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Wenn die gewohnte Ordnung auf dem Kopf steht 6.139 6.139 Wenn die gewohnte Ordnung auf dem Kopf steht Jung führt alt In diesem Beitrag erfahren Sie, warum sich Organisationen mit der spezifischen Füh- rungskonstellation „Jung führt alt“ beschäftigen sollten, welche Kriterien an altersgerechte Führung anzulegen sind, welche Spannungsfelder sich insbesondere aus der Konstellation „Jung führt alt“ ergeben, welche konkreten Verhaltensanforderungen für junge Führungskräfte aus diesen Spannungsfeldern resul- tieren, was Organisationen tun können, um junge Führungs- kräfte optimal auf das Führen älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorzubereiten. Die Autorin Prof. Dr. Claudia Schneider, Diplom-Psychologin, arbeitet als Trainerin und Beraterin für Profit- und Non-Profit-Organisationen speziell in den Bereichen Füh- rungskräfteentwicklung und Coaching. Sie verfügt über langjährige eigene Füh- rungserfahrungen in der Wirtschaft und ist geschäftsführende Gesellschafterin der reflacta GbR. Sie lehrt Personalmanagement, Führung und Organisationsgestal- tung an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg. Prof. Dr. Schneider ist Senior Coach (DBVC) und Mitglied im BDU e.V. Kontakt: Königstraße 10c, 70173 Stuttgart, Tel.: 0711/22 25 44 92 E-Mail: schneider@reflacta.com, www.reflacta.com PersonalEntwickeln 190. Erg.-Lfg., Januar 2015 6.139 Seite 1

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6.139 Wenn die gewohnte Ordnungauf dem Kopf stehtJung führt alt

In diesem Beitrag erfahren Sie,

• warum sich Organisationen mit der spezifischen Füh-rungskonstellation „Jung führt alt“ beschäftigen sollten,

• welche Kriterien an altersgerechte Führung anzulegensind,

• welche Spannungsfelder sich insbesondere aus derKonstellation „Jung führt alt“ ergeben,

• welche konkreten Verhaltensanforderungen für jungeFührungskräfte aus diesen Spannungsfeldern resul-tieren,

• was Organisationen tun können, um junge Führungs-kräfte optimal auf das Führen älterer Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter vorzubereiten.

Die AutorinProf. Dr. Claudia Schneider, Diplom-Psychologin, arbeitet als Trainerin undBeraterin für Profit- und Non-Profit-Organisationen speziell in den Bereichen Füh-rungskräfteentwicklung und Coaching. Sie verfügt über langjährige eigene Füh-rungserfahrungen in der Wirtschaft und ist geschäftsführende Gesellschafterin derreflacta GbR. Sie lehrt Personalmanagement, Führung und Organisationsgestal-tung an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg.Prof. Dr. Schneider ist Senior Coach (DBVC) und Mitglied im BDU e.V.

Kontakt: Königstraße 10c, 70173 Stuttgart, Tel.: 0711/22 25 44 92

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InhaltSeite

1 Relevanz des Themas für Organisationen . . . . . . . . . . . . . 31.1 Innerorganisatorische Konfliktquellen . . . . . . . . . . . . 3

1.1.1 Altersumkehrung in der Hierarchie . . . . . . . . 31.1.2 Aufeinandertreffen verschiedener Generatio-

nen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.2 Arbeitsfähigkeit und Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2 Kriterien altersgerechter Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.1 Einstellung und Haltung gegenüber dem Alter . . . . . . 72.2 Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.3 Kommunikation und Information . . . . . . . . . . . . . . . . 82.4 Organisation von Arbeitsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . 9

3 Spezifika der Konstellation „Jung führt alt“ . . . . . . . . . . . . . 103.1 Assoziationen zur Konstellation „Jung führt alt“ . . . . . 123.2 Typische Spannungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

3.2.1 Bewahren des Althergebrachten versusVeränderungsbestreben . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3.2.2 Hohes Erfahrungswissen versus Erfahrungs-defizit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

3.2.3 Ablehnung der Altersumkehrung in der Hierar-chie versus Ringen um Anerkennung . . . . . . 15

3.2.4 Überfürsorglichkeit versus Bestreben nachEigenständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

4 Verhaltensanforderungen an junge Führungskräfte . . . . . . . 174.1 Anforderungen im Bereich der Einstellung und

Haltung gegenüber dem Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174.2 Anforderungen im Bereich der Kooperation . . . . . . . . 19

4.2.1 Angemessene Gestaltung der eigenenFührungsrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

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4.2.2 Führungsverhalten bei Leistungsmängeln undin Veränderungsprozessen . . . . . . . . . . . . . . 22

4.3 Anforderungen im Bereich der Kommunikation undInformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

4.4 Anforderungen im Bereich der Organisation vonArbeitsabläufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

5 Handlungsempfehlungen für die Führungskräfteentwicklung 256 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

1 Relevanz des Themas für Organisationen

In weniger als zehn Jahren werden die 50- bis 64-Jährigen die 35- bis49-Jährigen als stärkste Gruppe der Erwerbsbevölkerung ablösen. In ein-zelnen Unternehmen und Branchen tritt dieser Kohortenwechsel schonfrüher ein (Richenhagen 2007). Eine Studie der UnternehmensberatungCapgemini ergab, dass etwa die Hälfte aller deutschen UnternehmenKonflikte aus der Konstellation „Jung führt alt“ erwarten. Immerhin 42 Pro-zent der im Rahmen der Studie Befragten gaben an, dass sie das dieserFührungskonstellation innewohnende Konfliktpotenzial als Einstellungs-hindernis für ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen (Capgemini2007).

1.1 Innerorganisatorische Konfliktquellen

Als Quelle für mögliche Konflikte werden Generationenunterschiedegesehen, die sich insbesondere in verschiedenen Führungsstilen,Arbeitsweisen und -werten niederschlagen. In der aktuell hochdynami-schen Arbeitswelt werden von älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiternintergenerationelle Anpassungsleistungen verlangt, wie z. B. Know-how-Transfer an Jüngere, aber auch Lernen von Jüngeren, gute Zusammen-arbeit trotz Generationendifferenz sowie die Akzeptanz von Altersumkeh-rung in der Hierarchie (Höpflinger 2008).

1.1.1 Altersumkehrung in der Hierarchie

Der Aspekt der Altersumkehrung in der Hierarchie ist von zentralerBedeutung, stehen doch die Erfordernisse der modernen Arbeitswelt

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erstmalig dem traditionell tief verwurzelten, interkulturell weitgehendübereinstimmenden und in der Sozialisation nachhaltig verankerten Sys-temprinzip der direkten zeitlichen Reihenfolge (Sparrer 2001) entgegen.Dieses Systemprinzip beinhaltet den Vorrang des älteren Systemmitglie-des vor dem jüngeren und ist unter anderem auch im Senioritätsprinzip(Mentzel 1997) als Grundlage für Beförderungen in Organisationen ver-ankert. Eine fehlende Würdigung derjenigen, die früher im Team waren,führt häufig dazu, dass die später Hinzugekommenen nicht unterstütztwerden. Oder aber, dass Jüngere im Fall der Einnahme hierarchischerPositionen, die mit höherem Lebensalter assoziiert werden, keine Aner-kennung finden. Pointiert gesagt: Die Konstellation „Alt führt jung“ hat dieals natürlich empfundene Ordnung auf ihrer Seite, die Konstellation „Jungführt alt“ fordert die als natürlich empfundene Ordnung heraus!

1.1.2 Aufeinandertreffen verschiedener Generationen

Neben dem Fakt der Altersumkehrungen in der Hierarchie können Unter-schiede zwischen Alterskohorten eine Hürde für junge Führungskräftesein. Alterskohorten beschreiben eine Zusammenfassung von Men-schen, die innerhalb einer bestimmten Zeitspanne geboren wurden unddadurch Lebenserfahrungen der Zeit, insbesondere ihrer Umstände undEreignisse, teilen (Zemke/Raines/Filipczak 2000).

