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105 6 Soziale Dilemmata In Adam Smiths «Reichtum der Nationen» befördert der Eigennutz des Einzelnen das allgemeine Wohl. Individuelles rationales Handeln und kollektive Wohlfahrt werden durch die «unsichtbare Hand» des Marktes in Einklang gebracht. In einem sozialen Dilemma verhält es sich genau umgekehrt, die Harmonie zwischen individuellen Interessen und kollek- tivem Resultat ist gestört. Die einzelnen Akteure verfolgen ihre Ziele ratio- nal, erreichen aber insgesamt nur ein suboptimales Ergebnis. «Rationales Handeln und irrationale Gesellschaft?» lautet der Titel eines Buchs von Barry und Hardin (1982), der den Konflikt auf den Punkt bringt. Sozialpsy- chologen sprechen von sozialen Fallen (Platt 1973), der Soziologe Boudon (1979) von «paradoxen Effekten». Die Problematik sozialer Dilemmata durchzieht die Gesellschaftspolitik wie ein roter Faden. Der Irrtum nai- ver Gesellschaftsanalyse besteht darin, dass unvernünftige Ergebnisse auf unvernünftiges Handeln zurückgeführt werden. Das Gegenteil ist oft der Fall. Unvernünftige Ergebnisse sind oft Folge individuell-rationaler Handlungen. Von den kollektiven Ergebnissen kann man nicht auf die Motive der Handelnden schließen. Im Gefangenendilemma beispiels- weise erzielen rational handelnde Personen ein «irrationales» Ergebnis. (Vom Resultat her gesehen sind die Klugen dumm und die Narren klug.) In einem sozialen Dilemma ist das Nash-Gleichgewicht nicht Pareto- optimal (wie im Gefangenendilemma) oder ein Pareto-optimales Nash- Gleichgewicht ohne Koordination nicht realisierbar (wie im Chicken- spiel). John Nash und Vilfredo Pareto gehen nicht Hand in Hand. Eine solche Situation bezeichnet man auch als «ineffizient». Gäbe es die Mög- lichkeit, einklagbare Verträge abzuschließen, wäre die Vertragslösung immer besser als das Ergebnis individuell-rationalen Handelns. Man könnte ein soziales Dilemma auf diese Weise genauer definieren: Ein soziales Dilemma liegt vor, wenn individuell-rationales Handeln schlechtere Ergebnisse hervorbringt als die theoretische Möglichkeit eines einklagbaren Ver- trags unter rational handelnden Akteuren.

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6 Soziale Dilemmata

In Adam Smiths «Reichtum der Nationen» befördert der Eigennutz des Einzelnen das allgemeine Wohl. Individuelles rationales Handeln und kollektive Wohlfahrt werden durch die «unsichtbare Hand» des Marktes in Einklang gebracht. In einem sozialen Dilemma verhält es sich genau umgekehrt, die Harmonie zwischen individuellen Interessen und kollek-tivem Resultat ist gestört. Die einzelnen Akteure verfolgen ihre Ziele ratio-nal, erreichen aber insgesamt nur ein suboptimales Ergebnis. «Rationales Handeln und irrationale Gesellschaft?» lautet der Titel eines Buchs von Barry und Hardin (1982), der den Konfl ikt auf den Punkt bringt. Sozialpsy-chologen sprechen von sozialen Fallen (Platt 1973), der Soziologe Boudon (1979) von «paradoxen Effekten». Die Problematik sozialer Dilemmata durchzieht die Gesellschaftspolitik wie ein roter Faden. Der Irrtum nai-ver Gesellschaftsanalyse besteht darin, dass unvernünftige Ergebnisse auf unvernünftiges Handeln zurückgeführt werden. Das Gegenteil ist oft der Fall. Unvernünftige Ergebnisse sind oft Folge individuell-rationaler Handlungen. Von den kollektiven Ergebnissen kann man nicht auf die Motive der Handelnden schließen. Im Gefangenendilemma beispiels-weise erzielen rational handelnde Personen ein «irrationales» Ergebnis. (Vom Resultat her gesehen sind die Klugen dumm und die Narren klug.)

In einem sozialen Dilemma ist das Nash-Gleichgewicht nicht Pareto-optimal (wie im Gefangenendilemma) oder ein Pareto-optimales Nash-Gleichgewicht ohne Koordination nicht realisierbar (wie im Chicken-spiel). John Nash und Vilfredo Pareto gehen nicht Hand in Hand. Eine solche Situation bezeichnet man auch als «ineffi zient». Gäbe es die Mög-lichkeit, einklagbare Verträge abzuschließen, wäre die Vertragslösung immer besser als das Ergebnis individuell-rationalen Handelns.

Man könnte ein soziales Dilemma auf diese Weise genauer defi nieren: Ein soziales Dilemma liegt vor, wenn individuell-rationales Handeln schlechtere Ergebnisse hervorbringt als die theoretische Möglichkeit eines einklagbaren Ver-trags unter rational handelnden Akteuren.

Andreas
Textfeld
Diekmann, A., 2016. Spieltheorie. Einführung, Beispiele, Experimente. 4. Aufl. Reinbek: Rowohlt
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Leider sind Verträge oft nur eine theoretische und keine praktische Möglichkeit. «Einklagbar» heißt, dass Vertragsverletzungen sanktio-niert werden können. Weiterhin sind Verträge unter vielen Personen mit oftmals prohibitiv hohen Transaktionskosten verbunden. In einem Verkehrsstau kann man in der Regel kein Abkommen über die optimale Fahrweise aller Verkehrsteilnehmer aushandeln.

Beispiele fi nden wir in kleinen sozialen Gruppen ebenso wie auf der Ebene der Weltgesellschaft. Zu ihnen zählen die Überfi schung der Meere, Umweltverschmutzung, die Ausbeutung knapper Ressourcen, Wett-rüsten, Handelskriege ebenso wie im kleinen Rahmen der Wasserver-brauch in einem Mietshaus mit gemeinsamem Zähler oder der gemein-sam genutzte Kühlschrank in einer Wohngemeinschaft (vgl. Diekmann 1992).

Vertiefen wir als einfaches Beispiel für ein Ressourcendilemma im Alltagsleben den aus der Einleitung bekannten Restaurantbesuch einer Gruppe von zehn mehr oder minder zivilisierten Zeitgenossen, die ver-abredet haben, dass sie den Rechnungsbetrag nach dem Genuss des Abendessens durch die Zahl der Köpfe teilen. Wer nur den kleinen Hun-ger auf den griechischen Hirtensalat für 5 ¤ verspürte, überlegt nun, ob nicht doch das Chateaubriand mit Pommes Croquettes für 35 ¤ die bes-sere Wahl wäre. Die Differenz beträgt 30 ¤ bei individueller Bezahlung, aber nur 3 ¤ bei kollektiver Abrechnung, da 27 ¤ von neun Mitessern subventioniert werden. Falls also der Nutzenzuwachs durch das Cha-teaubriand den Wert von 3 ¤ übersteigt, wird ein rationales Gruppenmit-glied die teure Speise bestellen. Mit dieser Überlegung bleibt er aber nicht allein, sodass die Rechnung insgesamt aufgebläht wird und am Ende alle schlechter dastehen als bei individueller Abrechnung. (Nehmen wir an, allen Teilnehmern ist die Nutzendifferenz 5 ¤ wert. Individuell ist man also bereit, maximal 10 ¤ für das Chateaubriand auszugeben. Dann wird niemand das Chateaubriand bei individueller Abrechnung bestellen, aber alle werden es bei kollektiver Zahlweise auswählen. Jeder zahlt am Ende 35 ¤, obwohl der Nutzen maximal dem Geldwert von 10 ¤ ent-spricht.)

Einige Modelle für soziale Dilemmata wie das Gefangenendilemma, das Chickenspiel oder das Vertrauensspiel haben wir bereits behandelt.

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Allerdings hatten wir uns auf Zwei-Personen-Spiele beschränkt. Kenn-zeichnend für viele soziale Dilemmata ist aber, dass oftmals mehr als zwei Akteure beteiligt sind. Zudem gibt es zahlreiche strukturell sehr unterschiedliche Situationen, die die Charakteristika eines sozialen Dilemmas aufweisen. In diesem Kapitel werden wir verschiedene Arten von N-Personen-Dilemmata untersuchen.

