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TarantelZeitschrift der Ökologischen Plattform

bei der Partei

Nr. 73JuniI I/201 6

Sozial-ökologischer Umbau -- aber wie?

Wirtschaft: BGE oder ÖGE?

Jeremy Rifkin und DIE LINKE

Kohleprotest in der Lausitz

Klimaflucht

Bücherecke

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2 Tarantel Nr. 73 Heft I I -201 6

Editorial

Ende Mai/Anfang Juni sind schwere Unwetter über Deutschland niedergegangen. In Niederbayern hatein Starkregen nicht nur Verwüstungen mit Mil l iardenschäden angerichtet, auch Tote sind zu beklagen.Am Niederrhein musste wegen Überschwemmungen Katastrophenalarm ausgelöst werden. Das vonAugenzeugen am häufigsten verwendete Wort ist: „Unglaubl ich.“ Doch wir sol lten es glauben. Schonvor 25 Jahren haben Meteorologen gewarnt, dass bei steigenden mittleren Temperaturen derErdatmosphäre Unwetterhäufigkeit und -stärke infolge des höheren Energiegehaltes der Luftzunehmen werden. Damals wurde noch diskutiert, ob ein Kl imawandel stattfindet, heute hat derBegriff einen festen Platz in unserem Sprachgebrauch ‒ ohne dass sich die meisten Menschen überdie Auswirkungen der Erderhitzung Gedanken machen. Noch weniger sehen die Notwendigkeit, daseigene Denken und Handeln zu überprüfen. Das, was für Mil l ionen Menschen auf der Erde eine ernsteBedrohung bis hin zur Lebensgefahr darstel l t, ist zu einer Worthülse verkommen.

Beispiele dafür finden Sie im vorl iegenden Heft: Die LINKE spricht vom „sozial-ökologischen Umbau“der Gesel lschaft, doch unser Antrag an den Parteitag1 , bis 201 8 die Umweltpol itik als eineneigenständigen Parteitag-Tagesordnungspunkt festzulegen (S. 3) , wurde in Magdeburg nicht behandelt(S. 4) , sondern an den Vorstand überwiesen. Bei der ersten Sitzung des neuen Vorstandes wurde erebenfal ls nicht behandelt; mögl icherweise kommt er auf die Tagesordnung der Klausurberatung. Beidieser Beratung wil l sich der PV mit seiner Schwerpunktsetzung für die nächsten zwei Jahre befassenund sich festlegen. Ein weiteres Beispiel ist die Reaktion der Lausitzer LINKEN auf die Anti-Braunkohle-Proteste zu Pfingsten (S. 1 8).Doch Beispiele, die Mut machen, überwiegen: Vor al lem junge Leute haben in der Lausitz gegen denweiteren Kohleabbau protestiert (S. 1 4) und nicht al le LINKEN distanzieren sich davon (S. 1 6). EinBerl iner Selbsthilfeprojekt zeigt, wie soziale Kontakte und Engagement mit ökologischem Handelnverbunden werden (S. 5) . Die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens kann und sol lte um eineökologische Dimension zum Ökologischen Grundeinkommen weiter entwickelt werden (S. 8) . Last butnot least eröffnet die Produktivkräfteentwicklung völ l ig neue Mögl ichkeiten einer dezentralen,ökologisch(er)en Produktion (S. 9) .Im Interview mit Malte Danil juk (S. 1 9) wird unter anderem der Zusammenhang zwischen Energie-,Sicherheits- und Kl imapol itik deutl ich und Katja Kipping zeigt, wie sich der Kl imawandel in der Zukunftauf die Flüchtl ingsströme auswirkt (S. 25). Obwohl die Zusammenhänge bekannt sind, gel ingt es derLINKEN bisher nicht, daraus umfassende Lösungsansätze zu entwickeln. Genau das ist abererforderl ich ‒ wie das Gespräch mit Stephan Krul l von der BAG Betrieb & Gewerkschaft (S. 5) und dieBrandenburger LINKE in Fragen der Energiepol itik (S. 1 8) zeigt.Wie immer stel len wir interessante Bücher vor. Mögl icherweise ist Ihnen bereits die bisher nicht sehrübl iche Wortwahl „Erderhitzung“ aufgefal len ‒ ein erstes Ergebnis des „Pol itischen Framing“ (S. 31 ) .Brisant sind auch die Aussagen zu „Kritischen Metal len“ (S. 32): Wenn diese Metal le zu Ende gehen,hat das auch Auswirkungen auf die Entwicklung der Produktivkräfte (s.o.) .Wie kann also die Menschheit ökologisch befreit werden? Lesen Sie „Monsieur le Capital und Madamela Terre….“ (S. 29).

Insgesamt haben wir ein Heft zusammengestel lt, von dem wir hoffen, dass es Ihnen viele Anregungenl iefert. Dass es etwas dicker geworden ist, wird Sie in der Ferienzeit sicherl ich nicht stören.

Die Redaktion

1 http://www.oekologische-plattform.de/?p=1 33326

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Heft I I -201 6 Tarantel Nr. 73 3

In eigner Sache

Im zurückl iegenden Jahr war der Sprecherrat weiterhin bemüht, die Arbeit der Plattform in ihrer Gesamtheitqual itativer zu gestalten. Nach wie vor ist es unser Anl iegen, wie in der Gründungserklärung der Plattform zumAusdruck gebracht, dazu beizutragen, dass die Partei ihre Aufgaben in der Umweltpol itik, d.h. für den sozial-ökologischen Umbau der Gesel lschaft, umfassend wahrnimmt.Wir wol len deshalb in dieser Richtung einen Impuls geben und haben einen Antrag an die 1 . Sitzung des 5. Par-teitages eingereicht, um dort einen Beschluss zu erwirken, in die Tagesordnung einer nächsten Sitzung diesesParteitages einen besonderen Punkt zur ökologischen Pol itik der LINKEN aufzunehmen. Wir hoffen, dass dasmögl ich sein wird, zumal wir mit diesem Antrag kein Neuland beträten. Ebenso wie bei der im Vorjahr durchge-führten Zukunftskonferenz der Partei haben wir auch für die Konzeption zur Friedenskonferenz unsere Vorstel-lungen eingereicht, womit wir erreichen wol lten, dass der enge Zusammenhang zwischen Rüstung, Krieg undUmweltzerstörung für al le Teilnehmer, d.h. auf einer Plenartagung durch ein Referat für al le deutl ich gemachtwird, dass die umweltzerstörende Wirtschafts- und Lebensweise in den Industrieländern de facto Krieg gegendie ganze Menschheit bedeutet. Unsere Bemühungen haben leider am Ende wieder nichts gebracht.Der größte, nicht nur von uns kritisierte Mangel war, dass es keine Plenartagung gab, auf der für al le Teilnehmerdie grundsätzl ichen Fragen angesprochen werden konnten. Stattdessen zerbröselte sich die Konferenz in insge-samt vier Podiumsdiskussionen und 1 9 Workshops. Ledigl ich in einem Workshop konnte unser Anl iegen, al ler-dings kaum noch erkennbar, vermutet werden, der dann al lerdings auch noch auf ganzer Linie enttäuschte. Un-sere Meinung dazu haben wir in einem Brief an den Parteivorstand deutl ich gemacht.Auf dem Bundestreffen in Mannheim am 1 6.4.201 6 konnte erneut festgestel lt werden, dass mit einigen unsereröffentl ich wirksamen Aktivitäten wie die Herausgabe der Tarantel , der Internetauftritt, die Publ izierung unsererPositionen in Faltblättern und Broschüren bereits seit Jahren eine gute Qual ität erreicht ist.Auf Anregung des Bundestreffens in Wittenberg waren wir auch bestrebt, Sitzungen unseres Koordinierungsra-tes stärker für ökologiepol itische Debatten und dementsprechende Entscheidungen für unsere Arbeit zu nutzen.Als neue Beispiele für Bemühungen um gute Qual ität unserer Aktionen können die Sitzung des Ko-Rates imSeptember und die Konferenz „Kapital ismus zerstört Mensch und Natur“ im November angeführt werden. Aufder Ko-Rats-Sitzung im September wurde auf der Grundlage zweier interessanter Material ien – Thesen der „Ini-tiative Ökosozial ismus“ zum Thema „Ökosozial ismus oder Barbarei“ sowie einer Broschüre von HansjürgenSchulze von der Ökologischen Plattform in SH „Was ist grüner Sozial ismus“ eine wichtige Debatte, auch imLichte von Aussagen des Erfurter Parteiprogramms von 201 1 geführt.Zur Konferenz im November konnten wir auf ökologischem Gebiet so gestandene Persönl ichkeiten wie Prof. El-mar Altvater, Dr. Christopher Reyer vom Klimafolgen-Forschungsinstitut in Potsdam, Eva Bul l ing-Schröter undBjörn Schering, Mitarbeiter in der Bundestagsfraktion begrüßen. Über beide Aktionen, Ko-Ratssitzung und Kon-ferenz, wurde ausführl ich in den Tarantelausgaben Nr. 70 und 71 berichtet.Da in Mannheim satzungsgemäß wieder die Wahl von Sprecherrat und Koordinierungsrat durchgeführt und bei-den Gremien erneut das Vertrauen ausgesprochen wurde, sol len hier auch ein paar Worte zur Arbeit des Spre-cherrates gesagt werden. Diese Arbeit beschäftigt jede Mitstreiterin, jeden Mitstreiter im Sprecherrat tägl ichund verlangt vol len Einsatz. Es war deshalb durchaus angebracht, dass den Mitgl iedern im Bericht in Mannheimfür Ihre Arbeit ausdrückl ich gedankt wurde. Besonders gewürdigt wurde dabei die Arbeit von Alexandra undWolfgang Borchardt sowie Götz Brandt.Wichtiger Bestandteil der Arbeit der Plattform sol l die in den Landesgruppen sein. Sie haben in den Landesver-bänden der Partei die Aufgabe, die Vorstände und Fraktionen in ihrer ökologischen Pol itik zu unterstützen. Daes in der Plattform kein Berichtswesen gibt, kann an dieser Stel le nicht über die Arbeit der Landesgruppen be-richtet werden. Auf dem Treffen in Mannheim wurden aber die guten Beispiele der Gruppen in Brandenburg undBaden-Württemberg angeführt, die zeigen, dass es mit der Information einfach gehen kann, da sie den Spre-cherrat in ihren Rundmail-Verteiler aufgenommen haben. So wissen wir, dass beide Landesgruppen kürzl ich in-teressante Tagungen durchführten. Wenn sich al le Landesgruppen auf diese Weise noch gegenseitig vernetzen,könnte ein zusätzl icher Effekt des Erfahrungsaustausches erreicht werden.Zur Information schl ießl ich auch noch, dass unsere Delegiertenwahl zum nächsten Parteitag abgeschlossen istund die bisherigen Delegiertinnen Gesine Költsch und Johanna Scheringer-Wright wieder gewählt wurden. PetraBeck wurde inzwischen auch von den Zusammenschlüssen erneut als Vertreterin für den Bundesausschuss derPartei bestätigt.

Zur Arbeit der Plattform seit demBundestreffen 201 5 in WittenbergManfred Wolf

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4 Tarantel Nr. 73 Heft I I -201 6

In eigener Sache

Ein Schwerpunkt des Parteitages war die Be-handlung der drei vom Parteivorstand einge-brachten Anträge »Für Demokratie und Sol idari-tät! Gegen den Rechtsruck«, »Mehr für al le. Einesoziale Offensive für ein offenes Land!« und derAntrag »Für Frieden und eine gerechte Weltord-nung – Linke Alternativen zum ›Krieg gegen denTerror‹ und zur Mil itarisierung der deutschen Au-ßenpol itik.« Al le drei Anträge wurden nach aus-führl ichen Debatten angenommen.Der andere Schwerpunkt war die Wahl des neuenParteivorstands. Die Ergebnisse sind inzwischenbekannt. Gratul iert sei al len gewählten Genossin-nen und Genossen. Durch einige der neu in denParteivorstand gewählten GenossInnen, wie Sa-bine Leidig, die sich insbesondere für den sozial-ökologischen Umbau einsetzen wil l , Jan vanAken, Außenpol itiker, der früher jedoch als Gen-technik-Campaigner bei Greenpeace war undRaul Zel ik, der bewegungsorientiert ist, unddurch meine Wiederwahl sol lte das ökologischeProfil im Parteivorstand gestärkt werden.Wenngleich nicht al le Delegierten, die sich zurDiskussion gemeldet hatten, auch die Mögl ich-keit erhielten, zu sprechen, kann doch im Ver-gleich zum Bielefelder Parteitag gesagt werden,dass den Delegierten wesentl ich mehr Zeit ein-geräumt wurde, sich zu äußern.Trotzdem waren aufgrund des inadäquaten Zeit-planes und dazu noch unvorhergesehener Ereig-nisse (Tortenwurf auf Sahra Wagenknecht) dieZeit zu knapp, um die weiteren Anträge zu bera-ten. Auch die schlechten Ergebnisse aus denkurz vorher stattgefundenen Landtagswahlenwurden nicht gründl ich analysiert und bewertet.Was tut unsere Partei dafür, dass die Menschenuns nicht als Teil des Establ ishments empfinden,als Regierungspartei im Wartestand? Wie könnenwir als überzeugende, konsequente soziale undökologische Opposition wahrgenommen werden?Dazu gab es zu wenig Raum und Zeit.Gut 20 Anträge wurden in den Parteivorstandüberwiesen.Darunter war auch der Antrag der ökologischenPlattform „Um die Wortschöpfung ‚sozial-ökologi-

scher Umbau‘ auch auf ökologischen Gebiet mitInhalt zu erfül len, wird auf einem der nächstenParteitage bis spätestens 201 8 ein besondererTagesordnungspunkt mit dem Ziel vorbereitet,� den al lgemein bedrohl ichen Zustand der Um-

welt und die Auswirkungen auf das Leben aufder Erde zu analysieren

� Mögl ichkeiten zu untersuchen, wie die globaleökologische Katastrophe verhindert werdenkann und

� Weitere Schritte einer ökologischen und so-zialen Pol itik DER LINKEN in Deutschland undder EU festzulegen."

Dieser Antrag steht im Parteivorstand zur Ver-handlung an, wahrscheinl ich wird dies auf derKlausursitzung des Parteivorstandes am 2. und3. Jul i 201 6 in Rostock geschehen. Der letzteParteivorstand hatte es mehrheitl ich abgelehnt,sich eine Schwerpunktsetzung für Parteitage aufdie Tagesordnung setzen zu lassen. Ich bin derMeinung, dass es dem neuen Parteivorstand gutzu Gesicht stehen würde, Anregungen aus derMitgl iedschaft und aus einer aktiven Arbeitsge-meinschaft anzunehmen. Damit dies aber imParteivorstand auch von anderen so gesehenwird, sol lten unsere Leserinnen und Leser, sofernsie dem Antrag zustimmen, dies auch ihren Par-teivorstandsmitgl iedern mitteilen. Abschl ießendmöchte ich mich auch hier für meine Wiederwahlbedanken.

Bericht über den ParteitagDr. Johanna Scheringer-Wright, Delegierte der ÖPFAm 28. und 29. Mai 201 6 fand in Magdeburg die 1 . Tagung des 5. Parteitagesder Partei DIE LINKE statt

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Heft I I -201 6 Tarantel Nr. 73 5

Im zurückl iegenden Jahr war der Sprecherrat weiterhin bemüht, die Arbeit der Plattform in ihrer Gesamtheitqual itativer zu gestalten. Nach wie vor ist es unser Anl iegen, wie in der Gründungserklärung der Plattform zumAusdruck gebracht, dazu beizutragen, dass die Partei ihre Aufgaben in der Umweltpol itik, d.h. für den sozial-ökologischen Umbau der Gesel lschaft, umfassend wahrnimmt.Wir wol len deshalb in dieser Richtung einen Impuls geben und haben einen Antrag an die 1 . Sitzung des 5. Par-teitages eingereicht, um dort einen Beschluss zu erwirken, in die Tagesordnung einer nächsten Sitzung diesesParteitages einen besonderen Punkt zur ökologischen Pol itik der LINKEN aufzunehmen. Wir hoffen, dass dasmögl ich sein wird, zumal wir mit diesem Antrag kein Neuland beträten. Ebenso wie bei der im Vorjahr durchge-führten Zukunftskonferenz der Partei haben wir auch für die Konzeption zur Friedenskonferenz unsere Vorstel-lungen eingereicht, womit wir erreichen wol lten, dass der enge Zusammenhang zwischen Rüstung, Krieg undUmweltzerstörung für al le Teilnehmer, d.h. auf einer Plenartagung durch ein Referat für al le deutl ich gemachtwird, dass die umweltzerstörende Wirtschafts- und Lebensweise in den Industrieländern de facto Krieg gegendie ganze Menschheit bedeutet. Unsere Bemühungen haben leider am Ende wieder nichts gebracht.Der größte, nicht nur von uns kritisierte Mangel war, dass es keine Plenartagung gab, auf der für al le Teilnehmerdie grundsätzl ichen Fragen angesprochen werden konnten. Stattdessen zerbröselte sich die Konferenz in insge-samt vier Podiumsdiskussionen und 1 9 Workshops. Ledigl ich in einem Workshop konnte unser Anl iegen, al ler-dings kaum noch erkennbar, vermutet werden, der dann al lerdings auch noch auf ganzer Linie enttäuschte. Un-sere Meinung dazu haben wir in einem Brief an den Parteivorstand deutl ich gemacht.Auf dem Bundestreffen in Mannheim am 1 6.4.201 6 konnte erneut festgestel lt werden, dass mit einigen unsereröffentl ich wirksamen Aktivitäten wie die Herausgabe der Tarantel , der Internetauftritt, die Publ izierung unsererPositionen in Faltblättern und Broschüren bereits seit Jahren eine gute Qual ität erreicht ist.Auf Anregung des Bundestreffens in Wittenberg waren wir auch bestrebt, Sitzungen unseres Koordinierungsra-tes stärker für ökologiepol itische Debatten und dementsprechende Entscheidungen für unsere Arbeit zu nutzen.Als neue Beispiele für Bemühungen um gute Qual ität unserer Aktionen können die Sitzung des Ko-Rates imSeptember und die Konferenz „Kapital ismus zerstört Mensch und Natur“ im November angeführt werden. Aufder Ko-Rats-Sitzung im September wurde auf der Grundlage zweier interessanter Material ien – Thesen der „Ini-tiative Ökosozial ismus“ zum Thema „Ökosozial ismus oder Barbarei“ sowie einer Broschüre von HansjürgenSchulze von der Ökologischen Plattform in SH „Was ist grüner Sozial ismus“ eine wichtige Debatte, auch imLichte von Aussagen des Erfurter Parteiprogramms von 201 1 geführt.Zur Konferenz im November konnten wir auf ökologischem Gebiet so gestandene Persönl ichkeiten wie Prof. El-mar Altvater, Dr. Christopher Reyer vom Klimafolgen-Forschungsinstitut in Potsdam, Eva Bul l ing-Schröter undBjörn Schering, Mitarbeiter in der Bundestagsfraktion begrüßen. Über beide Aktionen, Ko-Ratssitzung und Kon-ferenz, wurde ausführl ich in den Tarantelausgaben Nr. 70 und 71 berichtet.Da in Mannheim satzungsgemäß wieder die Wahl von Sprecherrat und Koordinierungsrat durchgeführt und bei-den Gremien erneut das Vertrauen ausgesprochen wurde, sol len hier auch ein paar Worte zur Arbeit des Spre-cherrates gesagt werden. Diese Arbeit beschäftigt jede Mitstreiterin, jeden Mitstreiter im Sprecherrat tägl ichund verlangt vol len Einsatz. Es war deshalb durchaus angebracht, dass den Mitgl iedern im Bericht in Mannheimfür Ihre Arbeit ausdrückl ich gedankt wurde. Besonders gewürdigt wurde dabei die Arbeit von Alexandra undWolfgang Borchardt sowie Götz Brandt.Wichtiger Bestandteil der Arbeit der Plattform sol l die in den Landesgruppen sein. Sie haben in den Landesver-bänden der Partei die Aufgabe, die Vorstände und Fraktionen in ihrer ökologischen Pol itik zu unterstützen. Daes in der Plattform kein Berichtswesen gibt, kann an dieser Stel le nicht über die Arbeit der Landesgruppen be-richtet werden. Auf dem Treffen in Mannheim wurden aber die guten Beispiele der Gruppen in Brandenburg undBaden-Württemberg angeführt, die zeigen, dass es mit der Information einfach gehen kann, da sie den Spre-cherrat in ihren Rundmail-Verteiler aufgenommen haben. So wissen wir, dass beide Landesgruppen kürzl ich in-teressante Tagungen durchführten. Wenn sich al le Landesgruppen auf diese Weise noch gegenseitig vernetzen,könnte ein zusätzl icher Effekt des Erfahrungsaustausches erreicht werden.Zur Information schl ießl ich auch noch, dass unsere Delegiertenwahl zum nächsten Parteitag abgeschlossen istund die bisherigen Delegiertinnen Gesine Költsch und Johanna Scheringer-Wright wieder gewählt wurden. PetraBeck wurde inzwischen auch von den Zusammenschlüssen erneut als Vertreterin für den Bundesausschuss derPartei bestätigt.