Bis zur Jahrtausendwende prägten vor allem die Generationen der „Vete-ranen“ oder „Silents“ (geboren zwischen 1925 bis Ende der 40er-Jahre),die „Baby Boomer“ (geboren zwischen 1950 bis Anfang der 60er-Jahre)und die „Generation X“ (geboren zwischen 1960 bis Ende der 70er-Jahre)den Arbeitsmarkt. Zwischenzeitlich treffen vor allem die „Baby Boomer“und die „Generation X“ auf die „Generation Y“ (geboren zwischen 1978und 1990) und zukünftig auf die „Generation Z“ (geboren zwischen 1991und 2000) (Armutat 2011; Tulgan 2009). Für diesen Artikel werden imFolgenden die „Baby Boomer“, die „Generation X“ und die „GenerationY“ näher betrachtet.• Die „Baby Boomer“ zeichnen sich vor allem durch ein hohes Maß

an Arbeits-, Dienstleistungs- und Kundenorientierung sowie eine aus-geprägte intrinsische Motivation bei gleichzeitiger hoher Empfindlich-keit für Feedback aus (Zemke/Raines/Filipczak 2000).

• Die „Generation X“ setzt auf eine Balance zwischen Berufs- und Pri-vatleben. Ihre Haltung ist eher antiautoritär und durch Selbstvertrauengekennzeichnet. Eigenverantwortung ist für diese Generation ein

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zentraler Wert. Als „Digital Immigrants“ ist sie geprägt durch die ana-loge Welt. Das bedeutet, dass sie schrittweise Informationsaufnahmeund sequentiellen Informationszugriff sowie Reflexion schätzt. DieUmwelt wird an die eigenen Bedürfnisse adaptiert (z. B. drucken, umzu lesen). Auch, wenn sie nicht mit der neuen Welt der Medien aufge-wachsen ist, kann der „Generation X“ eine Affinität zu Technologieund Kreativität zugesprochen werden (Zemke/Raines/Filipczak 2000).

• Für die „Generation Y“ ergibt sich ein widersprüchliches Bild. Sie trittzwar einerseits sehr selbstbewusst, anspruchsvoll und fordernd auf,zeigt sich allerdings andererseits als orientierungslos und sprunghaft.Im Arbeitsleben strebt sie nach Leistung, Sinn und Spaß und suchtgleichzeitig nach Sicherheit und Stabilität. Diese Generation wünschtsich Flexibilität in Raum und Zeit, fordert stetige Entwicklung und klareKommunikation und ist im Umgang mit neuen Kommunikationstech-nologien und Netzwerken geübt (Armutat 2011). Sie akzeptiert keinSenioritätsprinzip und lehnt Hierarchien sowie tradierte Machtvertei-lungen ab (Schirmer/Kiesling/Nolde/Spengler 2014).Als „Digital Natives“ ist die „Generation Y“ geprägt durch die digitaleWelt. Sie schätzt Interaktivität sowie Unterhaltung und agiert vernetztam besten. Das Web 2.0 ist eine Selbstverständlichkeit, das HandyLebensbestandteil (Schirmer/Kiesling/Nolde/Spengler 2014). Informa-tionen werden sehr schnell und häufig gleichzeitig aufgenommen(„Multitasking“). Bei der Informationsaufnahme gilt: zuerst Grafik,dann Text. Diese Generation ist ungeduldig. Sie bevorzugt schnelleBelohnung und Feedback. Unzulänglichkeiten werden direkt ange-sprochen, die eigene Meinung und das eigene Wissen ohne Scheumitgeteilt. Die „Generation Y“ adaptiert sich an die Umwelt (z. B.Lesen am Endgerät).Insgesamt kann das Verhalten dieser Generation vor allem aus demZusammenspiel fundamentaler makropolitischer Veränderungeneinerseits und materieller Sicherheit andererseits abgeleitet werden.Die hohe Transparenz von Informationen, gegeben durch das techni-sche Umfeld, in das diese Generation hineingeboren wurde sowie dieausgeprägte Individualität ist in ihren Werten und Einstellungen festverankert (Schirmer/ Nolde/Kiesling/Spengler 2014).

Es liegt auf der Hand, dass junge Führungskräfte der „Generation Y“ anzahlreiche Grenzen stoßen können, wenn sie mit Mitarbeiterinnen undMitarbeitern der Vorgängergenerationen interagieren. Pointiert gesagthandelt es sich hier um eine Begegnung verschiedener Welten, eine kul-

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turelle Überschneidungssituation. Diese verlangt vor allem den jungenFührungskräften Kompetenzen ab (z. B. fundierte Durchdringung vonSachverhalten, Behutsamkeit im Umgang mit anderen, Ausdauer, Beloh-nungs- und Feedbackaufschub), die ihnen nicht unbedingt in die Wiegegelegt sind. Gleichzeitig werden sie in der heute noch bestehenden orga-nisationalen Realität (z. B. streng hierarchische Strukturen, unzulänglicheAusstattung mit moderner Kommunikationstechnologie, statische, verän-derungsresistente Organisationskulturen) mancherorts daran gehindert,ihre Stärken auszuspielen.

1.2 Arbeitsfähigkeit und Führung

Ein zentraler Baustein moderner Überlegungen zur Personalentwicklungist das Konzept der Beschäftigungsfähigkeit (Employability). Sie bezeich-net das Verhältnis der Kompetenzen, Fähigkeiten und Eigenschafteneiner Person zu den Anforderungen und Möglichkeiten von Organisatio-nen und Arbeitsmarkt (Richenhagen 2007).

Mit dem Begriff der Beschäftigungsfähigkeit eng verwandt ist der Begriffder Arbeitsfähigkeit (Ilmarinen 2006). Darunter versteht man die Summealler Faktoren, die einen Menschen in die Lage versetzen, die an ihngestellten Arbeitsaufgaben erfolgreich zu bewältigen. Arbeitsfähigkeit istdamit die Grundlage und die Voraussetzung für Beschäftigungsfähigkeit.

Die empirische Forschung zeigt, dass die Arbeitsfähigkeit ohne geeig-nete betriebliche Maßnahmen mit dem Alter abnimmt. Arbeit allein istalso kein Garant für Arbeitsfähigkeit. Nur eine Kombination von Fitness-programmen, ergonomischen Verbesserungen und angemessenem Füh-rungsverhalten können die Arbeitsfähigkeit bei vielen Beschäftigten bisweit über 60 Jahre auf das gleiche Niveau bringen und dort halten, wiediese es kurz vor ihrem 45. Lebensjahr hatten (Richenhagen 2007). Diesunterstreicht die Bedeutung gut ausgebildeter Führungskräfte. „GutesFührungsverhalten und gute Arbeit von Vorgesetzten ist der einzige hochsignifikante Faktor, für den eine Verbesserung der Arbeitsfähigkeit zwi-schen dem 51. und 62. Lebensjahr nachgewiesen wurde“ (Ilmarinen/Tempel 2002: 245).

Damit ist altersgerechtes Führungsverhalten ein wesentlicher Produkti-onsfaktor der Zukunft. Insbesondere junge Menschen, die ihre Berufskar-riere erst beginnen, die in einer anderen Lebens- und Erfahrungswelt

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aufgewachsen sind, als die Generationen davor, und die naturgemäß vorbiografischen Anforderungen und Wendepunkten stehen, die ihre älterenMitarbeiterinnen und Mitarbeiter längst hinter sich liegen haben, sehensich hier einer großen Aufgabe gegenüber.

2 Kriterien altersgerechter FührungDie Führung von älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fordert Füh-rungskräfte zunächst im Zusammenhang mit ihrer persönlichen Einstel-lung und Haltung gegenüber dem Alter. Darüber hinaus stellen sichAnforderungen im Zusammenhang mit Kooperation, Information undKommunikation sowie bei der Organisation von Arbeitsabläufen (Ilmari-nen/Tempel 2002).

