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6. Boltzmann Gleichung 1 6.1 Herleitung der Boltzmann Gleichung 2 6.2 H-Theorem 3 6.3 Transportph¨ anomene G. Kahl (Institut f¨ ur Theoretische Physik) Statistische Physik II – Kapitel 6 3. Juni 2013 1 / 23

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6. Boltzmann Gleichung

1 6.1 Herleitung der Boltzmann Gleichung

2 6.2 H-Theorem

3 6.3 Transportphanomene

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6.1 Herleitung der Boltzmann Gleichung

6.1 Herleitung der Boltzmann Gleichung

(a) Voraussetzungen

• betrachten N Teilchen in einem Volumen V ;die mittlere Teilchenzahl % = N/V sei niedrig (es handelt sich also umein verdunntes Gas), die Temperatur T sei hoch;somit gilt

Λ =h√

2mkBT�(

V

N

)1/3

=

(1

%

)1/3

• fur die Wechselwirkung der Teilchen untereinander werden elastischePaar-Stoße angenommen, die Wechselwirkungsenergie seivernachlassigbar kleindann gilt:

◦ Stoßdauer � Stoßzeit◦ durch die Kollisionen wird das Gas zum thermischen Gleichgewicht

gefuhrt; die Kollisionen bestimmen somit die Eigenschaften des Gases(Warmeleitung, Diffusion, ...)

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6.1 Herleitung der Boltzmann Gleichung

• zentrale Große: Verteilungsfunktion f (r, v, t); sie ist in einemsechs-dimensionalen Raum (µ-Raum) definiertuber die Relation

f (r, v, t)drdv = dNgibt sie an, wieviele Teilchen sich zur Zeit t im sechs-dimensionalen’Volumselement’ dr um den Ort r und dv um die Geschwindigkeit vbefinden

• dieses Volumen ist◦ vom makroskopischen Standpunkt aus gesehen klein◦ vom mikroskopischen Standpunkt aus gesehen aber entsprechend groß,

sodaß es hinreichend viele Teilchen enthalt

Beispiel: Gas unter Normalbedingungen (T = 1oC, P = 1 atm)◦ in einem Wurfel des Volumens dr = (10−3)3 cm3 befinden sich∼ 3 1010 Teilchen

◦ unter Annahme einer Maxwell-Boltzmann Verteilung und dv = 10−6v 3

befinden sich in drdv etwa 104 Teilchen; v ist dabei die mittlereGeschwindigkeit (also

√kBT/m)

• f (r, v, t) beschreibt vollstandig den makroskopischen Zustand• daher ist zu einem Zeitpunkt t ein System von N Teilchen durch N

Punkte im µ-Raum definiertHinweis: beachte den Unterschied zum Γ-Raum

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6.1 Herleitung der Boltzmann Gleichung

• Normierung∫drdvf (r, v, t) = N bzw.

∫dvf (r, v, t) = %(r, t)

wobei %(r, t) die orts- und zeitabhangige Teilchendichte ist

• Mittelwerte: sei A(r, v, t) eine physikalische Große, dann ist ihrMittelwert durch

〈A(r, t)〉 = A(r, t) =1

%(r, t)

∫dvf (r, v, t)A(r, v, t)

definiert

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6.1 Herleitung der Boltzmann Gleichung

(b) Ziele einer kinetischen Theorie (hier: Boltzmann Gleichung)

• sie soll die Bestimmung von f (r, v, t), bzw. die Herleitung einer’Bewegungsgleichung’ fur f (r, v, t) ermoglichen(im Gegensatz zur phanomenologischen Langevin Gleichung)

• sie soll eine quantitative Beschreibung von Transportprozessen und vondissipativen Vorgangen aus Stoßprozessen der Teilchen (Atome,Molekule) ermoglichen

• im Grenzwert t →∞ beschreibt f (r, v, t) den Gleichgewichtszustanddes Systems und somit die thermodynamischen Eigenschaften desSystems (hier: verdunntes Gas)

• die Boltzmann Gleichung ist eine der fundamentalen Gleichungen derStatistischen Mechanik von Nicht-Gleichgewichtsprozessen; sie findetauch in vielen anderen Bereichen ihre Anwendung (z.B. in derFestkorperphysik)

