58.Jahrgang Heft 239 - Burg Ludwigstein...Astrid Lindgren Astrid Lindgren (1907 – 2002) ist die...

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Juni 2008 58. Jahrgang Heft 239 Einladung Familienwochenende Ankündigung Novembergespräche

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  • Juni 2008

    58. Jahrgang Heft 239

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  • Selbstverständnis derVereinigung Jugendburg LudwigsteinDie Burg Ludwigstein wurde von der deutschen Jugendbewegung, wie sie im Wandervogel ihren ersten Ausdruck fand, als Jugendburg und Erinnerungsmal an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Brüder wieder errichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gedenken an dessen Gefallene und an die Opfer der Gewalt aus den Bünden mit einbezogen.

    Die Vereinigung Jugendburg Ludwigstein e. V. ist Nachfolgerin der 1920 gegründe-ten Vereinigung zum Erwerb, Wiederaufbau und zur Erhaltung der Burg Ludwigstein bei Witzenhausen an der Werra. Die Burg steht der Jugend und den Älteren in Wahrung der Tradition der deutschen Jugendbewegung als Jugendherberge und Tagungsstätte offen; sie soll menschliche Begegnung, Sammlung und gemeinsame Erholung vermitteln. Die Burg ist Sitz des Archivs der deutschen Jugendbewegung.

    Um die Erreichung dieses Zieles auch für die Zukunft sicherzustellen, be-schloss die Ordentliche Mitgliederversammlung der Vereinigung Jugendburg Ludwigstein e. V. vom 18. Juni 1966, das Eigentum an der Burg und dem Archiv der deutschen Jugendbewegung auf eine gemeinnützige Stiftung priva-ten Rechts zu übertragen, die den Namen „Stiftung Jugendburg Ludwigstein und Archiv der deutschen Jugendbewegung“ führt.

    Präambel der Vereinssatzung

    ImpressumLudwigsteiner Blätter Zeitschrift der Vereinigung Jugendburg Ludwigstein e. V.

    58. Jahrgang, Heft 239 vom Juni 2008Satz & Layout: Martin Schott, Leidener Straße 135, 47839 Krefeld

    E-Mail: [email protected]: Prof. Dr. Herbert Reyer, Ludwig-Uhland-Straße 22, 31137 Hildesheim

    E-Mail: [email protected] Müller, Ebnetstr. 11, 79415 Bad BellingenE-Mail: [email protected] Wicke, Schulstr. 6, 49699 LindernE-Mail: [email protected]

    Druck: Stünings Medien GmbH, Krefeld (auf 100 % Recyclingpapier)Erscheinungsweise: vierteljährlich, Auflage: 650Redaktionsschluss: für Heft 240 am 15. August 2008Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.Titelmotiv: Kleiner Fuchs auf gelber Korbblüte; Foto: AK EurowocheBildnachweis: Familie Bühnemann: 42; A. Friedrich: 35; G. Friedrich: 16;

    Müller: 34, 36, 38, 45, 46; Pflüger-Grone: 13, 24, 25; Familie Schiebeler: 44; M. Schott: 4-9, 12, 14, 15, 46; Sodt: 33; Wicke: 18, 20, 21; Wikipedia: 10-11

  • INHALT

    Inhalt der Ludwigsteiner Blätter, Juni 2008

    Aus dem BurglebenSchweden auf der Burg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Schott 4

    Gedanken der Jüngsten – Das Osterfeuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Julia Schott 9

    Alles Sauce – aber lecker! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Schott 10

    Verdamp lang her . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens John 12

    Renovierung des Ludwigsteiner Zimmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maren Kretschmer 13

    Ausflug 2007 des Ludwigsteiner Ortsrings Krefeld . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Friedrich 16

    Einladung Familienwochenende zur OMV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kirsten Morgenroth 17

    Pfingstsommer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eberhard Diestelmeier 18

    Der Energiehunger der Welt und seine Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benedikt Sauer 22

    1,8 Tonnen Ludwigsteiner zu Besuch im Bioenergiedorf Jühnde . . . . Heidrun Hotzler 24

    Energie aus nachwachsenden Rohstoffen – Möglichkeiten und Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Pflüger-Grone 26

    Kein Kraut gegen unseren Energiehunger? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kolja Schümann 29

    Konzert am Pfingstsonntag 2008 im Meißnersaal . . . . . . . . . . . . . . . . . Christa Flader 33

    Als „alter Neuer“ auf der Burg ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . parzival 33

    Studierende spenden Drachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axel Friedrich 35

    50 Jahre deutsche reform-jugend (drj) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tilmann Siebert 36

    Aufruf zur Fahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Hahn 40

    VJL – Vereinigung Jugendburg LudwigsteinVom Verwalten zum Gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Pflüger-Grone 41

    Nachruf Rolf-Hartmut Bühnemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Loges 42

    Nachruf Dieter Schiebeler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Henning Schiebeler 44

    Nachruf Hartmut Brune . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Imme Weber 46

    Gedanken zum Pfingstfest 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Kretschmer 47

    Der Burg helfen – sinnvoll und dauerhaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerda Hoyer 48

    Novembergespräche 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Reyer 48

    Spendenaufruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursula und Klaus Eickhoff 50

    Burg internVeranstaltungen auf der Burg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

  • Wir fahren Ostern nach Schweden!Schweden? Ostern? Das geht dochnicht. Seit Jahren verbringen wir die Kar-woche doch auf Burg Ludwigstein bei derFamilienwoche. Es geht doch: Die Oster-Familienwoche stand dieses Jahr unter

    ßungsabend wurden wir mit einem herz-lichen „God dag“ willkommen geheißen,und eine kleine Gruppe führte (im Kos-tüm!) einen schwedischen Volkstanz auf.

    Viele Deutsche stellen sich Schwedenals ein sehr kaltes und schneereiches

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    Schweden auf der Burg

    dem Motto „Schweden“. Mit allem, wasdazu gehört: Abba, Ikea, Eis und Schnee,aber auch Taka-Tuka-Land, Katthult undder Krachmacherstraße, also die imaginä-ren Orte, an denen die Geschichten dergroßen, leider schon verstorbenen schwe-dischen Kinderbuch-Autorin Astrid Lind-gren spielen. Schon zu Beginn am Begrü-

    Land vor. Das mag vielleicht im Winter vorallem im Norden (mit Temperaturen vonbis zu –30 °C) zutreffen, der Süden ist abereher gemäßigt. Im Sommer sind die Tagevor allem wieder im Norden viel länger, sodass die Sonne zeitweise nicht untergeht.Die Skandinavier genießen den Sommer invollen Zügen und tanken Sonne für den

    Dicke Flocken überzogen die Burg mit einer „Zuckerschicht“

  • Winter. Die letzte Eiszeit ist auch in Skan-dinavien vorüber!

    Da Ostern dieses Jahr besonders frühwar, hatten wir statt Kirschblüte fast je-den Tag Schneefall, also den Vorurteilenvieler Deutscher über Schweden ent-sprechend. Wenn die dicken Flockenlängere Zeit vom Himmel fielen, bildetesich sogar eine Schneedecke von eini-

    durch zu einer matschigen, aber auch sehrschönen Angelegenheit. Die Wander-schuhe, die „unbehandelt“ natürlich nichtmit aufs Zimmer durften, und die unterenBereiche der Wanderhosen wiesen amAbend alle eine ähnliche Farbe auf.

    Auch die Lauf-/Jogginggruppe hatteetwas unter dem niederschlagsbedingtenhohen Wasserstand der Werra zu leiden.An einem der vier Lauftermine hatte dieWerra einen Teil des Weges zwischen Lin-dewerra und Werleshausen übernommen,so dass an Laufen nicht zu denken war,und die Stelle umklettert werden musste.Die Laufgruppe hat sich vor einigen Jah-ren zusammengefunden und absolvierteine einfache, flache Runde an der Werraentlang. Von einzelnen Läufern war zuhören, dass sie bei der Familienwochewieder in den Laufsport eingestiegen sind.Ein schöner Erfolg!

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    Schweden:

    Fläche: 450.000 km2

    (Deutschland: 357.000 km2)Einwohner: 9,2 Mio. (82 Mio.)Bevölkerungsdichte: 20,4 E./km2

    (230 E./km)Nord-Süd-Ausdehnung: 1572 km

    (876 km)Durchschnittstemperatur

    Stockholm: 6,6 °C, (Berlin: 9,2 °C)Niederschlag/Jahr

    Stockholm: 532 mm, (Berlin: 578 mm)Schweden ist eine Parlamentarische

    Monarchie. König ist Karl XVI. Gustav,seine Gemahlin Silvia Renate, gebo-rene Sommerlath aus Heidelberg. DasKönigspaar hat 3 Kinder aber nochkeine Enkel.

    gen Zentimetern, die jedoch bald wiedertaute.

    Der getaute Schnee und auch die übri-gen ergiebigen Niederschläge der vergan-genen Tage und Wochen hatten die Wegeder Umgebung aufgeweicht. Die Tourender tagtäglichen Wandergruppe und derGroßwandertag am Mittwoch wurden da-

    Selbstgebastelte Dalarna-Pferde

    Die lehmigen Schuhe durften nicht aufs Zimmer!

  • Schon am zweiten Tag gab es in Zu-sammenarbeit mit der Fachstelle fürSuchtprävention zwei Veranstaltungenzum Thema Alkoholismus. Vormittagswurde ein Film gezeigt und nachmittagsgab es für Jugendliche und Erwachseneeine Stationenarbeit in kleineren Gruppen.Dort zeigte sich durch Quizfragen zum Al-kohol allgemein und zum Jugendschutz-gesetz, dass doch nicht alles zum Alkoholallgemein bekannt ist.

    Es folgten auch Anleitungen für alterna-tive, nicht-alkoholische Mixgetränke, eineGesprächsrunde mit ehemals Alkoholab-hängigen und – was viele als Höhepunktempfanden – Selbstversuche mit soge-nannten „Suchtbrillen“, die Alkoholein-

    fluss simulierten. Mit Hilfe dieser speziel-len, die Wahrnehmung verändernden Bril-len sollte eine gerade Linie abgegangenund mit einem Roller ein Slalomparcourtabgefahren werden. Mit einer Brillenstärkevon 0,8 und 1,5 Promille kein einfachesUnterfangen. Auch wenn viele Teilnehmeranfangs skeptisch waren, war dieserNachmittag ein guter Erfolg und wurdeabends noch ausführlich diskutiert.

    Die nachmittäglichen Bastelangeboteumfassten neben dem traditionellen Stab-puppenbasteln mit Friedesine auch Zinn-gießen, Schnitzen von Flöten und Balan-cespielen aus Holz, Lesezeichen und Aus-malspiele für die Kleinen und Bemalen vonDalarna-Pferden. Große Resonanz fand

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    Astrid Lindgren

    Astrid Lindgren (1907 – 2002) ist diewohl bedeutendste Kinderbuchautorinunserer Zeit. Die Schwedin stammte ausdem kleinen Ort Vimmerby und lebtelange bis zu Ihrem Tode in Stockholm.Sie schrieb viele bekannte Kinderbücher,die nahezu jedem Kind und Erwachse-nem bekannt sind: Pippi Langstrumpf,Michel aus Lönneberga, Ronja Räuber-tochter, Kalle Blomquist, Die Kinder vonBullerbü, Karlsson vom Dach, Lotta, Fe-rien auf Saltkrokan, Die Brüder Löwen-herz, Madita.

    Aber insbesondere die Bücher überPippi Langstrumpf hatten und haben beiden Kindern einen überragenden Erfolg.Pippi stellt sich gegen die von Erwachse-nen aufgestellten Regeln und stellt dieseimmer wieder in Frage. Dadurch werdendie kleinen Leser in ihrem Wesen gestärktund zur Bildung einer eigenständigenPersönlichkeit gefördert.

    Auch Erwachsene schmunzeln beimSteuermärchen „Pomperipossa in Monis-manien“, das sie anläßlich einer ihr aufer-legten Steuerlast von über 100 % (!) ver-fasst hat. Bei der Parlamentswahl 1976wurde auch auf Grund dieses Märchensund der sich daraus bildenden Diskussion die bis dahin über 40 Jahre regie-rende sozialdemokratische Partei unterOlaf Palme abgewählt. (www.astrid-lindgren.de/omastrid/politik/possa1.htm)

    Es gibt zur Zeit über 130 Schulen inDeutschland, die den Namen der schwe-dischen Autorin tragen.

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    auch das Jonglieren: Erst wurden eigeneJonglierbälle aus Luftballons mit Reisfül-lung hergestellt, und anschließend pro-bierte man sein Geschick im Meißnersaal,der dadurch gut gefüllt war. Angeleitetwurde der Kurs von einem Profi-Jongleur.