2.1 Einstellung und Haltung gegenüber dem Alter

Wesentlich für ein erfolgreiches Führungsverhalten gegenüber älterenMitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist zunächst, wie die Führungskraftihrem eigenen Älterwerden gegenübersteht. Wird dies negativ bewertet,so besteht die Gefahr, dass auch bei den älteren Mitarbeiterinnen undMitarbeitern hauptsächlich auf negative Veränderungen fokussiert wird.Erst durch eine bewusste Auseinandersetzung der Führungskraft mitdem eigenen Alterungsprozess und durch die Entwicklung einer grund-sätzlich positiven Haltung gegenüber dem Alter wird das Erkennen, Ver-stehen und Akzeptieren sowohl positiver als auch negativer altersbeding-ter Veränderungen möglich (Ilmarinen/Tempel 2002). Je positiver eineFührungskraft ihr eigenes Älterwerden wahrnehmen kann und je realisti-scher sie die Entwicklung ihrer eigenen Fähigkeiten einschätzt, destopositiver wird die Veränderung der Fähigkeiten älterer Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter bewertet und desto konstruktiver kann darauf reagiertwerden (Eberhardt/Meyer 2011).

Ein weiterer bedeutsamer Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Aus-einandersetzung mit Altersstereotypen. Diese wirken sich auf die Wahr-nehmung und die Bewertung von Leistungen älterer Mitarbeiterinnen undMitarbeiter aus. Älteren Personen wird üblicherweise zugeschrieben,dass sie im Vergleich zu jüngeren weniger lernfähig und lernmotiviertseien, weniger Leistung brächten und höhere Krankheits- und Unfallratenaufweisen würden (Raabe/Kerschreiter/Frey 2002). Empirische Studienzeigen allerdings, dass die interindividuellen Unterschiede zwischen

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arbeits- und leistungsrelevanten Eigenschaften innerhalb von Altersgrup-pen größer sind als zwischen verschiedenen Altersgruppen. Darüber hin-aus steigt die Varianz der individuellen Unterschiede in höheren Alters-gruppen. Das heißt, die bisherige und aktuelle Berufstätigkeit üben einenweitaus stärkeren Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit von Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern aus als das eigentliche Alter. Leistungs- und Motivati-onseinbußen resultieren primär aus langjährigen Einseitigkeiten imBerufsleben, langjähriger Fort- und Weiterbildungsabstinenz, zu langemVerharren in der gleichen Position sowie unverarbeiteten Berufs- undLebenserfahrungen und der fehlenden Akzeptanz des eigenen Alters(Höpflinger 2008). Die klassischen Vorurteile gegenüber dem Alter sinddamit unbegründet. Von Seiten der Führungskraft gilt es daher, sich mitdem Vorhandensein von Altersstereotypen bei sich und anderen bewusstauseinanderzusetzen und diesen gezielt entgegenzuwirken.

2.2 Kooperation

Altersgerechtes Führungsverhalten zeichnet sich vor allem durch einenkooperativen Führungsstil aus. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnenan Entscheidungsprozessen partizipieren und erhalten Freiräume bei derLeistungserbringung. Dadurch wird ihnen ermöglicht, ihr Fach- und Erfah-rungswissen selbstbestimmt einzubringen (Ilmarinen/Tempel 2002).

Darüber hinaus ist von Bedeutung, dass die Führungskraft eine altersge-mischte Teamzusammensetzung fördert (Domres 2012). IntergenerativeTeams werden der sich mit dem Alter wandelnden Arbeitsfähigkeit ambesten gerecht. So können ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihreStärken wie Erfahrungswissen und Expertise, soziale Fähigkeiten, Zuver-lässigkeit und Verantwortungsbewusstsein einbringen und von denImpulsen und Kenntnissen Jüngerer profitieren.

2.3 Kommunikation und Information

Für alle zugängliche und akzeptable Informationskanäle benutzen

Für eine gelungene Kommunikation zwischen Führungskräften und ihrenMitarbeitern ist es wichtig, dass Sender und Empfänger auf einem ihnenbeiden zugänglichen Kanal Signale der gleichen Form senden und emp-fangen sowie deren Bedeutungsgehalt eindeutig kodieren und dekodie-ren können (Domres 2012). Dass sich hier Herausforderungen für die

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Konstellation „Jung führt alt“ ergeben, liegt auf der Hand. So trifft dietechnikaffine „Generation Y“ auf die „Generation X“ und die „Baby Boo-mer“, für die allein die Nutzung mobiler Endgeräte oft bereits eineHerausforderung darstellt. Dort, wo die Jungen sich über Whatsapp aufdem Laufenden halten, sich über Dropbox Dokumente schicken und inFacebook sehr freizügig persönliche Daten austauschen und Meinungendiskutieren, ist für viele der Älteren ein persönliches Treffen oder einAnruf immer noch die Kontaktform der Wahl. Gegenüber sozialen Netz-werken gibt es nicht selten Vorbehalte, der PC an sich ist oft maximal einArbeitsmittel, nichts weiter. Sich auf für alle zugängliche und akzeptableInformationskanäle zu einigen, ist daher die erste Hürde, die zu meisternist.

Finden einer gemeinsamen Sprache

Eine weitere Hürde stellt die Sprache an sich dar. „Generation Y“ istgewohnt, mit Sprachverkürzungen und Anglizismen zu arbeiten (z. B. LoL„Lots of Love“ als Grußformel) und ersetzt Stimmungs- und Gefühlszu-stände durch Emoticons. Nachrichten werden kurz und schnörkellosüberbracht, oft ohne aufwendige Gruß- oder Verabschiedungsformeln.Formale Anreden spielen eine untergeordnete Rolle. Neben dem reinenVerständnisproblem fühlen sich frühere Generationen durch diese Art, zukommunizieren, häufig brüskiert. Eine gemeinsame Sprache zu finden,die auch einen für alle Seiten akzeptablen Umgangsstil einschließt, istangezeigt.

Offene und zeitnahe Information

Eine weitere wichtige Führungsaufgabe zur Aufrechterhaltung und Förde-rung der Motivation und der Überwindung möglicher Verhaltenswider-stände bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die offene und zeitnaheInformation (Domres 2012). Jüngere und Ältere unterscheiden sich hin-sichtlich ihres Informationsbedarfs. Während jüngere Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter sich meist mit weniger Informationen ausreichend infor-miert und handlungsfähig fühlen, wünschen sich ältere oft ausführlichereErklärungen und benötigen mehr Zeit, um sich an bevorstehende Verän-derungen anzupassen (Ilmarinen/Tempel 2002).

2.4 Organisation von Arbeitsabläufen

Im Rahmen der Organisation von Arbeitsabläufen sind vor allem Pro-zesse der Arbeitsplatz- und der Arbeitszeitgestaltung und damit der

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Bereich der Ergonomie zu betrachten. Hier sind Führungskräfte insbe-sondere gefordert, eine individuelle, von der Arbeitsfähigkeit älterer Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter abhängige, progressive, gesundheitsförderli-che Arbeitsorganisation sicherzustellen und für eine lernförderlicheGestaltung von Arbeitsbedingungen zu sorgen (Braedel-Kühner 2005).

Auf Ältere zugeschnittene Qualifizierungskonzepte sollten in Bezug aufderen besondere Lernbedürfnisse, Lernstile und Lernsituation insbeson-dere die folgenden Elemente berücksichtigen (Frerichs 2010, S. 46):• Selbststeuerung des Lernens (persönlich definiertes Lerntempo, indi-

viduell bestimmte Wiederholungs- und Vertiefungsschritte, ausrei-chend Zeit zum Üben),

• Anknüpfung an Erfahrungswissen (Verdeutlichung der Praxisrelevanzdes Stoffs und des persönlichen Kompetenzgewinns im Rahmen vonAufgaben, Beispielen, Übungen),

• Integration von Arbeit und Lernen (Betriebs- bzw. Arbeitsplatznähedes Lernortes, Vermeidung schulischer Prinzipien, Lerninseln imBetrieb, arbeitsnahe Qualifikation),

• Differenzierung (Berücksichtigung sozialer Ausgangsvoraussetzun-gen im Hinblick auf Gesundheitszustand, Nationalität, Geschlecht, Bil-dung, Arbeitsplatz usw.).