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6.1 Herleitung der Boltzmann Gleichung

(c) Boltzmann Gleichung

• Annahme 1: es erfolgen keine Stoßein einem infinitesimal kleinen Volumselement drdv des µ-Raumesverandern sich im Zeitintervall [t, t + dt] die Orte r undGeschwindigkeiten v gemaß

r→ r′ = r + vdt v→ v′ = v +1

mFdt

wobei F eine externe Kraft ist, die auf die Teilchen wirkt (z.B.elektrisches Feld, etc.)

treten keine Stoße auf, so befinden sich im Volumselement drdvgenauso viele Teilchen wie im verzerrten Volumselement dr′dv′, also

f (r, v, t)drdv = f

(r + vdt, v +

1

mFdt, t + dt

)dr′dv′

es gilt

dr′dv′ =∂(r′, v′)

∂(r, v)drdv ∼

[1 +O(dt2)

]drdv

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6.1 Herleitung der Boltzmann Gleichung

somit erhalt man

f (r, v, t) = f

(r + vdt, v +

1

mFdt, t + dt

)das heißt: bei Stoßfreiheit verhalten sich die Teilchen im µ-Raum wiedie Teilchen einer inkompressiblen Flussigkeit

• Annahme 2: Berucksichtigung von Stoßentreten Stoße auf, so kann es zu einer Anderung in der Teilchenzahl imbetrachteten Volumselement im µ-Raum, drdv, kommen;somit gilt die modifizierte Bilanzgleichung

f (r, v, t) +

(∂f

∂t

)coll

dt = f

(r + vdt, v +

1

mFdt, t + dt

)(1)

wobei (∂f /∂t)coll der so genannte Stoßterm ist

nun entwickelt man die rechte Seite der Gleichung (1) bis zur erstenOrdnung nach dt gehen,

f

(r + vdt, v +

1

mFdt, t + dt

)∼

f (r, v, t) +

[∂f

∂t+∇r (f v) +∇v

(f

1

mF

)]dt

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6.1 Herleitung der Boltzmann Gleichung

somit erhalt man die Boltzmann Gleichung(∂

∂t+ v · ∇r +

1

mF · ∇v

)f (v, r, t) =

(∂f

∂t

)coll

die linke Seite wird als Stromungsterm, die rechte Seite als Stoßterm bezeichnet

(d) Berechnung des Stoßterms (s.g. Stoßzahlansatz)

sie erfolgt durch Aufstellung einer Bilanz von ’Gewinnprozessen’ und

’Verlustprozessen’ fur das infinitesimale Volumselement drdv im Zeitintervall dt;

also

• Abnahme der Teilchen im Intervall dt aufgrund von Stoßen(aus dem ’Volumen’ dv um v ’herausgestoßen’)

−dN−dt = − [f−(r, v, t)drdv] dt

• Zunahme der Teilchen im Intervall dt aufgrund von Stoßen(in das ’Volumen’ dv um v ’hineingestoßen’)

+dN+dt = + [f+(r, v, t)drdv] dt

daher (∂f

∂t

)coll

= −f−(r, v, t) + f+(r, v, t)

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6.1 Herleitung der Boltzmann Gleichung

(i) Berechnung von f−(r, v, t)

betrachte ein Volumselement dr und darin ein Teilchen mit einerGeschwindigkeit aus [v + dv, v], das durch den Stoß mit einem anderenTeilchen, das sich im selben Volumen dr befindet und eineGeschwindigkeit aus [v1 + dv1, v1] hat, seine Geschwindigkeit verandert

im Zeitintervall dt setzt sich der Beitrag eines Stoßereignisses zuf−(r, v, t)drdv multiplikativ aus folgenden Faktoren zusammen:

◦ die Wahrscheinlichkeit, daß sich die Geschwindigkeit des einenTeilchens gemaß v→ v′ verandert und die Geschwindigkeit des anderenTeilchens gemaß v1 → v′1 verandert, ist gegeben durch

σ(v, v1 → v′, v′1)dv′dv′1

dabei ist σ(v, v1 → v′v′1) der Streuwirkungsquerschnitt (sh. spater)

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6.1 Herleitung der Boltzmann Gleichung