6.1 Panik im Flaschenhals

Wer in einer Paniksituation, z. B. einem Feuer im Kino, zum Ausgang eilt, wird auf zahlreiche Menschen mit dem gleichen Motiv, sich in Sicher-heit zu bringen, stoßen, wodurch letztlich allen der Ausgang versperrt ist. Der Sozialpsychologe A. Mintz (1951) hat diese Situation mit einem einfachen Experiment simuliert. In einer Flasche befi ndet sich eine Anzahl von Metallplättchen, an denen je ein Faden befestigt ist, der aus dem Flaschenhals hinausführt (Abbildung 6.1). Nur jeweils ein Plättchen passt zur gleichen Zeit durch die Öffnung. Erklärt man nun z. B. fünf Per-sonen, dass der Erste, der ein Plättchen herauszieht, 100 ¤ gewinnt, der Zweite 80 ¤, der Dritte 60 ¤, der Vierte 40 ¤ und der Letzte 20 ¤, so weist die Situation nach dem Startschuss alle Merkmale einer Panik auf. (Im Originalexperiment waren es Gruppen mit 15 bis 21 Personen, die relativ geringe Entlohnungen erhielten.) Führt man ferner die Regel ein, dass die Entscheidungszeit sehr kurz ist – sagen wir eine Minute –, wird man häufi g beobachten, dass alle Versuchspersonen leer ausgehen. Besonders dramatisch wirkt der Versuch, wenn von unten durch ein Ventil Wasser in die Flasche eingeführt wird und ein Plättchen als wertlos gilt, sobald es nass geworden ist.

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Abbildung 6.1 Das Panik-Experiment von Mintz (1951): In diesem Experiment sollten Versuchspersonen in einer kurz bemessenen Zeitspanne die Plättchen aus der Flasche herausziehen. Jede Person hielt einen Faden, und nur ein Plättchen konnte jeweils den Flaschenhals passieren. Wer sein Plättchen als Erster heraus-zog, erhielt den höchsten Gewinn, der Zweite den zweithöchsten Gewinn usw. Oft kam es vor, dass sich die Versuchspersonen gegenseitig blockierten und alle leer ausgingen.

Betrachten wir die Situation vereinfacht als simultanes Spiel. Jeder von N Spielern hat N Strategien: als Erster, Zweiter, Dritter usw. zu ziehen. Bezeichnen wir die fünf Spieler im Beispiel mit A, B, C, D, E und die Strate-gie, an erster, zweiter usw. Stelle zu ziehen, mit der entsprechenden Zahl in Klammern. Dann ergeben die Strategienkombinationen A (3), B (1), C (4), D (2), E (5) oder auch A (1), B (2), C (3), D (4), E (5) jeweils ein Pareto-optima-

Auszahlungen1. 1002. 803. 604. 405. 20

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les Nash-Gleichgewicht. Die Strategien A (1), B (1), C (1), D (1), E (1) – jeder zieht gleich nach dem Startschuss an dem Faden – erfüllen auch das Nash-Kriterium, das Ergebnis ist aber kein Pareto-Optimum. Die Kombination A (1), B (3), C (1), D (2), E (5) z. B. ist dagegen weder ein Nash-Gleichgewicht (A z. B. hat einen Anreiz, auf die Strategie 4 umzusteigen) noch ein Pareto-Optimum. Insgesamt gibt es bei fünf Spielern 5! = 120 Pareto-optimale Nash-Gleichgewichte. Das Panikdilemma ist ein Koordinationsproblem.

6.2 Die Versteigerung eines Dollars

Würden Sie für einen Dollar fünf zahlen? Die folgende Auktion kann leicht zu diesem Resultat führen.

Der Auktionator versteigert einen Dollar. Es darf in Fünf-Cent-Schrit-ten von «unten nach oben» geboten werden, und der Höchstbietende erhält den Dollar. Es gelten also die üblichen Auktionsregeln (einer offe-nen englischen Auktion) mit einer einzigen Ausnahme: Der Teilnehmer mit dem zweithöchsten Gebot muss ebenfalls das Gebot einlösen, ohne dafür etwas zu erhalten. Martin Shubik, der die Dollar-Auktion als eine Art Parabel für den Rüstungswettlauf beschrieben hat (Shubik 1971), nennt noch eine dritte Regel: Niemand darf mehr als 50 $ bieten.

Wenn man die Auktion – wir nehmen diesmal einen Euro – vor Publi-kum durchführt, kann man in der Regel mit Nettoeinnahmen rechnen. Eine typische Auktion läuft so: A bietet 5, B 20 und C 50 Cent. Das ist der erste kritische Moment. B erhöht nun sein Gebot auf 60 Cent, und der Auktionator ist bereits im Plus. Aber das ist noch nicht das Ende, denn C hat einen Anreiz, B zu übertreffen. Nehmen wir an, B bietet 70, C folgt mit 80, B erhöht auf 90 und C auf 95. Jetzt wird die zweite kritische Schwelle erreicht. Will B seine 90 Cent nicht verlieren, muss er sein Gebot auf einen Euro erhöhen. Diese Logik gilt aber auch für C, der jetzt auf 1,05 ¤ erhöht usw. Immer hat der Zweitbietende einen Anreiz, den Höchstbie-tenden zu übertreffen, um seinen Verlust wenigstens zu vermindern, bis schließlich einem der Kontrahenten die Puste ausgeht.

Sobald zwei Bieter in die Falle getappt sind, beginnt ein selbstschädi-gendes Rennen – wie beim Rüstungswettlauf zwischen den USA und der

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Sowjetunion im Kalten Krieg. Wie aber würde sich ein rationaler Akteur bei einer Ein-Dollar-Auktion verhalten? Wenn man mitspielt, ist man schon in der Falle. Aber «alle bieten nicht» ist kein Nash-Gleichgewicht. Bietet nämlich kein anderer Akteur, könnte man den Dollar für fünf Cent ersteigern. Es gibt also immer einen Anreiz, bei einer allseitigen Verweigerung (Gebot von 0) doch ein höheres Gebot abzugeben. Gibt es ein Nash-Gleichgewicht, eine rationale Bieterstrategie in der Dollar-Auktion? Eine Möglichkeit ist, dass ein Teilnehmer sofort aufspringt und einen Dollar bietet. Niemand hat dann einen Anreiz, mehr zu bieten, niemand hat verloren oder gewonnen. Das Strategienprofi l, eine Person bietet einen Dollar, alle anderen bieten nicht, ist ein Nash-Gleichgewicht mit der Auszahlung null an alle Teilnehmer. Im Gleichgewicht gewinnt niemand etwas, und keiner erleidet einen Verlust, einschließlich des enttäuschten Auktionators. (Genauer gibt es so viele Gleichgewichte wie Teilnehmer, da jede Person den Part des Dollar-Bieters übernehmen kann.) Die Auszahlungen im Gleichgewicht sind Pareto-optimal und symmetrisch. Allerdings wird es bei erstmaliger Teilnahme an der Auk-tion selten vorkommen, dass die Gleichgewichtsstrategie gespielt wird.

Die Dollar-Auktion ist streng genommen kein soziales Dilemma im spieltheoretischen Sinn. Auch für den Auktionator (meist Dozentin oder Dozent in einer Vorlesung) ist die Auktion kein Dilemma, denn sie ver-hilft ihm regelmäßig zu einem Nebeneinkommen. Sie ist aber im psy-chologischen Sinn ein Dilemma, denn fast immer kommt es in Experi-menten zu einem selbstschädigenden Bieterwettbewerb.

6.3 Das Dilemma der großen Zahl

Das Wissenschaftsmagazin Scientifi c American hatte auf Initiative von Douglas Hofstadter (1985, 1992) einen Preis von einer Million Dollar ausgeschrieben. Den Preis sollte erhalten, wer die meisten Postkarten einsendet. Allerdings gab es einen Pferdefuß. Der Preis sollte durch die Zahl der Postkarten eines Einsenders dividiert werden. Schickten mehrere Personen die gleiche Anzahl, so sollte der resultierende Betrag unter den Gewinnern aufgeteilt werden. Nun kostet Porto Geld, und

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man muss es den Leuten nicht unnötigerweise schwermachen. Statt z. B. 10 Postkarten abzuschicken, durfte man einfach die Zahl «10» auf eine Postkarte schreiben. Erlaubt war, irgendeine ganze Zahl einzusenden.

Tabelle 6.1 Verteilung der eingesandten Zahlen

Genannte Zahl Anzahl Einsendungen

1 1133

2 31

3 16

4 8

5 16

6 0

7 9

8 1

9 1

10 49

100 61

1000 46

1 000 000 33

1 000 000 000 11

602 300 000 000 000 000 000 000 (Avogadro-Zahl)

1

10100 (googol) 9

1010**100 (googolplex) 14

Quelle: Hofstadter (1985: 759)

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Hofstadter musste die Redaktion überzeugen, dass Scientifi c American nicht Gefahr laufen wird, eine Million Dollar zu verlieren. Und er sollte recht behalten! Wie von ihm vorausgesehen, musste die Redaktion des Scientifi c American am Ende keinen Cent lockermachen. Tabelle 6.1 informiert über die eingesandten Zahlen.