Nicht nur die Organisationen sind in der Verantwortung, die Rahmenbe-dingungen für lebenslanges Lernen zu schaffen. Von den Beschäftigtenwird erwartet, dass sie sich wechselnden und steigenden Anforderungenstellen und diese erfolgreich bewältigen. Dafür brauchen sie zusätzlicheindividuelle Angebote an Beratung und Begleitung. Der Führungskraft alsPersonalentwicklerin vor Ort kommt hierbei eine Schlüsselfunktion zu.

3 Spezifika der Konstellation „Jung führt alt“

Im Folgenden soll nun darauf eingegangen werden, welche Spannungs-felder konkret durch die Führungskonstellation „Jung führt alt“ entstehenund welche Assoziationen mit ihr verbunden werden. Die dargestelltenBefunde basieren auf empirischen Arbeiten, die am von der Autorin gelei-teten Kompetenzzentrum des Instituts für angewandte Forschung derHochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg ent-standen sind (Dewald 2012; Müller 2013; Cebisci/Frey/Sturm/Zagst2014). Darüber hinaus speisen sich die aufgeführten Inhalte aus der lang-

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jährigen Arbeit der Autorin mit jungen Führungskräften im Rahmen vonCoaching und Managementtraining.

Für die empirischen Untersuchungen wurde die Dyade junge Führungs-kraft – älterer Mitarbeiter folgendermaßen definiert:

• Eine junge Führungskraft ist jede Führungskraft unter 35 Jahren, dieihre erste Führungsposition bekleidet und innerhalb dieser über einemaximal fünfjährige Berufserfahrung verfügt. Sie ist mindestens zehnJahre jünger als ihr Mitarbeiter.

• Ein älterer Mitarbeiter ist jeder Mitarbeiter, der mindestens zehn Jahreälter ist als seine Führungskraft. In seiner Position arbeitet er schonmindestens zehn Jahre länger als die Führungskraft in ihrer.

Tatsächlich waren in den untersuchten Stichproben die älteren Mitarbei-ter durchschnittlich sogar mehr als 20 Jahre älter als die jungen Füh-rungskräfte.

Mithilfe von Interviews unter Nutzung der Methode der kritischen Ereig-nisse (CI-Technik, Flanagan 1954; Bartsch/Specht 2009) und Workshopswurden sowohl junge Führungskräfte als auch Personalleiter und Studie-rende im letzten Semester nach Absolvierung der Praxisphase dazubefragt, welche spezifischen Spannungsfelder in der Konstellation „Jungführt alt“ ihrer eigenen Erfahrung nach typischerweise auftreten und wieman diesen begegnen kann. Die Befragten wurden gebeten, die Span-nungsfelder ausführlich zu beschreiben und zu charakterisieren, wieerfolgreiches Verhalten von jungen Führungskräften bei den auftretendenKonflikten aussehen sollte. Darüber hinaus wurden Assoziationenerfasst, die mit der Konstellation „Jung führt alt“ verbunden sind.

Zu betonen ist an dieser Stelle noch, dass in den durchgeführten Unter-suchungen explizit auf Konfliktkonstellationen fokussiert wurde. Konflikt-freie und produktive Arbeitsbeziehungen, die es in der Dyade „Jung führtalt“ ohne Zweifel in großer Zahl ebenfalls gibt, wurden nicht vergleichenduntersucht. Die Anwendung der Methode der kritischen Ereignisse in denInterviews ermöglicht allerdings, erfolgreiches Verhalten von erfolglosemVerhalten in der Führungsbeziehung zu unterscheiden. So können Anre-gungen für die Bewältigung von Konflikten und die Gestaltung einer pro-duktiven Arbeitsbeziehung gegeben werden.

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3.1 Assoziationen zur Konstellation „Jung führt alt“

Befragt danach, welche Aspekte sie mit der Konstellation „Jung führt alt“primär verbinden, wurden von den jungen Führungskräften und den Per-sonalleitern insgesamt 72 Aspekte benannt. Davon waren allerdings nur13 eindeutig positiv. Die positiven Assoziationen unterstrichen vor allemden Erfolg der Arbeit in altersgemischten Teams sowie die Möglichkeit,voneinander lernen zu können. Weit mehr Nennungen, nämlich insge-samt 41, entfielen auf die negative Seite der Führungskonstellation „Jungführt alt“. Die restlichen Nennungen konnten nicht eindeutig als positivbzw. negativ zugeordnet werden. Unter den negativen Aspekten wurdevor allem auf Generationenkonflikte und die negative Wirkung von Alters-stereotypen und Vorurteilen abgehoben. Diese Befunde bestätigen dieErgebnisse der in Abschnitt 1 angeführten Studie der Beratungsgesell-schaft Capgemini. Die Konstellation „Jung führt alt“ wird vor allem alsproblematisch angesehen.

Insbesondere die befragten jungen Führungskräfte assoziierten die Füh-rung älterer Mitarbeiter überwiegend negativ und zwar ganz unabhängigvon ihrem persönlichen Erfolg oder Misserfolg in einzelnen Führungssi-tuationen. Die Führung Älterer wird von ihnen als sehr anstrengend undaufreibend erlebt. Dieser Befund unterstreicht einmal mehr den Hand-lungsbedarf für Organisationen, junge Führungskräfte in ihrer Führungs-arbeit an dieser Stelle spezifisch zu unterstützen.

3.2 Typische Spannungsfelder

Es wurden vier zentrale Spannungsfelder in der Konstellation „Jung führtalt“ identifiziert, die vor allem im Bereich der Interaktion liegen. Darüberhinaus lässt sich feststellen, dass für die Führung älterer Mitarbeiterbedeutsame Konfliktkonstellationen besonders in der ersten Führungspo-sition der jungen Führungskräfte auftreten. Hier überlagert sich vermut-lich die mangelnde Führungserfahrung an sich, die auch nicht durchLebenserfahrung kompensiert werden kann, mit den aus der Altersum-kehrung in der Hierarchie resultierenden Herausforderungen. Dies führtzu einer Potenzierung der Schwierigkeiten und Problemfelder.

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3.2.1 Bewahren des Althergebrachten versusVeränderungsbestreben

Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in ihrem Arbeitsalltag gegen-über Veränderungen häufig skeptischer und weniger anpassungsfähigbzw. anpassungswillig als jüngere. Sie orientieren sich an bewährtenArbeitsabläufen und Routinen, pflegen liebgewonnene Gewohnheitenund reagieren oft zunächst mit Unverständnis und Intoleranz auf Ände-rungsnotwendigkeiten. Jeder Wandel bedeutet für sie eine tiefgreifendeUmstellung. Ihre jahrelang ausgeübte Tätigkeit beherrschen sie oft exzel-lent und erzielen in ihren Arbeitsergebnissen eine hohe Qualität. Je bes-ser sie ihre alten Tätigkeiten beherrschen, desto höher ist der gefühlteVerlust, wenn sich diese ändern. Mit der gewohnten Tätigkeit sind dieeigene professionelle Identität und der Selbstwert eng verknüpft. Aus ihrspeisen sich Platz und Anerkennung in der Organisation. Die Notwendig-keit, Neues zu lernen und Altes loszulassen, erzeugt daher nicht nureinen hohen Lernaufwand, um wieder eine vergleichbare Professionalitätzu erreichen. Sie tangiert darüber hinaus tief verwurzelte menschlicheGrundbedürfnisse (Kohlrieser 2008), wie:• das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Bindung. Veränderungen kön-

nen eine Neuausrichtung sozialer Beziehungen bedeuten. Es drohtder Verlust von Zuneigung und liebgewonnenen Kolleginnen und Kol-legen. Gleichzeitig muss möglicherweise zu neuen und unbekanntenPersonen Kontakt aufgebaut werden.