Aus den Ländern — Gesellschaftsperspektive / Theorie

Seit nun schon drei Jahren geht es fünf mal inder Woche nachmittags ins NachbarschaftshausFehrbel l iner Straße 92 (Berl in-Prenzlauer Berg) inder Kel leretage wie im Taubenschlag zu. VieleBewohner aus Berl in und Gäste bringen seit Jah-ren ihre nicht mehr benötigten Dinge des Al ltagsvorbei. So gingen schon viele Spielsachen, Be-kleidung, Schulsachen, Geschirr, Bücher undStoffe ohne die Vermittlerrol le des Geldes von ei-ner Hand in die andere. Die vielen großen undkleinen Kunden schätzen auch das offene Kl imabei "Leila" und, dass sich die Ladenakteure Zeitfür ihre Anl iegen nehmen.Durch Leila leisten al le Akteure einen Beitrag zurNachhaltigkeit einer sich in Berl in und Europaherausbildenden Wirtschafts- und Lebensweise.„Kaufen war gestern, tauschen und teilen istheute“. Den tägl ichen Überkonsum dieser Gesel l -schaft zu begegnen, andere Wege zu eröffnen alsmit kaufen und wegwerfen, das verändert dasBewusstsein und setzt dem „Terror der Waren-ökonomie“ (W. F. Haug) andere Arbeits- und Le-

bensweisen erfolgreich entgegen. Was Leila wieso viele Projekte einer anderen Ökonomie aus-zeichnet, ist die Unterstützung kreativer Ideenwie Flüchtl ingsarbeit in Berl in, Lebensberatungfür Ratsuchende, flotte Fahrräder für al le (Klein-streparaturen) und vieler mehr. Die Hoffnung hatuns also 201 5/201 6 nicht verlassen. Wir erfah-ren durch die ökologisch-alternative Presse(Rabe Ralf, contraste u.s.w.) , dass sich immermehr Menschen auf den Weg machen, einer reinkonsumorientierten Marktwirtschaft die bl indeGefolgschaft zu kündigen. Es ist schon schl imm,wenn die Erde am 1 3.8. dieses Jahres ein Mal inihrer Substanz verbraucht ist und die uns umge-bende Gesel lschaft das mit Elektroautos lösenwil l und zaghafter Dekarbonisierung.Wer also Interesse hat, uns in unserem sozial-ökologischen Projekt zu unterstützen und Ideeneinzubringen oder im Wohnumfeld selbst die Ideeeines Umsonstladens zu versuchen, ist uns je-derzeit wil lkommen.

Leila – was soll das denn?Hartmut Noack

Bist du glücklich oder was fehlt dir?

Ich persönl ich bin durchaus glückl ich. Zum vol l-ständigen Glück fehlt mir das Glück anderer. Wasmich betrübt, ist das Unglück vieler andererMenschen. Ich persönl ich habe keine existentiel-len Sorgen. Ich bin inzwischen nicht mehr er-werbstätig und daher bin ich persönl ich in einersehr angenehmen Situation.

Das kann ich verstehen. Und was wäre der Ansatz,

um das Unglück oder unvollkommene Glück der

anderen zu überwinden?

Auf der gesel lschaftl ichen Ebene führt das kapi-tal istische System zur Spaltung der Gesel lschaft,zur Verarmung großer Teile der Gesel lschaft, zurEntwürdigung vieler Menschen. Das ist unerträg-l ich. Die andere, die persönl iche Ebene von Vie-len ist, dass sie durch dieses System kaputt ge-macht worden sind und durch dieses Systemleiden.

Ich hätte vermutet, dass du auch die unwürdigen

Arbeitsbedingungen nennst, die es ja zum großen

Teil gibt.

Ja, Arbeit macht krank, das stimmt, aber nichtuneingeschränkt. Es gibt gute Arbeitsbedingun-gen und es gibt schlechte. Schlechte Arbeitsbe-dingungen, überlange und ungünstige Arbeitszei-ten in der Nacht, das macht krank und gehört aufjeden Fal l dazu.Als ich noch gearbeitet habe, habe ich das plakativ

auf den Punkt gebracht: "Wer Arbeit hat, hat zu

viel; wer keine hat, hat zu wenig. " Dazu kommen

Arbeitshetze und Missachtung durch Vorgesetzte,

die eine Rolle spielen. Deshalb habe ich nachge-

fragt.

Ja, es gibt die unterschiedl ichsten Ebenen; ichhabe zunächst über das kapital istische Systemgesprochen. Bei der persönl ichen gehört die Ar-beitsebene auf jeden Fal l dazu und natürl ich Ge-sundheit und soziales Umfeld.

Gespräch am Rande des Parteitagesmit Stephan Krull

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6 Tarantel Nr. 73 Heft I I -201 6

Wir diskutieren ja häufig, dass dieses System

nicht nur sozial ungerecht ist, sondern auch öko-

logisch gefährlich. Was sagt Ihr als AG Betrieb und

Gewerkschaft speziell dazu?

Da sind wir so systemkritisch, wie das sein mussfür LINKE al lgemein. Die Art und Weise der Pro-duktion im Kapital ismus ist Raub an der Natur,den Menschen eingeschlossen, aber auch an Flo-ra und Fauna. Das gehört abgeschafft. Wir lebenin einer Zeit, in der das aufgrund der technolo-gischen Entwicklung und der Produktivität durch-aus mögl ich ist. Ich selbst war Betriebsrat beiVolkswagen, also da, wo mit Abgasmessungenbetrogen wurde, wo also nicht mal die kapital is-tischen Regeln eingehalten werden, um die Um-welt zu schützen. Unsere Position ist natürl ich,dass solche Verhältnisse abgeschafft gehören.Es wird viel zu viel Mül l produziert. Da kannst dubeim Auto anfangen, das in einer Menge produ-ziert wird, die völ l ig unerträgl ich ist und wodurchimmer auch verhindert wird, dass öffentl icherVerkehr auch überhaupt stattfinden kann, sowohlim Fern- als auch im Nahverkehr. Es wird viel zuviel Mül l produziert in der Werbung. Wir werdenüberschüttet mit irgendwelchen Werbeprospek-ten, die einfach weggeschmissen werden und invielen anderen Bereichen auch. Es wird auf Ver-schleiß produziert, der Verschleiß wird in die Pro-dukte eingebaut, um die nächste Profitwel le mit-nehmen zu können, und das ist al les etwas, dasunsere Zustimmung nicht findet. Die Brücke zwi-schen denen, die in den Betrieben ihren Lebens-unterhalt verdienen müssen und denen, die sichfür ökologische Belange engagieren, ist sehr großund breit und da gibt es gar nicht so große Wi-dersprüche.

So gesehen hast du Recht. Andererseits hatten

wir bei der Zukunftskonferenz eine Diskussion

über Wachstum und da hat Ralf Krämer gesagt,

dass wir Wachstum benötigen, um die sozialen

Probleme zu lösen. Das Wachstum gefährdet aber

ökologische Fortschritte. Diese Frage haben wir

bisher niemals ausdiskutiert.

Das ist eine Frage, was man als Wachstum defi-niert. Man kann ja unterscheiden zwischen qual i-tativem Wachstum und quantitativen. Du wirstmir sicher zustimmen, wenn ich sage: "Wir brau-chen Wachstum im Bildungsbereich, im Gesund-

heitswesen, im ökologischen Bereich, also z.B. inder Energiewende.“ Es gibt also eine Reihe vonBereichen, in denen wir Wachstum dringend be-nötigen und andere, in denen wir kein Wachstumbrauchen, in denen es schädl ich ist. Ich glaube,so differenziert muss man herangehen. Eskommt noch eine weitere schwierige Frage dazu:"Sind wir, sind die Menschen in unserem Land, inEuropa, in Nordamerika und Teilen Südostasienbereit, von dem Wohlstand, der uns vergönnt ist,Abstriche zu machen?" Wir wissen, dass wir aufKosten der Dritten Welt leben und dass Wachs-tum in der Form, in der es jetzt stattfindet,schädl ich ist. Aber davon Abstand zu nehmen,erfordert auch, dass wir unser Konsumverhaltenändern. Dazu gibt es eine akzeptable Losung:"Weniger ist mehr." und "Zeitwohlstand statt Ha-ben, Haben, Haben". Aber das muss massen-wirksam sein, sonst wird es nicht funktionieren.

Das ist genau unser Ansatz. Zum qualitativen

Wachstum oder den einzelnen Sektoren, in denen

Wachstum stattfinden soll oder nicht darf und den

einzelnen Sektoren des Wachstums: Wenn von

Wachstum allgemein die Rede ist, meint man in

aller Regel das Bruttoinlandsprodukt und das ist

die Summe aller Sektoren. Und dazu hast du ge-

sagt, wir müssen uns einschränken und reduzie-

ren. Das stellt nicht in Frage, dass in einzelnen

Sektoren, die für den sozial-ökologischen Umbau

nötig sind, auch Wachstum erforderlich ist. Wenn

das BIP insgesamt sinken muss, heißt das aber,

dass die anderen Sektoren zum Teil völlig zurück-

gefahren werden müssen. Was ist dann die Kon-

sequenz? Zum anderen hast du völlig Recht, dass

Länder, auf deren Kosten wir in der Vergangenheit

gelebt haben und zum Teil noch leben, diesem

Entwicklungspfad folgen. Die Frage ist daher: Wo

finden wir den Ansatz des Umschaltens?

Das ist ungeheuer schwer, und ich bin mir nichtsicher, dass es gel ingen wird. Ich wil l ein Beispielnennen. Wie gesagt, ich war Betriebsrat beiVolkswagen, das ist ein Teil der Metal l industrie.Ich bin also Mitgl ied der IG Metal l , habe an Ge-werkschaftstagen teilgenommen und viele De-batten auch verfolgt und auf dem letzten Ge-werkschaftstag wurde beispielsweise eineDebatte geführt über die Rüstungsindustrie. Wirbeide sind uns wahrscheinl ich ganz schnel l einig,

Gesellschaftsperspektive / Theorie

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Heft I I -201 6 Tarantel Nr. 73 7

dass Rüstung etwas Verwerfl iches ist, waswir nicht brauchen. Das war in der IG Me-tal l auch lange Konsens und es wurde ge-sagt: Wir müssen die Rüstungskonversioneinleiten usw. usf. , also etwas Anderesproduzieren als Panzer, Raketen, Pistolenoder anderes Kriegsgerät. Auf dem jüngs-ten Gewerkschaftstag ist die Diskussionaber anders gelaufen. Da wurde gesagt:Al les richtig. Wir brauchen Konversion,aber wir reden darüber schon fünfzig Jahreund es ist uns nicht gelungen, wir wol lenjetzt nicht mehr darüber reden und vor al-lem unsere Kol legen bei Heckler und Koch,Rheinmetal l und wo sonst noch Rüstungproduziert wird müssen das auch nach-vol lziehen können. Wenn ihnen gesagtwird: Wir wol len eure Produkte nicht mehr,dann müssen wir ihnen vorher sagen, wassie denn stattdessen machen, wovon sieihren Lebensunterhalt finanzieren, ihrHäuschen finanzieren, wovon ihre Famil ieleben sol l . . .

Das Gleiche bei der Braunkohle

Ja, richtig. Das ist auch ein berechtigter An-spruch, zunächst einmal. Man darf nur nicht da-bei stehen bleiben. Ich finde es völ l ig berechtigt,zu sagen: Wenn das, was ich herstel le, schlechtist und ich sol l das nicht mehr tun, dann sag dumir bitte, was ich danach tun kann und wer mirdafür so viel Geld gibt, dass ich davon gut lebenkann, denn ich wil l gut leben. Und ich finde, dar-auf hat jeder einen Anspruch. Es reicht nicht, zusagen: "Es ist Mist, was du machst – sei esBraunkohle oder Panzer – und hör auf damit."Ohne anzugeben, was sie dann machen sol len,ist das aussichtslos. Deshalb ist die eigentl icheFragestel lung so ungeheuer schwierig. In der Au-tomobil industrie verändert sich zur Zeit ganz viel .Mit dem Abgasskandal ist in eine Blase gesto-chen worden. SO geht es nicht weiter. Das ist ei-gentl ich ganz klar. Ich persönl ich bin gerade da-bei, mit vielen anderen zu schauen, ob wir dafürnicht auch Alternativen entwickeln können, diedann für die Kol legen akzeptabel sind. Ganz an-dere Produkte, als es bisher der Fal l ist. Aber dasist sehr, sehr schwierig, ungeheuer komplex. Dassind ethische Fragen, technische, juristische, po-

l itische Fragen, ökonomische, ökologische Fra-gen. Und man muss al le diese Fragen zusammenstel len und versuchen zu beantworten. Eine Ver-einzelung, einfach zu sagen, es ist nur ein ökolo-gisches Problem oder es ist nur ein juristischesProblem – das hilft uns nicht weiter. Es geht jaauch um Eigentumsverhältnisse.

Genau, diese Fragen muss man dann aber auch

stellen.

Ja, aber "unterhalb einer sozialen Revolution". Esist in unserem Land zwar nicht ausgeschlossen,die zu stel len, aber es ist schwierig. Wir habenArtikel 1 4 Grundgesetz. Darin steht: Eigentumsol l der Al lgemeinheit dienen und kann auch ent-eignet werden. Das ist ja auch praktiziert worden– aber immer unter sehr schwierigen Bedingun-gen. Das meinte ich mit juristischen Fragen, diedann auch mit geklärt werden müssen. Und ichglaube, von einer Revolution derart, dass wir mitGewalt die Macht übernehmen, sind wir weitentfernt und es ist wahrscheinl ich auch gar nichtmehr mögl ich und unter den gegenwärtigen Um-ständen auch gar nicht wünschenswert.Danke für das Gespräch

Das Gespräch führte Wolfgang Borchardt

Gesellschaftsperspektive / Theorie

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8 Tarantel Nr. 73 Heft I I -201 6

Gesellschaftsperspektive / Theorie

Das Defizit an sozialer Gerechtigkeit, welchesdas kapital istische System kennzeichnet, war derHintergrund für die Idee des BedingungslosenGrundeinkommens (BGE). Tatsächl ich gibt es dieschreiende Ungerechtigkeit zwischen Einkom-men privilegierter Schichten und armen und pre-kären Teilen des Volkes, etwa 1 3 Mil l ionen inDeutschland. Und die Schere zwischen Arm undReich geht immer weiter auf.Soweit sind sich Vertreter des BGE und des ÖGE ei-nig. Beide wollen, dass Hartz IV durch ein besseresSozialsystem abgelöst wird. Hinter den Modellenstehen Philosophien. Das BGE wil l den Menschennicht nur versorgen, sondern das gesamte Arbeits-system in Richtung einer emanzipativen, den Men-schen erfül lenden Arbeit umstrukturieren.Wo aber bleibt im BGE der Schutz und der Erhaltder Natur? Naomi Klein hat in ihrem Buch "DieEntscheidung: Kapital ismus vs. Kl ima" klar ge-stel l t: Der fossile Kapital ismus gehört abge-schafft, um die natürl iche Umwelt der Mensch-heit zu erhalten.Roland Blaschke sagte mir auf dem Jubiläums-treffen „1 0 Jahre BGE“ auf meine kritische Fragehin, was am BGE ökologisch wäre, dass das BGEauch eine Ökoabgabe kennt. Diese taucht unterdem Begriff Primärenergieabgabe auf. Für michheißt das aber: Die Ökosteuer wird beim BGE un-ter fremden Namen versteckt und führt im Ge-samtkonzept des BGE das Dasein eines Aschen-puttels. Viel leicht kann man auch dieLuxusgüterabgabe des BGE unter Ökosteuer sub-summieren. Primärenergieabgabe und Luxuss-teuer sind aber erst als Finanzposten Nr. 4 undNr. 6 im Konzept des BGE aufgeführt. Was sol ldie Namensgebung der Ökosteuer als Primär-energieabgabe? Was sol l dieses Versteckspiel?Klarer kommt die Idee einer notwendigen ökolo-gischen Transformation weg vom Kapital ismusim ÖGE rüber. Das steckt schon in der Definitiondes ÖGE: „Es kombiniert die Verteuerung vonUmweltgebrauch mit einer Umverteilung nachunten.“ (Ulrich Schachtschneider: „Freiheit,Gleichheit, Gelassenheit“, S. 37) Das ÖGE wirdalso im wesentl ichen finanziert über Ökoabgaben

auf Naturressourcen, -verbrauch und Umwelt-schädigungen bzw. über die Umlenkung Umweltschädigender Subventionen, wie Ronald Blaschkerichtig in einer kritischen Darstel lung zuSchachtschneiders Buch feststel l t.Während das ÖGE eindeutig im Sinne des Schut-zes der Natur Stel lung nimmt und den fossilenKapital ismus abschaffen wil l , gibt sich das BGEals sehr fortschrittl ich, hält aber im Prinzip amfossilen Kapital ismus fest.Dem BGE wird von der herrschenden Seite, aberauch von breiten Schichten der Bevölkerung, diegemäß der protestantischen Ethik dressiert wur-den, der Faulheitsvorwurf gemacht. Das ÖGE istgegen diesen Vorwurf eher immun. Es wendetsich gegen die Organisation einer Gesel lschaft,die auf mit fossiler Energie (insbesondere Kohleund Öl) betriebener Großindustrie beruht, in de-ren Zentrum fossile Konzerne stehen. DiesesSystem der Ausbeutung, kombiniert mit Out-sourcing und Robotsourcing, führt zur Massenar-beitslosigkeit und Armut, und zwar in den Län-dern des Nordens wie in denen des Südens.Das unsägl iche Profitstreben dieses Systems istnur ein Faktor dieser Abwärtsbewegung derMenschheit. Es macht Halt weder vor der Zer-störung des Menschen noch vor der der Natur.Das ÖGE wil l nun nicht nur Menschen versorgen,sondern Tür sein zu einer neuen, ökologischenund sozialen Gesel lschaft. Die bei ihm zentraleÖkosteuer dient einerseits der Versorgung, ande-rerseits der Umlenkung in die neue Gesel lschaft.Nur bürgerl iche Kleingeister können hier mit demFaulheitsvorwurf kommen. Die Kritik gegen dieBefürworter des BGE lautet: Die Primärabgabe imBGE erscheint mir als eine etwas zu dünne Basiseiner radikalen Kritik am fossilen Kapital ismus.Nicht zuletzt müssen wir von der Ölenergie weg,wobei indirekt auch das ÖGE hilft, da es die Ge-sel lschaft auf Basis erneuerbarer Energiequel lenfördert. Öl ist die Hauptenergie der gegenwärti-gen Phase des Kapital ismus. Ist es nur Zufal l ,dass in vielen Ländern, wo Öl unter der Erde la-gert, also im gesamten Nahen Osten und in Teilendes arabischen Nordafrika, Kriege stattfinden?

Warum eine Diskussion über das ÖkologischeGrundeinkommen (ÖGE) notwendig istWolfgang Penzholz

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Heft I I -201 6 Tarantel Nr. 73 9

Warum lehnen Marxisten Jeremy Rifkins Theorien ab,und warum sind sie damit im Irrtum?Wolfgang Penzholz

Gesellschaftsperspektive / Theorie

Jeremy Rifkin hat zugegebener Weise eine man-chen irritierende Themen- und Theorienvielfalt.

Auch stützt er sich nicht nur auf Theorien vonMarx, sondern auch auf Theorien Joseph Schum-peters oder der Grenznutzentheorie. Dass er seinBuch „Nul l-Grenzkosten-Gesel lschaft“ ausge-rechnet mit einer Kritik am Kapital ismus aus derGrenznutzentheorie eröffnet, schadet der Klar-heit eher, denn es nützt.Man muss aber den Kern seiner Arbeit herausschälen, niedergelegt insbesondere in den Bü-chern „Die dritte, industriel le Revolution“ und„Nul l-Grenzkosten-Gesel lschaft“. Dort finden wirdie Aufteilung in drei Epochen des Kapital ismus.Gerade seine Aufteilung in die erste, die zweiteund die dritte industriel le Revolution eröffnetüberhaupt erst das Verstehen des modernen Ka-pital ismus, macht dessen soziale und ökologi-sche Kritik über Marx hinaus mögl ich und machtes mögl ich, die Perspektive einer echten, sozia-l istischen und ökologischen Revolution zu erken-nen, welche eine neue, humanen Gesel lschaftschafft. Auch wird durch Rifkins dritte industriel-le Revolution erst die Verlogenheit des neol ibera-len Model ls der Revolution 4. 0 deutl ich.

