Gespraumlch wurde von dem Verkaumlufer mithil-fe eines MiniDisc-Rekorders und eines Krawattenmikrofons aufgenommen Das Transkript wurde mit EXMARaLDA gemaumlszlig den HIAT-Konventionen erstellt

Bruumlnner_Weber_12 7

Situation Die beiden aumllteren Kundinnen hatten im Selbstbedienungsbereich des Gartencen-ters Kuumlbelpflanzen selbstaumlndig (vor-)ausgewaumlhlt und dann den Verkaumlufer gebeten deren Eigenschaften zu beschreiben Daraufhin stellt der Verkaumlufer die Vorzuumlge der Pflanzen dar und gibt Pflegehinweise

[89]

V kupferfarben Son bisgen Ja das is erstK i n 2 Ja Ja So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen alles [90]

V mal die Sache erst mal aumlh sagen wer mal Ja das K i n 1 Ja und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabei [91]

V waumlr jetzt wieder en anderer Charakter K i n 1 Und welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmen Sagen wer mal jetzt nicht aumlh von der [92]

K i n 1 von der erst mal von der Pf aumlh Pflegeleichtigkeit Also und Im Topf und im Schatten K i n 2 Von der Pflege im im Topf Da man [93]

V Es is ja kein Schatten Halbschatten Kin1 Ja doch Es is aber Drei Stunden K i n 2 sie nicht Nee es is es is Drei Stunden is Sonne [94]

K i n 1 Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanze Stellen Se mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am [95]

V Nein Sie muumlssen Nee nee D das Nee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie K i n 1 Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primel [96]

V andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den ganzen Tag in der Sonne schmoren [97]

V im Kuumlbel Ja Sehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist Kin1 Ja das is natuumlrlich auch nich (so gut) Kin2 Genau [98]

V nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden gefroren is und Kin2 Ja genau Genau Ja [99]

V die Sonne knallt auf die Pflanze Sehen Sie Kin1 ((putzt sich die Nase)) () (wird alles) () () Ja ja ich weiszlig Kin2 Ich kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht

Bruumlnner_Weber_12 8

[100] V Das ist fuumlr die Pflanze viel ausgeglichener Also so gesehen Ah die Frage K i n 1 ((lacht)) Na gut Also welche wuumlrden Sie dann nehmen Kin2 so viel Sonne haben Genau Ja [101]

V natuumlrlich Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks Das beantworte ich auch nie direkt K i n 1 Ja Kin2 Das is jetzt natuumlrlich () [102]

V Wenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hier Kin1 Koumlnnen Se aber doch Ja was is am robustesten Das waumlr ne Kin2 Nee Ja [103]

V Aumlhm Jaha ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer K i n 1 gute das is ne gute Frage Ja [104]

V So mal zu sagen hundert aumlh hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm K i n 1 Ja [105]

V dieser Kletterjasmin aumlhm der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Ja an sich die die aumlhm aumlhm der K i n 2 Ja [106]

V Berglorbeer auch K i n 1 Guck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Kin2 Ja ja dann is nich mehr viel ne [107]

V Das is das K i n 1 Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die geht jetzt auf Drei Wochen und weg is se K i n 2 Hm Hm [108]

V Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auch K i n 1 Deshalb nehm ich Ich nehm zum Beispiel auch Kin2 Ja [109]

Kin1 Stauden Das is das gleiche von Stauden Die bluumlhen drei Wochen man hat viel Arbeit damit Ich pflanz mir Kin2 Jaha [110]

V Das is eine () Kin1 lieber Sommerblumen da hab ich den ganzen Sommer was Kin2 So Ich Meine engere Wahl is der oder die [111]

V Aha Ja dann haben Sie hier Das sind zwei verschiedene Charaktere Das is Kin1 Das waumlre auch (gut) K i n 2 Glanzmispel [112]

V schon mal en Fortschritt Aumlhm Hier is es so das etwas Verspielte und Bluumlhende K i n 1 Ja wir kommenschon naumlher Kin2 Ja Ja

Bruumlnner_Weber_12 9

[113] V trotzdem farblich Akzentuierte mit Herbstfaumlrbung Versehene Ja Und da oben das auch aumlhm sagen wer K i n 2 Ja Ja [114]

V etwas Akkuratere Formalere Kin1 Deshalb wuumlrd ich jetz kein Hoch Wenn ich bei ner Glanzmispel wenn ich ne Kin2 Ja Sie is Kein [115]

V Das is K i n 1 Glanz wuumlrd ich kein Hochbaumlumchen nehmen Ich wuumlrde nen Busch nehmen Kin2 Hochbaumlumchen Die Buschen sind aber

24 Wie kann man Gespraumlche analysieren

An Transkripten lassen sich strukturelle und funktionale Besonderheiten muumlndlicher Kommu-nikation herausarbeiten zB Was sind die Zwecke bestimmter Gespraumlche oder Handlungs-muster Erfuumlllen diese hier ihre Funktionen Welche einzelnen kommunikativen Aufgaben stellen sich den Beteiligten Wie bearbeiten sie diese und mit welchem Erfolg Welche Prob-leme entstehen dabei Mit welchen Konsequenzen Welche Loumlsungsversuche unternehmen die Beteiligten und wie gelingen diese Methoden der Arbeit mit Transkripten und leitende Fragestellungen sind in Bruumlnner (idBd) dargestellt Fuumlr Unterrichtszwecke besonders ge-eignet sind ndash als primaumlr analytische Zugaumlnge ndash die Einzelfallanalyse und die fragegeleitete Transkriptanalyse

Bei der Einzelfallanalyse wird die Entwicklung des Gespraumlchs sequenziell von seinem Beginn bis zu seinem Ende Aumluszligerung fuumlr Aumluszligerung Einheit fuumlr Einheit nachgezeichnet Fuumlr jede Aumluszligerung wird eine inhaltliche Paraphrase gegeben und bestimmt wie sie das Gespraumlch thematisch fortfuumlhrt was fuumlr eine Handlung mit ihr vollzogen wird welche Funktion(en) sie an dieser Stelle des Gespraumlchs hat und welche (grammatischen stilistischen prosodischen usw) Besonderheiten die Form der Aumluszligerung uU aufweist Auf diese Weise koumlnnen die Gliederung die wesentlichen Themen und Handlungseinheiten des Gespraumlchs rekonstruiert werden und es lassen sich aus den im Datenmaterial beobachteten Auffaumllligkeiten heraus Analysefragen entwickeln

Bei der fragegeleiteten Transkriptanalyse (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) orientiert man sich an bereits vorformulierten Fragestellungen und richtet einen entsprechenden Fokus auf be-stimmte Transkriptstellen Phaumlnomene oder Problemlagen im Transkript (zB Wie gestalten Verkaumlufer und Kunde ihre Beziehung oder Wie wird mit Einwaumlnden des Kunden umgegan-gen oder Wie werden Scherzen und Lachen fuumlr die Bearbeitung von Gespraumlchsproblemen eingesetzt) Es werden fuumlr die Leitfrage relevante Belegstellen gesucht detailliert analysiert und in Beziehung zueinander gesetzt oder es werden unterschiedliche Beispiele fuumlr ein Phaumlnomen gesammelt verglichen und nach verschiedenen Faumlllen typisiert Dabei ist die Ar-beit mit mehreren Transkripten von Vorteil weil sie Kontrastierungen und Verallgemeinerun-gen uumlber den Einzelfall hinaus erlaubt

Anwendungsbezogene Fragestellungen lassen sich anschlieszligen indem zB Kommunikati-onsprobleme identifiziert und in ihren Konsequenzen beschrieben werden indem Loumlsungs-versuche der Beteiligten im Gespraumlch rekonstruiert in ihren Auswirkungen Vor- und Nachtei-

Bruumlnner_Weber_12 10

len bewertet und auch alternative Loumlsungsmoumlglichkeiten diskutiert werden Solche alternati-ven Loumlsungen kann man Schuumller im Nachspielen des Gespraumlchs konkret ausprobieren las-sen und dabei beobachten wie sich das Gespraumlch dann entwickelt Auf diesem Wege lassen sich auch Handlungsempfehlungen fuumlr Gespraumlche bzw bestimmte Gespraumlchstypen oder ndashsituationen ableiten

Ein primaumlr handelnder Zugang der sich in Ergaumlnzung zu den analytischen Methoden sinnvoll einsetzen laumlsst ist die Simulation authentischer Faumllle (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) Es handelt sich um eine besondere Art des Rollenspiels bei der die Rollen und Handlungsbe-dingungen nach der Vorlage eines authentischen Gespraumlchs vorgegeben werden so dass die Gefahr von unrealistischen bdquoTheater-Effektenldquo reduziert wird Die Schuumller versuchen die gemeinsam erarbeiteten Handlungsempfehlungen in der Simulation authentischer Faumllle prak-tisch umzusetzen und auszuprobieren und erfahren dabei die in einer konkreten Interaktion mit ihnen verbundenen Chancen und Schwierigkeiten Sie koumlnnen ihre Versuche aufzeich-nen und anschlieszligend mit den im zugrunde liegenden authentischen Gespraumlch vorkommen-den kommunikativen Handlungsweisen vergleichen sie kontrastiv diskutieren bewerten usw Hier zeigt sich dann dass es in der Regel nicht nur die eine optimale Form gibt die immer passt und die rezeptartig gelernt werden kann Interaktion bedeutet vielmehr flexibles Han-deln das sich nicht nur an den eigenen Zielen und Moumlglichkeiten sondern auch am Handeln des Gespraumlchspartners orientieren muss

Wie sich mit Transkripten im Unterricht arbeiten laumlsst demonstrieren die Unterrichtsreihen Becker-MrotzekBruumlnner (2002) und (2006) FiehlerSchmitt (2004) geben eine methodisch gut nutzbare Analyse eines Anrufs bei einem Bauunternehmen sie zeigen an diesem Bei-spiel wie sich die in der Wirtschaft oft beschworene Kundenorientierung im konkreten Ge-spraumlchsverhalten zeigt ndash bzw eben nicht zeigt

Eine Reduktion der Komplexitaumlt von Gespraumlchen kann fuumlr den Unterricht manchmal nuumltzlich oder notwendig sein Dann bietet sich an bestimmte wiederkehrende Gespraumlchsaufgaben oder Elemente aus den Gespraumlchen fuumlr die Analyse auszuwaumlhlen Dazu gehoumlren sprachliche Handlungsmuster dh standardisierte Ablaufformen zur Verwirklichung bestimmter gesell-schaftlicher Zwecke (EhlichRehbein 1986) wie zB Frage-Antwort Auskunft einho-lengeben Anliegen vorbringenexplorieren Erklaumlren (der Funktionsweise eines Geraumltes des Sinns einer Maszlignahme) Begruumlnden Anleiten oder Rat suchengeben (zum Handlungsmus-ter Einwand behandeln su) Sprachliche Handlungsmuster sehen bestimmte (mentale und sprachliche) Handlungen in einer bestimmten sequenziellen Abfolge und Verteilung auf die Interaktanten vor sie stellen eine Art inneres Drehbuch fuumlr die Gespraumlchsteilnehmer dar und beinhalten bestimmte Erwartungen an ihr sprachliches Handeln

3 Beispielanalyse des Verkaufsgespraumlchs bdquoGlanzmispelldquo

Der folgende Abschnitt gibt mit der Analyse des Transkripts bdquoGlanzmispelldquo ein Beispiel dafuumlr wie Gespraumlche mit den Mitteln der Gespraumlchsforschung in einer Form untersucht werden koumlnnen die auch im Unterricht praktikabel ist

Verkaufsgespraumlche bieten sich als Untersuchungsgegenstand an weil es sich um einen gut bekannten und zugleich gesellschaftlich und beruflich bedeutsamen Gespraumlchstyp handelt der in vielen Variationen existiert (face-to-face oder am Telefon unter Nutzung von Ge-

Bruumlnner_Weber_12 11

spraumlchsleitfaumlden differierende Produkte usw) und oft unterschiedliche Muster umfasst (zB Argumentieren Beraten Praumlsentieren Erklaumlren Einwandbehandlung) Das im Folgenden verwendete Beispiel stellt somit einerseits Besonderheiten beruflicher Kommunikation vor andererseits beruumlcksichtigt es die Erfahrungswelt der Schuumllerinnen und Schuumller (als Kunden oder auch schon als junge Verkaumlufer)

31 Welche Merkmale von Muumlndlichkeit weist der Gespraumlchsausschnitt auf

Bevor im Rahmen der fragegeleiteten Transkriptanalyse der Individualitaumlt des Ge-spraumlchsausschnitts Rechnung getragen wird dient er zunaumlchst als Beispiel an dem sich vie-le Merkmale von Muumlndlichkeit aufzeigen lassen (ausfuumlhrlich dazu Fiehler 2005) Schon in den ersten Aumluszligerungen sind eine Reihe von Auffaumllligkeiten in Formulierung und Satzbau festzustellen die typisch fuumlr muumlndliche Kommunikation sind Die Ziffern verweisen auf die Partiturflaumlchen des Transkripts Die genaue Betrachtung soll Schuumller auf die Besonderheiten gesprochener Sprache aufmerksam machen und fuumlr die Unterschiede zur Schriftsprache sensibilisieren

bdquoJā So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen allesldquo [89] Die Sprecherin leitet ihre Aumluszligerung mit den Partikeln bdquojaldquo und bdquosoldquo ein die hier eine Gliederungsfunktion uuml-bernehmen Sie macht kurze Pausen und produziert einen Abbruch was beides auf Pla-nungsprobleme bei der Formulierung hinweist Durch Wiederholung des betonten bdquoallesldquo macht sie deutlich dass fuumlr sie die vorangegangene Informationsvermittlung durch den Ver-kaumlufer abgeschlossen ist bdquoJagrave das is erst mal die Sache erst mal aumlh sagen wer malldquo [89f] Die Emphase der Kundin beantwortet der Verkaumlufer seinerseits mit einer Wiederholung Mit seinem zweifachen bdquoerst malldquo verstaumlrkt durch die abschlieszligende Redewendung bdquosagen wer malldquo zeigt er dass er die Wissensvermittlung und Warenpraumlsentation noch ausdehnen koumlnn-te Auch Kundin 1 unterstreicht die Bedeutung ihres Beitrags in besonderer Weise Sie pro-duziert eine reformulierende Erweiterung im Nachsatz bdquoJagrave und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabeildquo [90] Woraufhin der Verkaumlufer seine eher ab-schwaumlchende Zustimmung durch die Verwendung des Konjunktivs und der Fuumlllwoumlrter bdquojetztldquo und bdquowiederldquo ausdruumlckt bdquoJagrave das waumlr jetzt wieder en anderer Charakterldquo [90]

All dies sind Mittel mit denen die Sprecher spontan deutlich machen wie sie ihre Aumluszligerun-gen verstanden wissen wollen In den folgenden Partiturflaumlchen finden sich weitere Merkmale gesprochener Sprache in den Bereichen Lautlichkeit Lexik und Syntax Typisch fuumlr muumlndli-che Alltagskommunikation sind umgangssprachliche Abweichungen von der Standardlau-tung wie sie an den folgenden und vielen anderen Stellen zu beobachten sind bdquoWuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [95] (Abschwaumlchung des bdquoSieldquo zu bdquoSeldquo Wegfall des Vokals bdquoeldquo in der Endsilbe bei bdquoeingehnldquo Wegfall des Diphthongs bdquoeildquo beim unbestimmten Artikel) bdquodas isldquo [89] (Wegfall des auslautenden Konsonanten bdquotldquo) bdquoJetzt ham werldquo [89] (Assimilation bei bdquohamldquo Abschwaumlchung bei bdquowerldquo) bdquowenn Ses so betrachtenldquo (Verschmelzung von bdquoSieldquo und bdquoesldquo) An einer Stelle faumlllt auch als besondere Lautform eine regional gefaumlrbte Aussprache auf bdquoSon bisgenldquo [89]

Weitere Merkmale von Muumlndlichkeit im Transkript sind Verzoumlgerungspartikeln bdquoaumlhldquo [91] bdquoaumlhmldquo [103] unwillkuumlrliche Wiederholungen bdquoim im Topfldquo [92] Ruumlckversicherungspartikeln bdquojaldquo [102] bdquoneldquo [106] und paralinguale (dh sprachbegleitende stimmliche) Phaumlnomene

Bruumlnner_Weber_12 12

zB ((lacht)) [103] Die Bedeutung der Partikeln bdquojaldquo und bdquoneeldquo haumlngt von der Art der Aus-sprache (Intonation = Tonhoumlhenverlauf) ab Ist die Intonation steigend werden sie als Frage verwendet ist sie das nicht druumlcken sie Zustimmung bzw Ablehnung aus Um diese Unter-schiede deutlich zu machen koumlnnen Satzzeichen (Punkt Frage- oder Ausrufezeichen) oder Striche uumlber dem Wort (rechts- bzw linksseitiger Schraumlgstrich) verwendet werden

Mit Kurzkommentaren wie bdquoGenauldquo [97] und den Interjektionen bdquoJaldquo [100] und bdquoHmldquo [107] zeigt vor allem Kundin 2 dass sie aufmerksam zuhoumlrt Da bdquohmldquo sehr unterschiedlich gemeint sein kann ist es hier besonders wichtig die Intonation zu notieren (Bedeutungen fallend bdquodas ist ja merkwuumlrdigldquo steigend bdquowieso das dennldquo fallend-steigend bdquoeinverstandenldquo gleichbleibend bdquovielleicht aberldquo) Solche Houmlreraktivitaumlten die keine eigenen Redebeitraumlge sind und auch nonverbal realisiert werden koumlnnen sind wichtig fuumlr den Sprecher da sie ihm zeigen ob sein Gegenuumlber versteht und akzeptiert und wie er emotional Anteil nimmt

Mit deiktischen Formulierungen (vermutlich in Verbindung mit Zeigegesten in Blickrichtung der Sprecherin) wird auf in Rede stehende Gegenstaumlnde verwiesen bdquoGuck dir den Busch mal anldquo [106] bdquoIch meine engere Wahl is derldquo [110] Da diese Aussagen ohne optische Zu-satzinformationen nicht interpretierbar sind kann der Transkriptleser nicht nachvollziehen welche Pflanzen gemeint sind

Die Aumluszligerung bdquoIm Topf und im Schattenldquo [92] stellt eine Ellipse dar die nur verstaumlndlich ist weil die Sprecherin bei der Satzkonstruktion auf ihre Vorrednerin Bezug nimmt Diese hatte den Verkaumlufer gefragt welche Pflanzen er empfehlen koumlnne hinsichtlich Pflegeleichtigkeit bdquoim im Topfldquo [92] Daran kann die Sprecherin anknuumlpfen ohne selbst einen vollstaumlndigen Satz bilden zu muumlssen

Abbruumlche wie bdquoDa man sie nichtldquo [93] (ohne Fortsetzung) oder bdquoNee es is es is Drei Stun-den is Sonneldquo [93] (mit Fortsetzung) sind als Formulierungsverfahren genauso normal wie Korrekturen bdquoan sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [105]

Die genannten Erscheinungen sind insgesamt Beispiele fuumlr typische Merkmale des Muumlndli-chen und in ihrer Abweichung von der Schriftsprache nicht als negativ zu bewerten Sie sind kontextspezifische Anpassungen an die Gespraumlchssituation und in der Regel funktional

32 Fragegeleitete Transkriptanalyse

Im Rahmen der (hier nicht wiedergegebenen) Sequenzanalyse (= Schritt-fuumlr-Schritt-Analyse) des Gespraumlchsausschnitts wurden die sprachlichen Handlungen bestimmt und Auffaumllligkeiten auf den verschiedenen Ebenen bzw Dimensionen des Gespraumlchs (s Bruumlnner idBd Sxxx) festgestellt Auf dieser Grundlage wurden die im Folgenden behandelten Analysefragen ent-wickelt

Welche kommunikativen Aufgaben bearbeiten die Gespraumlchsteilnehmer

Die Sequenzanalyse legt nahe den Gespraumlchsabschnitt in fuumlnf Phasen aufzuteilen in denen die Gespraumlchsteilnehmer unterschiedliche kommunikative Aufgaben bearbeiten Kundin 1 wuumlnscht eine persoumlnliche Empfehlung des Verkaumlufers (Phase 1 89-93) der aber korrigiert zunaumlchst die Fehleinschaumltzung der Wachstumsbedingungen am Standort durch die Kundin (Phase 2 93-100) Nachdem die Kundin den Verkaumlufer noch einmal um eine persoumlnliche

Bruumlnner_Weber_12 13

Empfehlung gebeten hat lehnt dieser das ab und gibt stattdessen Wareninformationen (Pha-se 3 100-106) Auf einen Wareneinwand den Kundin 1 aumluszligert geht der Verkaumlufer nur kurz ein (Phase 4 106-110) Als Kundin 2 die Zahl der fuumlr sie in Frage kommenden Pflanzen auf zwei eingrenzt gibt der Verkaumlufer diesbezuumlgliche Wareninformationen (Phase 5 110 ff)

Abb 3 Kommunikative Aufgaben im Gespraumlchsabschnitt

Handlungsstruktur

Phase 1 3 und 5 stehen miteinander in Beziehung und bilden den Haupthandlungsstrang der durch zwei Einschuumlbe (Phase 2 und 4) (schattiert dargestellt) unterbrochen ist Der Ge-spraumlchsabschnitt zeigt also einen geschachtelten Aufbau In die Bemuumlhungen der Kundin 1 zu einer Kaufentscheidung zu finden sind sowohl die Intervention des Verkaumlufers (Begriffs-zuschreibung bdquoHalbschattenldquo) als auch der Kundeneinwand (Unattraktivitaumlt der abgebluumlhten Pflanze) eingebettet Es stoszligen unterschiedliche Gespraumlchsanliegen aufeinander sie koumlnnen aber verknuumlpft werden weil die Gespraumlchspartner zum Teil kooperativ aufeinander eingehen Die Kundin laumlsst sich belehren sie nimmt das Informationsangebot des Verkaumlufers an dieser wiederum akzeptiert den Einwand

Da in der Gespraumlchssequenz verschiedene kommunikative Aufgaben ineinander verflochten sind ist die Situation vielschichtig und mit erhoumlhten Anforderungen an die Reaktionsfaumlhigkeit des Verkaumlufers verbunden Er muss in rascher Folge unterschiedliche Handlungsmuster rea-lisieren Informieren Korrigieren Erklaumlren Argumentieren Einwand behandeln Bei der Dar-stellung des Aufbaus von Verkaufsgespraumlchen in den Verkaufskunde-Schulbuumlchern wird meist der Eindruck erweckt dass Phasen deutlich getrennt aufeinander folgen und von den Gespraumlchspartnern der Reihe nach abgearbeitet werden Die Wirklichkeit stellt sich aber in der Regel komplexer dar

Welche Maszlignahmen zur Gespraumlchsorganisation und Kooperation fuumlhren die Ge-spraumlchsteilnehmer durch

Bruumlnner_Weber_12 14

Abb 4 Themensteuerung im Gespraumlchsschritt

Themensteuerung Zentraler Gegenstand des Gespraumlchsausschnitts ist die Kaufentschei-dung der Kundin 1 In Phase 1 fuumlhrt sie als Thema 1 ihren Wunsch nach einer persoumlnlichen Kaufempfehlung durch den Verkaumlufer hinsichtlich der in Frage kommenden Pflanzen ein Sie bringt ihr Anliegen in Frageform vor bdquoUnd welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmenldquo [91] Die Reaktion des Verkaumlufers in Phase 2 ist aber nicht responsiv denn er kommt der Aufforderung der Kundin die eine spezifische Folgehandlung erwartbar macht nicht nach Er wird stattdessen selber initiativ wenn er unvermittelt Thema 2 (Standorteinschaumltzung) ein-fuumlhrt

In Phase 3 kehrt Kundin 1 zuruumlck zu Thema 1 sie insistiert auf einer Empfehlung worauf der Verkaumlufer teilresponsiv antwortet Er bietet als Ersatz fuumlr eine Empfehlung eine Sachinforma-tion und Metakommunikation Das heiszligt er verhaumllt sich nicht voumlllig unkooperativ aber auch nicht so wie die Kundin es erwartet hat

Ohne Uumlbergang fuumlhrt Kundin 1 in Phase 4 Thema 3 neu ein sie erhebt vehement einen Ein-wand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie verbluumlht ist Die Vermutung liegt nahe dass diese Aumluszligerung nicht eine Nebense-quenz ist sondern als Ausgrenzung nicht in Frage kommender Ware einen Schritt bei der Entscheidungsfindung der Kundin darstellt Der Verkaumlufer verhaumllt sich responsiv und akzep-tiert den Einwand In Phase 5 kehrt Kundin 2 zuruumlck zu Thema 1 grenzt von sich aus die Warenauswahl ein und gibt so dem Verkaumlufer die Moumlglichkeit darauf mit zusaumltzlichen Wa-reninformationen einzugehen (ohne einen Ratschlag geben zu muumlssen)

Bei der Themensteuerung ist also vor allem Kundin 1 initiativ in geringerem Maszlige aber auch der Verkaumlufer Kundin 2 spielt hier eine untergeordnete Rolle

Bruumlnner_Weber_12 15

Sprecherwechsel Da in einem Verkaufsgespraumlch keine besonderen Regeln zur Rederechts-verteilung zu beachten sind koumlnnen sich hier die Gespraumlchspartner gleichberechtigt am Ge-spraumlch beteiligen Meistens melden sie sich mittels Selbstwahl zu Wort [Kundin 89 Verkaumlu-fer 89 uouml] aber auch nach Fremdwahl wenn sie zum Beispiel auf Fragen reagieren [Ver-kaumlufer 100]

Die Wechsel von einem zum anderen Sprecher sind meistens glatt Sogar bei einem abrup-ten Themenwechsel wartet Kundin 1 geduldig den Uumlbernahmepunkt (Satzende) ab [106] Kleine Uumlberlappungen gibt es zwar sie sind aber nicht Ausdruck von Aumlrger und Konfrontati-on sondern von eifriger Zustimmung und engagierter Gespraumlchsbeteiligung [Verkaumlufer ndash Kundin 2 90 Verkaumlufer ndash Kundin 1 91 uouml] Auch bei anderen Parallelsprechphasen zeigt sich eher kooperatives Uumlberlappen das heiszligt die Turnuumlbernahme wird nicht beansprucht [stuumltzende Kommentare zu den Aussagen des Verkaumlufers durch Kundin 1 99 102 Kundin 2 101] In [110] setzt Kundin 2 allerdings ihren Beitrag durch obwohl der Verkaumlufer auf Kundin 1 antworten wollte Houmlreraktivitaumlten (Rezeptionspartikeln haumlufig bdquojaldquoaber auch bdquohmldquo 107 bdquogenauldquo 97-100) erscheinen meist passgenau nach Sinnabschnitten und als Reaktion auf Ruumlckversicherungssignale (zB bdquojaldquo ndash bdquojaldquo 102 104) All das deutet darauf hin dass die Sprecher sich gut verstehen

Gleichzeitiges Sprechen ist nur an einer Stelle auffaumlllig In [95] beginnt der Verkaumlufer zu re-den weil er glaubt Kundin 1 habe ihren Beitrag beendet Kundin 1 spricht aber weiter wor-aufhin der Verkaumlufer zuruumlckzieht Seine Turnuumlbernahme ist also aufgrund eines Irrtums ge-scheitert Da er aber kurz darauf zu Wort kommt stellt diese Situation kein Problem fuumlr das Gespraumlch dar Unterbrechungen bei denen sich die Sprecher gegenseitig das Rederecht streitig machen oder laumlngere Pausen als Anzeichen fuumlr Dissens kommen nicht vor Insge-samt zeigt sich der Gespraumlchsausschnitt unter diesem Aspekt als dynamische aber geord-nete und konfliktfreie Phase

Kooperativitaumlt Alle drei Gespraumlchsteilnehmer erfuumlllen grundsaumltzliche kommunikative Ver-pflichtungen (Folgeerwartungen) wenn sie zum Beispiel Fragen beantworten und Bitten er-fuumlllen oder begruumlndet zuruumlckweisen Sie schaffen mit dieser Bereitschaft zur Kooperation die Voraussetzung dass das Gespraumlch uumlberhaupt funktionieren kann Es faumlllt aber auf dass Kundin 2 hier noch weiter geht als der Verkaumlufer und Kundin 1 die mit ihren zum Teil wider-streitenden Interessen vor allem die thematische Entwicklung des Gespraumlchsabschnitts be-einflussen Kundin 2 unterstuumltzt Kundin 1 wenn sie deren Empfehlungswunsch ergaumlnzt bdquoVon der Pflege im im Topfldquo [92] und die Abwertung der Ware unterstreicht bdquoJaacute jagrave dann is nich mehr viel neldquo [106] Sie unterstuumltzt aber auch den Verkaumlufer dessen Ausfuumlhrungen sie haumlufig mit zustimmenden Houmlrerreaktionen wie bdquogenauldquo bdquojaldquo und bdquohmldquo versieht Bei der Beur-teilung der Lichtverhaumlltnisse am Standort uumlbernimmt sie die Deutung des Verkaumlufers Und schlieszliglich greift sie das von Kundin 1 initiierte und vom Verkaumlufer fortgesetzte Spiel mit der Vorstellung sich in eine Pflanze zu versetzen auf bdquoIch kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht so viel Sonne habenldquo [99]

Dass der Verkaumlufer Kundin 1 eine persoumlnliche Empfehlung verweigert ist ungewoumlhnlich Er verstoumlszligt damit gegen die Maxime der Kooperativitaumlt in der Interaktion (gibt bzw sagt dem Kunden nicht das was er haben beziehungsweise houmlren will) Moumlglicherweise bestimmen Uumlberlegungen sein Verhalten die in einem Verkaufskundebuch so formuliert werden bdquoAch-

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 5

schneiden in der Lautstaumlrke veraumlndern und durch das Einfuumlgen von Signaltoumlnen anonymisie-ren Ausfuumlhrliche Informationen zu Hard- und Software die in der Gespraumlchsforschung Ver-wendung finden bietet das IDS unter httpgaisids-mannheimdetechnikhtml

22 Wie kann man Gespraumlche transkribieren

Transkribieren heiszligt verbale (und ergaumlnzend uU auch intonatorische und nonverbale) Phauml-nomene aufgenommener Gespraumlche so originalgetreu wie moumlglich ndash dh objektiv registrie-rend nicht interpretierend ndash zu notieren In sogenannter bdquoliterarischer Umschriftldquo koumlnnen arti-kulatorische Besonderheiten der Aussprache (zB dialektale Faumlrbung) wiedergegeben wer-den Besonderheiten muumlndlicher Kommunikation werden nicht geglaumlttet und nicht den gram-matischen Normen angepasst Zweck und Nutzen dieser Arbeit ist es eine schriftliche Grundlage fuumlr die detaillierte Untersuchung von Gespraumlchen zu schaffen Das genaue Abhouml-ren und Transkribieren einer Aufnahme vermittelt ndash gerade fuumlr Anfaumlnger ndash oft schon gute Einblicke in Eigenschaften der gesprochenen Sprache und in das Gespraumlchsverhalten

Transkripte dokumentieren die sprachlich-kommunikative Praxis Sie wirken wie ein Mikro-skop oder eine Zeitlupe und machen viele Phaumlnomene erst fuumlr die Analye zugaumlnglich Sie bewahren die genauen Formen des Gesprochenen schaffen Distanz und erleichtern so er-heblich die genaue Analyse von Gespraumlchen Transkripte lassen sich auch als effiziente Lehr- und Lernmittel einsetzen (FiehlerSchmitt 2004 Becker-MrotzekBruumlnner 2006) Transkripte sind Erkenntnismittel fuumlr kommunikative Strukturen und sprachliche Mittel Sie tragen bei zur Sensibilisierung fuumlr Sprache im Allgemeinen und Gespraumlchsprozesse im Be-sonderen unterstuumltzen eine kritische (Selbst-)Reflexion und stellen eine Ressource sprach-lich-kommunikativer Verfahren dar die zur Loumlsung kommunikativer Aufgaben und Probleme in Gespraumlchen eingesetzt werden koumlnnen

Es gibt verschiedene Transkriptionssysteme d h normierte Verfahren zur Darstellung ge-sprochener Sprache (s dazu Bruumlnner idBd EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online) Die im deutschen Sprachraum am haumlufigsten benutzten Systeme HIAT (Halbin-terpretative Arbeitstranskriptionen) und GAT (Gespraumlchsanalytisches Transkriptionssystem) bedienen sich entweder der Partitur- (HIAT) oder der Zeilenschreibweise (GAT) Bei der Par-titurschreibweise die im folgenden Beispiel bdquoGlanzmispelldquo zur Anwendung kommt werden die gleichzeitigen Kommunikationsereignisse in untereinander angeordneten Zeilen notiert Das ermoumlglicht eine uumlbersichtliche Darstellung von Sprecherwechseln und Phasen parallelen Sprechens Bei der Transkription sollte man sich an den existierenden Transkriptionskonven-tionen orientieren die die Umsetzung muumlndlicher Sprache in Schrift regeln (s Abb 2)

Liegt die Gespraumlchsaufnahme als Datei vor leisten spezialisierte Player fuumlr die Transkripti-onsarbeit gute Dienste zB Ton und Text (wwwton-und-textde) oder f4 (wwwaudiotranskriptionde)

Bruumlnner_Weber_12 6

Abb 2 Die wichtigsten Transkriptionskonventionen nach HIAT

Die erste Transkriptionssoftware HIAT-DOS (wwwehlich-berlindeHIATHIAThtm) ist auch heute noch auf Windows-PCs verwendbar und erzeugt durch Partiturklammern gekenn-zeichnete Flaumlchen mit mehreren Zeilen fuumlr Sprecher verbale Daten intonatorische Daten nonverbale Kommunikation und Kommentare Die neue Transkriptionssoftware EXMARaLDA (wwwexmaraldaorg) ist zugleich Transkriptionseditor Datenverwaltungs- und Analysepro-gramm Transkriptionen koumlnnen in gaumlngige Praumlsentationsformate (RTF HTML PDF) uumlber-fuumlhrt und gemaumlszlig den verschiedenen Transkriptionssystemen (HIAT GAT ua) ausgegeben werden

23 Transkriptausschnitt bdquoGlanzmispelldquo

Das folgende Transkript gibt einen kurzen Ausschnitt (152 min) eines Verkaufsgespraumlchs in einem Gartencenter wieder (Download der Tonaufnahme unter httphomeedouni-dortmundde~bruennerPublikationenhtml) Das Gespraumlch wurde von dem Verkaumlufer mithil-fe eines MiniDisc-Rekorders und eines Krawattenmikrofons aufgenommen Das Transkript wurde mit EXMARaLDA gemaumlszlig den HIAT-Konventionen erstellt

Bruumlnner_Weber_12 7

Situation Die beiden aumllteren Kundinnen hatten im Selbstbedienungsbereich des Gartencen-ters Kuumlbelpflanzen selbstaumlndig (vor-)ausgewaumlhlt und dann den Verkaumlufer gebeten deren Eigenschaften zu beschreiben Daraufhin stellt der Verkaumlufer die Vorzuumlge der Pflanzen dar und gibt Pflegehinweise

[89]