• das Bedürfnis nach Bedeutung, Beteiligung und Wertschätzung,sowie Verwurzelung. Veränderungen können Bedeutungs- und Terri-torialverluste nach sich ziehen. Heute ist jemand möglichweisegefragter Experte einer Einheit, morgen arbeitet er nur noch zu. Wei-terhin wird möglicherweise der Sinn der neuen Tätigkeit infragegestellt oder lässt sich mit der bisherigen professionellen Identitätnicht mehr vereinbaren (z. B. ein Ingenieur ist zum Konstruieren da,nicht zum Kalkulieren von Kosten oder Befüllen von Managementin-formationssystemen).

• das Bedürfnis nach Ordnung und Berechenbarkeit sowie nach Kon-trolle über die Situation bzw. das eigene Schicksal. Wenn Verände-rungen nicht transparent kommuniziert und sensibel begleitet werden,drohen Struktur- und Kontrollverluste. Ohnmachtsgefühle und Rollen-diffusion, im Sinne der Unklarheit über eigene Zuständigkeiten, Befug-nisse und Verantwortung können die Folge sein.

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Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben oft sehr viel mehr zu verlie-ren als jüngere. Gleichzeitig steht ihnen sehr viel weniger Zeit zur Verfü-gung, sich wieder ihre frühere Position zu erarbeiten. Daher reagierensie häufiger und heftiger mit Veränderungswiderstand.

Darüber hinaus liegt für manche ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterder Ruhestand in direkter Reichweite. Dies führt zu Einschränkungen imBereich der Motivation, Kreativität und der Bereitschaft zur aktiven Betei-ligung an Veränderungsprozessen. Im Rückblick auf ein langes Arbeitsle-ben sind Älteren vor allem Sicherheit und Beständigkeit wichtig. Vieleagieren nach der Devise: „Ich habe meinen Teil getan und meinen Bei-trag für die Organisation geleistet, jetzt habe ich meine Ruhe verdient.“Man zieht sich innerlich „auf das Altenteil“ zurück, obwohl man noch imaktiven Arbeitsleben steht. Gleichzeitig wird erwartet, dass die Organisa-tion dies toleriert. Mehr noch, in Ruhe gelassen zu werden, wird von man-chen älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als berichtigtes Interesseund ihnen zustehender Lohn für den langen Dienst in der Organisationangesehen.

Junge Führungskräfte haben dagegen in ihrem Arbeitsalltag wenigerfeste Gewohnheiten. Sie passen sich an neue Gegebenheiten schnellerund ohne größere Anstrengungen an. Veränderungen werden als span-nend und abwechslungsreich erlebt und sogar eingefordert. Angefüllt mitmodernem Wissen aus Studium und Lehre stoßen sich junge Führungs-kräfte häufig an den bestehenden Verhältnissen. Voller Idealismus sollnun das, was man selbst in der Ausbildung gelernt und für richtig befun-den hat, in die Tat umgesetzt werden – und zwar oft möglichst schnellund kompromisslos. Veränderungen anzustoßen und voranzutreibenwird als Möglichkeit gesehen, sich zu profilieren und die eigene Karrierezu fördern. Dafür sind viele junge Führungskräfte bereit, sich selbst zuverausgaben und bis an die eigene Belastungsgrenze zu arbeiten. Undda es gerade am Anfang der beruflichen Laufbahn oft noch keine familiä-ren Restriktionen gibt, die den eigenen Arbeitseinsatz limitieren, könnensie sich mit voller Hingabe dem Job widmen.

Häufig reagieren sie mit Unverständnis und Abwertung, wenn anderenicht bereit sind, den gleichen Einsatz zu zeigen wie sie selbst. Oder sieneigen dazu, Tätigkeiten ihrer älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ansich zu ziehen, nur um schnell die gewünschten Ergebnisse zu erzielen.Dies führt zu einer Arbeitsverdichtung auf Seiten der Führungskraft und

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zu einer Abnahme der Fähigkeiten und der Motivation bei den älterenMitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Bei der Gesamtbetrachtung des dargestellten Spannungsfeldes liegt esauf der Hand, dass die Prioritäten junger Führungskräfte denen ältererMitarbeiterinnen und Mitarbeiter häufig diametral entgegenstehen.

3.2.2 Hohes Erfahrungswissen versus Erfahrungsdefizit

Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben durch ihre langjährigeBerufstätigkeit sehr viel explizites und implizites Erfahrungswissen. Diesbeinhaltet sowohl Kniffe und Tricks der Arbeitsausführung als auch dasWissen über die Organisation an sich. Ältere Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter kennen die Geschichten und Legenden. Sie wissen, wer mit wemkann und warum und wer mit wem nicht. Sie kennen die politischen Ent-scheidungsarenen. Sie wissen, wer in der Organisation das Sagen hatund um wen man nicht herumkommt, weil er über wichtige Ressourcenverfügt. Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden oft als „dasGedächtnis der Organisation“ bezeichnet. Sie kennen sich aus mit gelun-genen und gescheiterten Führungs- und Veränderungsvorhaben und siehaben so manche eigene „Schlacht“ geschlagen und überlebt. Ihre infor-mellen Netzwerke sind oft weit verzweigt und tragfähig. Sie reichen nichtselten bis in die höheren und höchsten Führungsetagen, da man mögli-cherweise irgendwann gemeinsam angefangen und dann unterschiedlichschnell Karriere gemacht hat oder sich aus anderen Kontexten kennt undschätzt.

Junge Führungskräfte stehen dagegen am Anfang ihrer Berufslaufbahn.Ihr Wissen ist überwiegend theoretischer Natur, die eigene Lebenserfah-rung naturgemäß begrenzt. Je nach Dauer ihrer Zugehörigkeit zur Orga-nisation bis zur Übernahme der ersten Führungsposition verfügen sieüber ein wesentlich geringeres Organisationswissen als ihre älteren Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese Defizite bringen junge Führungs-kräfte in eine schwächere Ausgangsposition, die – je nach Motivlage –durch die Mitarbeiter ausgenutzt werden kann und auch gelegentlichwird.

3.2.3 Ablehnung der Altersumkehrung in der Hierarchie versusRingen um Anerkennung

Für ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellt sich die elementareFrage: „Von wem lasse ich mir etwas sagen und von wem nicht?“ Dabei

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zeigt sich, dass der Führungsanspruch einer anderen Person von ihnenin der Regel dann anerkannt wird, wenn diese hierarchisch überstellt ist,ihre Kompetenz in der Aufgabenbewältigung bewiesen hat und auf einelange Zugehörigkeit zur Organisation zurückblicken kann. Junge Füh-rungskräfte haben oft nur Ersteres zu bieten. Daher stoßen sie nicht sel-ten auf Ablehnung, Geringschätzigkeit und Abwertung oder werden mitVersuchen konfrontiert, ihre hierarchische Position zu schmälern bzw.sogar ganz zu umgehen. Ihre Urteile werden angezweifelt (insbesondereim Bereich der Leistungsbeurteilung), ihre Ideen abgewertet oder belä-chelt („Kommen Sie erst mal in mein Alter, dann wissen Sie auch, wasSache ist.“).

Im Ringen um Anerkennung machen manche jungen Führungskräfte denFehler, ihre hierarchische Position übermäßig zu inszenieren. Diesgeschieht etwa durch arrogantes Auftreten und das Senden verbalerRangordnungsbotschaften (z. B. „Ich bin Ihr Chef und Sie haben zumachen, was ich sage.“). Das Erteilen ungebetener Ratschläge zur per-sönlichen Lebenssituation der älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,das gönnerhafte Loben „von oben herab“, sowie die expressive Nutzungvon Statussymbolen fallen ebenfalls in diese Verhaltenskategorie.

Oder aber, junge Führungskräfte versuchen, sich Anerkennung zu ver-schaffen, indem sie sich mit ihren älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern „verkumpeln“ und damit Grenzen zwischen den Hierarchien verwi-schen (z. B. durch das sofortige Anbieten des „Du“). Um des liebenFriedens willen werden eigene Anliegen zugunsten der Wünsche derÄlteren zurückgestellt oder gar ganz fallen gelassen. Die junge Führungs-kraft verzichtet für die Älteren auf ihr eigentlich rechtmäßig zustehendePrivilegien (wie z. B. den eigenen Parkplatz) oder Zugänge zu erfolgskriti-schen Entscheidungsarenen der Organisation (wie z. B. ihren Platz inGremien). Diese Anpassungsstrategie stellt eine besondere Verführungfür diejenigen dar, die aus den eigenen Reihen aufgestiegen sind undnun Ältere führen, die vorher ihre Kolleginnen und Kollegen waren.