Drei Phasen der industriellen Revolution nachRifkin

a) Erste, industrielle Revolution1 769 erfand James Watt die moderne, Kohle be-triebene Dampfmaschine. Folge: Enorme Pro-duktionsgewinne. Zwischen 1 81 7 und 1 840sprang die britische Baumwol lproduktion von 22Mil l ionen auf 366 Mil l ionen Pfund bei gleichzeiti-gem Absturz der Produktionskosten. Bereits1 850 waren kohlebefeuerte Dampfmaschinen inganz Europa und Amerika zu finden. (Rifkin: 66f)Man stieg von der ursprüngl ich mit Wassermüh-len betriebenen Stahl industrie in der zweitenHälfte des 1 9. Jahrhunderts auf Dampfkraft um.England vol lzog als erstes Land den Wechsel vonWasser und Wind zur Kohle. Deutschland folgtenach. Dann die USA mit deren ungeheuren Koh-levorkommen. Beim Ausbruch des Ersten Welt-krieges waren al le drei Länder von der ersten, in-dustriel len Revolution dominiert. H inzu kamenbald die Lokomotiven, die dann Mil l ionen Briten,US-Bürger und Deutsche transportierten. Die mitKohle befeuerte Dampftechnologie -- Dampf-druckpresse und Dampflokomotive -- bildeten dieal lgemeine Mega-Technologieplattform für dieerste, industriel le Revolution (Nul l GrenzkostenGesel lschaft, 66f) . Kohle war das fossile Haupt-treibmittel des Kapital ismus, die dampfbetriebe-ne Bahn sein Hauptverkehrsmittel . Aus Natur-ausbeutung stammende Energie verursachtriesige Profite, der Mensch steht an zweiter Stel-le: Es geht nur um Profit. Die Kohle warf haupt-sächl ich den Profit aus, das Wort Ausbeutungstammt aus dem Bergwerken.b) In den letzten beiden Jahrzehnten des 1 9.Jahrhunderts wurde in den USA die zweite, in-dustrielle Revolution geboren, noch unter der

Das ÖGE fördert die Umwandlung in die Gesel l -schaft auf der Basis der Erneuerbaren, in der we-der ein zentraler Platz für Öl noch für die die At-mosphäre zerstörende Stein- und Braunkohle ist.Dass die Vertreter der BAG-Grundeinkommen der

LINKEN sich weigern, auf dem hier angeführtenHintergrund über das ÖGE zu diskutieren, ver-hindert einen gemeinsamen Lernprozess undschadet der l inken Bewegung.

Jeremy Rifkin

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1 0 Tarantel Nr. 73 Heft I I -201 6

Gesellschaftsperspektive / Theorie

Herrschaft der ersten, industriel len Revolution.Gekennzeichnet war die neue Megatechnologiedurch Entdeckung des Erdöls, der Erfindung desVerbrennungsmotors (Auto) und des Telefons(Rifkin: 75).Dies sol lte das ganze zwanzigste Jahrhundert be-herrschen. Als zeitl ich frühesten Startpunkt kannman das Jahr 1 868 ansehen, in dem John D.Rockefel ler die Standard Oil Company gründete.In der zweiten, industriel len Revolution nahmendie Arbeiter zuletzt gerne ihre Knechtung im Pro-duktionsprozess in Kauf, denn die mit scheinbarunendl icher Energie, Öl , nun angetriebene kapi-tal istische Wirtschaft schuf Wohlstand für al le,eigenes Auto, Reihenhaus, Mal lorca-Urlaub etc.In Deutschland wurde die zweite, industriel le Re-volution wohl durch die Weltkriege in die Zeitnach dem zweiten Weltkrieg verzögert.c) Zukunft: Die dritte industrielle RevolutionDie stetige Verteuerung des Ölpreises ist derEndl ichkeit der Ressource Erdöl geschuldet.Während man nämlich etwa um die Jahrtausend-wende ein Barrel (Faß) Öl noch für unter 24 Dol-lar in den USA bekommen konnte, musste mansieben Jahre später, im Jul i 2008, den stolzenPreis von 1 47 Dol lar bezahlen. (Rifkin, 85)Dass der Ölpreis von Dezember 201 5 an auf 36Dol lar pro Fass fiel , war dem Wirtschaftskrieggegen Russland, Syrien, I ran geschuldet, von denUSA und Saudi-Arabien durch die Überprodukti-on von Öl forciert. Diese künstl iche Manipulationdes Ölpreises hielt nur bis jetzt, Mai/Juni 201 6.Nun schießt der Ölpreis wieder hoch, geradeheute am 28.5.1 6 auf über 50 Dol lar/Fass.Schon im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts,aber erst recht seit 2000, setzt sich in Skandina-vien, in den BeNeLux-Ländern, in Deutschland, inden Alpenregionen, I tal ien und Spanien, in denUSA und Kanada Energie durch, die mit moder-nen Windräder, Sonnenmodulen oder Wasser-kraft erzeugt wird.Neben die solare Energie -- nach Rifkin ein tra-gendes Element der dritten industriel len Revolu-tion -- tritt als zweites Element derselben die In-formationstechnologie, die sich seit den 1 990erJahren mit dem Personalcomputer, dem Internetund den Handys stürmisch entwickelte. Sie wirdfür die Energieversorgung entscheidend, um dasStromnetz in ein Energie-Sharing-Netz (intergrid)zur Regul ierung der in Wasserstoff- und anderen

Speichern gesammelten Energie zu verwandeln(Rifkin: „Die dritte, industriel le Revolution“ S.48f) .Schl ießl ich wird in der dritten industriel len Revo-lution mit der solaren Energie/Technologie undder digitalen Informationstechnologie die com-puterisierte Kleinproduktion kombiniert. JeremyRifkin führt nur einen Typ dieser Produktion an,den 3-D-Drucker. Dieser ist eine Entwicklungs-form von kleinen computerisierten Produktions-geräten, die von André Gorz in „Auswege ausdem Kapital ismus“ in Analogie zum Personal-computer -- hier im Bereich der Produktion --PersonalFabrikator genannt wurden. Rifkin er-kennt, dass dieses Instrument eine selbstständi-ge Produktion durch die Massen, also durch dasVolk ermögl icht, d.h. eine urkommunistischeProduktion.Hier wird der elementare Unterschied zur sog.Revolution 4.0 deutl ich: Bei letzterer werden di-gitale Maschinerien in mit fossiler Energie be-triebenen Konzernen eingerichtet, was zu weite-rem Arbeitsplatzabbau und höheren Profiten fürdie Kapitalherren führt. Die Variante Rifkins be-deutet hingegen Befreiung der Menschen vonentfremdeter Arbeit, auch Aufteilung, Dezentral i-sierung der Arbeit.

Die neue sozialistische, ökologischePerspektive„Kommunismus, das ist Sowjetmacht plus Elek-trifizierung des ganzen Landes“, so sprach Lenin(22. Dez. 1 920, Lenin Werke, Band 31 , 51 3). Mitdiesem Spruch gab Lenin eine Perspektive vor.Unter dieser Perspektive konnten sich die Pro-gressiven sammeln und so siegen.Wenn die heutige Linke gegen die Industrie 4.0angeht und hier nur eine neue Herausforde-rung sieht, das ist zu wenig, zu defensiv. Die Pa-role Lenins, auf die heutige Zeit übertragen,müsste lauten:“Erneuerbare Energien mal dezentrale, compute-risierte dezentrale Produktion mal direkte Demo-kratie in autonomen Gemeinden, das ist die Ge-sel lschaft der Gleichheit, Freiheit undBrüderl ichkeit.“

Das ökologische Grundeinkommen hilft, in dieseneue Gesel lschaft zu kommen.

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Heft I I -201 6 Tarantel Nr. 73 1 1

Das Bundesministerium für wirtschaftl iche Zu-sammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist inDeutschland nach Eigendarstel lung zuständig„für die Bekämpfung der Armut, für Frieden, Frei-heit, Demokratie und Menschenrechte, für einefaire Gestaltung der Global isierung und für denErhalt der Umwelt und der natürl ichen Ressour-cen.“1 in al ler Welt. Und weiter für „Eine Welt, inder al le Menschen selbstbestimmt und in Frei-heit ihr Leben gestalten können, eine Welt ohneArmut, gewaltsame Konfl ikte und ökologischeZerstörung.“2 Schön, oder?Und in Wirklichkeit?Wenn man sich jedoch die Real ität anschaut,wird man das Gefühl nicht los, dass es sich hier-bei um orwel lsches Neusprech handelt, das ge-nau das Gegenteil meint.Wichtigstes Werkzeug der „internationalen Ent-wickungszusammenarbeit“ ist heute die Gesel l -schaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) .Die ist an sich schon ein neol iberales Highl ight,201 1 aus der Fusion verschiedener Entwick-lungsbehörden hervorgegangen. (Übrigens in derÄgide von Minister Dirk Niebel . Das ist derjenige,der das eigentl ich schon abgeschlossene inter-nationale Abkommen zum Erhalt des Yasuni-Wal-des in Ecuador hat platzen lassen – das wärewohl noch zu schön, dass Deutschland Geld fürNaturschutz in Ecuador ausgibt – und der heutefür den Rüstungskonzern Rheinmetal l arbeitet. )Die GIZ ist jetzt ein privatwirtschaftl ich organi-siertes – jedoch zu 1 00% im Besitz des BMZ be-findl iches – gewinnorientiertes Dienstleistungs-unternehmen. Als solches verkauft es einenService, wie Unternehmen am Markt das nunmal tun. Hauptsächl ich an das BMZ, also seinenEigentümer, aber auch an andere nationale undinternationale öffentl iche Institutionen oder pri-vatwirtschaftl iche Unternehmen.

Die Kernkompetenz ihres Leistungsspektrumssieht die GIZ darin: „Menschen [zu unterstützen]Fachwissen sowie Handlungs- und Steuerungs-kompetenz zu erwerben. Organisationen, Behör-den und Unternehmen erhalten Beratung, umihre Organisations-, Management- und Produkti-onsstrukturen leistungsfähiger zu machen. Undnicht zuletzt berät die GIZ Regierungen darin,Ziele und Veränderungsprozesse in Gesetzen undStrategien zu verankern und landesweit umzu-setzen. Denn entscheidend für wirkungsvol le undnachhaltige Reformen sind die pol itischen undgesel lschaftl ichen Rahmenbedingungen.“3

Was dass dann konkret heißt, lässt die GIZ ihreKunden erzählen, so zum Beispiel Dr. AndreasBlüthner von der BASF: „Die GIZ hat das Mandatsowie eine beeindruckende Kompetenz, Regie-rungen von der Notwendigkeit von Standards zuüberzeugen und sie auf dem Weg dorthin zu be-raten.”4 Blüthner lobt sie für ihre Unterstützungin der Real isierung „eines überregionalen Pro-jekts zur Anreicherung von Nahrungsmitteln ge-gen Mangelernährung“. Dieses sieht – als zuge-gebenermaßen harmlosere Variante zu den aufGentechnik basierenden „Goldenrice“-Machen-schaften – die Anreicherung von Grundnahrungs-mitteln durch Vitamin A vor. Selbstverständl ich„made in Ludwigshafen“. Dabei wird künstl ichhergestel ltes Vitamin A, nachdem es entspre-chend aufbereitet wurde, exportiert und wieder-um mit Hilfe von BASF-Technikern in den Ziel län-dern Grundnahrungsmitteln wie Öl oder Mehlbeigemengt. Bei BASF legt mensch wert auf dieFeststel lung, dass „Wir […] unseren Kunden undPartnern nicht nur das Vitamin A [anbieten] , son-dern sie erhalten von uns eine Gesamtlösung.“5

International

1 http://www.bmz.de/de/ministerium/ziele/grundsaetze/2 http://www.bmz.de/de/ministerium/ziele/ziele/index.html3 https://www.giz.de/de/leistungen/kernkompetenz.html4 https://www.bmz.de/de/zentrales_downloadarchiv/themen_und_schwerpunkte/ernaehrung/SAF O-Konzept_DE.pdf5 http://www.standort-ludwigshafen.basf.de/group/corporate/site-ludwigshafen/de/news-and-media-

relations/science-around-us/food-fortification/story

Neoimperialismus unter dem Deckmantelsogenannter EntwicklungshilfeDominik Richl

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Im Klartext: eine offiziel le, von einem deutschenBundesministerium getragene Organisation, be-treibt Lobbyismus für eine Gesetzgebung, diedergestalt sympathischen, für ihre ökologischeund soziale Verantwortung bekannten Unterneh-men wie der BASF bessere Absatzmögl ichkeiteneröffnet bzw. überhaupt erst den legalen Rah-men für den Absatz ihrer industriel len Hightech-produkte ermögl icht. Dem entsprechend findetdie GIZ auch, dass eine tatsächl iche Ernährungs-souveränität der Menschen in den zu entwickeln-den Ländern, im Rahmen selbstbestimmter,kleinbäuerl icher Landwirtschaft, auch als Vor-aussetzung für eine Ernährung, die künstl icheVitaminaufnahme unnötig machen würde, nunleider, leider, nicht drin ist: „Wir müssen uns vonder I l lusion verabschieden, dass al le Kleinbauernim landwirtschaftl iche Sektor bleiben können“.6

Denn: „Bei al len Kooperationen und Projektensteht eines im Mittelpunkt: Wirtschaftl iche Inter-essen und entwicklungspol itische Ziele so mit-einander zu verknüpfen, dass al le Beteil igten da-von profitieren.“7

Im Umkehrschluss heißt das dann wohl , dassLeute, deren entwicklungspol itische Ziele sichnicht mit deutschen Kapital interessen verknüp-fen lassen, eben nicht beteil igt werden. Sie kön-nen sich ja beteil igen, wenn sie sich zum Beispielvon der I l lusion verabschieden, Kleinbauern blei-ben zu wol len. Und dass Kleinbauern bald keineKleinbauern mehr sind, dafür tut die GIZ so man-ches. Als Resultat ihrer Entwicklungshilfe inKambodscha zum Beispiel lobt sie sich: „Heutesind in den ländl ichen Gebieten [Kambodschas]hochwertiges Saatgut und Düngemittel verfüg-bar. Zwischenhändler und Verarbeitungsbetriebebieten Beratung, Marktinformationen und Finan-zierungsmögl ichkeiten an.“8

German Food PartnershipWas „hochwertiges Saatgut“ und „Düngemittel“wahrscheinl ich auch in diesem Fal l heißt, ver-deutl icht ein anderes Beispiel aus Kenia, wo die

GIZ im Rahmen der German Food Partership(GFP) tätig war: „Insgesamt verkauft der Konzernnach eigenen Angaben durch die Aktion über 20Prozent mehr Pestizide an Kleinbauern in Kenia.Und das, obwohl Bayer hier sehr teuer ist. Wiehilfreich das deutsche Staatsgeld dabei ist, gibtder Bayer-Verkaufsmanager in Kenia unumwun-den zu.“ Titus Kinoti, Verkaufsmanager Bayer Ke-nia: „Durch dieses Programm sind wir effektivergeworden. Wir können uns jetzt in einem um-kämpften Markt behaupten. Wir bedienen dieBedürfnisse der Kunden und bringen sie dazu,unsere Produkte zu kaufen.“1 0

Die GFP ist ein internationales Joint venture zwi-schen GIZ, privaten Charity Organisationen wieder Gates-Stiftung und führenden Agrarkonzernen,darunter Bayer und BASF. Ziel ist im Allgemeinendie Implementierung industrial isierter Produkti-onsweisen und im Speziel len die Absatzförderungfür die beteil igten Unternehmen. Bei Bayer freutmensch sich: „Sie [die Bauern] werden Zugang zumodernen Technologien erhalten: HochwertigesSaatgut, Düngemitteln, innovativen Pflanzen-schutzlösungen und Wassermanagement – um dielokale Produktivität nachhaltig (sic!) zu steigern.“1 0

Weitere BeispieleBiopiraterie in MexikoIn Mexiko – genauer im Bundesstaat Chiapas –versucht die GIZ ein dubioses Programm zu„Schutz und nachhaltiger Nutzung der SelvaMaya“ umzusetzen. Die Dachorganisation der in-digenen Heiler_innen und Hebammen (COMPIT-SCCH) fühlt sich davon jedenfal ls stark an denletzten – damals US-amerikanischen – Versucherinnert, die biologischen Ressourcen dieser sehrartenreichen Region für das heimische Kapital zuerschl ießen, d.h. Biopiraterie zu betreiben. Tat-sächl ich führten ganz ähnl iche Projekte bereits zuVertreibungen, Landraub und Repression bis hinzum Mord an denjenigen, die sich damit nicht ab-finden wol lten. Denn auch das Land und der Zu-gang dazu sind stets Teil solcher Projekte, die

International

6 Regenwaldreport Nr.1 5-37 https://www.giz.de/de/mit_der_giz_arbeiten/1 28.html8 https://www.giz.de/de/downloads/giz201 5_de_Leistungsangebot_Laendl iche_Entwicklung_Produ kt_036.pdf9 OXFAM; Gefährl iche Partnerschaft; Mai 201 41 0 http://www.monheim.bayer.de/de-DE/Pressemeldungen/201 3/Liam-Condon-Ernaehrungssicherheit-braucht-

Innovationen-und-starke-Partnerschaften.aspx

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International

Ausweisung von Schutzgebieten bedeutet regel-mäßig die Vertreibung der einheimischen Bevöl-kerung, die ja die Natur stören würde.1 1

„Aufforstung“ in NicaraguaFür „Aufforstungsprojekte“ in Nicaragua koope-riert die GIZ wie auch deren Vorläuferorganisati-on DEG im Rahmen von „Publ ic Private Partner-ships (PPPs)“ gleich mit einem deutsch-spanischen Plantagenkonzern: der Futuro Fore-stal . Eine Firma, die ein wenig Nachhaltig-keitspropaganda macht, im Wesentl ichen aberTeakplantagen (ein in Lateinamerika nicht natür-l ich vorkommendes Edelholz) anlegt. Durch In-strumentarien wie REDD+ und die Einführungvon CO2-Senken in den internationalen Emissi-onshandelzertifikaten, geht das als Kl imaschutzdurch und kann entsprechend als „grün“ etiket-tiert werden. Detail für siegelgläubige Biodeut-sche: Da sich Teakplantagen von, sagen wir malTabakfeldern, auch darin nicht unterscheiden,dass nach der Abholzung („Ernte“) wieder neugepflanzt wird, gibt’s auch ein FSC-Siegel fürnachhaltige Forstwirtschaft. Übl icherweise betä-tigt sich Futuro Forestal als Dienstleister auf denFlächen anderer. Kunden sind übl icherweise In-vestoren aus Industrieländern, die einerseits na-türl ich Profit machen wol len und andererseitsdurch die vorgebl iche Kompensation ihrer eige-nen bzw. ihrer Kunden CO2-Emissionen, ihrImage aufbessern wol len.Bei den GIZ geförderten Pflanzungen in Nicaraguabetätigt sich die Futuro Forestal jedoch als ihr ei-gener Kunde, die Projektflächen waren zuvor auf-gekauft worden. Futuro Forestal Chef AndreasEcke darf auf der BMZ-Werbeseite für Entwick-lungs-PPPs (Publ ic Private Partnerships) loben:„Das gesamte Projekt wäre ohne die verlässl icheHilfe der DEG nicht mögl ich gewesen. Ich denke,ich kann rückhaltlos sagen, dass ich jedem ande-ren zu ähnl ichen Partnerschaften im Kontext derländl ichen Direktinvestitionen und der Entwick-lungszusammenarbeit raten würde."1 2 Insgesamt

wurden 88% Teak gepflanzt.1 3 Der Rest seien„einheimische Hölzer“ – die Flächen beheimatetenursprüngl ich Regenwald und wurden nach Kahl-schlag zwischenzeitl ich als Weideland genutzt.1 4

Die Erschließung der Welt –für das deutsche KapitalIm Grunde geht es darum, Märkte und Ressour-cen für die deutsche Wirtschaft zu erschl ießenund dabei die betroffenen Menschen in den„Entwicklungsländern“ in die (deutsche) kapita-l istische Wertschöpfungskette zu integrieren.Böse formul iert: "Am Deutschen Wesen sol l dieWelt genesen." Oder um es mit den Worten desBMZ zu sagen: „Eine wichtige Basis der deut-schen Wirtschaft ist das Exportgeschäft, das voneiner stabilen Weltwirtschaft abhängt. Finanz-und Wirtschaftskrisen in Afrika, Asien oder Süd-amerika führen auch in Deutschland zum Verlustvon Arbeitsplätzen. Entwicklungszusammenar-beit, die darauf ausgerichtet ist, die Volkswirt-schaften in den Kooperationsländern zu stabil i-sieren, stärkt auch die Wirtschaft in Deutschlandund in den anderen Geberländern.“1 5

Unterstützt wird GIZ dabei von einem eigens aufsie zugerichteten Lobbyverein: der Carl-Duisberg-Gesel lschaft (CDG). (Duisberg wiederum war der,der während des Ersten Weltkrieges federfüh-rend und mit viel Enthusiasmus das deutscheGiftgasprogramm entwickelt hat. Die Menschheitverdankt ihm so angenehme Dinge wie Phosgen.Außerdem war er Gründer und dann Chef der IGFarben). Ziel des Vereins ist laut Selbstdarstel-lung die „Einbringung der Ideen der Wirtschaft indie GIZ“. Und damit das nicht al lzu anstrengendwird, sind gleich vier Vertreter der CDG Mitgl ie-der in Gremien der GIZ: Zwei im Kuratorium, zweiweitere im Wirtschaftsbeirat. In den drei GIZ-Gremien – Aufsichtsrat, Kuratorium und Wirt-schaftsbeirat – finden sich – abgesehen von ei-ner Mehrheit an Leuten aus Regierung und Par-lament, Ländern und Kommunen – insgesamt 1 7Wirtschaftsvertreter, zwei Wissenschaftler, ein

1 1 Tyerra y Libertad Nr. 711 2 https://www.developpp.de/de/content/private-partner1 3 http://www.futuroforestal .com/services/projects/nicaragua1 4 http://www.futuroforestal .com/wp-content/uploads/develoPPP-report-32-ResourceEfficiency_EN.pdf1 5 http://www.bmz.de/de/ministerium/ziele/grundsaetze/1 6 https://giz.de/de/ueber_die_giz/274.html

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International — Energie

Gewerkschafter, zwei Entwicklungshelfer undvier sogenannte Vertreter der Zivilgesel lschaft.1 6

Bei den letztgenannten handelt es sich um ent-wicklungspol itische Dachorganisationen, wie dieArbeitsgemeinschaft der Entwicklungsdienste, inder die GIZ wiederum selbst Mitgl ied ist, und alseinzige NGO die Stiftung Weltbevölkerung. Die hatals wichtigste Armutsursache ausgemacht, dassdie Armen zu viele Kinder bekämen, entspre-chend paternal istisch nimmt sich ihre Pol itik aus.Freil ich, manchmal funktioniert diese urdeutsche

Form der Entwicklung sicherl ich auch für die Be-troffenen – das heißt den verwertbaren Teil derBevölkerung – hinsichtl ich einer Verbesserungder Versorgung mit materiel len Gütern undDienstleistungen. Wo darin aber „eine Welt, inder al le Menschen selbst bestimmt und in Frei-heit ihr Leben gestalten können“ l iegen sol l ,bleibt das Geheimnis des BMZ. Oder ein Propa-gandaschlagwort, dessen eigentl ichen Sinn dieAutoren dieses Satzes wahrscheinl ich selbstnicht verstehen.