V kupferfarben Son bisgen Ja das is erstK i n 2 Ja Ja So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen alles [90]

V mal die Sache erst mal aumlh sagen wer mal Ja das K i n 1 Ja und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabei [91]

V waumlr jetzt wieder en anderer Charakter K i n 1 Und welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmen Sagen wer mal jetzt nicht aumlh von der [92]

K i n 1 von der erst mal von der Pf aumlh Pflegeleichtigkeit Also und Im Topf und im Schatten K i n 2 Von der Pflege im im Topf Da man [93]

V Es is ja kein Schatten Halbschatten Kin1 Ja doch Es is aber Drei Stunden K i n 2 sie nicht Nee es is es is Drei Stunden is Sonne [94]

K i n 1 Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanze Stellen Se mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am [95]

V Nein Sie muumlssen Nee nee D das Nee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie K i n 1 Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primel [96]

V andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den ganzen Tag in der Sonne schmoren [97]

V im Kuumlbel Ja Sehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist Kin1 Ja das is natuumlrlich auch nich (so gut) Kin2 Genau [98]

V nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden gefroren is und Kin2 Ja genau Genau Ja [99]

V die Sonne knallt auf die Pflanze Sehen Sie Kin1 ((putzt sich die Nase)) () (wird alles) () () Ja ja ich weiszlig Kin2 Ich kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht

Bruumlnner_Weber_12 8

[100] V Das ist fuumlr die Pflanze viel ausgeglichener Also so gesehen Ah die Frage K i n 1 ((lacht)) Na gut Also welche wuumlrden Sie dann nehmen Kin2 so viel Sonne haben Genau Ja [101]

V natuumlrlich Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks Das beantworte ich auch nie direkt K i n 1 Ja Kin2 Das is jetzt natuumlrlich () [102]

V Wenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hier Kin1 Koumlnnen Se aber doch Ja was is am robustesten Das waumlr ne Kin2 Nee Ja [103]

V Aumlhm Jaha ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer K i n 1 gute das is ne gute Frage Ja [104]

V So mal zu sagen hundert aumlh hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm K i n 1 Ja [105]

V dieser Kletterjasmin aumlhm der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Ja an sich die die aumlhm aumlhm der K i n 2 Ja [106]

V Berglorbeer auch K i n 1 Guck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Kin2 Ja ja dann is nich mehr viel ne [107]

V Das is das K i n 1 Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die geht jetzt auf Drei Wochen und weg is se K i n 2 Hm Hm [108]

V Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auch K i n 1 Deshalb nehm ich Ich nehm zum Beispiel auch Kin2 Ja [109]

Kin1 Stauden Das is das gleiche von Stauden Die bluumlhen drei Wochen man hat viel Arbeit damit Ich pflanz mir Kin2 Jaha [110]

V Das is eine () Kin1 lieber Sommerblumen da hab ich den ganzen Sommer was Kin2 So Ich Meine engere Wahl is der oder die [111]

V Aha Ja dann haben Sie hier Das sind zwei verschiedene Charaktere Das is Kin1 Das waumlre auch (gut) K i n 2 Glanzmispel [112]

V schon mal en Fortschritt Aumlhm Hier is es so das etwas Verspielte und Bluumlhende K i n 1 Ja wir kommenschon naumlher Kin2 Ja Ja

Bruumlnner_Weber_12 9

[113] V trotzdem farblich Akzentuierte mit Herbstfaumlrbung Versehene Ja Und da oben das auch aumlhm sagen wer K i n 2 Ja Ja [114]

V etwas Akkuratere Formalere Kin1 Deshalb wuumlrd ich jetz kein Hoch Wenn ich bei ner Glanzmispel wenn ich ne Kin2 Ja Sie is Kein [115]

V Das is K i n 1 Glanz wuumlrd ich kein Hochbaumlumchen nehmen Ich wuumlrde nen Busch nehmen Kin2 Hochbaumlumchen Die Buschen sind aber

24 Wie kann man Gespraumlche analysieren

An Transkripten lassen sich strukturelle und funktionale Besonderheiten muumlndlicher Kommu-nikation herausarbeiten zB Was sind die Zwecke bestimmter Gespraumlche oder Handlungs-muster Erfuumlllen diese hier ihre Funktionen Welche einzelnen kommunikativen Aufgaben stellen sich den Beteiligten Wie bearbeiten sie diese und mit welchem Erfolg Welche Prob-leme entstehen dabei Mit welchen Konsequenzen Welche Loumlsungsversuche unternehmen die Beteiligten und wie gelingen diese Methoden der Arbeit mit Transkripten und leitende Fragestellungen sind in Bruumlnner (idBd) dargestellt Fuumlr Unterrichtszwecke besonders ge-eignet sind ndash als primaumlr analytische Zugaumlnge ndash die Einzelfallanalyse und die fragegeleitete Transkriptanalyse

Bei der Einzelfallanalyse wird die Entwicklung des Gespraumlchs sequenziell von seinem Beginn bis zu seinem Ende Aumluszligerung fuumlr Aumluszligerung Einheit fuumlr Einheit nachgezeichnet Fuumlr jede Aumluszligerung wird eine inhaltliche Paraphrase gegeben und bestimmt wie sie das Gespraumlch thematisch fortfuumlhrt was fuumlr eine Handlung mit ihr vollzogen wird welche Funktion(en) sie an dieser Stelle des Gespraumlchs hat und welche (grammatischen stilistischen prosodischen usw) Besonderheiten die Form der Aumluszligerung uU aufweist Auf diese Weise koumlnnen die Gliederung die wesentlichen Themen und Handlungseinheiten des Gespraumlchs rekonstruiert werden und es lassen sich aus den im Datenmaterial beobachteten Auffaumllligkeiten heraus Analysefragen entwickeln

Bei der fragegeleiteten Transkriptanalyse (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) orientiert man sich an bereits vorformulierten Fragestellungen und richtet einen entsprechenden Fokus auf be-stimmte Transkriptstellen Phaumlnomene oder Problemlagen im Transkript (zB Wie gestalten Verkaumlufer und Kunde ihre Beziehung oder Wie wird mit Einwaumlnden des Kunden umgegan-gen oder Wie werden Scherzen und Lachen fuumlr die Bearbeitung von Gespraumlchsproblemen eingesetzt) Es werden fuumlr die Leitfrage relevante Belegstellen gesucht detailliert analysiert und in Beziehung zueinander gesetzt oder es werden unterschiedliche Beispiele fuumlr ein Phaumlnomen gesammelt verglichen und nach verschiedenen Faumlllen typisiert Dabei ist die Ar-beit mit mehreren Transkripten von Vorteil weil sie Kontrastierungen und Verallgemeinerun-gen uumlber den Einzelfall hinaus erlaubt

Anwendungsbezogene Fragestellungen lassen sich anschlieszligen indem zB Kommunikati-onsprobleme identifiziert und in ihren Konsequenzen beschrieben werden indem Loumlsungs-versuche der Beteiligten im Gespraumlch rekonstruiert in ihren Auswirkungen Vor- und Nachtei-

Bruumlnner_Weber_12 10

len bewertet und auch alternative Loumlsungsmoumlglichkeiten diskutiert werden Solche alternati-ven Loumlsungen kann man Schuumller im Nachspielen des Gespraumlchs konkret ausprobieren las-sen und dabei beobachten wie sich das Gespraumlch dann entwickelt Auf diesem Wege lassen sich auch Handlungsempfehlungen fuumlr Gespraumlche bzw bestimmte Gespraumlchstypen oder ndashsituationen ableiten

Ein primaumlr handelnder Zugang der sich in Ergaumlnzung zu den analytischen Methoden sinnvoll einsetzen laumlsst ist die Simulation authentischer Faumllle (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) Es handelt sich um eine besondere Art des Rollenspiels bei der die Rollen und Handlungsbe-dingungen nach der Vorlage eines authentischen Gespraumlchs vorgegeben werden so dass die Gefahr von unrealistischen bdquoTheater-Effektenldquo reduziert wird Die Schuumller versuchen die gemeinsam erarbeiteten Handlungsempfehlungen in der Simulation authentischer Faumllle prak-tisch umzusetzen und auszuprobieren und erfahren dabei die in einer konkreten Interaktion mit ihnen verbundenen Chancen und Schwierigkeiten Sie koumlnnen ihre Versuche aufzeich-nen und anschlieszligend mit den im zugrunde liegenden authentischen Gespraumlch vorkommen-den kommunikativen Handlungsweisen vergleichen sie kontrastiv diskutieren bewerten usw Hier zeigt sich dann dass es in der Regel nicht nur die eine optimale Form gibt die immer passt und die rezeptartig gelernt werden kann Interaktion bedeutet vielmehr flexibles Han-deln das sich nicht nur an den eigenen Zielen und Moumlglichkeiten sondern auch am Handeln des Gespraumlchspartners orientieren muss

Wie sich mit Transkripten im Unterricht arbeiten laumlsst demonstrieren die Unterrichtsreihen Becker-MrotzekBruumlnner (2002) und (2006) FiehlerSchmitt (2004) geben eine methodisch gut nutzbare Analyse eines Anrufs bei einem Bauunternehmen sie zeigen an diesem Bei-spiel wie sich die in der Wirtschaft oft beschworene Kundenorientierung im konkreten Ge-spraumlchsverhalten zeigt ndash bzw eben nicht zeigt

Eine Reduktion der Komplexitaumlt von Gespraumlchen kann fuumlr den Unterricht manchmal nuumltzlich oder notwendig sein Dann bietet sich an bestimmte wiederkehrende Gespraumlchsaufgaben oder Elemente aus den Gespraumlchen fuumlr die Analyse auszuwaumlhlen Dazu gehoumlren sprachliche Handlungsmuster dh standardisierte Ablaufformen zur Verwirklichung bestimmter gesell-schaftlicher Zwecke (EhlichRehbein 1986) wie zB Frage-Antwort Auskunft einho-lengeben Anliegen vorbringenexplorieren Erklaumlren (der Funktionsweise eines Geraumltes des Sinns einer Maszlignahme) Begruumlnden Anleiten oder Rat suchengeben (zum Handlungsmus-ter Einwand behandeln su) Sprachliche Handlungsmuster sehen bestimmte (mentale und sprachliche) Handlungen in einer bestimmten sequenziellen Abfolge und Verteilung auf die Interaktanten vor sie stellen eine Art inneres Drehbuch fuumlr die Gespraumlchsteilnehmer dar und beinhalten bestimmte Erwartungen an ihr sprachliches Handeln

3 Beispielanalyse des Verkaufsgespraumlchs bdquoGlanzmispelldquo

Der folgende Abschnitt gibt mit der Analyse des Transkripts bdquoGlanzmispelldquo ein Beispiel dafuumlr wie Gespraumlche mit den Mitteln der Gespraumlchsforschung in einer Form untersucht werden koumlnnen die auch im Unterricht praktikabel ist

Verkaufsgespraumlche bieten sich als Untersuchungsgegenstand an weil es sich um einen gut bekannten und zugleich gesellschaftlich und beruflich bedeutsamen Gespraumlchstyp handelt der in vielen Variationen existiert (face-to-face oder am Telefon unter Nutzung von Ge-

Bruumlnner_Weber_12 11

spraumlchsleitfaumlden differierende Produkte usw) und oft unterschiedliche Muster umfasst (zB Argumentieren Beraten Praumlsentieren Erklaumlren Einwandbehandlung) Das im Folgenden verwendete Beispiel stellt somit einerseits Besonderheiten beruflicher Kommunikation vor andererseits beruumlcksichtigt es die Erfahrungswelt der Schuumllerinnen und Schuumller (als Kunden oder auch schon als junge Verkaumlufer)

31 Welche Merkmale von Muumlndlichkeit weist der Gespraumlchsausschnitt auf

Bevor im Rahmen der fragegeleiteten Transkriptanalyse der Individualitaumlt des Ge-spraumlchsausschnitts Rechnung getragen wird dient er zunaumlchst als Beispiel an dem sich vie-le Merkmale von Muumlndlichkeit aufzeigen lassen (ausfuumlhrlich dazu Fiehler 2005) Schon in den ersten Aumluszligerungen sind eine Reihe von Auffaumllligkeiten in Formulierung und Satzbau festzustellen die typisch fuumlr muumlndliche Kommunikation sind Die Ziffern verweisen auf die Partiturflaumlchen des Transkripts Die genaue Betrachtung soll Schuumller auf die Besonderheiten gesprochener Sprache aufmerksam machen und fuumlr die Unterschiede zur Schriftsprache sensibilisieren

bdquoJā So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen allesldquo [89] Die Sprecherin leitet ihre Aumluszligerung mit den Partikeln bdquojaldquo und bdquosoldquo ein die hier eine Gliederungsfunktion uuml-bernehmen Sie macht kurze Pausen und produziert einen Abbruch was beides auf Pla-nungsprobleme bei der Formulierung hinweist Durch Wiederholung des betonten bdquoallesldquo macht sie deutlich dass fuumlr sie die vorangegangene Informationsvermittlung durch den Ver-kaumlufer abgeschlossen ist bdquoJagrave das is erst mal die Sache erst mal aumlh sagen wer malldquo [89f] Die Emphase der Kundin beantwortet der Verkaumlufer seinerseits mit einer Wiederholung Mit seinem zweifachen bdquoerst malldquo verstaumlrkt durch die abschlieszligende Redewendung bdquosagen wer malldquo zeigt er dass er die Wissensvermittlung und Warenpraumlsentation noch ausdehnen koumlnn-te Auch Kundin 1 unterstreicht die Bedeutung ihres Beitrags in besonderer Weise Sie pro-duziert eine reformulierende Erweiterung im Nachsatz bdquoJagrave und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabeildquo [90] Woraufhin der Verkaumlufer seine eher ab-schwaumlchende Zustimmung durch die Verwendung des Konjunktivs und der Fuumlllwoumlrter bdquojetztldquo und bdquowiederldquo ausdruumlckt bdquoJagrave das waumlr jetzt wieder en anderer Charakterldquo [90]

All dies sind Mittel mit denen die Sprecher spontan deutlich machen wie sie ihre Aumluszligerun-gen verstanden wissen wollen In den folgenden Partiturflaumlchen finden sich weitere Merkmale gesprochener Sprache in den Bereichen Lautlichkeit Lexik und Syntax Typisch fuumlr muumlndli-che Alltagskommunikation sind umgangssprachliche Abweichungen von der Standardlau-tung wie sie an den folgenden und vielen anderen Stellen zu beobachten sind bdquoWuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [95] (Abschwaumlchung des bdquoSieldquo zu bdquoSeldquo Wegfall des Vokals bdquoeldquo in der Endsilbe bei bdquoeingehnldquo Wegfall des Diphthongs bdquoeildquo beim unbestimmten Artikel) bdquodas isldquo [89] (Wegfall des auslautenden Konsonanten bdquotldquo) bdquoJetzt ham werldquo [89] (Assimilation bei bdquohamldquo Abschwaumlchung bei bdquowerldquo) bdquowenn Ses so betrachtenldquo (Verschmelzung von bdquoSieldquo und bdquoesldquo) An einer Stelle faumlllt auch als besondere Lautform eine regional gefaumlrbte Aussprache auf bdquoSon bisgenldquo [89]

Weitere Merkmale von Muumlndlichkeit im Transkript sind Verzoumlgerungspartikeln bdquoaumlhldquo [91] bdquoaumlhmldquo [103] unwillkuumlrliche Wiederholungen bdquoim im Topfldquo [92] Ruumlckversicherungspartikeln bdquojaldquo [102] bdquoneldquo [106] und paralinguale (dh sprachbegleitende stimmliche) Phaumlnomene

Bruumlnner_Weber_12 12

zB ((lacht)) [103] Die Bedeutung der Partikeln bdquojaldquo und bdquoneeldquo haumlngt von der Art der Aus-sprache (Intonation = Tonhoumlhenverlauf) ab Ist die Intonation steigend werden sie als Frage verwendet ist sie das nicht druumlcken sie Zustimmung bzw Ablehnung aus Um diese Unter-schiede deutlich zu machen koumlnnen Satzzeichen (Punkt Frage- oder Ausrufezeichen) oder Striche uumlber dem Wort (rechts- bzw linksseitiger Schraumlgstrich) verwendet werden

Mit Kurzkommentaren wie bdquoGenauldquo [97] und den Interjektionen bdquoJaldquo [100] und bdquoHmldquo [107] zeigt vor allem Kundin 2 dass sie aufmerksam zuhoumlrt Da bdquohmldquo sehr unterschiedlich gemeint sein kann ist es hier besonders wichtig die Intonation zu notieren (Bedeutungen fallend bdquodas ist ja merkwuumlrdigldquo steigend bdquowieso das dennldquo fallend-steigend bdquoeinverstandenldquo gleichbleibend bdquovielleicht aberldquo) Solche Houmlreraktivitaumlten die keine eigenen Redebeitraumlge sind und auch nonverbal realisiert werden koumlnnen sind wichtig fuumlr den Sprecher da sie ihm zeigen ob sein Gegenuumlber versteht und akzeptiert und wie er emotional Anteil nimmt

Mit deiktischen Formulierungen (vermutlich in Verbindung mit Zeigegesten in Blickrichtung der Sprecherin) wird auf in Rede stehende Gegenstaumlnde verwiesen bdquoGuck dir den Busch mal anldquo [106] bdquoIch meine engere Wahl is derldquo [110] Da diese Aussagen ohne optische Zu-satzinformationen nicht interpretierbar sind kann der Transkriptleser nicht nachvollziehen welche Pflanzen gemeint sind

Die Aumluszligerung bdquoIm Topf und im Schattenldquo [92] stellt eine Ellipse dar die nur verstaumlndlich ist weil die Sprecherin bei der Satzkonstruktion auf ihre Vorrednerin Bezug nimmt Diese hatte den Verkaumlufer gefragt welche Pflanzen er empfehlen koumlnne hinsichtlich Pflegeleichtigkeit bdquoim im Topfldquo [92] Daran kann die Sprecherin anknuumlpfen ohne selbst einen vollstaumlndigen Satz bilden zu muumlssen

Abbruumlche wie bdquoDa man sie nichtldquo [93] (ohne Fortsetzung) oder bdquoNee es is es is Drei Stun-den is Sonneldquo [93] (mit Fortsetzung) sind als Formulierungsverfahren genauso normal wie Korrekturen bdquoan sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [105]

Die genannten Erscheinungen sind insgesamt Beispiele fuumlr typische Merkmale des Muumlndli-chen und in ihrer Abweichung von der Schriftsprache nicht als negativ zu bewerten Sie sind kontextspezifische Anpassungen an die Gespraumlchssituation und in der Regel funktional

32 Fragegeleitete Transkriptanalyse

Im Rahmen der (hier nicht wiedergegebenen) Sequenzanalyse (= Schritt-fuumlr-Schritt-Analyse) des Gespraumlchsausschnitts wurden die sprachlichen Handlungen bestimmt und Auffaumllligkeiten auf den verschiedenen Ebenen bzw Dimensionen des Gespraumlchs (s Bruumlnner idBd Sxxx) festgestellt Auf dieser Grundlage wurden die im Folgenden behandelten Analysefragen ent-wickelt

Welche kommunikativen Aufgaben bearbeiten die Gespraumlchsteilnehmer

Die Sequenzanalyse legt nahe den Gespraumlchsabschnitt in fuumlnf Phasen aufzuteilen in denen die Gespraumlchsteilnehmer unterschiedliche kommunikative Aufgaben bearbeiten Kundin 1 wuumlnscht eine persoumlnliche Empfehlung des Verkaumlufers (Phase 1 89-93) der aber korrigiert zunaumlchst die Fehleinschaumltzung der Wachstumsbedingungen am Standort durch die Kundin (Phase 2 93-100) Nachdem die Kundin den Verkaumlufer noch einmal um eine persoumlnliche

Bruumlnner_Weber_12 13

Empfehlung gebeten hat lehnt dieser das ab und gibt stattdessen Wareninformationen (Pha-se 3 100-106) Auf einen Wareneinwand den Kundin 1 aumluszligert geht der Verkaumlufer nur kurz ein (Phase 4 106-110) Als Kundin 2 die Zahl der fuumlr sie in Frage kommenden Pflanzen auf zwei eingrenzt gibt der Verkaumlufer diesbezuumlgliche Wareninformationen (Phase 5 110 ff)

Abb 3 Kommunikative Aufgaben im Gespraumlchsabschnitt

Handlungsstruktur

Phase 1 3 und 5 stehen miteinander in Beziehung und bilden den Haupthandlungsstrang der durch zwei Einschuumlbe (Phase 2 und 4) (schattiert dargestellt) unterbrochen ist Der Ge-spraumlchsabschnitt zeigt also einen geschachtelten Aufbau In die Bemuumlhungen der Kundin 1 zu einer Kaufentscheidung zu finden sind sowohl die Intervention des Verkaumlufers (Begriffs-zuschreibung bdquoHalbschattenldquo) als auch der Kundeneinwand (Unattraktivitaumlt der abgebluumlhten Pflanze) eingebettet Es stoszligen unterschiedliche Gespraumlchsanliegen aufeinander sie koumlnnen aber verknuumlpft werden weil die Gespraumlchspartner zum Teil kooperativ aufeinander eingehen Die Kundin laumlsst sich belehren sie nimmt das Informationsangebot des Verkaumlufers an dieser wiederum akzeptiert den Einwand

Da in der Gespraumlchssequenz verschiedene kommunikative Aufgaben ineinander verflochten sind ist die Situation vielschichtig und mit erhoumlhten Anforderungen an die Reaktionsfaumlhigkeit des Verkaumlufers verbunden Er muss in rascher Folge unterschiedliche Handlungsmuster rea-lisieren Informieren Korrigieren Erklaumlren Argumentieren Einwand behandeln Bei der Dar-stellung des Aufbaus von Verkaufsgespraumlchen in den Verkaufskunde-Schulbuumlchern wird meist der Eindruck erweckt dass Phasen deutlich getrennt aufeinander folgen und von den Gespraumlchspartnern der Reihe nach abgearbeitet werden Die Wirklichkeit stellt sich aber in der Regel komplexer dar

Welche Maszlignahmen zur Gespraumlchsorganisation und Kooperation fuumlhren die Ge-spraumlchsteilnehmer durch

Bruumlnner_Weber_12 14

Abb 4 Themensteuerung im Gespraumlchsschritt

Themensteuerung Zentraler Gegenstand des Gespraumlchsausschnitts ist die Kaufentschei-dung der Kundin 1 In Phase 1 fuumlhrt sie als Thema 1 ihren Wunsch nach einer persoumlnlichen Kaufempfehlung durch den Verkaumlufer hinsichtlich der in Frage kommenden Pflanzen ein Sie bringt ihr Anliegen in Frageform vor bdquoUnd welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmenldquo [91] Die Reaktion des Verkaumlufers in Phase 2 ist aber nicht responsiv denn er kommt der Aufforderung der Kundin die eine spezifische Folgehandlung erwartbar macht nicht nach Er wird stattdessen selber initiativ wenn er unvermittelt Thema 2 (Standorteinschaumltzung) ein-fuumlhrt

In Phase 3 kehrt Kundin 1 zuruumlck zu Thema 1 sie insistiert auf einer Empfehlung worauf der Verkaumlufer teilresponsiv antwortet Er bietet als Ersatz fuumlr eine Empfehlung eine Sachinforma-tion und Metakommunikation Das heiszligt er verhaumllt sich nicht voumlllig unkooperativ aber auch nicht so wie die Kundin es erwartet hat

Ohne Uumlbergang fuumlhrt Kundin 1 in Phase 4 Thema 3 neu ein sie erhebt vehement einen Ein-wand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie verbluumlht ist Die Vermutung liegt nahe dass diese Aumluszligerung nicht eine Nebense-quenz ist sondern als Ausgrenzung nicht in Frage kommender Ware einen Schritt bei der Entscheidungsfindung der Kundin darstellt Der Verkaumlufer verhaumllt sich responsiv und akzep-tiert den Einwand In Phase 5 kehrt Kundin 2 zuruumlck zu Thema 1 grenzt von sich aus die Warenauswahl ein und gibt so dem Verkaumlufer die Moumlglichkeit darauf mit zusaumltzlichen Wa-reninformationen einzugehen (ohne einen Ratschlag geben zu muumlssen)

Bei der Themensteuerung ist also vor allem Kundin 1 initiativ in geringerem Maszlige aber auch der Verkaumlufer Kundin 2 spielt hier eine untergeordnete Rolle

Bruumlnner_Weber_12 15

Sprecherwechsel Da in einem Verkaufsgespraumlch keine besonderen Regeln zur Rederechts-verteilung zu beachten sind koumlnnen sich hier die Gespraumlchspartner gleichberechtigt am Ge-spraumlch beteiligen Meistens melden sie sich mittels Selbstwahl zu Wort [Kundin 89 Verkaumlu-fer 89 uouml] aber auch nach Fremdwahl wenn sie zum Beispiel auf Fragen reagieren [Ver-kaumlufer 100]

Die Wechsel von einem zum anderen Sprecher sind meistens glatt Sogar bei einem abrup-ten Themenwechsel wartet Kundin 1 geduldig den Uumlbernahmepunkt (Satzende) ab [106] Kleine Uumlberlappungen gibt es zwar sie sind aber nicht Ausdruck von Aumlrger und Konfrontati-on sondern von eifriger Zustimmung und engagierter Gespraumlchsbeteiligung [Verkaumlufer ndash Kundin 2 90 Verkaumlufer ndash Kundin 1 91 uouml] Auch bei anderen Parallelsprechphasen zeigt sich eher kooperatives Uumlberlappen das heiszligt die Turnuumlbernahme wird nicht beansprucht [stuumltzende Kommentare zu den Aussagen des Verkaumlufers durch Kundin 1 99 102 Kundin 2 101] In [110] setzt Kundin 2 allerdings ihren Beitrag durch obwohl der Verkaumlufer auf Kundin 1 antworten wollte Houmlreraktivitaumlten (Rezeptionspartikeln haumlufig bdquojaldquoaber auch bdquohmldquo 107 bdquogenauldquo 97-100) erscheinen meist passgenau nach Sinnabschnitten und als Reaktion auf Ruumlckversicherungssignale (zB bdquojaldquo ndash bdquojaldquo 102 104) All das deutet darauf hin dass die Sprecher sich gut verstehen

Gleichzeitiges Sprechen ist nur an einer Stelle auffaumlllig In [95] beginnt der Verkaumlufer zu re-den weil er glaubt Kundin 1 habe ihren Beitrag beendet Kundin 1 spricht aber weiter wor-aufhin der Verkaumlufer zuruumlckzieht Seine Turnuumlbernahme ist also aufgrund eines Irrtums ge-scheitert Da er aber kurz darauf zu Wort kommt stellt diese Situation kein Problem fuumlr das Gespraumlch dar Unterbrechungen bei denen sich die Sprecher gegenseitig das Rederecht streitig machen oder laumlngere Pausen als Anzeichen fuumlr Dissens kommen nicht vor Insge-samt zeigt sich der Gespraumlchsausschnitt unter diesem Aspekt als dynamische aber geord-nete und konfliktfreie Phase

Kooperativitaumlt Alle drei Gespraumlchsteilnehmer erfuumlllen grundsaumltzliche kommunikative Ver-pflichtungen (Folgeerwartungen) wenn sie zum Beispiel Fragen beantworten und Bitten er-fuumlllen oder begruumlndet zuruumlckweisen Sie schaffen mit dieser Bereitschaft zur Kooperation die Voraussetzung dass das Gespraumlch uumlberhaupt funktionieren kann Es faumlllt aber auf dass Kundin 2 hier noch weiter geht als der Verkaumlufer und Kundin 1 die mit ihren zum Teil wider-streitenden Interessen vor allem die thematische Entwicklung des Gespraumlchsabschnitts be-einflussen Kundin 2 unterstuumltzt Kundin 1 wenn sie deren Empfehlungswunsch ergaumlnzt bdquoVon der Pflege im im Topfldquo [92] und die Abwertung der Ware unterstreicht bdquoJaacute jagrave dann is nich mehr viel neldquo [106] Sie unterstuumltzt aber auch den Verkaumlufer dessen Ausfuumlhrungen sie haumlufig mit zustimmenden Houmlrerreaktionen wie bdquogenauldquo bdquojaldquo und bdquohmldquo versieht Bei der Beur-teilung der Lichtverhaumlltnisse am Standort uumlbernimmt sie die Deutung des Verkaumlufers Und schlieszliglich greift sie das von Kundin 1 initiierte und vom Verkaumlufer fortgesetzte Spiel mit der Vorstellung sich in eine Pflanze zu versetzen auf bdquoIch kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht so viel Sonne habenldquo [99]

Dass der Verkaumlufer Kundin 1 eine persoumlnliche Empfehlung verweigert ist ungewoumlhnlich Er verstoumlszligt damit gegen die Maxime der Kooperativitaumlt in der Interaktion (gibt bzw sagt dem Kunden nicht das was er haben beziehungsweise houmlren will) Moumlglicherweise bestimmen Uumlberlegungen sein Verhalten die in einem Verkaufskundebuch so formuliert werden bdquoAch-

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 6

Abb 2 Die wichtigsten Transkriptionskonventionen nach HIAT

Die erste Transkriptionssoftware HIAT-DOS (wwwehlich-berlindeHIATHIAThtm) ist auch heute noch auf Windows-PCs verwendbar und erzeugt durch Partiturklammern gekenn-zeichnete Flaumlchen mit mehreren Zeilen fuumlr Sprecher verbale Daten intonatorische Daten nonverbale Kommunikation und Kommentare Die neue Transkriptionssoftware EXMARaLDA (wwwexmaraldaorg) ist zugleich Transkriptionseditor Datenverwaltungs- und Analysepro-gramm Transkriptionen koumlnnen in gaumlngige Praumlsentationsformate (RTF HTML PDF) uumlber-fuumlhrt und gemaumlszlig den verschiedenen Transkriptionssystemen (HIAT GAT ua) ausgegeben werden

23 Transkriptausschnitt bdquoGlanzmispelldquo

Das folgende Transkript gibt einen kurzen Ausschnitt (152 min) eines Verkaufsgespraumlchs in einem Gartencenter wieder (Download der Tonaufnahme unter httphomeedouni-dortmundde~bruennerPublikationenhtml) Das Gespraumlch wurde von dem Verkaumlufer mithil-fe eines MiniDisc-Rekorders und eines Krawattenmikrofons aufgenommen Das Transkript wurde mit EXMARaLDA gemaumlszlig den HIAT-Konventionen erstellt

Bruumlnner_Weber_12 7

Situation Die beiden aumllteren Kundinnen hatten im Selbstbedienungsbereich des Gartencen-ters Kuumlbelpflanzen selbstaumlndig (vor-)ausgewaumlhlt und dann den Verkaumlufer gebeten deren Eigenschaften zu beschreiben Daraufhin stellt der Verkaumlufer die Vorzuumlge der Pflanzen dar und gibt Pflegehinweise

[89]

V kupferfarben Son bisgen Ja das is erstK i n 2 Ja Ja So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen alles [90]

V mal die Sache erst mal aumlh sagen wer mal Ja das K i n 1 Ja und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabei [91]

V waumlr jetzt wieder en anderer Charakter K i n 1 Und welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmen Sagen wer mal jetzt nicht aumlh von der [92]

K i n 1 von der erst mal von der Pf aumlh Pflegeleichtigkeit Also und Im Topf und im Schatten K i n 2 Von der Pflege im im Topf Da man [93]

V Es is ja kein Schatten Halbschatten Kin1 Ja doch Es is aber Drei Stunden K i n 2 sie nicht Nee es is es is Drei Stunden is Sonne [94]

K i n 1 Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanze Stellen Se mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am [95]

V Nein Sie muumlssen Nee nee D das Nee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie K i n 1 Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primel [96]

V andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den ganzen Tag in der Sonne schmoren [97]

V im Kuumlbel Ja Sehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist Kin1 Ja das is natuumlrlich auch nich (so gut) Kin2 Genau [98]

V nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden gefroren is und Kin2 Ja genau Genau Ja [99]

V die Sonne knallt auf die Pflanze Sehen Sie Kin1 ((putzt sich die Nase)) () (wird alles) () () Ja ja ich weiszlig Kin2 Ich kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht

Bruumlnner_Weber_12 8

[100] V Das ist fuumlr die Pflanze viel ausgeglichener Also so gesehen Ah die Frage K i n 1 ((lacht)) Na gut Also welche wuumlrden Sie dann nehmen Kin2 so viel Sonne haben Genau Ja [101]

V natuumlrlich Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks Das beantworte ich auch nie direkt K i n 1 Ja Kin2 Das is jetzt natuumlrlich () [102]

V Wenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hier Kin1 Koumlnnen Se aber doch Ja was is am robustesten Das waumlr ne Kin2 Nee Ja [103]

V Aumlhm Jaha ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer K i n 1 gute das is ne gute Frage Ja [104]

V So mal zu sagen hundert aumlh hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm K i n 1 Ja [105]

V dieser Kletterjasmin aumlhm der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Ja an sich die die aumlhm aumlhm der K i n 2 Ja [106]

V Berglorbeer auch K i n 1 Guck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Kin2 Ja ja dann is nich mehr viel ne [107]

V Das is das K i n 1 Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die geht jetzt auf Drei Wochen und weg is se K i n 2 Hm Hm [108]

V Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auch K i n 1 Deshalb nehm ich Ich nehm zum Beispiel auch Kin2 Ja [109]

Kin1 Stauden Das is das gleiche von Stauden Die bluumlhen drei Wochen man hat viel Arbeit damit Ich pflanz mir Kin2 Jaha [110]

V Das is eine () Kin1 lieber Sommerblumen da hab ich den ganzen Sommer was Kin2 So Ich Meine engere Wahl is der oder die [111]

V Aha Ja dann haben Sie hier Das sind zwei verschiedene Charaktere Das is Kin1 Das waumlre auch (gut) K i n 2 Glanzmispel [112]

V schon mal en Fortschritt Aumlhm Hier is es so das etwas Verspielte und Bluumlhende K i n 1 Ja wir kommenschon naumlher Kin2 Ja Ja

Bruumlnner_Weber_12 9

[113] V trotzdem farblich Akzentuierte mit Herbstfaumlrbung Versehene Ja Und da oben das auch aumlhm sagen wer K i n 2 Ja Ja [114]

V etwas Akkuratere Formalere Kin1 Deshalb wuumlrd ich jetz kein Hoch Wenn ich bei ner Glanzmispel wenn ich ne Kin2 Ja Sie is Kein [115]

V Das is K i n 1 Glanz wuumlrd ich kein Hochbaumlumchen nehmen Ich wuumlrde nen Busch nehmen Kin2 Hochbaumlumchen Die Buschen sind aber

24 Wie kann man Gespraumlche analysieren

An Transkripten lassen sich strukturelle und funktionale Besonderheiten muumlndlicher Kommu-nikation herausarbeiten zB Was sind die Zwecke bestimmter Gespraumlche oder Handlungs-muster Erfuumlllen diese hier ihre Funktionen Welche einzelnen kommunikativen Aufgaben stellen sich den Beteiligten Wie bearbeiten sie diese und mit welchem Erfolg Welche Prob-leme entstehen dabei Mit welchen Konsequenzen Welche Loumlsungsversuche unternehmen die Beteiligten und wie gelingen diese Methoden der Arbeit mit Transkripten und leitende Fragestellungen sind in Bruumlnner (idBd) dargestellt Fuumlr Unterrichtszwecke besonders ge-eignet sind ndash als primaumlr analytische Zugaumlnge ndash die Einzelfallanalyse und die fragegeleitete Transkriptanalyse