Beide Strategien – sowohl das übermäßige Zelebrieren der eigenen Füh-rungsposition als auch das Verwischen derselben – führen nicht zurLösung der in der Altersumkehrung der Hierarchie begründeten Konflikte,sondern verschärfen sie nur.

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3.2.4 Überfürsorglichkeit versus Bestreben nachEigenständigkeit

Die Tatsache, dass in der spezifischen Konstellation „Jung führt alt“ derAltersunterschied oftmals der einer Generation und mehr entspricht,weckt teilweise „Mutter- bzw. Vaterinstinkte“ bei den älteren Mitarbeiterin-nen und Mitarbeitern. Diese zeigen sich in fürsorglichem, stellenweiseauch bevormundendem Verhalten gegenüber der jungen Führungskraft.Oder sie äußern sich in dem Bedürfnis, die junge Führungskraft übermä-ßig zu unterstützen und vor Schaden zu bewahren, indem man ihr emp-fiehlt, so vorzugehen, wie man selbst vorgehen würde oder vorgegangenist.

Das, was von den älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gut gemeintist, wird von den jungen Führungskräften oftmals als übergriffige Ein-schränkung ihres Bedürfnisses nach Entfaltung und Eigenständigkeitempfunden. Sie stehen vor der Herausforderung, ihren eigenen Weg zugehen und zu vertreten, ohne die älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterdabei zu brüskieren oder zu verletzen.

4 Verhaltensanforderungen an jungeFührungskräfte

In diesem Abschnitt wird gezeigt, welche Verhaltensanforderungen sichaus den zuvor dargestellten Spannungsfeldern für junge Führungskräfteergeben. Die Verhaltensanforderungen werden den Kriterien altersge-rechter Führung zugeordnet, um eine zusätzliche Untersetzung und wei-terführende Konkretisierung der Ausführungen aus Abschnitt 2 für dieDyade „Jung führt alt“ zu erreichen.

4.1 Anforderungen im Bereich der Einstellung und Haltunggegenüber dem Alter

Eine wichtige Grundregel für junge Führungskräfte ist, ehrlichen Respektfür die Erfahrungen der älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu zeigenund deren Leistungen anzuerkennen. Damit sind die Grundvoraussetzun-gen für die Würdigung des in Abschnitt 1.1.1 beschriebenen Prinzips derdirekten zeitlichen Reihenfolge gegeben. Das setzt voraus, dass sichjunge Führungskräfte mit ihrer eigenen Haltung zum Alter, den gängigen

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Altersstereotypen und modernen Erkenntnissen der Altersforschung aus-einandersetzen. Darüber hinaus sollten sie sich sorgfältig mit jedem ein-zelnen Mitarbeiter beschäftigen, seinen beruflichen Werdegang in derOrganisation und sein Aufgabengebiet kennenlernen. Für junge Füh-rungskräfte ist es wichtig, den eigenen Blick gerade für die Dinge zuschulen, die ihre älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut und richtigmachen. Damit kann Fehlurteilen, z. B. aufgrund einer eigenen, überhöh-ten Anspruchshaltung oder fehlenden Kontexterfahrungen in der Organi-sation, entgegengewirkt werden.

Respekt vor dem Alter darf allerdings nicht dazu führen, dass eine jungeFührungskraft Konflikten aus dem Weg geht, indem sie beispielsweiseeine aus ihrer Sicht bedeutsame Entscheidung nicht gegen den Willender älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchsetzen will oder derenFehlverhalten ignoriert. Respekt ist keine Einbahnstraße! Er beruht aufGegenseitigkeit und der Begegnung auf menschlicher „Augenhöhe“.Respekt ist unabhängig vom Alter. Daher sollte eine junge Führungskraft,wenn nötig, auch für sich und ihre Anliegen eine respektvolle Behandlungeinfordern.

Aus manchen der in den Interviews von den Befragten geschildertenSituationen entstand der Eindruck, dass ältere Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter ihre jungen Führungskräfte als Bedrohung wahrnehmen, weil sienicht abschätzen können, wie diese zu ihnen stehen, oder sie Angsthaben, als weniger leistungsfähig zu gelten. Leistungen und Erfahrungender Älteren sollten daher explizit sprachlich gewürdigt werden – allerdingsniemals gönnerhaft oder „von oben herab“. Das Lob sollte konkret ver-deutlichen, welchen Stellenwert die Leistung der älteren Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter für die junge Führungskraft oder das Team insgesamt hat(z. B. „Sie sind mir mit ihrer Erfahrung eine Stütze.“, „Ihre Arbeit ist sehrwertvoll für das Team“). Junge Führungskräfte sollten sich an derbewährten Führungsregel: „Führen heißt unter anderem, andere dabeizu erwischen, wie sie es gut machen und sie davon wissen zu lassen.“orientieren. Es gilt, älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine festeund für alle sichtbare Bedeutsamkeit im Mitarbeitergefüge zuzuweisen,sodass sie sich nicht ausgedient oder herabgesetzt, sondern gebrauchtfühlen.

Eine junge Führungskraft sollte immer klar vor Augen haben, dass sieselbst und ihre älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich in unter-schiedlichen Lebenslagen befinden und darauf Rücksicht nehmen. Das

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kostet Zeit und fordert Einfühlungsvermögen. Beschäftigt sich ein ältererMitarbeiter kurz vor dem Ruhestand mit den Veränderungen in derBerufswelt, die er während seiner Berufstätigkeit beobachtet hat, z. B. inForm von Nörgeleien oder abfälligen Bemerkungen, kann sich das nega-tiv auf die Arbeitshaltung und die Arbeitsleistung des ganzen Teams aus-wirken. Die junge Führungskraft muss erkennen, was für den älteren Mit-arbeiter in seiner aktuellen Lebenslage wichtig ist und sich unterUmständen Zeit für die Aufarbeitung eines Themas nehmen, welches fürsie selbst möglicherweise völlig belanglos ist. Manchmal reichen Wert-schätzung und pure Präsenz schon aus, damit der Mitarbeiter sich gese-hen und ernst genommen fühlt.

Bei der Auseinandersetzung mit problematischen privaten Konstellatio-nen (z. B. im familiären Umfeld oder bezogen auf die Gesundheit) solltedie Initiative für ein Gespräch unbedingt von den älteren Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern selbst ausgehen. Keinesfalls sollte die junge Führungs-kraft ungefragt in die Privatsphäre der Älteren eindringen. Erst recht solltesie sich zurückhalten mit der Erteilung unerbetener Ratschläge für denUmgang mit privaten Sorgen und Nöten. Ältere Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter können darin eine Ignoranz der jüngeren Führungskraft gegen-über ihrer größeren Lebenserfahrung sehen. Das führt zur Konfliktver-schärfung, nicht zur Lösung. Wird es aufgrund von schlechtenArbeitsleistungen unumgänglich, auch die Privatsphäre als Ursache inBetracht zu ziehen, so sollte das sehr vorsichtig geschehen. Es ist emp-fehlenswert, sich über das Ansprechen fachlicher Probleme behutsam zunähern oder sich mit der Auskunft zu begnügen, ob sich eine schwierigeprivate Situation kurzfristig löst bzw. länger andauern wird. Entsprechendder Auskunft können dann betriebliche Vorkehrungen zur Bewältigungder fachlichen Probleme getroffen werden. Ein vorsichtiger Umgang mitdem Thema erhöht die Bereitschaft der älteren Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter, sich ihrer jüngeren Führungskraft anzuvertrauen.