Laut Wetteraufzeichnungen des letzten Jahreswurden wieder al le Hitzerekorde gebrochen.Aber auch dieses Jahr 201 6 wird al le bisherigenRekorde brechen, denn schon im April haben dieglobalen Temperaturen al les vorherige in denSchatten gestel lt. In Paris wurde zwar endl ich einneues Kl imaschutzabkommen von den Herr-schenden beschlossen, aber da es nicht weit ge-nug geht, um den Kl imawandel wirkl ich ernsthaftetwas entgegenzusetzen und weil es natürl ichdas Grundproblem des kapital istischen Systemsnicht löst, sondern bestehende, ausbeuterischeVerhältnisse zu Gunsten der Reichen nur weiterzementiert, haben sich Menschen der Kl imabewe-gung zusammengeschlossen und die Kampagne„Break Free from Fossil Fuels" ins Leben gerufen.

„System change! Not climate change!“ist einer der Rufe der internationalen Aktionswo-chen „Break Free from Fossil Fuels", die vom 3.bis zum 1 6. Mai 201 6 stattfanden. Dabei leiste-ten Menschen auf sechs Kontinenten mittels Ak-tionen zivilen Ungehorsams Widerstand gegenden Abbau und die Verbrennung fossiler Energie-träger, denn um die globale Erwärmung auf unter2 Grad zu begrenzen, müssen weltweit 80 Pro-zent der fossilen Energieträger im Boden bleiben.Mit 20 direkten Aktionen und über 30.000 Teil-nehmenden weltweit ist es eine der erfolgreichs-ten Kampagnen der Kl imabewegung in den letz-ten Jahren.

Es gab Blockaden unter anderem des weltgröß-ten Kohlehafens in Newcastle/ Austral ien, desPecém Kohlekraftwerks in Brasil ien, Englandsgrößten Tagebaus in Wales, einer Kohleabfal lhal-de in Izmir/ Türkei, einer Ölraffinerie in Washing-ton/ USA und im kanadischen Vancouver de-monstrierten hunderte Menschen in Kayaksgegen die Verschiffung von Öl, das mitschl immsten Umweltfolgen aus Teersanden ge-wonnen wird.Mit der Massenaktion „Ende Gelände" hat sichauch die hiesige Kl imaschutzbewegung an denProtesten beteil igt, wobei durch die Aktions-Teil -nahme von mindestens 1 000 Menschen aus ganzEuropa der internationale Charakter auch in dieLausitz getragen wurde.Insgesamt haben mehr als 3500 Aktivist* innenüber Pfingsten den Tagebau Welzow-Süd im Lau-sitzer Braunkohlerevier sti l lgelegt sowie das Koh-lekraftwerk Schwarze Pumpe durch Besetzungenund Blockaden der Kohlebahnen zum Herunter-fahren gezwungen. Dies gelang neben Massen-

ENDE GELÄNDE! - Tausende Aktivist* innen legenTagebau stil l 1Rebekka Schwarzbach

1 Auszug aus einem Artikel des Grünen Blattes:http://www.gruenes-blatt.de/index.php/201 6-01 :Tausende_Aktivist* innen_legen_Tagebau_stil l

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blockaden auf den Gleisen auch durch Ankettvor-richtungen und eine Betonpyramide auf den Glei-sen. Zentrale Forderung ist: sofort aus der Kohle-verstromung auszusteigen.Spontane Aktionen begannen schon am Freitag,denn Vattenfal l hat in vorauseilendem Gehorsamankündigt, den Betrieb im Tagebau wegen derangekündigten Aktionen am Wochenende herun-terzufahren. Damit hatten die Aktivist* innen ei-gentl ich schon gewonnen, ohne überhaupt losge-gangen zu sein.Da mensch sich der Richtigkeit von Konzernaus-sagen aber nie sicher sein kann, starteten amFreitag über 1 500 Menschen aus dem Klima-camp in Proschim und erreichten die Förderanla-gen im Tagebau praktisch ohne Widerstand derPol izei. Damit begann die Blockade des Tagebausund von Industrieanlagen: zweier Radschaufel-bagger, einer zentralen Kohleverladestation undzahlreicher Schienenabschnitte.Geprägt wurde der Aktionstag durch die nicht-vorhandene Pol izeipräsenz, denn die Cops l ießensich kaum bl icken. Die Staatsanwaltschaft Cott-bus sah im Hinbl ick auf die Besetzung desBraunkohletagebaus „die Tatbestandsmäßigkeitdes Hausfriedensbruchs wegen des Problemfel-des der Umfriedung nicht gegeben.“, d.h. da keinZaun um den Tagebau ist, muss auch damit ge-rechnet werden, dass er betreten wird.Da der Tagebau im Vorhinein heruntergefahrenwurde, meinte die Polizei Cottbus: „Nötigungendurch Eingriffe in die Betriebsabläufe des Unter-nehmens wegen des Besetzens in verschiedensterForm von Gleisanlagen oder Klettern auf Großgerä-te sind ebenfal ls nach erster Bewertung durch dieStaatsanwaltschaft nicht strafrechtl ich relevant.“Vattenfal l erstattete trotzdem Anzeige gegen Un-bekannt wegen Land- und Hausfriedensbruchs so-wie Nötigung und Störung öffentl icher Betriebe.Da der Tagebau nun stil l stand, war das Aktions-ziel für Samstag, das Kohlekraftwerk SchwarzePumpe von der Kohleversorgung mittels Gleis-blockaden abzuschneiden und somit das Herun-terfahren zu erzwingen. Am Samstagvormittagbrachen deshalb über 2000 Menschen mit Fahr-rädern, zu Fuß und in Bussen vom Camp in Rich-tung Kraftwerk auf. Auch diese Blockaden derZufahrtsschienen gelang ohne große Mühe.Ergebnis: Weil der Kohlenachschub ausbl ieb,

musste Vattenfal l die Leistung des Kraftwerksum 80 Prozent drosseln. Denn al le Gleiszugängezum Kraftwerk wurden blockiert, so dass Vatten-fal l keine weitere Braunkohle aus dem Tagebauins Kraftwerk transportieren konnte und auchvorbereitete Vorratszüge mit Braunkohle konntennicht im Kraftwerk verfeuert werden.Ein Riesenerfolg: Das Kraftwerk Schwarze Pumpekonnte jetzt nur noch im Notbetrieb arbeiten. Vat-tenfal l musste die Leistung der beiden 800-MW-Blöcke des Kraftwerks laut Leipziger Strombörseim Block A schon am Freitagabend um 1 00 MWund im Block B um fast 380 MW reduzieren. AmSamstagmittag regelte der Energiekonzern BlockA um 452 MW herunter, Block B um 755 MW.„What do we want? Climate justice now!“Da al les so super l ief, bildete sich bei den Gleis-blockaden recht schnel l eine Gruppe Aktiver, diedie Erstürmung des inneren Kraftwerksgeländesiniti ierte. Dem folgten etwa 700 Aktivist* innen,dabei wurden auch Zäune überwunden und sogardas Kraftwerksgebäude betreten, wobei unteranderem der Feueralarm ausgelöst wurde. DieCops versuchten daraufhin zu kesseln und nah-men anschl ießend über 1 20 Menschen fest. Mitdieser Massenfestnahme hatte die Pol izei an-scheinend ihre eigenen logistischen Kapazitätengesprengt, denn viele Gefangenen mussten inden Gefangenentransporten übernachten und ih-nen wurde der Zugang zu Sanitäranlagen sowieNahrungsmitteln verwehrt.Auch eine Demo gab es am Samstag mit 1 000Menschen am Rand des Tagebaus Welzow Süd.Am Sonntag kündigte Vattenfal l an, „das Kraft-werk in Kürze stil l legen zu müssen“. Denn inzwi-schen wurden der Tagebaubetrieb und die Verla-destation 48 Stunden lang blockiert; und dasKraftwerk war seit 24 Stunden vom Kohlenach-schub abgetrennt. Somit wurde mit den vielen Be-setzungen und Aktionen Europas zehntgrößterCO2-Verursacher für über 48 Stunden lahmgelegt.Und Vattenfal l musste vermelden: „Nur die zu-sätzl iche Energieerzeugung durch starken Windverhindert an diesem Wochenende einen Energie-engpass in der Region.“Die erfolgreiche Aktion wurde mit einer Jubelpartyauf den Schienen nach 48 Stunden auf den Blo-ckaden gefeiert und während das Aktionsbündnis„Ende Gelände“ die Blockaden offiziel l für beendet

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erklärte, wurden sie von Aktivist* innen einfach biszur Räumung durch die Cops am Abend weiterge-führt. Die Blockade der Bagger konnte bis Montagin den frühen Morgenstunden gehalten werden.Leider gab es Samstagnacht Übergriffe von Neo-nazis und „besorgten Bürgern“ auf Mahnwachen,Gleisblockaden und auch einzelne Aktivist* innen,beispielsweise wurde im anl iegenden Terpe eineMahnwache angegriffen, indem die Menschenbedroht, der Pavil lon zerstört und Fahrräder um-geworfen wurden.Gegen rechtsradikale Täter ging die Pol izei erst inder Sonntagnacht vor. Laut einer Mitteilung derPol izei Cottbus wurden nahe des Dorfes Proschimdie Personal ien von 57 Personen festgestel lt, dieteils „als Straftäter rechts motiviert bekannt sind“.Nach diesen sehr erfolgreichen Aktionswochen

der „Break Free from Fossil Fuels"-Kampagnekann mensch nur hoffen, dass es gel ingt, dieEnergie und Hoffnung durch die vielen vielfälti-gen, weltweiten Aktionen zu nutzen, um weiterekonkrete Handlungsperspektiven und Optionenfür die Menschen zu entwickeln, und dass sichnoch mehr Menschen auch in die tägl ichen Kl i-makämpfe direkt vor der Haustür einbringen undorganisieren, wie z.B. in den Besetzungen desHambacher Forstes und in LAUtonomia. Denn„system change“ ist auch Handarbeit, muss er-kämpft werden und findet tägl ich statt, nicht nureinmal im Jahr im Sommer während irgendwel-cher Camps. Es gab nie einen besseren Zeit-punkt für eine endgültige Energiewende, denndie Energiekonzerne sind auch in einer Finanzkri-se. Lasst uns sie angreifen und enteignen!

Was da gestern (29.5.201 6,d.R.) im Landtag sein vorläufi-ges Ende fand, war Teil einesgut eingerührten PR-Coups derKohlelobby. Die hatte nach demVerkauf der Braunkohlespartevon Vattenfal l nach einer Chan-ce gesucht, ihr ramponiertes

Image in der Region wieder aufzuhübschen. Undhat sie gefunden in den Pfingstprotesten der Kl i-maschutzbewegung. Die übrigens sind nicht neu,finden seit Jahren in den Kohlerevieren statt, wer-den ordentl ich öffentl ich angekündigt. Selbst Blo-ckaden oder Besetzungen als durchaus umstritte-ne Instrumente des zivilen Ungehorsams werdenbekannt gemacht, u.a. damit sich Energieversor-ger darauf einstel len können. Was die auch tun –das Kraftwerk Schwarze Pumpe war vorsorgl ichauf 20 % seiner Leistung heruntergefahren wor-den. Die Organisatoren von „Ende Gelände“ undCampact stimmten ein Sicherheitskonzept ab mitLand, Kommunen, Unternehmen, Pol izei und Jus-tiz. Die Organisatoren schulen sogar die Demons-tranten, damit niemand zu Schaden kommt – we-der Protestler noch Beschäftigte! DiesenGrundkonsens hat „Ende Gelände“ auch aufge-schrieben und ebenfal ls veröffentl icht. Er war u.a.Grundlage meiner Unterstützung für die Pfingst-proteste – auch wenn ich mich für eine wesent-

l ich undramatischere Protestform entschiedenhabe, eine stinknormalen Demonstration vonWelzow zum abbaubedrohten Proschim. DieseDemo verl ief absolut friedl ich, fröhl ich und warbunt – auch parteipol itisch. Soweit so normal?Jetzt startete der PR-Coup: Bereits Samstag l ie-fen die Medien-Ticker über von Bildern über Kl i-maaktivisten im Tagebau, auf Förderbändern, aufGleisen, über Zäune kletternd. Von „meiner“friedl ichen Demo kam dagegen nichts. Die völ l igentspannt agierende Pol izei begleitete die Akti-visten, hinderte lange niemanden an nichts – wasfast irritierend wirkte. Bis Vattenfal l intervenierteund die Räumung verlangte. Nun wurde einge-griffen und Kl imaaktivisten festgesetzt, vor demWerkstor eingekesselt. Dann flogen die erstenBöl ler auf Aktivisten – aus einer spontanen Ge-gendemonstration von Kohlebefürwortern vorSchwarze Pumpe. Nazis hatten sich offensicht-l ich unter die Gegendemonstranten gemischt,wie sie bereits in der Nacht zuvor und tagsüberGruppen von Kl imacampteilnehmerInnen bedrohtund angegriffen hatten. Die Pol izei schritt ein.Auch darüber erfährt der Leser/die Leserin derregionalen Zeitungen in Brandenburg undSachsen später ‒ wenn überhaupt -- nur am Ran-de. Am Sonntag wird das Kl imacamp einschl ieß-l ich der Blockaden beendet. Am Montag er-scheint ein großformatiger Artikel eines betroffen

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Eine durchsichtige ScharadeKathrin Kagelmann

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dreinbl ickenden leitenden Vattenfal l -Mitarbeiters,der über verängstigte Bergleute und einen ent-gleisten Zug berichtete. Warum, wie nach Blocka-den zu erwarten wäre, keine strengen Kontrol lenan den Strecken um Tagebau und Werk erfolgtsind, bleibt sein Geheimnis. Zeitgleich stapelnsich Pressemitteilungen von Koal itionspol itikern,die scharfe Angriffe gegen Grüne und LINKE fah-ren. Die ersten Positionspapiere von Vereinen undWirtschaftsorganisationen, später von Vattenfal lund IG BCE1 verlangen nach Distanzierungen vonLINKEN und Grünen. Am Dienstag ein weitererGroßaufmacher in der SZ: Eine junge Baggerfah-rerin im Tagebau Nochten. Und schl ießl ich dervorläufige pol itische Abschluss der Kampagne amMittwoch im Plenum: Die Koal itionsabgeordnetenRohwer, Heidan, Hirche, Krauss (al le CDU) undBaum (SPD) – keiner von ihnen war am Wochen-ende auch nur in der Nähe der Proteste – überbie-ten sich in Schuldzuweisungen und sprachl ichenEntgleisungen (u.a. "Krawal lbrüder", "Terroristen")gegen l inke und grüne Landtagsabgeordnete.Die kl imapol itische Dimension der Proteste wirdin regionalen Medien nicht einmal angerissen –ein Jahr nach dem 5. Weltkl imabericht, ein halb-es nach der Kl imakonferenz in Paris! Die Unter-stützung starker Teile der örtl ichen CDU im rot-roten Brandenburg für die Pfingstproteste wird inSachsen besser verschwiegen. Dass der Bunddie Mit-Finanzierung von Folgekosten der Braun-kohleförderung absenken wil l , dass der Freistaatnicht gedenkt, die kommunalen Lasten aus Ge-werbesteuerrückforderungen oder Trinkwasser-versorgung in der Lausitz mitzutragen – keinWort dazu. Auch, dass sich Vattenfal l vom Ackermacht und der Heuschrecke EPH2 das Feld über-lässt, ist jetzt kein Thema mehr.In Zusammenhängen zu denken, fäl lt schwer ange-sichts einer medialen Aufregungsmaschinerie. Dagehen Inhalte verloren oder werden bewusst weg-gelassen. Eine Frischzel lenkur für ein sterbendesEnergiesystem, das mit seinen noch immer star-ken Verbindungen in Politik und Medien und nochmehr Geld öffentl iche Meinung geschickt steuert.Hätte dann der Protest besser nicht stattfinden

sollen? Und sind Blockaden und Werksbesetzun-

gen wirklich legitim?

Solange keine Gewalt gegen Menschen ausgeübtwird: Ja.H ier geht es um mehr als ein Lausitzer Problem.Es geht ums Überleben unseres Planeten, weilder Kl imakil ler CO2, der durch die Verbrennungvon Kohle freigesetzt wird,die Erde kol labierenlässt. Und bevor das passiert, ernten unsere Kin-der und Kindeskinder die Folgen unseres Egois-mus: Naturkatastrophen und Kl imaflüchtl inge.Kleiner ist es leider nicht zu haben.Aber dann doch besser ohne Schienenblockaden

undWerksbesetzungen?

„Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas.Wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmenwol len, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkar-te!“ Das sol l Lenin gesagt haben. Wären die Men-schen 1 989 der CDU-Definition von legitimenProtest gefolgt, stünde vermutl ich noch die Mau-er in Berl in. In Frankreich hat man offenbar wenigHemmung, zur Verhinderung unsozialer Arbeits-marktgesetze nach dem Beispiel von Hartz IVauch mal Atomkraftwerke oder Autobahnen zublockieren. Ziviler Ungehorsam steht am Beginnjedes demokratischen Gesel lschaftssystems undgehört zu einer funktionierenden Demokratie.Wenn es um existentiel le oder essentiel le Fragengeht, muss der Druck auf Pol itik und Wirtschafterhöht werden können, denn es existiert auch imdemokratischen Staat immer noch ein enormesMachtgefäl le zwischen der Bevölkerung und demorganisierten Staat bzw. der Wirtschaft. InSachsen hat es ziviler Ungehorsam dagegenschwer: 2009 blockierten die sächsischen Bäue-rinnen und Bauern beispielsweise mit ihren Trak-toren die Zufahrt zur Molkerei Leppersdorf. Esging ums Überleben vieler Höfe! Sie wurden zudrastischen Strafen verdonnert wegen Verstoßesgegen das Kartel lrecht! Jahrelang blockiertenMenschen die Marschroute von Nazis, die am 1 3.Februar durch Dresden marschierten. Es ging umdas gemeinsame antifaschistische Erbe. VieleAntifaschistinnen und Antifaschisten wurden da-nach verklagt und mit Geldbußen belangt.Auch das ist Ergebnis einer 25-jährigen schwar-zen quasi Al leinherrschaft. Deshalb: Ich lasse derKoal ition diese undifferenzierte Kriminal isierungder gesamten Umweltbewegung nicht durchge-hen, denn wenn Unvernunft zu Pol itik wird, wirdWiderstand zur Pfl icht!1 IG Bergbau, Chemie, Energie

2 Energetický a průmyslový holding a.s.

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Beide vorherigen Beiträge gehen von der Not-wendigkeit aus, die weitere Erderhitzung zu be-grenzen und dazu vor al lem die Braunkohlever-stromung schnel lstmögl ich zu beenden. Fürbeide ist „die kl imapol itische Dimension derProteste“ das Entscheidende.Was macht die LINKE in Brandenburg?Doch in der Lausitz scheinen die Uhren der Er-kenntnis nachzugehen. Auf der Internetseitedes Kreisverbandes Lausitz DER LINKEN schreibtAnke Schwarzenberg (MdL): „. . . Was aber bleibtbei den Menschen in der Lausitz nach diesemWochenende hängen? Empörung über die Artund Weise des Vorgehens, Unverständnis, Wutund ein fader Beigeschmack. Die Umweltaktivis-ten sind wieder abgezogen, sie hatten ihre Bilderund die Lausitzer bleiben al lein zurück. Einen sol-chen Protest wil l n iemand, er löst auch kein ein-ziges Problem.. .“ Der Vorsitzende des Kreisver-bandes DIE LINKE. Lausitz, Matthias Loehr (MdL)urteilt: „. . . Die angekündigten Aktionen führen je-doch bereits im Vorfeld zu einer Polarisierung vorOrt, wie der Brief von regionalen Amtsträgernverdeutl icht. Daher unterstützt DIE LINKE. Lau-sitz diese Form der Proteste nicht. Wir wol lenkeine neuen Gräben, sondern vielmehr gemein-sam die Zukunft der Region gestalten. Dazu ge-hören für uns auch die Beschäftigten in denKraftwerken und Tagebauen. … Wir haben eineVerantwortung für die Menschen in der Regionund tragen auch Verantwortung für jene, die vomKlimawandel schon heute betroffen sind.. .“ Dasist unbestritten – aber wo bleibt die Antwort aufdie Frage, wie denn die Lausitzer LINKE gedenkt,die Verantwortung für die zu erwartenden nochgrößeren Schäden in der Zukunft zu tragen?Matthias Loehr: „Wir wol len bis 2040 aus derVerstromung der Braunkohle aussteigen.“ – Da-mit ist es nicht einmal mögl ich, die in Paris fest-gelegte 2° -Grenze der globalen Erderhitzung ein-zuhalten, von den 1 ,5° -Ziel ganz zu schweigen!In der „Stel lungnahme des Koordinierungsratesder Ökologischen Plattform bei der LINKEN zumKoal itionsvertrag des Landes Brandenburg zwi-schen SPD und LINKEN“ haben wir bereits 2009

formul iert: „Ein Abrücken davon [= den klarenenergiepol itischen Positionen] muss daher vonVielen als Wahlbetrug wahrgenommen werden,dessen Folgen die LINKE – nicht nur in Branden-burg – bei nächsten Wahlen zu spüren bekom-men wird.“1 Die beiden zitierten MdL sehen dieseProbleme nicht und geben sich staatstragend –sie sind ja auch Parlamentarier einer Regie-rungspartei in einem kapital istischen Land.