◦ der relative Fluß eines Teilchens mit der Geschwindigkeit v1 zu einemTeilchen mit der Geschwindigkeit v ist gegeben durch

|v − v1|f (r, v1, t)dv1

◦ die Zahl der Teilchen mit Geschwindigkeit um v im Volumen dr istgegeben durch

f (r, v, t)drdv

schließlich erhalt man f−(r, v, t)drdv durch Summation (Integration)uber alle moglichen Geschwindigkeiten (d.h. Stoßereignisse) v1, v′ undv′1:

f−(r, v, t)drdv =

=

∫v1

∫v ′

∫v ′1

[σ(v, v1 → v′, v′1)dv′dv′1]×

× [|v − v1|f (r, v1, t)dv1]×× [f (r, v, t)drdv]

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6.1 Herleitung der Boltzmann Gleichung

(ii) Berechnung von f+(r, v, t)

betrachte Volumselement dr und darin ein Teilchen, das nach demStoß eine Geschwindigkeit aus [v + dv, v] hat und ein Teilchen, dasnach dem Stoß eine Geschwindigkeit aus [v1 + dv1, v1] hat; diesesSzenario soll durch den Stoß von zwei Teilchen mit Geschwindigkeitenv′ und v′1 im Volumselement dr zustandekommen

im Zeitintervall dt setzt sich der Beitrag eines Stoßes zu f+(r, v, t)drdvmultiplikativ aus folgenden Faktoren zusammen◦ die Wahrscheinlichkeit, daß sich die Geschwindigkeit des einen

Teilchens gemaß v′ → v verandert und die Geschwindigkeit des anderenTeilchens gemaß v′1 → v1 verandert, ist gegeben durch

σ(v′, v′1 → v, v1)dvdv1

◦ der relative Fluß eines Teilchens mit der Geschwindigkeit v′1 zu einemTeilchen mit der Geschwindigkeit v′ ist gegeben durch

|v′ − v′1|f (r, v′1, t)dv′1

◦ die Zahl der Teilchen mit Geschwindigkeit um v′ im Volumen dr istgegeben durch

f (r, v′, t)drdv′

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6.1 Herleitung der Boltzmann Gleichung

schließlich erhalt man f+(r, v, t)drdv durch Summation (Integration)uber alle moglichen Geschwindigkeiten (d.h. Stoßereignisse) v1, v′ undv′1:

f+(r, v, t)drdv =

=

∫v1

∫v ′1

∫v ′

[σ(v′, v′1 → v, v1)dvdv1]×

× [|v′ − v′1|f (r, v′1, t)dv′1]×× [f (r, v′, t)drdv′]

Hinweise:

◦ es wird weiters angenommen, daß Zeitumkehrsymmetrie gilt; daher ist

σ(v′, v′1 → v, v1) = σ(v, v1 → v′, v′1) (2)

◦ der Wirkungsquerschnitt beinhaltet implizit Impuls- undEnergieerhaltung (elastische Stoße !), also

σ(v′, v′1 → v, v1) ∝ δ (v + v1 − v′ − v′1) δ(v 2 + v 2

1 − v ′2 − v ′21

)◦ der Wirkungsquerschnitt kann fur spezielle Systeme (naherungsweise)

berechnet werden

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6.1 Herleitung der Boltzmann Gleichung

somit erhalt man schließlich fur die Boltzmann Gleichung im Stoßzahlansatz

(∂

∂t+ v · ~∇r +

1

mF · ~∇v

)f (v, r, t) = −f−(v, r, t) + f+(v, r, t) =

= −∫v1

dv1

∫v′1

dv′1

∫v′

dv′σ(v, v1 → v′, v′1) |v − v1| ×

×[f (r, v, t)f (r, v1, t)− f (r, v′, t)f (r, v′1, t)

]

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6.2 H-Theorem

6.2 H-Theorem

(a) Herleitung

es wird nun folgende kompakte Schreibweise verwendet:

f = f (r, v, t) f ′ = f (r, v′, t)

f1 = f (r, v1, t) f ′1 = f (r, v′1, t)

weiters wird das so genannte Boltzmann-Funktional eingefuhrt:

H(r, t) =

∫dvf (r, v, t) ln f (r, v, t)

fur die Zeitableitung dieses Funktionals erhalt man (ohne Angabe der Argumente)∂H

∂t=

∫dv(ln f + 1)