Bei der Einzelfallanalyse wird die Entwicklung des Gespraumlchs sequenziell von seinem Beginn bis zu seinem Ende Aumluszligerung fuumlr Aumluszligerung Einheit fuumlr Einheit nachgezeichnet Fuumlr jede Aumluszligerung wird eine inhaltliche Paraphrase gegeben und bestimmt wie sie das Gespraumlch thematisch fortfuumlhrt was fuumlr eine Handlung mit ihr vollzogen wird welche Funktion(en) sie an dieser Stelle des Gespraumlchs hat und welche (grammatischen stilistischen prosodischen usw) Besonderheiten die Form der Aumluszligerung uU aufweist Auf diese Weise koumlnnen die Gliederung die wesentlichen Themen und Handlungseinheiten des Gespraumlchs rekonstruiert werden und es lassen sich aus den im Datenmaterial beobachteten Auffaumllligkeiten heraus Analysefragen entwickeln

Bei der fragegeleiteten Transkriptanalyse (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) orientiert man sich an bereits vorformulierten Fragestellungen und richtet einen entsprechenden Fokus auf be-stimmte Transkriptstellen Phaumlnomene oder Problemlagen im Transkript (zB Wie gestalten Verkaumlufer und Kunde ihre Beziehung oder Wie wird mit Einwaumlnden des Kunden umgegan-gen oder Wie werden Scherzen und Lachen fuumlr die Bearbeitung von Gespraumlchsproblemen eingesetzt) Es werden fuumlr die Leitfrage relevante Belegstellen gesucht detailliert analysiert und in Beziehung zueinander gesetzt oder es werden unterschiedliche Beispiele fuumlr ein Phaumlnomen gesammelt verglichen und nach verschiedenen Faumlllen typisiert Dabei ist die Ar-beit mit mehreren Transkripten von Vorteil weil sie Kontrastierungen und Verallgemeinerun-gen uumlber den Einzelfall hinaus erlaubt

Anwendungsbezogene Fragestellungen lassen sich anschlieszligen indem zB Kommunikati-onsprobleme identifiziert und in ihren Konsequenzen beschrieben werden indem Loumlsungs-versuche der Beteiligten im Gespraumlch rekonstruiert in ihren Auswirkungen Vor- und Nachtei-

Bruumlnner_Weber_12 10

len bewertet und auch alternative Loumlsungsmoumlglichkeiten diskutiert werden Solche alternati-ven Loumlsungen kann man Schuumller im Nachspielen des Gespraumlchs konkret ausprobieren las-sen und dabei beobachten wie sich das Gespraumlch dann entwickelt Auf diesem Wege lassen sich auch Handlungsempfehlungen fuumlr Gespraumlche bzw bestimmte Gespraumlchstypen oder ndashsituationen ableiten

Ein primaumlr handelnder Zugang der sich in Ergaumlnzung zu den analytischen Methoden sinnvoll einsetzen laumlsst ist die Simulation authentischer Faumllle (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) Es handelt sich um eine besondere Art des Rollenspiels bei der die Rollen und Handlungsbe-dingungen nach der Vorlage eines authentischen Gespraumlchs vorgegeben werden so dass die Gefahr von unrealistischen bdquoTheater-Effektenldquo reduziert wird Die Schuumller versuchen die gemeinsam erarbeiteten Handlungsempfehlungen in der Simulation authentischer Faumllle prak-tisch umzusetzen und auszuprobieren und erfahren dabei die in einer konkreten Interaktion mit ihnen verbundenen Chancen und Schwierigkeiten Sie koumlnnen ihre Versuche aufzeich-nen und anschlieszligend mit den im zugrunde liegenden authentischen Gespraumlch vorkommen-den kommunikativen Handlungsweisen vergleichen sie kontrastiv diskutieren bewerten usw Hier zeigt sich dann dass es in der Regel nicht nur die eine optimale Form gibt die immer passt und die rezeptartig gelernt werden kann Interaktion bedeutet vielmehr flexibles Han-deln das sich nicht nur an den eigenen Zielen und Moumlglichkeiten sondern auch am Handeln des Gespraumlchspartners orientieren muss

Wie sich mit Transkripten im Unterricht arbeiten laumlsst demonstrieren die Unterrichtsreihen Becker-MrotzekBruumlnner (2002) und (2006) FiehlerSchmitt (2004) geben eine methodisch gut nutzbare Analyse eines Anrufs bei einem Bauunternehmen sie zeigen an diesem Bei-spiel wie sich die in der Wirtschaft oft beschworene Kundenorientierung im konkreten Ge-spraumlchsverhalten zeigt ndash bzw eben nicht zeigt

Eine Reduktion der Komplexitaumlt von Gespraumlchen kann fuumlr den Unterricht manchmal nuumltzlich oder notwendig sein Dann bietet sich an bestimmte wiederkehrende Gespraumlchsaufgaben oder Elemente aus den Gespraumlchen fuumlr die Analyse auszuwaumlhlen Dazu gehoumlren sprachliche Handlungsmuster dh standardisierte Ablaufformen zur Verwirklichung bestimmter gesell-schaftlicher Zwecke (EhlichRehbein 1986) wie zB Frage-Antwort Auskunft einho-lengeben Anliegen vorbringenexplorieren Erklaumlren (der Funktionsweise eines Geraumltes des Sinns einer Maszlignahme) Begruumlnden Anleiten oder Rat suchengeben (zum Handlungsmus-ter Einwand behandeln su) Sprachliche Handlungsmuster sehen bestimmte (mentale und sprachliche) Handlungen in einer bestimmten sequenziellen Abfolge und Verteilung auf die Interaktanten vor sie stellen eine Art inneres Drehbuch fuumlr die Gespraumlchsteilnehmer dar und beinhalten bestimmte Erwartungen an ihr sprachliches Handeln

3 Beispielanalyse des Verkaufsgespraumlchs bdquoGlanzmispelldquo

Der folgende Abschnitt gibt mit der Analyse des Transkripts bdquoGlanzmispelldquo ein Beispiel dafuumlr wie Gespraumlche mit den Mitteln der Gespraumlchsforschung in einer Form untersucht werden koumlnnen die auch im Unterricht praktikabel ist

Verkaufsgespraumlche bieten sich als Untersuchungsgegenstand an weil es sich um einen gut bekannten und zugleich gesellschaftlich und beruflich bedeutsamen Gespraumlchstyp handelt der in vielen Variationen existiert (face-to-face oder am Telefon unter Nutzung von Ge-

Bruumlnner_Weber_12 11

spraumlchsleitfaumlden differierende Produkte usw) und oft unterschiedliche Muster umfasst (zB Argumentieren Beraten Praumlsentieren Erklaumlren Einwandbehandlung) Das im Folgenden verwendete Beispiel stellt somit einerseits Besonderheiten beruflicher Kommunikation vor andererseits beruumlcksichtigt es die Erfahrungswelt der Schuumllerinnen und Schuumller (als Kunden oder auch schon als junge Verkaumlufer)

31 Welche Merkmale von Muumlndlichkeit weist der Gespraumlchsausschnitt auf

Bevor im Rahmen der fragegeleiteten Transkriptanalyse der Individualitaumlt des Ge-spraumlchsausschnitts Rechnung getragen wird dient er zunaumlchst als Beispiel an dem sich vie-le Merkmale von Muumlndlichkeit aufzeigen lassen (ausfuumlhrlich dazu Fiehler 2005) Schon in den ersten Aumluszligerungen sind eine Reihe von Auffaumllligkeiten in Formulierung und Satzbau festzustellen die typisch fuumlr muumlndliche Kommunikation sind Die Ziffern verweisen auf die Partiturflaumlchen des Transkripts Die genaue Betrachtung soll Schuumller auf die Besonderheiten gesprochener Sprache aufmerksam machen und fuumlr die Unterschiede zur Schriftsprache sensibilisieren

bdquoJā So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen allesldquo [89] Die Sprecherin leitet ihre Aumluszligerung mit den Partikeln bdquojaldquo und bdquosoldquo ein die hier eine Gliederungsfunktion uuml-bernehmen Sie macht kurze Pausen und produziert einen Abbruch was beides auf Pla-nungsprobleme bei der Formulierung hinweist Durch Wiederholung des betonten bdquoallesldquo macht sie deutlich dass fuumlr sie die vorangegangene Informationsvermittlung durch den Ver-kaumlufer abgeschlossen ist bdquoJagrave das is erst mal die Sache erst mal aumlh sagen wer malldquo [89f] Die Emphase der Kundin beantwortet der Verkaumlufer seinerseits mit einer Wiederholung Mit seinem zweifachen bdquoerst malldquo verstaumlrkt durch die abschlieszligende Redewendung bdquosagen wer malldquo zeigt er dass er die Wissensvermittlung und Warenpraumlsentation noch ausdehnen koumlnn-te Auch Kundin 1 unterstreicht die Bedeutung ihres Beitrags in besonderer Weise Sie pro-duziert eine reformulierende Erweiterung im Nachsatz bdquoJagrave und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabeildquo [90] Woraufhin der Verkaumlufer seine eher ab-schwaumlchende Zustimmung durch die Verwendung des Konjunktivs und der Fuumlllwoumlrter bdquojetztldquo und bdquowiederldquo ausdruumlckt bdquoJagrave das waumlr jetzt wieder en anderer Charakterldquo [90]

All dies sind Mittel mit denen die Sprecher spontan deutlich machen wie sie ihre Aumluszligerun-gen verstanden wissen wollen In den folgenden Partiturflaumlchen finden sich weitere Merkmale gesprochener Sprache in den Bereichen Lautlichkeit Lexik und Syntax Typisch fuumlr muumlndli-che Alltagskommunikation sind umgangssprachliche Abweichungen von der Standardlau-tung wie sie an den folgenden und vielen anderen Stellen zu beobachten sind bdquoWuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [95] (Abschwaumlchung des bdquoSieldquo zu bdquoSeldquo Wegfall des Vokals bdquoeldquo in der Endsilbe bei bdquoeingehnldquo Wegfall des Diphthongs bdquoeildquo beim unbestimmten Artikel) bdquodas isldquo [89] (Wegfall des auslautenden Konsonanten bdquotldquo) bdquoJetzt ham werldquo [89] (Assimilation bei bdquohamldquo Abschwaumlchung bei bdquowerldquo) bdquowenn Ses so betrachtenldquo (Verschmelzung von bdquoSieldquo und bdquoesldquo) An einer Stelle faumlllt auch als besondere Lautform eine regional gefaumlrbte Aussprache auf bdquoSon bisgenldquo [89]

Weitere Merkmale von Muumlndlichkeit im Transkript sind Verzoumlgerungspartikeln bdquoaumlhldquo [91] bdquoaumlhmldquo [103] unwillkuumlrliche Wiederholungen bdquoim im Topfldquo [92] Ruumlckversicherungspartikeln bdquojaldquo [102] bdquoneldquo [106] und paralinguale (dh sprachbegleitende stimmliche) Phaumlnomene

Bruumlnner_Weber_12 12

zB ((lacht)) [103] Die Bedeutung der Partikeln bdquojaldquo und bdquoneeldquo haumlngt von der Art der Aus-sprache (Intonation = Tonhoumlhenverlauf) ab Ist die Intonation steigend werden sie als Frage verwendet ist sie das nicht druumlcken sie Zustimmung bzw Ablehnung aus Um diese Unter-schiede deutlich zu machen koumlnnen Satzzeichen (Punkt Frage- oder Ausrufezeichen) oder Striche uumlber dem Wort (rechts- bzw linksseitiger Schraumlgstrich) verwendet werden

Mit Kurzkommentaren wie bdquoGenauldquo [97] und den Interjektionen bdquoJaldquo [100] und bdquoHmldquo [107] zeigt vor allem Kundin 2 dass sie aufmerksam zuhoumlrt Da bdquohmldquo sehr unterschiedlich gemeint sein kann ist es hier besonders wichtig die Intonation zu notieren (Bedeutungen fallend bdquodas ist ja merkwuumlrdigldquo steigend bdquowieso das dennldquo fallend-steigend bdquoeinverstandenldquo gleichbleibend bdquovielleicht aberldquo) Solche Houmlreraktivitaumlten die keine eigenen Redebeitraumlge sind und auch nonverbal realisiert werden koumlnnen sind wichtig fuumlr den Sprecher da sie ihm zeigen ob sein Gegenuumlber versteht und akzeptiert und wie er emotional Anteil nimmt

Mit deiktischen Formulierungen (vermutlich in Verbindung mit Zeigegesten in Blickrichtung der Sprecherin) wird auf in Rede stehende Gegenstaumlnde verwiesen bdquoGuck dir den Busch mal anldquo [106] bdquoIch meine engere Wahl is derldquo [110] Da diese Aussagen ohne optische Zu-satzinformationen nicht interpretierbar sind kann der Transkriptleser nicht nachvollziehen welche Pflanzen gemeint sind

Die Aumluszligerung bdquoIm Topf und im Schattenldquo [92] stellt eine Ellipse dar die nur verstaumlndlich ist weil die Sprecherin bei der Satzkonstruktion auf ihre Vorrednerin Bezug nimmt Diese hatte den Verkaumlufer gefragt welche Pflanzen er empfehlen koumlnne hinsichtlich Pflegeleichtigkeit bdquoim im Topfldquo [92] Daran kann die Sprecherin anknuumlpfen ohne selbst einen vollstaumlndigen Satz bilden zu muumlssen

Abbruumlche wie bdquoDa man sie nichtldquo [93] (ohne Fortsetzung) oder bdquoNee es is es is Drei Stun-den is Sonneldquo [93] (mit Fortsetzung) sind als Formulierungsverfahren genauso normal wie Korrekturen bdquoan sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [105]

Die genannten Erscheinungen sind insgesamt Beispiele fuumlr typische Merkmale des Muumlndli-chen und in ihrer Abweichung von der Schriftsprache nicht als negativ zu bewerten Sie sind kontextspezifische Anpassungen an die Gespraumlchssituation und in der Regel funktional

32 Fragegeleitete Transkriptanalyse

Im Rahmen der (hier nicht wiedergegebenen) Sequenzanalyse (= Schritt-fuumlr-Schritt-Analyse) des Gespraumlchsausschnitts wurden die sprachlichen Handlungen bestimmt und Auffaumllligkeiten auf den verschiedenen Ebenen bzw Dimensionen des Gespraumlchs (s Bruumlnner idBd Sxxx) festgestellt Auf dieser Grundlage wurden die im Folgenden behandelten Analysefragen ent-wickelt

Welche kommunikativen Aufgaben bearbeiten die Gespraumlchsteilnehmer

Die Sequenzanalyse legt nahe den Gespraumlchsabschnitt in fuumlnf Phasen aufzuteilen in denen die Gespraumlchsteilnehmer unterschiedliche kommunikative Aufgaben bearbeiten Kundin 1 wuumlnscht eine persoumlnliche Empfehlung des Verkaumlufers (Phase 1 89-93) der aber korrigiert zunaumlchst die Fehleinschaumltzung der Wachstumsbedingungen am Standort durch die Kundin (Phase 2 93-100) Nachdem die Kundin den Verkaumlufer noch einmal um eine persoumlnliche

Bruumlnner_Weber_12 13

Empfehlung gebeten hat lehnt dieser das ab und gibt stattdessen Wareninformationen (Pha-se 3 100-106) Auf einen Wareneinwand den Kundin 1 aumluszligert geht der Verkaumlufer nur kurz ein (Phase 4 106-110) Als Kundin 2 die Zahl der fuumlr sie in Frage kommenden Pflanzen auf zwei eingrenzt gibt der Verkaumlufer diesbezuumlgliche Wareninformationen (Phase 5 110 ff)

Abb 3 Kommunikative Aufgaben im Gespraumlchsabschnitt

Handlungsstruktur

Phase 1 3 und 5 stehen miteinander in Beziehung und bilden den Haupthandlungsstrang der durch zwei Einschuumlbe (Phase 2 und 4) (schattiert dargestellt) unterbrochen ist Der Ge-spraumlchsabschnitt zeigt also einen geschachtelten Aufbau In die Bemuumlhungen der Kundin 1 zu einer Kaufentscheidung zu finden sind sowohl die Intervention des Verkaumlufers (Begriffs-zuschreibung bdquoHalbschattenldquo) als auch der Kundeneinwand (Unattraktivitaumlt der abgebluumlhten Pflanze) eingebettet Es stoszligen unterschiedliche Gespraumlchsanliegen aufeinander sie koumlnnen aber verknuumlpft werden weil die Gespraumlchspartner zum Teil kooperativ aufeinander eingehen Die Kundin laumlsst sich belehren sie nimmt das Informationsangebot des Verkaumlufers an dieser wiederum akzeptiert den Einwand

Da in der Gespraumlchssequenz verschiedene kommunikative Aufgaben ineinander verflochten sind ist die Situation vielschichtig und mit erhoumlhten Anforderungen an die Reaktionsfaumlhigkeit des Verkaumlufers verbunden Er muss in rascher Folge unterschiedliche Handlungsmuster rea-lisieren Informieren Korrigieren Erklaumlren Argumentieren Einwand behandeln Bei der Dar-stellung des Aufbaus von Verkaufsgespraumlchen in den Verkaufskunde-Schulbuumlchern wird meist der Eindruck erweckt dass Phasen deutlich getrennt aufeinander folgen und von den Gespraumlchspartnern der Reihe nach abgearbeitet werden Die Wirklichkeit stellt sich aber in der Regel komplexer dar

Welche Maszlignahmen zur Gespraumlchsorganisation und Kooperation fuumlhren die Ge-spraumlchsteilnehmer durch

Bruumlnner_Weber_12 14

Abb 4 Themensteuerung im Gespraumlchsschritt

Themensteuerung Zentraler Gegenstand des Gespraumlchsausschnitts ist die Kaufentschei-dung der Kundin 1 In Phase 1 fuumlhrt sie als Thema 1 ihren Wunsch nach einer persoumlnlichen Kaufempfehlung durch den Verkaumlufer hinsichtlich der in Frage kommenden Pflanzen ein Sie bringt ihr Anliegen in Frageform vor bdquoUnd welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmenldquo [91] Die Reaktion des Verkaumlufers in Phase 2 ist aber nicht responsiv denn er kommt der Aufforderung der Kundin die eine spezifische Folgehandlung erwartbar macht nicht nach Er wird stattdessen selber initiativ wenn er unvermittelt Thema 2 (Standorteinschaumltzung) ein-fuumlhrt

In Phase 3 kehrt Kundin 1 zuruumlck zu Thema 1 sie insistiert auf einer Empfehlung worauf der Verkaumlufer teilresponsiv antwortet Er bietet als Ersatz fuumlr eine Empfehlung eine Sachinforma-tion und Metakommunikation Das heiszligt er verhaumllt sich nicht voumlllig unkooperativ aber auch nicht so wie die Kundin es erwartet hat

Ohne Uumlbergang fuumlhrt Kundin 1 in Phase 4 Thema 3 neu ein sie erhebt vehement einen Ein-wand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie verbluumlht ist Die Vermutung liegt nahe dass diese Aumluszligerung nicht eine Nebense-quenz ist sondern als Ausgrenzung nicht in Frage kommender Ware einen Schritt bei der Entscheidungsfindung der Kundin darstellt Der Verkaumlufer verhaumllt sich responsiv und akzep-tiert den Einwand In Phase 5 kehrt Kundin 2 zuruumlck zu Thema 1 grenzt von sich aus die Warenauswahl ein und gibt so dem Verkaumlufer die Moumlglichkeit darauf mit zusaumltzlichen Wa-reninformationen einzugehen (ohne einen Ratschlag geben zu muumlssen)

Bei der Themensteuerung ist also vor allem Kundin 1 initiativ in geringerem Maszlige aber auch der Verkaumlufer Kundin 2 spielt hier eine untergeordnete Rolle

Bruumlnner_Weber_12 15

Sprecherwechsel Da in einem Verkaufsgespraumlch keine besonderen Regeln zur Rederechts-verteilung zu beachten sind koumlnnen sich hier die Gespraumlchspartner gleichberechtigt am Ge-spraumlch beteiligen Meistens melden sie sich mittels Selbstwahl zu Wort [Kundin 89 Verkaumlu-fer 89 uouml] aber auch nach Fremdwahl wenn sie zum Beispiel auf Fragen reagieren [Ver-kaumlufer 100]

Die Wechsel von einem zum anderen Sprecher sind meistens glatt Sogar bei einem abrup-ten Themenwechsel wartet Kundin 1 geduldig den Uumlbernahmepunkt (Satzende) ab [106] Kleine Uumlberlappungen gibt es zwar sie sind aber nicht Ausdruck von Aumlrger und Konfrontati-on sondern von eifriger Zustimmung und engagierter Gespraumlchsbeteiligung [Verkaumlufer ndash Kundin 2 90 Verkaumlufer ndash Kundin 1 91 uouml] Auch bei anderen Parallelsprechphasen zeigt sich eher kooperatives Uumlberlappen das heiszligt die Turnuumlbernahme wird nicht beansprucht [stuumltzende Kommentare zu den Aussagen des Verkaumlufers durch Kundin 1 99 102 Kundin 2 101] In [110] setzt Kundin 2 allerdings ihren Beitrag durch obwohl der Verkaumlufer auf Kundin 1 antworten wollte Houmlreraktivitaumlten (Rezeptionspartikeln haumlufig bdquojaldquoaber auch bdquohmldquo 107 bdquogenauldquo 97-100) erscheinen meist passgenau nach Sinnabschnitten und als Reaktion auf Ruumlckversicherungssignale (zB bdquojaldquo ndash bdquojaldquo 102 104) All das deutet darauf hin dass die Sprecher sich gut verstehen

Gleichzeitiges Sprechen ist nur an einer Stelle auffaumlllig In [95] beginnt der Verkaumlufer zu re-den weil er glaubt Kundin 1 habe ihren Beitrag beendet Kundin 1 spricht aber weiter wor-aufhin der Verkaumlufer zuruumlckzieht Seine Turnuumlbernahme ist also aufgrund eines Irrtums ge-scheitert Da er aber kurz darauf zu Wort kommt stellt diese Situation kein Problem fuumlr das Gespraumlch dar Unterbrechungen bei denen sich die Sprecher gegenseitig das Rederecht streitig machen oder laumlngere Pausen als Anzeichen fuumlr Dissens kommen nicht vor Insge-samt zeigt sich der Gespraumlchsausschnitt unter diesem Aspekt als dynamische aber geord-nete und konfliktfreie Phase

Kooperativitaumlt Alle drei Gespraumlchsteilnehmer erfuumlllen grundsaumltzliche kommunikative Ver-pflichtungen (Folgeerwartungen) wenn sie zum Beispiel Fragen beantworten und Bitten er-fuumlllen oder begruumlndet zuruumlckweisen Sie schaffen mit dieser Bereitschaft zur Kooperation die Voraussetzung dass das Gespraumlch uumlberhaupt funktionieren kann Es faumlllt aber auf dass Kundin 2 hier noch weiter geht als der Verkaumlufer und Kundin 1 die mit ihren zum Teil wider-streitenden Interessen vor allem die thematische Entwicklung des Gespraumlchsabschnitts be-einflussen Kundin 2 unterstuumltzt Kundin 1 wenn sie deren Empfehlungswunsch ergaumlnzt bdquoVon der Pflege im im Topfldquo [92] und die Abwertung der Ware unterstreicht bdquoJaacute jagrave dann is nich mehr viel neldquo [106] Sie unterstuumltzt aber auch den Verkaumlufer dessen Ausfuumlhrungen sie haumlufig mit zustimmenden Houmlrerreaktionen wie bdquogenauldquo bdquojaldquo und bdquohmldquo versieht Bei der Beur-teilung der Lichtverhaumlltnisse am Standort uumlbernimmt sie die Deutung des Verkaumlufers Und schlieszliglich greift sie das von Kundin 1 initiierte und vom Verkaumlufer fortgesetzte Spiel mit der Vorstellung sich in eine Pflanze zu versetzen auf bdquoIch kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht so viel Sonne habenldquo [99]

Dass der Verkaumlufer Kundin 1 eine persoumlnliche Empfehlung verweigert ist ungewoumlhnlich Er verstoumlszligt damit gegen die Maxime der Kooperativitaumlt in der Interaktion (gibt bzw sagt dem Kunden nicht das was er haben beziehungsweise houmlren will) Moumlglicherweise bestimmen Uumlberlegungen sein Verhalten die in einem Verkaufskundebuch so formuliert werden bdquoAch-

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 7

Situation Die beiden aumllteren Kundinnen hatten im Selbstbedienungsbereich des Gartencen-ters Kuumlbelpflanzen selbstaumlndig (vor-)ausgewaumlhlt und dann den Verkaumlufer gebeten deren Eigenschaften zu beschreiben Daraufhin stellt der Verkaumlufer die Vorzuumlge der Pflanzen dar und gibt Pflegehinweise

[89]

V kupferfarben Son bisgen Ja das is erstK i n 2 Ja Ja So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen alles [90]

V mal die Sache erst mal aumlh sagen wer mal Ja das K i n 1 Ja und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabei [91]

V waumlr jetzt wieder en anderer Charakter K i n 1 Und welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmen Sagen wer mal jetzt nicht aumlh von der [92]

K i n 1 von der erst mal von der Pf aumlh Pflegeleichtigkeit Also und Im Topf und im Schatten K i n 2 Von der Pflege im im Topf Da man [93]

V Es is ja kein Schatten Halbschatten Kin1 Ja doch Es is aber Drei Stunden K i n 2 sie nicht Nee es is es is Drei Stunden is Sonne [94]

K i n 1 Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanze Stellen Se mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am [95]

V Nein Sie muumlssen Nee nee D das Nee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie K i n 1 Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primel [96]

V andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den ganzen Tag in der Sonne schmoren [97]

V im Kuumlbel Ja Sehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist Kin1 Ja das is natuumlrlich auch nich (so gut) Kin2 Genau [98]

V nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden gefroren is und Kin2 Ja genau Genau Ja [99]

V die Sonne knallt auf die Pflanze Sehen Sie Kin1 ((putzt sich die Nase)) () (wird alles) () () Ja ja ich weiszlig Kin2 Ich kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht

Bruumlnner_Weber_12 8

[100] V Das ist fuumlr die Pflanze viel ausgeglichener Also so gesehen Ah die Frage K i n 1 ((lacht)) Na gut Also welche wuumlrden Sie dann nehmen Kin2 so viel Sonne haben Genau Ja [101]

V natuumlrlich Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks Das beantworte ich auch nie direkt K i n 1 Ja Kin2 Das is jetzt natuumlrlich () [102]

V Wenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hier Kin1 Koumlnnen Se aber doch Ja was is am robustesten Das waumlr ne Kin2 Nee Ja [103]

V Aumlhm Jaha ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer K i n 1 gute das is ne gute Frage Ja [104]

V So mal zu sagen hundert aumlh hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm K i n 1 Ja [105]

V dieser Kletterjasmin aumlhm der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Ja an sich die die aumlhm aumlhm der K i n 2 Ja [106]

V Berglorbeer auch K i n 1 Guck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Kin2 Ja ja dann is nich mehr viel ne [107]

V Das is das K i n 1 Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die geht jetzt auf Drei Wochen und weg is se K i n 2 Hm Hm [108]

V Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auch K i n 1 Deshalb nehm ich Ich nehm zum Beispiel auch Kin2 Ja [109]

Kin1 Stauden Das is das gleiche von Stauden Die bluumlhen drei Wochen man hat viel Arbeit damit Ich pflanz mir Kin2 Jaha [110]

V Das is eine () Kin1 lieber Sommerblumen da hab ich den ganzen Sommer was Kin2 So Ich Meine engere Wahl is der oder die [111]

V Aha Ja dann haben Sie hier Das sind zwei verschiedene Charaktere Das is Kin1 Das waumlre auch (gut) K i n 2 Glanzmispel [112]

V schon mal en Fortschritt Aumlhm Hier is es so das etwas Verspielte und Bluumlhende K i n 1 Ja wir kommenschon naumlher Kin2 Ja Ja

Bruumlnner_Weber_12 9

[113] V trotzdem farblich Akzentuierte mit Herbstfaumlrbung Versehene Ja Und da oben das auch aumlhm sagen wer K i n 2 Ja Ja [114]

V etwas Akkuratere Formalere Kin1 Deshalb wuumlrd ich jetz kein Hoch Wenn ich bei ner Glanzmispel wenn ich ne Kin2 Ja Sie is Kein [115]

V Das is K i n 1 Glanz wuumlrd ich kein Hochbaumlumchen nehmen Ich wuumlrde nen Busch nehmen Kin2 Hochbaumlumchen Die Buschen sind aber

24 Wie kann man Gespraumlche analysieren

An Transkripten lassen sich strukturelle und funktionale Besonderheiten muumlndlicher Kommu-nikation herausarbeiten zB Was sind die Zwecke bestimmter Gespraumlche oder Handlungs-muster Erfuumlllen diese hier ihre Funktionen Welche einzelnen kommunikativen Aufgaben stellen sich den Beteiligten Wie bearbeiten sie diese und mit welchem Erfolg Welche Prob-leme entstehen dabei Mit welchen Konsequenzen Welche Loumlsungsversuche unternehmen die Beteiligten und wie gelingen diese Methoden der Arbeit mit Transkripten und leitende Fragestellungen sind in Bruumlnner (idBd) dargestellt Fuumlr Unterrichtszwecke besonders ge-eignet sind ndash als primaumlr analytische Zugaumlnge ndash die Einzelfallanalyse und die fragegeleitete Transkriptanalyse

Bei der Einzelfallanalyse wird die Entwicklung des Gespraumlchs sequenziell von seinem Beginn bis zu seinem Ende Aumluszligerung fuumlr Aumluszligerung Einheit fuumlr Einheit nachgezeichnet Fuumlr jede Aumluszligerung wird eine inhaltliche Paraphrase gegeben und bestimmt wie sie das Gespraumlch thematisch fortfuumlhrt was fuumlr eine Handlung mit ihr vollzogen wird welche Funktion(en) sie an dieser Stelle des Gespraumlchs hat und welche (grammatischen stilistischen prosodischen usw) Besonderheiten die Form der Aumluszligerung uU aufweist Auf diese Weise koumlnnen die Gliederung die wesentlichen Themen und Handlungseinheiten des Gespraumlchs rekonstruiert werden und es lassen sich aus den im Datenmaterial beobachteten Auffaumllligkeiten heraus Analysefragen entwickeln

Bei der fragegeleiteten Transkriptanalyse (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) orientiert man sich an bereits vorformulierten Fragestellungen und richtet einen entsprechenden Fokus auf be-stimmte Transkriptstellen Phaumlnomene oder Problemlagen im Transkript (zB Wie gestalten Verkaumlufer und Kunde ihre Beziehung oder Wie wird mit Einwaumlnden des Kunden umgegan-gen oder Wie werden Scherzen und Lachen fuumlr die Bearbeitung von Gespraumlchsproblemen eingesetzt) Es werden fuumlr die Leitfrage relevante Belegstellen gesucht detailliert analysiert und in Beziehung zueinander gesetzt oder es werden unterschiedliche Beispiele fuumlr ein Phaumlnomen gesammelt verglichen und nach verschiedenen Faumlllen typisiert Dabei ist die Ar-beit mit mehreren Transkripten von Vorteil weil sie Kontrastierungen und Verallgemeinerun-gen uumlber den Einzelfall hinaus erlaubt

Anwendungsbezogene Fragestellungen lassen sich anschlieszligen indem zB Kommunikati-onsprobleme identifiziert und in ihren Konsequenzen beschrieben werden indem Loumlsungs-versuche der Beteiligten im Gespraumlch rekonstruiert in ihren Auswirkungen Vor- und Nachtei-

Bruumlnner_Weber_12 10

len bewertet und auch alternative Loumlsungsmoumlglichkeiten diskutiert werden Solche alternati-ven Loumlsungen kann man Schuumller im Nachspielen des Gespraumlchs konkret ausprobieren las-sen und dabei beobachten wie sich das Gespraumlch dann entwickelt Auf diesem Wege lassen sich auch Handlungsempfehlungen fuumlr Gespraumlche bzw bestimmte Gespraumlchstypen oder ndashsituationen ableiten

Ein primaumlr handelnder Zugang der sich in Ergaumlnzung zu den analytischen Methoden sinnvoll einsetzen laumlsst ist die Simulation authentischer Faumllle (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) Es handelt sich um eine besondere Art des Rollenspiels bei der die Rollen und Handlungsbe-dingungen nach der Vorlage eines authentischen Gespraumlchs vorgegeben werden so dass die Gefahr von unrealistischen bdquoTheater-Effektenldquo reduziert wird Die Schuumller versuchen die gemeinsam erarbeiteten Handlungsempfehlungen in der Simulation authentischer Faumllle prak-tisch umzusetzen und auszuprobieren und erfahren dabei die in einer konkreten Interaktion mit ihnen verbundenen Chancen und Schwierigkeiten Sie koumlnnen ihre Versuche aufzeich-nen und anschlieszligend mit den im zugrunde liegenden authentischen Gespraumlch vorkommen-den kommunikativen Handlungsweisen vergleichen sie kontrastiv diskutieren bewerten usw Hier zeigt sich dann dass es in der Regel nicht nur die eine optimale Form gibt die immer passt und die rezeptartig gelernt werden kann Interaktion bedeutet vielmehr flexibles Han-deln das sich nicht nur an den eigenen Zielen und Moumlglichkeiten sondern auch am Handeln des Gespraumlchspartners orientieren muss

Wie sich mit Transkripten im Unterricht arbeiten laumlsst demonstrieren die Unterrichtsreihen Becker-MrotzekBruumlnner (2002) und (2006) FiehlerSchmitt (2004) geben eine methodisch gut nutzbare Analyse eines Anrufs bei einem Bauunternehmen sie zeigen an diesem Bei-spiel wie sich die in der Wirtschaft oft beschworene Kundenorientierung im konkreten Ge-spraumlchsverhalten zeigt ndash bzw eben nicht zeigt

Eine Reduktion der Komplexitaumlt von Gespraumlchen kann fuumlr den Unterricht manchmal nuumltzlich oder notwendig sein Dann bietet sich an bestimmte wiederkehrende Gespraumlchsaufgaben oder Elemente aus den Gespraumlchen fuumlr die Analyse auszuwaumlhlen Dazu gehoumlren sprachliche Handlungsmuster dh standardisierte Ablaufformen zur Verwirklichung bestimmter gesell-schaftlicher Zwecke (EhlichRehbein 1986) wie zB Frage-Antwort Auskunft einho-lengeben Anliegen vorbringenexplorieren Erklaumlren (der Funktionsweise eines Geraumltes des Sinns einer Maszlignahme) Begruumlnden Anleiten oder Rat suchengeben (zum Handlungsmus-ter Einwand behandeln su) Sprachliche Handlungsmuster sehen bestimmte (mentale und sprachliche) Handlungen in einer bestimmten sequenziellen Abfolge und Verteilung auf die Interaktanten vor sie stellen eine Art inneres Drehbuch fuumlr die Gespraumlchsteilnehmer dar und beinhalten bestimmte Erwartungen an ihr sprachliches Handeln