Ist das der Grund, die Proteste der vorwiegendjungen und jugendl ichen AktivistInnen abzuleh-nen? Letztere werden auf jeden Fal l mehr von densich verstärkenden und immer häufiger auftreten-den Wetterunbilden betroffen sein, als die älte-re(n) Generation(en). Deshalb geht ihnen der Aus-stieg aus den schmutzigen Energien zu langsam.Aufgabe einer Partei, die die Zukunft gestalten undnicht nur die nächsten Schritte schmerzlos gehenwil l , wäre es, den abhängig Beschäftigten deutl ichzu machen, dass die bisherige Politik und Wirt-schaft die lebenswerte Zukunft der eigenen Kinderinfrage stel lt. Von einer Regierungspartei wärenInitiativen gefragt, die sauberen Energien undEnergiegenossenschaften zu fördern oder z.B. denBraunkohleausstieg mit dem Bau von Speichern zuverbinden. Doch dabei müssen sich DIE LINKEN jaals Junior dem Koalitionspartner unterordnen...Ist es ein Wunder, wenn DIE LINKE unter diesenBedingungen nicht (mehr) für Protest steht?

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Ein Wochenende – verschiedene Sichten: Bestimmtdas Sein das Bewusstsein?Wolfgang Borchardt

1 „CCS und Kohletagebaue in Brandenburg unter Rot-Rot“; https://www.oekologische-plattform.de/?p=938

Sie dachten, sie seien an der Macht,dabei waren sie nur an der Regierung.

wird Tucholsky zugeschrieben

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Europas Versorgung mit Energie befindet sich imUmbruch. Im Interview mit RT geht der Expertefür Energiepol itik, Malte Danil juk, auf die globalenEntwicklungen in der Außenpol itik und auf denEnergiemärkten ein. Den Preissturz bei Erdöl unddie Ukraine-Krise sieht er als Ausgangspunkte fürstrategische Veränderungen in der Energiepol itik.

Herr Daniljuk, trotz hochtrabender Pläne und

großer Ambitionen beim Klimaschutz und für den

Ausstieg aus fossilen Energien stiegen im letzten

Jahr die CO2-Emissionen in Europa, während sie in

den USA sogar rückläufig waren… . Ist das ein un-

ausweichliches Ergebnis umfassender Planwirt-

schaft oder steckt da mehr dahinter?

Grundsätzl ich verfolgt die Europäische Unionenergiepol itische Ziele, die sich vol lkommen wi-dersprechen. Einerseits haben die EU-Staaten inParis ambitionierte Kl imaziele unterzeichnet, an-dererseits befördert die Kommission eine Ener-gieunion, die im Wesentl ichen darauf ausgelegtist, fossile Energieträger weiterlaufen zu lassen.Dabei geht hauptsächl ich um Erdgas, das dieKommission rhetorisch als „Brückentechnologie“in eine schadstoffarme Zukunft verkauft. Tat-sächl ich geht es natürl ich darum, dass die großenEnergiemonopol isten ihre Infrastrukturen weiter-laufen lassen können. Schl ießl ich, und das ist eindritter Aspekt, bestehen nationale oder regionaleInteressen, wie etwa in Frankreich, das den größ-ten Teil seiner Stromversorgung aus Atomkraftbezieht, und daran möglichst nichts ändern wil l .Das heißt, es bestehen eine ganze Reihe vonstrukturel len Hindernissen, wenn es um einenUmbau der europäischen Energieversorgung hinzu modernen regenerativen Versorgungsstruktu-ren geht. Die europäische Energiepol itik schei-tert aber eben nicht daran, dass es zu viel „Plan-wirtschaft“ gibt. Im Gegenteil : Die Länder, dieeine eher zentral istische Pol icy-Planung im Ener-giebereich betreiben, etwa die USA oder China,schaffen es viel schnel ler, große industriepol iti-sche Umbrüche zu managen. Ich meine, manmuss sich nur vor Augen halten, dass der Anteilvon erneuerbaren Energien nirgends schnel ler

wächst als in China. Die USA, wo Energiepol itikals Frage der Nationalen Sicherheit behandeltwird, haben es innerhalb von zehn Jahren ge-schafft, eine völ l ig neue Erdöl- und Erdgasindus-trie aus dem Boden zu stampfen. Sie waren 201 5der weltgrößte Förderstaat sowohl bei Erdöl alsauch bei Erdgas.In Europa stagnieren die Zuwächse bei

regenerativen Energien. Woran liegt das?

Vergl ichen mit den USA oder China herrscht inEuropa weiter Kleinstaaterei. Zudem rächt sichjetzt, dass in den 1 990ern die ehemals staatl i-chen Energieversorger privatisiert wurden. Wirhaben es jetzt mit zahlreichen regionalen Mono-polen zu tun, auf die die jeweil igen Regierungenaber keinen direkten Zugriff mehr haben. Manmuss sich nur klarmachen, dass mit Vattenfal l einehemal iges Staatsunternehmen aus Schweden inDeutschland weiter Holz und Kohle verstromt.Technisch gesehen ist das mittelalterl ich, aberweder die deutsche noch die schwedische Regie-rung können diesen Irrsinn einfach beenden.Die EU hat also nach wie vor keine gemeinsameEnergiepol itik, und das, obwohl die EU der größteImporteur von Brennstoffen ist und einige EU-Staaten zunächst sehr große Fortschritte bei re-generativen Energien gemacht haben. Im Übrigenging der Verbrauch von Energie in Europa seitdem Jahr 2007 sehr stark zurück, anders alsetwa in den USA oder in China. Das l iegt aberneben Fortschritten bei der Energieeffizienz auchan der Wirtschaftskrise, daran dass der Primär-energieverbrauch gesunken ist. Insofern bin ichübrigens auch skeptisch bei den von Ihnen ge-nannten Zahlen. Ich nehme an, der genannte Ef-fekt geht eher auf Veränderungen beim Emissi-onshandel zurück, als dass die EU-Staatentatsächl ich einen signifikant höheren CO2-Aus-stoß gehabt hätten.In absoluten Zahlen, und was den Pro-Kopf-Ver-brauch betrifft, l iegen die USA jedenfal ls weitüber den europäischen Werten. Die USA, aberauch Kanada und auch Austral ien, fahren weitereine hemmungslose Öl- und Gaspol itik, nachdem Motto: „Hauptsache, es brennt“. Und das,

Zukunft der Energieversorgung: „Europa ist selbstschuld, wenn es die Entwicklung verschläft“Interview mit Malte Daniljuk

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obwohl Barack Obama im Wahlkampf 2008 ge-nau das Gegenteil angekündigt hatte. Ihmscheint zwar Kl imapol itik weiterhin ein wichtigesAnl iegen zu sein, aber de facto war die Fracking-Pol itik eine seiner wichtigsten Methoden, um dieWirtschaftskrise zu bewältigen. Die US-Regie-rung hat die inländische Energieförderung massivbegünstigt, so dass die Energiepreise gesunkensind, und mit ihnen auch die Nettoproduktions-kosten. Inzwischen können in den USA aktiveUnternehmen sogar beginnen, Erdöl und Erdgaszu exportieren.Saudi-Arabien hat in den letzten Jahren einen

Preiskrieg gegen die US-amerikanischen Fracking-

Unternehmen geführt. Das Ziel war es vermutlich,

diese neuen Unternehmen aus dem Markt zu

drängen. Soll die EU etwa durch eine Erhöhung

der Abnahmemenge eine Art Rettungsprogramm

für die US-Industrie aufbauen?

Die Annahme, dass Saudi-Arabien eine Pol itikgegen US-Unternehmen betreibt, ist in den ver-gangenen zwei Jahren gerne verbreitet worden.Man muss sich aber klar machen, dass die Ver-bindung zwischen beiden Staaten, also der Deal„Öl gegen Sicherheit für die arabische Halbinsel“,auf das Jahr 1 945 zurückgeht. Seitdem habenbeide Länder bei al len zentralen sicherheitspol iti-schen Herausforderungen zusammengearbeitet.Sei es bei dem Aufbau der Mudschahedin in Af-ghanistan ab 1 979 oder beim Ölpreissturz ab1 986, der die damal ige Sowjetunion pro Jahr 20Mil l iarden Dol lar an Exporteinnahmen gekostethat. Wenn es um Sicherheits- oder um Energie-pol itik geht, passt kein Blatt zwischen diese Part-ner. Dazu haben sie aus der Vergangenheit zuviele gemeinsame Leichen im Kel ler, no way…Also juckt der Fracking-Boom die Saudis

gar nicht?

Die Strategie, den Ölpreis zum Einsturz zu brin-gen, ist eine abgesprochene und gemeinsamePol itik zwischen Saudi-Arabien und den USA. DieLeidtragenden, das ist inzwischen nicht mehr zuübersehen, sind andere Förderstaaten, ich nennejetzt nur mal Aserbaidschan, Brasil ien, Russlandoder Venezuela, und ihre staatl ichen Erdölgesel l -schaften. Wir haben gerade erlebt, wie Saudi-Arabien, wenig überraschend, auf dem letztenOpec-Treffen gemeinsame Absprachen für einenhöheren Ölpreis verhindert hat. Die Preise wer-

den erst wieder auf das alte Niveau vom erstenHalbjahr 201 4 steigen, wenn in Algerien, Brasil i-en, Russland oder Venezuela ein Regime-Changestattgefunden hat und die dortigen Ölgesel l -schaften von den internationalen Multis privati-siert wurden.

Was die EU betrifft, hat Ihre Vermutung aber einesehr reale Grundlage: Seitdem die Öl-und Gas-förderung in den USA gestiegen ist, also spätes-tens seit dem Jahr 201 1 , gab es die Frage, wohindie dort aktiven Unternehmen eigentl ich Ener-gieüberschüsse exportieren können. Die Antwortzielte von Anfang an auf den größten Energieab-satzmarkt der Welt, auf Europa. Bereits in denersten energiepol itischen Diskussionen in dieserZeit ging es darum, etwa Flüssiggas aus den USAund Kanada in die EU zu exportieren. Darauf hatsich die gesamte Fracking-Industrie ausgerichtet,und natürl ich auch die Dienstleister, also Reede-reien und Raffinerien. Inzwischen hat BarackObama die „Energiesicherheit Europas“ sogar inder Nationalen Sicherheitsstrategie verankert,das heißt, al le Institutionen und Parteien müssendieses Ziel unterstützen, auch über seine Legis-laturperiode hinaus. Die Fracking-Exporte in dieEU sind also erstens lange geplant und zweitensabsolute außenpol itische Priorität.

Gebiete mit Schiefergaspotenzialen in Deutschland(in orange).

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Also doch ein Rettungsprogramm in

eigener Sache?

Viel leicht ist „Rettungsprogramm“ nicht das rich-tige Wort, weil es sehr reaktiv kl ingt. Eine wir-kungsvol le energiepol itische Strategie muss vomBohrloch bis zum Endabnehmer reichen. Es waralso spätestens im Jahr 201 2 klar, dass die ame-rikanische Außen- und Energiepol itik versuchenmuss, andere Anbieter, namentl ich Russland,vom europäischen Energiemarkt zu verdrängen.Das hat etwa Leonardo Maugeri, ein ehemal igerManager des ital ienischen EnergieunternehmensENI , schon früh festgestel lt. Obama hat dafüreinen eigenen Spezialbeauftragten im Außenmi-nisterium eingesetzt, David Goldwyn, der dieseStrategie schon 201 2 recht offen in der NewYork Times vorgestel lt hat.Das ist ein Aspekt, der auch bei den Ursachenfür die Ukraine-Krise sicher nicht vergessen wer-den darf. Barack Obama hat später das Fal lbei-spiel Ukraine einmal eine „Blaupause für die Ver-bindung von Außen- und Energiepolitik“ genannt.Obama gilt als Exponent einer „realistischen Au-ßenpolitik“. In dieser Tradition sind Ressourcenund Technologien wichtige Instrumente der Außen-politik, d.h. zu seiner Fracking-Politik gab es vonAnfang an auch außenpolitische Überlegungen.Mit der Ukraine-Krise haben Teile der EU-Büro-kratie sofort die „Versorgungssicherheit“ beiEnergiefragen thematisiert. Die Argumentationlautet ungefähr: Weil Russland unkalkul ierbarund gefährl ich ist, müssen die EU-Staaten sichnach sicheren Anbietern umschauen. DonaldTusk und die Staatschefs aus Polen und den bal-tischen Republ iken haben diese Argumentationschon ab 201 2 gefahren. Aber nachdem die Be-wohner der Krim sich entschieden hatten, unterdie Verwaltung der Russischen Föderation zu-rückzukehren, lag in Brüssel sofort das Konzeptfür eine „Energieunion“ auf dem Tisch, die genaudarauf abzielte, Pipel ineimporte von russischenAnbietern durch Flüssiggas aus Übersee zu er-setzen, also Fracking-Importe aus den USA, Ka-nada und auch Austral ien zu ermögl ichen. DerWitz daran ist natürl ich, dass die einzigen, die je-mals die Versorgungssicherheit von EU-Staatengefährdet haben, verschiedene ukrainische Re-gierungen waren, die il legal Gas aus der Bratst-vo-Pipel ine entnommen haben oder sich einfachweigerten, die Gebühren zu zahlen.

Das Schreckgespenst einer vermeintlichen „Ab-

hängigkeit von Russland“ hilft dabei, der EU

Fracking-Gas zu verkaufen. Frankreich diskutiert

aktuell über ein mögliches Importverbot für

Fracking-Produkte. Weiß da eine Hand nicht, was

die andere tut, oder ist das ein gezielter französi-

scher Affront in Richtung Washington?

Ja, dieser Aspekt spielt sicher eine Rol le. Abernatürl ich stehen dahinter auch nationale Interes-sen, in Frankreich ganz sicher die Atompol itik.Das betrifft aber auch Österreich, die Schweizund Deutschland, deren Unternehmen gemein-sam im Nordstream2-Projekt stecken, dassdurch die Sanktionen und die Brüsseler Energie-union zwischenzeitl ich gefährdet war. Natürl ichhaben Wintershal l und Eon ein Interesse daran,dass dieses Projekt weiter läuft, zumal es außen-pol itisch, aber auch, was Umwelt- und Kl imazielebetrifft, sehr viel sinnvol ler ist, als Flüssiggas ausden nordamerikanischen Fracking-Regionen zuimportieren. Insofern war ich eher positiv über-rascht, dass zumindest Teile der Bundesregie-rung, also der Wirtschafts- und der Außenminis-ter, das Projekt wiederbelebt haben.Auf der anderen Seite stehen die baltischenStaaten, Polen, aber auch Norwegen oder Kroa-tien, die die Brüsseler Energieunion im eigenenInteresse unterstützen. Dabei geht es nicht dar-um, dass das energiepol itisch sinnvol l wäre, son-dern darum, neue Infrastrukturen zu schaffen, andenen neue Akteure ihre Tantiemen abgreifenkönnen. Ich meine, es gibt ja kaum einen Funk-tionär in Brüssel , der offensichtl icher in Vorwürfewegen Korruption verstrickt ist, als der Kom-missar für Energie und Umwelt, Miguel AriasCañete.Insofern würde ich davon ausgehen, dass be-stimmte Länder auf diese neue Flüssiggasstrate-gie einsteigen. Die baltischen Republ iken undPolen haben schon entsprechende Terminals ge-baut. Kroatien wird sicher folgen. Andere Länder,wie Deutschland, werden weiter über die Pipel i-ne-Verbindungen aus Russland Erdgas beziehen.Insofern diversifiziert sich das Angebot, vor al lembei Gas, und wir können sicher noch eine Weilemit niedrigen Preisen rechnen. Die Frage ist na-türl ich, bis wann sich das für Anbieter aus Über-see noch lohnt.Im November wird in den USA ein neuer Präsident

gewählt. Welche Konsequenzen sind vom Ausgang

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derWahl für die USA und für die Energiepolitik der

EU zu erwarten? Mit mehr Markt, weniger politi-

scher Gängelung oder mehr an eigenständigen

Entscheidungen ist wohl eher nicht zu rechnen?

Nein, welche Auswirkungen ein Wechsel im Wei-ßen Haus auf die Energiepol itik hat, konnten wirschon nach 2009 sehen. Barack Obama und JoeBiden hatten nicht weniger als den vol lkomme-nen energiepol itischen Umbruch angekündigt.Sie wol lten grüne Energien fördern und die Prei-se senken. Kaum waren sie im Amt, haben siedie Energiepol itik weitergefahren, die unter Geor-ge Bush angelegt wurde. Fracking ist das dre-ckigste und umweltschädl ichste Verfahren, dasdie Welt je gesehen hat. Al leine die Kl ima-belastung l iegt durch die unkontrol l ierten Aus-tritte von Gas, hauptsächl ich Methan, noch deut-l ich über der Kl imabelastung von Kohle.Um zu verstehen, wie diese Kontinuität funktio-niert, muss man sehen, dass Energiepol itik inden USA eine Angelegenheit der Nationalen Si-cherheit ist. Was in der National Security Strat-egy festgelegt ist, kann der Amtsnachfolger nichteinfach abschaffen. Er oder sie kann viel leichtDinge hinzufügen, aber das pol itische System istdarauf angelegt, Projekte über mehrere Legisla-turperioden verfolgen zu können. Zudem wachenim konkreten Fal l einige wirkl ich wichtige Macht-gruppen darüber, dass diese Abmachungen ein-gehalten werden. Exxon und Chevron, bzw. ihreVorgänger aus der Standard Oil , haben in denUSA schon Pol itik gemacht, als die Großväter derheutigen Pol itiker noch gar nicht geboren waren.Also, auch wenn Bernie Sanders Präsident wer-den sol lte, wird er kaum eine Mögl ichkeit haben,etwas Grundsätzl iches an der Energiepol itik zuändern. Bei den anderen Kandidaten dürfte nichteinmal der Wil le dazu vorhanden sein. Die US-Debatte behandelt das „Fracking-Wunder“ alsden größten wirtschaftspol itischen Erfolg seitJahrzehnten. Von ihrer strategischen Bedeutungist sie viel leicht mit der IT-, der Rüstungsindustrieoder der Finanzindustrie zu vergleichen. Neverchange a running system.Das politische Vertrauen zwischen der EU und

Russland hat auch in Energiefragen gelitten.

Welchen Stellenwert wird der europäische Markt

noch für die Russische Föderation haben, jetzt,

wo es eine intensivere Zusammenarbeit etwa mit

China oder Indien gibt?

Ich denke, das ist eine der großen Zukunftsfra-gen der Energiepol itik. In den letzten Jahren ha-ben die russischen Energieunternehmen bereitsengere Beziehungen zu China aufgebaut. Unter-nehmen aus beiden Ländern arbeiten an derAusweitung der Pipel ine-Verbindungen, aberCNPC und chinesische Banken beteil igen sichauch an den Zukunftsprojekten, etwa am YamalLNG-Projekt. Russland ist inzwischen Chinasgrößter Erdöl l ieferant. Die westl ichen Sanktionenzielen darauf ab, russische Unternehmen vonKapital und Technologie abzuschneiden.China hat auf der anderen Seite das Problem,dass es mit seinen Auslandsdirektinvestitionengigantische Verluste hinnehmen musste. Das be-traf die Energieinvestitionen in Libyen und imSüdsudan. Aber auch in Syrien oder bei denSanktionen gegen den Iran zahlte China denhöchsten Preis. In der US-Außenpol itik bestehtschon seit einigen Jahren ausdrückl ich die Richt-l in ie, jede International isierung chinesischer Un-ternehmen zu bekämpfen. Ich nehme an, dassdie Parteiführung um Xi J inping auch vor diesemHintergrund seit Ende 201 3 außenpol itisch eherauf ein inkrementel les Wachstumsmodel l setzt.Die Initiative „One Belt, One Road“, also dasneue Seidenstraßenprojekt, zielt genau daraufab, einen geografisch zusammenhängenden Kor-ridor auf dem eurasischen Kontinent zu entwi-ckeln. Das stel l t, weit über Energiefragen hinaus,natürl ich auch eine wichtige Zukunftsoption fürdie EU-Staaten dar, eine Alternative zur stärkerentransatlantischen Integration, etwa durch TTIP.Insofern bin ich auch kein Prophet, wenn ich vor-aussage, dass die US-Außenpol itik ihre Bastio-nen in Nordost-Asien 1 niemals räumen wird. EinRückzug der USA aus Afghanistan und Pakistan,also aus den Gebieten zwischen Europa, Russ-land und China, wird nicht stattfinden. Zum an-deren sind die russischen Unternehmen natürl ichweiter existentiel l auf den europäischen Marktangewiesen, einfach weil der Verbrauch in denOECD-Staaten weiterhin sehr hoch ist und be-reits Investitionen in Pipel ines und andere Infra-strukturen erfolgten. Der Absatzmarkt Europableibt, neben dem Weltmarktpreis, weiterhin ex-trem wichtig für die russische Wirtschaft.

