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Ohne Erdöl wäre unsere moderne In-dustriegesellschaft nicht denkbar, je-

denfalls nachderzeitigen Stand der Technik.Viele Annehmlichkeiten des täglichen Le-bens hängen von dem schwarzen Gold ab– mal offensichtlich wie beim Auto oder derÖlheizung und mal etwas versteckter in denGrundchemikalien für Medikamente undKosmetika. Öl ist kein nachwachsender, son-dern ein langfristig knapper werdender Roh-stoff. Experten wie der deutscheEnergieforscher Werner Zittel warnenschon länger vor einem drohenden „PeakOil“ und verweisen auf die Halbierung derFördermengen in der Nordsee innerhalbder letzten zehn Jahre. Mit Blick auf die Zu-kunft soll deshalb Biomasse langfristig das Ölin seiner Bedeutung ablösen. Schon heute gibt es dazu einige Ansätze wiedie Energiegewinnung in Biogasanlagen undder Treibstoffersatz in Form von Bioethanolaus Pflanzen. Noch mangelt es diesen Alter-nativen aber an Effektivität: Denn bisherkann nur ein geringer Teil der eingesetztenBiomasse genutzt werden. Es fehlt an Wirt-schaftlichkeit. Kritik wurde laut, weil dieÜbersubventionierung von Bioethanol- undBiogasanlagen zu einem rapide steigendenAnbau vermeintlicher „Energiepflanzen“ ge-führt hatte – mit allen bekannten Folgen fürdie Nahrungsmittelproduktion wie auch dieheimische Artenvielfalt. In dieser Phase su-chen Wissenschaft und Wirtschaft nach ef-

fektiven Lösungen für eine Bioraffinerie, die,und das ist zweifelsfrei, in Zukunft gebrauchtwerden. Noch ist die nachhaltige Umwand-lung von Stroh in Energie nicht möglich. Die vollständige Nutzung nachwachsenderRohstoffe ist das Ziel eines vom Bundesfor-schungsministerium geförderten Verbund-projektes unter der Leitung von ProfessorIrina Smirnova vom Institut für ThermischeVerfahrenstechnik. Im Zentrum steht dieEntwicklung einer integrierten und nachhal-tigen Bioraffinerie. Daran beteiligt sind diebeiden TUHH-Institute Umwelttechnik undEnergiewirtschaft mit Professor Martin Kalt-schmitt (S. 47) und Feststoffverfahrenstech-nik und Partikeltechnologie mit ProfessorStefan Heinrich (S. 28) sowie die TuTech In-novation GmbH, das Thünen-Institut fürHolzforschung und zwei Industriepartner.Gemeinsames Ziel ist die Herstellung vonBioethanol sowie Basis- und Feinchemikalien– aus Stroh. Grundlegend folgen die Forscher dabei demVorbild einer herkömmlichen Raffinerie, wieman sie aus der Petrochemie kennt. Dortwird aus Rohöl durch Reinigung, Destillationund Konversion eine große Anzahl von Pro-dukten wie Kerosin, Schwerdiesel, chemischeGrundstoffe für Medikamente und Kosme-tik gewonnen. Die Herausforderungen fürvergleichbare Prozesse mit Biomasse alsGrundstoff sind deutlich größer. Zwar ent-standen die Erdölvorkommen auch aus ab-

Aus Stroh Gold zu spinnen, funktioniert selbst im Märchen nicht. Eine Verwendung als chemischer Grundstoff oder Erdölersatz scheint dagegen in naher Zukunft durchaus realistisch. Doch noch sind die Verfahrennicht effektiv genug. TU-Forscher suchen nach Techniken, die die Bioraffinerie wirtschaftlich machen.