    Für die Großen bot sich ein „Bastelan-gebot“ der besonderen Art. Das VJL-Zim-mer oberhalb des Rittersaals sollte vonGrund auf renoviert werden (siehe Berichtin diesem Heft). Unter der Anleitung vonHartmut Brune verbrachten einige Famili-enwochen-Mitglieder viele Stunden imVJL-Zimmer und brachten ihre handwerk-lichen Fähigkeiten ein.

    Am Mittwochabend nach der Schluss-runde im Hof trafen sich die Erwachsenenim Rittersaal zu einem Schwedenabend.

    Ein Teil des Madrigalchores sang eineschwedische Weise, und wir hörten einenDiavortrag von Annke über einen Urlaubin Schweden, bei dem sie den Göta-Kanal mit einem kleinen Passagierschiffentlang fuhr. Es gab schwedischeKöstlichkeiten zu probieren, wobei sichdas Orga-Team dieses Abends vomAngebot eines schwedischen Möbelhau-ses inspirieren ließ. Neben den klas-sischen und unvermeidbaren Köttbullargab es noch verschiedene Fischsorten,mehrere Salate, Knäckebrot, Kekse,Preiselbeersaft, Weissweinglögg (Glüh-wein) und als Nachtisch schwedischenKuchen.

    Zum Ende der Woche wurde den Teil-nehmern ein Konzert aus einem instru-

    Die allgegenwärtigen Schwedenfahnen erinnerten stets an das Motto der Woche

  • mentalen Teil und aus einer gesanglichenDarbietungen des Madrigalchores gebo-ten, natürlich auch mit schwedischemBezug.

    Das diesjährige Kindertheater führtedas Stück „Michel in der Suppenschüs-sel“ von Astrid Lindgren auf. Es ist immerwieder erstaunlich, mit wie viel Begeiste-rung die Kinder sich beim Theaterspielenengagieren.

    Da das Wetter wie schon beschriebenin den vergangenen Tagen und auch in derKarwoche eher feucht bis sehr feucht war,gab es auch schlimme Befürchtungen fürdas traditionelle Osterfeuer am Samstag,die sich auch prompt erfüllten. Die übli-chen und geübten Feuerbauer haben ihrePficht wie jedes Jahr zwar gut erfüllt, aberdas Feuer wollte einfach nicht in Gangkommen. Trotz trockenen Strohs und überdas Jahr gesammelten Wachsrestenbrannte der riesige Holzstoß nicht. Auchviele weitere Versuche mit gängigen undunüblichen Mitteln brachen keinen Erfolg.Die allermeisten Familienwochen-Teilneh-mer waren schon durchgefroren zurückzur Burg gegangen, als endlich Hubi, derFeuerflüsterer, doch noch ein Osterfeuerentfachen konnte, das die Strohpuppe(den Winter) verbrannte.

    Der letzte Abend – der „Bunte Abend“ –steht jedes Jahr unter dem Motto der Wo-che, dieses Mal also unter dem Ober-begriff „Schweden“. Viele Familienwo-chen-Teilnehmer führten Musik undSketche auf, die sich hauptsächlich mitThemen rund um Schweden beschäftig-ten. Der überwiegend von der Jugendgestaltete und organisierte Abend war beiden Aktiven und auch den Zuschauern einvoller Erfolg.

    Ostermontag mussten wir nach demFrühstück und der ergreifenden Schluss-

    runde die Heimreise antreten. Zu Hause istes vor allem bei den Mahlzeiten unge-wöhnlich leise. Es fehlen aber auch dieMusik und die Gesänge, die wir auf BurgLudwigstein allerorten hörten. Wir freuenuns schon auf die nächste Oster-Familien-woche, die unter dem Thema „Wasser-welten“ stehen wird. Einen Teil derFreunde sehen wir aber gewiss auch imNovember wieder beim Herbst-Familien-wochenende vom 14. bis 16. November2008.

    Wir freuen uns.Martin Schott

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    Göta-KanalDer 1832 fertiggestellte Göta-Kanal

    erstreckt sich von Söderköping südlichvon Stockholm an der Ostsee durchden Roxensee, den Vätternsee unddurch den Vänernsee zusammen mitdem Trollhätte-Kanal bis nördlich vonGöteborg in den Kattegat. Er hat eineLänge von 190 km, von denen 87 kmgegraben wurden. Mit dem Trollhätte-Kanal zusammen ergibt sich eine Ge-samtlänge von 390 km quer durchSchweden. Um den Höhenunterschiedvon 91,5 m zu überwinden, werden 58 Schleusen und 2 Aquädukte ge-braucht.

    Bei der Planung und Erbauungdachte man, die Durchfahrtsgebührendurch den Öresund an Dänemark(Sundzoll) zu sparen. Doch hatte derKanal nicht den gedachten ökonomi-schen Erfolg, wohl nicht zuletzt durchdie relativ schmale Bauweise und derBeschränkung der Schiffe auf eineLänge von 30 m und einer Breite von7 m. Touristisch ist er aber heute einstarker Publikumsmagnet.

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    Gedanken der JüngstenDas Osterfeuer

    Schon am Tag vorher sammeln wirimmer schon Holz für das Oster-feuer. Das Osterfeuer auf der Burg ist füralle ein tolles Erlebnis. Schon die Ko-bolde (von 3 bis 5 Jahren) haben vielSpaß am Osterfeuer, denn sie dürfen alseinzige Laternen basteln. Die Kinder, dieauch mit Laternen ans Feuer wollen,müssen sich selber Laternen mitbringen.

    Am Samstagabend, wenn es schonziemlich dunkel ist, geht es los. AlleMeute-2-Kinder (3. Klasse bis 11 Jahre)dürfen eine Fackel tragen, die die Dun-kelheit heller macht. Wenn sich alle ver-sammelt haben, geht es dann los. Allesind ganz aufgeregt, besonders die Kin-der, weil sie vielleicht noch nie dabei ge-wesen sind. Alle gehen mit ihren Later-nen, Taschenlampen oder Fackelndann zum Osterfeuer, das noch nichtbrennt. Das Osterfeuer ist bestimmt10 Meter hoch und 5 Meter breit.Erst schieben Ebi und Kalli die gro-ßen Fackeln unten ins Feuer. Danngibt Ebi das Signal „Alle Fackelnins Feuer!“, und dann fängt

    es richtig an zu brennen. Nur dieses Jahrbrannte das Feuer dann nicht! DerGrund dafür war wahrscheinlich, dass esdie Tage vorher geschneit oder geregnethatte. So war das Holz zu nass.

    Doch Ebi gab nicht auf, er probierteimmer noch rum, als ein paar Leuteschon wieder auf die Burg hochgegan-gen waren und schon dreimal „Und sotreiben wir den Winter aus!“ gesungenwurde. Ebi beschloss, so kann das nichtweiter gehen und suchte nach Öl, dassich nicht so leicht auftreiben ließ. Dochdann gab ihm eine nette Frau Öl, das sienoch im Auto hatte. Leider funktioniertees mit Öl auch nicht. Doch Hubi, derFeuerflüsterer, schaffte es mit Feuerflüs-tern wenigstens ein bisschen das Feueranzukriegen. Plötzlich kam der rettendeEinfall. Alles Holz wurde umgestapelt,

    dass das Feuer nicht so hoch undbreit war. Es war zwar dann nur nochein kleines Feuer, aber es brannte!

    Am nächsten Morgen waren dannalle noch müde, weil sie so lange amFeuer geblieben waren.

    Julia Schott (10 Jahre)

  • Jedes Jahr, wenn wir zur Oster-Fa-milienwoche auf Burg Ludwigsteinweilen, gibt es an einem Tag ein ein-faches aber sehr schmackhaftes Ge-richt: Kartoffeln mit Grüner Sauce. VieleFamilienwochenteilnehmer freuen sichauf dieses traditionelle Gericht, und esgeht schon mal ein Raunen durch denSpeisesaal, wenn die Schüsseln auf-tauchen.

    Die Grüne Sauce ist eine kalt servierteKräutersauce, die typischerweise zu Kar-toffeln und Fleisch oder Fisch gereichtwird. Sie wird entweder auf Mayonnaise-basis, Schmand oder mit Saurer Sahnezubereitet.

    Die Grüne Sauce hat eine überra-schend lange Tradition. Auch wenn derUrsprung nicht eindeutig geklärt ist, ver-muten die Saucen-Forscher eine Einfüh-rung durch die Hugenotten, die sich Endedes 17. Jahrhunderts zahlreich in Nord-hessen und um Kassel herum ansiedelten.Vorläufer der Grünen Sauce waren bereitsseit 2000 Jahren durch die Römer be-kannt, die sie ihrerseits aus dem Orientmitbrachten. Die Legende, dass GoethesMutter Katharina die Sauce erfundenhabe, klingt zwar nett, trifft aber gewissnicht zu.

    Als regionale Spezialität gibt es vor al-lem die „Frankfurter Grüne Sauce“ und die„Kasseler Grüne Sauce“, wobei jeder na-türlich behauptet, seine sei die Orginale.Auch international findet man „GrüneSaucen“ in Italien, Frankreich und den Ka-narischen Inseln, wobei sich hauptsäch-lich der Name, aber weniger die Zutatenähneln.

    Die Kasseler Variante (Griene Sauce)enthält folgende Kräuter:

    BorretschPetersiliePimpinelleSauerampferSchnittlauchDillZitronenmelisse

    wohingegen die Frankfurter Variante („Grie Soß“) aus:

    BorretschKerbelKressePetersiliePimpinelleSauerampferSchnittlauch besteht

    Wie man sieht, unterscheiden sich dieKräuterzusammenstellungen doch gravie-

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    Alles Sauce – aber lecker!

    Grüne Sauce mit Pellkartoffeln

  • rend. Die genauen Mi-schungsverhältnisse sindgeheim. Man kauft sie alsfertige Kräutermischung inleicht feuchtes Papier gewi-ckelt oder mischt sie sichselbst nach eigenen Vorstel-lungen.

    Die Kräuter der Frankfur-ter Grünen Sauce werdenhauptsächlich im StadtteilFrankfurt-Oberrad angebaut,wo sich sogar ein „Vereinzum Schutz der FrankfurterGrünen Sauce“ gebildet hat.Ein Antrag bei der Euro-päischen Union auf eine geschützte Ur-sprungsbezeichnung (z. B. Allgäuer Berg-käse, Überkinger Mineralquellen, Alten-burger Ziegenkäse) bzw. geschützte geo-graphische Angabe (z. B. Thüringer Rost-

    Rezept für die Frankfurter Grüne SauceZutaten: 1 Paket Grüne-Saucen-Kräu-ter (Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersi-lie, Pimpinelle, Sauerampfer, Schnitt-lauch)2 hartgekochte Eier3 El. Weinessig6 El. Öl1 Tl. mittelscharfer Senf3 El. süße Sahne (oder auch Crêmefraîche oder Sauerrahm)1 kleine gewürfelte ZwiebelZucker, Salz und Pfeffer zum Ab-schmeckenZubereitung: Eigelb durch ein Siebstreichen, mit Zwiebelwürfeln, Essig,Senf, Salz, Pfeffer, etwas Zucker und Öleine Sauce rühren. Die fein gehacktenKräuter zugeben, das Eiweiß in feinenWürfeln vorsichtig unterziehen undsüße Sahne oder Crême Fraîche zuge-ben.Schmeckt sehr gut zu Salz- oder Pell-kartoffeln!

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    Denkmal für die Grüne Sauce

    Frankfurter Variante:„Dill gehört net enei.“

    bratwurst, Spreewälder Gurken, Kölsch)kam aber nicht zustande.

    In Frankfurt-Oberrad steht seit Mai2007 ein Denkmal für die Grüne Sauce. Esbesteht aus 7 kleinen Gewächshäusern,die jeweils einer Zutat gewidmet sind: Bor-retsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpi-nelle, Sauerampfer und Schnittlauch. ZumLichtspektakel Luminale (6. bis 11. April)werden sie zum Leuchten gebracht.

    Die Saison für die Grüne Sauce startetam Gründonnerstag und reicht bis zumersten Frost im Herbst. So kommen wirin der Karwoche (= Familienwochenzeit)immer in den Genuss dieser lokalenSpezialität.

    Martin Schott

  • Verdamp lang herVerdamp lang her ist meine erste FamWo,Övver 30 Jahr, ess fast schon nicht mehr wahr.Als kleiner Junge stand ich staunend vor der Burg hier,Der kleine Junge steckt immer noch in mir.

    Is paar Johr her doch die Erinn’rung fällt nich schwer,Et kütt mer vürr als wenn et jestern wöör.

    Wat et he all jivv, wat schon immer so war,Morgensingen und Tanz im Meissnersaal.Als kleiner Junge han isch hier schon Holz jesammelt,hab jetanz’, jesunge un jelach’.

    So lang isch denke kann ess Friede auch schon hier,Sie gehört zur Burg jenauso wie ihr.

    Der kleine Junge wurde langsam älter,Von der Meute wuchs er in die Jugend rein.Die vermeintlich große Liebe auf der Burg, die fand man.Wer das im Einzeln war, dat jeht üsch jar nix an.