1 Afghanistan und Pakistan sind definitiv nicht Nordostasien.Das wäre nur Japan und Teile von Russland. (Red.)

Energie

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Heft I I -201 6 Tarantel Nr. 73 23

Auch in der Türkei misstraut man den Europäern,

nicht zuletzt seit den Unstimmigkeiten rund um

die Visafreiheit im Rahmen des Flüchtlingsdeals.

Das Land galt selbst nach der Verschlechterung

der russisch-türkischen Beziehungen noch als

große Hoffnung bei der möglichen Versorgung der

EU, vor allem mit Blick aufdie zentralasiatischen

Ressourcen. Sind in dieser Region weitere

Verwerfungen im Energiebereich zu erwarten?

Diese Verwerfungen sind ja bereits deutl ich einge-treten. Nachdem Brüssel das South-Stream-Pro-jekt erfolgreich torpediert hatte, bot die russischeRegierung der Türkei an, mit Turkish Stream zu ei-nem Versorgungshub für Erdgas in Südeuropa zuwerden. Nun ist die Türkei ein NATO-Staat undverfolgt im Nachbarland Syrien ausdrücklich ande-re Interessen als die Russische Föderation. Aberehrl ich gesagt, wäre Turkish Stream für die Türkeiein sehr viel wirkungsvol leres, langfristiges und zi-vileres außenpolitisches Projekt geworden, als denEU-Staaten mit Flüchtl ingswellen zu drohen. DieRegierung Erdoğan hat, das ist zumindest meineEinschätzung, ein wirkl ich wertvol les Projekt fürdie wirtschaftspolitische Integration zwischenRussland und Europa leichtfertig ausgeschlagen.Natürl ich bleibt abzuwarten, wie die Entwicklungin den zentralasiatischen Ländern, in Kasachstanaber auch Aserbaidschan weitergeht. Die US-Au-ßenpol itik arbeitet seit Jahrzehnten daran, dorteine mögl ichst große Unabhängigkeit von Russ-land zu schaffen und damit, natürl ich, auch dieErdöl- und Erdgasressourcen unter Kontrol le zubekommen. Die jetzt begonnene Trans AdriaticPipel ine, das TAP-Projekt, wird genau diese Funk-tion erfül len, nämlich Erdgas aus dem Kaspi-schen Meer nach Südeuropa zu transportieren.Und schl ießl ich dürften in der Türkei einige dar-auf spekul ieren, dass man in unbestimmter Zu-kunft die Landverbindung zwischen Europa undden Golfstaaten kontrol l iert. Viele gehen davonaus, dass dies die konkrete Motivation für dieGolfstaaten und die Türkei ist, mit Mil l iardensum-men den Bürgerkrieg in Syrien zu schüren. Wennwir zugrunde legen, dass Katar und auch Saudi-Arabien seit Jahren eine direkte Pipel ine-Verbin-dung in die EU schaffen wol len, dann könnte manden Syrien-Krieg teilweise als eine solche „Ver-werfung im Energiebereich“ verstehen, wobeidas ganz sicher nicht die einzige Motivation fürden Versuch ist, die Regierung Assad zu stürzen.

Welche Trends werden aus Ihrer Sicht im Laufe

der nächsten 20 Jahre die Energiepolitik in Europa

bestimmen?

Ich gehe davon aus, dass wir gerade eine Neu-ordnung der weltweiten Energiepol itik erleben.Ein wichtiges Instrument für diese Neuordnungsind die niedrigen Energiepreise. Sie werden dieBeziehungen zwischen Förderstaaten und ihrenEnergieunternehmen auf der einen Seite, undden großen Verbraucherländern und ihren Inter-national Oil Companies auf der anderen Seitevöl l ig neu gestalten. Wir sind Zeugen einergrundsätzl ichen Machtverschiebung zwischenLändern wie Russland, Brasil ien und Venezuela,um nur die pol itisch auffäl l igsten zu nennen, undden großen Nettoimporteuren in den Europa, denUSA und Asien. Die großen Nettoimporteurekontrol l ieren gleichzeitig das Kapital und dieTechnik, auf welche die Förderstaaten angewie-sen sind.Ich denke, die Golfstaaten halten diesen finanzi-el len Abnutzungskrieg gegen Russland und an-dere Förderstaaten noch etwa fünf Jahre durch.Zudem haben sie bei den internationalen Finanz-institutionen wie dem IWF und der Weltbank eineunbegrenzte Kreditl in ie. Insofern würde ich ver-muten, dass wir noch mindestens bis zum Jahr2020 in einer Phase der relativ niedrigen Preisefür Öl und Gas leben werden, mit al len negativenFolgen, die das für die Umwelt und für bestimmteFörderstaaten hat.Niemand bezweifelt, dass die Preise für diesesbegrenzte Gut, die fossilen Energieträger, dannwieder steigen werden, und zwar höher als je-mals zuvor. Insofern ist die Volksrepubl ik Chinaauf dem richtigen Weg, mit ganzer Kraft regene-rative Energien zu entwickeln. Und wenn die EU-Staaten ihren Entwicklungsvorsprung in diesemBereich aufgeben, sei es aus Dummheit oder we-gen der Korruption in der Kommission und wegender Interessen der großen Versorgungsunterneh-men, dann sind sie wirkl ich selbst daran schuld,wenn sie irgendwann bei den internationalenMultis die Preise zahlen müssen, die dann aufge-rufen werden.

Das Interview führte RT Deutsch-Redakteur Al iÖzkök. Es wurde veröffentl icht unter:https://deutsch.rt.com/wirtschaft/38582-zukunft-energieversorgung-europa-ist-selbst/

Energie

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24 Tarantel Nr. 73 Heft I I -201 6

Der Moloch

Er raubt den Rosen die Dornen und den Duft dassSie verfaulen noch in der Knospe.Er stiehlt das Nahrungsland den Rosenbäuerinnen dassSie die verkrüppelten Rosen binden müssen zu Sträußen dieEr schüttet über die Länder des Nordens.

Unsichtbar unhörbar zieht er sich krakenartig überDie Länder wie zäher Schleim al lesverschl ingend walztEr die fruchtbaren Felder mit ihren Hecken und GräbenNieder zu riesigen gelben Flächen:Stummes Land ohne Vögel Bienen und Duft.

Langsam weich und klebrig kriecht erDen Menschen unter die Haut dassSie die leisen Winde und die Wärme des Nächsten nicht mehr fühlen.Er findet Eingang ohne Widerstand in ihre Gl ieder dassDiese steif werden und nur noch Knöpfe drücken können.

Unaufhaltsam nähert sich der Moloch den Herzen der Menschen zwingtSie zu monotonen Schlägen dassSie Liebe und Trauer nicht mehr spürenVergiftet ihre Hirne und Augen dassSie die verkrüppelten Rosen als schön empfinden.

Bis - die Rosenbäuerinnen erkennen den Diebstahl nehmenZurück ihren Boden und züchten eigene Rosen mitKräftigen Dornen und betörendem Duft dieEntfalten jede Knospe zu großartiger Blüte undSterben wenn ihre Zeit gekommen ist.

Bis die Ackerbauern sich besinnenIhrer Herkunft besetzenDas verstummte Land und schaffen ihmWieder Gerüche Laute Getier undEssbare Früchte.

Bis al le Menschen sehen dassSie faul igen Rosen hinterherjagen ausschwemmenDas Gift ihren Adern und Hirnen und lebenMit erblühenden Rosen dieStark sind durch ihre Dornen.

Eva Lehmann-Lil ienthal

Gedicht

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Heft I I -201 6 Tarantel Nr. 73 25

Klima

Im August 2005 fegte der Hurrikan Katrina mitvernichtender Gewalt über den Südosten derUSA. Infolge des Sturms verloren 1 800 Men-schen ihr Leben. Doch nicht nur die pure Gewaltdes Hurrikans kostete in diesen Tagen in derStadt New Orleans Menschenleben. Durch dieNaturkatastrophe wurden die tiefer gelegenenStadtteile, in denen überwiegend die Ärmerenlebten, überschwemmt. In New Orleans verbin-det eine Brücke die tiefer gelegenen mit den hö-her gelegenen, weniger von Überschwemmungbedrohten Stadtteilen. Als nun die Menschen ausden überschwemmten Gebieten auf Suche nachSchutz diese Brücke überqueren wol lten, ent-fachten sie die Angst der reicheren Stadtbewoh-ner* innen. Getrieben von der Furcht, es handelesich bei den vor der Überschwemmung Fl iehen-den um Plünderer, stel l ten sich Pol izei und Bür-gerwehren den über die Brücke laufenden Flu-topfern in den Weg und versuchten, sie mitWarnschüssen zu vertreiben. Doch in den Tumul-ten sol lte es nicht nur bei Warnschüssen bleiben.Mehrere Menschen, die auf der Flucht vor derÜberschwemmung waren, wurden getötet. Esgibt bisher für keinen der Fäl le eine Verurteilungwegen Totschlags oder Mords.Man stel le sich nun einmal vor, diese Szenenwürden, dramaturgisch gut aufbereitet, in einemFilm (womögl ich wenige Wochen nach einer grö-ßeren Überschwemmung der Elbe) im Fernsehenlaufen. Sicher würden die Zuschauer in deut-schen Wohnzimmern mit den Flutopfern mitlei-den. Die Empörung über die Kaltherzigkeit in denUSA wäre groß. Und wahrscheinl ich wären wiral le ein bisschen stolz darauf, dass wir hier inDeutschland auf Naturkatastrophen wie diegroßen Überschwemmungen in den Jahren 2002und 201 3 mit einem großen Wir-Gefühl und einerWel le der Sol idarität und der gegenseitigen Flut-hil fe reagiert haben.

Doch das, was in New Orleans nach dem Hurri-kan Katrina passierte, ist vergleichbar mit demWesen des europäischen Außengrenzregimes.Mit einem Unterschied: In New Orleans wurdenFlutopfer getötet, weil sie eine Brücke über-schreiten wol lten, während hier Umweltflüchtl in-ge ihr Leben riskieren, wenn sie die EU-Außen-grenze überschreiten wol len.

Auswirkungen des KlimawandelsInzwischen ist klar, der Kl imawandel wird durchdie von Menschen produzierten Emissionen her-vorgerufen. Doch diese Erkenntnis wurde langeZeit bekämpft. Ich erinnere mich noch gut aneine verkehrspol itische Debatte im SächsischenLandtag vor über zehn Jahren. Meine Fraktionhatte die sozialen, ökonomischen und ökologi-schen Auswirkungen eines Autobahnneubausevaluieren lassen. Dabei ging es mir darum, dieökologischen Auswirkungen einer auf das Autokonzentrierten Verkehrspol itik zu verdeutl ichen.Der Redner der CDU machte sich nicht die Mühe,sich sachl ich mit den Fakten auseinanderzuset-zen, stattdessen machte er die Fragestel lung lä-cherl ich und amüsierte sich köstl ich darüber,dass die »Verkehrsmädels« der PDS im Sächsi-schen Landtag über das »Schmelzen der Pole«reden wol lten. Schenkelklatschen in den Reihender CDU. Offensichtl ich sonnte man sich in derI l lusion, der Kl imawandel habe nichts mit uns zutun, wo doch die Pole so weit weg sind.Auch wenn zum Schenkelklopfen neigende kon-servative Pol itiker al les Mögl iche taten, um sichdieser Erkenntnis zu verweigern, der Kl imawan-del ist längst nicht mehr nur eine abstrakte Be-drohung, die irgendwann in der Zukunft l iegt.Tatsache ist: Die Abgase, die wir tagtägl ich pro-duzieren, zum Beispiel dadurch, dass wir Autofahren, sowie die Emissionen aus Industrie undLandwirtschaft befördern heute schon die Erder-

Fluchtursache der Zukunft: Klimawandel 1Auszug aus Katja Kipping: Wer flüchtet schon freiwill ig? Die Verantwortung des Westens oderWarum sich unsere Gesellschaft neu erfinden muss. S. 51 -59

1 Zentrale Erkenntnisse zu diesem Thema verdanke ich der Doktorarbeit von Lena Kreck: Exklusion/Inklusion vonUmweltflüchtl ingen (201 5). Diese Arbeit l iefert einen hervorragenden Überbl ick über die herrschende Rechtsprechungzum Thema Umweltflüchtl inge, über mögl iche erweiterte Auslegungen des bestehenden Rechts im Sinne derUmweltflüchtl inge sowie über Initiativen zur notwendigen Schaffung einer Kl imaflüchtl ingskonvention.

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26 Tarantel Nr. 73 Heft I I -201 6

wärmung. Wobei der Begriff Erderwärmung aufirreführende Weise harmlos kl ingt. Es geht ebenleider nicht darum, dass überal l gleichmäßig dieTemperatur steigt. Infolge der Erwärmungschmelzen in der Tat die Gletscher und Pole. Da-mit wird nicht nur den Inuit und ihrer Kultur dieLebensgrundlage entzogen und der Lebensraumvon Eisbären zerstört, sondern auch der Anstiegdes Meeresspiegels befördert. Und infolgedes-sen steigt zwangsläufig die Gefahr von Über-schwemmungen.2 Zudem schluckt der Anstiegdes Meeresspiegels unwiderrufl ich Land, Land,das als landwirtschaftl iche Fläche das materiel leÜberleben sichern sol lte. So verschwindet Le-bensraum dauerhaft.Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen,veranstaltete die Regierung der Malediven imJahr 2009 eine Kabinettssitzung unter Wasser.Dazu zwängten sich der Präsident und al le weite-ren Regierungsmitgl ieder in Taucheranzüge undlegten Tauchermasken an. Was auf den erstenBl ick wie eine witzige Aktion mit aufmerksam-keitserregenden Bildern wirkt, könnte in Zukunftbittere Real ität werden. Denn sol lte der Meeres-spiegel weiter steigen, sind mehrere Inselstaatendes Südpazifiks in Zukunft komplett vom Unter-gang bedroht.Angesichts der höheren Temperaturen nimmt zu-dem die Bewegung der Luftmassen zu. Dies wie-derum führt zu einer Zunahme von Wirbelstür-men, Tornados und Hurrikans. Die gestiegeneDynamik der Luftmassen befördert zudem Ex-tremniederschläge, die wiederum Ernten gefähr-den können oder Flüsse zum Übertreten bringen.Extremniederschläge und die Versauerung desRegens verschlechtern wiederum die Qual ität derBöden. Andernorts hingegen führt die Erderwär-mung dazu, dass Niederschläge komplett ausblei-ben. Infolgedessen wird in einigen Regionen dieLandwirtschaft zerstört. Wüsten breiten sich aus.Kurzum: Erderwärmung bedeutet leider nicht

mehr Sonnenschein für al le. Vielmehr nehmeninfolge der gestiegenen Temperaturen die Ex-tremwetterlagen zu. So gesehen sol lten wir eherüber Kl imakol laps statt über Kl imawandel reden.Die Folgen des Kl imakol lapses treffen die armenLänder im globalen Süden mit besonderer Härte.Und das, obwohl vor al lem die reichen Industrie-länder ihn verursacht haben. Der Bericht des Kl i-marats der Vereinten Nationen enthält diesbe-zügl ich erschreckende Prognosen: »Dieal lergrößten Risiken tragen arme und sozial be-nachteil igte Gruppen. In ärmeren Gesel lschaftenkann dies den Verlust des Lebens bedeuten oderstarke Beeinträchtigungen der Gesundheit. (…)Das Risiko von zusätzl ichen Migrationsbewegun-gen und gewaltsamen Konfl ikten würde zuneh-men.«3 In einem seiner früheren Berichte befass-te sich der Kl imarat mit den zu befürchtendenAuswirkungen auf Afrika und kam zu dem Fazit:»Afrika gehört zu den ersten Verl ierern des Kl i-mawandels. In den kommenden 1 3 Jahren wer-den zusätzl iche 75 bis 250 Mil l ionen Menschenunter Wassermangel leiden.«4

Der Teilnehmer einer Konferenz zu den sozialenDimensionen des Kl imawandels5 schilderte dieSituation wie folgt: »Wenn unsere Heimat infolgeder Kl imakatastrophe zu einem Backofen wird,glaubt ihr wirkl ich, dass wir dann im Backofensitzen bleiben und warten, bis wir verbrennenbeziehungsweise verdursten?«Der Kl imakol laps äußert sich nicht nur in Formvon Überschwemmungen und akutem Wasser-mangel andernorts. In vielen Regionen zerstörendie Extremwetterlagen die Lebensgrundlagen.Beispielhaft dafür sind die Schilderungen desFlüchtl ings Bonheur, der aus dem Südwesten Ka-meruns kommt: »In meiner Kindheit konnte mandie Regenzeit auf den Tag genau voraussagen.Doch in meiner Jugend erinnere ich mich an Jah-re ohne Regenzeit. In der Trockenzeit verbranntedie Sonne die Setzl inge, der Boden wurde immer

2 Immerhin 60 Prozent der Erdbevölkerung leben in einer Distanz von nicht mehr als 1 00 Kilometern von einer Küsteentfernt. Vgl . Kreck 201 5, S. 51 .

3 Teilbericht 2 des 5. Sachstandsberichts des IPCC (Intergovernmental Panel on Cl imate Change): unter:http://www.bmub.bund.de/file admin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/ipcc_sachstandsbericht_5_teil_2_bf.pdf S. 2 f. [05.1 2.201 5] .

4 Mehr dazu unter: www.bmu.de/kl imaschutz/internationale_kl imapol itik/ipcc/doc/39274.php [05.1 2.201 5] .5 Konferenz von Bundestagsfraktion DIE LINKE und Rosa-Luxemburg- Stiftung am 03. Jul i 201 5 »Auf der Flucht vor

humanitären Krisen« http://www.rosalux.de/documentation/53620/auf-der-flucht-vorhumanitaeren-krisen.html[05.1 2.201 5] .

Klima

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unfruchtbarer. (…) Wenn der Regen endl ich kam,spülte er al l unsere mühsam erhaltenen Jung-pflanzen weg, oder die Bäume wurden durchSchimmelkrankheiten zerstört.«6

Bonheur aus Kamerun stammt ursprüngl ich auseiner Akademikerfamil ie. Doch infolge der Kriseverloren seine Eltern ihre Arbeit an der Universi-tät. Um sich einen neuen Lebensunterhalt zu ver-schaffen, beschlossen sie, wie ihre Vorfahreneine Kakaoplantage zu bewirtschaften. Eine Weilekamen sie damit halbwegs über die Runden. Dochdie zunehmenden Extremwetterlagen zogen ihnenzusehends den Boden unter den Füßen weg.

Zusammenspiel von Verwundbarkeit undKlimaveränderungGemäß deutschem Recht würde Bonheur keinAsyl gewährt bekommen und nicht als Flüchtl inganerkannt werden. Der konservativen Deutungzufolge gilt er schl ichtweg als »Wirtschaftsflücht-l ing«. Mal davon abgesehen, dass es zynisch ist,angesichts des Elends von Wirtschaftsflüchtl in-gen zu reden, ist die genaue Abgrenzung zwi-schen Kl imaflüchtl ingen und sogenannten Wirt-schaftsflüchtl ingen oft schl ichtweg unmögl ich.Diese fehlende Trennschärfe ist dem Umstandgeschuldet, dass die Flucht nach Europa infolgedes Kl imawandels sich nur selten monokausal er-klären lässt. Die wenigsten verlassen ihre Heimatal lein wegen einer Überschwemmung oder einerDürreperiode. Oft spielen verschiedene Faktorenzusammen. Migration findet schl ießl ich im Zu-sammenhang mit den gesel lschaftl ichen Verhält-nissen statt. Wobei wir davon ausgehen können,

dass Menschengruppen, die bereits in prekären,unsicheren Verhältnissen leben, von Kl imakol-laps, Naturkatastrophen und Umweltverschmut-zung besonders betroffen sind. Die Veränderungdes Kl imas beziehungsweise der Umwelt ver-stärkt die bereits existierende Verletzl ichkeit be-ziehungsweise die bereits existierende Margina-l isierung von Menschen noch einmal.Gäbe es in der Heimat von Bonheur beispiels-weise noch viele andere Berufsoptionen jenseitsder Landwirtschaft, hätte sich seine Famil ie wohlauch eine andere Existenz aufbauen können,nachdem die zunehmenden Extremwetterlagenden Kakaoanbau unmögl ich machten. Hier zeigtsich: Verwundbarkeiten, die bereits vorher be-standen haben, offenbaren sich infolge mögl icherUmweltveränderungen mit besonderer Härte.7

Wenn Extremwetterlagen auf extreme Armuttreffen, sind die Auswirkungen für die Menschenbesonders verheerend. Es ist oft die Kombinationaus Umweltzerstörung und dem eklatanten Man-gel an demokratischen und sozialen Rechten, dieMenschen in die Flucht treibt.Auch wenn Naturkatastrophen erst einmal kei-nen Unterschied machen zwischen Mil l ionärenund Armen, profitieren doch Arm und Reich un-terschiedl ich von Katastrophenschutz und Wie-deraufbau. Wenn in Kal ifornien eine Fertighaus-siedlung der gehobenen Mittelschicht durchWaldbrände zerstört wird, ist das für die Betrof-fenen natürl ich schl imm. In der Regel bekommensie dann Hotelgutscheine bis zur Wiederherstel-lung ihres Hauses. Wird dagegen eine Favela,also eine Armensiedlung, von einem Erdrutschbegraben, dürfen die Bewohner* innen, die sichnatürl ich keine Versicherung leisten können, si-cherl ich nicht auf Hotelgutscheine hoffen.

