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Süditalien aus linguistischer Perspektive

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DAS STUDIUM DES ITALIENISCHEN

Süditalien vor 18602

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Vor 18603

Basilio Puoti Regole elementari della lingua italiana (1833)

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Vor 18604

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DIE VERDRÄNGUNG DER DIALEKTE DURCH DIE NATIONALSPRACHE

Süditalien nach 18607

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VON DER LEGGE COPPINI BIS ZUR SPRACH-, KULTUR- UND SCHULPOLITIK DES FASCHISMUS

Die allgemeine Schulpflicht und der Umgang mit der dialektalen Realität

Italiens8

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

Ein wichtiges Instrument zur Verbreitung des Italienischen in einer weitgehend dialektal geprägten Gesellschaft war die Einführung der allgemeinen Schulpflicht.

Die italienische Schulgesetzgebung nahm ihren Anfang mit der Legge Casati am 13 November 1859 (im Königreich Sardinien-Piemont).

Die Verantwortung für die Grundschulausbildung wurde erstmals dem Staat zugesprochen, wobei die Einführung der Schulpflicht noch fast zwei Jahrzehnte auf sich warten lassen sollte.

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

Dennoch setzte sich die Legge Casati zum erstenmal mit dem Analphabetentum in Italien auseinander, von der seinerzeit 78% der Bevölkerung betroffen waren.

Im Jahre 1877 wurde unter dem damaligen Bildungsminister Michele Coppino die allgemeine Schulpflicht für Kinder von sechs bis neuen Jahren eingeführt.

Im Rahmen der Legge Orlando von 1904 wurde die Schulpflicht bis zum 12. Lebensjahr ausgedehnt.

M. Coppino

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

Da kaum Maßnahmen zur Überwachung und Durchsetzung der Schulpflicht existierten, blieb die Zahl der Analphabeten und damit der Anteil der reinen Dialektsprecher zunächst unverändert hoch.

In der Schulpolitik des Einheitsstaates überwog eine gewisse Dialektfeindlichkeit, insbesondere in der Grundschule.

(Schule um 1870)

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

Der Dialekt wurde als Hauptursache für das weit verbreitete Analphabetentum betrachtet und sollte den Kindern daher ausgetrieben werden.

Lediglich Ascoli betrachtete die „Zweisprachigkeit“ als einen kulturellen Wert an sich.

(Schule im Jahre 1875)

http://cronologia.leonardo.it/storia/tabello/tabe1530.htm

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

Zur Verbreitung der italienischen Sprache sollten auch Dialektwörterbücher beitragen. Antonino Traina z.B. schreibt im Vorwort

zu seinem Vocabolario siciliano-italiano (1868): „Desiderando io pure [...] concorrere al diffondimento della lingua italiana, mi sono studiato compilare questo Vocabolario...“

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

Eine positive Einstellung gegenüber der dialektalen Wirklichkeit gab es ausgerechnet zu Beginn der faschistischen Herrschaft (1922).

Erster Bildungsminister (Ministro di pubblica istruzione) unter der Regierung Mussolinis wurde der Philosoph Giovanni Gentile (1875-1944).

Seine Amtszeit dauerte allerdings nur von 1922 bis 1924.

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Die Riforma Gentile

Der Dialekt im Schulunterricht

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

Gentile führte eine allgemeine Schulreform durch.

Der Dialekt wurde fester Bestandteil des Grundschulunterrichts.

Es wurden Übersetzungsübungen aus dem Dialekt mit Hilfe von Dialektwörterbüchern gemacht.

Die Behandlung von regionaler Tradition und Folklore spielte eine wichtige Rolle im Schulunterricht.

Die Lehrer sollten davon überzeugt werden, das Italienische mithilfe des Dialekts zu vermitteln.

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

Der Pädagoge, der am stärksten in dieser Richtung wirkte, war Giuseppe Lombardo Radice (1879-1938), der 1923 im Rahmen der Riforma Gentile, die Lehrpläne für die Grundschule entwarf.

Seine Entwürfe enthielten genaue Angaben in Bezug auf den Gebrauch des Dialektes beim Erlernen der italienischen Sprache.

Er empfahl im Rahmen seines Programms Dal dialetto alla lingua Übersetzungsübungen aus der Mundart ins Italienische auf der Grundlage von Gedichten, Erzählungen und Volksliedern.

http://www.dubladidattica.it/lomradice.html

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Die Schulpflicht und der Umgang mit den Dialekten

Zum ersten Mal seit der Schaffung des Einheitsstaates waren sie nicht nur Gegenstand einfacher Verurteilung, sondern Studienobjekt für die Schüler.

Der aus Catania stammende Radice unterrichtete Pädagogik an der Universität seiner Heimatstadt, bevor er von Giovanni Gentile zum Leiter für Grundschulangelegenheiten ernannt wurde.

Giuseppe Lombardo Radice, der vom Neoidealismus Gentiles beeinflusst war, sympathisierte allerdings nicht mit dem Faschismus, sondern mit dem Sozialismus und zog sich 1924 aus der Politik zurück.