    Am Osterfeuer - ja da blieb man lange wach,Schloofe könne mer – die Woche danach.

    Verdamp lang her, verdamp lang …

    Et ess noch so wie früher, nur werden alle älter,Außerdem werden auch fast alle Eltern.Mit Kind und Kegel rücke mer dann an he,Wer einmal hier war, der kann dat jut versteh’n.

    Die Woch’vor Ostern ess für alle fest jebucht,Do jitt et keen vertun, da wird der Lu-u besucht.

    Verdamp lang her, verdamp lang …Verdenk lank hök, verdenk lank …

    Ich gebe hier einen Liedtext von Jens John wieder, der früher schon als Kind mit seinerzahlreichen Familie (Schmitt-Ulms) zur FAM kam und jetzt wieder mit eigenen Kindernkommt. Es ist ein eigener Text auf die Melodie von BAP: „Verdamp lang her“. Das Liedhat er auf dem Bunten Abend am Ostersonntag zum Abschluss der FAM mit Gitarren-begleitung vorgetragen. Ich denke, der „kölsche“ Dialekt ist auch ohne Übersetzung zuverstehen. Martin Schott

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    Verdamp lang her

    In Anlehnung an das diesjährige Mottoder Familienwoche.Vorgetragen am Bunten Abend von Jens,Jan und Jörn.

  • Das Ludwigsteiner Zimmer hinter demRittersaal, auch Vorstandszimmeroder VJL-Zimmer genannt, hatte schonlänger eine Renovierung nötig. Darumhaben sich mehrere Mitglieder während

    rantfachleute, Lehrer, Abiturienten, Ver-messungsingenieure (und welche Berufesonst noch vertreten waren) neue Talentean sich entdeckt und ordentliche Arbeitabgeliefert.

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    Renovierung des Ludwigsteiner Zimmers

    Hartmut Brune im neu gestalteten Ludwigsteiner Zimmer

    der Familienwoche vor Ostern an dieArbeit gemacht, parallel zu dem Tages-programm und oft auch bis spät in denAbend das Zimmer auszuräumen, zu ent-rümpeln und zu renovieren.

    Wie bei jedem Bauprojekt gab es denBauherrn, die VJL, vertreten durch HolgerPflüger-Grone, den Bauleiter und Archi-tekten, Hartmut Brune, unterstützt vomSachverstand seines Sohnes Cord, undzahlreiche Helfer und „Handlanger“. Unterder guten Anleitung haben diese Restau-

    Doch bei aller Zufriedenheit über dasErgebnis fällt es schwer, diesen Bericht zuschreiben. Denn Hartmut Brune, der dasProjekt mit seinem Erfindungsreichtum,seinem Sachverstand und seinem Humorgeleitet hat, ist Mitte April plötzlich undunerwartet und viel zu früh verstorben.Unser Mitgefühl gilt seiner Frau Annke undseiner Familie. Ein Nachruf findet sich indiesem Heft (Seite 46).

    Zunächst mussten alle Möbel mit Aus-nahme des großen Wandschrankes, aber

  • einschließlich der geschnitzten Vertäfe-lung der Sitznischen ausgeräumt und imRittersaal zwischengelagert werden. Da-bei erwies sich der große runde Tisch alsbesonders widerspenstig: die Plattepasste knapp durch die Tür, das Unterge-stellt musste drin bleiben und wurde, gutabgedeckt, als Arbeitsgestell genutzt.

    frischen Außentemperaturen ständig ge-öffnet bleiben. Bei den Elektroarbeiten er-hielten wir tatkräftige Hilfe von Uwe Eck,besonders die Suche nach der richtigenSicherung kostete Zeit.

    Die Decke und die Fachwerkbalkenwurden mit Lauge abgewaschen, loseStellen aus zugeputzten Holzrissen wur-

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    Die "entkernte" Südwest-Sitzecke Holger peilt die Lage

    Auch der Wandschrank wurde ausge-räumt, sein Inhalt gesichtet, teilweise ent-rümpelt und effektiver wieder eingeräumt.Der Teppichboden wurde nach eingehen-der Prüfung für erhaltenswert erklärt undsorgfältig abgedeckt um Beschädigungenzu vermeiden.

    Zunächst wurden die Wände von loserFarbe und losem Putz befreit, in dieDecken der Sitznischen wurden Kabel-schächte für die Beleuchtung gestemmtund die erforderlichen Kabel verlegt. DasGrundieren und Verputzen von Löchernund Unebenheiten wurde von einer Hilfs-kraft des Burgbetriebes übernommen,bevor wir mit Abschmirgeln, Glätten desWandputzes und Streichen weitermachenkonnten. Wegen der enormen Staubent-wicklung mussten die Fenster trotz der

    den entfernt und gesäubert, alle sichtba-ren Fachwerkbalken wurden neu gestri-chen, die Übergänge zwischen Putz undHolz wurden elastisch versiegelt. Die Au-ßenseiten der Doppelfenster zeigtenstarke Witterungsschäden, Faulstellenwurden von einem Tischler repariert. Dannwurden die Fenster geschliffen und zwei-mal lackiert.

    Da die Kabelzuführung für die Torklausedurch das VJL-Zimmer verläuft, wurde einKabeltunnel statt einer Fußleiste ange-bracht und der Durchlass in einer Wandni-sche mit einer maßgefertigten Platte ver-kleidet. Die an den Raum anschließendeWandnische zum Turm wurde vollständigausgeräumt. Der Wandschrank im Turm-mauerwerk zeigte wegen Feuchtigkeitstarken Schimmelbefall. Der Schimmel

  • wurde entfernt, die Wände mit einemSchimmel-Schutzanstrich versehen undder Fußboden mit Estrich geglättet. Dannwurden hinterlüftete Regalbretter passge-nau in den Schrank eingebaut. Der An-schluss der Nische an den Raum wurdezwischen zwei Fachwerkbalken mit einerHolzplatte verschlossen, zwischen die

    Erfindungsreichtum und handwerklichesGeschick, denn er wurde in „Hand-schnitzarbeit“ an die Dellen des Fuß-bodens angepasst.

    Zum Schluss wurden über denFensternischen und über dem Tischneue Lampen montiert, die alten Strahlerfanden in der Nische Verwendung.

    AUS DEM BURGLEBEN – OSTERN 2008

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    Ottokarl baut alte Kabelzuführungen ab „demolition in progress“

    Balken wurden Regalbretter eingepasst,die jetzt Platz bieten für die zahlreichen Er-innerungsteller. Für die andere Hälfte desDurchgangs wurde eine Schiebetür ange-fertigt.

    Das für diesen Bereich gekaufteAktenregal war zwar schnell aufgebaut,wollte aber nicht sicher stehen bleiben.Denn auf einer mittelalterlichen Burggibt es nur selten lotrechte Wände, dierechte Winkel zueinander bilden, undebene, waagerechte Fußböden. JederSchrankboden, jedes Regalbrett mussteeinzeln den Winkeln und Schrägen an-gepasst werden. Eine besondere He-rausforderung stellte der Balken dar, derdie stabile und waagerechte Unterlagefür das Aktenregal bilden sollte. Er er-forderte Hartmuts und Cords ganzen

    Nachdem viele fleißige Hände denStaub beseitigt hatten und der Teppich-boden nach einer Schaumreinigung fastwie neu aussah, konnten die Möbelwieder eingeräumt werden. Ein neuesVJL-Zimmer wartet auf gemütlicheRunden und angeregte und anregendeGespräche.

    Mitgearbeitet haben: Hartmut Brune,Cord Brune, Annke Brune, Sven Bindcek,Ottokarl Büchsenschütz-Nothdurft, FrankKometz, Jörn Kretschmer, Maren Mat-theis-Kretschmer, Mario Meyer, HolgerPflüger-Grone und Martin Schott. Außer-dem viele fleißige Hände beim Putzen undEinräumen und bei der Versorgung mitKaffee und Kuchen.

    Maren Mattheis-Kretschmer

  • Zum Jahresprogramm des KrefelderOrtsrings der VJL gehört ein gemein-samer Museumsbesuch.

    Im Mai 2007 war das Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld angesagt. ElfriedeLöffner hatte wie immer alles wunderbarvorbereitet. So stand uns dann auchganz pünktlich ein Mitarbeiter des Muse-ums, Herr Thomas Janzen, als sehrkompetenter und engagierter Führer zurVerfügung. Jeder bekam einen kleinentransportablen Hocker aus dem Fundusdes Hauses. So saßen wir dann alle sehrbequem während der Erläuterungen zuden einzelnen Gemälden. Unser Themawar die Sonderausstellung des Muse-ums für den Krefelder Maler HeinrichCampendonk anlässlich seines 50. To-destages.

    Heinrich Campendonk wurde am 3.November 1889 in Krefeld geboren. Er warMaler und Graphiker und starb am 9. Mai1957 in Amsterdam. Als Schüler von J.Thorn Prikken erhielt er eine handfestekünstlerische Ausbildung an der damalssehr fortschrittlichen Kunstgewerbeschulein Krefeld.

    Der Titel der Ausstellung lautete: „Hirte,Fisch und Harlekin“. Neben Gemäldenund Holzschnitten aus dem Bestand desMuseums wurden drei wichtige Leihgabenaus Privatbesitz gezeigt, zwei in kubisti-schem Stil sowie das farbintensive Ge-mälde „Drei Reiter mit Lasso“.

    Im Oktober 1911 stieß Campendonkzum Kreis des Blauen Reiters um Kandin-sky, Marc und Macke im bayerischen Sin-delsdorf. In Campendonks Bildern aus

    AUS DEM BURGLEBEN

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    Ausflug 2007 des Ludwigsteiner Ortsrings Krefeld

    Heinrich Campendonk: Liebespaar, um 1912

  • dieser Zeit verbinden sich Pflanzen, Tiereund Menschen in geometrischen Kompo-sitionen. Der melancholische „Pierot mitSonnenblume“ von 1925 und auch dasuns gut bekannte Wandgemälde in derKrefelder Villa des jüdischen Seidenfabri-kanten Merländer gehören dazu. Über 20Originalholzschnitte, die von 1910 bis1920 entstanden, konnten wir auch be-wundern. Einige Bilder von Nolde, Heckel,Hofer, Kandinsky u. a. waren zu denen vonCampendonk hinzu gehängt worden, umeinen Vergleich der Stile aus dieser Zeit zuermöglichen.

    Campendonk war auch Glasmaler. Pa-rallel zur Gemäldeausstellung lief daherbis Juni eine Ausstellung seiner monu-mentalen Glaswerke an der Girmesgath

    beim Verein Kunst in Krefeld. Die Glasbil-der entstanden seit 1925 bis zu Campen-donks Tode.

    Wir waren alle begeistert von der Füh-rung und vor allem von den schönen Bil-dern. Nach dem Museumsbesuch fuhrenwir hinaus nach Linn, wo es im BurgcafeKaffee und Kuchen gab. Unter dem gro-ßen Nussbaum im Hof ließen wir es unsgut gehen.

    Neben den monatlichen Treffen gab es2007 einen weiteren Höhepunkt, die Einla-dung zum Wanderliedersingen im Studiodes bekannten Krefelder Chorleiters HansBöckeler. In diesem Jahr wird unser Jah-resausflug zum Kloster Kamp bei Kamp-Lintfort führen.

    Gudrun Friedrich

    AUS DEM BURGLEBEN

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    Auch in diesem Jahr wollen wir die OMVmit einem kleinen und bunten Famili-enprogramm bereichern und umrahmen.Unser Programm beinhaltet gemeinsa-mes Singen, Tanzen, Basteln, Spielen,Schwimmen, Klönen und Wandern. Wirwollen all jenen, die gern zur OMV kom-men möchten, die Fahrt an einem Tag hinund zurück aber scheuen, die Möglichkeitgeben, die Burg mit ihren Familien zusam-men ein ganzes ausgefülltes Wochenendelang zu erleben. Während der OMV wer-den die Kinder betreut und beschäftigt.

    Beginn unserer Veranstaltung ist Frei-tag, 14. November um 18.00 Uhr mit demAbendessen, am Sonntag, 16. Novemberschließt sie mit dem Mittagessen.

    Pro Person kostet das Wochenende€ 70,00, Kinder unter 4 Jahren sind frei.

    Anmeldungen richtet bitte bis spätes-tens 10. August 2008 an:

    Kirsten MorgenrothStresemannallee 27 G30173 HannoverTel. 0511 / 63 65 [email protected]

    Familienwochenende zur OMV

    Wir gedenken unserer VerstorbenenMaria Hildenbrock, Bremen * 15.12.1918, März 2008 89 JahreDieter Schiebeler, Springe * 28.10.1914, 15.12.2007 93 JahreEva Boden, Hameln * 16.05.1910, Frühling 2008 97 JahreHartmut Brune, Hannover * 30.08.1936, 16.04.2008 71 Jahre

  • Wie war das noch im letzten Jahr? Ichhabe am Schluss meines Erlebnis-berichtes über Pfingsten 2007 „Bis aufdas nächste Gewitter“ die Botschafthinterlassen, dann sehen wir uns allewieder?

    glieder der DJL am Freitag im Laufe desNachmittags und Abends auf der frischengrünen Zelterwiese auf der Burg zu ihremalljährlichen Treffen voller Vorfreude ein!