Eine Stimme, die gehört gehörtAus der Perspektive einer Verantwortungsethikl iegt es auf der Hand: Die reicheren Staaten ha-ben einen Großteil der Emissionen, die den Kl i-makol laps verursachen, verschuldet. Dessen Fol-gen wiederum zerstören vor al lem in denärmeren Ländern die Lebensgrundlage von vie-len. Vor dem Hintergrund dieser Verantwortungist es also nicht zu rechtfertigen, Kl imaflüchtl inge

6 Fasbender 201 4, S. 2387 Vgl. dazu Kreck 201 5, S. 78.

Klima

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28 Tarantel Nr. 73 Heft I I -201 6

8 Al lerdings gibt es einige wissenschaftl ichen Interventionen für eine erweiterte Auslegung der bestehendenFlüchtl ingskonventionen sowie die Nasen-Initiative, die auf Anregung der norwegischen und schwedischen Regierung201 2 gestartet wurde. Dieser Verständigungsprozess zum Thema Umweltflüchtl inge sah Konferenzen auf denverschiedenen Kontinenten zu dem Thema vor. Bei den bisher durchgeführten Konferenzen wurde die weltweite Brisanzdes Themas deutl ich.

9 Kreck 201 5, S. 1 71 .1 0 Teilbericht 2 des 5. Sachstandsberichts des IPCC: unter http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download

_PDF/Klima schutz/ipcc_sachstandsbericht_5_teil_2_bf.pdf S. 2 f. [05.1 2.201 5] .

schl ichtweg abzuweisen. Doch in der internatio-nalen Rechtsprechung8 gibt es bisher keine An-erkennung von Umweltflüchtl ingen. Sie sind so-mit vielfacher Gewalt ausgesetzt. Erst schlagendie Naturgewalten zu, während der Flucht sindsie nur zu oft Freiwild, und sol lte ihnen die An-kunft in einem der reicheren Industrieländer ge-l ingen, schlägt dort die Rechtsgewalt zu. Hierzeigt sich eine »Diskrepanz zwischen Schutzbe-dürftigkeit und Schutzangebot«.9

Am Beispiel der Umweltflüchtl inge wird auch eingrundlegendes demokratisches Defizit der aktu-el len Staatenordnung deutl ich: Die besondersBetroffenen haben keinerlei Mitspracherecht.Wird in deutschen Kommunen der Flächennut-zungsplan geändert, sieht das Gesetz die Beteil i-gung al ler Anwohnerinnen und Anwohner vor.Schl ießl ich sol len al le, die potentiel l davon be-troffen sein könnten, ihre Einwände formul ierendürfen. Dazu l iegt die geplante Änderung einigeZeit in den Ortsämtern aus. Diese Beteil igungs-mögl ichkeit wird zwar in der Regel nur dann breitgenutzt, wenn es einen pol itisierten Konfl ikt undeine aktive Bürgerinitiative vor Ort gibt. Aber im-merhin ist das ein demokratisches Instrumentund eine Mögl ichkeit zur Beteil igung in der Kom-munalpol itik.Menschen hingegen, deren Heimat von Umwelt-und Kl imaveränderungen negativ beeinflusstwird, ja, deren Lebensgrundlage womögl ich so-gar dadurch zerstört wird, haben al lerdings kei-nerlei (Mitsprache-) Rechte. Sie haben wederMitspracherechte, wenn es um Abgasnormen fürdie Industrie geht, noch genießen sie nach einerüberstandenen Flucht in Europa Rechte. So siekeine direkte pol itische Verfolgung nachweisenkönnen, droht vielmehr die umgehende Abschie-bung. Doch anstatt diesen Menschen jegl ichePerspektive zu verweigern, sol lten die reichenIndustrienationen l ieber genau hinhören.

Die Geschichten der Umweltflüchtl inge verdichtensich in einer Stimme, die gehört werden muss. Soverschieden ihre Fluchtgeschichten auch sind, dieUmweltflüchtl inge sind al le (bewusst oder unbe-wusst) Überbringer einer Botschaft: Wenn wirnicht grundlegend umsteuern, wenn die Umwelt-zerstörung so weiter läuft, wird auch unsere Le-bensgrundlage nach und nach zerstört.Und die Extremwetterlagen, deren Folgen Men-schen in die Flucht treiben, werden nicht von al-leine abnehmen. Im Gegenteil , es steht zu be-fürchten, dass sie im Zuge von steigendenEmissionen und damit steigenden Temperaturennoch häufiger auftreten. Bis jetzt ist der reichereTeil der Welt, der globale Norden, verhältnis-mäßig gl impfl ich davongekommen. Doch es gibtkeine Garantie für ihn, dass das so bleibt.Schl ießl ich häufen sich inzwischen auch in Euro-pa und den USA die zerstörerischen Naturkata-strophen. Und sogenannte Jahrhunderthochwas-ser treten mittlerweile im Zehn-Jahres-Rhythmusauf. Der aktuel le Bericht des UN-Kl imarats pro-gnostiziert zudem eine deutl iche Gefährdung fürEuropa durch den Kl imawandel . So werden inEuropa »die ökonomischen Schäden und die Zahlder betroffenen Menschen durch Hochwasser anFlüssen und Küsten zunehmen«. Zudem stehtauch in Europa zu befürchten, dass »Hitzewel lenkünftig zu größeren gesundheitl ichen Problemenund erhöhter Sterbl ichkeit führen«.1 0

Die Umweltfrage führt uns ergo in al ler Dring-l ichkeit, ja, in al ler Brutal ität vor Augen, dass wir,die wir auf diesem Planeten leben, eine grenz-übergreifende »Schicksalsgemeinschaft« sind.Das Gebot der Stunde lautet also Umweltschutzund Kl imagerechtigkeit. Das ist nicht nur eineökologische Frage, sondern auch eine Frage so-zialer und globaler Gerechtigkeit.Doch ungeachtet dessen schreiten der Ressour-cenverbrauch und die Produktion von Emissionen

Klima

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Heft I I -201 6 Tarantel Nr. 73 29

Prof. Gerhard Armanskihat ein Kaleidoskop so-zialökologischer Gesel l-schafts- und Kulturge-schichte inZusammenhang mit denUmweltkrisen bis hin zuLösungsvorschlägen fürdie Zukunft der Erde ge-schaffen. Wer Freude anphilosophischer Sicht

und Diktion hat, wird die 255 Seiten mit Genuss le-sen. Armanski ist Marxist im Sinne der Weiterent-wicklung und heutiger Nutzbarmachung marxisti-scher Theorie. Bemerkenswert sind seineumfassenden Kenntnisse der Kultur- und Sozialge-schichte in Verbindung mit der Naturnutzung.Aufden ersten 45 Seiten wird ein Überbl ick zur „Fie-berkurve“ der Übernutzung der Erde gegeben: Kl i-mawandel , Artenschwund, Bodenerosion, Meeres-spiegelanstieg, Gentechnologie,Trinkwassermangel , Koral lenbleiche, Regenwaldab-holzung bis hin zur elektromagnetischen Strahlungvon Handys. Diese Aufl istung findet man auch inanderen aktuel len Veröffentl ichungen, al lerdings

hat Armanski dasgut belegt und ein-dringl ich geschil-dert.Es folgt ein kurzesKapitel zum „grünenKapital ismus“, indem bewiesen wird,dass ein ökologi-scher Kapital ismusnicht möglich ist.Leserinnen und Le-sern, die sich überdieses Problem näher informieren wollen, sei dasBuch „Kritik der grünen Ökonomie“ von Fatheuer,Fuhr und Unmüßig empfohlen (siehe Rezension inder Tarantel Nr. 72).Auf den folgenden 70 Seiten wird die „Natur inGeschichte und Gesel lschaft“ behandelt. Begin-nend mit einem Rückblick ins archaische Erbewird der Wandel der Naturbetrachtung in Hinbl ickauf das Soziale, die Naturwissenschaften, diePhilosophie und Poesie untersucht. Ebenso dieWandlung der Ansichten in der Kulturgeschichtedes Natur-Mensch-Tier-Verhältnisses. Auch das

Monsieur le Capital und Madame la Terre.Blauer Planet im WürgegriffRezension von Götz Brandt

fort. Die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) prognostiziert des-halb bis 2050 weltweit eine Zunahme der CO2-Emissionen um 70 Prozent. Die globale Kl imapo-l itik scheitert seit Jahren an dem Ziel einer effek-tiven Verringerung des CO2-Ausstoßes, weilmächtige Konzerninteressen dem entgegenste-hen und kein Land bereit ist, einseitig Schritte zugehen – und so Nachteile in der globalen Konkur-renz in Kauf zu nehmen. Wenn es um Patenteund die Privatisierung von Wissen geht, legt dieWirtschaft ja bekanntl ich großen Wert auf Urhe-berrechte. Wenn es jedoch um Umweltzerstörunggeht, wil l die Wirtschaft nichts von Urheberpfl ich-ten wissen. Man stel le sich nur einmal vor, al leKonzerne wären verpfl ichtet, für die von ihrenEmissionen verursachten Umweltschäden aufzu-kommen. Wenn al le »externen Kosten« von ihrenVerursachern übernommen werden müssten: Wir

können nur ahnen, wie schnel l dann in umwelt-freundl ichere Produktion investiert werden würde.Doch die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zei-gen: Nur in großen Weltwirtschaftskrisen konntenRessourcenverbrauch und Emissionen deutl ichgesenkt werden. Auch der Traum von einem »grü-nen Kapital ismus« durch neue, ressourceneffizi-ente Technologien ist demnach kein Ausweg ausder Mehrfachkrise des kapital istischen Wachs-tums. Denn die Einspareffekte bei Ressourcen-verbrauch und Emissionen würden umgehenddurch steigenden Konsum und weiteres Wirt-schaftswachstum wieder zunichte gemacht.Die kanadische Global isierungskritikerin undSchriftstel lerin Naomi Klein hat es insofern in ih-rem Buch Die Entscheidung – Kapital ismus vs.Kl ima (201 5) auf den Punkt gebracht: Kapital is-mus oder Kl ima – wir müssen uns entscheiden.

Klima — Bücherecke

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30 Tarantel Nr. 73 Heft I I -201 6

Unter Leitung von Sybil le Bauriedl (Hrsg.) habensich 27 bekannte Autoren zusammengefunden,um 41 Schlüsselbegriffe der Kl imadebatte zu er-klären. Es wurden Begriffe ausgewählt, die zumeinen „die Problemwahrnehmung des Kl imawan-dels festschreiben“, zum anderen „die Lösungs-strategien zur Bewältigung des Kl imawandelsfestlegen“, die „Chancen des Kl imawandels beto-nen“ und letztl ich „die bevorzugten Gestaltungs-formen des Kl imawandels kritisch reflektieren“.Zum Beispiel finden sich Begriffe wie Anthropo-zän, Bioökonomie, Energiewende, Geoenginee-ring, globales Umweltmanagement, Kl imaanpas-sung, Nachhaltigkeit, Planetarische Grenzen,Raumschiff Erde und viele weitere Begriffe. Fürjeden untersuchten Begriff sind auf wenigen Sei-ten eine Begriffserklärung, die Herkunft des je-weil igen Begriffes, seine pol itische Einordnung

und seine Wirkungin der Kl imadebattezu finden. Die Auto-ren bemühen sichum eine objektiveund neutrale Vor-stel lung der Begrif-fe. In vielen Fäl lenist auch eine ökolo-gische Parteinahmezu finden. Man er-fährt eben vielmehr, als aus einemLexikon mögl ich ist. Wer sich aktiv in die Kl ima-debatte einbringen wil l , der muss dieses Buchgelesen haben.Sybil le Bauriedl (Hrsg.) : Wörterbuch Kl imadebatte.201 6. Print-ISBN 978-3-8376-3238-5, PDF-ISBN 978-3-8394-3238-9, 326 Seiten, 29,99 €

Wörterbuch KlimadebatteRezension von Götz Brandt

Bücherecke

Verhältnis von Kirche und Natur wird breit behan-delt. Der Leser findet hier neue Zusammenhänge,Denkanstöße, Einsichten und Schlussfolgerungen.Eine Kritik der kapital istischen Produktions- undLebensweise schl ießt sich an. Armanski kommtzu Schluss, dass die kapital istische Wirtschaftdie Natur vernichten wird, wenn sie nicht ge-stoppt werden kann. Er untersucht die „Mental i-tät der herrschenden Produktions- und Lebens-form“. Nicht nur die gewachsene Trennung derMenschen von der Natur, sondern auch diegroße Kluft zwischen ökologischen Einsichtenund entsprechendem Handeln wird erhel lt.In einem eingefügten Kapitel zur Umweltkrisewerden die „Menetekel“, die bereits zu Beginnaufgezählt und beschrieben wurden, noch einmalin ihrer Wirkung und Gefahr für den Fortbestandder Menschheit aufgezeigt: Abschmelzen derPolkappen und Gletscher, Koral lenbleiche, Ver-schwinden der Regenwälder, kranke Pflanzen-und Tierwelt, Leitbild Auto usw.Anthropo- und Ökozentrismus führen manchmalzu extremen Forderungen. Armamski legt offen,dass die Regelkreise der Natur auch ohne denMenschen funktionieren, was aber Menschen

nicht veranlasst, die Systemfrage zu stel len. Grü-ne Pol itik verlangt aber pol itische Aktionen undeinen Strukturwandel . Kapital istische Wachs-tumsdynamik in Produktion und Konsumtionmüssen durchbrochen werden. Den Problemender ökologischen Befreiung der Menschheit wid-met Armanski mehrere Kapitel und beleuchtetdiese Problematik von al len Seiten. Es schl ießtsich ein Abschnitt an, der die zukünftigen Aus-sichten der Ökologiebewegung untersucht.Grundlage der Untersuchungen sind die Rechtekünftiger Generationen und der Natur. Wenn demgegenwärtig vorherrschenden Profitmotiv nichtmindestens Zügel angelegt werden, werden dieAusplünderung des Planeten und die Ausbeutungder Menschen weiter voranschreiten. ArmaskisVorschläge, wie der Kampf für die Erhaltung derNatur zu organisieren wäre, welche Methodenanzuwenden seien und welche psychologischenEinsichten zu nutzen wären, sind für die Ökologi-sche Plattform bei der LINKEN als Kompendiumzu nutzen.Armanski, Gerhard: Monsieur le Capital und Madamela Terre. Blauer Planet im Würgegriff. 201 5. ISBN978-3-89691 -721 -9, 24,90 €

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Heft I I -201 6 Tarantel Nr. 73 31

Frau Dr. El isabeth Wehl ing arbeitet auf den Ge-bieten der pol itischen Werte-, Sprach- und Er-kenntnisforschung an der University of Cal ifor-nia. Nunmehr l iegt ein Buch vor, das sie speziel lauf deutsche Verhältnisse zugeschnitten hat.Vorangestel lt ist eine Einführung in die kognitiveWissenschaft der Frames. Frames sind Worte undBegriffe, die als Rahmen dienen für ein bestimm-tes Denken und Empfinden. Sie sind gedankl icheDeutungsrahmen. Frames bewerten und interpre-tieren und leiten unser Denken und Handeln an,

ohne dass wir es merken.Sind Frames erst einmalin unseren Köpfen akti-viert, dann bestimmensie, mit welcher Leichtig-keit Informationen vonuns aufgenommen wer-den. Ein Beispiel : „WennSie das Wort „langsam“lesen, verlangsamen sichautomatisch Ihre Bewe-gungen. Wenn Sie über„gestern“ reden, lehnen

Sie sich zurück. Wenn Sie von „Höfl ichkeit“ lesen,agieren Sie höfl icher. Das al les fäl l t Ihnen nichtweiter auf“. Das wurde aber in zahlreichen Versu-chen bewiesen.Auch in der pol itischen Debatte ist jedes Wort ineinen sinngebenden Frame (Rahmen) eingebet-tet. Menschen treffen nämlich nicht auf Grundvon Fakten ihre sozialen, ökonomischen und pol i-tischen Entscheidungen, sondern auf Grund vonsinngebenden Frames. Frames haben einen se-lektiven Charakter. Sie heben bestimmte Dingehervor und blenden andere aus. Der Bürger sol ltewissen, dass kein Frame eine „objektive“ und„al lumfassende“ Abbildung pol itischer Faktenund ihrer Deutung darstel l t. Man wird also alsBürger irregeleitet, verschaukelt, in eine be-stimmte Richtung gelenkt. Diejenigen Frames,die durch die Medien und die Pol itik zuerst ge-setzt werden, dominieren al lgemein das Denkenal ler Bürger. In Versuchen wurde festgestel lt,dass uns nur 2 % unseres Denkens bewusst sind.Auch wurde festgestel lt, dass Menschen mit um-

fassenden pol itischen Kenntnissen anfäl l iger fürFrames sind als Menschen, die wenig über Pol itiknachdenken. Es hat keinen Sinn, in der pol iti-schen Diskussion einen Frame zu negieren, erwird dadurch nur aktiviert, weil man sich ge-dankl ich auf ihn einlässt. Man muss also immerdie eigene pol itische Weltsicht darlegen undnicht auf die Gedanken und Wortschöpfungen(Frames) des pol itischen Gegners eingehen. Mandarf, zum Beispiel als Ökologe nicht vom Frame„Kimawandel“ reden, sondern vom Frame „Erder-hitzung“ oder „Selbstverbrennung“ (Schel lnhu-ber) . „Pol itische Gruppierungen, die es nichtschaffen, ihre eigene moral ische Weltsicht zuverdeutl ichen, ziehen sich gleichsam selber denBoden unter den Füßen weg, bis hin zum Verlustihrer Existenzberechtigung“. Auch die Ökologi-sche Plattform muss sich ihre Frames erarbeitenund daran kol lektiv festhalten, um pol itischenEinfluss zu gewinnen. Da pol itische Ideen immerabstrakt sind, müssen geeignete Metaphern(bildl iche Ausdrücke) gefunden werden, über dieman kommunizieren kann. Wenn wir zum Beispieldie Worte „dreckig“ oder „schmutzig“ hören,dann simul iert unser Gehirn einen physischenEkel . Wir sol lten also nicht von „fossilen Energie-trägern“ sprechen, sondern vom Frame der „dre-ckigen und schmutzigen Energieträger“. Das löstsofort eine negative Einstel lung aus.Dr. Wehl ing untersucht in ihrem Buch die in derpol itischen Debatte in Deutschland vorherr-schenden Themen: Steuern, Staat und Gesel l -schaft, Sozial leistungen, Arbeit, Abtreibung, Zu-wanderung, Islamfeindl ichkeit, Terrorismus undnicht zuletzt Umwelt.Über Frames auf dem Gebiet der Umwelt sol l hiernäher berichtet werden. Der Frame „Kl imawan-del“ suggeriert, dass das Kl ima eben etwas wär-mer wird, was ja angenehm ist. Wärme ist einpositiv besetztes Konzept. Der Begriff „Wandel“ist neutral , es kann sich zum Besseren oder zumSchlechteren wandeln, es ändert sich eben. Eswird nicht einmal von „Kl imaverschlechterung“gesprochen. Wir müssen den „Kl imaschutz“ vor-antreiben und die „Kl imaschutzziele“ erreichen,wird uns von der Regierung versprochen. Aber

Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik machtRezension von Götz Brandt