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DIALEKT UND VOLKSKUNDE

Die Dialekte als Gegenstand linguistischer

Untersuchungen33

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Dialektologische Analysen

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stießen vor allem die Dialekte Süditaliens auf das Interesse deutscher und anderer europäischer Gelehrter, die sich zunächst auf schriftgestützte Informationsquellen stützten, aber zunehmend die gesprochenen Mundarten mit einbezogen.

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Dialektologische Analysen

Der Schulmeister Christian Friedrich Wentrup publizierte seine „Beiträge zur Kenntnis der Neapolitanischen Mundart“ (1855), gefolgt von den Beiträgen zur Kenntniss der sicilianischen Mundart (1859), die 1880 unter dem Titel Beiträge zur Kenntnis des sicilianischen Dialektes erneut veröffentlicht wurden.

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Dialektologische Analysen

Eine Dominanz schriftlicher Dialektalität gab es sowohl bei Eugène Pariselle, Ueber die Sprachformen der ältestensicilianischen Chroniken (1883) sowie bei Matthias Hüllen, Vocalismus des Alt- und Neusicilianischen Dialektes (1884).

Eduard Böhmer führte für seinen Artikel: „Zur sizilianischen Aussprache“, der 1878 in den Romanische Studien publiziert wurde, erstmals Untersuchungen anhand der gesprochenen Mundarten durch.

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Dialektologische Analysen

Wichtig war in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit Giuseppe Pitrè und Salomone-Marino, von denen er sich folkloristische Texte vorlesen ließ.

Im Kern ist bereits ein soziolinguistischer Ansatz erkennbar, da Böhmer auf die Informationen volkstümlicher Informanten (z.B. eine Wäscherin und einen Kutscher) zurückgriff.

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Dialektologische Analysen

Auch Heinrich Schneegans zog die gesprochenen Mundarten für seine Dissertation Laute und Lautentwicklung des sicilianischen Dialects (1888) heran.

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Dialektologische Analysen

Zur selben Zeit erschienen auch die ersten Monographien sizilianischer Autoren, z.B. Giuseppe Pitrè, Grammatica Siciliana - un saggio completo del dialetto e delle parlate siciliane (1875) und Corrado Avolio, Introduzione allo studio del dialetto siciliano (1882).

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Dialektologische Analysen

Luigi Pirandello, der spätere Literaturnobelpreisträger, veröffentlichte 1891 in Bonn seine Dissertation Laute und Lautentwicklung der Mundart von Girgenti.

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UND DIE UNTERSUCHUNG SÜDITALIENISCHER DIALEKTE

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Christian Friedrich Wentrup

(1824-1883)

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Vorrömische Substrateinflüsse Wentrup, Beiträge zur Kenntnis der Neapolitanischen Mundart (1855)

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Exkurs zu Christian Friedrich Wentrup

Biographie43

Christian Friedrich Wentrup und Süditalien

1849-1854: Hauslehrer in Neapel1855: Beiträge zur Kenntnis der neapolitanischen Mundart1880: Beiträge zur Kenntnis des sizilianischen Dialektes

http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2008/6130/pdf/Koessler-Waag-Wytzes.pdf

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Vorrömische Substrateinflüsse Wentrup, Beiträge zur Kenntnis der Neapolitanischen Mundart (1855)

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Vorrömische Substrateinflüsse Wentrup, Beiträge zur Kenntnis der Neapolitanischen Mundart (1855)

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Das Lateinische ist am stärksten vertreten andere EinflüsseHinweis auf das Oskische Bezugnahme auf altphilologische Forschungen

Oskischer Einfluss

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Vorrömische Substrateinflüsse Wentrup, Beiträge zur Kenntnis der Neapolitanischen Mundart (1855)

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Zunächst Hinweise auf eher gesamtromanische EntwicklungenOskischer

Einfluss

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Vorrömische Substrateinflüsse Wentrup, Beiträge zur Kenntnis der Neapolitanischen Mundart (1855)

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-ND- > -nn-„Merkwürdig aber, dass die fast einzige oskische Assimilation des nd in nn: opsannam (operandum) dem Neapolitanischen im Gegensatze zum Toscanischen eigenthümlich ist.“

[p] statt [k]„Vielleicht weist auch die häufige Verwandlung des p in c im Neapolitanischen auf das Oskische zurück. Da nämlich der Osker ein p hatte, wo der Lat. einen k-Laut setzte, z.B. pis (quis), pam (quam) – wie neap. pimmece stat cimex – so abstrahiere es sich die Regel, dass er für osk. p lat. c gebrauchen müsse und wandte sie dann auch auf die Fälle an, wo das p ganz an seiner Stelle war.“

Oskischer Einfluss

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Vorrömische Substrateinflüsse

Wentrup, Beiträge zur Kenntnis der Neapolitanischen Mundart (1855)

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Griechischer Einfluss auf das Neapolitanische insgesamt gering lexikalische Gräzismen:

ballanecatapanoosemarestrummoletubba catubbapede catapéde

Griechischer Einfluss

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Giuseppe Pitrè

Grammatica Siciliana - un saggio completo del dialetto e delle parlate siciliane (1875)

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Beispiel: Heinrich Schneegans

Laute und Lautentwickelung des sicilianischen Dialectes (1888)

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