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54 CNC-Stationärbearbeitung 10.2019 Nicht nur die Investition war also eine Herausforderung für die Ammann-Treppen-Manufaktur. Im Unternehmen mit Sitz im bayrischen Schwabmünchen lassen rund 45 Mitarbeiter Treppen entstehen, bei denen laut Geschäftsführer Stefan Ammann und Ro- bert Schorer Ästhetik und Funktionalität Hand in Hand gehen. In- dividuell geplant und konstruiert, passt jede Treppe wie angegossen. Voraussetzung dafür ist neben der handwerklichen Kompetenz der Einsatz von Präzisionsmaschinen. Täglich werden bei Ammann acht Treppen – oder acht Stockwerke, wie man es intern bezeichnet – fer- tiggestellt. Im Jahr sind das circa 1 700 Holztreppen, überwiegend aus einheimischer Eiche und Buche, und 150 Stahltreppen. Das fängt bei eingestemmten oder aufgesattelten Wangentreppen, Bolzen-, Faltwerk-, Kragarm-, Zweiholm- und Spindeltreppen an und erstreckt sich bis zu einer in den 90er Jahren erfundenen, patentierten Bautrep- pe. Circa 400 Stück sind dafür jährlich für Ammann in ganz Europa unterwegs, rund 9 000 Exemplare werden verkauft oder vermietet. Investitionen erforderlich Hergestellt wurden die Treppen bis An- fang 2018 mit traditionellen Holzbearbeitungsmaschinen. Da der Fo- kus aber immer schon auf Einzeltreppen lag, von denen im Grunde keine wie die andere aussieht, müssen alle Bauteile immer wieder neu konstruiert beziehungsweise angepasst werden. Denn nicht nur jedes Passt wie angegossen Rund 9 t schwer und 9,5 m lang: Ein Anwender hat ein neues Bearbeitungszentrum gekauft. Was tun, wenn auf dem Weg in die Fertigung eine Lagerhalle im Weg steht? Sieben Stunden, einen 150-t-Autokran und einen luftigen 22-m-Verladeweg später war die Reichenbacher-Maschine genau da, wo sie hingehört. CHRISTINA WEGNER, FREIE FACHJOURNALISTIN AUS NEU-ULM Haus ist anders, auch die Architektur, die räumlichen Verhältnisse, die verwendeten Materialien und nicht zuletzt der persönliche Ge- schmack ergeben für jedes Treppenprojekt ganz individuelle Anfor- derungen. So kamen im Laufe der Jahre auch immer kompliziertere Geometrien und Konstruktionen dazu, und man wurde immer ab- hängiger von den bis dato zugelieferten Frästeilen. Ergo: Man inves- tiert selbst in moderne Maschinen. Hinzu kam, dass auf dem Markt kaum noch Nachwuchs zu finden ist, der eine praktische Ausbildung im klassischen Holzhandwerk anstrebt. „Junge Leute arbeiten digital; Smartphone und PC sind Normalität. Treppen von heute werden am PC entworfen, und ein CNC-Arbeitsplatz ist bedeutend attraktiver als ein Traditionsberuf“, sagt Unternehmer Ammann. 1988, als er die Firma als Schreinerei gründete, war das noch nicht so extrem, aber schon in den 90er Jahren war nach seinem Dafürhalten ein Rückgang an fachkompetenten Arbeitskräften erstmals spürbar. Die Entscheidung sondieren Andreas Bauer, der seit 1999 in Schwabmünchen als technischer Werkstattleiter arbeitet, hat ein Hobby: Alles, was mit Technik zu tun hat. Folgerichtig ist er im Un- ternehmen für die gesamte Maschinenwartung verantwortlich, und es lag nahe, dass er 2017 die Aufgabe übernahm, Informationen für die Investitionsentscheidung CNC zu sammeln und aufzubereiten. p Die Lösung des Problems (Bild: Ammann) t Von eingestemmten oder aufgesattelten Wangentreppen bis hin zu Bolzen-, Faltwerk-, Kragarm-, Zweiholm- und Spindeltreppen hat Ammann alles im Programm (Bild: Ammann)