4.2 Anforderungen im Bereich der Kooperation

4.2.1 Angemessene Gestaltung der eigenen Führungsrolle

In der Führungsarbeit geht es immer darum, formale und informelle Legi-timation in Übereinstimmung zu bringen. Der Titel auf der Visitenkarteund das große Büro sind wertlos, wenn es der Führungskraft nichtgelingt, Gefolgschaft zu erzeugen.

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Die Führungskonstellation offen ansprechen

Daher ist es für junge Führungskräfte ratsam, gleich zu Beginn ihrerFührungstätigkeit das Gespräch mit ihren älteren Mitarbeiterinnen undMitarbeitern zu suchen. Im persönlichen Kontakt kann mit den Eigen-tümlichkeiten der Führungskonstellation offen umgegangen werden.Konfliktpotenziale, Ängste, Probleme und möglicherweise auch Enttäu-schungen (z. B. wenn sich ein Älterer selbst Hoffnungen auf die Posi-tion gemacht hat) im Zusammenhang mit der Altersumkehrung in derHierarchie werden transparent. Beide Seiten haben die Möglichkeit,Erwartungen offen auszutauschen und Regeln für die gemeinsameZusammenarbeit zu vereinbaren. Alters- und Erfahrungsunterschiedekönnen als Chance zur gegenseitigen Bereicherung thematisiert undverstanden werden.

Schwächen zeigen

Die junge Führungskraft sollte die Gelegenheit nutzen, den Menschenhinter der Funktion „Vorgesetzter“ zu zeigen. Insbesondere die befragtenPersonalleiter raten dazu, in den persönlichen Gesprächen auch offen zulegen, wo es an eigener Erfahrung fehlt. Getreu dem Motto „Schwächenzeigen, stärkt“, ermöglicht dies oft erst, die älteren Mitarbeiterinnen undMitarbeiter um Rat zu bitten und von ihren Erfahrungen zu profitieren. ImUmgang mit enttäuschten Mitbewerbern sollte die junge Führungskraftverdeutlichen, dass Alter, Lebens- und Berufserfahrung nicht die alleini-gen Entscheidungskriterien für die Besetzung einer Führungspositionsind und zeigen, was sie selbst für die Übernahme der Führungsaufgabequalifiziert.

Sorgsames Formulieren des psychologischen Vertrages

Persönliche Gespräche zwischen Mitarbeiter und Führungskraft zuBeginn ihrer Zusammenarbeit bilden das Fundament für die Gestaltungder weiteren Führungsbeziehung. Sie können verglichen werden miteinem Vertragsabschluss. Die professionelle Gestaltung der Kontrakt-phase (Huf 2011; Gührs/Nowak 2006), das sorgsame Formulieren despsychologischen Vertrages zwischen Mitarbeiter und Führungskraft istinsbesondere für die Konstellation „Jung führt alt“ von immenser Bedeu-tung, kommt sie doch einem generationenübergreifenden „Handschlag“gleich.

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Keine Bevormundung älterer Mitarbeiterinnen und kein expressivesImponiergehabe

Neben dem expliziten Umgang mit der Altersumkehrung in der Hierarchiesollte eine junge Führungskraft auf der Ebene der symbolischen Führungalles vermeiden, was diese Umkehr zelebriert. Dazu gehören die Bevor-mundung älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder expressives Impo-niergehabe. Hilfreich für die symbolische Inszenierung der eigenen Posi-tion ist dagegen die Einhaltung einer respektvollen hierarchischenDistanz.

Eigene Weisungsbefugnis sowie die bestehende Rollenverteilungverteidigen

Sehen sich junge Führungskräfte trotz der positiven Gestaltung des Füh-rungswechsels ihrerseits mit Verweigerung, Angriffen oder gar Versu-chen, ihre Autorität zu untergraben bzw. zu umgehen, konfrontiert, so giltes, selbstsicher aufzutreten und die eigene Weisungsbefugnis sowie diebestehende Rollenverteilung zu verteidigen. Die notwendigen Entschei-dungen sollten mutig getroffen und konsequent vertreten werden. Es istnicht hilfreich, Attacken persönlich zu nehmen. Stattdessen sollten sieeiner sachlichen Auseinandersetzung zugeführt werden. Haben ältereMitarbeiterinnen und Mitarbeiter beispielsweise andere Vorstellungendarüber, wie sich die junge Führungskraft zu verhalten hat, so kann sieArgumente für ihre Vorgehensweise nennen und es dann den Älterenüberlassen, diese zu überdenken. Damit werden das eigene Vorgehenund die Entscheidungsgrundlagen transparent und nachvollziehbar.Manchmal ist es sinnvoll, solidarische Gruppen zu entzerren und Einzel-gespräche zu führen. Damit wird das Prinzip „Gemeinsam sind wir stark!“durchbrochen. Hilfreich ist auch, wenn sich junge Führungskräfte vonAnfang an klar machen, dass Führen auch und vor allem bedeutet, mitKonflikten umzugehen und diese auszuhalten. Das gilt nicht nur für dasFühren älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine junge Führungs-kraft, die den Erfolg ihres Führungshandelns ausschließlich daran misst,es allen recht gemacht zu haben, tut sich keinen Gefallen.

Sachlich und einfühlsam auf einengendes Verhalten reagieren

Versuchen ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die junge Führungs-kraft durch überfürsorgliches Verhalten einzuengen oder zu bevormun-den, sollte dem sachlich und einfühlsam begegnet werden. Die junge

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Führungskraft ist gut beraten, wenn sie ihre Dankbarkeit für die angebo-tene Unterstützung zum Ausdruck bringt. Gleichzeitig sollte sie aber auchdeutlich machen, an welcher Stelle sie ihre eigenen Wege gehen möchteund warum.

Richtige Einschätzung der Machtkonstellationen

Die richtige Einschätzung der Machtkonstellationen in der Organisationist für eine junge Führungskraft überlebenswichtig. Gerade diejenigen,die neu in einer Organisation sind, überschätzen häufig ihre formaleMacht. Wie schon in Abschnitt 3.2.2 ausgeführt, haben ältere Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter während ihrer Zeit in der Organisation oft zahlrei-che informelle Kontakte geknüpft, die auch in höhere Führungsetagenreichen. Nicht selten wird dann versucht, diese Kontakte zu nutzen, umdie junge Führungskraft „auszubremsen“. Deshalb sollte sich eine jungeFührungskraft Hilfe und Rat bei erfahrenen Kollegen holen und sich aufjeden Fall beim nächsthöheren Vorgesetzten absichern, bevor sie kon-fliktträchtige Entscheidungen trifft.

4.2.2 Führungsverhalten bei Leistungsmängeln und inVeränderungsprozessen

Stellt eine junge Führungskraft bei ihren älteren Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern Leistungsmängel fest, so sollte sie diese nicht mit Vermutungenüberschütten, sondern stattdessen zunächst um eine Selbsteinschätzungbitten. Es ist wichtig, zu erfahren, warum sich die Mitarbeiter so verhaltenund was sie mit ihrem Verhalten erreichen möchten.

Ratsam ist weiterhin, dass sich die junge Führungskraft vor einem kriti-schen Mitarbeitergespräch sehr ausführlich über das Aufgabengebiet desbetroffenen Mitarbeiters informiert. Die langjährigen Erfahrungswerte desÄlteren geben ihm die Möglichkeit, in schwierigen Gesprächen mit sachli-chen Argumenten aufzutrumpfen, die eine unerfahrene Führungskraftweder nachvollziehen noch kontrollieren kann (z. B. Aussagen zu Bear-beitungszeiten). Eigene Sachkenntnis macht es der jungen Führungskraftleichter, solche Argumente zu widerlegen. Das setzt allerdings voraus,dass sie konkrete Fakten beibringen kann und das Fehlverhalten nach-vollziehbar dokumentiert hat.