    Es war schon außergewöhnlich, sichschon am ersten Abend keine Gedanken

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTEN 2008

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    Pfingstsommer

    Junge Ludwigsteiner auf der Zelterwiese beim Spielen

    Schwer getäuscht, da hab ich wohl dieWettervorhersage bzw. komplette Klima-modelle falsch gedeutet und darüber hi-naus vergessen, dass wir überaus großzü-gige finanzielle Mittel aus dem Etat derDJL aufgewendet haben, um den Wetter-gott doch ein wenig gnädiger zu stimmenals im letztem Jahr… – Und es ist gelun-gen! Bei bestem (Fußball-)wetter trafenauch in diesem Jahr wieder (fast) alle Jun-gen, Junggebliebenen und sonstige Mit-

    machen zu müssen, woher nun der ersteRegen oder vielmehr das erste Gewitterdieses Wochenendes kommt. Beispielhaftzeigten sich Roman und seine Freundin,die nach ihrem Eintreffen mitten in derNacht zum Samstag gleich vor ihrem Zeltihre Luftmatratze mutig ausbreiteten undunter freiem Himmel zum Liegen kamen.Die Gründe waren aber eher irdischer Na-tur: Nachdem das Luftbett im Dunkelnaufgepustet war, passte dieses nicht mehr

  • durch die Zeltluke! Ja, es war spät, umvernünftig zu planen …

    Der große Rest hingegen bildete wiedereine Straße voller Zelte im Laufe desAbends entlang der Wiese. Die Jurtekonnte vom Dachboden der Burg geholt,entstaubt und endlich wieder aufgebautwerden. Und wie an jedem ersten Abenddieses Wochenendes fragte jeder einzelneMagen der Teilnehmer, wann es endlichdas erste gemeinsame Essen gibt. Keinerwunderte sich, dass der obligatorischeFeuertopf wiederum kurz vor Mitternachtfertig gestellt werden konnte. Große Leis-tung des Kochteams, das im Dunkeln überdem Feuer der Jurte ein Abendbrot für allezubereitete. Angesichts dieser Entwick-lung frotzelte so manch einer, man solledie „Chili Con Carne“ doch gleich mit demFrühstück verbinden, dann gibt’s halt,wenn es eh schon wieder hell wird, zumNachtisch ein Brötchen mit Nutella und fri-schen Kaffee!

    Die diesjährige Verzögerung der erstenMahlzeit war bereits beim Einkauf erkenn-bar: Ruben und Tilo warteten auf Gelegen-heit, die Aufgabe zu erledigen. Nachdemfestgestellt wurde, es sei schon halb achtam Abend, brach Hektik bei Tegut und Aldiaus: Ruben und Tilo rasten durch dieGänge und versuchten, die vorbereiteteListe umzusetzen und sämtliche Zutatenfür den Abend und das Frühstück in dieEinkaufswagen zu schaufeln. NachdemMichael Kövi und ich ausreichend Fahr-zeuge vor Ort platziert hatten, um die Ein-käufe und das Gepäck des Einkaufsteamsaufzunehmen, war Tilo kaum zu halten imRausch seiner Listenabarbeitung: Er ver-schwand immer wieder in irgendwelchenGängen bei Aldi und hat mich überhauptnicht mehr wahrgenommen. „Halt!“ – Dashat geholfen, Tilos Puls sank endlich ein

    wenig … Nachdem geklärt war, dass nichtbeide das Gleiche einkaufen, luden wirsämtliches Gepäck, alle Lebensmittel undsämtliche Personen, die ebenfalls nochzur Burg befördert werden mussten, in dieFahrzeuge ein und begannen mit demWettlauf gegen die Zeit, um die Mittel nunzuzubereiten und in die hungrigen Mägenzu befördern. So, als ob sich jeder bereitsmit dem Gedanken angefreundet hatte,wurde der Feuertopf noch kurz vor Mitter-nacht serviert.

    Inzwischen hatte ein hilfsbereiter Zivider Burg sich der Nöte der DJL angenom-men und einen Kühlwagen aufgeschlos-sen, der in der Nähe des Gewölbekellersstand. Hier konnten also alle ihre Getränkeabstellen und abends sogar ein kühlesBier genießen. Und wie es der Wettergottprophezeit hatte, brauchten wir in diesemJahr kaum rote Torpedos, um einen Angriffin Richtung Petrus zu starten. Dieser bliebso ruhig, dass auch wir alle nach einer an-strengenden Anreise auf den Ludwigsteinsatt und zufrieden in unsere Zelte kriechenkonnten. Es gab halt weniger Bohnen alsim letzten Jahr, ganz einfach. Und es hat –wie immer – super lecker geschmeckt!

    Der nächste Morgen trieb viele Zeltbe-wohner, so auch mich, bereits sehr frühaus ihrer „Zelt-Sauna“. Bereits um neunUhr früh brutzelte die Sonne sich in dieNylonhaut ein, so dass die (verbrauchte)Luft bereits Temperaturen wie im Hoch-ofen erreichte. „Raus hier“… ab zum Früh-stück! Nach dem Genuss leckerer Bröt-chen machte sich ein Großteil der DJL-Mitlieder recht zeitig auch in diesem Jahrwieder auf den Weg zum „Grünen See“ inHundelshausen. Den ganzen Tag ver-brachten wir dort in der strahlendenSonne bei etwa 26 Grad zur Erholung,zum Baden der Mutigen unter uns (das

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTEN 2008

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  • Wasser war doch noch ziemlich kalt …),zur Massage, zur Unterhaltung und zumFußballspielen.

    Danach zauberte das Kochteam überdem Feuerplatz die zweite Hauptmahlzeitdes Wochenendes: Eine Lauchsuppe mitBrot, welche nach diesem heißen Tag ge-nügend Mägen zu füllen hatte. Der Wetter-gott blieb bis in die Nacht ohne eine ein-zige Wolke friedlich und breitete nach Ein-bruch der Dunkelheit sein glanzvollesSternenbild über uns allen aus. So verhiel-ten auch wir uns friedlich, auch wenn dieLauchsuppe wiederum bei manchem fürMagengeräusche sorgte. Traumhaft konn-ten wir bei Musik am Feuer ohne weitereZwischenfälle den Rest des Abends undder Nacht genießen.

    Auch der Sonntag trieb uns früh ausden Schlafkojen. Die Sonne lief zur Hoch-form auf. Nachdem uns die Nacht daranerinnert hatte, dass es ja noch gar keinSommer ist (die Kälte der Nacht kam vonunten vereinzelt mangels geeigneter Mat-ten immer wieder durch), stieg die Tempe-ratur bis zum Mittag wieder auf mindes-tens 26 Grad an. So war der Vorstand derDJL gezwungen, die geplante OMV be-reits auf 11 Uhr vorzuverlegen, damit da-nach noch alle die Möglichkeit bekommen

    konnten, wiederum zum See zu fahren,um sich abzukühlen. Schwierig wurde esjedoch, die Sitzung pünktlich zu beginnen,weil der Schriftführer Tilo „verloren gegan-gen“ war. Trotz intensiver Suche traf diesererst gegen halb zwölf ein, die Sitzungkonnte endlich beginnen. Tja, er hatte dieHektik bei Aldi offensichtlich noch nichtverkraftet …

    In der OMV wurden einige Dinge be-schlossen. Anschaffungen wurden ver-einbart, hauptsächlich Gebrauchsutensi-lien für die nächsten Pfingsttreffen. Wirbeschlossen, für das nächste Jahr denZecken weniger Versteck zu geben undvor Pfingsten die Wiese zu mähen. DavidQuaas und Hanna Köhler wurden neueSchriftführer der DJL, nachdem FriedrichEichert und Tilo Gerstberger drei Jahreperfekter Organisation hinter sich ge-bracht hatten. Letztlich ging es auch umdie Grundfragen der DJL: Soll der Frisch-ling weiter erscheinen oder reicht uns dasInternet zum Austausch? Wie stehen wirzur Burg und was wollen und können wirmachen? Wie sollen die nächstenPfingsttreffen aussehen? Und wie kön-nen wir uns gut auf der Familienwocheeinbringen, der wir ja schließlich ent-sprungen sind?

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTEN 2008

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    Die „alten“ Ludwigsteiner zu Besuch bei den Jungen Ludwigsteiner

    Die Versammlungs-Jurte

  • Danach wurde der Hunger nach Ent-spannung am Grünen See wieder größer.Alles versammelte sich dort und ver-brachte den Tag entspannt unter lockeremFußballspiel, Sonnen, Baden, Pommesoder Eis essen am dortigen Kiosk ohnenennenswerte Wolken am Himmel.

    Keiner jedoch ging ins Bett, ohne min-destens ein Stück Fleisch oder Wurst amletzten Abend des Wochenendes ergattertzu haben. Es war wieder Grillen angesagt.Zuvor wurden Kartoffeln gekocht und ge-schnippelt, Stockbrote gemacht und Sa-late zubereitet. Der Grillrost war schonwieder verdächtig klein für alle, der Kampfums Fleisch umso größer. Am Ende diesesAbends gab Erik Heinecke fast im Allein-gang ein Konzert zur Gitarre im Kreise derAnwesenden unter der Jurtenplane amFeuer. Zufrieden und satt löste sich dieRunde allmählich auf, manche blieben al-lerdings noch bis spät in der Nacht.

    Und wieder kein Gewitter, es hat auchkeiner wirklich vermisst! Vielmehr brachder Sommer in diesem Jahr bereits zuPfingsten aus, und einstimmig lautete dieMeinung: Es war einfach traumhaft! GuteWahl, besser kann es nicht sein, eine min-destens angemessene Entschädigung fürdie winterliche Osterwoche!

    So konnte auch jeder am Montag seineZelte knochentrocken einpacken, ein we-nig Krabbelgetier beseitigen, sich imSchlusskreis vom Pfingstsommer von al-len verabschieden. Und schon schob sichnach Tagen eine erste Wolke vor dieSonne: „Holt die Regenschirme raus!“ –Ein Beweis für ein rundum gelungenesPfingstwochenende! Ein Dank sei gerich-tet an alle Organisatoren, den Vorstandund alle Beteiligten, uns ein dermaßentraumhaftes Wochenende im Schatten un-serer Burg bereitet zu haben. Bis zumnächsten Pfingstsommer, hoffentlich … !

    Eberhard Diestelmeier

    Noch ein kurzes PS: Alle der jüngerenGenerationen, die sich der Burg Ludwig-stein und der Familienwoche verbundenfühlen und gerne auch mal an der Burg ak-tiv werden wollen, sind herzlich eingeladen,unserer Vereinigung beizutreten. Für daskommende Jahr planen wir wieder ein Ar-beitswochenende. Außerdem möchten wiruns vor der Familienwoche untereinanderabsprechen. Nicht zuletzt kommen DJL-Mitglieder auch in die Lage, große Literaturin Form unseres „Frischlings“ ins Haus ge-liefert zu bekommen. Wendet euch bei In-teresse einfach an [email protected]!

    Ruben Quaas

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTEN 2008

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    Lotti, Tobias, Frauke und Peter im Gespräch Die Küchen-Jurte

  • Der folgende Text ist zum Großteilentnommen dem „Leitfaden: Wege zumBioenergiedorf“, herausgegeben vonder FNR, Hofplatz 1, 18276 Gülzow,[email protected], www.fnr.de

    Diplom Geowissenschaftler BenediktSauer ist einer der Autoren dieses Leit-fadens und Mitglied in der ProjektgruppeBioenergiedörfer der Universität Göttin-gen.

    Weltweit wird ein erheblicher Teil derEnergie in einer Weise erzeugt undverbraucht, die auf Dauer nicht tragfähigist. Problematisch bei der Nutzung derfossilen Energieträger Kohle, Erdöl undErdgas sind vor allem zwei Dinge:

    – Pro Jahr wird hiervon die Menge ver-braucht, die sich in mehreren MillionenJahren gebildet und in Lagerstätten an-gereichert hat. Dies hat zur Folge, dassdie begrenzten Ressourcen in wenigenGenerationen erschöpft sein werden.

    – Dabei wird das in diesen fossilen Ener-gieträgern gebundene TreibhausgasKohlendioxid kurzfristig in die Atmo-sphäre freigesetzt. Hierdurch werdenVeränderungen beim Klima verursacht.