Politisches Framing

Bücherecke

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Bücherecke

Die Energiewende istseit einigen Jahren, inDeutschland zumin-dest, in al ler Munde.Nicht mehr nur Grü-ne, Alternative undÖkos diskutieren dar-über, sie ist längstMainstream bis weit

in die Stromkonzerne hinein. Dass sie, sol l mandas Reden darüber denn ernst nehmen können,einige Voraussetzungen hat, die meist nicht an-gesprochen werden, ist im kritischen Teil der Öf-fentl ichkeit ebenfal ls seit langem bekannt.Das hier zu besprechende Buch beleuchtet eineder entscheidendsten dieser Voraussetzungenumfassend und von al len Seiten. Es geht darum,dass auch eine Energieversorgung, die komplettaus Erneuerbaren bestehen würde, auf eine ma-teriel le Infrastruktur angewiesen ist. Dieses „ma-teriel l“ ist durchaus wörtl ich zu verstehen, es be-darf der Verfügbarkeit sehr bestimmterMaterial ien in bestimmter Qual ität und bestimm-ter Menge. Das Wort „kritisch“ aus dem Buchtitelübersetzt Jörg Schindler im letzten Beitrag so:„Die Stoffwende ist eine notwendige Vorausset-zung für eine Energiewende.“ (S. 330) „Kritisch“wären somit diejenigen Metal le, die für eineStoffwende je nach Betrachtung unverzichtbar,schwer zugängl ich oder objektiv knapp sind.In 1 6 Artikeln diskutieren insgesamt 27 Autorin-nen und Autoren das Thema gründl ich und vonsehr unterschiedl ichen Gesichtspunkten her. Sieal le sind kritische Geister, aber offenkundig war

das Kriterium, nach dem die SchreiberInnen aus-gewählt wurden, ein fachl iches und kein pol iti-sches. Das Pol itik- und Gesel lschaftsverständnisin manchen Texten löst bei einem gestandenenLinken wie mir ein leichtes Fremdeln aus, aber inBezug auf die Ernsthaftigkeit, mit der der jeweil i-gen Frage nachgegangen wird, sind sie für michals fachl ichen Laien al le überzeugend.Dennoch ist das Buch kein unpol itisches. Auchdas deutet wiederum schon der Titel an, indemer von der „Großen Transformation“ spricht. Da-bei handelt es sich um eine Einschätzung und einKonzept gleichzeitig. Es geht einerseits darum,dass die notwendigen Metal le für die Energie-wende physisch vorhanden und tatsächl ich nutz-bar sein müssen. Das hat objektive Grenzen invielerlei H insicht. Wie viel Vorräte gibt es jeweilsin der Erdkruste? Wie sind die Förderbedingun-gen? Wie funktioniert das Recycl ing, technolo-gisch-grundsätzl ich und tatsächl ich? Diese Fra-gen werden sowohl al lgemein wie für einzelneMetal le beispielhaft auch im Detail diskutiert unddargestel lt.Klaus Kümmerer erläutert die „Grundkategorienzum Verständnis der Verfügbarkeit metal l ischerRohstoffe“, nämlich „Konzentration, Funktional i-tät und Dissipation“ (S. 53-86) ThemenfremdeLeserInnen mögen sich unter den ersten beidenBegriffen etwas vorstel len können, Dissipationdürfte den meisten von ihnen fremd sein undauch mein Rechtschreibprogramm kennt es nichtund markiert es als Fehler. Dabei handelt es sichum einen entscheidenden Vorgang, und sein völ-l iges Fehlen in der öffentl ichen Debatte weist auf

eigentl ich geht es ja um „Menschenschutz“ oder„Erdschutz“. Wenn wir Käufer vor schädl ichenProdukten schützen wol len, sprechen wir ja auchvon „Verbraucherschutz“. „Das Konzept der „glo-balen Erwärmung“ ist also durch und durch un-geeignet, den zu erwartenden Temperaturanstiegund die daraus entstehenden Gefahren undHandlungsnotwendigkeiten darzustel len“. Wirmüssen als Ökologen immer von „Kl imaerhit-zung“ sprechen.Dr. Wehl ing untersucht auch die Begriffe der„Umweltverschmutzung“ und „erneuerbare Ener-

gien“. Sie macht auch bei diesen Begriffen klar,dass wir auf den Holzweg geführt werden unddiese Begriffe die Situation falsch interpretieren.Dieses Buch muss jeder Pol itiker lesen. Auch je-der Mensch, der andere Menschen pol itisch be-einflussen wil l , sol l te dieses Buch lesen. DieÖkologische Plattform muss sich ihre eigenenFrames erarbeiten.El isabeth Wehl ing: Pol itisches Framing. Wie eine Na-tion sich ihr Denken einredet - und daraus Pol itikmacht. 201 6. ISBN 978-3-86962-208-8, 21 €, eBook(PDF) 1 7,99 €

Rezension von Werner RätzKritische Metalle in der Großen Transformation

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Bücherecke

eine zentrale pol itische Leerstel le. Es geht dar-um, dass ein Teil der in einem Produkt verwand-ten Metal le mit dem Gebrauch des Produkts end-gültig aus der mögl ichen Nutzung verschwindet.Dies würde auch dann geschehen, wenn al lesRecyclebare tatsächl ich wiedergewonnen würde,weil die Art der Verwendung in Legierungen, Ab-nutzung beim Fungieren des Produkts und Ver-luste bei der Entsorgung zur kontinuierl ichenVerringerung der Mengen führen. In einigen wei-teren Artikeln wird dieses Phänomen genau un-tersucht und für einzelne Stoffe dargestel lt. InBezug auf die Metal le kann es keine umfassendeKreislaufwirtschaft geben. Eine Stoffentropie,also der Verlust von Material , ist unvermeidl ichund muss in die Konzeption der „Großen Trans-formation“ einbezogen werden. Martin Held undArmin Rel ler: „Die Nutzung von Metal len ist dannnachhaltig, wenn die Metal le im Stoffkreislaufbleiben; denn sie werden ja nicht verbraucht,sondern gebraucht. In der technischen Real itätkann diese Grundforderung praktisch nie vol l -ständig erfül l t werden.“ (S. 1 30)Welche Anforderungen an eine nachhaltige Pol i-tik sich aus diesen Bedingungen ergeben undwelche Pol itiken gegenwärtig tatsächl ich diesbe-zügl ich betrieben werden, wird in einer weiterenSerie von Artikeln untersucht. Insbesondere dieFrage nach alternativen geopol itischen Mögl ich-keiten (Lutz Mez und Beehroz Abdolvand S. 1 41 -1 60) ist dabei bedeutsam, sind doch Versucheder Rohstoffsicherung, nicht zuletzt mil itärischerArt, eine Konstante aktuel ler Machtentfaltung.Dennoch wird mir immer absolut rätselhaft blei-ben, wie der „globale Norden“ „staatl iche Initiati-ven“ entfalten kann (S. 1 41 ) , wenn der Begriffdoch genau darauf hinweist, dass Reichtum(„Norden“) und Armut („Süden“) eben nicht nachLändern und Regionen verteilt sind, sondernnach Klassen und Bevölkerungsgruppen, Armutalso auch im Norden und Reichtum auch im Sü-den, deshalb eben global , vorkommen.Ein dritter Teil beschäftigt sich mit „Technologie-metal le(n) , Produkte(n) und Märkte(n)“. Bedarfund Knappheiten werden ebenso erörtert wie deraktuel le Stand bezügl ich Recycl ingmögl ichkeiten.Interessant ist der Artikel über das Beispiel „Fair-phone“ (Joshena Dießenbacher und Armin Rel lerS. 269-292), zeigt er doch nicht nur die Mögl ich-

keiten, sondern sehr deutl ich auch die Begrenzt-heiten des Versuchs, in einer auf fossiler Energieberuhenden kapital istischen Ökonomie nachhal-tige Hightechprodukte herzustel len. „Zum aktu-el len Zeitpunkt ist eine Bewertung der Fairphone-Anstrengungen in Richtung Fairness und Nach-haltigkeit weder mögl ich noch sinnvol l . . . So setztal lein der Name Fair phone, der aus dem Kontexteiner Kampagne stammt, das Unternehmen ei-nem sehr hohen Erwartungsdruck aus. ‚Für einwirkl ich faires Gerät müsste man die ganze Weltverändern‘, sagt Bas van Abel (der Gründer derFirma Fairphone – WR) zu Recht.“ (S. 287)Was andererseits also neben der notwendigenphysischen Verfügbarkeit der Metal le für die„Große Transformation“ erforderl ich ist, ihre po-l itische Dimension also, entfalten Andreas Exner,Christian Lauk und Werner Zittel (S. 295-31 6).Indem sie die Große Transformation als umfas-sendes, langfristiges Konzept darstel len, lösensie auch das Rätsel um den Anspruch auf, dersich im Großbuchstaben des Adjektivs aus-drückt. Dabei gehen sie „nicht von der Annahme‚Eine Welt‘ aus, sondern nehmen die vielfältigenSpaltungen und sozialen Ungleichheiten in denBl ick, gerade auch, was die unmittelbaren,höchst ungleich verteilten Konsequenzen vonGrenzen der Metal lversorgung und die ebensoungleich in Erscheinung tretenden Herausforde-rungen der kombinierten Stoff- und Energiewen-de betrifft. ‚Eine Welt‘ ist erst zu schaffen.“ (S.295) Aus der im Buch vorgelegten Analyse leitensie „Regul ierungserfordernisse ab“, die sie „inder Perspektive einer globalen Rohstoffgleichheit

im Hinblick auf Metalle (kursiv im Original – WR)zusammenfassen wol len. Diese Perspektive um-fasst vier Aspekte:1 . die Absenkung der Metal lextraktion aus sozia-len und ökologischen Gründen:2. die Koordination von Metal lströmen:3. die schrittweise Aufhebung historischer Un-gleichheiten der Festlegung von Metal len in Be-ständen sowie4. die Erhöhung der Extraktionseinnahmen derArmen an der Peripherie.“ (S. 302f)Nach einem Blick auf gegen die unbegrenzte Ex-traktion von Metal len gerichteten gegenwärtigenund zu erwartenden „soziale[n] Kämpfe und ihreRol le in der Veränderung wirtschaftl icher und

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Bücherecke / Impressum

staatl icher Strukturen“ (S. 304) stel len sie fest:„Es ist offensichtl ich, dass ein (fast) ausschl ießl i-ches Recycl ierungssystem zur Gewinnung vonMetal len kein Wachstum des gesamtgesel l -schaftl ich verfügbaren Bestandes mehr erlaubt.Metal le, die physisch investiert werden sol len,weil sie für neue Verwendungen gebraucht wer-den, müssen dann zuerst einer anderen Verwen-dung oder dem Abfal l entzogen werden.“ (S.307) Man kann die Dramatik dieses Satzes garnicht genug betonen. Energiewende wird ohnevöl l ig neue Verteilung des stoffl ichen Reichtumsauf der Welt nicht mögl ich sein, nichts anderesheißt das.Das Buch arbeitet diese Schlussfolgerung detail -l iert und nachvol lziehbar heraus. Es schlägt da-

bei nie schril le Töne an, sondern argumentiertsachl ich, genau und fachkompetent. Einige seinerTexte eignen sich zum immer wieder Nachschla-gen von fachl ichen Details, haben aber al le aucheine Funktion in der pol itischen Argumentationdes Ganzen. Al le regen an zum Weiterlesen ananderer Stel le, sie sind eine Aufforderung zumEingreifen in die pol itischen Geschehnisse unddort eine wichtige Argumentationsgrundlage.

Andreas Exner, Martin Held, Klaus Kümmerer(Hrsg.) :Kritische Metal le in der Großen TransformationSpringer Spektrum Berl in Heidelberg 201 6; 342Seiten, 39,90 Euro; ISBN 978-3-662-44838-0;ISBN 978-3-662-44839-7 (eBook)

ImpressumHerausgeber: Sprecherrat der Ökologischen Plattform ISSN 2195-027XRedaktion: [email protected] (ausschließlich für Veröffentlichungen)Kontakt : Ökologische Plattform bei der Partei DIE LINKE ; Kleine Alexanderstr. 28, 10178 BerlinE-Mail: [email protected] Internet: www.oekologische-plattform.deDie ÖPF ist ein anerkannter Zusammenschluss DER LINKEN und arbeitet als bundesweite Arbeitsgemeinschaft.Redaktionsschluss: 15.5.2016 . Beiträge, Leserbriefe, Buchempfehlungen bitte möglichst in abdruckbarer Form perE-Mail einsenden. Ein Anspruch auf Rückgabe unverlangt eingesandter Beiträge in Papierform wirdausgeschlossen. Über eine Veröffentlichung entscheidet der Sprecherrat. Veröffentlichte Beiträge, auch einzelnerAutoren der Ökologischen Plattform, spiegeln nicht in jedem Fall die Auffassung der Ökologischen Plattform alsGanzes wider. Beiträge ohne weitere Quellenangabe stammen von den Autoren, Beiträge ohne Autorenangaben inder Rubrik IN EIGENER SACHE von der Redaktion. Geplanter Redaktionsschluss für die nächste Ausga-be:15.8.2016 . Elektronische Fassungen dieser und älterer Ausgaben sind unter www.oekologische-plattform.de bzw.www.die-linke.de verfügbar.Bestellung/Adressänderung: [email protected] Spenden für die „Tarantel“ und ÖPF: Partei DIELINKE; IBAN: DE38 1009 0000 5000 6000 00; BIC: BEVODEBB; Verwendungszweck: Ökologische Plattform – SpendeTarantelAutoren: Manfred Wolf, Gesine Franke, Johanna Schringer-Wright, Hartmut Noak, Wolfgang Borchardt, WolfgangPenzholz, Eva Lehmann-Lilienthal, Götz Brandt sind Mitglieder der Ökologischen Plattform bzw. ihresSprecherInnenrates.Rebekka Schwarzbach ist im Nuclear Heritage Network aktiv.Kathrin Kagelmann ist Mitglied der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, und Vorsitzende der Fraktion DIELINKE im Kreistag Görlitz.Malte Daniljuk arbeitete als Fellow für Energiepolitik und Geostrategie der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Im Aprilveröffentlichte er die Studie "Globale Umordnung" zum Einfluss der Energiepolitik auf die politische Neuordnungim Umfeld der Europäischen Union. Seit Dezember 2015 ist er Redakteur bei RT Deutsch.Katja Kipping, MdB, ist Vorsitzende DER LINKEN.Werner Rätz ist unter anderem engagiert bei der Informationsstelle Lateinamerika in Bonn und vertritt diese imKoordinierungskreis von attac Deutschland.Bildnachweis

Titelbild: Le Penseur von Daniel Stockman, CC BY-SA 2.0; bearbeitet: W. BorchardtParteitag, aufgenommen von Mike WrightStephan Krull, aufgenommen von Wolfgang BorchardtGraureiher von Helmar MautschKarte: Gebiete mit Schiefergaspotenzialen in Deutschland, von Maximilian Dörrbecker nach Bundesanstalt fürGeowissenschaften und Rohstoffe: Abschätzung des Erdgaspotenzials aus dichten Tongesteinen (Schiefergas) inDeutschland (CC BY-SA 2.5)The Shimelba Refugee Camp in Northern Ethiopia in 2008 von John Lavall (CC BY-SA 3.0)

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Heft I I -201 6 Tarantel Nr. 73 35

Neuaufnahmen, Veränderungen, Ergänzungen bei Adressen/ Abonnement der Tarantel bitte ü[email protected] oder http://www.oekologische-plattform.de

BundesebeneKleine Alexanderstr.28, 1 01 78 Berl in, www.oekologische-plattform.de oder oekoplattform@die-l inke.deManfred Wolf, 030 241 1 1 27, manfredwolfberl [email protected] Beck, [email protected]ötz Brandt, Prof.Goetz.Brandt@t-onl ine.deMailverteiler (Newsletter) : Anmeldung unterwww.oekologische-plattform.deBAG Umwelt-Energie-VerkehrThomas Scherzberg, Walter-Oertel-Str. 32,091 1 2 , Chemnitz, ts_091 1 [email protected] Bul l ing-Schröter (Sprecherin für Energie undKl imaschutz) , Tel . 030_22772485, Fax 030_22776485 ,eva.bul l [email protected] Lenkert (umweltpol itischer Sprecher) , Tel .030_22772636, Fax 030_227-76638,ralph. [email protected]

LandesebeneBaden-WürtembergWolfgang Kämmerer, Strohberg 36, 701 80 Stuttgart,[email protected] Umwelt, Bahnhofstraße 5, 85051 Ingolstadt, Tel . 08413796284, eva.bul l [email protected] Selke, marianne-selke@t-onl ine.deBerlinMarion Platta (MdA, Umwelt) , N iederkirchnerstr. 5, 1 01 1 1Berl in, Tel . 030 23252550, platta@linksfraktion-berl in.deBrandenburgNorbert Wilke Großbeerenstr. 7 1 4482 Potsdam ,01 520_2875749 norbert.wilke@diel inke-brandenburg.de(LAG Umwelt)BremenHelmut Kersting, Helmut Kersting@die-l inke-bremen.deHamburgGilbert Siegler, Braamwisch 41 , 221 75 Hamburg,[email protected] (AG Umwelt, Energie, Verkehr)HessenHajo Zel ler, DIE LINKE.KV Marburg-Biedenkopf ,Bahnhofstr. 6, 35037 Marburg , hajo.zel ler@die-l inke-marburg.de , Tel . 06421 1 63873Marjana Schott (MdL, Umwelt- und Landwirtschaftspol itik) ,Schlossplatz 1 -3, 651 83 Wiesbaden,[email protected]. Mignon Schwenke (MdL, Sprecherin für Energie-,Verkehr- und Umweltpol itik) , Lennestr. 1 , 1 9053 Schwerin,m.schwenke@diel inke. landtag-mv.de Tel .09385 5252531Ute Spriewald (LAG Nachhaltige Entwicklung)info@die-l inke-mv.deNiedersachsenKarsten Färber (LAG ÖPF), Karsten.faerber@kabelmail .deHeinz Preuß (Koordinierungsrat ÖPF), Sedanstr.6, 31 787Hameln, Tel . 051 51 _409481 , [email protected]

Nordrhein-WestfalenRalf Henrichs, Hohenzol lernring 99, 481 45 Münster,Tel ._01 51 _1 8479447, [email protected] Morassi, Walporzheimer Str. 5, 53474 Ahrweiler,marion-morassi@t-onl ine.deWolfgang Huste, [email protected] (LAG ÖPF RP)SaarlandDagmar Ensch-Engel (MdL, umwelt-, energie-, sport-,verkehr- und wohnungsbaupol itische Sprecherin) Franz-Josef-Röder-Straße 7, 661 1 9 Saarbrücken,dagmar.ensch-engel@diel inke-saar.deSachsenSabine Kunze, Jahnstr. 1 , 02929 Rothenburg, Tel . 03589135290, an-sa-kunze@t-onl ine.deMichael-Alexander Lauter, Schrammsteinstr. 9, 04207Leipzig, Tel . 0341 9424882, micha. [email protected]; (ADELE– ÖPF SA)Marco Böhme, MdL,[email protected]. Jana Pinka (MdL, Umwelt- und Technologiepol itik) ,Bernhard-von-Lindenau-Platz 1 , 01 067 Dresden,[email protected] Schlüter-Gerboth, Ernst-Haeckel-Str. 5, 061 22 Hal le,Tel . 0345 2941 8-63, (AG Umwelt)Angel ika Hunger (MdL, Verbraucherschutz, Energiepol itik) ,Domplatz 6-9, 391 04 Magdeburg,Angel ika.hunger@diel inke. lt.sachsen-anhalt.deAndre Lüderitz (MdL, Umweltpol itik) , Domplatz 6-9, 391 04Magdeburg, andre. luederitz@diel inke. lt.sachsen-anhalt.deFrank Roßband, [email protected] Friedrich, friedrich_bernd@t-onl ine.de, Augrund 7,24321 LütjenburgHans-Jürgen Schulze, hajue.schulze@googlemail .com,Öhlmül lenal lee 1 , 24306 PlönThüringenDr. Johanna Scheringer-Wright (Sprecherin ÖPF Thüringen,MdL, Agrar- und Regionalpol itik) , [email protected],Jürgen-Fuchs-Straße 1 , 99096 Erfurt, Tel . 01 51 1 1 72 3000Maik Eisfeld [email protected] Kummer (MdL, umweltpol itischer Sprecher) ,Jürgen-Fuchs-Str. 1 , 99096 Erfurt, Tel . 0361 377231 7,kummer@die-l inke-thl .de

l inke und ökologische MedienNeues Deutschland: Uwe Kalbe, Franz-Mehring-Platz 1 ,10243 Berlin, [email protected] Rabe Ralf, Umweltzeitung für Berlin undBrandenburg, Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin.Tel. 030_44339147, www.grueneliga-berlin.de/raberalf

Kontaktadressen

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Inhaltverzeichnis

Zeitschrift der Ökologischen Plattformbei der Partei

Editorial 2

In eigener Sache

Zur Arbeit der Plattform seit dem Bundestreffen 201 5 in Wittenberg 3

Bericht vom Bundesparteitag 201 6 4

Aus den Ländern

Leila – was sol l das denn? 5

Gesellschaftsperspektive / Theorie

Gespräch am Rande des Parteitages 5

Warum eine Diskussion über das Ökologische Grundeinkommen notwendig ist 8

Warum lehnen Marxisten Jeremy Rifkins Theorien ab, und

warum sind sie damit im Irrtum ? 9

International

Neoimperial ismus unter dem Deckmantel sogenannter Entwicklungshilfe 1 1

Energie

ENDE GELÄNDE! - Tausende Aktivist* innen legen Tagebau stil l 1 4

Eine durchsichtige Scharade 1 6

Ein Wochenende – verschiedene Sichten: Bestimmt das Sein das Bewusstsein? 1 8

Zukunft der Energieversorgung: „Europa ist selbst schuld,wenn es die Entwicklung verschläft“ 1 9

Gedicht

Der Moloch 24

Klima

Fluchtursache der Zukunft: Kl imawandel 25

Bücherecke

Monsieur le Capital und Madame la Terre. Blauer Planet im Würgegriff 29

Wörterbuch Kl imadebatte 30

Pol itisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet –und daraus Pol itik macht 31

Kritische Metal le in der Großen Transformation 32

Impressum 34

Kontaktadressen 35

TarantelNr. 73JuniI I/201 6