3 Beispielanalyse des Verkaufsgespraumlchs bdquoGlanzmispelldquo

Der folgende Abschnitt gibt mit der Analyse des Transkripts bdquoGlanzmispelldquo ein Beispiel dafuumlr wie Gespraumlche mit den Mitteln der Gespraumlchsforschung in einer Form untersucht werden koumlnnen die auch im Unterricht praktikabel ist

Verkaufsgespraumlche bieten sich als Untersuchungsgegenstand an weil es sich um einen gut bekannten und zugleich gesellschaftlich und beruflich bedeutsamen Gespraumlchstyp handelt der in vielen Variationen existiert (face-to-face oder am Telefon unter Nutzung von Ge-

Bruumlnner_Weber_12 11

spraumlchsleitfaumlden differierende Produkte usw) und oft unterschiedliche Muster umfasst (zB Argumentieren Beraten Praumlsentieren Erklaumlren Einwandbehandlung) Das im Folgenden verwendete Beispiel stellt somit einerseits Besonderheiten beruflicher Kommunikation vor andererseits beruumlcksichtigt es die Erfahrungswelt der Schuumllerinnen und Schuumller (als Kunden oder auch schon als junge Verkaumlufer)

31 Welche Merkmale von Muumlndlichkeit weist der Gespraumlchsausschnitt auf

Bevor im Rahmen der fragegeleiteten Transkriptanalyse der Individualitaumlt des Ge-spraumlchsausschnitts Rechnung getragen wird dient er zunaumlchst als Beispiel an dem sich vie-le Merkmale von Muumlndlichkeit aufzeigen lassen (ausfuumlhrlich dazu Fiehler 2005) Schon in den ersten Aumluszligerungen sind eine Reihe von Auffaumllligkeiten in Formulierung und Satzbau festzustellen die typisch fuumlr muumlndliche Kommunikation sind Die Ziffern verweisen auf die Partiturflaumlchen des Transkripts Die genaue Betrachtung soll Schuumller auf die Besonderheiten gesprochener Sprache aufmerksam machen und fuumlr die Unterschiede zur Schriftsprache sensibilisieren

bdquoJā So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen allesldquo [89] Die Sprecherin leitet ihre Aumluszligerung mit den Partikeln bdquojaldquo und bdquosoldquo ein die hier eine Gliederungsfunktion uuml-bernehmen Sie macht kurze Pausen und produziert einen Abbruch was beides auf Pla-nungsprobleme bei der Formulierung hinweist Durch Wiederholung des betonten bdquoallesldquo macht sie deutlich dass fuumlr sie die vorangegangene Informationsvermittlung durch den Ver-kaumlufer abgeschlossen ist bdquoJagrave das is erst mal die Sache erst mal aumlh sagen wer malldquo [89f] Die Emphase der Kundin beantwortet der Verkaumlufer seinerseits mit einer Wiederholung Mit seinem zweifachen bdquoerst malldquo verstaumlrkt durch die abschlieszligende Redewendung bdquosagen wer malldquo zeigt er dass er die Wissensvermittlung und Warenpraumlsentation noch ausdehnen koumlnn-te Auch Kundin 1 unterstreicht die Bedeutung ihres Beitrags in besonderer Weise Sie pro-duziert eine reformulierende Erweiterung im Nachsatz bdquoJagrave und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabeildquo [90] Woraufhin der Verkaumlufer seine eher ab-schwaumlchende Zustimmung durch die Verwendung des Konjunktivs und der Fuumlllwoumlrter bdquojetztldquo und bdquowiederldquo ausdruumlckt bdquoJagrave das waumlr jetzt wieder en anderer Charakterldquo [90]

All dies sind Mittel mit denen die Sprecher spontan deutlich machen wie sie ihre Aumluszligerun-gen verstanden wissen wollen In den folgenden Partiturflaumlchen finden sich weitere Merkmale gesprochener Sprache in den Bereichen Lautlichkeit Lexik und Syntax Typisch fuumlr muumlndli-che Alltagskommunikation sind umgangssprachliche Abweichungen von der Standardlau-tung wie sie an den folgenden und vielen anderen Stellen zu beobachten sind bdquoWuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [95] (Abschwaumlchung des bdquoSieldquo zu bdquoSeldquo Wegfall des Vokals bdquoeldquo in der Endsilbe bei bdquoeingehnldquo Wegfall des Diphthongs bdquoeildquo beim unbestimmten Artikel) bdquodas isldquo [89] (Wegfall des auslautenden Konsonanten bdquotldquo) bdquoJetzt ham werldquo [89] (Assimilation bei bdquohamldquo Abschwaumlchung bei bdquowerldquo) bdquowenn Ses so betrachtenldquo (Verschmelzung von bdquoSieldquo und bdquoesldquo) An einer Stelle faumlllt auch als besondere Lautform eine regional gefaumlrbte Aussprache auf bdquoSon bisgenldquo [89]

Weitere Merkmale von Muumlndlichkeit im Transkript sind Verzoumlgerungspartikeln bdquoaumlhldquo [91] bdquoaumlhmldquo [103] unwillkuumlrliche Wiederholungen bdquoim im Topfldquo [92] Ruumlckversicherungspartikeln bdquojaldquo [102] bdquoneldquo [106] und paralinguale (dh sprachbegleitende stimmliche) Phaumlnomene

Bruumlnner_Weber_12 12

zB ((lacht)) [103] Die Bedeutung der Partikeln bdquojaldquo und bdquoneeldquo haumlngt von der Art der Aus-sprache (Intonation = Tonhoumlhenverlauf) ab Ist die Intonation steigend werden sie als Frage verwendet ist sie das nicht druumlcken sie Zustimmung bzw Ablehnung aus Um diese Unter-schiede deutlich zu machen koumlnnen Satzzeichen (Punkt Frage- oder Ausrufezeichen) oder Striche uumlber dem Wort (rechts- bzw linksseitiger Schraumlgstrich) verwendet werden

Mit Kurzkommentaren wie bdquoGenauldquo [97] und den Interjektionen bdquoJaldquo [100] und bdquoHmldquo [107] zeigt vor allem Kundin 2 dass sie aufmerksam zuhoumlrt Da bdquohmldquo sehr unterschiedlich gemeint sein kann ist es hier besonders wichtig die Intonation zu notieren (Bedeutungen fallend bdquodas ist ja merkwuumlrdigldquo steigend bdquowieso das dennldquo fallend-steigend bdquoeinverstandenldquo gleichbleibend bdquovielleicht aberldquo) Solche Houmlreraktivitaumlten die keine eigenen Redebeitraumlge sind und auch nonverbal realisiert werden koumlnnen sind wichtig fuumlr den Sprecher da sie ihm zeigen ob sein Gegenuumlber versteht und akzeptiert und wie er emotional Anteil nimmt

Mit deiktischen Formulierungen (vermutlich in Verbindung mit Zeigegesten in Blickrichtung der Sprecherin) wird auf in Rede stehende Gegenstaumlnde verwiesen bdquoGuck dir den Busch mal anldquo [106] bdquoIch meine engere Wahl is derldquo [110] Da diese Aussagen ohne optische Zu-satzinformationen nicht interpretierbar sind kann der Transkriptleser nicht nachvollziehen welche Pflanzen gemeint sind

Die Aumluszligerung bdquoIm Topf und im Schattenldquo [92] stellt eine Ellipse dar die nur verstaumlndlich ist weil die Sprecherin bei der Satzkonstruktion auf ihre Vorrednerin Bezug nimmt Diese hatte den Verkaumlufer gefragt welche Pflanzen er empfehlen koumlnne hinsichtlich Pflegeleichtigkeit bdquoim im Topfldquo [92] Daran kann die Sprecherin anknuumlpfen ohne selbst einen vollstaumlndigen Satz bilden zu muumlssen

Abbruumlche wie bdquoDa man sie nichtldquo [93] (ohne Fortsetzung) oder bdquoNee es is es is Drei Stun-den is Sonneldquo [93] (mit Fortsetzung) sind als Formulierungsverfahren genauso normal wie Korrekturen bdquoan sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [105]

Die genannten Erscheinungen sind insgesamt Beispiele fuumlr typische Merkmale des Muumlndli-chen und in ihrer Abweichung von der Schriftsprache nicht als negativ zu bewerten Sie sind kontextspezifische Anpassungen an die Gespraumlchssituation und in der Regel funktional

32 Fragegeleitete Transkriptanalyse

Im Rahmen der (hier nicht wiedergegebenen) Sequenzanalyse (= Schritt-fuumlr-Schritt-Analyse) des Gespraumlchsausschnitts wurden die sprachlichen Handlungen bestimmt und Auffaumllligkeiten auf den verschiedenen Ebenen bzw Dimensionen des Gespraumlchs (s Bruumlnner idBd Sxxx) festgestellt Auf dieser Grundlage wurden die im Folgenden behandelten Analysefragen ent-wickelt

Welche kommunikativen Aufgaben bearbeiten die Gespraumlchsteilnehmer

Die Sequenzanalyse legt nahe den Gespraumlchsabschnitt in fuumlnf Phasen aufzuteilen in denen die Gespraumlchsteilnehmer unterschiedliche kommunikative Aufgaben bearbeiten Kundin 1 wuumlnscht eine persoumlnliche Empfehlung des Verkaumlufers (Phase 1 89-93) der aber korrigiert zunaumlchst die Fehleinschaumltzung der Wachstumsbedingungen am Standort durch die Kundin (Phase 2 93-100) Nachdem die Kundin den Verkaumlufer noch einmal um eine persoumlnliche

Bruumlnner_Weber_12 13

Empfehlung gebeten hat lehnt dieser das ab und gibt stattdessen Wareninformationen (Pha-se 3 100-106) Auf einen Wareneinwand den Kundin 1 aumluszligert geht der Verkaumlufer nur kurz ein (Phase 4 106-110) Als Kundin 2 die Zahl der fuumlr sie in Frage kommenden Pflanzen auf zwei eingrenzt gibt der Verkaumlufer diesbezuumlgliche Wareninformationen (Phase 5 110 ff)

Abb 3 Kommunikative Aufgaben im Gespraumlchsabschnitt

Handlungsstruktur

Phase 1 3 und 5 stehen miteinander in Beziehung und bilden den Haupthandlungsstrang der durch zwei Einschuumlbe (Phase 2 und 4) (schattiert dargestellt) unterbrochen ist Der Ge-spraumlchsabschnitt zeigt also einen geschachtelten Aufbau In die Bemuumlhungen der Kundin 1 zu einer Kaufentscheidung zu finden sind sowohl die Intervention des Verkaumlufers (Begriffs-zuschreibung bdquoHalbschattenldquo) als auch der Kundeneinwand (Unattraktivitaumlt der abgebluumlhten Pflanze) eingebettet Es stoszligen unterschiedliche Gespraumlchsanliegen aufeinander sie koumlnnen aber verknuumlpft werden weil die Gespraumlchspartner zum Teil kooperativ aufeinander eingehen Die Kundin laumlsst sich belehren sie nimmt das Informationsangebot des Verkaumlufers an dieser wiederum akzeptiert den Einwand

Da in der Gespraumlchssequenz verschiedene kommunikative Aufgaben ineinander verflochten sind ist die Situation vielschichtig und mit erhoumlhten Anforderungen an die Reaktionsfaumlhigkeit des Verkaumlufers verbunden Er muss in rascher Folge unterschiedliche Handlungsmuster rea-lisieren Informieren Korrigieren Erklaumlren Argumentieren Einwand behandeln Bei der Dar-stellung des Aufbaus von Verkaufsgespraumlchen in den Verkaufskunde-Schulbuumlchern wird meist der Eindruck erweckt dass Phasen deutlich getrennt aufeinander folgen und von den Gespraumlchspartnern der Reihe nach abgearbeitet werden Die Wirklichkeit stellt sich aber in der Regel komplexer dar

Welche Maszlignahmen zur Gespraumlchsorganisation und Kooperation fuumlhren die Ge-spraumlchsteilnehmer durch

Bruumlnner_Weber_12 14

Abb 4 Themensteuerung im Gespraumlchsschritt

Themensteuerung Zentraler Gegenstand des Gespraumlchsausschnitts ist die Kaufentschei-dung der Kundin 1 In Phase 1 fuumlhrt sie als Thema 1 ihren Wunsch nach einer persoumlnlichen Kaufempfehlung durch den Verkaumlufer hinsichtlich der in Frage kommenden Pflanzen ein Sie bringt ihr Anliegen in Frageform vor bdquoUnd welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmenldquo [91] Die Reaktion des Verkaumlufers in Phase 2 ist aber nicht responsiv denn er kommt der Aufforderung der Kundin die eine spezifische Folgehandlung erwartbar macht nicht nach Er wird stattdessen selber initiativ wenn er unvermittelt Thema 2 (Standorteinschaumltzung) ein-fuumlhrt

In Phase 3 kehrt Kundin 1 zuruumlck zu Thema 1 sie insistiert auf einer Empfehlung worauf der Verkaumlufer teilresponsiv antwortet Er bietet als Ersatz fuumlr eine Empfehlung eine Sachinforma-tion und Metakommunikation Das heiszligt er verhaumllt sich nicht voumlllig unkooperativ aber auch nicht so wie die Kundin es erwartet hat

Ohne Uumlbergang fuumlhrt Kundin 1 in Phase 4 Thema 3 neu ein sie erhebt vehement einen Ein-wand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie verbluumlht ist Die Vermutung liegt nahe dass diese Aumluszligerung nicht eine Nebense-quenz ist sondern als Ausgrenzung nicht in Frage kommender Ware einen Schritt bei der Entscheidungsfindung der Kundin darstellt Der Verkaumlufer verhaumllt sich responsiv und akzep-tiert den Einwand In Phase 5 kehrt Kundin 2 zuruumlck zu Thema 1 grenzt von sich aus die Warenauswahl ein und gibt so dem Verkaumlufer die Moumlglichkeit darauf mit zusaumltzlichen Wa-reninformationen einzugehen (ohne einen Ratschlag geben zu muumlssen)

Bei der Themensteuerung ist also vor allem Kundin 1 initiativ in geringerem Maszlige aber auch der Verkaumlufer Kundin 2 spielt hier eine untergeordnete Rolle

Bruumlnner_Weber_12 15

Sprecherwechsel Da in einem Verkaufsgespraumlch keine besonderen Regeln zur Rederechts-verteilung zu beachten sind koumlnnen sich hier die Gespraumlchspartner gleichberechtigt am Ge-spraumlch beteiligen Meistens melden sie sich mittels Selbstwahl zu Wort [Kundin 89 Verkaumlu-fer 89 uouml] aber auch nach Fremdwahl wenn sie zum Beispiel auf Fragen reagieren [Ver-kaumlufer 100]

Die Wechsel von einem zum anderen Sprecher sind meistens glatt Sogar bei einem abrup-ten Themenwechsel wartet Kundin 1 geduldig den Uumlbernahmepunkt (Satzende) ab [106] Kleine Uumlberlappungen gibt es zwar sie sind aber nicht Ausdruck von Aumlrger und Konfrontati-on sondern von eifriger Zustimmung und engagierter Gespraumlchsbeteiligung [Verkaumlufer ndash Kundin 2 90 Verkaumlufer ndash Kundin 1 91 uouml] Auch bei anderen Parallelsprechphasen zeigt sich eher kooperatives Uumlberlappen das heiszligt die Turnuumlbernahme wird nicht beansprucht [stuumltzende Kommentare zu den Aussagen des Verkaumlufers durch Kundin 1 99 102 Kundin 2 101] In [110] setzt Kundin 2 allerdings ihren Beitrag durch obwohl der Verkaumlufer auf Kundin 1 antworten wollte Houmlreraktivitaumlten (Rezeptionspartikeln haumlufig bdquojaldquoaber auch bdquohmldquo 107 bdquogenauldquo 97-100) erscheinen meist passgenau nach Sinnabschnitten und als Reaktion auf Ruumlckversicherungssignale (zB bdquojaldquo ndash bdquojaldquo 102 104) All das deutet darauf hin dass die Sprecher sich gut verstehen

Gleichzeitiges Sprechen ist nur an einer Stelle auffaumlllig In [95] beginnt der Verkaumlufer zu re-den weil er glaubt Kundin 1 habe ihren Beitrag beendet Kundin 1 spricht aber weiter wor-aufhin der Verkaumlufer zuruumlckzieht Seine Turnuumlbernahme ist also aufgrund eines Irrtums ge-scheitert Da er aber kurz darauf zu Wort kommt stellt diese Situation kein Problem fuumlr das Gespraumlch dar Unterbrechungen bei denen sich die Sprecher gegenseitig das Rederecht streitig machen oder laumlngere Pausen als Anzeichen fuumlr Dissens kommen nicht vor Insge-samt zeigt sich der Gespraumlchsausschnitt unter diesem Aspekt als dynamische aber geord-nete und konfliktfreie Phase

Kooperativitaumlt Alle drei Gespraumlchsteilnehmer erfuumlllen grundsaumltzliche kommunikative Ver-pflichtungen (Folgeerwartungen) wenn sie zum Beispiel Fragen beantworten und Bitten er-fuumlllen oder begruumlndet zuruumlckweisen Sie schaffen mit dieser Bereitschaft zur Kooperation die Voraussetzung dass das Gespraumlch uumlberhaupt funktionieren kann Es faumlllt aber auf dass Kundin 2 hier noch weiter geht als der Verkaumlufer und Kundin 1 die mit ihren zum Teil wider-streitenden Interessen vor allem die thematische Entwicklung des Gespraumlchsabschnitts be-einflussen Kundin 2 unterstuumltzt Kundin 1 wenn sie deren Empfehlungswunsch ergaumlnzt bdquoVon der Pflege im im Topfldquo [92] und die Abwertung der Ware unterstreicht bdquoJaacute jagrave dann is nich mehr viel neldquo [106] Sie unterstuumltzt aber auch den Verkaumlufer dessen Ausfuumlhrungen sie haumlufig mit zustimmenden Houmlrerreaktionen wie bdquogenauldquo bdquojaldquo und bdquohmldquo versieht Bei der Beur-teilung der Lichtverhaumlltnisse am Standort uumlbernimmt sie die Deutung des Verkaumlufers Und schlieszliglich greift sie das von Kundin 1 initiierte und vom Verkaumlufer fortgesetzte Spiel mit der Vorstellung sich in eine Pflanze zu versetzen auf bdquoIch kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht so viel Sonne habenldquo [99]

Dass der Verkaumlufer Kundin 1 eine persoumlnliche Empfehlung verweigert ist ungewoumlhnlich Er verstoumlszligt damit gegen die Maxime der Kooperativitaumlt in der Interaktion (gibt bzw sagt dem Kunden nicht das was er haben beziehungsweise houmlren will) Moumlglicherweise bestimmen Uumlberlegungen sein Verhalten die in einem Verkaufskundebuch so formuliert werden bdquoAch-

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 8

[100] V Das ist fuumlr die Pflanze viel ausgeglichener Also so gesehen Ah die Frage K i n 1 ((lacht)) Na gut Also welche wuumlrden Sie dann nehmen Kin2 so viel Sonne haben Genau Ja [101]

V natuumlrlich Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks Das beantworte ich auch nie direkt K i n 1 Ja Kin2 Das is jetzt natuumlrlich () [102]

V Wenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hier Kin1 Koumlnnen Se aber doch Ja was is am robustesten Das waumlr ne Kin2 Nee Ja [103]

V Aumlhm Jaha ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer K i n 1 gute das is ne gute Frage Ja [104]

V So mal zu sagen hundert aumlh hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm K i n 1 Ja [105]

V dieser Kletterjasmin aumlhm der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Ja an sich die die aumlhm aumlhm der K i n 2 Ja [106]

V Berglorbeer auch K i n 1 Guck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Kin2 Ja ja dann is nich mehr viel ne [107]

V Das is das K i n 1 Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die geht jetzt auf Drei Wochen und weg is se K i n 2 Hm Hm [108]

V Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auch K i n 1 Deshalb nehm ich Ich nehm zum Beispiel auch Kin2 Ja [109]

Kin1 Stauden Das is das gleiche von Stauden Die bluumlhen drei Wochen man hat viel Arbeit damit Ich pflanz mir Kin2 Jaha [110]

V Das is eine () Kin1 lieber Sommerblumen da hab ich den ganzen Sommer was Kin2 So Ich Meine engere Wahl is der oder die [111]

V Aha Ja dann haben Sie hier Das sind zwei verschiedene Charaktere Das is Kin1 Das waumlre auch (gut) K i n 2 Glanzmispel [112]

V schon mal en Fortschritt Aumlhm Hier is es so das etwas Verspielte und Bluumlhende K i n 1 Ja wir kommenschon naumlher Kin2 Ja Ja

Bruumlnner_Weber_12 9

[113] V trotzdem farblich Akzentuierte mit Herbstfaumlrbung Versehene Ja Und da oben das auch aumlhm sagen wer K i n 2 Ja Ja [114]

V etwas Akkuratere Formalere Kin1 Deshalb wuumlrd ich jetz kein Hoch Wenn ich bei ner Glanzmispel wenn ich ne Kin2 Ja Sie is Kein [115]

V Das is K i n 1 Glanz wuumlrd ich kein Hochbaumlumchen nehmen Ich wuumlrde nen Busch nehmen Kin2 Hochbaumlumchen Die Buschen sind aber

24 Wie kann man Gespraumlche analysieren

An Transkripten lassen sich strukturelle und funktionale Besonderheiten muumlndlicher Kommu-nikation herausarbeiten zB Was sind die Zwecke bestimmter Gespraumlche oder Handlungs-muster Erfuumlllen diese hier ihre Funktionen Welche einzelnen kommunikativen Aufgaben stellen sich den Beteiligten Wie bearbeiten sie diese und mit welchem Erfolg Welche Prob-leme entstehen dabei Mit welchen Konsequenzen Welche Loumlsungsversuche unternehmen die Beteiligten und wie gelingen diese Methoden der Arbeit mit Transkripten und leitende Fragestellungen sind in Bruumlnner (idBd) dargestellt Fuumlr Unterrichtszwecke besonders ge-eignet sind ndash als primaumlr analytische Zugaumlnge ndash die Einzelfallanalyse und die fragegeleitete Transkriptanalyse

Bei der Einzelfallanalyse wird die Entwicklung des Gespraumlchs sequenziell von seinem Beginn bis zu seinem Ende Aumluszligerung fuumlr Aumluszligerung Einheit fuumlr Einheit nachgezeichnet Fuumlr jede Aumluszligerung wird eine inhaltliche Paraphrase gegeben und bestimmt wie sie das Gespraumlch thematisch fortfuumlhrt was fuumlr eine Handlung mit ihr vollzogen wird welche Funktion(en) sie an dieser Stelle des Gespraumlchs hat und welche (grammatischen stilistischen prosodischen usw) Besonderheiten die Form der Aumluszligerung uU aufweist Auf diese Weise koumlnnen die Gliederung die wesentlichen Themen und Handlungseinheiten des Gespraumlchs rekonstruiert werden und es lassen sich aus den im Datenmaterial beobachteten Auffaumllligkeiten heraus Analysefragen entwickeln

Bei der fragegeleiteten Transkriptanalyse (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) orientiert man sich an bereits vorformulierten Fragestellungen und richtet einen entsprechenden Fokus auf be-stimmte Transkriptstellen Phaumlnomene oder Problemlagen im Transkript (zB Wie gestalten Verkaumlufer und Kunde ihre Beziehung oder Wie wird mit Einwaumlnden des Kunden umgegan-gen oder Wie werden Scherzen und Lachen fuumlr die Bearbeitung von Gespraumlchsproblemen eingesetzt) Es werden fuumlr die Leitfrage relevante Belegstellen gesucht detailliert analysiert und in Beziehung zueinander gesetzt oder es werden unterschiedliche Beispiele fuumlr ein Phaumlnomen gesammelt verglichen und nach verschiedenen Faumlllen typisiert Dabei ist die Ar-beit mit mehreren Transkripten von Vorteil weil sie Kontrastierungen und Verallgemeinerun-gen uumlber den Einzelfall hinaus erlaubt

Anwendungsbezogene Fragestellungen lassen sich anschlieszligen indem zB Kommunikati-onsprobleme identifiziert und in ihren Konsequenzen beschrieben werden indem Loumlsungs-versuche der Beteiligten im Gespraumlch rekonstruiert in ihren Auswirkungen Vor- und Nachtei-

Bruumlnner_Weber_12 10

len bewertet und auch alternative Loumlsungsmoumlglichkeiten diskutiert werden Solche alternati-ven Loumlsungen kann man Schuumller im Nachspielen des Gespraumlchs konkret ausprobieren las-sen und dabei beobachten wie sich das Gespraumlch dann entwickelt Auf diesem Wege lassen sich auch Handlungsempfehlungen fuumlr Gespraumlche bzw bestimmte Gespraumlchstypen oder ndashsituationen ableiten

Ein primaumlr handelnder Zugang der sich in Ergaumlnzung zu den analytischen Methoden sinnvoll einsetzen laumlsst ist die Simulation authentischer Faumllle (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) Es handelt sich um eine besondere Art des Rollenspiels bei der die Rollen und Handlungsbe-dingungen nach der Vorlage eines authentischen Gespraumlchs vorgegeben werden so dass die Gefahr von unrealistischen bdquoTheater-Effektenldquo reduziert wird Die Schuumller versuchen die gemeinsam erarbeiteten Handlungsempfehlungen in der Simulation authentischer Faumllle prak-tisch umzusetzen und auszuprobieren und erfahren dabei die in einer konkreten Interaktion mit ihnen verbundenen Chancen und Schwierigkeiten Sie koumlnnen ihre Versuche aufzeich-nen und anschlieszligend mit den im zugrunde liegenden authentischen Gespraumlch vorkommen-den kommunikativen Handlungsweisen vergleichen sie kontrastiv diskutieren bewerten usw Hier zeigt sich dann dass es in der Regel nicht nur die eine optimale Form gibt die immer passt und die rezeptartig gelernt werden kann Interaktion bedeutet vielmehr flexibles Han-deln das sich nicht nur an den eigenen Zielen und Moumlglichkeiten sondern auch am Handeln des Gespraumlchspartners orientieren muss

Wie sich mit Transkripten im Unterricht arbeiten laumlsst demonstrieren die Unterrichtsreihen Becker-MrotzekBruumlnner (2002) und (2006) FiehlerSchmitt (2004) geben eine methodisch gut nutzbare Analyse eines Anrufs bei einem Bauunternehmen sie zeigen an diesem Bei-spiel wie sich die in der Wirtschaft oft beschworene Kundenorientierung im konkreten Ge-spraumlchsverhalten zeigt ndash bzw eben nicht zeigt

Eine Reduktion der Komplexitaumlt von Gespraumlchen kann fuumlr den Unterricht manchmal nuumltzlich oder notwendig sein Dann bietet sich an bestimmte wiederkehrende Gespraumlchsaufgaben oder Elemente aus den Gespraumlchen fuumlr die Analyse auszuwaumlhlen Dazu gehoumlren sprachliche Handlungsmuster dh standardisierte Ablaufformen zur Verwirklichung bestimmter gesell-schaftlicher Zwecke (EhlichRehbein 1986) wie zB Frage-Antwort Auskunft einho-lengeben Anliegen vorbringenexplorieren Erklaumlren (der Funktionsweise eines Geraumltes des Sinns einer Maszlignahme) Begruumlnden Anleiten oder Rat suchengeben (zum Handlungsmus-ter Einwand behandeln su) Sprachliche Handlungsmuster sehen bestimmte (mentale und sprachliche) Handlungen in einer bestimmten sequenziellen Abfolge und Verteilung auf die Interaktanten vor sie stellen eine Art inneres Drehbuch fuumlr die Gespraumlchsteilnehmer dar und beinhalten bestimmte Erwartungen an ihr sprachliches Handeln

3 Beispielanalyse des Verkaufsgespraumlchs bdquoGlanzmispelldquo

Der folgende Abschnitt gibt mit der Analyse des Transkripts bdquoGlanzmispelldquo ein Beispiel dafuumlr wie Gespraumlche mit den Mitteln der Gespraumlchsforschung in einer Form untersucht werden koumlnnen die auch im Unterricht praktikabel ist

Verkaufsgespraumlche bieten sich als Untersuchungsgegenstand an weil es sich um einen gut bekannten und zugleich gesellschaftlich und beruflich bedeutsamen Gespraumlchstyp handelt der in vielen Variationen existiert (face-to-face oder am Telefon unter Nutzung von Ge-

Bruumlnner_Weber_12 11

spraumlchsleitfaumlden differierende Produkte usw) und oft unterschiedliche Muster umfasst (zB Argumentieren Beraten Praumlsentieren Erklaumlren Einwandbehandlung) Das im Folgenden verwendete Beispiel stellt somit einerseits Besonderheiten beruflicher Kommunikation vor andererseits beruumlcksichtigt es die Erfahrungswelt der Schuumllerinnen und Schuumller (als Kunden oder auch schon als junge Verkaumlufer)

31 Welche Merkmale von Muumlndlichkeit weist der Gespraumlchsausschnitt auf

Bevor im Rahmen der fragegeleiteten Transkriptanalyse der Individualitaumlt des Ge-spraumlchsausschnitts Rechnung getragen wird dient er zunaumlchst als Beispiel an dem sich vie-le Merkmale von Muumlndlichkeit aufzeigen lassen (ausfuumlhrlich dazu Fiehler 2005) Schon in den ersten Aumluszligerungen sind eine Reihe von Auffaumllligkeiten in Formulierung und Satzbau festzustellen die typisch fuumlr muumlndliche Kommunikation sind Die Ziffern verweisen auf die Partiturflaumlchen des Transkripts Die genaue Betrachtung soll Schuumller auf die Besonderheiten gesprochener Sprache aufmerksam machen und fuumlr die Unterschiede zur Schriftsprache sensibilisieren

bdquoJā So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen allesldquo [89] Die Sprecherin leitet ihre Aumluszligerung mit den Partikeln bdquojaldquo und bdquosoldquo ein die hier eine Gliederungsfunktion uuml-bernehmen Sie macht kurze Pausen und produziert einen Abbruch was beides auf Pla-nungsprobleme bei der Formulierung hinweist Durch Wiederholung des betonten bdquoallesldquo macht sie deutlich dass fuumlr sie die vorangegangene Informationsvermittlung durch den Ver-kaumlufer abgeschlossen ist bdquoJagrave das is erst mal die Sache erst mal aumlh sagen wer malldquo [89f] Die Emphase der Kundin beantwortet der Verkaumlufer seinerseits mit einer Wiederholung Mit seinem zweifachen bdquoerst malldquo verstaumlrkt durch die abschlieszligende Redewendung bdquosagen wer malldquo zeigt er dass er die Wissensvermittlung und Warenpraumlsentation noch ausdehnen koumlnn-te Auch Kundin 1 unterstreicht die Bedeutung ihres Beitrags in besonderer Weise Sie pro-duziert eine reformulierende Erweiterung im Nachsatz bdquoJagrave und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabeildquo [90] Woraufhin der Verkaumlufer seine eher ab-schwaumlchende Zustimmung durch die Verwendung des Konjunktivs und der Fuumlllwoumlrter bdquojetztldquo und bdquowiederldquo ausdruumlckt bdquoJagrave das waumlr jetzt wieder en anderer Charakterldquo [90]

All dies sind Mittel mit denen die Sprecher spontan deutlich machen wie sie ihre Aumluszligerun-gen verstanden wissen wollen In den folgenden Partiturflaumlchen finden sich weitere Merkmale gesprochener Sprache in den Bereichen Lautlichkeit Lexik und Syntax Typisch fuumlr muumlndli-che Alltagskommunikation sind umgangssprachliche Abweichungen von der Standardlau-tung wie sie an den folgenden und vielen anderen Stellen zu beobachten sind bdquoWuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [95] (Abschwaumlchung des bdquoSieldquo zu bdquoSeldquo Wegfall des Vokals bdquoeldquo in der Endsilbe bei bdquoeingehnldquo Wegfall des Diphthongs bdquoeildquo beim unbestimmten Artikel) bdquodas isldquo [89] (Wegfall des auslautenden Konsonanten bdquotldquo) bdquoJetzt ham werldquo [89] (Assimilation bei bdquohamldquo Abschwaumlchung bei bdquowerldquo) bdquowenn Ses so betrachtenldquo (Verschmelzung von bdquoSieldquo und bdquoesldquo) An einer Stelle faumlllt auch als besondere Lautform eine regional gefaumlrbte Aussprache auf bdquoSon bisgenldquo [89]

Weitere Merkmale von Muumlndlichkeit im Transkript sind Verzoumlgerungspartikeln bdquoaumlhldquo [91] bdquoaumlhmldquo [103] unwillkuumlrliche Wiederholungen bdquoim im Topfldquo [92] Ruumlckversicherungspartikeln bdquojaldquo [102] bdquoneldquo [106] und paralinguale (dh sprachbegleitende stimmliche) Phaumlnomene

Bruumlnner_Weber_12 12

zB ((lacht)) [103] Die Bedeutung der Partikeln bdquojaldquo und bdquoneeldquo haumlngt von der Art der Aus-sprache (Intonation = Tonhoumlhenverlauf) ab Ist die Intonation steigend werden sie als Frage verwendet ist sie das nicht druumlcken sie Zustimmung bzw Ablehnung aus Um diese Unter-schiede deutlich zu machen koumlnnen Satzzeichen (Punkt Frage- oder Ausrufezeichen) oder Striche uumlber dem Wort (rechts- bzw linksseitiger Schraumlgstrich) verwendet werden

Mit Kurzkommentaren wie bdquoGenauldquo [97] und den Interjektionen bdquoJaldquo [100] und bdquoHmldquo [107] zeigt vor allem Kundin 2 dass sie aufmerksam zuhoumlrt Da bdquohmldquo sehr unterschiedlich gemeint sein kann ist es hier besonders wichtig die Intonation zu notieren (Bedeutungen fallend bdquodas ist ja merkwuumlrdigldquo steigend bdquowieso das dennldquo fallend-steigend bdquoeinverstandenldquo gleichbleibend bdquovielleicht aberldquo) Solche Houmlreraktivitaumlten die keine eigenen Redebeitraumlge sind und auch nonverbal realisiert werden koumlnnen sind wichtig fuumlr den Sprecher da sie ihm zeigen ob sein Gegenuumlber versteht und akzeptiert und wie er emotional Anteil nimmt

Mit deiktischen Formulierungen (vermutlich in Verbindung mit Zeigegesten in Blickrichtung der Sprecherin) wird auf in Rede stehende Gegenstaumlnde verwiesen bdquoGuck dir den Busch mal anldquo [106] bdquoIch meine engere Wahl is derldquo [110] Da diese Aussagen ohne optische Zu-satzinformationen nicht interpretierbar sind kann der Transkriptleser nicht nachvollziehen welche Pflanzen gemeint sind