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10.2019

Nicht nur die Investition war also eine Herausforderung für die Ammann-Treppen-Manufaktur. Im Unternehmen mit Sitz

im bayrischen Schwabmünchen lassen rund 45 Mitarbeiter Treppen entstehen, bei denen laut Geschäftsführer Stefan Ammann und Ro-bert Schorer Ästhetik und Funktionalität Hand in Hand gehen. In-dividuell geplant und konstruiert, passt jede Treppe wie angegossen. Voraussetzung dafür ist neben der handwerklichen Kompetenz der Einsatz von Präzisionsmaschinen. Täglich werden bei Ammann acht Treppen – oder acht Stockwerke, wie man es intern bezeichnet – fer-tiggestellt. Im Jahr sind das circa 1 700 Holztreppen, überwiegend aus einheimischer Eiche und Buche, und 150 Stahltreppen. Das fängt bei eingestemmten oder aufgesattelten Wangentreppen, Bolzen-, Faltwerk-, Kragarm-, Zweiholm- und Spindeltreppen an und erstreckt sich bis zu einer in den 90er Jahren erfundenen, patentierten Bautrep-pe. Circa 400 Stück sind dafür jährlich für Ammann in ganz Europa unterwegs, rund 9 000 Exemplare werden verkauft oder vermietet.

Investitionen erforderlich Hergestellt wurden die Treppen bis An-fang 2018 mit traditionellen Holzbearbeitungsmaschinen. Da der Fo-kus aber immer schon auf Einzeltreppen lag, von denen im Grunde keine wie die andere aussieht, müssen alle Bauteile immer wieder neu konstruiert beziehungsweise angepasst werden. Denn nicht nur jedes

Passt wie angegossenRund 9 t schwer und 9,5 m lang: Ein Anwender hat ein neues Bearbeitungszentrum gekauft. Was tun, wenn auf dem Weg in die Fertigung eine Lagerhalle im Weg steht? Sieben Stunden, einen 150-t-Autokran und einen luftigen 22-m-Verladeweg später war die Reichenbacher-Maschine genau da, wo sie hingehört. chriStina WeGner,

freie fachjournaliStin auS neu-ulM

Haus ist anders, auch die Architektur, die räumlichen Verhältnisse, die verwendeten Materialien und nicht zuletzt der persönliche Ge-schmack ergeben für jedes Treppenprojekt ganz individuelle Anfor-derungen. So kamen im Laufe der Jahre auch immer kompliziertere Geometrien und Konstruktionen dazu, und man wurde immer ab-hängiger von den bis dato zugelieferten Frästeilen. Ergo: Man inves-tiert selbst in moderne Maschinen. Hinzu kam, dass auf dem Markt kaum noch Nachwuchs zu finden ist, der eine praktische Ausbildung im klassischen Holzhandwerk anstrebt. „Junge Leute arbeiten digital; Smartphone und PC sind Normalität. Treppen von heute werden am PC entworfen, und ein CNC-Arbeitsplatz ist bedeutend attraktiver als ein Traditionsberuf“, sagt Unternehmer Ammann. 1988, als er die Firma als Schreinerei gründete, war das noch nicht so extrem, aber schon in den 90er Jahren war nach seinem Dafürhalten ein Rückgang an fachkompetenten Arbeitskräften erstmals spürbar.

Die Entscheidung sondieren Andreas Bauer, der seit 1999 in Schwabmünchen als technischer Werkstattleiter arbeitet, hat ein Hobby: Alles, was mit Technik zu tun hat. Folgerichtig ist er im Un-ternehmen für die gesamte Maschinenwartung verantwortlich, und es lag nahe, dass er 2017 die Aufgabe übernahm, Informationen für die Investitionsentscheidung CNC zu sammeln und aufzubereiten.

p Die lösung des Problems (bild: ammann)

t Von eingestemmten oder aufgesattelten Wangentreppen bis hinzu bolzen-, Faltwerk-, Kragarm-, zweiholm- und Spindeltreppen hatammann alles im Programm (bild: ammann)

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konstruktionen bis zu Handläufen und Setzstufen. Hinzu kam, dass man mit Blick auf die Absaugung die beschränkte Deckenhöhe be-achten musste. Das alles im Blick zu behalten, leisten nur Hersteller, die Maschinen den individuellen Bedingungen anpassen können.