∂f

∂t=

= −∫

dv(ln f + 1) (v · ∇r f )︸ ︷︷ ︸I1

−∫

dv(ln f + 1)

(F

m· ∇v f

)︸ ︷︷ ︸

I2

−∫

dvdv1dv′dv′1(ln f + 1)σ|v − v1|(ff1 − f ′f ′1 )︸ ︷︷ ︸I3

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6.2 H-Theorem

• Berechnung von I1

I1 = −∫

dv(ln f + 1) (v · ∇r f ) = −∇r

∫dvv(f ln f ) = −∇r jH(r, t)

• Berechnung von I2

I2 = −∫

dv(ln f + 1)

(F

m· ∇v f

)= − F

m

∫dv∇v (f ln f ) = 0

da lim|v|→∞ f = 0

• Berechnung von I3

I3 = −∫

dvdv1dv′dv′1(ln f + 1)σ|v − v1|(ff1 − f ′f ′1 ) (3)

Bemerkungen zu den Zwischenrechnungen − vgl. Folie 15

= −1

4

∫dvdv1dv′dv′1σ|v − v1|

[(ff1 − f ′f ′1 ) ln

ff1

f ′f ′1

]︸ ︷︷ ︸

(?)

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6.2 H-Theorem

es gelten folgende Annahmen fur die Zwischenrechnungen:◦ Symmetrie in σ(v, v1 → v′, v′1)◦ Impulserhaltung◦ Zeitumkehrsymmetrie der Stoße

der Integrand in Gleichung (3) ist stets positiv, weil◦ σ > 0◦ |v − v1| > 0◦ der Term (?) in der obigen Klammer hat die Form (x − y) ln(x/y);

es gilt daher fur alle x , y

(x − y) ln(x/y) > 0

somit erhalt man insgesamt

∂H

∂t= −∇r jH(r, t)− I3

liegt keine außere Kraft vor (also F = 0), dann gilt (ohne Beweis), daßf (r, v, t) = f (v, t) und somit ∇r jH(r, t) = 0;

schließlich erhalt man

∂H

∂t= I3 ≤ 0

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6.2 H-Theorem

(b) Diskussion

offensichtlich gilt:

• H nimmt mit der Zeit ab∂H

∂t≤ 0

H strebt dabei einem Minimum zu, da der Integrand von H nach untenbeschrankt ist

• am Minimum gilt

∂H

∂t= 0 mit der notwendigen Bedingung ff1 = f ′f ′1

am Minimum (Gleichgewicht – Index ’0’) gilt fur alle r

f 0(r, v, t)f 01 (r, v1, t) = f 0′(r, v′, t)f 0′

1 (r, v′1, t)

ln f 0(r, v, t) + ln f 01 (r, v1, t) = ln f 0′(r, v′, t) + ln f 0′

1 (r, v′1, t)

diese Gleichung entspricht einer Erhaltungsgleichung(linke Seite: Geschwindigkeiten vor dem Stoß, rechte Seite: Geschwindigkeitennach dem Stoß)

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6.2 H-Theorem

da es als Erhaltungsgroßen nur

◦ Konstante◦ die Impulse (Geschwindigkeiten)◦ die kinetische Energie

gibt, gilt Erhaltung auch fur jede beliebige Linearkombination dieserErhaltungsgroßen

daher muß sich ln f als Linearkombination dieser Großen schreiben lassen, z.B.

ln f 0 = A + B1v1 + B2v2 + B3v3 + C1

2mv 2 = −A(v − v0)2 + ln C

somit

f 0 = Ce−A(v−v0)2

bzw.

f 0(r, v, t) = %(r, t)

(m

2πkBT

)3/2

e−m(v−v0)2

2kBT Boltzmann Verteilung

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6.3 Transportphanomene

6.3 Transportphanomene

(a) Allgemeine Bemerkungen

sei T eine Transportgroße, z.B.