Die Aumluszligerung bdquoIm Topf und im Schattenldquo [92] stellt eine Ellipse dar die nur verstaumlndlich ist weil die Sprecherin bei der Satzkonstruktion auf ihre Vorrednerin Bezug nimmt Diese hatte den Verkaumlufer gefragt welche Pflanzen er empfehlen koumlnne hinsichtlich Pflegeleichtigkeit bdquoim im Topfldquo [92] Daran kann die Sprecherin anknuumlpfen ohne selbst einen vollstaumlndigen Satz bilden zu muumlssen

Abbruumlche wie bdquoDa man sie nichtldquo [93] (ohne Fortsetzung) oder bdquoNee es is es is Drei Stun-den is Sonneldquo [93] (mit Fortsetzung) sind als Formulierungsverfahren genauso normal wie Korrekturen bdquoan sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [105]

Die genannten Erscheinungen sind insgesamt Beispiele fuumlr typische Merkmale des Muumlndli-chen und in ihrer Abweichung von der Schriftsprache nicht als negativ zu bewerten Sie sind kontextspezifische Anpassungen an die Gespraumlchssituation und in der Regel funktional

32 Fragegeleitete Transkriptanalyse

Im Rahmen der (hier nicht wiedergegebenen) Sequenzanalyse (= Schritt-fuumlr-Schritt-Analyse) des Gespraumlchsausschnitts wurden die sprachlichen Handlungen bestimmt und Auffaumllligkeiten auf den verschiedenen Ebenen bzw Dimensionen des Gespraumlchs (s Bruumlnner idBd Sxxx) festgestellt Auf dieser Grundlage wurden die im Folgenden behandelten Analysefragen ent-wickelt

Welche kommunikativen Aufgaben bearbeiten die Gespraumlchsteilnehmer

Die Sequenzanalyse legt nahe den Gespraumlchsabschnitt in fuumlnf Phasen aufzuteilen in denen die Gespraumlchsteilnehmer unterschiedliche kommunikative Aufgaben bearbeiten Kundin 1 wuumlnscht eine persoumlnliche Empfehlung des Verkaumlufers (Phase 1 89-93) der aber korrigiert zunaumlchst die Fehleinschaumltzung der Wachstumsbedingungen am Standort durch die Kundin (Phase 2 93-100) Nachdem die Kundin den Verkaumlufer noch einmal um eine persoumlnliche

Bruumlnner_Weber_12 13

Empfehlung gebeten hat lehnt dieser das ab und gibt stattdessen Wareninformationen (Pha-se 3 100-106) Auf einen Wareneinwand den Kundin 1 aumluszligert geht der Verkaumlufer nur kurz ein (Phase 4 106-110) Als Kundin 2 die Zahl der fuumlr sie in Frage kommenden Pflanzen auf zwei eingrenzt gibt der Verkaumlufer diesbezuumlgliche Wareninformationen (Phase 5 110 ff)

Abb 3 Kommunikative Aufgaben im Gespraumlchsabschnitt

Handlungsstruktur

Phase 1 3 und 5 stehen miteinander in Beziehung und bilden den Haupthandlungsstrang der durch zwei Einschuumlbe (Phase 2 und 4) (schattiert dargestellt) unterbrochen ist Der Ge-spraumlchsabschnitt zeigt also einen geschachtelten Aufbau In die Bemuumlhungen der Kundin 1 zu einer Kaufentscheidung zu finden sind sowohl die Intervention des Verkaumlufers (Begriffs-zuschreibung bdquoHalbschattenldquo) als auch der Kundeneinwand (Unattraktivitaumlt der abgebluumlhten Pflanze) eingebettet Es stoszligen unterschiedliche Gespraumlchsanliegen aufeinander sie koumlnnen aber verknuumlpft werden weil die Gespraumlchspartner zum Teil kooperativ aufeinander eingehen Die Kundin laumlsst sich belehren sie nimmt das Informationsangebot des Verkaumlufers an dieser wiederum akzeptiert den Einwand

Da in der Gespraumlchssequenz verschiedene kommunikative Aufgaben ineinander verflochten sind ist die Situation vielschichtig und mit erhoumlhten Anforderungen an die Reaktionsfaumlhigkeit des Verkaumlufers verbunden Er muss in rascher Folge unterschiedliche Handlungsmuster rea-lisieren Informieren Korrigieren Erklaumlren Argumentieren Einwand behandeln Bei der Dar-stellung des Aufbaus von Verkaufsgespraumlchen in den Verkaufskunde-Schulbuumlchern wird meist der Eindruck erweckt dass Phasen deutlich getrennt aufeinander folgen und von den Gespraumlchspartnern der Reihe nach abgearbeitet werden Die Wirklichkeit stellt sich aber in der Regel komplexer dar

Welche Maszlignahmen zur Gespraumlchsorganisation und Kooperation fuumlhren die Ge-spraumlchsteilnehmer durch

Bruumlnner_Weber_12 14

Abb 4 Themensteuerung im Gespraumlchsschritt

Themensteuerung Zentraler Gegenstand des Gespraumlchsausschnitts ist die Kaufentschei-dung der Kundin 1 In Phase 1 fuumlhrt sie als Thema 1 ihren Wunsch nach einer persoumlnlichen Kaufempfehlung durch den Verkaumlufer hinsichtlich der in Frage kommenden Pflanzen ein Sie bringt ihr Anliegen in Frageform vor bdquoUnd welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmenldquo [91] Die Reaktion des Verkaumlufers in Phase 2 ist aber nicht responsiv denn er kommt der Aufforderung der Kundin die eine spezifische Folgehandlung erwartbar macht nicht nach Er wird stattdessen selber initiativ wenn er unvermittelt Thema 2 (Standorteinschaumltzung) ein-fuumlhrt

In Phase 3 kehrt Kundin 1 zuruumlck zu Thema 1 sie insistiert auf einer Empfehlung worauf der Verkaumlufer teilresponsiv antwortet Er bietet als Ersatz fuumlr eine Empfehlung eine Sachinforma-tion und Metakommunikation Das heiszligt er verhaumllt sich nicht voumlllig unkooperativ aber auch nicht so wie die Kundin es erwartet hat

Ohne Uumlbergang fuumlhrt Kundin 1 in Phase 4 Thema 3 neu ein sie erhebt vehement einen Ein-wand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie verbluumlht ist Die Vermutung liegt nahe dass diese Aumluszligerung nicht eine Nebense-quenz ist sondern als Ausgrenzung nicht in Frage kommender Ware einen Schritt bei der Entscheidungsfindung der Kundin darstellt Der Verkaumlufer verhaumllt sich responsiv und akzep-tiert den Einwand In Phase 5 kehrt Kundin 2 zuruumlck zu Thema 1 grenzt von sich aus die Warenauswahl ein und gibt so dem Verkaumlufer die Moumlglichkeit darauf mit zusaumltzlichen Wa-reninformationen einzugehen (ohne einen Ratschlag geben zu muumlssen)

Bei der Themensteuerung ist also vor allem Kundin 1 initiativ in geringerem Maszlige aber auch der Verkaumlufer Kundin 2 spielt hier eine untergeordnete Rolle

Bruumlnner_Weber_12 15

Sprecherwechsel Da in einem Verkaufsgespraumlch keine besonderen Regeln zur Rederechts-verteilung zu beachten sind koumlnnen sich hier die Gespraumlchspartner gleichberechtigt am Ge-spraumlch beteiligen Meistens melden sie sich mittels Selbstwahl zu Wort [Kundin 89 Verkaumlu-fer 89 uouml] aber auch nach Fremdwahl wenn sie zum Beispiel auf Fragen reagieren [Ver-kaumlufer 100]

Die Wechsel von einem zum anderen Sprecher sind meistens glatt Sogar bei einem abrup-ten Themenwechsel wartet Kundin 1 geduldig den Uumlbernahmepunkt (Satzende) ab [106] Kleine Uumlberlappungen gibt es zwar sie sind aber nicht Ausdruck von Aumlrger und Konfrontati-on sondern von eifriger Zustimmung und engagierter Gespraumlchsbeteiligung [Verkaumlufer ndash Kundin 2 90 Verkaumlufer ndash Kundin 1 91 uouml] Auch bei anderen Parallelsprechphasen zeigt sich eher kooperatives Uumlberlappen das heiszligt die Turnuumlbernahme wird nicht beansprucht [stuumltzende Kommentare zu den Aussagen des Verkaumlufers durch Kundin 1 99 102 Kundin 2 101] In [110] setzt Kundin 2 allerdings ihren Beitrag durch obwohl der Verkaumlufer auf Kundin 1 antworten wollte Houmlreraktivitaumlten (Rezeptionspartikeln haumlufig bdquojaldquoaber auch bdquohmldquo 107 bdquogenauldquo 97-100) erscheinen meist passgenau nach Sinnabschnitten und als Reaktion auf Ruumlckversicherungssignale (zB bdquojaldquo ndash bdquojaldquo 102 104) All das deutet darauf hin dass die Sprecher sich gut verstehen

Gleichzeitiges Sprechen ist nur an einer Stelle auffaumlllig In [95] beginnt der Verkaumlufer zu re-den weil er glaubt Kundin 1 habe ihren Beitrag beendet Kundin 1 spricht aber weiter wor-aufhin der Verkaumlufer zuruumlckzieht Seine Turnuumlbernahme ist also aufgrund eines Irrtums ge-scheitert Da er aber kurz darauf zu Wort kommt stellt diese Situation kein Problem fuumlr das Gespraumlch dar Unterbrechungen bei denen sich die Sprecher gegenseitig das Rederecht streitig machen oder laumlngere Pausen als Anzeichen fuumlr Dissens kommen nicht vor Insge-samt zeigt sich der Gespraumlchsausschnitt unter diesem Aspekt als dynamische aber geord-nete und konfliktfreie Phase

Kooperativitaumlt Alle drei Gespraumlchsteilnehmer erfuumlllen grundsaumltzliche kommunikative Ver-pflichtungen (Folgeerwartungen) wenn sie zum Beispiel Fragen beantworten und Bitten er-fuumlllen oder begruumlndet zuruumlckweisen Sie schaffen mit dieser Bereitschaft zur Kooperation die Voraussetzung dass das Gespraumlch uumlberhaupt funktionieren kann Es faumlllt aber auf dass Kundin 2 hier noch weiter geht als der Verkaumlufer und Kundin 1 die mit ihren zum Teil wider-streitenden Interessen vor allem die thematische Entwicklung des Gespraumlchsabschnitts be-einflussen Kundin 2 unterstuumltzt Kundin 1 wenn sie deren Empfehlungswunsch ergaumlnzt bdquoVon der Pflege im im Topfldquo [92] und die Abwertung der Ware unterstreicht bdquoJaacute jagrave dann is nich mehr viel neldquo [106] Sie unterstuumltzt aber auch den Verkaumlufer dessen Ausfuumlhrungen sie haumlufig mit zustimmenden Houmlrerreaktionen wie bdquogenauldquo bdquojaldquo und bdquohmldquo versieht Bei der Beur-teilung der Lichtverhaumlltnisse am Standort uumlbernimmt sie die Deutung des Verkaumlufers Und schlieszliglich greift sie das von Kundin 1 initiierte und vom Verkaumlufer fortgesetzte Spiel mit der Vorstellung sich in eine Pflanze zu versetzen auf bdquoIch kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht so viel Sonne habenldquo [99]

Dass der Verkaumlufer Kundin 1 eine persoumlnliche Empfehlung verweigert ist ungewoumlhnlich Er verstoumlszligt damit gegen die Maxime der Kooperativitaumlt in der Interaktion (gibt bzw sagt dem Kunden nicht das was er haben beziehungsweise houmlren will) Moumlglicherweise bestimmen Uumlberlegungen sein Verhalten die in einem Verkaufskundebuch so formuliert werden bdquoAch-

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 9

[113] V trotzdem farblich Akzentuierte mit Herbstfaumlrbung Versehene Ja Und da oben das auch aumlhm sagen wer K i n 2 Ja Ja [114]

V etwas Akkuratere Formalere Kin1 Deshalb wuumlrd ich jetz kein Hoch Wenn ich bei ner Glanzmispel wenn ich ne Kin2 Ja Sie is Kein [115]

V Das is K i n 1 Glanz wuumlrd ich kein Hochbaumlumchen nehmen Ich wuumlrde nen Busch nehmen Kin2 Hochbaumlumchen Die Buschen sind aber

24 Wie kann man Gespraumlche analysieren

An Transkripten lassen sich strukturelle und funktionale Besonderheiten muumlndlicher Kommu-nikation herausarbeiten zB Was sind die Zwecke bestimmter Gespraumlche oder Handlungs-muster Erfuumlllen diese hier ihre Funktionen Welche einzelnen kommunikativen Aufgaben stellen sich den Beteiligten Wie bearbeiten sie diese und mit welchem Erfolg Welche Prob-leme entstehen dabei Mit welchen Konsequenzen Welche Loumlsungsversuche unternehmen die Beteiligten und wie gelingen diese Methoden der Arbeit mit Transkripten und leitende Fragestellungen sind in Bruumlnner (idBd) dargestellt Fuumlr Unterrichtszwecke besonders ge-eignet sind ndash als primaumlr analytische Zugaumlnge ndash die Einzelfallanalyse und die fragegeleitete Transkriptanalyse

Bei der Einzelfallanalyse wird die Entwicklung des Gespraumlchs sequenziell von seinem Beginn bis zu seinem Ende Aumluszligerung fuumlr Aumluszligerung Einheit fuumlr Einheit nachgezeichnet Fuumlr jede Aumluszligerung wird eine inhaltliche Paraphrase gegeben und bestimmt wie sie das Gespraumlch thematisch fortfuumlhrt was fuumlr eine Handlung mit ihr vollzogen wird welche Funktion(en) sie an dieser Stelle des Gespraumlchs hat und welche (grammatischen stilistischen prosodischen usw) Besonderheiten die Form der Aumluszligerung uU aufweist Auf diese Weise koumlnnen die Gliederung die wesentlichen Themen und Handlungseinheiten des Gespraumlchs rekonstruiert werden und es lassen sich aus den im Datenmaterial beobachteten Auffaumllligkeiten heraus Analysefragen entwickeln

Bei der fragegeleiteten Transkriptanalyse (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) orientiert man sich an bereits vorformulierten Fragestellungen und richtet einen entsprechenden Fokus auf be-stimmte Transkriptstellen Phaumlnomene oder Problemlagen im Transkript (zB Wie gestalten Verkaumlufer und Kunde ihre Beziehung oder Wie wird mit Einwaumlnden des Kunden umgegan-gen oder Wie werden Scherzen und Lachen fuumlr die Bearbeitung von Gespraumlchsproblemen eingesetzt) Es werden fuumlr die Leitfrage relevante Belegstellen gesucht detailliert analysiert und in Beziehung zueinander gesetzt oder es werden unterschiedliche Beispiele fuumlr ein Phaumlnomen gesammelt verglichen und nach verschiedenen Faumlllen typisiert Dabei ist die Ar-beit mit mehreren Transkripten von Vorteil weil sie Kontrastierungen und Verallgemeinerun-gen uumlber den Einzelfall hinaus erlaubt

Anwendungsbezogene Fragestellungen lassen sich anschlieszligen indem zB Kommunikati-onsprobleme identifiziert und in ihren Konsequenzen beschrieben werden indem Loumlsungs-versuche der Beteiligten im Gespraumlch rekonstruiert in ihren Auswirkungen Vor- und Nachtei-

Bruumlnner_Weber_12 10

len bewertet und auch alternative Loumlsungsmoumlglichkeiten diskutiert werden Solche alternati-ven Loumlsungen kann man Schuumller im Nachspielen des Gespraumlchs konkret ausprobieren las-sen und dabei beobachten wie sich das Gespraumlch dann entwickelt Auf diesem Wege lassen sich auch Handlungsempfehlungen fuumlr Gespraumlche bzw bestimmte Gespraumlchstypen oder ndashsituationen ableiten

Ein primaumlr handelnder Zugang der sich in Ergaumlnzung zu den analytischen Methoden sinnvoll einsetzen laumlsst ist die Simulation authentischer Faumllle (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) Es handelt sich um eine besondere Art des Rollenspiels bei der die Rollen und Handlungsbe-dingungen nach der Vorlage eines authentischen Gespraumlchs vorgegeben werden so dass die Gefahr von unrealistischen bdquoTheater-Effektenldquo reduziert wird Die Schuumller versuchen die gemeinsam erarbeiteten Handlungsempfehlungen in der Simulation authentischer Faumllle prak-tisch umzusetzen und auszuprobieren und erfahren dabei die in einer konkreten Interaktion mit ihnen verbundenen Chancen und Schwierigkeiten Sie koumlnnen ihre Versuche aufzeich-nen und anschlieszligend mit den im zugrunde liegenden authentischen Gespraumlch vorkommen-den kommunikativen Handlungsweisen vergleichen sie kontrastiv diskutieren bewerten usw Hier zeigt sich dann dass es in der Regel nicht nur die eine optimale Form gibt die immer passt und die rezeptartig gelernt werden kann Interaktion bedeutet vielmehr flexibles Han-deln das sich nicht nur an den eigenen Zielen und Moumlglichkeiten sondern auch am Handeln des Gespraumlchspartners orientieren muss

Wie sich mit Transkripten im Unterricht arbeiten laumlsst demonstrieren die Unterrichtsreihen Becker-MrotzekBruumlnner (2002) und (2006) FiehlerSchmitt (2004) geben eine methodisch gut nutzbare Analyse eines Anrufs bei einem Bauunternehmen sie zeigen an diesem Bei-spiel wie sich die in der Wirtschaft oft beschworene Kundenorientierung im konkreten Ge-spraumlchsverhalten zeigt ndash bzw eben nicht zeigt

Eine Reduktion der Komplexitaumlt von Gespraumlchen kann fuumlr den Unterricht manchmal nuumltzlich oder notwendig sein Dann bietet sich an bestimmte wiederkehrende Gespraumlchsaufgaben oder Elemente aus den Gespraumlchen fuumlr die Analyse auszuwaumlhlen Dazu gehoumlren sprachliche Handlungsmuster dh standardisierte Ablaufformen zur Verwirklichung bestimmter gesell-schaftlicher Zwecke (EhlichRehbein 1986) wie zB Frage-Antwort Auskunft einho-lengeben Anliegen vorbringenexplorieren Erklaumlren (der Funktionsweise eines Geraumltes des Sinns einer Maszlignahme) Begruumlnden Anleiten oder Rat suchengeben (zum Handlungsmus-ter Einwand behandeln su) Sprachliche Handlungsmuster sehen bestimmte (mentale und sprachliche) Handlungen in einer bestimmten sequenziellen Abfolge und Verteilung auf die Interaktanten vor sie stellen eine Art inneres Drehbuch fuumlr die Gespraumlchsteilnehmer dar und beinhalten bestimmte Erwartungen an ihr sprachliches Handeln

3 Beispielanalyse des Verkaufsgespraumlchs bdquoGlanzmispelldquo

Der folgende Abschnitt gibt mit der Analyse des Transkripts bdquoGlanzmispelldquo ein Beispiel dafuumlr wie Gespraumlche mit den Mitteln der Gespraumlchsforschung in einer Form untersucht werden koumlnnen die auch im Unterricht praktikabel ist

Verkaufsgespraumlche bieten sich als Untersuchungsgegenstand an weil es sich um einen gut bekannten und zugleich gesellschaftlich und beruflich bedeutsamen Gespraumlchstyp handelt der in vielen Variationen existiert (face-to-face oder am Telefon unter Nutzung von Ge-

Bruumlnner_Weber_12 11

spraumlchsleitfaumlden differierende Produkte usw) und oft unterschiedliche Muster umfasst (zB Argumentieren Beraten Praumlsentieren Erklaumlren Einwandbehandlung) Das im Folgenden verwendete Beispiel stellt somit einerseits Besonderheiten beruflicher Kommunikation vor andererseits beruumlcksichtigt es die Erfahrungswelt der Schuumllerinnen und Schuumller (als Kunden oder auch schon als junge Verkaumlufer)

31 Welche Merkmale von Muumlndlichkeit weist der Gespraumlchsausschnitt auf

Bevor im Rahmen der fragegeleiteten Transkriptanalyse der Individualitaumlt des Ge-spraumlchsausschnitts Rechnung getragen wird dient er zunaumlchst als Beispiel an dem sich vie-le Merkmale von Muumlndlichkeit aufzeigen lassen (ausfuumlhrlich dazu Fiehler 2005) Schon in den ersten Aumluszligerungen sind eine Reihe von Auffaumllligkeiten in Formulierung und Satzbau festzustellen die typisch fuumlr muumlndliche Kommunikation sind Die Ziffern verweisen auf die Partiturflaumlchen des Transkripts Die genaue Betrachtung soll Schuumller auf die Besonderheiten gesprochener Sprache aufmerksam machen und fuumlr die Unterschiede zur Schriftsprache sensibilisieren

bdquoJā So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen allesldquo [89] Die Sprecherin leitet ihre Aumluszligerung mit den Partikeln bdquojaldquo und bdquosoldquo ein die hier eine Gliederungsfunktion uuml-bernehmen Sie macht kurze Pausen und produziert einen Abbruch was beides auf Pla-nungsprobleme bei der Formulierung hinweist Durch Wiederholung des betonten bdquoallesldquo macht sie deutlich dass fuumlr sie die vorangegangene Informationsvermittlung durch den Ver-kaumlufer abgeschlossen ist bdquoJagrave das is erst mal die Sache erst mal aumlh sagen wer malldquo [89f] Die Emphase der Kundin beantwortet der Verkaumlufer seinerseits mit einer Wiederholung Mit seinem zweifachen bdquoerst malldquo verstaumlrkt durch die abschlieszligende Redewendung bdquosagen wer malldquo zeigt er dass er die Wissensvermittlung und Warenpraumlsentation noch ausdehnen koumlnn-te Auch Kundin 1 unterstreicht die Bedeutung ihres Beitrags in besonderer Weise Sie pro-duziert eine reformulierende Erweiterung im Nachsatz bdquoJagrave und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabeildquo [90] Woraufhin der Verkaumlufer seine eher ab-schwaumlchende Zustimmung durch die Verwendung des Konjunktivs und der Fuumlllwoumlrter bdquojetztldquo und bdquowiederldquo ausdruumlckt bdquoJagrave das waumlr jetzt wieder en anderer Charakterldquo [90]

All dies sind Mittel mit denen die Sprecher spontan deutlich machen wie sie ihre Aumluszligerun-gen verstanden wissen wollen In den folgenden Partiturflaumlchen finden sich weitere Merkmale gesprochener Sprache in den Bereichen Lautlichkeit Lexik und Syntax Typisch fuumlr muumlndli-che Alltagskommunikation sind umgangssprachliche Abweichungen von der Standardlau-tung wie sie an den folgenden und vielen anderen Stellen zu beobachten sind bdquoWuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [95] (Abschwaumlchung des bdquoSieldquo zu bdquoSeldquo Wegfall des Vokals bdquoeldquo in der Endsilbe bei bdquoeingehnldquo Wegfall des Diphthongs bdquoeildquo beim unbestimmten Artikel) bdquodas isldquo [89] (Wegfall des auslautenden Konsonanten bdquotldquo) bdquoJetzt ham werldquo [89] (Assimilation bei bdquohamldquo Abschwaumlchung bei bdquowerldquo) bdquowenn Ses so betrachtenldquo (Verschmelzung von bdquoSieldquo und bdquoesldquo) An einer Stelle faumlllt auch als besondere Lautform eine regional gefaumlrbte Aussprache auf bdquoSon bisgenldquo [89]

Weitere Merkmale von Muumlndlichkeit im Transkript sind Verzoumlgerungspartikeln bdquoaumlhldquo [91] bdquoaumlhmldquo [103] unwillkuumlrliche Wiederholungen bdquoim im Topfldquo [92] Ruumlckversicherungspartikeln bdquojaldquo [102] bdquoneldquo [106] und paralinguale (dh sprachbegleitende stimmliche) Phaumlnomene

Bruumlnner_Weber_12 12

zB ((lacht)) [103] Die Bedeutung der Partikeln bdquojaldquo und bdquoneeldquo haumlngt von der Art der Aus-sprache (Intonation = Tonhoumlhenverlauf) ab Ist die Intonation steigend werden sie als Frage verwendet ist sie das nicht druumlcken sie Zustimmung bzw Ablehnung aus Um diese Unter-schiede deutlich zu machen koumlnnen Satzzeichen (Punkt Frage- oder Ausrufezeichen) oder Striche uumlber dem Wort (rechts- bzw linksseitiger Schraumlgstrich) verwendet werden

Mit Kurzkommentaren wie bdquoGenauldquo [97] und den Interjektionen bdquoJaldquo [100] und bdquoHmldquo [107] zeigt vor allem Kundin 2 dass sie aufmerksam zuhoumlrt Da bdquohmldquo sehr unterschiedlich gemeint sein kann ist es hier besonders wichtig die Intonation zu notieren (Bedeutungen fallend bdquodas ist ja merkwuumlrdigldquo steigend bdquowieso das dennldquo fallend-steigend bdquoeinverstandenldquo gleichbleibend bdquovielleicht aberldquo) Solche Houmlreraktivitaumlten die keine eigenen Redebeitraumlge sind und auch nonverbal realisiert werden koumlnnen sind wichtig fuumlr den Sprecher da sie ihm zeigen ob sein Gegenuumlber versteht und akzeptiert und wie er emotional Anteil nimmt

Mit deiktischen Formulierungen (vermutlich in Verbindung mit Zeigegesten in Blickrichtung der Sprecherin) wird auf in Rede stehende Gegenstaumlnde verwiesen bdquoGuck dir den Busch mal anldquo [106] bdquoIch meine engere Wahl is derldquo [110] Da diese Aussagen ohne optische Zu-satzinformationen nicht interpretierbar sind kann der Transkriptleser nicht nachvollziehen welche Pflanzen gemeint sind

Die Aumluszligerung bdquoIm Topf und im Schattenldquo [92] stellt eine Ellipse dar die nur verstaumlndlich ist weil die Sprecherin bei der Satzkonstruktion auf ihre Vorrednerin Bezug nimmt Diese hatte den Verkaumlufer gefragt welche Pflanzen er empfehlen koumlnne hinsichtlich Pflegeleichtigkeit bdquoim im Topfldquo [92] Daran kann die Sprecherin anknuumlpfen ohne selbst einen vollstaumlndigen Satz bilden zu muumlssen

Abbruumlche wie bdquoDa man sie nichtldquo [93] (ohne Fortsetzung) oder bdquoNee es is es is Drei Stun-den is Sonneldquo [93] (mit Fortsetzung) sind als Formulierungsverfahren genauso normal wie Korrekturen bdquoan sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [105]

Die genannten Erscheinungen sind insgesamt Beispiele fuumlr typische Merkmale des Muumlndli-chen und in ihrer Abweichung von der Schriftsprache nicht als negativ zu bewerten Sie sind kontextspezifische Anpassungen an die Gespraumlchssituation und in der Regel funktional

32 Fragegeleitete Transkriptanalyse

Im Rahmen der (hier nicht wiedergegebenen) Sequenzanalyse (= Schritt-fuumlr-Schritt-Analyse) des Gespraumlchsausschnitts wurden die sprachlichen Handlungen bestimmt und Auffaumllligkeiten auf den verschiedenen Ebenen bzw Dimensionen des Gespraumlchs (s Bruumlnner idBd Sxxx) festgestellt Auf dieser Grundlage wurden die im Folgenden behandelten Analysefragen ent-wickelt

Welche kommunikativen Aufgaben bearbeiten die Gespraumlchsteilnehmer

Die Sequenzanalyse legt nahe den Gespraumlchsabschnitt in fuumlnf Phasen aufzuteilen in denen die Gespraumlchsteilnehmer unterschiedliche kommunikative Aufgaben bearbeiten Kundin 1 wuumlnscht eine persoumlnliche Empfehlung des Verkaumlufers (Phase 1 89-93) der aber korrigiert zunaumlchst die Fehleinschaumltzung der Wachstumsbedingungen am Standort durch die Kundin (Phase 2 93-100) Nachdem die Kundin den Verkaumlufer noch einmal um eine persoumlnliche

Bruumlnner_Weber_12 13

Empfehlung gebeten hat lehnt dieser das ab und gibt stattdessen Wareninformationen (Pha-se 3 100-106) Auf einen Wareneinwand den Kundin 1 aumluszligert geht der Verkaumlufer nur kurz ein (Phase 4 106-110) Als Kundin 2 die Zahl der fuumlr sie in Frage kommenden Pflanzen auf zwei eingrenzt gibt der Verkaumlufer diesbezuumlgliche Wareninformationen (Phase 5 110 ff)

Abb 3 Kommunikative Aufgaben im Gespraumlchsabschnitt

Handlungsstruktur

Phase 1 3 und 5 stehen miteinander in Beziehung und bilden den Haupthandlungsstrang der durch zwei Einschuumlbe (Phase 2 und 4) (schattiert dargestellt) unterbrochen ist Der Ge-spraumlchsabschnitt zeigt also einen geschachtelten Aufbau In die Bemuumlhungen der Kundin 1 zu einer Kaufentscheidung zu finden sind sowohl die Intervention des Verkaumlufers (Begriffs-zuschreibung bdquoHalbschattenldquo) als auch der Kundeneinwand (Unattraktivitaumlt der abgebluumlhten Pflanze) eingebettet Es stoszligen unterschiedliche Gespraumlchsanliegen aufeinander sie koumlnnen aber verknuumlpft werden weil die Gespraumlchspartner zum Teil kooperativ aufeinander eingehen Die Kundin laumlsst sich belehren sie nimmt das Informationsangebot des Verkaumlufers an dieser wiederum akzeptiert den Einwand

Da in der Gespraumlchssequenz verschiedene kommunikative Aufgaben ineinander verflochten sind ist die Situation vielschichtig und mit erhoumlhten Anforderungen an die Reaktionsfaumlhigkeit des Verkaumlufers verbunden Er muss in rascher Folge unterschiedliche Handlungsmuster rea-lisieren Informieren Korrigieren Erklaumlren Argumentieren Einwand behandeln Bei der Dar-stellung des Aufbaus von Verkaufsgespraumlchen in den Verkaufskunde-Schulbuumlchern wird meist der Eindruck erweckt dass Phasen deutlich getrennt aufeinander folgen und von den Gespraumlchspartnern der Reihe nach abgearbeitet werden Die Wirklichkeit stellt sich aber in der Regel komplexer dar

Welche Maszlignahmen zur Gespraumlchsorganisation und Kooperation fuumlhren die Ge-spraumlchsteilnehmer durch

Bruumlnner_Weber_12 14

Abb 4 Themensteuerung im Gespraumlchsschritt

Themensteuerung Zentraler Gegenstand des Gespraumlchsausschnitts ist die Kaufentschei-dung der Kundin 1 In Phase 1 fuumlhrt sie als Thema 1 ihren Wunsch nach einer persoumlnlichen Kaufempfehlung durch den Verkaumlufer hinsichtlich der in Frage kommenden Pflanzen ein Sie bringt ihr Anliegen in Frageform vor bdquoUnd welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmenldquo [91] Die Reaktion des Verkaumlufers in Phase 2 ist aber nicht responsiv denn er kommt der Aufforderung der Kundin die eine spezifische Folgehandlung erwartbar macht nicht nach Er wird stattdessen selber initiativ wenn er unvermittelt Thema 2 (Standorteinschaumltzung) ein-fuumlhrt

In Phase 3 kehrt Kundin 1 zuruumlck zu Thema 1 sie insistiert auf einer Empfehlung worauf der Verkaumlufer teilresponsiv antwortet Er bietet als Ersatz fuumlr eine Empfehlung eine Sachinforma-tion und Metakommunikation Das heiszligt er verhaumllt sich nicht voumlllig unkooperativ aber auch nicht so wie die Kundin es erwartet hat

Ohne Uumlbergang fuumlhrt Kundin 1 in Phase 4 Thema 3 neu ein sie erhebt vehement einen Ein-wand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie verbluumlht ist Die Vermutung liegt nahe dass diese Aumluszligerung nicht eine Nebense-quenz ist sondern als Ausgrenzung nicht in Frage kommender Ware einen Schritt bei der Entscheidungsfindung der Kundin darstellt Der Verkaumlufer verhaumllt sich responsiv und akzep-tiert den Einwand In Phase 5 kehrt Kundin 2 zuruumlck zu Thema 1 grenzt von sich aus die Warenauswahl ein und gibt so dem Verkaumlufer die Moumlglichkeit darauf mit zusaumltzlichen Wa-reninformationen einzugehen (ohne einen Ratschlag geben zu muumlssen)

Bei der Themensteuerung ist also vor allem Kundin 1 initiativ in geringerem Maszlige aber auch der Verkaumlufer Kundin 2 spielt hier eine untergeordnete Rolle

Bruumlnner_Weber_12 15

Sprecherwechsel Da in einem Verkaufsgespraumlch keine besonderen Regeln zur Rederechts-verteilung zu beachten sind koumlnnen sich hier die Gespraumlchspartner gleichberechtigt am Ge-spraumlch beteiligen Meistens melden sie sich mittels Selbstwahl zu Wort [Kundin 89 Verkaumlu-fer 89 uouml] aber auch nach Fremdwahl wenn sie zum Beispiel auf Fragen reagieren [Ver-kaumlufer 100]

Die Wechsel von einem zum anderen Sprecher sind meistens glatt Sogar bei einem abrup-ten Themenwechsel wartet Kundin 1 geduldig den Uumlbernahmepunkt (Satzende) ab [106] Kleine Uumlberlappungen gibt es zwar sie sind aber nicht Ausdruck von Aumlrger und Konfrontati-on sondern von eifriger Zustimmung und engagierter Gespraumlchsbeteiligung [Verkaumlufer ndash Kundin 2 90 Verkaumlufer ndash Kundin 1 91 uouml] Auch bei anderen Parallelsprechphasen zeigt sich eher kooperatives Uumlberlappen das heiszligt die Turnuumlbernahme wird nicht beansprucht [stuumltzende Kommentare zu den Aussagen des Verkaumlufers durch Kundin 1 99 102 Kundin 2 101] In [110] setzt Kundin 2 allerdings ihren Beitrag durch obwohl der Verkaumlufer auf Kundin 1 antworten wollte Houmlreraktivitaumlten (Rezeptionspartikeln haumlufig bdquojaldquoaber auch bdquohmldquo 107 bdquogenauldquo 97-100) erscheinen meist passgenau nach Sinnabschnitten und als Reaktion auf Ruumlckversicherungssignale (zB bdquojaldquo ndash bdquojaldquo 102 104) All das deutet darauf hin dass die Sprecher sich gut verstehen

Gleichzeitiges Sprechen ist nur an einer Stelle auffaumlllig In [95] beginnt der Verkaumlufer zu re-den weil er glaubt Kundin 1 habe ihren Beitrag beendet Kundin 1 spricht aber weiter wor-aufhin der Verkaumlufer zuruumlckzieht Seine Turnuumlbernahme ist also aufgrund eines Irrtums ge-scheitert Da er aber kurz darauf zu Wort kommt stellt diese Situation kein Problem fuumlr das Gespraumlch dar Unterbrechungen bei denen sich die Sprecher gegenseitig das Rederecht streitig machen oder laumlngere Pausen als Anzeichen fuumlr Dissens kommen nicht vor Insge-samt zeigt sich der Gespraumlchsausschnitt unter diesem Aspekt als dynamische aber geord-nete und konfliktfreie Phase