Es gab 1439 Teilnehmer. 1133 (79 %) notierten eine «1». 31 wollten besser sein und schrieben «2», wodurch sie allerdings den Preis auf immer noch stattliche 500 000 $ schrumpfen ließen. 33 gaben eine Million an. Die Preissumme reduzierte sich damit auf einen mageren Dollar. Aber auch sie konnten nicht den Gewinn einstreichen. Neun Personen haben einen «Googol», eine 1 mit 100 Nullen, auf die Karte oder den Brief geschrieben (die bekannte Web-Suchmaschine leitet von diesem Begriff ihren Namen ab). Aber auch sie erreichten nicht das Siegerpodest. Als Erste gingen nämlich die 14 Einsender eines «Googolplex» ins Ziel. Ein Googolplex ist die Zahl 10 mit Exponent Googol, also eine 1 mit 10100 Nullen. Diese Zahl ist so unvorstellbar groß, dass der Gewinn auf ein unvorstellbar geringes Niveau geschrumpft ist. Es war ein Pyrrhussieg. Die Gewinner zerstörten gleichzeitig ihren Gewinn. Das Motiv einiger Spieler war offenbar: sie-gen um jeden Preis (siehe dazu und zu weiteren Experimenten Rapoport 1988).

Immerhin waren fast vier Fünftel der Mitspieler kooperativ. Hätten alle eine «1» auf eine Postkarte geschrieben, hätte jeder Teilnehmer rund 700 $ erhalten, und Scientifi c American wäre um eine Million Dollar ärmer gewesen.

In diesem Spiel gibt es kein Nash-Gleichgewicht! Die spieltheoreti-sche Analyse kennt keine Lösung. Denn bei jeder Zahl, und sei sie noch so groß, besteht der Anreiz, eine höhere Zahl anzugeben. Der berühmte Satz von Nash, dass in jedem Spiel mit endlicher Zahl von Strategien mindestens ein Nash-Gleichgewicht in reinen oder gemischten Strate-gien existiert, ist nicht anwendbar. Denn dieses Spiel hat – ebenso wie Shubiks Auktion – eine unendliche Anzahl von Strategien. In Shubiks Auktion existiert aber ein Nash-Gleichgewicht, in Hofstadters «Dilemma der großen Zahl» dagegen nicht.

Die kooperative, Pareto-optimale Strategie mit maximaler und glei-

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cher Auszahlung an alle Teilnehmer, sofern sich alle an diese Strategie hielten, ist natürlich die «1». Der Anreiz ist aber groß, eine «1» zu toppen und eine höhere Zahl zu nennen.

Das Dilemma der großen Zahl ist auch eine Parabel für ein sehr sensibles, störanfälliges System. Viele soziale Situationen mit Dilemma-Charakter funktionieren auch dann noch relativ gut, wenn sich einige Leute unkooperativ verhalten. Für den öffentlichen Nahverkehr ist es keine Katastrophe, wenn einige Schwarzfahrer das Fahrgeld sparen. Eine Demokratie bricht selbst dann nicht zusammen, wenn die Mehrheit der Stimmbürger nicht zur Wahl geht. Und das Recycling kollabiert nicht, wenn wenige Personen ihren Hausmüll in den Recyclingsack oder Con-tainer kippen.

Es gibt aber auch äußerst instabile Situationen wechselseitiger Koope-ration, in denen sich im Extremfall fast alle Personen kooperativ verhal-ten und bereits wenige oder sogar nur eine Person genügt, alle anderen um die Früchte der Kooperation zu bringen. Solche Systeme sollte man möglichst meiden. Das Dilemma der großen Zahl ist ein Extremfall eines sensiblen Systems. Trotz hoher Kooperation kann ein einzelner Akteur den gesamten Gewinn zerstören.

6.4 N-Personen-Gefangenendilemma

Betrachten wir folgende Entscheidungssituation. N Personen (N > 1) können zwischen der Strategie C (= Kooperation) oder D (= Defektion) wählen. Die Auszahlung für Strategie C ist:

AC = 2x

AD = 3x + 3.

Dabei sind C und D die beiden Strategien, die ein Spieler zur Verfügung hat, x bezeichnet die Anzahl der Spieler, die Strategie C wählen, und AC bzw. AD sind die Auszahlungen an C-Spieler bzw. D-Spieler. Die Gesamt-zahl der Spieler bezeichnen wir mit N.

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Diese einfache Variante eines N-Gefangenendilemmas wurde von Rapoport vorgeschlagen (vgl. allgemein zu sozialen Dilemmata auch den Überblick in Rapoport 1998). Um das Dilemma vor Publikum zu de-monstrieren, ist diese Form sehr vorteilhaft. Man muss nur die beiden Auszahlungsfunktionen an die Tafel schreiben und alle Anwesenden danach fragen oder anonym auf einen Zettel notieren lassen, ob sie sich für C oder D entscheiden (oder X und Y wie bei Rapoport, um die werten-den Bezeichnungen «C» und «D» zu vermeiden).

Angenommen, die Gruppe besteht aus N = 100 Personen, von denen 40 C und 60 D wählen. Mit x = 40 erhalten C-Wähler je 80 Punkte und D-Wähler je 123 Punkte. Hätten aber alle Spieler kooperiert, würden sie alle jeweils 200 Punkte erzielen (AC = 2N).

Man sieht, dass selbst die defektierenden Y-Wähler im Vergleich zur wechselseitigen Kooperation schlechter abschneiden. Erst ab x = 66 wäre in diesem Beispiel die Auszahlung für die Y-Strategie höher als bei voll-ständiger Kooperation.

Man erkennt sofort anhand der Auszahlungsfunktionen, dass die D-Wahl immer eine höhere Auszahlung erbringt als die Wahl von C. D ist also eine strikt dominierende Strategie. Diese Strategie ist folglich auch die Nash-Gleichgewichtsstrategie.

Das Nash-Gleichgewicht ist kein Pareto-Optimum. Alle Spieler könn-ten sich durch eine Vertragslösung verbessern. Leider ist das Pareto-Opti-mum wechselseitig kooperativer Spieler kein Nash-Gleichgewicht. D ist ja eine dominierende Strategie. Wenn alle anderen Akteure kooperativ sind, besteht für einen egoistischen Akteur immer ein Anreiz, D zu wäh-len. Ist er der einzige Trittbrettfahrer, würde er damit auch den höchsten Gewinn erzielen. Was aber dem einen recht ist, ist dem anderen billig, sodass alle – wenn sie dieser Logik folgen – in die Falle wechselseitiger Defektion tappen und als Auszahlung magere 3 Punkte ergattern.

Ist N = 2, erhält man mit den oben aufgeführten Auszahlungsfunktio-nen die Auszahlungen für die vier Zellen des einfachen Zwei-Personen-Gefangenendilemmas (2-GD). Das N-GD ist also eine Verallgemeinerung des 2-GD.

An den Auszahlungsfunktionen kann man eine weitere Möglichkeit der Interpretation des Dilemmas erkennen. Jede C-Wahl ist eine positive

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Externalität für alle Mitspieler. Ein zusätzlicher C-Spieler trägt in dem Beispiel weitere drei Punkte zum Kollektivgut bei, ein D-Spieler dagegen null Punkte.

Die Strategieform für N Spieler mit binären Entscheidungsmöglich-keiten erforderte im Prinzip eine N-dimensionale Darstellung, für drei Spieler wäre das ein «Auszahlungswürfel». Wenn das Spiel symmetrisch ist, genügt hingegen die zweidimensionale Matrixform. Zeilenspieler ist irgendein beliebiger Spieler i, an den Spalten steht die Anzahl anderer Spieler, die eine bestimmte Alternative wählen, z. B. kooperativ handeln. Für unser Beispiel erhält man folgende Auszahlungsmatrix:

0 1 2 3 ... 98 99 Andere C-Wähler

C 2 4 6 8 … 198 200

D 3 6 9 12 … 297 300

Matrix 6.1 N-Gefangenendilemma

Allgemein ist ein binäres N-GD, bei dem jeder Spieler zwischen den zwei Alternativen Kooperation oder Defektion wählen kann, durch folgende Bedingungen defi niert:

1. Jeder Spieler hat eine dominierende Strategie, deren Schnittpunkt das einzige Nash-Gleichgewicht ist.

2. Das Nash-Gleichgewicht ist nicht Pareto-optimal.

Bezeichnen wir mit AC (x) die Auszahlungen an einen kooperativen Spie-ler als Funktion der Anzahl kooperativer Wahlen x und entsprechend mit AD (x) die Auszahlungen an einen nichtkooperativen Spieler. Dann kann man die Bedingungen für das N-GD nach Dawes (1980) wie folgt ausdrücken:

(1) AD (x – 1) > AC (x) (D ist dominierende Strategie)

(2) Ad (0) < AC (N) (Ineffi zienz des Nash-Gleichgewichts)mit x = 1, 2, 3 … N

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Das oben erwähnte Beispiel ist ein N-GD mit einer linearen Auszahlungs-funktion.