    Es ist höchste Zeit, hier umzusteuern,denn in den letzten 150 Jahren hat sichweltweit die Temperatur auf der Erdober-fläche bereits um etwa 0,8 °C erhöht. Diedamit verbundenen Folgen zeigen sichschon heute in Form einer Zunahme vonStürmen, Überflutungen, Dürrephasenund anderen extremen Wetterereignis-sen. Bis zum Ende dieses Jahrhundertswird eine weitere Temperatursteigerung

    um ca. 1 bis 6 °C erwartet. Auf Grund derVerschiebung von Klimazonen und derVerknappung fossiler Energieträger wer-den neben einer tief greifenden ökolo-gischen Krise auch dramatische sozialeund politische Konflikte befürchtet, die zugewaltsamen Auseinandersetzungen umdie verbleibenden Ressourcen führenkönnen.

    Auch die bereits im Normalbetrieb miterheblichen Risiken verbundene Atom-kraft kann bedingt durch die begrenztenUranvorkommen nur noch wenige Jahr-zehnte genutzt werden. Dies steht in ei-nem großen Missverhältnis zu den sehrlangfristigen Gefahren durch den Atom-müll.

    Neben der Erhöhung der Energieeffi-zienz und der Veränderung des Konsum-verhaltens mit dem Ziel, den Energiever-brauch zu reduzieren, stellt die Nutzungder Sonnenenergie auf Grund ihres großenAngebots den zentralen Ansatzpunkt füreine nachhaltige Energieversorgung dar.Allein die durch Sonneneinstrahlung welt-weit jährlich hinzu wachsende Biomassereicht aus, um den gesamten Energiebe-darf der Menschen mehrfach zu decken.

    Das von uns Menschen empfundeneEnergieproblem ist zu einem beacht-lichen Teil durch gesellschaftliche, tech-nologische und strukturelle Fehlentwick-lungen verursacht, bei denen bisher dieAuswirkungen auf die Natur wie auch aufdie Zukunft des Menschen selbst zuwenig Berücksichtigung fanden. EinBaustein für eine zukunftsfähige Energie-versorgung im ländlichen Raum sindBioenergiedörfer.

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTTAGUNG 2008

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    Der Energiehunger der Welt und seine FolgenDas Bioenergiedorf Jühnde als ein Baustein eines Lösungsansatzes

  • Bioenergiedörfer – Definition und Konzept

    In einem Bioenergiedorf wird das Zielverfolgt, möglichst die gesamte Wärme-und Stromversorgung eines Ortes auf dieBasis des erneuerbaren Energieträgers„Biomasse“ zu stellen und die Bioenergie-anlagen in Eigenregie zu betreiben. Es gibtkeine allgemeingültige Definition für einBioenergiedorf. Die Projektgruppe Bio-energiedörfer der Universität Göttingendefiniert ein Bioenergiedorf wie folgt:

    – Es ist mindestens soviel Strom durchBiomasse zu erzeugen, wie in dem Ortverbraucht wird.

    – Der Wärmebedarf des Ortes wird min-destens zur Hälfte auf der Basis vonBiomasse abgedeckt. Um eine hohe

    Energieeffizienz zu erreichen, sollte diesdurch Kraft-Wärme-Kopplung erfolgen.

    – Die Bioenergieanlagen befinden sich zumehr als 50 % im Eigentum derWärmekunden und der Biomasseliefernden Landwirte. Möglichst alleBeteiligten sollten Anteile an denBioenergieanlagen besitzen.

    Eine Möglichkeit, diese Bedingungenzu erfüllen, besteht darin, die bei derStromproduktion durch Biomassezwangsläufig anfallende Wärme dazu zunutzen, die Häuser im Ort über einNahwärmenetz mit Wärmeenergie zuversorgen. Durch geeignete Verfahren derMotivierung sowie der gemeinschaftlichenEntscheidungsfindung können alleEinwohner bei den Planungen und derUmstellung mitwirken.

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTTAGUNG 2008

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    Weltklimarat

    Der Weltklimarat (engl. = Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC) wurde1988 von den Vereinten Nationen und der Weltorganisation für Meteorologie insLeben gerufen. Seine Aufgabe ist es, Forschung und Erkenntnisse über den Klima-wandel und dessen Folgen und Möglichkeiten zur Verminderung zusammenzufassenund in Berichten zu veröffentlichen.

    Mehr als 1000 Wissenschaftler aus über 40 Ländern haben am vierten Klimareportmitgearbeitet, der im Frühjahr 2007 herausgegeben wurde. Die Hauptaussagendieses Reports sind:– die Erwärmung des globalen Klimasystems ist eindeutig bewiesen.– Es ist sehr wahrscheinlich (>90%), dass dies durch die vom Menschen freigesetz-

    ten Treibhausgase verursacht wurde. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Erwärmungnur natürlichen Ursprungs ist, liegt bei unter 5%.

    – Bis 2100 wird wahrscheinlich die globale Durchschnittstemperatur um 1,1°C –6,4 °C, sowie der Meeresspiegel um 18-59 cm ansteigen.

    – Aufgehalten werden kann dieser Anstieg über die nächsten Jahrhunderte nichtmehr, allerdings kann er abgeschwächt werden, wenn die Menschheit denVerbrauch von fossilen Energieträgern und somit die Freisetzung von noch mehrKohlendioxid (stark) einschränkt.

  • 1,8 t Ludwigsteiner zu Besuch

    In einem Bioenergiedorf werden nichtnur bei der Stromproduktion, sondernauch im Bereich der Wärmeerzeugungklimaschädliche fossile Energieträgerdurch die kohlendioxidneutrale Bio-masse ersetzt. So kann der Ausstoß vonKohlendioxid (CO2) pro Einwohner inner-halb weniger Jahre um circa 75 % redu-ziert und damit ein überzeugenderBeitrag zur Erreichung der Klimaschutz-ziele geleistet werden. Durch die Nut-zung heimischer, dezentral bereitgestell-ter land- und forstwirtschaftlicher Ener-gieträger und den Betrieb der Bioener-gieanlagen durch die Bewohner desDorfes werden ferner die regionalen Wirt-schaftskreisläufe gestärkt und die Ar-beits- und Lebensperspektiven im länd-lichen Raum verbessert. Schwierig istzurzeit noch die Umstellung des Energie-

    bedarfs für die Mobilität auf Biomasse,so dass dieser Aspekt bei der Konzipie-rung von Bioenergiedörfern bislang aus-geklammert wird.

    Wege zum Bioenergiedorf

    Der Leitfaden „Wege zum Bionergie-dorf“ soll die Menschen in Dörfern ermuti-gen, ihre Wärme- und Stromversorgungauf die Basis von Biomasse umzustellen.Er richtet sich also an alle Interessierte, dieeine Energieversorgung anstreben, auf dieauch spätere Generationen noch bauenkönnen.

    Dieser Leitfaden kann kostenlos bei derFachagentur Nachwachsende Rohstoffeunter http://www.wege-zum-bioenergiedorf.de/bestellt oder herunter geladen werden.

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTTAGUNG 2008

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    Wieder einmal bin ich mit vielen neuenEindrücken und Anregungen von derPfingsttagung auf der Jugendburg Lud-wigstein heimgekehrt: In diesem Jahrhaben wir uns mit „Regenerativer Energie-gewinnung“ befasst. Da die Energiequel-len wie z.B. Öl und Kohle nicht mehr un-begrenzt zur Verfügung stehen, ist esnotwendig geworden, die erneuerbarenEnergien besser zu nutzen und nachAlternativen zu suchen.

    Eingestimmt auf unseren Besuch inJühnde wurden wir am Sonnabend durchden Vortrag des Dipl.-Geowissenschaft-lers Benedikt Sauer vom Geowissen-schaftlichen Zentrum der UniversitätGöttingen.

    Am Pfingstsonntag begann nach demFrühstück unsere Exkursion zum Bio-energiedorf Jühnde. Wir fuhren zwarmit PKWs, aber in Fahrgemeinschaften.Auf dem Parkplatz in Jühnde angekom-

    1,8 Tonnen Ludwigsteiner zu Besuch im Bioenergiedorf Jühnde

  • 25

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTTAGUNG 2008

    men entdeckten wir als erstes diegroße Waage. Dort werden die Hängermit den Energiepflanzen für die Biomasseoder mit Gülle bei der Anlieferung durchdie Bauern gewogen. Aus Spaß sind alleteilnehmenden Ludwigsteiner auf dieseWaage gegangen, und so entstand derTitel dieses Beitrages.

    Auf dem Gelände wurden wir begrüßt,und durch die Bioenergieanlage geführt.Die Anlage wurde in Sichtweite desDorfes gebaut. Es gibt keine langen An-fahrtswege. Und dennoch gibt es im Dorf keine Geruchsbelästigungen. Allebeteiligten Bauern sind Mitglieder einerGenossenschaft. Durch das gemeinsameProjekt wuchs die Dorfgemeinschaftzusammen.

    Die Anlage besteht im Wesentlichenaus drei Komponenten, um Strom undWärme zu produzieren. Es sind dieBiogasanlage mit Blockheizkraftwerk,das Holzhackschnitzelheizwerk alsSpitzenlastkraftwerk und das Nahwärme-netz. In der Biogasanlage werden dieEnergiepflanzen (Raps, Mais, Getreide,Sudangras, Sonnenblumen, usw.) ver-goren, die auf den umliegenden Feldernangebaut werden. Auch Gülle aus derTierhaltung kann mitvergoren werden.

    Die Reste aus der Vergärung werdenwieder als Dünger auf die Felder ge-bracht. Es ist ein Kreislauf.

    Die Holzhackschnitzel sind Teile vongefällten Bäumen, die sonst keine Ver-wendung finden würden, z.B. die Baum-kronen.

    Mich hat sehr beeindruckt, dass esdie Technik gibt, um ein Dorf eigen-ständig mit Wärme und Strom ausBiomasse zu versorgen. Die Wärme ver-bleibt im Bioenergiedorf. Von den 4 Mio.Kilowattstunden werden 50% in Jühndeverbraucht, der Rest wird in die öffent-lichen Netze eingespeist. Das DorfJühnde ist ein Beispiel, dass die ge-samte Wärme- und Energieversorgungdurch nachwachsende und CO2-neu-trale Energieträger erfolgen kann. DiesesProjekt ist überall möglich. Und dort, woes umgesetzt werden kann, ist es einBeitrag zum Ressourcen- und Klima-schutz.

    Zum Abschluss unseres Rundgangesdurch die Anlage haben wir fröhlich dasLied „In die Sonne, die Ferne hinaus“ ge-sungen und die Rückfahrt zum Ludwig-stein angetreten.

    Heidrun Hotzler

    Begrüßung der Ludwigsteiner vor dem „Informationszentrum“

    Die Ludwigsteiner vor dem Hackschnitzelkraftwerk

  • Bioenergie aus nachwachsenden Roh-stoffen ist neben der Energiegewin-nung aus Wind, Sonne, Wasserkraft undErdwärme, aber auch der Energieeinspa-

    rung und Energieeffizienz, ein wichtiger„Baustein“ für eine umweltfreundlicheEnergieversorgung, da sie nahezu CO2-neutral und die Rohstoffe regenerativ sind.

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTTAGUNG 2008

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    Energie aus nachwachsenden Rohstoffen – Möglichkeiten und BesonderheitenVon Holger Pflüger-Grone (Landesbetrieb HESSEN-FORST Forstliche Bioenergieinformation)

    WWWDie vollständigen Vorträge der Pfingsttagung sind auch zu finden unterwww.ludwigstein.de/pfingsten

  • Biogas

    Aus Energiepflanzen und Gülle entstehtdurch Vergärung Methan. Dieses Biogaskann zur Erzeugung von Strom undWärme oder gereinigt zur Einspeisung inGasnetze genutzt werden. Eine Biogasan-lage, wie wir sie am Beispiel des Bioener-giedorfes Jühnde besichtigt haben, funk-tioniert ähnlich wie die Verdauung in einerKuh. Daher mag eine vereinfachte Skizzediesen Prozess veranschaulichen:

    Importabhängigkeit und Preise für dieseweiter steigen werden und auf Grund derProblematik des Klimawandels die CO2-Emissionen stark zu beschränken sind.Holz ist ein zeitgemäßer, moderner undnachwachsender Brennstoff, der zur Re-duktion des Öl- und Gasverbrauches bei-trägt und regionale Kreisläufe fördert.

    Das Heizen mit Holz liegt zunehmendim Trend und ist dank moderner Heiztech-nik besonders einfach und komfortabel.