Kooperativitaumlt Alle drei Gespraumlchsteilnehmer erfuumlllen grundsaumltzliche kommunikative Ver-pflichtungen (Folgeerwartungen) wenn sie zum Beispiel Fragen beantworten und Bitten er-fuumlllen oder begruumlndet zuruumlckweisen Sie schaffen mit dieser Bereitschaft zur Kooperation die Voraussetzung dass das Gespraumlch uumlberhaupt funktionieren kann Es faumlllt aber auf dass Kundin 2 hier noch weiter geht als der Verkaumlufer und Kundin 1 die mit ihren zum Teil wider-streitenden Interessen vor allem die thematische Entwicklung des Gespraumlchsabschnitts be-einflussen Kundin 2 unterstuumltzt Kundin 1 wenn sie deren Empfehlungswunsch ergaumlnzt bdquoVon der Pflege im im Topfldquo [92] und die Abwertung der Ware unterstreicht bdquoJaacute jagrave dann is nich mehr viel neldquo [106] Sie unterstuumltzt aber auch den Verkaumlufer dessen Ausfuumlhrungen sie haumlufig mit zustimmenden Houmlrerreaktionen wie bdquogenauldquo bdquojaldquo und bdquohmldquo versieht Bei der Beur-teilung der Lichtverhaumlltnisse am Standort uumlbernimmt sie die Deutung des Verkaumlufers Und schlieszliglich greift sie das von Kundin 1 initiierte und vom Verkaumlufer fortgesetzte Spiel mit der Vorstellung sich in eine Pflanze zu versetzen auf bdquoIch kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht so viel Sonne habenldquo [99]

Dass der Verkaumlufer Kundin 1 eine persoumlnliche Empfehlung verweigert ist ungewoumlhnlich Er verstoumlszligt damit gegen die Maxime der Kooperativitaumlt in der Interaktion (gibt bzw sagt dem Kunden nicht das was er haben beziehungsweise houmlren will) Moumlglicherweise bestimmen Uumlberlegungen sein Verhalten die in einem Verkaufskundebuch so formuliert werden bdquoAch-

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 10

len bewertet und auch alternative Loumlsungsmoumlglichkeiten diskutiert werden Solche alternati-ven Loumlsungen kann man Schuumller im Nachspielen des Gespraumlchs konkret ausprobieren las-sen und dabei beobachten wie sich das Gespraumlch dann entwickelt Auf diesem Wege lassen sich auch Handlungsempfehlungen fuumlr Gespraumlche bzw bestimmte Gespraumlchstypen oder ndashsituationen ableiten

Ein primaumlr handelnder Zugang der sich in Ergaumlnzung zu den analytischen Methoden sinnvoll einsetzen laumlsst ist die Simulation authentischer Faumllle (Becker-MrotzekBruumlnner 2002) Es handelt sich um eine besondere Art des Rollenspiels bei der die Rollen und Handlungsbe-dingungen nach der Vorlage eines authentischen Gespraumlchs vorgegeben werden so dass die Gefahr von unrealistischen bdquoTheater-Effektenldquo reduziert wird Die Schuumller versuchen die gemeinsam erarbeiteten Handlungsempfehlungen in der Simulation authentischer Faumllle prak-tisch umzusetzen und auszuprobieren und erfahren dabei die in einer konkreten Interaktion mit ihnen verbundenen Chancen und Schwierigkeiten Sie koumlnnen ihre Versuche aufzeich-nen und anschlieszligend mit den im zugrunde liegenden authentischen Gespraumlch vorkommen-den kommunikativen Handlungsweisen vergleichen sie kontrastiv diskutieren bewerten usw Hier zeigt sich dann dass es in der Regel nicht nur die eine optimale Form gibt die immer passt und die rezeptartig gelernt werden kann Interaktion bedeutet vielmehr flexibles Han-deln das sich nicht nur an den eigenen Zielen und Moumlglichkeiten sondern auch am Handeln des Gespraumlchspartners orientieren muss

Wie sich mit Transkripten im Unterricht arbeiten laumlsst demonstrieren die Unterrichtsreihen Becker-MrotzekBruumlnner (2002) und (2006) FiehlerSchmitt (2004) geben eine methodisch gut nutzbare Analyse eines Anrufs bei einem Bauunternehmen sie zeigen an diesem Bei-spiel wie sich die in der Wirtschaft oft beschworene Kundenorientierung im konkreten Ge-spraumlchsverhalten zeigt ndash bzw eben nicht zeigt

Eine Reduktion der Komplexitaumlt von Gespraumlchen kann fuumlr den Unterricht manchmal nuumltzlich oder notwendig sein Dann bietet sich an bestimmte wiederkehrende Gespraumlchsaufgaben oder Elemente aus den Gespraumlchen fuumlr die Analyse auszuwaumlhlen Dazu gehoumlren sprachliche Handlungsmuster dh standardisierte Ablaufformen zur Verwirklichung bestimmter gesell-schaftlicher Zwecke (EhlichRehbein 1986) wie zB Frage-Antwort Auskunft einho-lengeben Anliegen vorbringenexplorieren Erklaumlren (der Funktionsweise eines Geraumltes des Sinns einer Maszlignahme) Begruumlnden Anleiten oder Rat suchengeben (zum Handlungsmus-ter Einwand behandeln su) Sprachliche Handlungsmuster sehen bestimmte (mentale und sprachliche) Handlungen in einer bestimmten sequenziellen Abfolge und Verteilung auf die Interaktanten vor sie stellen eine Art inneres Drehbuch fuumlr die Gespraumlchsteilnehmer dar und beinhalten bestimmte Erwartungen an ihr sprachliches Handeln

3 Beispielanalyse des Verkaufsgespraumlchs bdquoGlanzmispelldquo

Der folgende Abschnitt gibt mit der Analyse des Transkripts bdquoGlanzmispelldquo ein Beispiel dafuumlr wie Gespraumlche mit den Mitteln der Gespraumlchsforschung in einer Form untersucht werden koumlnnen die auch im Unterricht praktikabel ist

Verkaufsgespraumlche bieten sich als Untersuchungsgegenstand an weil es sich um einen gut bekannten und zugleich gesellschaftlich und beruflich bedeutsamen Gespraumlchstyp handelt der in vielen Variationen existiert (face-to-face oder am Telefon unter Nutzung von Ge-

Bruumlnner_Weber_12 11

spraumlchsleitfaumlden differierende Produkte usw) und oft unterschiedliche Muster umfasst (zB Argumentieren Beraten Praumlsentieren Erklaumlren Einwandbehandlung) Das im Folgenden verwendete Beispiel stellt somit einerseits Besonderheiten beruflicher Kommunikation vor andererseits beruumlcksichtigt es die Erfahrungswelt der Schuumllerinnen und Schuumller (als Kunden oder auch schon als junge Verkaumlufer)

31 Welche Merkmale von Muumlndlichkeit weist der Gespraumlchsausschnitt auf

Bevor im Rahmen der fragegeleiteten Transkriptanalyse der Individualitaumlt des Ge-spraumlchsausschnitts Rechnung getragen wird dient er zunaumlchst als Beispiel an dem sich vie-le Merkmale von Muumlndlichkeit aufzeigen lassen (ausfuumlhrlich dazu Fiehler 2005) Schon in den ersten Aumluszligerungen sind eine Reihe von Auffaumllligkeiten in Formulierung und Satzbau festzustellen die typisch fuumlr muumlndliche Kommunikation sind Die Ziffern verweisen auf die Partiturflaumlchen des Transkripts Die genaue Betrachtung soll Schuumller auf die Besonderheiten gesprochener Sprache aufmerksam machen und fuumlr die Unterschiede zur Schriftsprache sensibilisieren

bdquoJā So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen allesldquo [89] Die Sprecherin leitet ihre Aumluszligerung mit den Partikeln bdquojaldquo und bdquosoldquo ein die hier eine Gliederungsfunktion uuml-bernehmen Sie macht kurze Pausen und produziert einen Abbruch was beides auf Pla-nungsprobleme bei der Formulierung hinweist Durch Wiederholung des betonten bdquoallesldquo macht sie deutlich dass fuumlr sie die vorangegangene Informationsvermittlung durch den Ver-kaumlufer abgeschlossen ist bdquoJagrave das is erst mal die Sache erst mal aumlh sagen wer malldquo [89f] Die Emphase der Kundin beantwortet der Verkaumlufer seinerseits mit einer Wiederholung Mit seinem zweifachen bdquoerst malldquo verstaumlrkt durch die abschlieszligende Redewendung bdquosagen wer malldquo zeigt er dass er die Wissensvermittlung und Warenpraumlsentation noch ausdehnen koumlnn-te Auch Kundin 1 unterstreicht die Bedeutung ihres Beitrags in besonderer Weise Sie pro-duziert eine reformulierende Erweiterung im Nachsatz bdquoJagrave und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabeildquo [90] Woraufhin der Verkaumlufer seine eher ab-schwaumlchende Zustimmung durch die Verwendung des Konjunktivs und der Fuumlllwoumlrter bdquojetztldquo und bdquowiederldquo ausdruumlckt bdquoJagrave das waumlr jetzt wieder en anderer Charakterldquo [90]

All dies sind Mittel mit denen die Sprecher spontan deutlich machen wie sie ihre Aumluszligerun-gen verstanden wissen wollen In den folgenden Partiturflaumlchen finden sich weitere Merkmale gesprochener Sprache in den Bereichen Lautlichkeit Lexik und Syntax Typisch fuumlr muumlndli-che Alltagskommunikation sind umgangssprachliche Abweichungen von der Standardlau-tung wie sie an den folgenden und vielen anderen Stellen zu beobachten sind bdquoWuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [95] (Abschwaumlchung des bdquoSieldquo zu bdquoSeldquo Wegfall des Vokals bdquoeldquo in der Endsilbe bei bdquoeingehnldquo Wegfall des Diphthongs bdquoeildquo beim unbestimmten Artikel) bdquodas isldquo [89] (Wegfall des auslautenden Konsonanten bdquotldquo) bdquoJetzt ham werldquo [89] (Assimilation bei bdquohamldquo Abschwaumlchung bei bdquowerldquo) bdquowenn Ses so betrachtenldquo (Verschmelzung von bdquoSieldquo und bdquoesldquo) An einer Stelle faumlllt auch als besondere Lautform eine regional gefaumlrbte Aussprache auf bdquoSon bisgenldquo [89]

Weitere Merkmale von Muumlndlichkeit im Transkript sind Verzoumlgerungspartikeln bdquoaumlhldquo [91] bdquoaumlhmldquo [103] unwillkuumlrliche Wiederholungen bdquoim im Topfldquo [92] Ruumlckversicherungspartikeln bdquojaldquo [102] bdquoneldquo [106] und paralinguale (dh sprachbegleitende stimmliche) Phaumlnomene

Bruumlnner_Weber_12 12

zB ((lacht)) [103] Die Bedeutung der Partikeln bdquojaldquo und bdquoneeldquo haumlngt von der Art der Aus-sprache (Intonation = Tonhoumlhenverlauf) ab Ist die Intonation steigend werden sie als Frage verwendet ist sie das nicht druumlcken sie Zustimmung bzw Ablehnung aus Um diese Unter-schiede deutlich zu machen koumlnnen Satzzeichen (Punkt Frage- oder Ausrufezeichen) oder Striche uumlber dem Wort (rechts- bzw linksseitiger Schraumlgstrich) verwendet werden

Mit Kurzkommentaren wie bdquoGenauldquo [97] und den Interjektionen bdquoJaldquo [100] und bdquoHmldquo [107] zeigt vor allem Kundin 2 dass sie aufmerksam zuhoumlrt Da bdquohmldquo sehr unterschiedlich gemeint sein kann ist es hier besonders wichtig die Intonation zu notieren (Bedeutungen fallend bdquodas ist ja merkwuumlrdigldquo steigend bdquowieso das dennldquo fallend-steigend bdquoeinverstandenldquo gleichbleibend bdquovielleicht aberldquo) Solche Houmlreraktivitaumlten die keine eigenen Redebeitraumlge sind und auch nonverbal realisiert werden koumlnnen sind wichtig fuumlr den Sprecher da sie ihm zeigen ob sein Gegenuumlber versteht und akzeptiert und wie er emotional Anteil nimmt

Mit deiktischen Formulierungen (vermutlich in Verbindung mit Zeigegesten in Blickrichtung der Sprecherin) wird auf in Rede stehende Gegenstaumlnde verwiesen bdquoGuck dir den Busch mal anldquo [106] bdquoIch meine engere Wahl is derldquo [110] Da diese Aussagen ohne optische Zu-satzinformationen nicht interpretierbar sind kann der Transkriptleser nicht nachvollziehen welche Pflanzen gemeint sind

Die Aumluszligerung bdquoIm Topf und im Schattenldquo [92] stellt eine Ellipse dar die nur verstaumlndlich ist weil die Sprecherin bei der Satzkonstruktion auf ihre Vorrednerin Bezug nimmt Diese hatte den Verkaumlufer gefragt welche Pflanzen er empfehlen koumlnne hinsichtlich Pflegeleichtigkeit bdquoim im Topfldquo [92] Daran kann die Sprecherin anknuumlpfen ohne selbst einen vollstaumlndigen Satz bilden zu muumlssen

Abbruumlche wie bdquoDa man sie nichtldquo [93] (ohne Fortsetzung) oder bdquoNee es is es is Drei Stun-den is Sonneldquo [93] (mit Fortsetzung) sind als Formulierungsverfahren genauso normal wie Korrekturen bdquoan sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [105]

Die genannten Erscheinungen sind insgesamt Beispiele fuumlr typische Merkmale des Muumlndli-chen und in ihrer Abweichung von der Schriftsprache nicht als negativ zu bewerten Sie sind kontextspezifische Anpassungen an die Gespraumlchssituation und in der Regel funktional

32 Fragegeleitete Transkriptanalyse

Im Rahmen der (hier nicht wiedergegebenen) Sequenzanalyse (= Schritt-fuumlr-Schritt-Analyse) des Gespraumlchsausschnitts wurden die sprachlichen Handlungen bestimmt und Auffaumllligkeiten auf den verschiedenen Ebenen bzw Dimensionen des Gespraumlchs (s Bruumlnner idBd Sxxx) festgestellt Auf dieser Grundlage wurden die im Folgenden behandelten Analysefragen ent-wickelt

Welche kommunikativen Aufgaben bearbeiten die Gespraumlchsteilnehmer

Die Sequenzanalyse legt nahe den Gespraumlchsabschnitt in fuumlnf Phasen aufzuteilen in denen die Gespraumlchsteilnehmer unterschiedliche kommunikative Aufgaben bearbeiten Kundin 1 wuumlnscht eine persoumlnliche Empfehlung des Verkaumlufers (Phase 1 89-93) der aber korrigiert zunaumlchst die Fehleinschaumltzung der Wachstumsbedingungen am Standort durch die Kundin (Phase 2 93-100) Nachdem die Kundin den Verkaumlufer noch einmal um eine persoumlnliche

Bruumlnner_Weber_12 13

Empfehlung gebeten hat lehnt dieser das ab und gibt stattdessen Wareninformationen (Pha-se 3 100-106) Auf einen Wareneinwand den Kundin 1 aumluszligert geht der Verkaumlufer nur kurz ein (Phase 4 106-110) Als Kundin 2 die Zahl der fuumlr sie in Frage kommenden Pflanzen auf zwei eingrenzt gibt der Verkaumlufer diesbezuumlgliche Wareninformationen (Phase 5 110 ff)

Abb 3 Kommunikative Aufgaben im Gespraumlchsabschnitt

Handlungsstruktur

Phase 1 3 und 5 stehen miteinander in Beziehung und bilden den Haupthandlungsstrang der durch zwei Einschuumlbe (Phase 2 und 4) (schattiert dargestellt) unterbrochen ist Der Ge-spraumlchsabschnitt zeigt also einen geschachtelten Aufbau In die Bemuumlhungen der Kundin 1 zu einer Kaufentscheidung zu finden sind sowohl die Intervention des Verkaumlufers (Begriffs-zuschreibung bdquoHalbschattenldquo) als auch der Kundeneinwand (Unattraktivitaumlt der abgebluumlhten Pflanze) eingebettet Es stoszligen unterschiedliche Gespraumlchsanliegen aufeinander sie koumlnnen aber verknuumlpft werden weil die Gespraumlchspartner zum Teil kooperativ aufeinander eingehen Die Kundin laumlsst sich belehren sie nimmt das Informationsangebot des Verkaumlufers an dieser wiederum akzeptiert den Einwand

Da in der Gespraumlchssequenz verschiedene kommunikative Aufgaben ineinander verflochten sind ist die Situation vielschichtig und mit erhoumlhten Anforderungen an die Reaktionsfaumlhigkeit des Verkaumlufers verbunden Er muss in rascher Folge unterschiedliche Handlungsmuster rea-lisieren Informieren Korrigieren Erklaumlren Argumentieren Einwand behandeln Bei der Dar-stellung des Aufbaus von Verkaufsgespraumlchen in den Verkaufskunde-Schulbuumlchern wird meist der Eindruck erweckt dass Phasen deutlich getrennt aufeinander folgen und von den Gespraumlchspartnern der Reihe nach abgearbeitet werden Die Wirklichkeit stellt sich aber in der Regel komplexer dar

Welche Maszlignahmen zur Gespraumlchsorganisation und Kooperation fuumlhren die Ge-spraumlchsteilnehmer durch

Bruumlnner_Weber_12 14

Abb 4 Themensteuerung im Gespraumlchsschritt

Themensteuerung Zentraler Gegenstand des Gespraumlchsausschnitts ist die Kaufentschei-dung der Kundin 1 In Phase 1 fuumlhrt sie als Thema 1 ihren Wunsch nach einer persoumlnlichen Kaufempfehlung durch den Verkaumlufer hinsichtlich der in Frage kommenden Pflanzen ein Sie bringt ihr Anliegen in Frageform vor bdquoUnd welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmenldquo [91] Die Reaktion des Verkaumlufers in Phase 2 ist aber nicht responsiv denn er kommt der Aufforderung der Kundin die eine spezifische Folgehandlung erwartbar macht nicht nach Er wird stattdessen selber initiativ wenn er unvermittelt Thema 2 (Standorteinschaumltzung) ein-fuumlhrt

In Phase 3 kehrt Kundin 1 zuruumlck zu Thema 1 sie insistiert auf einer Empfehlung worauf der Verkaumlufer teilresponsiv antwortet Er bietet als Ersatz fuumlr eine Empfehlung eine Sachinforma-tion und Metakommunikation Das heiszligt er verhaumllt sich nicht voumlllig unkooperativ aber auch nicht so wie die Kundin es erwartet hat

Ohne Uumlbergang fuumlhrt Kundin 1 in Phase 4 Thema 3 neu ein sie erhebt vehement einen Ein-wand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie verbluumlht ist Die Vermutung liegt nahe dass diese Aumluszligerung nicht eine Nebense-quenz ist sondern als Ausgrenzung nicht in Frage kommender Ware einen Schritt bei der Entscheidungsfindung der Kundin darstellt Der Verkaumlufer verhaumllt sich responsiv und akzep-tiert den Einwand In Phase 5 kehrt Kundin 2 zuruumlck zu Thema 1 grenzt von sich aus die Warenauswahl ein und gibt so dem Verkaumlufer die Moumlglichkeit darauf mit zusaumltzlichen Wa-reninformationen einzugehen (ohne einen Ratschlag geben zu muumlssen)

Bei der Themensteuerung ist also vor allem Kundin 1 initiativ in geringerem Maszlige aber auch der Verkaumlufer Kundin 2 spielt hier eine untergeordnete Rolle

Bruumlnner_Weber_12 15

Sprecherwechsel Da in einem Verkaufsgespraumlch keine besonderen Regeln zur Rederechts-verteilung zu beachten sind koumlnnen sich hier die Gespraumlchspartner gleichberechtigt am Ge-spraumlch beteiligen Meistens melden sie sich mittels Selbstwahl zu Wort [Kundin 89 Verkaumlu-fer 89 uouml] aber auch nach Fremdwahl wenn sie zum Beispiel auf Fragen reagieren [Ver-kaumlufer 100]

Die Wechsel von einem zum anderen Sprecher sind meistens glatt Sogar bei einem abrup-ten Themenwechsel wartet Kundin 1 geduldig den Uumlbernahmepunkt (Satzende) ab [106] Kleine Uumlberlappungen gibt es zwar sie sind aber nicht Ausdruck von Aumlrger und Konfrontati-on sondern von eifriger Zustimmung und engagierter Gespraumlchsbeteiligung [Verkaumlufer ndash Kundin 2 90 Verkaumlufer ndash Kundin 1 91 uouml] Auch bei anderen Parallelsprechphasen zeigt sich eher kooperatives Uumlberlappen das heiszligt die Turnuumlbernahme wird nicht beansprucht [stuumltzende Kommentare zu den Aussagen des Verkaumlufers durch Kundin 1 99 102 Kundin 2 101] In [110] setzt Kundin 2 allerdings ihren Beitrag durch obwohl der Verkaumlufer auf Kundin 1 antworten wollte Houmlreraktivitaumlten (Rezeptionspartikeln haumlufig bdquojaldquoaber auch bdquohmldquo 107 bdquogenauldquo 97-100) erscheinen meist passgenau nach Sinnabschnitten und als Reaktion auf Ruumlckversicherungssignale (zB bdquojaldquo ndash bdquojaldquo 102 104) All das deutet darauf hin dass die Sprecher sich gut verstehen

Gleichzeitiges Sprechen ist nur an einer Stelle auffaumlllig In [95] beginnt der Verkaumlufer zu re-den weil er glaubt Kundin 1 habe ihren Beitrag beendet Kundin 1 spricht aber weiter wor-aufhin der Verkaumlufer zuruumlckzieht Seine Turnuumlbernahme ist also aufgrund eines Irrtums ge-scheitert Da er aber kurz darauf zu Wort kommt stellt diese Situation kein Problem fuumlr das Gespraumlch dar Unterbrechungen bei denen sich die Sprecher gegenseitig das Rederecht streitig machen oder laumlngere Pausen als Anzeichen fuumlr Dissens kommen nicht vor Insge-samt zeigt sich der Gespraumlchsausschnitt unter diesem Aspekt als dynamische aber geord-nete und konfliktfreie Phase

Kooperativitaumlt Alle drei Gespraumlchsteilnehmer erfuumlllen grundsaumltzliche kommunikative Ver-pflichtungen (Folgeerwartungen) wenn sie zum Beispiel Fragen beantworten und Bitten er-fuumlllen oder begruumlndet zuruumlckweisen Sie schaffen mit dieser Bereitschaft zur Kooperation die Voraussetzung dass das Gespraumlch uumlberhaupt funktionieren kann Es faumlllt aber auf dass Kundin 2 hier noch weiter geht als der Verkaumlufer und Kundin 1 die mit ihren zum Teil wider-streitenden Interessen vor allem die thematische Entwicklung des Gespraumlchsabschnitts be-einflussen Kundin 2 unterstuumltzt Kundin 1 wenn sie deren Empfehlungswunsch ergaumlnzt bdquoVon der Pflege im im Topfldquo [92] und die Abwertung der Ware unterstreicht bdquoJaacute jagrave dann is nich mehr viel neldquo [106] Sie unterstuumltzt aber auch den Verkaumlufer dessen Ausfuumlhrungen sie haumlufig mit zustimmenden Houmlrerreaktionen wie bdquogenauldquo bdquojaldquo und bdquohmldquo versieht Bei der Beur-teilung der Lichtverhaumlltnisse am Standort uumlbernimmt sie die Deutung des Verkaumlufers Und schlieszliglich greift sie das von Kundin 1 initiierte und vom Verkaumlufer fortgesetzte Spiel mit der Vorstellung sich in eine Pflanze zu versetzen auf bdquoIch kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht so viel Sonne habenldquo [99]

Dass der Verkaumlufer Kundin 1 eine persoumlnliche Empfehlung verweigert ist ungewoumlhnlich Er verstoumlszligt damit gegen die Maxime der Kooperativitaumlt in der Interaktion (gibt bzw sagt dem Kunden nicht das was er haben beziehungsweise houmlren will) Moumlglicherweise bestimmen Uumlberlegungen sein Verhalten die in einem Verkaufskundebuch so formuliert werden bdquoAch-

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 11

spraumlchsleitfaumlden differierende Produkte usw) und oft unterschiedliche Muster umfasst (zB Argumentieren Beraten Praumlsentieren Erklaumlren Einwandbehandlung) Das im Folgenden verwendete Beispiel stellt somit einerseits Besonderheiten beruflicher Kommunikation vor andererseits beruumlcksichtigt es die Erfahrungswelt der Schuumllerinnen und Schuumller (als Kunden oder auch schon als junge Verkaumlufer)

31 Welche Merkmale von Muumlndlichkeit weist der Gespraumlchsausschnitt auf

Bevor im Rahmen der fragegeleiteten Transkriptanalyse der Individualitaumlt des Ge-spraumlchsausschnitts Rechnung getragen wird dient er zunaumlchst als Beispiel an dem sich vie-le Merkmale von Muumlndlichkeit aufzeigen lassen (ausfuumlhrlich dazu Fiehler 2005) Schon in den ersten Aumluszligerungen sind eine Reihe von Auffaumllligkeiten in Formulierung und Satzbau festzustellen die typisch fuumlr muumlndliche Kommunikation sind Die Ziffern verweisen auf die Partiturflaumlchen des Transkripts Die genaue Betrachtung soll Schuumller auf die Besonderheiten gesprochener Sprache aufmerksam machen und fuumlr die Unterschiede zur Schriftsprache sensibilisieren

bdquoJā So Jetzt ham wer Jetzt ham Sie uns alles empfohlen allesldquo [89] Die Sprecherin leitet ihre Aumluszligerung mit den Partikeln bdquojaldquo und bdquosoldquo ein die hier eine Gliederungsfunktion uuml-bernehmen Sie macht kurze Pausen und produziert einen Abbruch was beides auf Pla-nungsprobleme bei der Formulierung hinweist Durch Wiederholung des betonten bdquoallesldquo macht sie deutlich dass fuumlr sie die vorangegangene Informationsvermittlung durch den Ver-kaumlufer abgeschlossen ist bdquoJagrave das is erst mal die Sache erst mal aumlh sagen wer malldquo [89f] Die Emphase der Kundin beantwortet der Verkaumlufer seinerseits mit einer Wiederholung Mit seinem zweifachen bdquoerst malldquo verstaumlrkt durch die abschlieszligende Redewendung bdquosagen wer malldquo zeigt er dass er die Wissensvermittlung und Warenpraumlsentation noch ausdehnen koumlnn-te Auch Kundin 1 unterstreicht die Bedeutung ihres Beitrags in besonderer Weise Sie pro-duziert eine reformulierende Erweiterung im Nachsatz bdquoJagrave und dann kommt noch die Glanzmispel Die kommt auch noch dabeildquo [90] Woraufhin der Verkaumlufer seine eher ab-schwaumlchende Zustimmung durch die Verwendung des Konjunktivs und der Fuumlllwoumlrter bdquojetztldquo und bdquowiederldquo ausdruumlckt bdquoJagrave das waumlr jetzt wieder en anderer Charakterldquo [90]

All dies sind Mittel mit denen die Sprecher spontan deutlich machen wie sie ihre Aumluszligerun-gen verstanden wissen wollen In den folgenden Partiturflaumlchen finden sich weitere Merkmale gesprochener Sprache in den Bereichen Lautlichkeit Lexik und Syntax Typisch fuumlr muumlndli-che Alltagskommunikation sind umgangssprachliche Abweichungen von der Standardlau-tung wie sie an den folgenden und vielen anderen Stellen zu beobachten sind bdquoWuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [95] (Abschwaumlchung des bdquoSieldquo zu bdquoSeldquo Wegfall des Vokals bdquoeldquo in der Endsilbe bei bdquoeingehnldquo Wegfall des Diphthongs bdquoeildquo beim unbestimmten Artikel) bdquodas isldquo [89] (Wegfall des auslautenden Konsonanten bdquotldquo) bdquoJetzt ham werldquo [89] (Assimilation bei bdquohamldquo Abschwaumlchung bei bdquowerldquo) bdquowenn Ses so betrachtenldquo (Verschmelzung von bdquoSieldquo und bdquoesldquo) An einer Stelle faumlllt auch als besondere Lautform eine regional gefaumlrbte Aussprache auf bdquoSon bisgenldquo [89]

Weitere Merkmale von Muumlndlichkeit im Transkript sind Verzoumlgerungspartikeln bdquoaumlhldquo [91] bdquoaumlhmldquo [103] unwillkuumlrliche Wiederholungen bdquoim im Topfldquo [92] Ruumlckversicherungspartikeln bdquojaldquo [102] bdquoneldquo [106] und paralinguale (dh sprachbegleitende stimmliche) Phaumlnomene

Bruumlnner_Weber_12 12

zB ((lacht)) [103] Die Bedeutung der Partikeln bdquojaldquo und bdquoneeldquo haumlngt von der Art der Aus-sprache (Intonation = Tonhoumlhenverlauf) ab Ist die Intonation steigend werden sie als Frage verwendet ist sie das nicht druumlcken sie Zustimmung bzw Ablehnung aus Um diese Unter-schiede deutlich zu machen koumlnnen Satzzeichen (Punkt Frage- oder Ausrufezeichen) oder Striche uumlber dem Wort (rechts- bzw linksseitiger Schraumlgstrich) verwendet werden

Mit Kurzkommentaren wie bdquoGenauldquo [97] und den Interjektionen bdquoJaldquo [100] und bdquoHmldquo [107] zeigt vor allem Kundin 2 dass sie aufmerksam zuhoumlrt Da bdquohmldquo sehr unterschiedlich gemeint sein kann ist es hier besonders wichtig die Intonation zu notieren (Bedeutungen fallend bdquodas ist ja merkwuumlrdigldquo steigend bdquowieso das dennldquo fallend-steigend bdquoeinverstandenldquo gleichbleibend bdquovielleicht aberldquo) Solche Houmlreraktivitaumlten die keine eigenen Redebeitraumlge sind und auch nonverbal realisiert werden koumlnnen sind wichtig fuumlr den Sprecher da sie ihm zeigen ob sein Gegenuumlber versteht und akzeptiert und wie er emotional Anteil nimmt

Mit deiktischen Formulierungen (vermutlich in Verbindung mit Zeigegesten in Blickrichtung der Sprecherin) wird auf in Rede stehende Gegenstaumlnde verwiesen bdquoGuck dir den Busch mal anldquo [106] bdquoIch meine engere Wahl is derldquo [110] Da diese Aussagen ohne optische Zu-satzinformationen nicht interpretierbar sind kann der Transkriptleser nicht nachvollziehen welche Pflanzen gemeint sind

Die Aumluszligerung bdquoIm Topf und im Schattenldquo [92] stellt eine Ellipse dar die nur verstaumlndlich ist weil die Sprecherin bei der Satzkonstruktion auf ihre Vorrednerin Bezug nimmt Diese hatte den Verkaumlufer gefragt welche Pflanzen er empfehlen koumlnne hinsichtlich Pflegeleichtigkeit bdquoim im Topfldquo [92] Daran kann die Sprecherin anknuumlpfen ohne selbst einen vollstaumlndigen Satz bilden zu muumlssen

Abbruumlche wie bdquoDa man sie nichtldquo [93] (ohne Fortsetzung) oder bdquoNee es is es is Drei Stun-den is Sonneldquo [93] (mit Fortsetzung) sind als Formulierungsverfahren genauso normal wie Korrekturen bdquoan sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [105]

Die genannten Erscheinungen sind insgesamt Beispiele fuumlr typische Merkmale des Muumlndli-chen und in ihrer Abweichung von der Schriftsprache nicht als negativ zu bewerten Sie sind kontextspezifische Anpassungen an die Gespraumlchssituation und in der Regel funktional

32 Fragegeleitete Transkriptanalyse

Im Rahmen der (hier nicht wiedergegebenen) Sequenzanalyse (= Schritt-fuumlr-Schritt-Analyse) des Gespraumlchsausschnitts wurden die sprachlichen Handlungen bestimmt und Auffaumllligkeiten auf den verschiedenen Ebenen bzw Dimensionen des Gespraumlchs (s Bruumlnner idBd Sxxx) festgestellt Auf dieser Grundlage wurden die im Folgenden behandelten Analysefragen ent-wickelt

Welche kommunikativen Aufgaben bearbeiten die Gespraumlchsteilnehmer

Die Sequenzanalyse legt nahe den Gespraumlchsabschnitt in fuumlnf Phasen aufzuteilen in denen die Gespraumlchsteilnehmer unterschiedliche kommunikative Aufgaben bearbeiten Kundin 1 wuumlnscht eine persoumlnliche Empfehlung des Verkaumlufers (Phase 1 89-93) der aber korrigiert zunaumlchst die Fehleinschaumltzung der Wachstumsbedingungen am Standort durch die Kundin (Phase 2 93-100) Nachdem die Kundin den Verkaumlufer noch einmal um eine persoumlnliche

Bruumlnner_Weber_12 13

Empfehlung gebeten hat lehnt dieser das ab und gibt stattdessen Wareninformationen (Pha-se 3 100-106) Auf einen Wareneinwand den Kundin 1 aumluszligert geht der Verkaumlufer nur kurz ein (Phase 4 106-110) Als Kundin 2 die Zahl der fuumlr sie in Frage kommenden Pflanzen auf zwei eingrenzt gibt der Verkaumlufer diesbezuumlgliche Wareninformationen (Phase 5 110 ff)

Abb 3 Kommunikative Aufgaben im Gespraumlchsabschnitt

Handlungsstruktur

Phase 1 3 und 5 stehen miteinander in Beziehung und bilden den Haupthandlungsstrang der durch zwei Einschuumlbe (Phase 2 und 4) (schattiert dargestellt) unterbrochen ist Der Ge-spraumlchsabschnitt zeigt also einen geschachtelten Aufbau In die Bemuumlhungen der Kundin 1 zu einer Kaufentscheidung zu finden sind sowohl die Intervention des Verkaumlufers (Begriffs-zuschreibung bdquoHalbschattenldquo) als auch der Kundeneinwand (Unattraktivitaumlt der abgebluumlhten Pflanze) eingebettet Es stoszligen unterschiedliche Gespraumlchsanliegen aufeinander sie koumlnnen aber verknuumlpft werden weil die Gespraumlchspartner zum Teil kooperativ aufeinander eingehen Die Kundin laumlsst sich belehren sie nimmt das Informationsangebot des Verkaumlufers an dieser wiederum akzeptiert den Einwand

Da in der Gespraumlchssequenz verschiedene kommunikative Aufgaben ineinander verflochten sind ist die Situation vielschichtig und mit erhoumlhten Anforderungen an die Reaktionsfaumlhigkeit des Verkaumlufers verbunden Er muss in rascher Folge unterschiedliche Handlungsmuster rea-lisieren Informieren Korrigieren Erklaumlren Argumentieren Einwand behandeln Bei der Dar-stellung des Aufbaus von Verkaufsgespraumlchen in den Verkaufskunde-Schulbuumlchern wird meist der Eindruck erweckt dass Phasen deutlich getrennt aufeinander folgen und von den Gespraumlchspartnern der Reihe nach abgearbeitet werden Die Wirklichkeit stellt sich aber in der Regel komplexer dar