◦ Warmeleitung: Transport von kinetischer Energie◦ Diffusion: Transport von Teilchen

dann wird der damit verbundene Transport durch die Stromdichte g = g(r, t)beschrieben, die durch folgende Relation definiert ist

g(r, t) =

∫dvvT f (r, v, t)

dabei stellt f (v, r, t) die Losung der Boltzmann Gleichung dar

da die explizite Losung der Boltzmann Gleichung ein schwieriges Problem darstellt,fuhrt man Naherungen, wie etwa die Relaxationszeitnaherung, ein

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6.3 Transportphanomene

Relaxationszeitnaherung (gultig bei ’kleinen Abweichungen vom Gleichgewicht’)

fur den Stoßterm in der Boltzmann Gleichung wird folgende Naherungangenommen (

∂f

∂t

)coll

∼ 1

τc(f eq − f )

wobei τc die Relaxationszeit und f eq die orts- und zeitunabhangige BoltzmannVerteilung ist

somit lautet die Boltzmann Gleichung in der Relaxationszeitnaherung(∂

∂t+ v · ∇r +

1

mF · ∇v

)f (v, r, t) =

1

τc[f eq − f (v, r, t)]

bzw.

f (v, r, t) = f eq(v, r, t)− τc∂f (v, r, t)

∂t− τc

[v · ∇r +

1

mF · ∇v

]f (v, r, t) (4)

auf der rechten Seite der Gleichung (4) wird nun fur f (r, v, t) der Ansatz derlokalen Maxwell-Boltzmann Verteilung (Index ’loc’) gemacht, also

f loc(r, v, t) = %(r, t)

(m

2πkBT (r, t)

)3/2

e−m[v−v0(r,t)]2

2kBT (r,t)

wobei T (r, t) die orts- und zeitabhangige Temperatur ist

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6.3 Transportphanomene

setzt man nun f (v, r, t) aus Gleichung (4) in den Ausdruck fur die Stromdichteein, so ergibt sich fur g(r, t)

g(r, t) =

∫dvvT f eq(v, r, t)−

−∫

dvvT τc∂f loc(v, r, t)

∂t−∫

dvT τc[v · ∇r +

1

mF · ∇v

]f loc(v, r, t)

(b) Warmeleitung

bei der Behandlung des Phanomens der Warmeleitung gelten folgende Annahmen

◦ F = 0◦ P = const.◦ v0 = 0◦ T = mv2

2

somit ergibt sich fur f loc(r, v, t)

f loc(r, v, t) = %(r, t)

(m

2πkBT (r, t)

)3/2

e− mv2

2kBT (r,t)

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6.3 Transportphanomene

und fur die Stromdichte

g(r, t) =

∫dvv

mv 2

2f eq(r, v, t)︸ ︷︷ ︸

I1

−∫

dvvmv 2

2τc∂f loc(r, v, t)

∂t︸ ︷︷ ︸I2

−∫

dvvmv 2

2τc

[v · ∇r +

1

mF · ∇v

]f loc(r, v, t)

Hinweise:

◦ aus Symmetriegrunden gilt I1 = 0 und I2 = 0◦ wegen F = 0 reduziert sich g(r, t) zu

g(r, t) = −τc∫

dvmv 2

2v(v · ∇r f

loc(r, v, t))

◦ weiters gilt wegen P = const. und unter Annahme der idealenGasgleichung

P = %(r, t)kBT (r, t) = const.

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6.3 Transportphanomene

somit wird f loc(r, v, t) zu

f loc(r, v, t) =P

kBT (r, t)

(m

2πkBT (r, t)

)3/2

e− mv2

2kBT (r,t)

die explizite Berechnung von ∇r floc(r, v, t) fuhrt zu

∇r floc(r, v, t) = f loc(r, v, t)

(mv 2

2kBT (r, t)− 5

2

)1

T (r, t)∇rT (r, t)

Einsetzen dieses Ergebnisses in den Ausdruck fur g(r, t) ergibt folgenden

Ausdruck fur die i-te Komponente von g, gi :

gi = −τc1

T

∂T

∂xi

mP

6

( m

)3/2 4π

(kBT )5/2

∫ ∞0

dv

(m

2kBTv 8 − 5

2v 6

)e−(mv2)/(2kBT )

Ausfuhren der Integration und Zusammenfassen der Konstanten zurWarmeleitfahigkeit λ fuhrt schließlich auf das Fourier Gesetz

g(r, t) = −λ∇rT (r, t)

G. Kahl (Institut fur Theoretische Physik) Statistische Physik II – Kapitel 6 3. Juni 2013 23 / 23