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTTAGUNG 2008

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    Quelle: top agrar Fachbuch, Biogas – Strom aus Gülle und Biomasse

    Holz als Energiequelle

    Holz war bis ins 19. Jahrhundert diewichtigste von Menschen genutzte Ener-giequelle. Mit der Industrialisierung verlorder Energieträger Holz an Bedeutung.Künftig hat Holz eine steigende Bedeu-tung für die Energieerzeugung, da derEnergiebedarf weltweit zunimmt, die fos-silen Energieträger endlich sind sowie die

    Für eine schadstoffarme Verbrennung darfnur naturbelassenes und trockenes Holzin entsprechend geeigneten Öfen verwen-det werden. Da Holz nur wenig Schwefelund Chlor enthält, werden schädlicheSchwefeldioxid und Dioxin-Emissionenweitgehend vermieden. Die ohnehin gerin-gen Ascheanteile eignen sich bestens alsMineraldünger für den eigenen Garten.

  • Heizen mit Holz ist in unterschiedlichenFormen möglich. In der traditionellen Formals Scheitholz, als Holzhackschnitzel oder inForm von Holz-Pellets. Scheitholz gibt eszum Selbermachen oder auch ofenfertig.Die beste Zeit zum Holzmachen im Waldsind die Monate Dezember bis März. Dabeihat man die Wahl zwischen Kronenholz undganzen Bäumen. Motorsäge, Schutzaus-rüstung sowie Kenntnisse über den Um-gang mit der Motorsäge und dem Schnei-den von Holz sind hierzu erforderlich. Ofen-fertige Holzscheite liefern örtliche Brenn-holz-Händler auch direkt nach Hause. Holz-hackschnitzel sind nicht für den Eigenheim-besitzer gedacht, sie dienen im Regelfall alsBrennstoff für größere Hackschnitzel-Heizungen, bspw. für Schulen. Holzpelletssind kleine Presslinge aus Säge- und Hobel-spänen. Diese können mit einem hohenKomfort in Holzpellet-Einzelöfen und Holz-pellet-Heizanlagen eingesetzt werden.

    Beim Einkauf von Energieholz und beimPreisvergleich sollte besonders das ange-botene Maß beachtet werden. Ein Fest-meter (Fm) entspricht einem KubikmeterHolz ohne Zwischenräume. Mit Raumme-ter (Rm) oder Ster misst man meist Meter-stücke, die zu einem Kubikmeter mit Luft-zwischenräumen aufgesetzt

    sind; umgerechnet ist 1 Rm etwa 0,7 Fm.Scheitholz, Hackschnitzel oder Pellets mitZwischenräumen in einem Kubikmeteraufgeschüttet werden in Schüttraumme-tern (Srm) angegeben; umgerechnet ist 1Srm etwa 0,6 Rm bzw. etwa 0,4 Fm.

    Je nach Energiegehalt kann Holz etwafolgende Mengen an Heizöl ersetzen:

    Heizöl Holz

    270 l 1 Fm Buche Rundholz

    190 l 1 Fm Fichte Rundholz

    190 l 1 Rm Buche Scheitholz

    130 l 1 Rm Fichte Scheitholz

    100 l 1 Srm Buche Hackschnitzel

    75 l 1 Srm Fichte Hackschnitzel

    325 l 1 Srm Holzpellets

    500 l 1 to Holzpellets

    Holzheizungen und Holzheizanlagensind wegen der aufwändigeren Technikin der Anschaffung teurer als Gas- oderHeizölheizungen, weshalb manch einInteressent vor einer Anschaffung Ab-stand nimmt. Gerade Holzpellet-Hei-zungen kommen dem Komfort einer Öl-zentralheizung bereits sehr nahe. DieHolzbrennstoffe sind derzeit viel billigerals fossile Energierohstoffe und tragenso zur Amortisation der teuren Heiztech-nik nach 10 bis 15 Jahren bei. Holzener-

    gienutzung ist also eine wirtschaftli-che Alternative. Grundsätzlich sollte

    eine energetische Holzverwertung im-mer in am Wärmebedarf angepass-ten und effizienten Anlagen erfolgen.

    Energiespar- und Dämmmaßnah-men, vor einem Heizungswechseldurchgeführt, tragen zu kleineren unddamit sparsameren Heizanlagen ent-scheidend bei.

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTTAGUNG 2008

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    Kaum jemand wird bestreiten, dassschnell Wege gefunden werden müs-sen, um den Temperaturanstieg auf demPlaneten Erde zu bremsen. InternationaleVereinbarungen, wie sie dieser Tage vonden G-8-Umweltministern in Kobe disku-tiert werden (Reduzierung der Treibhaus-gasemissionen bis 2050) sind dabei wich-tige Meilensteine. Nur reichen ehrgeizigeZiele allein nicht aus, sondern es bedarfdesgleichen durchdachter Strategien, umdie vereinbarten Ziele nachhaltig realisie-ren zu können.

    Zuletzt haben in Deutschland undanderswo gerade im Bioenergiesektorambitionierte Zielmarken zu einem Ak-tionismus geführt, dessen Ergebnisse mit-unter dem übergeordneten Ziel entgegen-stehen und zudem bestehende Konfliktemit dem Natur- und Umweltschutz ver-schärfen können.

    Zwischen den Jahren 1997 und 2007hat sich die Anbaufläche nachwachsenderRohstoffe (NawaRo) in Deutschland aufnunmehr über 2 Millionen Hektar verfünf-facht. Ein Großteil dieser pflanzlichenRohstoffe wird einer energetischen Nut-zung zugeführt (Biomassenutzung). Unterdem Einfluss förderpolitischer Maßnah-men (anfängliche Steuerbefreiung für Bio-kraftstoffe, Erneuerbare-Energien-Gesetz[EEG], Marktanreizprogramme u. a.) ha-ben sich hierzulande Raps (Biodiesel /Pflanzenöl) und Mais (Biogas) in der land-wirtschaftlichen Biomasseproduktion alsdie wichtigsten Energiepflanzen heraus-kristallisiert und ihre Flächenanteile deut-lich ausgebaut. Bundesweit betrachtet

    sind die absoluten Zahlen hierzu nicht perse besorgniserregend. Die genauere Be-trachtung des verstärkten Biomasse-anbaus zeigt aber, dass regional und lokaldie Anteile von Mais und Raps an derAckerfläche häufig stark variieren und eszu unerwünschten Konzentrationseffektenkommt. Die negativen Auswirkungen, diein diesem Zusammenhang diskutiert wer-den, reichen von einer Verengung der zeit-lichen und räumlichen Fruchtfolge überverstärkte Erosions- und Eutrophierungs-probleme bis hin zum Umbruch nacheuropäischem Recht geschützter, arten-reicher Dauergrünlandbereiche.

    Aus Sicht des Naturschutzes bestehtgroße Besorgnis, dass künftig traditionelleund extensive Landnutzungsformen beieiner Ausweitung des Biomasseanbausverdrängt werden. Unsere agrarische Bio-diversität läuft Gefahr, in eine Art Zangen-situation zu geraten, wenn für die Produk-tion von Bioenergie nun wieder jeder Qua-dratmeter nutzbarer Fläche beanspruchtwird und sich der derzeit zu beobachtendeIntensivierungsschub fortsetzt.

    Diese Entwicklung wirft, ähnlich derDiskussion um die Standorte für Wind-kraftanlagen, die Frage auf, welches Maßan „Klimaschutzaktivitäten“ die Land-schaft verträgt? Weiterhin muss vor die-sem Hintergrund vermehrt die Frage ge-stellt werden, ob die einzelnen Bioenergie-formen überhaupt der Reduzierung vonTreibhausgasemissionen dienen? Bei allerEile sollte folglich dringend geklärt wer-den, wie die Biomassenutzung einen

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTTAGUNG 2008

    Kein Kraut gegen unseren Energiehunger?Von Kolja Schümann

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    effektiven und nachhaltigen Klimaschutz-beitrag leisten kann.

    Es gibt deutliche Hinweise, dass diedeutsche Bioenergiepolitik dem Ziel, eineneffizienten Klimaschutz zu realisieren, bis-her nicht gerecht wird. So gelangte zumBeispiel ein Gutachten des Wissenschaft-lichen Beirats Agrarpolitik beim Bundes-ministerium für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz im vergangenenJahr zu der Einschätzung, dass die bisherals vorzüglich behandelten Bioenergie-linien (Biodiesel, Bioethanol, Biogas aufNawaRo-Basis usw.) zu teuer und ineffi-zient sind. Laut Beirat sind von den derzeitrealisierten Bioenergielinien einzig die Bio-gaserzeugung auf Güllebasis bei gleich-zeitiger Kraft-Wärme-Kopplung und diekombinierte Strom- und Wärmegewin-nung aus Hackschnitzeln als effizient undklimawirksam anzuerkennen.

    Will man Kohlenstoff in den Systemenbinden, so gelingt dies nicht über eine in-tensive agrarische Nutzung, sondern bes-tenfalls über eine extensive humusanrei-chernde Bodenbewirtschaftung. Man darfnicht vergessen, dass Böden und pflanzli-che Biomasse die beiden größten biolo-gisch aktiven Lagerstätten für terrestri-schen Kohlenstoff bilden. Wird der Bodenaber ackerbaulich sehr intensiv genutztund mit synthetischen Düngern und Pflan-zenschutzmitteln durchtränkt, schränktdies seine Eigenschaft als Kohlenstoff-senke ein und energieintensive Stickstoff-dünger können ungünstigstenfalls zurFreisetzung von hochgradig klimaschäd-lichem Lachgas führen.

    Wenn unser Energiehunger zudem auf-grund des verhältnismäßig großen Flä-chenbedarfs der Bioenergieproduktion zurZerstörung naturnaher und natürlicher

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTTAGUNG 2008

    Sägen ohne Kopfschütteln? Verschiffung von Tropenholz am Fluss Irriwaddy in Birma (Foto: Raffael Ernst)

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    Ökosysteme führt, um neue Produktions-flächen zu schaffen, so verursacht dieserLandnutzungswandel die irreversible Zer-störung des Lebensraums unzähliger Ar-ten. Gleichgültig, ob es magere undartenreiche Wiesengesellschaften in deut-schen Mittelgebirgen oder tropischenRegenwald in Indonesien, Malaysia oderSüdamerika trifft, jeder Verlust an biologi-scher Vielfalt wiegt schwer. Daneben be-wirkt der Landnutzungswandel kurzfristigdie Freisetzung großer Mengen von Koh-lenstoffdioxid und anderer Treibhausgase.Amerikanische Wissenschaftler haben er-rechnet, dass selbst wenn es durch einenachhaltige Produktion bspw. von Bio-kraftstoffen auf diesen Flächen gelingt, imVergleich zu fossilen Treibstoffen eineCO2-Einsparung zu realisieren, die Treib-hausgasfreisetzung durch den Landnut-zungswandel erst nach vielen Jahrzehnten

    oder sogar Jahrhunderten ausgleichenund erst danach CO2-neutral produziertwerden kann. Auf den Punkt gebracht be-deutet der Schutz natürlicher Ökosystemeeine Bewahrung natürlicher Kohlenstoff-senken.

    Sicherlich wäre es falsch, die Zerstö-rung der Regenwälder oder Intensivie-rungstendenzen in der Landwirtschaft al-lein der Produktion von Biomasse zuzu-schreiben. Regenwaldzerstörung gab esschon vor dem Bioenergieboom undwürde es auch ohne die Zuckerrohr- undPalmölproduktion für energetische Zwe-cke geben. Produktionssteigerungen inder Agrarproduktion, die mit einer Inten-sivierung einhergehen, wären ebenfallsauch ohne die Bioenergie ein Thema.Steigender Lebensstandard und wach-sende Weltbevölkerung sind die unbän-digen Kräfte, die in Zukunft weitere Pro-

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTTAGUNG 2008

    Reich der Träume: Primärregenwald auf Borneo – die Vision von gebundenem Kohlenstoff und biologischer Vielfalt (Foto: Sibylle Möbius)

  • duktivitätssteigerungen in der Landwirt-schaft alternativlos erscheinen lassen.Besonders problematisch ist dabei, dassweltweit täglich unzählige Hektar Acker-fläche der Erosion, der Bautätigkeit desMenschen, der Ausbreitung von Wüstenund vielem anderen mehr zum Opfer fal-len. Auf der anderen Seite steigen jedochdie Nutzungsansprüche an die Acker-fläche rasant. Der Verteilungskampf umdie Ressource „Fläche“ hat längst be-gonnen und erfährt durch das lukrativeGeschäft mit der Bioenergie einen zu-sätzlichen Schub.

    Betrachtet man bei den vielen genann-ten Konfliktpunkten einmal, welchen Bei-trag die derzeit hauptsächlich realisiertenBioenergielinien zur Energieversorgungleisten können, so fällt das Resultat er-nüchternd aus. In Deutschland könntenselbst bei einer 100%igen Inanspruch-nahme der landwirtschaftlichen Flächefür die Biomasseproduktion nur etwa sie-ben Prozent des tatsächlichen Primär-energiebedarfs gedeckt werden. Es wäreutopisch zu glauben, dass allein durchden Einsatz der Bioenergie unsere Ener-gieprobleme gelöst werden können. Bis-her ist „kein Kraut gegen unseren Ener-giehunger gewachsen“ und es ist auchunwahrscheinlich, dass „das Wunder-kraut“ gefunden wird, welches bei natur-verträglichem Anbau und geringem Flä-chenbedarf die Energieversorgung derZukunft sichert.