Welche Maszlignahmen zur Gespraumlchsorganisation und Kooperation fuumlhren die Ge-spraumlchsteilnehmer durch

Bruumlnner_Weber_12 14

Abb 4 Themensteuerung im Gespraumlchsschritt

Themensteuerung Zentraler Gegenstand des Gespraumlchsausschnitts ist die Kaufentschei-dung der Kundin 1 In Phase 1 fuumlhrt sie als Thema 1 ihren Wunsch nach einer persoumlnlichen Kaufempfehlung durch den Verkaumlufer hinsichtlich der in Frage kommenden Pflanzen ein Sie bringt ihr Anliegen in Frageform vor bdquoUnd welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmenldquo [91] Die Reaktion des Verkaumlufers in Phase 2 ist aber nicht responsiv denn er kommt der Aufforderung der Kundin die eine spezifische Folgehandlung erwartbar macht nicht nach Er wird stattdessen selber initiativ wenn er unvermittelt Thema 2 (Standorteinschaumltzung) ein-fuumlhrt

In Phase 3 kehrt Kundin 1 zuruumlck zu Thema 1 sie insistiert auf einer Empfehlung worauf der Verkaumlufer teilresponsiv antwortet Er bietet als Ersatz fuumlr eine Empfehlung eine Sachinforma-tion und Metakommunikation Das heiszligt er verhaumllt sich nicht voumlllig unkooperativ aber auch nicht so wie die Kundin es erwartet hat

Ohne Uumlbergang fuumlhrt Kundin 1 in Phase 4 Thema 3 neu ein sie erhebt vehement einen Ein-wand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie verbluumlht ist Die Vermutung liegt nahe dass diese Aumluszligerung nicht eine Nebense-quenz ist sondern als Ausgrenzung nicht in Frage kommender Ware einen Schritt bei der Entscheidungsfindung der Kundin darstellt Der Verkaumlufer verhaumllt sich responsiv und akzep-tiert den Einwand In Phase 5 kehrt Kundin 2 zuruumlck zu Thema 1 grenzt von sich aus die Warenauswahl ein und gibt so dem Verkaumlufer die Moumlglichkeit darauf mit zusaumltzlichen Wa-reninformationen einzugehen (ohne einen Ratschlag geben zu muumlssen)

Bei der Themensteuerung ist also vor allem Kundin 1 initiativ in geringerem Maszlige aber auch der Verkaumlufer Kundin 2 spielt hier eine untergeordnete Rolle

Bruumlnner_Weber_12 15

Sprecherwechsel Da in einem Verkaufsgespraumlch keine besonderen Regeln zur Rederechts-verteilung zu beachten sind koumlnnen sich hier die Gespraumlchspartner gleichberechtigt am Ge-spraumlch beteiligen Meistens melden sie sich mittels Selbstwahl zu Wort [Kundin 89 Verkaumlu-fer 89 uouml] aber auch nach Fremdwahl wenn sie zum Beispiel auf Fragen reagieren [Ver-kaumlufer 100]

Die Wechsel von einem zum anderen Sprecher sind meistens glatt Sogar bei einem abrup-ten Themenwechsel wartet Kundin 1 geduldig den Uumlbernahmepunkt (Satzende) ab [106] Kleine Uumlberlappungen gibt es zwar sie sind aber nicht Ausdruck von Aumlrger und Konfrontati-on sondern von eifriger Zustimmung und engagierter Gespraumlchsbeteiligung [Verkaumlufer ndash Kundin 2 90 Verkaumlufer ndash Kundin 1 91 uouml] Auch bei anderen Parallelsprechphasen zeigt sich eher kooperatives Uumlberlappen das heiszligt die Turnuumlbernahme wird nicht beansprucht [stuumltzende Kommentare zu den Aussagen des Verkaumlufers durch Kundin 1 99 102 Kundin 2 101] In [110] setzt Kundin 2 allerdings ihren Beitrag durch obwohl der Verkaumlufer auf Kundin 1 antworten wollte Houmlreraktivitaumlten (Rezeptionspartikeln haumlufig bdquojaldquoaber auch bdquohmldquo 107 bdquogenauldquo 97-100) erscheinen meist passgenau nach Sinnabschnitten und als Reaktion auf Ruumlckversicherungssignale (zB bdquojaldquo ndash bdquojaldquo 102 104) All das deutet darauf hin dass die Sprecher sich gut verstehen

Gleichzeitiges Sprechen ist nur an einer Stelle auffaumlllig In [95] beginnt der Verkaumlufer zu re-den weil er glaubt Kundin 1 habe ihren Beitrag beendet Kundin 1 spricht aber weiter wor-aufhin der Verkaumlufer zuruumlckzieht Seine Turnuumlbernahme ist also aufgrund eines Irrtums ge-scheitert Da er aber kurz darauf zu Wort kommt stellt diese Situation kein Problem fuumlr das Gespraumlch dar Unterbrechungen bei denen sich die Sprecher gegenseitig das Rederecht streitig machen oder laumlngere Pausen als Anzeichen fuumlr Dissens kommen nicht vor Insge-samt zeigt sich der Gespraumlchsausschnitt unter diesem Aspekt als dynamische aber geord-nete und konfliktfreie Phase

Kooperativitaumlt Alle drei Gespraumlchsteilnehmer erfuumlllen grundsaumltzliche kommunikative Ver-pflichtungen (Folgeerwartungen) wenn sie zum Beispiel Fragen beantworten und Bitten er-fuumlllen oder begruumlndet zuruumlckweisen Sie schaffen mit dieser Bereitschaft zur Kooperation die Voraussetzung dass das Gespraumlch uumlberhaupt funktionieren kann Es faumlllt aber auf dass Kundin 2 hier noch weiter geht als der Verkaumlufer und Kundin 1 die mit ihren zum Teil wider-streitenden Interessen vor allem die thematische Entwicklung des Gespraumlchsabschnitts be-einflussen Kundin 2 unterstuumltzt Kundin 1 wenn sie deren Empfehlungswunsch ergaumlnzt bdquoVon der Pflege im im Topfldquo [92] und die Abwertung der Ware unterstreicht bdquoJaacute jagrave dann is nich mehr viel neldquo [106] Sie unterstuumltzt aber auch den Verkaumlufer dessen Ausfuumlhrungen sie haumlufig mit zustimmenden Houmlrerreaktionen wie bdquogenauldquo bdquojaldquo und bdquohmldquo versieht Bei der Beur-teilung der Lichtverhaumlltnisse am Standort uumlbernimmt sie die Deutung des Verkaumlufers Und schlieszliglich greift sie das von Kundin 1 initiierte und vom Verkaumlufer fortgesetzte Spiel mit der Vorstellung sich in eine Pflanze zu versetzen auf bdquoIch kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht so viel Sonne habenldquo [99]

Dass der Verkaumlufer Kundin 1 eine persoumlnliche Empfehlung verweigert ist ungewoumlhnlich Er verstoumlszligt damit gegen die Maxime der Kooperativitaumlt in der Interaktion (gibt bzw sagt dem Kunden nicht das was er haben beziehungsweise houmlren will) Moumlglicherweise bestimmen Uumlberlegungen sein Verhalten die in einem Verkaufskundebuch so formuliert werden bdquoAch-

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 12

zB ((lacht)) [103] Die Bedeutung der Partikeln bdquojaldquo und bdquoneeldquo haumlngt von der Art der Aus-sprache (Intonation = Tonhoumlhenverlauf) ab Ist die Intonation steigend werden sie als Frage verwendet ist sie das nicht druumlcken sie Zustimmung bzw Ablehnung aus Um diese Unter-schiede deutlich zu machen koumlnnen Satzzeichen (Punkt Frage- oder Ausrufezeichen) oder Striche uumlber dem Wort (rechts- bzw linksseitiger Schraumlgstrich) verwendet werden

Mit Kurzkommentaren wie bdquoGenauldquo [97] und den Interjektionen bdquoJaldquo [100] und bdquoHmldquo [107] zeigt vor allem Kundin 2 dass sie aufmerksam zuhoumlrt Da bdquohmldquo sehr unterschiedlich gemeint sein kann ist es hier besonders wichtig die Intonation zu notieren (Bedeutungen fallend bdquodas ist ja merkwuumlrdigldquo steigend bdquowieso das dennldquo fallend-steigend bdquoeinverstandenldquo gleichbleibend bdquovielleicht aberldquo) Solche Houmlreraktivitaumlten die keine eigenen Redebeitraumlge sind und auch nonverbal realisiert werden koumlnnen sind wichtig fuumlr den Sprecher da sie ihm zeigen ob sein Gegenuumlber versteht und akzeptiert und wie er emotional Anteil nimmt

Mit deiktischen Formulierungen (vermutlich in Verbindung mit Zeigegesten in Blickrichtung der Sprecherin) wird auf in Rede stehende Gegenstaumlnde verwiesen bdquoGuck dir den Busch mal anldquo [106] bdquoIch meine engere Wahl is derldquo [110] Da diese Aussagen ohne optische Zu-satzinformationen nicht interpretierbar sind kann der Transkriptleser nicht nachvollziehen welche Pflanzen gemeint sind

Die Aumluszligerung bdquoIm Topf und im Schattenldquo [92] stellt eine Ellipse dar die nur verstaumlndlich ist weil die Sprecherin bei der Satzkonstruktion auf ihre Vorrednerin Bezug nimmt Diese hatte den Verkaumlufer gefragt welche Pflanzen er empfehlen koumlnne hinsichtlich Pflegeleichtigkeit bdquoim im Topfldquo [92] Daran kann die Sprecherin anknuumlpfen ohne selbst einen vollstaumlndigen Satz bilden zu muumlssen

Abbruumlche wie bdquoDa man sie nichtldquo [93] (ohne Fortsetzung) oder bdquoNee es is es is Drei Stun-den is Sonneldquo [93] (mit Fortsetzung) sind als Formulierungsverfahren genauso normal wie Korrekturen bdquoan sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [105]

Die genannten Erscheinungen sind insgesamt Beispiele fuumlr typische Merkmale des Muumlndli-chen und in ihrer Abweichung von der Schriftsprache nicht als negativ zu bewerten Sie sind kontextspezifische Anpassungen an die Gespraumlchssituation und in der Regel funktional

32 Fragegeleitete Transkriptanalyse

Im Rahmen der (hier nicht wiedergegebenen) Sequenzanalyse (= Schritt-fuumlr-Schritt-Analyse) des Gespraumlchsausschnitts wurden die sprachlichen Handlungen bestimmt und Auffaumllligkeiten auf den verschiedenen Ebenen bzw Dimensionen des Gespraumlchs (s Bruumlnner idBd Sxxx) festgestellt Auf dieser Grundlage wurden die im Folgenden behandelten Analysefragen ent-wickelt

Welche kommunikativen Aufgaben bearbeiten die Gespraumlchsteilnehmer

Die Sequenzanalyse legt nahe den Gespraumlchsabschnitt in fuumlnf Phasen aufzuteilen in denen die Gespraumlchsteilnehmer unterschiedliche kommunikative Aufgaben bearbeiten Kundin 1 wuumlnscht eine persoumlnliche Empfehlung des Verkaumlufers (Phase 1 89-93) der aber korrigiert zunaumlchst die Fehleinschaumltzung der Wachstumsbedingungen am Standort durch die Kundin (Phase 2 93-100) Nachdem die Kundin den Verkaumlufer noch einmal um eine persoumlnliche

Bruumlnner_Weber_12 13

Empfehlung gebeten hat lehnt dieser das ab und gibt stattdessen Wareninformationen (Pha-se 3 100-106) Auf einen Wareneinwand den Kundin 1 aumluszligert geht der Verkaumlufer nur kurz ein (Phase 4 106-110) Als Kundin 2 die Zahl der fuumlr sie in Frage kommenden Pflanzen auf zwei eingrenzt gibt der Verkaumlufer diesbezuumlgliche Wareninformationen (Phase 5 110 ff)

Abb 3 Kommunikative Aufgaben im Gespraumlchsabschnitt

Handlungsstruktur

Phase 1 3 und 5 stehen miteinander in Beziehung und bilden den Haupthandlungsstrang der durch zwei Einschuumlbe (Phase 2 und 4) (schattiert dargestellt) unterbrochen ist Der Ge-spraumlchsabschnitt zeigt also einen geschachtelten Aufbau In die Bemuumlhungen der Kundin 1 zu einer Kaufentscheidung zu finden sind sowohl die Intervention des Verkaumlufers (Begriffs-zuschreibung bdquoHalbschattenldquo) als auch der Kundeneinwand (Unattraktivitaumlt der abgebluumlhten Pflanze) eingebettet Es stoszligen unterschiedliche Gespraumlchsanliegen aufeinander sie koumlnnen aber verknuumlpft werden weil die Gespraumlchspartner zum Teil kooperativ aufeinander eingehen Die Kundin laumlsst sich belehren sie nimmt das Informationsangebot des Verkaumlufers an dieser wiederum akzeptiert den Einwand

Da in der Gespraumlchssequenz verschiedene kommunikative Aufgaben ineinander verflochten sind ist die Situation vielschichtig und mit erhoumlhten Anforderungen an die Reaktionsfaumlhigkeit des Verkaumlufers verbunden Er muss in rascher Folge unterschiedliche Handlungsmuster rea-lisieren Informieren Korrigieren Erklaumlren Argumentieren Einwand behandeln Bei der Dar-stellung des Aufbaus von Verkaufsgespraumlchen in den Verkaufskunde-Schulbuumlchern wird meist der Eindruck erweckt dass Phasen deutlich getrennt aufeinander folgen und von den Gespraumlchspartnern der Reihe nach abgearbeitet werden Die Wirklichkeit stellt sich aber in der Regel komplexer dar

Welche Maszlignahmen zur Gespraumlchsorganisation und Kooperation fuumlhren die Ge-spraumlchsteilnehmer durch

Bruumlnner_Weber_12 14

Abb 4 Themensteuerung im Gespraumlchsschritt

Themensteuerung Zentraler Gegenstand des Gespraumlchsausschnitts ist die Kaufentschei-dung der Kundin 1 In Phase 1 fuumlhrt sie als Thema 1 ihren Wunsch nach einer persoumlnlichen Kaufempfehlung durch den Verkaumlufer hinsichtlich der in Frage kommenden Pflanzen ein Sie bringt ihr Anliegen in Frageform vor bdquoUnd welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmenldquo [91] Die Reaktion des Verkaumlufers in Phase 2 ist aber nicht responsiv denn er kommt der Aufforderung der Kundin die eine spezifische Folgehandlung erwartbar macht nicht nach Er wird stattdessen selber initiativ wenn er unvermittelt Thema 2 (Standorteinschaumltzung) ein-fuumlhrt

In Phase 3 kehrt Kundin 1 zuruumlck zu Thema 1 sie insistiert auf einer Empfehlung worauf der Verkaumlufer teilresponsiv antwortet Er bietet als Ersatz fuumlr eine Empfehlung eine Sachinforma-tion und Metakommunikation Das heiszligt er verhaumllt sich nicht voumlllig unkooperativ aber auch nicht so wie die Kundin es erwartet hat

Ohne Uumlbergang fuumlhrt Kundin 1 in Phase 4 Thema 3 neu ein sie erhebt vehement einen Ein-wand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie verbluumlht ist Die Vermutung liegt nahe dass diese Aumluszligerung nicht eine Nebense-quenz ist sondern als Ausgrenzung nicht in Frage kommender Ware einen Schritt bei der Entscheidungsfindung der Kundin darstellt Der Verkaumlufer verhaumllt sich responsiv und akzep-tiert den Einwand In Phase 5 kehrt Kundin 2 zuruumlck zu Thema 1 grenzt von sich aus die Warenauswahl ein und gibt so dem Verkaumlufer die Moumlglichkeit darauf mit zusaumltzlichen Wa-reninformationen einzugehen (ohne einen Ratschlag geben zu muumlssen)

Bei der Themensteuerung ist also vor allem Kundin 1 initiativ in geringerem Maszlige aber auch der Verkaumlufer Kundin 2 spielt hier eine untergeordnete Rolle

Bruumlnner_Weber_12 15

Sprecherwechsel Da in einem Verkaufsgespraumlch keine besonderen Regeln zur Rederechts-verteilung zu beachten sind koumlnnen sich hier die Gespraumlchspartner gleichberechtigt am Ge-spraumlch beteiligen Meistens melden sie sich mittels Selbstwahl zu Wort [Kundin 89 Verkaumlu-fer 89 uouml] aber auch nach Fremdwahl wenn sie zum Beispiel auf Fragen reagieren [Ver-kaumlufer 100]

Die Wechsel von einem zum anderen Sprecher sind meistens glatt Sogar bei einem abrup-ten Themenwechsel wartet Kundin 1 geduldig den Uumlbernahmepunkt (Satzende) ab [106] Kleine Uumlberlappungen gibt es zwar sie sind aber nicht Ausdruck von Aumlrger und Konfrontati-on sondern von eifriger Zustimmung und engagierter Gespraumlchsbeteiligung [Verkaumlufer ndash Kundin 2 90 Verkaumlufer ndash Kundin 1 91 uouml] Auch bei anderen Parallelsprechphasen zeigt sich eher kooperatives Uumlberlappen das heiszligt die Turnuumlbernahme wird nicht beansprucht [stuumltzende Kommentare zu den Aussagen des Verkaumlufers durch Kundin 1 99 102 Kundin 2 101] In [110] setzt Kundin 2 allerdings ihren Beitrag durch obwohl der Verkaumlufer auf Kundin 1 antworten wollte Houmlreraktivitaumlten (Rezeptionspartikeln haumlufig bdquojaldquoaber auch bdquohmldquo 107 bdquogenauldquo 97-100) erscheinen meist passgenau nach Sinnabschnitten und als Reaktion auf Ruumlckversicherungssignale (zB bdquojaldquo ndash bdquojaldquo 102 104) All das deutet darauf hin dass die Sprecher sich gut verstehen

Gleichzeitiges Sprechen ist nur an einer Stelle auffaumlllig In [95] beginnt der Verkaumlufer zu re-den weil er glaubt Kundin 1 habe ihren Beitrag beendet Kundin 1 spricht aber weiter wor-aufhin der Verkaumlufer zuruumlckzieht Seine Turnuumlbernahme ist also aufgrund eines Irrtums ge-scheitert Da er aber kurz darauf zu Wort kommt stellt diese Situation kein Problem fuumlr das Gespraumlch dar Unterbrechungen bei denen sich die Sprecher gegenseitig das Rederecht streitig machen oder laumlngere Pausen als Anzeichen fuumlr Dissens kommen nicht vor Insge-samt zeigt sich der Gespraumlchsausschnitt unter diesem Aspekt als dynamische aber geord-nete und konfliktfreie Phase

Kooperativitaumlt Alle drei Gespraumlchsteilnehmer erfuumlllen grundsaumltzliche kommunikative Ver-pflichtungen (Folgeerwartungen) wenn sie zum Beispiel Fragen beantworten und Bitten er-fuumlllen oder begruumlndet zuruumlckweisen Sie schaffen mit dieser Bereitschaft zur Kooperation die Voraussetzung dass das Gespraumlch uumlberhaupt funktionieren kann Es faumlllt aber auf dass Kundin 2 hier noch weiter geht als der Verkaumlufer und Kundin 1 die mit ihren zum Teil wider-streitenden Interessen vor allem die thematische Entwicklung des Gespraumlchsabschnitts be-einflussen Kundin 2 unterstuumltzt Kundin 1 wenn sie deren Empfehlungswunsch ergaumlnzt bdquoVon der Pflege im im Topfldquo [92] und die Abwertung der Ware unterstreicht bdquoJaacute jagrave dann is nich mehr viel neldquo [106] Sie unterstuumltzt aber auch den Verkaumlufer dessen Ausfuumlhrungen sie haumlufig mit zustimmenden Houmlrerreaktionen wie bdquogenauldquo bdquojaldquo und bdquohmldquo versieht Bei der Beur-teilung der Lichtverhaumlltnisse am Standort uumlbernimmt sie die Deutung des Verkaumlufers Und schlieszliglich greift sie das von Kundin 1 initiierte und vom Verkaumlufer fortgesetzte Spiel mit der Vorstellung sich in eine Pflanze zu versetzen auf bdquoIch kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht so viel Sonne habenldquo [99]

Dass der Verkaumlufer Kundin 1 eine persoumlnliche Empfehlung verweigert ist ungewoumlhnlich Er verstoumlszligt damit gegen die Maxime der Kooperativitaumlt in der Interaktion (gibt bzw sagt dem Kunden nicht das was er haben beziehungsweise houmlren will) Moumlglicherweise bestimmen Uumlberlegungen sein Verhalten die in einem Verkaufskundebuch so formuliert werden bdquoAch-

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 13

Empfehlung gebeten hat lehnt dieser das ab und gibt stattdessen Wareninformationen (Pha-se 3 100-106) Auf einen Wareneinwand den Kundin 1 aumluszligert geht der Verkaumlufer nur kurz ein (Phase 4 106-110) Als Kundin 2 die Zahl der fuumlr sie in Frage kommenden Pflanzen auf zwei eingrenzt gibt der Verkaumlufer diesbezuumlgliche Wareninformationen (Phase 5 110 ff)

Abb 3 Kommunikative Aufgaben im Gespraumlchsabschnitt

Handlungsstruktur

Phase 1 3 und 5 stehen miteinander in Beziehung und bilden den Haupthandlungsstrang der durch zwei Einschuumlbe (Phase 2 und 4) (schattiert dargestellt) unterbrochen ist Der Ge-spraumlchsabschnitt zeigt also einen geschachtelten Aufbau In die Bemuumlhungen der Kundin 1 zu einer Kaufentscheidung zu finden sind sowohl die Intervention des Verkaumlufers (Begriffs-zuschreibung bdquoHalbschattenldquo) als auch der Kundeneinwand (Unattraktivitaumlt der abgebluumlhten Pflanze) eingebettet Es stoszligen unterschiedliche Gespraumlchsanliegen aufeinander sie koumlnnen aber verknuumlpft werden weil die Gespraumlchspartner zum Teil kooperativ aufeinander eingehen Die Kundin laumlsst sich belehren sie nimmt das Informationsangebot des Verkaumlufers an dieser wiederum akzeptiert den Einwand

Da in der Gespraumlchssequenz verschiedene kommunikative Aufgaben ineinander verflochten sind ist die Situation vielschichtig und mit erhoumlhten Anforderungen an die Reaktionsfaumlhigkeit des Verkaumlufers verbunden Er muss in rascher Folge unterschiedliche Handlungsmuster rea-lisieren Informieren Korrigieren Erklaumlren Argumentieren Einwand behandeln Bei der Dar-stellung des Aufbaus von Verkaufsgespraumlchen in den Verkaufskunde-Schulbuumlchern wird meist der Eindruck erweckt dass Phasen deutlich getrennt aufeinander folgen und von den Gespraumlchspartnern der Reihe nach abgearbeitet werden Die Wirklichkeit stellt sich aber in der Regel komplexer dar

Welche Maszlignahmen zur Gespraumlchsorganisation und Kooperation fuumlhren die Ge-spraumlchsteilnehmer durch

Bruumlnner_Weber_12 14

Abb 4 Themensteuerung im Gespraumlchsschritt

Themensteuerung Zentraler Gegenstand des Gespraumlchsausschnitts ist die Kaufentschei-dung der Kundin 1 In Phase 1 fuumlhrt sie als Thema 1 ihren Wunsch nach einer persoumlnlichen Kaufempfehlung durch den Verkaumlufer hinsichtlich der in Frage kommenden Pflanzen ein Sie bringt ihr Anliegen in Frageform vor bdquoUnd welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmenldquo [91] Die Reaktion des Verkaumlufers in Phase 2 ist aber nicht responsiv denn er kommt der Aufforderung der Kundin die eine spezifische Folgehandlung erwartbar macht nicht nach Er wird stattdessen selber initiativ wenn er unvermittelt Thema 2 (Standorteinschaumltzung) ein-fuumlhrt

In Phase 3 kehrt Kundin 1 zuruumlck zu Thema 1 sie insistiert auf einer Empfehlung worauf der Verkaumlufer teilresponsiv antwortet Er bietet als Ersatz fuumlr eine Empfehlung eine Sachinforma-tion und Metakommunikation Das heiszligt er verhaumllt sich nicht voumlllig unkooperativ aber auch nicht so wie die Kundin es erwartet hat

Ohne Uumlbergang fuumlhrt Kundin 1 in Phase 4 Thema 3 neu ein sie erhebt vehement einen Ein-wand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie verbluumlht ist Die Vermutung liegt nahe dass diese Aumluszligerung nicht eine Nebense-quenz ist sondern als Ausgrenzung nicht in Frage kommender Ware einen Schritt bei der Entscheidungsfindung der Kundin darstellt Der Verkaumlufer verhaumllt sich responsiv und akzep-tiert den Einwand In Phase 5 kehrt Kundin 2 zuruumlck zu Thema 1 grenzt von sich aus die Warenauswahl ein und gibt so dem Verkaumlufer die Moumlglichkeit darauf mit zusaumltzlichen Wa-reninformationen einzugehen (ohne einen Ratschlag geben zu muumlssen)

Bei der Themensteuerung ist also vor allem Kundin 1 initiativ in geringerem Maszlige aber auch der Verkaumlufer Kundin 2 spielt hier eine untergeordnete Rolle

Bruumlnner_Weber_12 15

Sprecherwechsel Da in einem Verkaufsgespraumlch keine besonderen Regeln zur Rederechts-verteilung zu beachten sind koumlnnen sich hier die Gespraumlchspartner gleichberechtigt am Ge-spraumlch beteiligen Meistens melden sie sich mittels Selbstwahl zu Wort [Kundin 89 Verkaumlu-fer 89 uouml] aber auch nach Fremdwahl wenn sie zum Beispiel auf Fragen reagieren [Ver-kaumlufer 100]

Die Wechsel von einem zum anderen Sprecher sind meistens glatt Sogar bei einem abrup-ten Themenwechsel wartet Kundin 1 geduldig den Uumlbernahmepunkt (Satzende) ab [106] Kleine Uumlberlappungen gibt es zwar sie sind aber nicht Ausdruck von Aumlrger und Konfrontati-on sondern von eifriger Zustimmung und engagierter Gespraumlchsbeteiligung [Verkaumlufer ndash Kundin 2 90 Verkaumlufer ndash Kundin 1 91 uouml] Auch bei anderen Parallelsprechphasen zeigt sich eher kooperatives Uumlberlappen das heiszligt die Turnuumlbernahme wird nicht beansprucht [stuumltzende Kommentare zu den Aussagen des Verkaumlufers durch Kundin 1 99 102 Kundin 2 101] In [110] setzt Kundin 2 allerdings ihren Beitrag durch obwohl der Verkaumlufer auf Kundin 1 antworten wollte Houmlreraktivitaumlten (Rezeptionspartikeln haumlufig bdquojaldquoaber auch bdquohmldquo 107 bdquogenauldquo 97-100) erscheinen meist passgenau nach Sinnabschnitten und als Reaktion auf Ruumlckversicherungssignale (zB bdquojaldquo ndash bdquojaldquo 102 104) All das deutet darauf hin dass die Sprecher sich gut verstehen

Gleichzeitiges Sprechen ist nur an einer Stelle auffaumlllig In [95] beginnt der Verkaumlufer zu re-den weil er glaubt Kundin 1 habe ihren Beitrag beendet Kundin 1 spricht aber weiter wor-aufhin der Verkaumlufer zuruumlckzieht Seine Turnuumlbernahme ist also aufgrund eines Irrtums ge-scheitert Da er aber kurz darauf zu Wort kommt stellt diese Situation kein Problem fuumlr das Gespraumlch dar Unterbrechungen bei denen sich die Sprecher gegenseitig das Rederecht streitig machen oder laumlngere Pausen als Anzeichen fuumlr Dissens kommen nicht vor Insge-samt zeigt sich der Gespraumlchsausschnitt unter diesem Aspekt als dynamische aber geord-nete und konfliktfreie Phase

Kooperativitaumlt Alle drei Gespraumlchsteilnehmer erfuumlllen grundsaumltzliche kommunikative Ver-pflichtungen (Folgeerwartungen) wenn sie zum Beispiel Fragen beantworten und Bitten er-fuumlllen oder begruumlndet zuruumlckweisen Sie schaffen mit dieser Bereitschaft zur Kooperation die Voraussetzung dass das Gespraumlch uumlberhaupt funktionieren kann Es faumlllt aber auf dass Kundin 2 hier noch weiter geht als der Verkaumlufer und Kundin 1 die mit ihren zum Teil wider-streitenden Interessen vor allem die thematische Entwicklung des Gespraumlchsabschnitts be-einflussen Kundin 2 unterstuumltzt Kundin 1 wenn sie deren Empfehlungswunsch ergaumlnzt bdquoVon der Pflege im im Topfldquo [92] und die Abwertung der Ware unterstreicht bdquoJaacute jagrave dann is nich mehr viel neldquo [106] Sie unterstuumltzt aber auch den Verkaumlufer dessen Ausfuumlhrungen sie haumlufig mit zustimmenden Houmlrerreaktionen wie bdquogenauldquo bdquojaldquo und bdquohmldquo versieht Bei der Beur-teilung der Lichtverhaumlltnisse am Standort uumlbernimmt sie die Deutung des Verkaumlufers Und schlieszliglich greift sie das von Kundin 1 initiierte und vom Verkaumlufer fortgesetzte Spiel mit der Vorstellung sich in eine Pflanze zu versetzen auf bdquoIch kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht so viel Sonne habenldquo [99]

Dass der Verkaumlufer Kundin 1 eine persoumlnliche Empfehlung verweigert ist ungewoumlhnlich Er verstoumlszligt damit gegen die Maxime der Kooperativitaumlt in der Interaktion (gibt bzw sagt dem Kunden nicht das was er haben beziehungsweise houmlren will) Moumlglicherweise bestimmen Uumlberlegungen sein Verhalten die in einem Verkaufskundebuch so formuliert werden bdquoAch-

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 14

Abb 4 Themensteuerung im Gespraumlchsschritt

Themensteuerung Zentraler Gegenstand des Gespraumlchsausschnitts ist die Kaufentschei-dung der Kundin 1 In Phase 1 fuumlhrt sie als Thema 1 ihren Wunsch nach einer persoumlnlichen Kaufempfehlung durch den Verkaumlufer hinsichtlich der in Frage kommenden Pflanzen ein Sie bringt ihr Anliegen in Frageform vor bdquoUnd welches Also welche wuumlrden Sie jetzt nehmenldquo [91] Die Reaktion des Verkaumlufers in Phase 2 ist aber nicht responsiv denn er kommt der Aufforderung der Kundin die eine spezifische Folgehandlung erwartbar macht nicht nach Er wird stattdessen selber initiativ wenn er unvermittelt Thema 2 (Standorteinschaumltzung) ein-fuumlhrt

In Phase 3 kehrt Kundin 1 zuruumlck zu Thema 1 sie insistiert auf einer Empfehlung worauf der Verkaumlufer teilresponsiv antwortet Er bietet als Ersatz fuumlr eine Empfehlung eine Sachinforma-tion und Metakommunikation Das heiszligt er verhaumllt sich nicht voumlllig unkooperativ aber auch nicht so wie die Kundin es erwartet hat

Ohne Uumlbergang fuumlhrt Kundin 1 in Phase 4 Thema 3 neu ein sie erhebt vehement einen Ein-wand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie verbluumlht ist Die Vermutung liegt nahe dass diese Aumluszligerung nicht eine Nebense-quenz ist sondern als Ausgrenzung nicht in Frage kommender Ware einen Schritt bei der Entscheidungsfindung der Kundin darstellt Der Verkaumlufer verhaumllt sich responsiv und akzep-tiert den Einwand In Phase 5 kehrt Kundin 2 zuruumlck zu Thema 1 grenzt von sich aus die Warenauswahl ein und gibt so dem Verkaumlufer die Moumlglichkeit darauf mit zusaumltzlichen Wa-reninformationen einzugehen (ohne einen Ratschlag geben zu muumlssen)

Bei der Themensteuerung ist also vor allem Kundin 1 initiativ in geringerem Maszlige aber auch der Verkaumlufer Kundin 2 spielt hier eine untergeordnete Rolle

Bruumlnner_Weber_12 15

Sprecherwechsel Da in einem Verkaufsgespraumlch keine besonderen Regeln zur Rederechts-verteilung zu beachten sind koumlnnen sich hier die Gespraumlchspartner gleichberechtigt am Ge-spraumlch beteiligen Meistens melden sie sich mittels Selbstwahl zu Wort [Kundin 89 Verkaumlu-fer 89 uouml] aber auch nach Fremdwahl wenn sie zum Beispiel auf Fragen reagieren [Ver-kaumlufer 100]

Die Wechsel von einem zum anderen Sprecher sind meistens glatt Sogar bei einem abrup-ten Themenwechsel wartet Kundin 1 geduldig den Uumlbernahmepunkt (Satzende) ab [106] Kleine Uumlberlappungen gibt es zwar sie sind aber nicht Ausdruck von Aumlrger und Konfrontati-on sondern von eifriger Zustimmung und engagierter Gespraumlchsbeteiligung [Verkaumlufer ndash Kundin 2 90 Verkaumlufer ndash Kundin 1 91 uouml] Auch bei anderen Parallelsprechphasen zeigt sich eher kooperatives Uumlberlappen das heiszligt die Turnuumlbernahme wird nicht beansprucht [stuumltzende Kommentare zu den Aussagen des Verkaumlufers durch Kundin 1 99 102 Kundin 2 101] In [110] setzt Kundin 2 allerdings ihren Beitrag durch obwohl der Verkaumlufer auf Kundin 1 antworten wollte Houmlreraktivitaumlten (Rezeptionspartikeln haumlufig bdquojaldquoaber auch bdquohmldquo 107 bdquogenauldquo 97-100) erscheinen meist passgenau nach Sinnabschnitten und als Reaktion auf Ruumlckversicherungssignale (zB bdquojaldquo ndash bdquojaldquo 102 104) All das deutet darauf hin dass die Sprecher sich gut verstehen

Gleichzeitiges Sprechen ist nur an einer Stelle auffaumlllig In [95] beginnt der Verkaumlufer zu re-den weil er glaubt Kundin 1 habe ihren Beitrag beendet Kundin 1 spricht aber weiter wor-aufhin der Verkaumlufer zuruumlckzieht Seine Turnuumlbernahme ist also aufgrund eines Irrtums ge-scheitert Da er aber kurz darauf zu Wort kommt stellt diese Situation kein Problem fuumlr das Gespraumlch dar Unterbrechungen bei denen sich die Sprecher gegenseitig das Rederecht streitig machen oder laumlngere Pausen als Anzeichen fuumlr Dissens kommen nicht vor Insge-samt zeigt sich der Gespraumlchsausschnitt unter diesem Aspekt als dynamische aber geord-nete und konfliktfreie Phase