Überzeugende Besonderheit Zusammen mit Werkstattleiter Ro-bert König und der Geschäftsführung entschied man sich Ende 2017 für eine Vision-III-ST, denn das Konzept dieser Treppenanlage von Reichenbacher überzeugt mit einer Besonderheit. Neben dem fünf-achsigen Hauptfräsmotor, der horizontale Arbeiten, Freiform- oder Sägebearbeitungen übernimmt, sind bei dieser Maschine auch drei zusätzliche Vertikalfräsmotoren eingebaut. Damit werden Arbeits-gänge auf mehrere Frässpindeln verteilt, was die Werkzeugwechsel-zeiten entscheidend reduziert. So fertigt eine Spindel die Außenkon-turen von Wangen und Stufen, eine andere die Einstemmungen und Setzstufennuten, die dritte mit der integrierten Höhenabtastung die hochgenauen Profilierungen. Auch andere technische Details, bei-spielsweise die Krümmling- und Pfostenspannvorrichtung, wurden berücksichtigt. Genauso überzeugend ist der automatische Tisch und dessen Länge: Bis zu 6,50 m lange Wangen können jetzt inklusive stirnseitiger Bearbeitung gefertigt werden.

Flexibilität, Qualität und Liefertreue Mit der CNC-Anlage hat sich die Flexibilität enorm erhöht und Ammann kann den Kunden – zu 70 Prozent sind das Bauträger und Architekten, zu 30 Prozentprivate Haushalte – pünktlich Treppen auf die Baustelle liefern. Heute fräst man alle Bauteile, die wirtschaftlich sinnvoll sind, auf der CNC. Die Vorteile durch den Einsatz der Vision-III-ST sind eindeutig.„Die aufwendig verzierten Kapitellpfosten zum Beispiel, für die wirfrüher per manuellem Fräsen fünf Stunden gebraucht haben, sindheute in 30 Minuten fertig. Je nach Bauteil sind wir um den Faktorzwei bis acht schneller, etwa bei eingestemmten oder aufgesatteltenWangen“, hebt Bauer hervor. Und Ammann ergänzt: „Wir sind rich-tig schnell. Vor allem aber ist die Qualität erstklassig – und das ist in letzter Konsequenz das Wichtigste.“ Aus diesem Grund käme auchder Schärfdienst für die Werkzeuge alle zwei Wochen vorbei, setzt er hinzu. Die Anlage sei ausgelastet, und man produziere Bauteile für30 bis 35 Treppen pro Woche. „Da brauchen wir gute Werkzeuge,damit das Holz nicht zu fasern anfängt. Denn das würde wieder dieNacharbeit hochtreiben.“

Auf alles achten Da die Reichenbacher-Anlage für Ammann die erste CNC-Anschaffung war, musste seinerzeit alles neu geplant und berechnet werden: Dazu gehörten auch eine Neuinstallation der Elek-trik sowie statische Berechnungen zum Hallenboden. Dass das The-ma Stromanschlussleistung nichts Selbstverständliches war, obwohl man im Industriegebiet ansässig ist, ließ sich anfangs nicht absehen. Fakt jedoch war: Die Grundversorgung vor Ort war zu gering. Letzt-endlich musste der Stromanbieter neue Kabel verlegen, wofür der Treppenhersteller die Kosten zu tragen hatte. „Wenn man so etwas vorher nicht bedenkt, hat man zwar eine neue Maschine, kann aber nicht vernünftig damit arbeiten“, resümiert Bauer. Aufgrund seiner Technikaffinität war ihm von Anfang an klar, auf was man alles ach-ten muss. So wurde das Ganze im Gesamtzusammenhang projektiert – und auch die kleine Hürde mit dem Luftweg perfekt umgesetzt.u www.reichenbacher.de u www.ammann-treppen.de

p (von oben) Da, wo sie hingehört: die Vision-iii-St von reichenba-cher (bild: reichenbacher)

Die Vision-iii-St hat eine besonderheit: Sie arbeitet mit einer fünfach-sigen Haupt- und drei Vertikalspindeln (bild: ammann)

Haben an alles gedacht: alexander Stöhr, Stefan ammann und and-reas bauer (von links) (bild: reichenbacher)

Aufgrund des Anforderungsprofils blieben nicht viele Maschinen-hersteller übrig. Von denen ließ man sich im Vorfeld sehr genau die Vor- und Nachteile bestimmter technischer Details erläutern und Reichenbacher hatte letztendlich die Nase vorn. Man diskutierte über Saugerhöhe, Unterfluraggregate, Platzbedarf und tastete sich so an die optimale Ausstattung der Anlage heran. Klar war auch, dass man in Zukunft alles selbst machen wollte: alle Bauteile einer Treppe, angefangen bei Wangen, Stufen, Pfosten, Podestplatten und -unter-