    Viel aussichtsreicher wäre es, in derEnergiepolitik einen Schritt nach dem an-deren zu gehen. Ein dringend auszuglei-chendes Defizit in der ganzen Debatte umErneuerbare Energien liegt darin, dass esprinzipiell und in erster Linie zu prüfen gilt,wie der Verbrauch von Energie herabge-setzt (Energieeinsparung) und ihre Nut-

    zung effizienter gestaltet (Energieeffi-zienz) werden kann. Nur eine Kombina-tion verschiedener Erneuerbarer Energie-träger kann einen nachhaltigen Beitragzum Klimaschutz leisten. Wird diese 3-mal-E-Strategie konsequent und in derhier genannten Reihenfolge (Energieein-sparung, Energieeffizienz und Erneuer-bare Energieträger) umgesetzt, macht derEinsatz von Biomasse Sinn. Wird aberder Energieverbrauch weiter gesteigertund suggeriert, dass durch die Produk-tion von Bioenergie Versorgungs- und Kli-maprobleme bewältigt werden können,so kann dies keine effiziente Klima-schutzstrategie sein.

    Grundsätzlich wäre es gut zu akzep-tieren, dass die Biomasse nur ein ver-hältnismäßig kleiner Baustein in einemGesamtkonzept sein kann, wobei vorallem Rest- und Abfallbiomassen er-schlossen werden sollten. Prinzipiell giltes folglich, die Biomasseproduktion anrealistischen Potenzialen auszurichtenund klare Nutzungsgrenzen einzuhalten.

    Dies kann am Besten gelingen, wennman die 3-mal-E-Strategie um eine 3-mal-R-Strategie ergänzen würde. Stün-den bei der Produktion von Biomassedie Prämissen Ressourcenschutz, Re-gionale Stoffkreisläufe und partizipativeRegionale Energiekonzepte im Vorder-grund, könnten Synergien mit dem Um-welt- und Naturschutz im Dialog mitallen Akteuren herausgearbeitet und ge-meinschaftlich realisiert werden. Hierfürgibt es bereits einige positive Beispiele,die motivieren, trotz der genanntenFehlentwicklungen Strategien für einenaturverträgliche und im positiven Sinneklimawirksame Biomasseproduktionmitzugestalten.

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    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTTAGUNG 2008

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    Es musizierten Theresa Hoffmann(Mezzosopran), Thomas Wypior (Kla-vier) und Anja Kullmer (Alt) unter derLeitung von Cordula Sodt. Frau Sodt istDozentin an der Hochschule für Musik undTheater in Hannover.

    Zuerst hörten wir von J. S. Bach Prälu-dium und Fuge aus dem wohltemperiertenKlavier II. Die Werke entstanden in Leipzig.Es folgte ein Liederzyklus von J. Brahms.Die Textvorlagen nahm Brahms u.a. vonL.Hölty, dessen Texten seine Vorliebe galt.

    Ein weiterer Höhepunkt waren die zweiKlavierlieder von P. Tschaikowski in deut-scher Sprache. Es handelte sich dabei umÜbersetzungen aus dem Russischen vonL. Tolstoi und Polonski. Immer wiederbegeisterte der Sopran (Mezzosopran)von Theresa Hoffmann. Der musikalischeAbend wurde durch weitere Liedvorträgevon F. Schubert, Ludwig van Beethoven,J. Haydn u.a. bereichert.

    Ein herzliches Dankeschön an dieGruppe von Frau Sodt. Ein Danke sagenwir auch dem „Zivi“, der am Pfingst-sonntag noch kurzfristig einen dringendbenötigten Klavierstimmer „besorgt“ hat.Zum Schluss ein großes Lob an unserekleinen Zuhörer, die geduldig und ganzruhig dem Konzert lauschten.

    Christa Flader

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTTAGUNG 2008

    Konzert am Pfingstsonntag 2008 im Meißnersaal

    vlnr: Thomas Wypior, Anja Kullmer und Theresa Hoffmann

    Oft war ich in den 90er Jahren zumFest der Kulturinitiative auf der Burggewesen und gelegentlich auch zumKirschblütenfest oder Seminaren der Bil-dungsstätte gekommen. So war mir dieBurg ans Herz gewachsen und Stolzempfand ich auch, wenn ich als Studentauf geologischer Exkursion zu den tertiä-ren Braunkohlesenken Nordhessens mei-nen Kommilitonen mit missionarischemEifer die historische Bedeutung derGegend begründete. Denn schließlich

    befände sich unweit der Hohe Meißnerund die Burg der Wandervögel auf demLudwigstein.

    Aus dieser Verbundenheit herauswurde ich im letzten Jahr Mitglied der VJL.Die schön gestalteten und mich inhaltlichansprechenden Ludwigsteiner Blätter lasich seit der Zeit mit Interesse. Das Themader hier angekündigten Pfingsttagung,„Regenerative Energiekonzepte“, locktemich wieder einmal auf die Burg, nichtohne die Hoffnung, dort das eine oder

    Als „alter Neuer“ auf der Burg ...

  • andere, bekannte Gesicht wiederzusehen.Nur ein solches fand ich wieder, alleanderen Teilnehmer kannte ich nicht.Diese hatten ihre Fahrten in der Zeit erlebt,die ich nur aus Erzählungen oder altenFahrtenberichten kannte. Doch sind jagerade diese „Geschichte atmenden“ Er-zählungen die besonders bewegenden.So fanden sich zwischen Rittersaal undKüche, Burgtor und Meißnerbau vieleMöglichkeiten für Gespräche zwischen„dienstalten“ Ludwigsteinern und Neulin-gen dieser Vereinigung – ein Kennenler-nen, das nicht bei der Frage „In welchemBund bist Du?“ stehen blieb.

    Die Singerunde, auf die ich eigensnoch einmal aufmerksam gemacht wurde,geriet zu einer abendlichen Diskussion –ohne Klampfenklang und Sangesfreuden.Schade, aber irgendwie ehrlich. Zuviel lagden am runden Tisch versammelten aufdem Herzen. Ob mich die Diskussionenabschreckten, wurde ich mehr als einmalgefragt. Nein, schlimm wäre es gewesen,hätte ich mit dem eigenen Erlebten sich

    selbstzufrieden zurücklehnende Ludwig-steiner gesehen. Doch schwang vielSelbstkritisches mit in dem Gesagten, bei-spielsweise über die – vielen Anwesendenanscheinend zu wenig ausgesprochene –Anerkennung für die von jungen Aktivenaus der VJL geleistete Arbeit auf der Burg.Auch war man bemüht, mit den JungenLudwigsteinern, die anscheinend ohnegeistigen Bezug zur Jugendbewegung ander Burg zelteten, ins Gespräch zu kom-men. Die Möglichkeiten für ein Pfingst-programm, das hierzu den Weg ebnet, warzwischen den Vorträgen der Tagung Ge-genstand vielfältiger Überlegungen.

    Ach ja, die Tagung; die eingeladenenReferenten vermittelten anschaulich undmit viel Sachverstand Einblicke in dieMöglichkeiten der Nutzung von regenera-tiven Energien, wie auch in die Hinter-gründe der politischen Ökologie. Bei derExkursion zum Bioenergiedorf Jühnde,welches seinen Energiebedarf aus derVergärung von Gülle und pflanzlicher Bio-masse deckt, gewannen wir einen Einblickin die konkrete Nutzung der Potenziale zurCO2-neutralen Energiefreisetzung.

    Das hätte sicherlich auch den einenoder anderen Ludwigsteiner meiner Al-tersgruppe angesprochen, doch scheintdie Verbindung zur jüngeren Generationenabgerissen zu sein. Schade, wie ich finde.Vielleicht ist das Fehlen der Jungen aberauch nur ein Symptom des Termins, dennzu Pfingsten werden sich viele zumBundestag treffen oder eben auf Fahrtsein. Vielleicht gelingt es dennoch, ausge-hend von den Novembergesprächen, diebeiden Enden des abgerissenen Fadenswieder zu verknüpfen. Der Burg wäre es zuwünschen!

    Horridoh!parzival (Wandervogel-BfJ, DHG Witiko)

    AUS DEM BURGLEBEN – PFINGSTTAGUNG 2008

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    Pfingstmorgen im Burghof

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    Zum sechsten Mal führte eine Werkex-kursion der technischen HochschuleAachen zur Burg Ludwigstein. 14 Studie-rende des Lehrstuhls für Plastisches Ge-stalten haben an fünf Tagen Kreativität,handwerkliches Geschick und Improvisa-tionstalent bewiesen, um den alten, vomnatürlichen Zerfall gezeichneten Drachenam Feuerplatz durch eine neue Version zuersetzen.

    Nach einer Ortsbesichtigung der Archi-tekturstudenten gab Richard Geppert amMittwoch früh das Startsignal „Dau-men hoch“ für Abriss und Neubaudes besonders bei Kindern sehrbeliebten Feuerdrachens.Die neue Version solltenatürlichbesserwerden,als diealte: mehrSitzplätze und

    eine bequemere Sitzhöhe wurden gefor-dert, drei Köpfe sollte das Ungeheuer ha-ben und richtige Drachenflügel.

    Finanziert aus Studiengebühren derTeilnehmer wurden schon am Vortag 14Baumstämme angeliefert, die nun zu einemskulpturalen Spielgerät umgeformt wur-den: der Drachenkörper bekam ein Relief indie Haut geschnitzt, die Köpfe und Füßewurden mit Bildhauereisen aus dem vollenFichtenstamm geschlagen. Am Ende derWoche wurden alle Einzelteile passgenauzugerichtet und durch Einschlagen vonMoniereisen miteinander verbunden.Abends wurden nach und nach die altenDrachenteile dem Feuer übergeben – ausdem Rauch entstieg gleichsam die neueForm. Auch der neue Drache wird keinewiges Leben haben – schön wäre es,wenn andere Burgbesucher den Fadenaufnehmen und ihm später mal einenImprägnieranstrich geben würden.

    Axel Friedrich, Bildhauer

    AUS DEM BURGLEBEN

    Studierende spenden Drachen

    Eine mutige Drachenreiterin

  • Alt sind wir geworden! Bereits als ich1983 vierzehnjährig durch das mitFlokatis ausgelegte und mit einem großenBild des Staubbachfalls versehene Wohn-zimmer von Harald Männle Eintritt in die

    Heute muss ich feststellen, dass ichgerade einmal 11 Jahre jünger bin als diedrj. Wenn ich also über die Jahre 1985-1995 spreche, so spreche ich nicht überdie alten, höchstens die mittleren Jahre

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    Liebe Gefährtinnen, liebe Gefährten!50 Jahre deutsche reform-jugend (drj)

    Festveranstaltung zum 50. Jubiläum der deutschen reform-jugend (drj)

    drj fand, kam mir der Bund schon wie eineseit langem bestehende ehrwürdige Insti-tution vor, mit einer großen Ahnentafel vonBundesführern, deren Namen den Klangalter, goldener Zeiten heraufbeschworen.Hinzu kam, dass ich in der Gruppe Darm-stadt mit Abstand einer der Jüngsten war.Mit großen Augen verfolgte ich die wö-chentlichen Diskussionen in der Gruppen-stunde, bei denen die Großen engagiertüber die Fragen und Themen der Zeitdebattierten.

    des Bundes. Keine weißhaarige drj stehtrückblickend vor mir, vielmehr ein Jugend-bund in seinen besten Jahren, allerdingsschon in dem Alter, in dem er formal dieMitgliedschaft in sich selbst verlorenhätte.

    Dies mag so manche Entwicklung die-ses Jahrzehnts erklären. Die Sturm-und-Drang-Phase der drj war vorbei. In denGruppen, den Ländern und im Bund hat-ten sich Strukturen gebildet und verfestigt.Wer neu kam, musste die Rituale lernen:

  • Morgens Wecken mit Musik oder aus-nahmsweise am 1.1. mit Topfdeckeln;Frühsport für die Karrieristen; Frühstückmit dieser spezifischen Haferflocken-Haselnuss-Rosinen-Datteln-Milch-Müsli-mischung; mindestens einmal im Jahreine Makramee-IG oder Obertonsingenmit Jürgen; Stille vorm Durchfassen; dieKunst des zum Spüldienst motivierendenAnsagens, betroffenes Gucken im Ge-sprächskreis, beim Schlusskreis Händekreuzen und mindestens doppelt so langStille wie vor dem Essen halten usw. usw.Hatte man das alles gelernt, gehörte mandazu, und das war ein wunderbares Ge-fühl, gekrönt für mich von dem Moment,als mein Name am Silvesterfeuer aufge-rufen wurde und anschließend ein kleinesAbzeichen meine Jacke schmückte, dasmich zu einem festen Teil dieses großenGanzen werden ließ, der deutschen re-form-jugend.