Kooperativitaumlt Alle drei Gespraumlchsteilnehmer erfuumlllen grundsaumltzliche kommunikative Ver-pflichtungen (Folgeerwartungen) wenn sie zum Beispiel Fragen beantworten und Bitten er-fuumlllen oder begruumlndet zuruumlckweisen Sie schaffen mit dieser Bereitschaft zur Kooperation die Voraussetzung dass das Gespraumlch uumlberhaupt funktionieren kann Es faumlllt aber auf dass Kundin 2 hier noch weiter geht als der Verkaumlufer und Kundin 1 die mit ihren zum Teil wider-streitenden Interessen vor allem die thematische Entwicklung des Gespraumlchsabschnitts be-einflussen Kundin 2 unterstuumltzt Kundin 1 wenn sie deren Empfehlungswunsch ergaumlnzt bdquoVon der Pflege im im Topfldquo [92] und die Abwertung der Ware unterstreicht bdquoJaacute jagrave dann is nich mehr viel neldquo [106] Sie unterstuumltzt aber auch den Verkaumlufer dessen Ausfuumlhrungen sie haumlufig mit zustimmenden Houmlrerreaktionen wie bdquogenauldquo bdquojaldquo und bdquohmldquo versieht Bei der Beur-teilung der Lichtverhaumlltnisse am Standort uumlbernimmt sie die Deutung des Verkaumlufers Und schlieszliglich greift sie das von Kundin 1 initiierte und vom Verkaumlufer fortgesetzte Spiel mit der Vorstellung sich in eine Pflanze zu versetzen auf bdquoIch kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht so viel Sonne habenldquo [99]

Dass der Verkaumlufer Kundin 1 eine persoumlnliche Empfehlung verweigert ist ungewoumlhnlich Er verstoumlszligt damit gegen die Maxime der Kooperativitaumlt in der Interaktion (gibt bzw sagt dem Kunden nicht das was er haben beziehungsweise houmlren will) Moumlglicherweise bestimmen Uumlberlegungen sein Verhalten die in einem Verkaufskundebuch so formuliert werden bdquoAch-

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 15

Sprecherwechsel Da in einem Verkaufsgespraumlch keine besonderen Regeln zur Rederechts-verteilung zu beachten sind koumlnnen sich hier die Gespraumlchspartner gleichberechtigt am Ge-spraumlch beteiligen Meistens melden sie sich mittels Selbstwahl zu Wort [Kundin 89 Verkaumlu-fer 89 uouml] aber auch nach Fremdwahl wenn sie zum Beispiel auf Fragen reagieren [Ver-kaumlufer 100]

Die Wechsel von einem zum anderen Sprecher sind meistens glatt Sogar bei einem abrup-ten Themenwechsel wartet Kundin 1 geduldig den Uumlbernahmepunkt (Satzende) ab [106] Kleine Uumlberlappungen gibt es zwar sie sind aber nicht Ausdruck von Aumlrger und Konfrontati-on sondern von eifriger Zustimmung und engagierter Gespraumlchsbeteiligung [Verkaumlufer ndash Kundin 2 90 Verkaumlufer ndash Kundin 1 91 uouml] Auch bei anderen Parallelsprechphasen zeigt sich eher kooperatives Uumlberlappen das heiszligt die Turnuumlbernahme wird nicht beansprucht [stuumltzende Kommentare zu den Aussagen des Verkaumlufers durch Kundin 1 99 102 Kundin 2 101] In [110] setzt Kundin 2 allerdings ihren Beitrag durch obwohl der Verkaumlufer auf Kundin 1 antworten wollte Houmlreraktivitaumlten (Rezeptionspartikeln haumlufig bdquojaldquoaber auch bdquohmldquo 107 bdquogenauldquo 97-100) erscheinen meist passgenau nach Sinnabschnitten und als Reaktion auf Ruumlckversicherungssignale (zB bdquojaldquo ndash bdquojaldquo 102 104) All das deutet darauf hin dass die Sprecher sich gut verstehen

Gleichzeitiges Sprechen ist nur an einer Stelle auffaumlllig In [95] beginnt der Verkaumlufer zu re-den weil er glaubt Kundin 1 habe ihren Beitrag beendet Kundin 1 spricht aber weiter wor-aufhin der Verkaumlufer zuruumlckzieht Seine Turnuumlbernahme ist also aufgrund eines Irrtums ge-scheitert Da er aber kurz darauf zu Wort kommt stellt diese Situation kein Problem fuumlr das Gespraumlch dar Unterbrechungen bei denen sich die Sprecher gegenseitig das Rederecht streitig machen oder laumlngere Pausen als Anzeichen fuumlr Dissens kommen nicht vor Insge-samt zeigt sich der Gespraumlchsausschnitt unter diesem Aspekt als dynamische aber geord-nete und konfliktfreie Phase

Kooperativitaumlt Alle drei Gespraumlchsteilnehmer erfuumlllen grundsaumltzliche kommunikative Ver-pflichtungen (Folgeerwartungen) wenn sie zum Beispiel Fragen beantworten und Bitten er-fuumlllen oder begruumlndet zuruumlckweisen Sie schaffen mit dieser Bereitschaft zur Kooperation die Voraussetzung dass das Gespraumlch uumlberhaupt funktionieren kann Es faumlllt aber auf dass Kundin 2 hier noch weiter geht als der Verkaumlufer und Kundin 1 die mit ihren zum Teil wider-streitenden Interessen vor allem die thematische Entwicklung des Gespraumlchsabschnitts be-einflussen Kundin 2 unterstuumltzt Kundin 1 wenn sie deren Empfehlungswunsch ergaumlnzt bdquoVon der Pflege im im Topfldquo [92] und die Abwertung der Ware unterstreicht bdquoJaacute jagrave dann is nich mehr viel neldquo [106] Sie unterstuumltzt aber auch den Verkaumlufer dessen Ausfuumlhrungen sie haumlufig mit zustimmenden Houmlrerreaktionen wie bdquogenauldquo bdquojaldquo und bdquohmldquo versieht Bei der Beur-teilung der Lichtverhaumlltnisse am Standort uumlbernimmt sie die Deutung des Verkaumlufers Und schlieszliglich greift sie das von Kundin 1 initiierte und vom Verkaumlufer fortgesetzte Spiel mit der Vorstellung sich in eine Pflanze zu versetzen auf bdquoIch kann die Pflanze verstehen Ich kann auch nicht so viel Sonne habenldquo [99]

Dass der Verkaumlufer Kundin 1 eine persoumlnliche Empfehlung verweigert ist ungewoumlhnlich Er verstoumlszligt damit gegen die Maxime der Kooperativitaumlt in der Interaktion (gibt bzw sagt dem Kunden nicht das was er haben beziehungsweise houmlren will) Moumlglicherweise bestimmen Uumlberlegungen sein Verhalten die in einem Verkaufskundebuch so formuliert werden bdquoAch-

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 16

ten Sie immer darauf daszlig Sie dem Kunden nie sagen welchen Artikel Sie persoumlnlich fuumlr sich kaufen wuumlrden Der Kunde kauft dann moumlglicherweise einen Artikel der ihm selbst nicht be-sonders zusagt wird unzufrieden damit und kommt uU beim naumlchsten Kauf nicht mehr zu Ihnenldquo (Collins 1994 50) Der Verkaumlufer orientiert sich also in diesem Sinne an einer Hand-lungsmaxime der Professionalitaumlt Sich so entschieden der Bitte der Kundin zu verweigern ohne dass diese es als Unhoumlflichkeit empfindet ist nur moumlglich weil die Beziehung zwischen Verkaumlufer und Kundin hier gut ausgebaut ist Zwischen den Forderungen nach Professionali-taumlt und Kooperativitaumlt besteht hier offenbar ein Maximenkonflikt Der Verkaumlufer bearbeitet den Maximenkonflikt durch Metakommunikation zu seiner professionellen Haltung Verstehen Sie was ich nehmen wuumlrde das is Geschmacks das beantworte ich auch nie direktldquo [100] und durch Liefern eines Ersatzes bdquoWenn Se sagen Mensch was is am robustesten ja Das waumlr jetz hierldquo [102] Er reformuliert die Frage der Kundin unter einem sachlichen Kriteri-um und beantwortet sie dann

Wie werden Selbstdarstellung und Beziehungsgestaltung der Gespraumlchsteilnehmer realisiert

Bei den Gespraumlchsbeitraumlgen des Verkaumlufers steht Wissensvermittlung im Vordergrund so-wohl bei der Standortbeurteilung die er unverlangt einbringt als auch bei seinen Pflanzen-charakterisierungen Er praktiziert hier eine Form von Beratungstaumltigkeit die auf einer Wei-tergabe von Waren- und Sortimentskenntnissen beruht die sachgerechte Bedarfsermittlung zur Grundlage hat Er unterstreicht damit seine Kompetenz und Glaubwuumlrdigkeit als Experte

Subjektivitaumlt in der Beratung lehnt der Verkaumlufer ab Er ist emotional unbeteiligt besteht auf Fachlichkeit und Objektivitaumlt und handelt routiniert Die Hilfestellung die er der Kundin bieten will besteht darin ihre Entscheidung durch Vermittlung notwendigen Wissens zu unterstuumlt-zen nicht sie ihr abzunehmen

Der Verkaumlufer bemuumlht sich seine Informationen besonders sachlich erscheinen zu lassen indem er zur Strukturierung des Angebots an einer Stelle eine Art Skala mit fiktiven Prozent-angaben entwirft was die Objektivitaumlt der Aussagen besonders deutlich machen soll bdquoAumlhm jaacute hagrave ((lacht)) Am robustesten waumlre jetzt oben die rote Glanzmispel Der Kirschlorbeer so mal zu sagen hundert hundertzehn Prozent robust ja Aumlhm recht robust ist dann hier aumlhm die aumlhm dieser Kletterjasmin der Pittosporum und aumlh der Lorbeer Jagrave an sich die die aumlhm aumlhm der Berglorbeer auchldquo [103]

Kundin 1 als Laiin hat dagegen eine andere Perspektive Sie hat ein Entscheidungsproblem ist persoumlnlich betroffen Sie will dass sowohl ihre Orientierungs- und Entscheidungsschwie-rigkeiten als auch ihre Bedenken ernst genommen werden und erwartet von der Beratung das sichere Gefuumlhl die richtige Wahl getroffen zu haben

Kundin 1 raumlumt ein dass am geplanten Standort drei Stunden lang die Sonne scheint weist aber trotzdem die positive Deutung des Verkaumlufers mit einer rhetorischen Frage zuruumlck bdquoEs is aber drei Stunden Sonne Was is das denn schon fuumlr so ne Pflanzeldquo [93] Sie erlaumlutert ihre Perspektive durch eine Aufforderung zur Imagination Und zwar verlangt sie scherzhaft vom Verkaumlufer er solle sich in die Lage der Pflanze versetzen bdquoStellen Se sich mal vor Sie kriegten nur drei Stunden Sonne am Tag Wuumlrden Se eingehn wie ne Primelldquo [94] Diese

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 17

Form der Veranschaulichung die den Verkaumlufer mit der Pflanze bzw einer Primel vergleicht wirkt in dem thematischen Zusammenhang neckisch

Die Identifikation von Mensch und Pflanze ist als sprachliches Mittel auffaumlllig und offenbar so ansprechend dass sie von Kundin 1 eingefuumlhrt sowohl vom Verkaumlufer als auch von Kundin 2 aufgegriffen wird Sie wird von allen dreien gemeinsam dazu benutzt eine humorvolle Art der Beziehungsgestaltung zu realisieren Spott und Selbstironie verbinden sich ausgewogen und auf Sympathie ausdruumlckende Weise Die Gespraumlchssituation wird durch Humor aufgelo-ckert ein positiver Grundton auf der Beziehungsebene angeschlagen und die gegenseitige Aufnahmebereitschaft gefoumlrdert weil sich die Gespraumlchsteilnehmer als Personen und nicht nur als Traumlger einer Rolle (Verkaumlufer Kunde) ansprechen

Das Aufnehmen des Scherzes erlaubt dem Verkaumlufer sich entschieden gegen die Annahme der Kundin der Verwendungsort sei ungeeignet fuumlr viele Pflanzen zu wenden ohne dass diese ihm das uumlbel nimmt Er spiegelt in seiner Replik ihren Vergleich so dass er die gegen-teilige Bedeutung erhaumllt bdquoNein Sie muumlssen Nee neeldquohellip bdquoNee das muss ich Ihnen sagen das muumlssen Sie andersrum sehen Stellen Sie sich mal vor Sie wuumlrden als Pflanze den gan-zen Tag in der Sonne schmoren im Kuumlbelldquo [95] So gelingt es ihm die Akzeptanz der Kundin zu erreichen

Bruumlnner (2000) hat in ihrer Untersuchung von Verkaufsgespraumlchen herausgearbeitet dass Verkaumlufer unterschiedliche Strategien verwenden mit denen sie die im Grundsatz anonyme und gleichguumlltige Beziehung zum Kunden positiv gestalten um die Verkaufschancen zu er-houmlhen bdquoAuf persoumlnliche Naumlhe gerichtete Selbst- und Beziehungsdarstellungen werden also fuumlr oumlkonomische und institutionelle Zwecke instrumentalisiertldquo (79)

Wo ist strategisches Verhalten des Verkaumlufers erkennbar

bdquoEs is ja kein Schattenldquo [93] Mit dieser Aussage widerspricht der Verkaumlufer ganz entschie-den der negativen Bewertung der Lichtverhaumlltnisse am Verwendungsort durch Kundin 1 Da dort immerhin drei Stunden die Sonne scheine duumlrfe nicht von Schatten sondern nur von Halbschatten die Rede sein Durch diese unmissverstaumlndliche Korrektur verstoumlszligt der Verkaumlu-fer gegen die gaumlngige Gespraumlchsregel bdquoDer Kunde hat immer Rechtldquo und riskiert den Unmut der Kundin Das ist ungewoumlhnlich denn eine offene Konfrontation mit ihr koumlnnte den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden Die Situation im Gartencenter laumlsst sich oumlkonomisch ge-sehen als Kaumlufermarkt beschreiben in dem sich der Kaumlufer in einer verhandlungstaktisch guumlnstigeren Position als der Verkaumlufer befindet Das Angebot uumlbersteigt die Nachfrage (An-gebotsuumlberhang) und der Bedarf ist nicht dringlich da zeitlich verschiebbar Der Verkaumlufer ist also darauf angewiesen dass der Kunde sich entschlieszligt bei ihm zu kaufen und wird folglich alles unterlassen was einen positiven Verlauf des Verkaufsgespraumlchs gefaumlhrden koumlnnte

Warum dann trotzdem dieser offene Widerspruch Die Fehleinschaumltzung der Standortbedin-gungen durch die Kundin fuumlhrt unweigerlich dazu dass die Angebotsauswahl unnoumltigerweise erheblich eingeschraumlnkt ist Die Wissensvermittlung durch den Verkaumlufer soll deshalb viel-leicht bewirken dass sich die Erfolgsaussichten des Verkaufgeschehens erhoumlhen Er besteht also auf der Zuschreibung des Begriffs bdquoHalbschattenldquo weil das strategische Folgen hat

Der Verkaumlufer bearbeitet den Dissens indem er seine abweichende Perspektive verdeutlicht argumentiert und zu uumlberzeugen versucht Er erlaumlutert die Vorzuumlge des Halbschattens fuumlr die

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 18

Pflanzen bdquoSehen Sie wenn Ses so betrachten ist der Halbschatten gut Der ist nicht so stressig fuumlr die Pflanze weder im Hochsommer noch im Hochwinter wenn der Boden ge-froren is und die Sonne knallt auf die Pflanze ldquo [97] Der Verkaumlufer macht damit einen Um-stand den der Kunde als Nachteil ansieht als Vorteil deutlich und bedient sich so der in der Ratgeber-Literatur oft genannten bdquoBumerang-Strategieldquo (s zB Collins 1994 46)

Auch die Ablehnung einer Geschmacksempfehlung hat strategische Bedeutung und soll vermutlich den Erfolg des Verkaufsgespraumlchs sicher stellen Eine subjektive Empfehlung des Verkaumlufers koumlnnte nachteilig fuumlr das Gespraumlch sein wenn sie eine ebenso subjektive Ableh-nung des Kunden provoziert Eine solche formuliert Kundin 1 auch tatsaumlchlich gegen Ende des Gespraumlchsausschnitts bdquoGuck dir den Busch mal an und denk dir die Bluumlte weg Da der der is nich attraktiv Die is die Bluumlte die bluumlht jetzt auf Drei Wochen und weg is seldquo [106] Kundin 1 erhebt hier vehement einen Einwand gegen eine zur Auswahl stehende Pflanze indem sie sie als unattraktiv bezeichnet wenn sie nach drei Wochen verbluumlht ist Da diese Tatsache offensichtlich ist kann der Verkaumlufer nicht widersprechen Er versucht aber den Einwand dadurch zu relativieren dass er die Eigenschaft als gattungsspezifisch bezeichnet bdquoDas is das Los von Bluumltenstraumluchern sehen Sie wie bei Forsythien auchldquo [107] Ob er so den Widerstand der Kundin abbauen kann ist nicht ersichtlich

Hier zeigt sich dass die Rezepte der Berufsschulbuumlcher nicht in jeder Situation erfolgreich anwendbar sind bdquoEinen berechtigten Kundeneinwand koumlnnen Sie durch Hinweis auf einen Vorteil des Produktes ausgleichenldquo (s Beispiel Abb 1) Kann der Verkaumlufer bei der Fehler-korrektur (Bumerang-Strategie) erfolgreich eine gaumlngige Gespraumlchstaktik anwenden gelingt ihm dies hier bei der Einwandbehandlung weniger gut

Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Will man die vorangegangene Transkriptuntersuchung in einen groumlszligeren Zusammenhang stellen und wissen wie sich andere Verkaumlufer in aumlhnlichen Faumlllen verhalten muss man von der Einzelfall- zur Korpusanalyse uumlbergehen und den analysierten Gespraumlchsausschnitt mit weiteren Beispielen seines Typs vergleichen Aus einer Sammlung von Verkaufsgespraumlchen werden dann weitere Gespraumlchsausschnitte zur Analyse herangezogen in denen Kaumlufer Einwaumlnde erheben Es werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede darin zeigen wie die Gespraumlchspartner miteinander umgehen Man kann dann die Belegstellen isolieren Zu-sammengehoumlriges sortieren und vergleichen schlieszliglich ein allgemeinguumlltiges zugrunde lie-gendes Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo rekonstruieren und die individuell unter-schiedlichen sprachlichen Realisierungen als Repertoire beschreiben

Abbildung 5 gibt das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo in grafischer Form als Praxeogramm wieder Es stellt die Handlungsmoumlglichkeiten dar die Sprecher in bestimm-ten situativen Konstellationen standardmaumlszligig haben Das Praxeogramm positioniert neben-einander jeweils die mentalen und interaktionalen Handlungen von Sprecher und Houmlrer und verbindet sie im Hinblick auf ihren Ablauf mit Pfeilen gegebenenfalls uumlber Verzweigungs- bzw Entscheidungsknoten (Siehe als weiteres Beispiel fuumlr ein Handlungsmuster bdquoAnliegen formulieren explorierenldquo in Becker-Mrotzek Bruumlnner 2007)

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 19

Abb 5 Das sprachliche Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo

Hat der Verkaumlufer eine bestimmte Ware angeboten [1] kann der Kaumlufer dagegen Bedenken haben [2] und entweder sofort das Muster verlassen [3] das heiszligt sich gar nicht auf Verkaumlu-ferreaktionen einlassen oder die Ware ausdruumlcklich ablehnen beziehungsweise in Frage stellen [4] Der Verkaumlufer steht dann vor der Alternative den Einwand nicht zu akzeptieren [5] oder zu akzeptieren [12] Er kann durch Nachfragen [6] versuchen mehr uumlber den Wider-stand des Kunden zu erfahren oder durch Widerspruch ndash gegebenenfalls mit stuumltzender Ar-gumentation [8] ndash den Kunden davon zu uumlberzeugen dass die Ware fuumlr ihn geeignet ist [10] Ist der Kaumlufer uumlberzeugt verlaumlsst er das Muster eventuell mit einem Ausdruck seiner Zu-stimmung [11] Ist er nicht uumlberzeugt [9] kann er weiterhin Einwaumlnde vorbringen [4] Hat der Verkaumlufer dem Kundeneinwand nichts entgegenzusetzen so kann er sofort alternative Ware anbieten [13] die Aumluszligerung des Kunden zustimmend kommentieren [14] oder auch einfach stehen lassen [15] Bleibt der Kaumlufer bei seiner Ablehnung bzw seinen Bedenken [16] kann er diese noch einmal aumluszligern [4] oder das Muster nun verlassen [3] das heiszligt sich nicht wei-ter mit der betreffenden Ware befassen Moumlglich ist aber auch ein Sinneswandel der zum Uumlberzeugtsein fuumlhrt [17]

Das Handlungsmuster bdquoEinwand behandelnldquo wird in der Grundform in vier Schritten durchlau-fen Dabei ist der erste Schritt (Ware anbieten durch den Verkaumlufer) nicht mustertypisch da er auch in konfliktfreien Beratungsphasen des Verkaufsgespraumlchs auftaucht Konstitutiv fuumlr das Muster ist der zweite Schritt die Ablehnung der Ware durch den Kunden Auf diese kon-frontative Position des Kunden muss der Verkaumlufer reagieren um einen erfolgreichen Fort-

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 20

gang des Gespraumlchs zu sichern Ihm steht zu diesem Zweck eine Reihe von Handlungsalter-nativen zur Verfuumlgung Wenn es dem Verkaumlufer gelingt den Widerstand des Kunden zu uuml-berwinden wird das Muster mit der Zustimmung des Kunden verlassen der Kunde ent-schlieszligt sich die Ware zu kaufen Konnte der Verkaumlufer den Kunden nicht uumlberzeugen kann das Muster erneut durchlaufen werden oder der Kunde steigt aus dem Muster aus

Weitere Untersuchungsaspekte

Als weitere moumlgliche Untersuchungsaufgaben bieten sich an

- verwandte Handlungsmuster vergleichen (zB bdquoEinwand behandelnldquo mit bdquoVorwurf - Rechtfertigungldquo)

- Besonderheiten der Diskursart herausarbeiten (zB Beratung in Verkaufsgespraumlchen an-deren Beratungssituationen gegenuumlberstellen)

- thematische Fragestellungen entwickeln und verfolgen (zB Besonderheiten fachlich-beruflicher oder institutioneller Kommunikation Experten-Laien-Kommunikation)

- Kommunikationsprobleme und -stoumlrungen analysieren und typisieren

- Wirkungen von Strategien anhand von Reaktionen der Gespraumlchspartner ermitteln

- die Beziehungsgestaltung von Verkaumlufern in anderen Verkaufssituationen untersuchen

Die Beispielanalyse zeigt dass auch an einem kleinen Gespraumlchsausschnitt gut zu sehen ist wie Gespraumlche funktionieren wie komplex die Anforderungen an die Gespraumlchsteilnehmer auf unterschiedlichen Ebenen sind wie vor allem die Themenbehandlung unloumlsbar mit der Beziehungsgestaltung verbunden ist Fuumlr das Lehren von Verkaufsgespraumlchen in der Berufs-schule wird deutlich dass die Beschaumlftigung mit authentischen Gespraumlchen zukuumlnftigen Ver-kaumlufern einen realistischeren und intensiveren Zugang zur Wirklichkeit verschaffen und damit eine bessere Vorbereitung auf den Beruf bieten kann als das Auswendiglernen von Verhal-tensrezepten

4 Verknuumlpfungsmoumlglichkeiten von Transkriptarbeit mit anderen Unterrichtsformen und -inhalten

Die Verfahren der Gespraumlchsanalyse sollten nicht nur im Sinne einer einmaligen geschlos-senen Unterrichtsreihe Verwendung finden vielmehr koumlnnen und sollen sie immer wieder als Methoden in unterschiedlichen Zusammenhaumlngen aufgegriffen und fuumlr verschiedene Zwecke eingesetzt werden Im Sinne eines induktiven Vorgehens lassen sich bei der Analyse von Gespraumlchs- bzw Transkriptausschnitten sacherschlieszligende Beobachtungen formulieren und Fragestellungen entwickeln die dann genauer verfolgt theoretisch und begrifflich untermau-ert und anwendungsbezogen ausgewertet werden koumlnnen Transkripte koumlnnen aber ebenso gut eingesetzt werden um fuumlr zuvor bereits eingefuumlhrte Gespraumlchsphaumlnomene kommunika-tive Aufgaben oder Probleme illustrierende Beispiele Belege oder Loumlsungsformen zu finden

Die Analyse von Gespraumlchen im Deutschunterricht sollte im Ergebnis dazu fuumlhren dass Schuumller die Zwecke Anwendungsbereiche und Besonderheiten fuumlr sie relevanter Gespraumlchs-typen und Handlungsmuster kennen und dass sie Gespraumlchssituationen und -prozesse ein-schaumltzen und beurteilen koumlnnen Analytische Faumlhigkeiten Bewusstheit und Sensibilitaumlt fuumlr

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 21

kommunikative Prozesse sind notwendige jedoch noch keine hinreichenden Bedingungen fuumlr gute produktive Faumlhigkeiten zur Gespraumlchsfuumlhrung fuumlr die angemessene Verwendung sprachlicher Muster Mittel und Strategien in eigenen Gespraumlchen Deshalb sollte Transkrip-tarbeit mit der gezielten Foumlrderung produktiver Kommunikationskompetenz kombiniert wer-den Dazu koumlnnen wir hier nur kurze Hinweise geben

Bereits angesprochen wurde die Verknuumlpfung von Transkriptanalyse mit der Simulation au-thentischer Faumllle Eine Erweiterung dazu koumlnnte zB zum Thema Beratungsgespraumlche fol-gendermaszligen aussehen Nachdem im Unterricht Beratungsgespraumlche in einer Experten-Laien-Konstellation analysiert wurden (zB Verbraucher- Ernaumlhrungs- Berufs- Rechts- oder Kaufberatung) kann man eine Experten-Beratung praktisch durchfuumlhren Dabei sollte fuumlr die jeweilige Beraterrolle jemand ausgewaumlhlt werden der zu einem Thema wirklich uumlber ein be-sonderes vertieftes Wissen oder Koumlnnen verfuumlgt (zB ein Hobby eine Sportart ein Reise-land ein politischer sozialer oder technischer Bereich) SchuumllerInnen die auf dem betreffen-den Gebiet ein echtes (Beratungs-)Interesse haben wenden sich damit an den Expertendie Expertin Die Durchfuumlhrung des Gespraumlchs wird aufgezeichnet (Ton oder Video) und ausge-wertet Spezielle Problemlagen und Fragestellungen die sich dabei ergeben koumlnnen an-schlieszligend auch durch Vergleich mit Transkripten anderer Experten-Beratungsgespraumlche bearbeitet werden

Bei der Simulation authentischer Faumllle handelt es sich wie bei anderen Formen des Rollen-spiels auch um eine komplexe Uumlbungsform bei der vielfaumlltige Faumlhigkeiten gleichzeitig gefor-dert sind Dies mag im Unterricht manchmal eine Uumlberforderung der Schuumller darstellen In diesem Fall empfiehlt es sich zur Unterstuumltzung strukturierte Uumlbungen kommunikativer Teil-faumlhigkeiten durchzufuumlhren Auch solche Uumlbungen lassen sich sinnvoll mit Transkriptarbeit verknuumlpfen Beispielsweise kann man die Aufgabe stellen ein authentisches Gespraumlch von einer bestimmten Stelle an fortzusetzen ndash an einer Stelle an der im Kontext des bisher Ge-sagten spezifische kommunikative Aufgaben erfuumlllt oder Probleme geloumlst werden muumlssen Fuumlr ausgewaumlhlte (auffaumlllige fragwuumlrdige problematische oauml) Aumluszligerungen oder Aumluszligerungs-sequenzen im Transkript koumlnnen Schuumller verschiedene Alternativen (alternative Formulie-rungen oder Sprechhandlungen) entwickeln und sodann praktisch erproben welche Wirkun-gen diese Alternativen in dem gegebenen Kontext jeweils haben wie sie den weiteren Ver-lauf des Gespraumlchs veraumlndern usw

Hilfreich fuumlr solche unterrichtlichen Verfahren sind Analysen dazu welche Teilfaumlhigkeiten bei bestimmten Gespraumlchsformen uumlberhaupt als konstitutiv anzusehen sind ZB rekonstruiert Berkemeier (2006) (s auch BerkemeierPfennig idBd) die kommunikativen Aufgaben die mit der kommunikativen Handlungsform des Moderierens von Besprechungen verbunden sind und die beim Erwerb von Moderationsfaumlhigkeiten durch die Schuumller geuumlbt werden muumls-sen Sie nennt als Aufgaben Themen strukturieren Beitraumlge und Positionen der Teilnehmer in Beziehung setzen Gesagtes zusammenfassen und auf den Punkt bringen Entscheidun-gen vorbereiten Abstimmungen durchfuumlhren das Rederecht organisieren

Auch Uumlbungen solcher Teilfaumlhigkeiten lassen sich unterstuumltzen und ihr Erfolg evaluieren in-dem die Uumlbungsgespraumlche aufgezeichnet relevante Sequenzen transkribiert und gemein-sam untersucht und beurteilt werden

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 22

Reizvoll und instruktiv koumlnnte eine Verknuumlpfung mit dem Literaturunterricht sein indem zB Vergleiche zwischen authentischen und literarischen Gespraumlchen vorgenommen werden Fiktive Gespraumlche aus Romanen Dramen Filmen usw ihre epochenabhaumlngige literarische Gestaltung (zB Naturalismus) bzw ihre Inszenierung lassen sich unter verschiedenen As-pekten (zB Merkmale gesprochener Sprache) mit wirklichen und aktuellen Gespraumlchen kon-trastieren so dass die verglichenen Formen sich in ihren Eigenschaften gegenseitig zu erhel-len vermoumlgen Auch zB Loriot-Texte koumlnnen hier Verwendung finden (von Kuumlgelgen 2007)

Intermediale und interkulturelle Vergleiche zwischen Gespraumlchen koumlnnen ebenfalls im Unter-richt vorgenommen werden ZB lassen sich medienbedingte charakteristische Unterschiede zwischen face-to-face Gespraumlch Telefonat Chat und Fernseh-Gespraumlch herausarbeiten Auch vergleichbare Gespraumlchsformen hinsichtlich (sub-)kultureller sozialer oder altersbezo-gener Unterschiede zu analysieren waumlre eine interessante Aufgabe

Eine weiterreichende Moumlglichkeit besteht darin Unterrichtsprojekte (uU faumlcheruumlbergreifend -verbindend) durchzufuumlhren in denen die Gespraumlchspraxis und die erforderlichen Kommuni-kationsfaumlhigkeiten in bestimmten Berufsfeldern untersucht werden Die Schuumller fuumlhren dazu mit den Professionellen Interviews (zB zu kommunikativen Formen und Anforderungen) machen strukturierte Beobachtungen (zB zu Interaktionsaufgaben) werten Texte aus (zB Gespraumlchsleitfaumlden Schulungsmaterialien) nehmen Gespraumlche auf transkribieren und ana-lysieren interessante Passagen Die Projektergebnisse werden schlieszliglich ndash unter Beteili-gung der Professionellen ndash in muumlndlicher Praumlsentation vorgestellt und mit ihnen diskutiert Ein solches Unterrichtsprojekt ist anspruchsvoll bietet aber auszligergewoumlhnliche Lernchancen

Literatur Becker-Mrotzek Michael Bruumlnner Gisela (2007) Anliegensklaumlrung Anliegen formulieren und explorieren In Redder Angelika (Hrsg) Diskurse und Texte Festschrift fuumlr Konrad Eh-lich zum 65 Geburtstag Tuumlbingen 665 - 682 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Jetzt passen Se mal auf Konflikte in Ge-spraumlchen ndash Erkennen und bearbeiten In Praxis Deutsch 174 46-50 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2002) Simulation authentischer Faumllle (SAF) In Bruumlnner GFiehler RKindt W (Hrsg) Angewandte Diskursforschung Bd 2 Methoden und Anwendungsbereiche Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) 72-80 Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (2006) Gespraumlchsanalyse und Gespraumlchsfuumlh-rung (Aktualis Neupubl von RAAbits DeutschSprache Impulse und Materialien fuumlr die kreative Unterrichtsgestaltung 13 Ergaumlnzungslieferung IIC6 Heidelberg 1997 Raabe) Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Becker-Mrotzek MichaelBruumlnner Gisela (Hrsg) (2004) Analyse und Vermittlung von Ge-spraumlchskompetenz Frankfurt Lang amp Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download www verlag-gespraechsforschungde) Berkemeier Anne (2006) Praumlsentieren und Moderieren im Deutschunterricht Baltmanns-weiler Schneider-Hohengehren Bruumlnner Gisela (2000) Wirtschaftskommunikation Linguistische Analyse ihrer muumlndlichen Formen Tuumlbingen Niemeyer

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185

Bruumlnner_Weber_12 23

Bruumlnner Gisela (2007) Muumlndliche Kommunikation im Beruf ndash zur Vermittlung professionel-ler Gespraumlchskompetenz In Der Deutschunterricht 107 (Themenheft Sprache und Kommu-nikation im Beruf) 39 - 48 Bruumlnner GiselaFiehler ReinhardKindt Walther (Hrsg) (2002) Angewandte Diskursfor-schung Bd 1 Grundlagen und Beispielanalysen Bd 2 Methoden und Anwendungsberei-che Radolfzell Verlag fuumlr Gespraumlchsforschung (Download wwwverlag-gespraechsforschungde) Collins Edith et al (1994) Rollen spielen ndash Verkaufen lernen Darmstadt EGon ndash Einfuumlhrung in die Gespraumlchsforschung online (mit Uumlbungen und Beispielen) Ger-manistische Sprachwissenschaft TU Chemnitz (wwwtu-chemnitzdephilgfindexhtml) Ehlich Konrad Rehbein Jochen (1976) Halbinterpretative Arbeitstranskriptionen (HIAT) In Linguistische Berichte 46 1976 21-41 Ehlich KonradRehbein Jochen (1986) Muster und Institution Untersuchungen zur schuli-schen Kommunikation Tuumlbingen Fiehler Reinhard (2005) Gesprochene Sprache In Duden Die Grammatik 7 Auflage Mannheim Dudenverlag 1175-1256 Fiehler ReinhardSchmitt Reinhold (2004) Gespraumlchstraining In Knapp Karlfried et al (Hrsg) Angewandte Linguistik Ein Lehrbuch Mit CD-ROM TuumlbingenBasel Francke 341-362 Lachenmann Gerhard (2003) Gutes Verkaufen Lern- und Arbeitsbuch fuumlr den handlungs-orientierten Unterricht in Warenkunde Darmstadt Winklers Rehbein Jochen et al (2004) Handbuch fuumlr das computergestuumltzte Transkribieren nach HIAT (= Arbeiten zur Mehrsprachigkeit Folge B Nr 56 Sonderforschungsbereich Mehrspra-chigkeit Universitaumlt Hamburg) (Download wwwuni-hamburgdefachbereiche-einrichtungensfb538azmhtml) von Kuumlgelgen Rainer (2007) Loriots Ei - Eristik in Filzpantoffeln In Buumlhrig K Matras Y (Hrsg) Sprachtheorie und sprachliches Handeln Tuumlbingen Stauffenburg 171-185