Ein N-GD ist eine spezielle spieltheoretische Formalisierung eines Kollektivgutproblems (Hardin 1971). Ein Kollektivgut ist per defi nitio-nem ein Gut, von dessen Konsum keine Person ausgeschlossen werden kann. Der Empfang eines Radiosenders ist ebenso ein Beispiel wie die Luft zum Atmen. Die Probleme der Herstellung kollektiver Güter wurden insbesondere von Olson (1968) in seinem Buch «Die Logik kollektiven Handelns» genauer analysiert. Oft besteht ein Gruppeninteresse. Damit ist aber noch nicht gesagt, wie ältere politikwissenschaftliche Theorien fälschlich angenommen haben, dass es auch realisiert wird. Jeder ist zwar für das Gruppeninteresse oder Kollektivgut, aber es gibt eben auch den Anreiz zum Trittbrettfahren.

Wie ist z. B. das im Folgenden beschriebene Verhalten erklärbar? «Jeden Tag sterben durchschnittlich drei Menschen, weil für sie ein Organ nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Sie sterben an ‹akutem Organspende-Versagen›, wie es der Medizinrechtler Hans Lilie ausdrückt. (…) So befürworten zwar 80 Prozent der Deutschen in Umfragen (…) Organtransplantationen, und fast 70 Prozent geben an, sie würden einer Organentnahme nach ihrem Tod zustimmen. Doch nur 12 Prozent haben einen Spenderausweis» (Hardenberg 2008).

Zwar wünschen die meisten Bundesbürger, dass das Kollektivgut einer ausreichenden Zahl von Spenderorganen verfügbar ist. Doch die Mühe, konkret einen Spenderausweis auszufüllen, und möglicherweise das Unbehagen, sich dabei mit dem Thema auseinanderzusetzen, nimmt doch nur eine Minderheit auf sich. Man sieht das Gute, das Kollektiv-gut, das erreicht wird, wenn alle kooperativ sind, beschließt aber für sich selbst, doch lieber nicht zum Kollektivgut beizutragen. Würden alle bei-tragen, ist der Nutzen für jeden Einzelnen AC (N). Trägt man selbst nicht dazu bei, aber alle anderen, erzielte man den höheren Nutzen AD (N – 1). Doch auch wenn die anderen in geringerem Maß oder gar nicht beitragen, liefert Nicht-Kooperation immer die höhere Auszahlung. Folgen alle die-ser Logik, beträgt die Auszahlung gerade einmal AD (0). Als Ausweg aus der Falle hat der Philosoph Hartmut Kliemt (2006) einen provokanten Vorschlag gemacht: Wer einen Organspenderausweis hat und irgend-

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wann selbst ein Spenderorgan benötigt, soll bei einer Transplantation bevorzugt werden. Wichtig an dem Vorschlag sind nicht so sehr Gerech-tigkeitsüberlegungen als vielmehr die Schaffung eines Anreizes, um das Angebot an Spenderorganen zu erhöhen.

Es gibt unzählige weitere Beispiele für derartige Kollektivgutpro-bleme: der Beitritt zu einer Gewerkschaft, die höhere Löhne erstreikt (das Kollektivgut ist der höhere Lohn), die Teilnahme oder Nicht-Teil-nahme an einer Protestdemonstration (sofern man das Ziel des Protests unterstützt), eine hohe Wahlbeteiligung in Demokratien, eine saubere Umwelt oder das Problem der Übernutzung von Ressourcen (z. B. der ungeregelte Holzeinschlag in tropischen Regenwäldern oder die Über-fi schung der Meere). Bei einigen Kollektivgutproblemen ist Kooperation ein aktiver Beitrag, bei anderen besteht die Kooperation in der Unterlas-sung (bei dem Problem der Übernutzung von Ressourcen, dem sogenann-ten Allmendeproblem). Eine interessante Variante eines Mehr-Personen-Gefangenendilemmas ist das Paradox von Braess (1968). Das Kollektivgut ist die Fahrzeit in einem Verkehrsnetz. Paradoxerweise erhöht sich die Fahrzeit im Nash-Gleichgewicht bei gleicher Anzahl von Verkehrsteil-nehmern, wenn eine zusätzliche Straße gebaut wird. Wie das möglich ist, erklärt Kasten 6.1.

Dennoch stellen wir auch fest, dass kollektive Güter häufi g her-gestellt werden und nicht alle Personen die Trittbrettfahrer-Strategie wählen. Olson (1968) erklärt eine Beitragsleistung insbesondere durch die Wirksamkeit «individueller Anreize». Organisationen, die mit Kollektivgutproblemen konfrontiert sind, bemühen sich, Kooperation durch individuelle Anreize zu fördern. Eine Gewerkschaft bietet z. B. Rechtsberatung, gesellige Treffen, Weiterbildung usw., aber eben nur für Mitglieder, sodass ein Anreiz besteht, sich mit einem Mitgliedsbei-trag an dem Kollektivgut zu beteiligen. Die Anreize ua müssen gemäß Gleichung (1) so hoch sein, dass Kooperation nicht mehr dominiert wird, das heißt, es muss gelten: AD (x – 1) ≤ AC (x) + ua. Individuelle Anreize verändern die Struktur des Spiels und können das Dilemma entschärfen. Nach Einführung genügend hoher individueller Anreize wird das N-GD in ein Kooperationsspiel transformiert. Auch negative Sanktionen bei Nicht-Kooperation können diesem Ziel dienen. Mafi a-Organisationen

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z. B. lösen so Kollektivgutprobleme mit dem Resultat hoher Kooperation, allerdings zulasten Dritter. In beiden Fällen wird C zur dominierenden Strategie und wechselseitige Kooperation zum Nash-Gleichgewicht.

Nicht alle Kollektivgutprobleme folgen dem Muster des N-GD. Eine Voraussetzung für die Anwendung besteht darin, dass jede einzelne kooperative Handlung den Wert des Kollektivguts erhöht. Anders for-muliert wächst die Produktionsfunktion strikt monoton in Abhängig-keit von der Zahl kooperativer Akteure. Außerdem können die Akteure nur über Kooperation oder Nicht-Kooperation entscheiden, nicht aber über das Ausmaß der Kooperation. Damit ist eine weitere Generalisie-rung angesprochen, das sogenannte Öffentliche-Güter-Spiel (Public Good Game).

Kasten 6.1 Länger fahren trotz Straßenbau. Das Paradox von Braess

Sechs Autofahrer wollen von A nach D fahren (Abbildung 6.2a). Sie haben zwei Strategien: die Route ABD oder ACD. Die Fahr-zeit hängt davon ab, wie viele andere Fahrzeuge den gleichen Weg nehmen. Die Anzahl der Autos auf einer Straße wird mit ϕ bezeichnet. Fahren z. B. drei Autos von A nach B, benötigen sie 10 ϕ = 30 Minuten. Von B nach D sind es für drei Fahrzeuge 53 Minuten, insgesamt also für die Route ABD 83 Minuten. Wählt man die Route ACD, ist die Fahrzeit genau gleich lang. Wir gehen davon aus, dass je kürzer die Fahrzeit, desto größer der Nutzen eines Autofahrers ist. Man kann dann leicht sehen, dass die Rou-tenwahl ABD und ACD durch je drei Verkehrsteilnehmer ein Pareto-optimales Nash-Gleichgewicht darstellt. Wird das Koor-dinationsproblem der Aufteilung auf die beiden Routen gelöst, wenn alle Autofahrer simultan wählen, dann existiert keine Dilemmasituation.