Stroh-Raffinerie – noch fehlt derAlternative zum Erdöl die Effizienz

Foto

: JKW

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gestorbenen Meeresorganismen, allerdingsbrauchte es für diesen Prozess mehrereHundert Millionen Jahre. Seitdem hat dieBiomasse deutlich an Komplexität verlorenund wurde zu einem Kohlenwasserstoffge-misch.Die Trennung der Bestandteile und ihre Ver-wertung sind bei Biomasse deutlich kompli-zierter, auch weil die Zusammensetzungensowie Qualität stark variieren. Als möglicheGrundstoffe für die Bioraffinerien der Zu-kunft haben die Forscher unterschiedlicheMaterialien im Blick: von Grünabfällen, Le-bensmittelresten über Holz und Stroh bis zuPflanzenölen. Als Ausgangsmaterial für denUmwandlungsprozess dient den HamburgerIngenieurwissenschaftlern die Lignocellulose

aus Weizenstroh. Lignocellulose ist ein Be-standteil aller Zellwände von Pflanzen. Stroh,ehemals ein kostengünstiges Abfallprodukt,ist heute im Anbau für den Landwirt fastrentabler als Weizen. Dennoch kann bishernur knapp die Hälfte des Strohs auch wiedereffektiv in der Landwirtschaft genutzt wer-den. Aus der Lignocellulose des Weizenstrohswollen die TU-Forscher eine ganze Palettevon Produkten herstellen. Der dafür nötigeProzess ähnelt in Grundzügen der Erdölraf-finerie. Das Problem: Die Verfahren sindnoch viel zu teuer. Effizienz ist deshalb dasStichwort. Ähnlich wie bei dem fossilenBrennstoff wird auch das Stroh in seine Be-standteile zerlegt. In der Versuchsanlage des

Instituts für Thermische Verfahrenstechnikwerden die Biopolymere, also die Grund-bausteine aller lebenden Organismen, durcheine thermische Hydrolyse, das heißt durchWasser unter Druck bei bis zu 250 GradCelsius abgetrennt. Dabei verwenden dieForscher keinerlei Chemikalien, sondern nurWärme-und Kompressionsenergie. Ge-trennt werden bei diesem Prozess die Li-gnocellulose von den Lipiden, zum BeispielFette und Harze. Letztere wären bereits abdieser Stufe als Naturprodukt zum Beispielin Form von Bratöl nutzbar oder als Kosme-tik-Zusatz. Aus den Hauptbestandteilen derLignocellulose, dem Lignin, der Cellulose undder Hemicellulose, lassen sich Grundchemi-kalien wie Butanol und Biokraftstoffe gewin-

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nen. Bei diesem Prozess fallen Abfallpro-dukte wie Biogas und Vergorenes an, diewiederum in der Landwirtschaft als Düngerauf den Feldern weiter verwendet werdenkönnen. Die festen Rückstände in der Bio-raffinerie, die Biopolymere, können auch als Energielieferant im Raffinerie-Prozess selbst eingesetzt werden.

Wie schnell der Bioraffinerie der Sprung ausdem Labor in die Wirtschaft gelingt, lässt sichtrotz ihrer vielversprechenden Ansätze nochnicht genau sagen. Sicher ist, in dem Maßewie der Ölpreis steigt, wird der Wunschnach alternativen Ansätzen größer. Langfris-tig dürfte kaum ein Weg an Bioraffinerienund damit an nachhaltigen Alternativen zu

einem knapper werdenden Rohstoff vorbei-führen. Birk Grüling

www.tuhh/v8

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Die Wissenschaftlerin

Prof. Dr. Irina Smirnova stu-dierte Physikalische Chemie ander Staatsuniversität St. Peters-burg und promovierte über dieHerstellung von Silica Aeroge-

len und ihre Anwendung als Medikamenten-träger an der TU Berlin. Dort habilitierte siesich im Fachgebiet Thermodynamik und Ther-mische Verfahrenstechnik. Seit 2008 leitet diegebürtige Russin in Hamburg das InstitutThermische Verfahrenstechnik der TU. Kontakt: [email protected]

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Weizenstroh wird bei einem Druck bis zu 20 bar und mit bis zu 250 Grad Celcius heißem Wasser in

seine Bestandteile Zellulose und Lignin getrennt (Thermische Hydrolyse). Dabei fallen auch C5-Zucker,

spezielle Fruchtzucker, an. Im nächsten Schritt werden die Zelluloase und das Lignin mit Biokatalysatoren

auf Eiweißbasis behandelt (Enzymatische Hydrolyse). Die dabei gewonnene D-Glukose wie auch die

C5-Zucker bilden die Basis für die Produktion von Bioethanol.