    Es erstaunt mich angesichts der fünfzig-jährigen drj-Geschichte immer noch, mitwelcher Selbstverständlichkeit und Unge-niertheit sich Jugendliche aus eigener Ge-staltungskraft heraus diese Regeln gege-ben und sie befolgt haben. Natürlich gab esda auch die Momente des Widerspruchsund den Versuch, Alternativen zu entwi-ckeln. Erinnern möchte ich aus unserenJahren exemplarisch an die Zuspitzungdes Schlusskreises im sog. Gunschen, ei-ner kreisförmigen Schmuseform mit – soder Vorwurf - sozialem Ausgrenzungscha-rakter, die manche Diskussion auslöste;oder die Entstehung christlicher Morgen-kreise, nachdem unser Liederbuch eineru. a. religionskritischen Säuberungsaktionunterworfen wurde; dann natürlich die Ex-zesse im Eisessen auf und vor allem im An-schluss an Treffen besonders des LandesMitte, die lange Debatten nach sich zogen.

    Wie unterschiedlich sich Veranstaltun-gen der drj entwickeln konnten, war auchim Sommer 1987 zu beobachten, als eineKajakgroßfahrtengruppe aus Jugosla-wien, deren Teilnehmer sich im Laufe ihrerFahrt zu Spezialisten im Melonenkernspu-cken und – so ihre eigene Bezeichnung –Siffen entwickelt hatten, auf ein Jüngeren-lager am Walchsee traf und dieses mit sei-nen festgelegten Sitten gründlich durch-einander brachte.

    Alle diese Entwicklungen trugen abernicht zu einem Auseinanderbrechen desBundes bei, im Gegenteil, durch die Viel-zahl der Ausprägungsformen stabilisiertesich der ideelle Kern. Und je heftiger dieDebatten, umso größer in der Regel imAnschluss das Gefühl der Gemeinschaft.Aus einem solchen Gemeinschaftsgefühlheraus entstand auch das größte Projektdieser Jahre, die Neufassung der Zielset-zungen und Erläuterungen unseres Bun-des. Die Arbeit an den Formulierungen ingroßen und kleinen Kreisen, das Sich-Besinnen auf das, was das Spezifische,Unverwechselbare, in der öffentlichenJugendarbeit auch Konkurrenzlose derdeutschen reform-jugend ausmachte,habe ich als eines der intensivsten undprägendsten Erlebnisse aus meiner Zeit inErinnerung. Es war ein umfassender Iden-titätsfindungsprozess, der sowohl Ge-meinschaft beschrieben, wie auch Ge-meinschaft gestiftet hat. Das kollektiveHurrageschrei nach der Abstimmung aufdem „Nassen Fleck“ bei Friedberg wardann sowohl Triumph als auch Erlösungvon einem lange Jahre wie langen Atem inAnspruch nehmenden Projekt.

    Die Intention, die wir damals unsererArbeit gaben, war eine ausgeprägt päda-gogische, und nicht zufälligerweise sindviele von denen, die damals zum Aktiven-

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  • kreis gehörten, heute in pädagogischenoder therapeutischen Berufen tätig. UnserCredo war dabei immer die Überzeugung,dass eine Gemeinschaft junger Menschennur dann bildend und gestaltend in ihreZeit hineinwirken kann, wenn sie sich umein Verständnis dieser Zeit bemüht. Nuraus einem vertieften Begreifen ihrerGegenwart kann Jugend zur „Reform-Jugend“ werden, die Zukunftsweisendesaufgreift und im Rahmen ihrer Ideenweiterentwickelt.

    Die Gegenwart unserer Jahre war eineäußerst bewegte. Anfang der 80er, ichwar gerade in der 7. oder 8. Klasse, er-klärte mir mein Sitznachbar in der Schuletodernst, dass es das Jahr 1984 nicht ge-ben werde. Ich schenkte ihm für einenMoment Glauben, denn der Kalte Kriegwar trotz aller zunehmenden Zeichen vonEntspannung realer Bedrohungskontextunserer Kinder- und Jugendzeit. Ich erin-nere mich sogar an den Besuch einerInfoveranstaltung mit dem Titel „Wiemache ich aus meinem Keller einenAtombunker?“.

    Mit welcher Spannung haben wir nichtalle dann die Ereignisse der Wendejahreverfolgt. Und es war schnell klar, dass diedrj davon nicht unberührt bleiben konnte.Und so eroberten wir die neuen Bundes-länder auf dem Kirchentag in Berlin, aufder großen Sternwanderung Mitte-Süd1990 im südlichen Thüringer Wald, aufdem symbolischen Weg vom Ludwigsteinzum Hanstein, auf dem Bundeszeltlager1992 in Brotterode, ebenfalls ThüringerWald, auf Sommerzeltlagern in Branden-burg und an der Ostsee etc. Es war einelogische Konsequenz, dass bald auch einLand Ost gegründet wurde, das einigeJahre lang recht munter vor sich hinwerkelte.

    Bei der drj sein hieß für mich immerwieder aufs Neue aufzubrechen. Aufzu-brechen in die Abenteuer der gemeinsa-men Planung und Durchführung einesLagers, aufzubrechen zu einer Wanderungüber das Wochenende im Odenwald, auf-zubrechen zur Großfahrt, oder am Endejeden Jahres zu diesem wunderbarenBurgfest, dem rauschenden Jahresaus-klang, bei dem man alle wiedersehenkonnte, die Gefährten des zurückliegen-den Jahres geworden waren – zu demSilvestertreffen.

    Vom Silvestertreffen stammt auch daserste der drei Bilder, mit denen ich versu-chen möchte zusammenzufassen, wasdenn diesen Bund aus meiner Sicht zu et-was Einzigartigem, Unverwechselbaremmacht. Es ist – wie könnte es anders sein– diese archetypische Szene der um dasNeujahrsfeuer stehenden jungen Men-schen. In dem Augenblick, in dem überallim Land die Raketen in die Lüfte stiegenund die Sektkorken knallten, erlebten wiralle im Kreis den tiefsten Moment derStille. Gegen die Zerstreuung und den

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    Singerunde im Burghof

  • Lärm setzten wir die Besinnung und dieEinkehr in einer Gemeinschaft, die zudiesem Moment von größter innerer Über-einstimmung geprägt war. Wie viel Energiehat mir, hat uns dieser Augenblick für dasneue Jahr mitgegeben, welchen kraftvol-len Akzent gesetzt für das Erfassen deswesenhaften Kerns eines sich rundendenJahres.

    Das zweite Bild habe ich meines Wis-sens auch bereits in meinem Beitrag zurChronik beschrieben. Es war ein Augen-blick auf dem Tanzfest in Darmstadt, alsHarald Männle nach einer erfolgreichenSchattenspielaufführung mit der Jünge-rengruppe Darmstadt auf uns Verantwort-liche zukam und uns als Belohnung dieLeitung des bunten Abends zusagte. Ver-antwortung nicht als Pflicht, sondern alsAuszeichnung zu sehen, Gestaltungs-möglichkeiten nicht als Belastung, son-dern als Chance zu begreifen – das habenwir in der drj gelernt. Hier liegt der Kern ei-ner Begeisterung, die Menschen mitreißenkann, die ihre Wurzeln nicht im Interessedes eigenen Vorteils hat, sondern in einerSehnsucht nach ideellem Fortschritt derWelt.

    Das letzte Bild ist ein innerhalb derreform-jugend fast alltägliches: JungeMenschen, bepackt mit schweren Ruck-säcken, irgendwo auf Fahrt in Deutsch-land oder Europa.

    Was ist das Besondere daran? LiebeGefährten, gibt es ein treffenderes Bild fürdas Leben als die fahrende Gruppe? Dennsind wir das nicht alle, egal in welchemAlter und welcher Lebensphase: Reisendeauf dieser Welt, Wanderer zwischen Ver-gangenheit und Zukunft? Doch worausschöpft der Fahrende sein Glück? Nichtaus Besitz und Gütern, die hindern ihn nuram Gehen: Es ist die Freiheit des Weges,

    es ist die Freundschaft der Gruppe, die ihnträgt, und es ist die Gewissheit einesZieles, auf das der Weg hinführt.

    Gestern im Gesprächskreis hat KlausDetering den richtigen Satz gesagt: „Wernicht einen gemeinsamen Weg geht, kannnicht Gefährte sein.“ Wenn ich hier in dieRunde sehe, so gibt es kaum eine hetero-genere Gruppe als die Teilnehmer diesesJubiläumstreffens. Die unterschiedlich-sten Lebenswege kreuzen sich hier undheute. Können wir uns jetzt zu Recht Ge-fährten nennen? Wir können es, weil wirdieses kurze oder längere Stück, das wirzusammen gegangen sind, aus freiemWillen und aus innerer Wahrhaftigkeit ge-gangen sind, ganz im Sinne der Meißner-formel.

    Unser Kreis heute ist nicht Folge vonNützlichkeitserwägungen oder Pflichter-füllung, sondern Manifestation einer inne-ren, ideellen Gemeinsamkeit, für die wiruns frei entschieden haben. Das heißtaber, dass wir überall dort, wo wir in unse-rem Leben aus ideellen Motiven handeln,auch im Geist dieser Gemeinschaft han-deln, aus der wir für unsere Entscheidun-gen Rückhalt und Kraft gewinnen. Ichkann also sagen: Ja, wir sind Gefährten,weil wir auch dann, wenn die Gruppeauseinandergezogen wird, auf dieser ge-meinsamen Straße wandern, über der derLeitstern der „Ehrfurcht vor dem Leben“leuchtet.

    Liebe Freunde, liebe alte und liebejunge drj-ler, im Ganzen: liebe Gefährten!

    Lasst uns heute und hier gemeinsamaufbrechen zu der nächsten Etappe unse-res Weges und dabei vor allem denenGlück und Segen wünschen, die an derSpitze dieses Zuges gehen: der neuen,jungen Generation unseres Bundes!

    Tilmann Siebert

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  • Als Lehrer/in auf Fahrt gehen, Schuleals Lebensschule gestalten, Schüleran den Erlebnissen und Herausforderun-gen der Fahrt groß und reich werdenlassen. Mit solchen Absichten sind wirenthusiastisch ins Referendariat gegan-gen, und viele von uns haben mutig dieerzieherischen Möglichkeiten des Fahr-tenlebens in ihren Schulen eingebracht.

    Ich möchte eure Ideen / Unternehmun-gen / Fahrten gerne sammeln und mögli-cherweise einen Teil davon in einem Netz-portal des bayerischen Staatsinstitutes fürSchulqualität und Bildungsforschung(www.isb.bayern.de) allen Lehrer/innenzugänglich machen. Jugendbewegter Stilder Unternehmungen ist sehr gerne gese-hen, aber nicht Voraussetzung! Erlebnis-oder abenteuerpädagogische Projekte,die ebenso der Persönlichkeitsstärkungvon Schülern dienen können, sind gleich-falls von Interesse, ebenso sinnstiftende,schön gestaltete Feste oder Rituale mit ju-gendbewegten Formen.

    Ziel ist es, die erzieherischen und diePersönlichkeit bildenden Möglichkeiten

    der Fahrt bzw. von Festen und Ritualen anBeispielen darzustellen und damit Lehrerzu einem Einbringen jugendbewegter odererlebnispädagogischer Elemente in dieSchulen zu ermutigen.

    Wer mich unterstützen möchte undetwas beitragen kann, der sende bitte einekurze Darstellung seiner Aktivitäten imUmfang von einer halben DIN A4-Seitenach München – am besten in den erstenvier Wochen nach Erhalt dieser Zeitschrift.Wer das zeitlich nicht schafft, möge mirfürs erste einfach eine kurze Mitteilungsenden. Am günstigsten ist für mich dieZusendung als E-Post (word-Datei mitBericht im Anhang, als Thema den Namender Schule nennen und Euren Namen) [email protected]. Selbstver-ständlich wird auch der gute, alte Briefnoch angenommen. Anschrift hierfür:Institut für Schulqualität und Bildungsfor-schung / GA, Wolfgang Hahn, Schelling-strasse 155, 80797 München.

    Herzlichen Dank! Horridoh !

    Wolfgang Hahn

    AUS DEM BURGLEBEN

    40

    Lehrer/innen aus den Bünden!

    Wir begrüßen unsere neuen MitgliederJuliane Palm, HannoverUwe Wolfram, UlmJens John und Kinder, Waldbröl Imme Kretschmer, HannoverJörn Kretschmer, LangenhagenGero Kretschmer, LangenhagenArne und Caroline Rote,

    NatendorfHans und Dorothea Schumann,

    Müllenbach bei Mayen

    Selmar Sechtling, DüsseldorfHilthart Pedersen, KielJonathan Brauch, GöttingenAntje Schröder, HamburgJo Gerresheim, DüsseldorfNiels Göttsch, BerlinJonas