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Abbildung 6.2a Abbildung 6.2b (Abbildung nach Pöppe 1992)

Die Verkehrsabteilung im Rathaus überlegt sich nun, zur Verbes-serung der Verkehrssituation eine Entlastungsstraße von B nach C zu bauen (Abbildung 6.2b). Jeder der sechs Autofahrer hat jetzt einen Anreiz, die neue Straße und damit die neue Strategie ABCD zu wählen. Wählt er nämlich allein ABCD, während die anderen bei ihrer Strategie bleiben, dann verringert sich seine Fahrzeit von 83 auf 81 Minuten. Gleichzeitig erhöht sich aber die Fahrzeit anderer Autofahrer.Nehmen wir an, er sei vorher die Strecke ABD gefahren. Durch seine Wahl von ABCD erhöht sich die Fahrzeit der drei Autos auf der ACD-Route von vormals 83 auf 93 Minuten. Jetzt wird ein wei-terer Fahrer von ACD auf die Route ABCD wechseln, da sich die Fahrzeit dann von 93 auf 92 Minuten vermindert. Das Resultat ist, dass alle Autos auf allen drei Routen 92 Minuten benötigen. Das System ist wieder im (Nash-)Gleichgewicht. Kein Autofahrer hat einen Anreiz, seine Routenwahl zu verändern. Das Nash-Gleich-gewicht ist aber nicht Pareto-optimal. Würden die Verkehrsteil-nehmer einen sanktionierbaren Vertrag abschließen, dann wür-den sie verabreden, dass keiner die «Entlastungsstraße» befahren

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darf, und schon würde ihre Fahrzeit wieder auf 83 Minuten sin-ken.Braess (1968) analysiert die Situation nicht als Gefangenen-dilemma. Wie wir gesehen haben, ist es aber eine Variante eines Mehr-Personen-GD (mit drei Entscheidungsalternativen und einem zusätzlichen Koordinationsproblem). Braess kommen-tiert: «Für die Verkehrspraxis bedeutet das: In ungünstigen Fällen kann durch eine Erweiterung des Straßennetzes der Zeitaufwand anwachsen.» Wohlbemerkt, ohne zusätzliche Autos, das heißt, es geht noch nicht einmal um den Sogeffekt eines Ausbaus von Verkehrsnetzen. Die Verkehrsplaner im Rathaus sind gut beraten, die neue Straße zu sperren, mit Blumenkübeln und Bänken aus-zustatten und als Fußgängerzone zu deklarieren.

6.5 Das Öffentliche-Güter-Spiel

Das Öffentliche-Güter-Spiel (ÖGS) wird häufi g in Experimenten zur Untersuchung von Kooperation und Trittbrettfahren verwendet (Über-blick zu Experimenten bei Ledyard 1995; siehe auch Kapitel 10). Die Spie-ler erhalten zunächst eine Anfangsausstattung, die sie im Spiel inves-tieren können. Einen Teil oder auch den gesamten Betrag können sie in einen kollektiven Fonds einzahlen, den Rest behalten sie. Der Betrag im Fonds erzielt eine hohe Rendite. Er wird z. B. verdoppelt und auf alle Spie-ler gleich aufgeteilt. Der Fonds ist ein Kollektivgut (oder «öffentliches» Gut); kein Spieler, auch nicht ein Trittbrettfahrer, kann ausgeschlossen werden. Das Spiel ist so angelegt bzw. die Parameter werden so einge-stellt, dass Trittbrettfahren die dominierende Strategie ist und das Nash-Gleichgewicht wechselseitiger Defektion geringere Auszahlungen zur Folge hat als wechselseitige Kooperation. Das ÖGS ist eine Verallgemei-nerung des N-GD. Letzteres sieht nur binäre Entscheidungen zwischen Kooperation und Defektion vor, während ein Akteur im ÖGS über das Ausmaß der Kooperation entscheiden kann.

Betrachten wir ein Beispiel. Drei Spieler erhalten einen Anfangs-

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betrag von fünf Punkten. Einzahlungen in den Fonds werden verdoppelt. Spieler 1 zahlt nicht in den Fonds ein, Spieler 2 beteiligt sich mit einem Punkt, und Spieler 3 zahlt den vollen Betrag von fünf Punkten ein. Dann erzielen die Spieler folgende Auszahlungen:

Tabelle 6.2 Auszahlungen im ÖGSSpieler

1 2 3

Investition in den kollektiven Fonds 0 1 5

Auszahlung aus dem Fonds 4 4 4

Private Auszahlung 5 4 0

Totale Auszahlung an den Spieler 9 8 4

Natürlich schneiden der Trittbrettfahrer mit neun Punkten am besten und der voll kooperative Spieler mit vier Punkten am schlechtesten ab. Hätten aber alle Spieler kooperiert und ihre Punkte in den Fonds einge-zahlt, wären nach der Verdoppelung 30 Punkte im Fonds, sodass jeder Spieler zehn erhalten hätte. Im Nash-Gleichgewicht wechselseitigen Trittbrettfahrens würde jeder Spieler dagegen nur fünf Punkte erhalten. Wieder zeigt sich die Spannung zwischen individuell-rationalem Nash-Gleichgewicht und dem Pareto-Optimum wechselseitiger Kooperation.

Die Eigenschaften des Spiels lassen sich anhand der Auszahlungs-funktion aufzeigen.

ui = [ A – xi ] + ⎡ Rxi + R Σ xj ⎤

⎣ N N j ≠ i ⎦

Private Auszahlung Auszahlung Auszahlung aufgrund aufgrund der von i’s Beitrag Beiträge der Mitspieler

Auszahlung aus dem kollektiven Fonds

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Bezeichnen wir die Anfangsausstattung mit A und den Multiplikator des Fonds mit R. Die Anzahl der Spieler N ist größer als R. xi ist der Beitrag, der von Spieler i (i = 1, 2, 3 … N) in den Fonds eingezahlt wird (0 ≤ xi ≤ A). Für N > R ist R/N kleiner als eins, sodass die Auszahlung aufgrund von i’s Beitrag zum Fonds immer kleiner ist als xi. ui ist demnach maximal für xi = 0. Diese Strategie ist dominierend und die Nash-Gleichgewichtsstra-tegie. Im Gleichgewicht erhalten alle Spieler die Auszahlung A. Würden sie alle kooperieren, erhielten sie dagegen R mal den Betrag A.

Die Rationalitätslösung der klassischen Spieltheorie ist Trittbrettfahren. In Experimenten zeigt sich aber, dass ein Großteil der Versuchspersonen mehr oder minder hohe Beträge in den Fonds einzahlt. Man kann nun verschiedene Bedingungen einführen, um Effekte auf das Kooperations-verhalten der Versuchspersonen zu studieren. Derartige Experimente sind wichtig, um herauszufi nden, auf welche Weise soziale Dilemmata gelöst werden können. Einige Ergebnisse werden wir noch in Kapitel 10 kennenlernen.

6.6 Freiwilligendilemma

Eine einfache Entscheidungssituation illustriert das Freiwilligendi-lemma. Stellen Sie sich vor, Sie können in einer Gruppe von zusammen fünf Personen ohne Möglichkeit der Absprache zwischen 50 ¤ und 100 ¤ wählen. Schreiben Sie Ihre Wahl auf einen Zettel. Der gewählte Betrag wird an Sie ausgezahlt, vorausgesetzt, mindestens ein Gruppenmitglied hat sich für den geringeren Betrag entschieden. Andernfalls gehen alle leer aus. Wie entscheiden Sie sich bei einem, bei neun oder bei 99 Mit-spielern? Und wie entscheiden Sie sich, wenn die geringere Auszahlung 99 ¤ oder nur 1 ¤ beträgt?

Anders als im N-GD kann im Freiwilligendilemma oder «Volunteer’s Dilemma» (Diekmann 1985, 1993) das Kollektivgut bereits durch einen Akteur in voller Höhe bereitgestellt werden. Dem Freiwilligen entstehen dabei Kosten, die aber geringer sind als der Nutzen des Kollektivguts für jeden der Akteure. Ein Akteur hat also immer auch einen Anreiz

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zu kooperieren, wobei der Nutzen aber am höchsten ist, wenn ein Mit-spieler diese Aufgabe übernimmt und sozusagen «die Kohlen aus dem Feuer holt». Gehen jedoch alle davon aus, dass ein anderer diese Aufgabe übernimmt, wird das Kollektivgut nicht erzeugt, obwohl alle Akteure daran ein Interesse haben. Die Produktionsfunktion für das Kollektivgut ist eine Stufenfunktion (erzeugt wird ein «step-level»-Kollektivgut). In einem Diagramm mit dem Nutzen des Kollektivguts an der y-Achse und der Anzahl kooperativer Akteure an der x-Achse springt der Nutzen für x = 1 auf das Nutzenniveau des Kollektivguts und verbleibt auf diesem Wert, wenn weitere kooperative Akteure hinzukommen. Im Gegensatz zum N-GD ist Defektion keine dominierende Strategie.

Es gibt zahlreiche Beispiele und Anwendungen, weniger ernste und dramatische Dilemmasituationen. Ein prominentes Beispiel sind Hilfe-leistungen und unterlassene Hilfe wie bei dem Mord an Kitty Genovese. Vor mehr als vier Jahrzehnten hat dieser Mord an einer jungen Frau in New York für großes Aufsehen gesorgt. 38 Zeugen haben die Gewalttat, die sich über längere Zeit hinzog, von ihrer Wohnung aus beobachtet, wie nachträgliche Rekonstruktionen ergaben. Keiner der Zeugen, von denen jeder einzelne bemerken konnte, dass weitere Beobachter zuge-gen waren, hat Hilfe geleistet oder auch nur zum Telefonhörer gegriffen, um die Polizei zu benachrichtigen. Ähnliche Vorkommnisse haben sich immer wieder ereignet, so in München im Olympiapark, wo zwei Kinder in Gegenwart mehrerer Zuschauer in einem See ertrunken sind. Die Anonymität städtischer Lebensformen, Persönlichkeitsmerkmale usf. wurden zur Erklärung herangezogen. Diese Faktoren dürften durch-aus eine Rolle spielen. Von Interesse ist aber auch ein zusätzlich wirk-samer Mechanismus, auf den Darley und Latané (1968) verwiesen haben. Ihr Prinzip der «Diffusion von Verantwortung» besagt, dass jeder der Zeugen von einem anderen Beobachter erwartet, dass er die Mühe der Hilfeleistung auf sich nimmt. Denken alle Beobachter in dieser Weise, resultiert hieraus der paradoxe Effekt (d. h. ein Effekt, der letztlich auch den Absichten der Zuschauer zuwiderläuft), dass die Hilfeleistung unter-bleibt. Das Prinzip der Verantwortungsdiffusion kann folgendermaßen formuliert werden: Je größer die Zahl der Zuschauer (N) in einer Hilfe-leistungssituation, desto geringer ist die (individuelle) Wahrscheinlich-

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keit (p), dass eine bestimmte Person Hilfe leistet. (Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendeine Person Hilfe leistet, muss aber nicht notwendigerweise durch Verantwortungsdiffusion mit der Gruppengröße absinken. Der Grund ist, dass die größere Zahl potenzieller Hilfeleistender die sinkende individuelle Bereitschaft kompensieren kann.)

Darley und Latané (1968) haben sich ein Experiment einfallen lassen, in dem eine Hilfeleistungssituation simuliert wurde. Den Versuchsper-sonen an dem Experiment wurde vorgespiegelt, sie nähmen an einer Dis-kussion über das College-Leben teil. Jede Person wurde in einen Raum gebeten, in dem sie sich über ein Mikrophon mit den (vorgetäuschten) anderen Gruppenmitgliedern unterhalten konnte. Je nach Versuchs-bedingung wurde eine Zwei-Personen-, Drei-Personen- oder Sechs-Per-sonen-Gruppe suggeriert. Die Probanden wurden den drei Gruppen nach dem Zufallsprinzip zugewiesen. Nach einem vorgetäuschten epi-leptischen Anfall eines «Gruppenmitglieds» wurde die Reaktion der Ver-suchspersonen in einem Zeitraum von sechs Minuten aufgezeichnet. Als Hilfeleistung wurde gewertet, wenn die Versuchsperson den Raum ver-ließ, um den Versuchsleiter auf die vermeintliche Notsituation aufmerk-sam zu machen. War die Person allein Zeuge des epileptischen Anfalls, erfolgte in 85 % der Fälle eine Hilfeleistung. Bei zwei Personen sank die Bereitschaft der Versuchspersonen auf 62 % der Versuche und in einer Gruppe von fünf Personen auf 31 %.

Nehmen wir an, dass die Zuschauer nicht völlig gefühlskalt und an einer Hilfeleistung durchaus interessiert sind. Der Wert der Hilfeleis-tung ist dann für alle N beteiligten Personen ein kollektives Gut mit dem Nutzen U. Mit der Hilfeleistung sind aber Kosten K verbunden, wobei wir annehmen, dass diese geringer als U sind (U > K > 0). Trittbrettfahrer warten nun darauf, dass andere kooperative Personen die Kosten der Hil-feleistung auf sich nehmen. Ist dies der Fall, dann erzielen sie eine Aus-zahlung U, während die kooperativen Personen nur U – K erhalten. Ver-lassen sich aber alle beteiligten Zuschauer darauf, dass mindestens eine andere Person kooperativ sein wird, dann tritt das schlechteste Ergebnis ein, indem die Hilfeleistung (allgemein die Herstellung des Kollektiv-guts) unterbleibt. In einer Entscheidungsmatrix der Spieltheorie dar-gestellt, ergibt sich folgende Situation:

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0 1 2 ... N – 1 Anzahl anderer C-Wähler

C U – K U – K U – K … U – K U – K > 0

D 0 U U … U N ≥ 2

Matrix 6.2 Freiwilligendilemma

Die Interaktionsstruktur ist in einer Hilfeleistungssituation mögli-cherweise tödlicher Ernst (aber es gibt auch weniger dramatische Anwendungen, dazu weiter unten). Ein Akteur i aus einer Menge von N Akteuren kann zwischen C (Kooperation) und D («Defektion», Tritt-brettfahren) wählen. Bei der Entscheidung für C erhält er immer die Auszahlung U – K, bei der Wahl von D dagegen U, sofern mindestens ein anderer Akteur C wählt. Andernfalls gehen sämtliche Akteure leer aus (Auszahlung 0).

Gibt es ein Nash-Gleichgewicht im Freiwilligendilemma? Wenn eine Person Hilfe leistet (C) und alle anderen nicht (D), erhält man ein Nash-Gleichgewicht mit Pareto-optimalen Auszahlungen. Die Auszah-lung an die Person, die das Kollektivgut herstellt, ist U – K, alle anderen bekommen U. Es gibt N derartige Konstellationen und damit N Nash-Gleichgewichte. Das Problem ist nur, dass das Gleichgewicht bei einer symmetrischen Ausgangssituation asymmetrisch ist. Ohne Vertrag und Absprache kann man das Gleichgewicht nicht erreichen.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Sicherheitsstrategie zu wählen, sich also nach dem Maximin-Prinzip zu richten und koope-rativ zu handeln. Wenn aber alle Akteure Maximin wählen, hat jede Per-son einen Anreiz, durch die Wahl von D abzuweichen. Wechselseitige Anwendung des Maximin-Prinzips ist kein Nash-Gleichgewicht. Wech-selseitige Defektion ist ebenfalls kein Gleichgewicht, und das Resultat ist noch ungünstiger, nämlich null statt U – K.

Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit, wenn man gemischte Strategien zulässt. Gewählt wird eine Kooperationswahrscheinlich-keit p*, sodass bei wechselseitiger Wahl dieser Wahrscheinlichkeit kein Akteur einen Anreiz hat, auf eine andere Strategie auszuweichen. Man

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kann zeigen, dass die folgende Funktion für p* in Abhängigkeit von K, U und N ein Nash-Gleichgewicht darstellt (Diekmann 1985)7:

N – 1p* = 1 – √

K U

K/U = 0,5

Gruppengröße (N)

Wah

rsch

einl

ichk

eit v

on K

oope

rati

on

2 3 4 5 6 7 8 9 10

10,90,80,70,60,50,40,30,20,1

0

Abbildung 6.3 Wahrscheinlichkeit der Kooperation in Abhängigkeit der Grup-pengröße (Modellprognose)

Die Wahrscheinlichkeit der Kooperation steigt mit dem Wert des Kollek-tivguts U, sinkt mit den Kosten K und – wie von der Hypothese der Ver-antwortungsdiffusion behauptet – mit der Gruppengröße N (Abbildung 6.3). Damit kann die intuitiv formulierte Hypothese der Verantwortungs-diffusion spieltheoretisch untermauert und tiefer begründet werden. Mehr noch: In spieltheoretischen Experimenten können nun die unab-hängigen Variablen N, U und K systematisch variiert werden. Damit ist es möglich, die Hypothese der Verantwortungsdiffusion (Effekt von N) sowie die Effekte von K und U auf die Kooperationswahrscheinlichkeit p zu untersuchen.

In einer ernsthaften Hilfeleistungssituation sollte man wohl die

7 Eine einfache Ableitung erhält man mittels des «Indifferenz-Theorems» aus Kapi-tel 5. Mit q = 1 – p bezeichnen wir die Wahrscheinlichkeit einer D-Wahl. Die Wahr-scheinlichkeit, dass mindestens ein anderer Akteur C wählt, ist (1 – qN – 1). q wird so gewählt, dass Zeile indifferent ist zwischen der Wahl von C und D. Demnach gilt: U – K = (1 – qN – 1) U. Die Aufl ösung nach q und Berücksichtigung von p = 1 – q ergibt die oben aufgeführte Formel.

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Maximin-Strategie wählen. Auch das gemischte Nash-Gleichgewicht wird in diese Richtung gehen. Ist K gering und U sehr hoch, dann geht p* gegen eins. In Experimenten ist beobachtbar, dass sich Versuchsperso-nen im Vergleich mit dem gemischten Nash-Gleichgewicht eher koope-rativer verhalten.

Ein einfaches Experiment wurde einleitend erwähnt. In Gruppen von z. B. zwei, drei oder fünf Personen kann jede Person unabhängig von-einander die Alternative A oder B wählen. Der entsprechende Buchstabe wird auf einen Zettel geschrieben. Für A erhält eine Person sicher 50 Punkte, für B 100 Punkte, sofern mindestens eine Person in der Gruppe A wählt. Andernfalls erhalten alle B-Wähler null Punkte (U = 100, K = 50). Man wird feststellen, dass in größeren Gruppen häufi ger B gewählt wird. Kontrollierte Experimente zeigen, dass der Effekt der Diffusion von Verantwortung in spieltheoretischen Experimenten reproduzier-bar ist und fast ausnahmslos bestätigt werden kann (z. B. Diekmann 1986, 1993, Murninghan, Kim und Metzger 1993, Weesie und Franzen 1998).

Ein Vorzug des abstrakten Modells des Freiwilligendilemmas ist aber nicht nur, dass neue und recht einfache Experimente zur Prüfung der Hypothese der Verantwortungsdiffusion arrangiert werden können. Die Hypothese ist auch verallgemeinerbar. Wir haben bereits schon all-gemein von «Kollektivgut» und «Kooperation» gesprochen. Der Aus-gangspunkt von Darley und Latané, nämlich Hilfeleistungssituationen, können im Rahmen des allgemeineren Modells als spezielle Anwendun-gen aufgefasst werden. Hier einige weitere Beispiele sozialer Situationen vom Typ Volunteer’s Dilemma:– Wenn eine Person eine Normverletzung begeht, z. B. eine Zigarette

bei Rauchverbot anzündet, ist häufi ger zu beobachten, dass eine Sanktion unterbleibt. Selbst wenn alle durch das Rauchen belästig-ten Personen an einer Sanktionierung interessiert sind (U), ist dies meist mit Kosten (K) verbunden. Wartet nun jeder darauf, dass eine andere am «Kollektivgut» interessierte Person die Kosten trägt, bleibt der Normverletzer unbehelligt (Sanktionsdilemma).

– Bei Wahrnehmungsaufgaben kann es vorkommen, dass Personen in einer Gruppe weniger konzentriert sind, als wenn sie eine Aufgabe

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allein bearbeiten. Dieses Problem ist wichtig bei Überwachungstätig-keiten zur Fehlerkontrolle. Übernehmen zwei Fluglotsen die gleiche Überwachungsaufgabe, dann ist es gut möglich, dass sie insgesamt nachlässiger sind als bei individueller Verantwortlichkeit (Erev et al. 1994).

– Mehrere Firmen stehen vor der Entscheidung, in Forschungsanstren-gungen zu investieren (K) oder aber darauf zu warten, dass eine andere Firma die Innovation entwickelt. Diese kann dann von den einzelnen Unternehmen imitiert werden (U). Folgen alle Firmen die-ser Logik, werden die Forschungsinvestitionen nicht getätigt (Eger, Kraft und Weise 1992).

– In der Informatik treten verschiedene Dilemmata auf, wenn einzelne Knoten (die Akteure) zu einem dezentralen Netzwerk von Compu-tern verknüpft werden. Jeder Knoten ist z. B. daran interessiert, dass andere Knoten die Weiterleitung von Information übernehmen, d. h. sogenannte Backbones unterstützen, aber kein Knoten übernimmt diese Aufgabe gern, weil sie mit Kosten (Energieaufwand) verbunden ist. Lee et al. (2007) analysieren die Situation mit einer Variante des Dilemmas, dem Volunteer’s Timing Dilemma, und leiten aus der Analyse optimale Strategien ab, die kooperatives Verhalten in Com-puternetzen erklären.

– Viele Alltagssituationen tragen Züge eines Volunteer’s Dilemma. Wenn mehrere Dozenten für ein Seminar verantwortlich sind, kann es vorkommen, dass bei Seminarsitzungen niemand vorbereitet ist. Bitten Sie per E-Mail um eine Auskunft, dann bekommen Sie diese eher, wenn Sie z. B. fünf separate E-Mails schreiben als eine E-Mail an alle fünf Empfänger (sofern die Kopfzeile mit den anderen Emp-fängern sichtbar ist) (Barron und Yechiam 2002). In italienischen Kirchen können Kunstwerke oft erst mit Genuss betrachtet werden, wenn sie beleuchtet werden. Die Beleuchtung wird aktiviert, wenn man eine Münze in einen Automaten steckt. Ein Freiwilliger kann das Kollektivgut «Beleuchtung» herstellen. Kann man beobachten, dass sich die Zahlungsneigung verringert, wenn sich mehrere Per-sonen in dem Kirchenraum aufhalten?

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Pinguine, berichtet Dawkins (1988), haben eine raffi nierte, aber ziemlich bösartige Strategie entwickelt, um das Dilemma zu lösen. Der Feind des Pinguins ist die Robbe. Ob sie im Wasser lauert, wenn die hungrigen Tiere dringend benötigte Nahrung, sprich Fische, erbeuten möchten, wissen die Pinguine, die am Rand des Eislochs auf das Wasser starren, nicht. Da kommt es ab und zu vor, dass die hinteren Tiere einen vorwitzigen Pin-guin in der ersten Reihe ins Wasser stoßen, um mit dem unfreiwilligen Artgenossen einen Test zu machen. Ist das Ergebnis negativ, können sie sich gefahrlos über die ersehnte Mahlzeit hermachen.

Das einfache Basisspiel kann in verschiedene Richtungen erweitert werden. Im asymmetrischen Volunteer’s Dilemma können Kosten und Nutzen der einzelnen Akteure variieren (Diekmann 1993, Weesie 1993). Im Volunteer’s Timing Dilemma (Weesie 1993, 1994) werden die Akteure darüber informiert, ob ein Mitspieler kooperiert hat, wobei sich aber der Nutzen des Kollektivguts mit der Wartezeit verringert. Zu entscheiden ist in diesem Fall der Zeitpunkt der kooperativen Handlung, vorausge-setzt, kein Mitspieler hat bereits kooperiert. Weiterhin kann man auch die Annahme lockern, dass mehrere Freiwillige jeweils die vollen Kosten tragen. Man kommt so zum Volunteer’s Dilemma mit Kostenteilung (Weesie und Franzen 1998).

Soziale Situationen vom Typ des Volunteer’s Dilemma sind so häufi g, dass sie in einigen Kulturen sprichwörtlich sind oder dafür sogar ein eigenes Wort existiert. In einer Untersuchung zum Volunteer’s Dilemma erwähnt Rapoport (1988), dass in Yagan, einer der Sprachen der Einge-borenen von Feuerland, das Wort «mamihlapinatapai» bedeutet: «Jeder erwartet von jemand anderem, dass dieser etwas tut, was alle wünschen, aber keiner bereit ist zu tun».

6.7 Wer hängt der Katze die Schelle um?

In einer Fabel von Äsop haben die Mäuse – nicht ungewöhnlich – Ärger mit der Katze. Auf der Versammlung der Mäuse hört man allgemeines Wehklagen über die Gefahr für Leib und Leben durch ihren Widersacher. Eine kluge Maus schlägt vor, der Katze eine Glocke umzuhängen. So

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könnte man immer hören, wenn sich die Katze nähert, und sich recht-zeitig in Sicherheit bringen. Der Vorschlag wird von der Mäuseversamm-lung begeistert angenommen. Der Plan hatte nur einen Schönheitsfeh-ler: Niemand von den versammelten Mäusen war bereit, der Katze die Schelle umzuhängen.

Das Umhängen der Schelle ist ein Kollektivgut mit hohem Nutzen U für die gesamte Gemeinschaft (siehe auch Coleman 1990). Wären die Kosten geringer als U (vielleicht bei einer schlafenden Katze?), hätten wir wieder den Fall eines Volunteer’s Dilemma. Wir werden dem Geist der Fabel aber wohl eher gerecht, wenn wir annehmen, dass gilt: K > U oder U – K < 0, denn der Held, der es schafft, der Katze die Glocke umzu-hängen, wird mutmaßlich von ihr aufgefressen.

Die Äsop’sche Fabel ist also eine Variante des Volunteer’s Dilemma mit der Besonderheit, dass die Kosten des Freiwilligen höher sind als sein individueller Nutzen am Kollektivgut. In diesem Fall wird Defektion zur dominierenden Strategie. Kein Wunder, dass sich in der Versammlung der Mäuse kein Freiwilliger fi ndet!8

Schelling (1971) berichtet von Verkehrsstaus, die eine einfache Ursache haben. Eines der vielen vom Strand zurückgekehrten Fahr-zeuge verliert eine auf dem Autodach nachlässig befestigte Matratze. Die Matratze liegt nun z. B. auf der rechten Fahrspur und blockiert die nachfolgenden Autos. Ein Fahrer unmittelbar vor dem Hindernis hat die Wahl, die Matratze zu umfahren oder sie zu beseitigen. Wer sich direkt vor dem Hindernis befi ndet, hat die geringsten Kosten K, die Matratze wegzuräumen. Leider aber auch einen noch geringeren Nutzen U, sodass gilt: U – K < 0. Wer weiter hinten im Stau steht, hat dagegen gar nicht die Möglichkeit, das Kollektivgut der Hindernisbeseitigung zu schaffen. So tastet sich jedes Fahrzeug an das Hindernis heran und umfährt es, sobald die Matratze in Sichtweite rückt. Eine vertrackte Situation, die kilometer-lange Staus verursachen kann. Die Situation ist völlig äquivalent zu der Situation der Mäuse in der Fabel von Äsop. Nur ein altruistischer Held

8 In Cresskill, New Jersey, hat man eine Lösung gefunden, wie die Süddeutsche Zei-tung Online vermeldet (16. 6. 2008). Allerdings nicht um Mäuse, sondern um Vögel zu warnen, müssen Katzen drei Glocken tragen. Die Mäuse von Cresskill bedanken sich für die «windfall profi ts».

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könnte das Dilemma überwinden. Platt (1973) bezeichnet derartige Situa-tionen folgerichtig auch als «Missing-Hero-Fallen». Allgemein wird ein Kollektivgutproblem ohne Absprachen und vertragliche Regelungen nur schwer lösbar sein, wenn genau diejenigen Akteure, die das Kollektivgut produzieren können, davon nur einen geringen Nutzen haben, den ihre Kosten übersteigen. Helden sind nicht immer vorhanden, wenn man sie gerade benötigt. Dann ist es besser, die Spielstruktur zu verändern, um das Dilemma zu entschärfen. Analog der Institution der Produkthaftung könnte man den Autofahrer, der die Matratze verliert, für alle Schäden, auch alle Zeitverluste durch den verursachten Stau, haftbar machen, vor-ausgesetzt, die Wahrscheinlichkeit ist nicht null, dass er identifi ziert wer-den kann. Die Haftungspfl icht und womöglich deren Verschärfung erhö-hen den Anreiz, Vorsorge zu betreiben und auf dem Dach transportierte Güter besser zu sichern. Auch wenn eine Gesellschaft davon profi tiert, wenn im Alltag verantwortungsbewusste Helden nicht zu rar sind, ist die strukturelle Lösung der Veränderung der Anreizstruktur oft wirksamer. In Bertolt Brechts «Galilei» klagt sein enttäuschter Schüler Andrea nach Galileis Widerruf: «Unglücklich das Land, das keine Helden hat!» Darauf antwortet Galilei: «Nein. Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.»

6.8 Lösungen sozialer Dilemmata

Wenn Dilemmasituationen nicht einmalig sind, sondern die gleichen Akteure wiederholt miteinander interagieren, besteht die Möglichkeit einer spontanen Entwicklung von Kooperation.9

Problematischer ist die Herstellung von Kooperation in einmaligen Situationen und in größeren Gruppen. Hier empfi ehlt es sich, leichter

9 Wenn zudem ein Akteur A häufi ger mit wechselnden anderen Akteuren interagiert, können Informationen über das Verhalten von A in der Vergangenheit dazu bei-tragen, das Kooperationsniveau zu erhöhen (Reputationseffekt). Mit diesen beiden Lösungen von Dilemmasituationen, wiederholte Spiele und Reputation, werden wir uns im folgenden Kapitel befassen (zu Hinweisen auf weitere Lösungen des Koope-rationsproblems siehe auch den kurzen Überblick von Diekmann und Lindenberg 2001).

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gesagt als getan, Anreize zu schaffen, die kooperatives Verhalten för-dern und Defektion vermindern. In jeder Gesellschaft existieren soziale Normen und Institutionen, die Kooperation unterstützen und Trittbrett-fahren mehr oder minder erfolgreich reduzieren. Jeder Staat versucht, Zahlungen der Bürger für Kollektivgüter (oft auch für «Kollektivübel») zu erzwingen. Kein Staat überlässt es seinen Bürgern, freiwillig Steuern zu zahlen. Institutionen, hier defi niert als dauerhafte, kalkulierbare, positive oder negative Anreize, können exogen von einer äußeren Auto-rität geschaffen oder aber endogen von der betroffenen Gruppe selbst gestaltet werden. Gegenüber der exogenen «Leviathan»-Lösung wäre Letzteres die endogene, «genossenschaftliche» Variante.

Nehmen wir als Beispiel eine soziale Situation, die einem N-GD strukturähnlich ist. Beim Allmendeproblem der Überfi schung ist koope-rativ, wer sich an die nachhaltige Strategie hält, gerade so viel zu fangen, dass der Bestand erhalten bleibt. Wenn die Wachstumsrate z. B. ein Drit-tel ist, kann man in einer Periode 25 % entnehmen und hätte am Ende der Periode wieder den ursprünglichen Bestand. Nehmen wir an, die Allmende wird von 25 Fischern bewirtschaftet. Die kooperative Strate-gie eines Fischers lautet dann, nicht mehr als 1 % des Bestands heraus-zufi schen. Wie wir wissen, hat jeder Akteur einen Anreiz, die Quote zu überschreiten. Folgen alle der defektiven Strategie der Ausbeutung, wird das Gewässer bald leer gefi scht sein (Spada und Opwis 1985, Mosler und Gutscher 1996).

In einer bemerkenswerten Arbeit hat Ostrom (1990) weltweit All-menden untersucht, um herauszufi nden, unter welchen Bedingungen die Ressourcenbewirtschaftung erfolgreich ist und wann die Wahr-scheinlichkeit hoch ist, dass eine Allmende zugrunde gerichtet wird.

Erfolgreiche Allmenden erfüllen u. a. die folgenden Bedingungen: (1) Der Zugang ist geregelt. Nur Mitglieder – im Beispiel die 25 Fischer – haben Zugang zu der Ressource. (2) Es gibt ein Monitoring des Verhaltens der Akteure, und (3) unkooperatives Verhalten kann abgestuft sanktio-niert werden. Ein Beispiel ist eine Gemeinschaft von rund 100 Fischern in Alanya in der Türkei. Das Fischereigebiet wird vor Beginn der Fangsaison in Sektoren aufgeteilt, wobei die Anzahl der Sektoren der Mitgliederzahl entspricht. Die Sektoren werden sodann an die Mitglieder verlost. Da

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die Sektoren unterschiedliche Qualität haben, wechseln die Mitglieder an jedem Fangtag den Sektor nach festgelegten Regeln. Diese einfachen Regulierungen oder Institutionen sind klug gewählt. Das Monitoring erfolgt nicht durch eine bürokratische Kontrollbehörde, sondern die Mitglieder kontrollieren sich wechselseitig. Eine Regelabweichung, ein fremdes Schiff im zugewiesenen Sektor, wird automatisch von den Akteuren bemerkt. Die Alanya-Fischer haben mit ihren Regeln ein sich selbst kontrollierendes System geschaffen, das äußerer Interventionen nicht mehr bedarf (siehe auch den Überblick in Diekmann und Preisen-dörfer 2001: Kapitel III). Mit Institutionen, die die Probleme von Moni-toring und Sanktionierung lösen, kann es gelingen, einen Ausweg aus einem N-GD, einem ÖGD oder Allmendedilemma zu fi nden.

Die Spieltheorie ist hilfreich, um soziale Dilemmata zu analysieren. Wir haben gesehen, dass es unterschiedliche Arten sozialer Dilemmata gibt. Ein N-GD z. B. hat eine andere Struktur als ein Freiwilligendilemma. Da geeignete Lösungen eines Dilemmas wesentlich vom Typ abhängen, empfi ehlt es sich, ein passendes spieltheoretisches Modell des Dilemmas zu formulieren, dieses zu analysieren (Ermittlung von Nash-Gleich-gewichten u. a.) und auf der Basis der spieltheoretischen Analyse nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.