Insbesondere in Gesprächen, die eine Fehl- oder Minderleistung des Mit-arbeiters oder der Mitarbeiterin zum Inhalt haben, sollte sich die junge

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Führungskraft auf persönliche Angriffe und unsachliche Argumente ein-stellen. Sie sollte vermeiden, mit ihrem Mitarbeiter in einen „Schlagab-tausch“ zu gehen, sondern die Diskussion wieder in sachliche Bahnenlenken. Auch Konfliktgespräche zwischen einer jungen Führungskraftund einem älteren Mitarbeiter sollten – wie alle anderen Konfliktgesprä-che in der Führungsrolle – mit klaren Zielvorgaben seitens der Führungs-kraft und eindeutigen Vereinbarungen zwischen Führungskraft und Mitar-beiter enden. Die Entscheidung über das Befolgen oder Nichtbefolgenvon Anweisungen bleibt dem Älteren überlassen. Die junge Führungs-kraft sollte sich jedoch nicht scheuen, Konsequenzen aufzuzeigen unddiese gegebenenfalls auch zu ziehen.

In Bezug auf die Gestaltung notwendiger Veränderungsprozesse hat sichgezeigt, dass ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich häufig nicht vonsich aus an jüngere Führungskräfte wenden. Dies hängt einerseits damitzusammen, dass Ältere den Jüngeren häufig nicht zutrauen, die anste-henden Probleme wirklich zu verstehen und zu lösen. Andererseits wirdoft befürchtet, dass junge Führungskräfte voller Übereifer mit umwälzen-den Veränderungen über das Ziel hinausschießen, wo nur kleinere Opti-mierungen gefragt wären.

Wenn eine junge Führungskraft ihrerseits Veränderungsbedarf erkennt,ist sie gut beraten, ihre älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vonAnfang an in die Planung einzubeziehen. Dies insbesondere dann, wenndiese sich skeptischer zeigen als andere im Team. Ältere haben oftschon viele schlecht umgesetzte Veränderungsprozesse in Organisatio-nen erlebt, sind veränderungsmüde oder bewerten Veränderungen alsAngriff auf die lang gepflegte eigene Arbeitsweise (siehe dazu auchAbschnitt 3.2.1). Es hat sich gezeigt, dass ältere Mitarbeiterinnen undMitarbeiter in der Regel ein von einer jungen Führungskraft fix und fertigausgearbeitetes Konzept nicht annehmen. Vollendete Tatsachen zuschaffen, erzeugt maximalen Veränderungswiderstand.

Einer jungen Führungskraft ist daher zu raten, die Erfahrungswerte derÄlteren zu nutzen, indem sie diese in die Konzeptgestaltung und -umset-zung einbezieht. Das gibt ihr darüber hinaus die Gelegenheit, sich mitden Bedenken und Sorgen der Älteren auseinanderzusetzen. Diegemeinsame Lösungssuche vermittelt Wertschätzung und macht deut-lich, dass die junge Führungskraft nicht die Absicht hat, gegen ihre älte-ren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu arbeiten, sondern vielmehr mitihnen gemeinsam vorankommen möchte. Jederzeit hat die junge Füh-

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rungskraft allerdings das Recht (und die Pflicht), die Diskussion mit eige-nen Vorschlägen anzuregen und im Interesse der Organisation am Endegegebenenfalls auch unliebsame Veränderungsentscheidungen zutreffen.

4.3 Anforderungen im Bereich der Kommunikation undInformation

Als zentrales Thema für junge Führungskräfte stellt sich in diesem Kriteri-enbereich tatsächlich das Finden einer gemeinsamen Sprache mit denälteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern heraus (siehe dazu auchAbschnitt 2.3). Eigene Ziele und Vorhaben sollten so anschaulich ver-deutlicht werden, dass auch die Älteren sich etwas darunter vorstellenkönnen. Daher ist es wichtig, dass junge Führungskräfte mit Beispielenund Bildern aus der Erfahrungs- und Lebenswelt der Älteren arbeiten.Sehr abstrakte, dem eigenen Studium oder der eigenen Ausbildung ent-liehene Darstellungen oder Ausflüge in die Bilder- und Sprachwelt deraktuellen Jugendkultur sollten sparsam und mit Fingerspitzengefühl ein-gesetzt werden. Adressatengerechte Kommunikation und Informationsind auch in der Konstellation „Jung führt alt“ der Schlüssel zum Erfolg.Es gilt das alte Sprichwort: „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nichtdem Angler.“ Darüber hinaus sollten sich junge Führungskräfte über dasregelmäßige Einholen von Feedback vergewissern, dass sie so verstan-den wurden, wie sie es beabsichtigt hatten.

4.4 Anforderungen im Bereich der Organisation vonArbeitsabläufen

Wichtig für junge Führungskräfte ist hier vor allem, sich stets bewusst zumachen, dass Ältere und Jüngere ein unterschiedliches Lerntempohaben und sich unterschiedlich schnell für Neues begeistern. Das giltinsbesondere für den Umgang mit neuen Medien. Aber auch bei allenanderen Veränderungsvorhaben werden den jungen Führungskräften vorallem Durchhaltevermögen und ein langer Atem abverlangt.

Durch eine aktive Unterstützung seitens der Führungskraft – insbeson-dere in der Umstellphase – kann älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern die inhaltliche Furcht vor Veränderungen genommen werden. EinMitarbeiter, der viele Jahre in einem Berufsalltag ohne Veränderungengelebt hat, fühlt sich schnell überfordert oder hat Angst, zu versagen.

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Hilfreich ist hier, klar zu kommunizieren, dass niemand allein gelassenwird, sondern alle in ein Team eingebunden sind und von der Führungs-kraft persönlich unterstützt werden. Indem sie sich selbst in die neueThematik einarbeitet und die einzelnen Arbeitsschritte detailliert mit ihrenälteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bespricht, kann eine junge Füh-rungskraft einen Veränderungsprozess intensiv begleiten. Sie sollte sichviel Zeit nehmen und jeden – auch noch so kleinen – Fortschritt anerken-nen. Regelmäßiges, vor allem positives, stärkendes und stützendesFeedback fördert die Bereitschaft älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,sich auf Veränderungen einzulassen.

Die junge Führungskraft sollte allerdings nicht versäumen, sich nach dererfolgreichen Einführung einer Neuerung wieder zurückzuziehen und dieweitere Umsetzung ihren Mitarbeitern zu überlassen. Es gilt das Prinzipder Hilfe zur Selbsthilfe. Junge Führungskräfte sollten insbesondere beider Umsetzung von Veränderungsprozessen wachsam sein für Rückde-legationsversuche. So versuchen ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterdes Öfteren, durch demonstrative Ahnungs- und Hilflosigkeit oder auchdurch Komplimente zu erreichen, dass die junge Führungskraft die ihnenzugewiesenen Aufgabengebiete wieder an sich nimmt. Hier gilt es, klareGrenzen zu ziehen und deutlich zu machen, dass es die Pflicht des Mitar-beiters ist, sich nach der erfolgreichen Umstellung in die Neuerungenweiter einzuarbeiten und darin Sicherheit und Routine zu entwickeln.

5 Handlungsempfehlungen für dieFührungskräfteentwicklung

Die durchgeführten Untersuchungen haben gezeigt, dass für die Führungälterer Mitarbeiter bedeutsame Konfliktkonstellationen besonders in derersten Führungsposition der jungen Führungskräfte auftreten. Dahersollte das Thema „Jung führt alt“ schon in die Nachwuchsführungskräfte-entwicklung Eingang finden.

Nachwuchsführungskräftetrainings sollten die Konstellation „Jung führtalt“ im Rahmen einer didaktischen Triade aus Haltung, Wissen sowieFähigkeiten und Fertigkeiten („Skills“) bearbeiten.

Im Bereich der Haltung sollte angehenden Führungskräften die Gelegen-heit gegeben werden, sich mit Altersstereotypen bei sich selbst und inihrem Umfeld vertraut zu machen und einen bewussten Umgang damit

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zu erlernen. Prägende Erfahrungen mit Älteren aus der persönlichen Bio-grafie sollten zugänglich gemacht und in ihrer Bedeutung für das eigeneFührungshandeln thematisiert werden. Darüber hinaus ist es wichtig, dierealistische Auseinandersetzung mit den eigenen Führungsidealen zufördern. Schließlich gilt es, die Bereitschaft zu wecken, sich auf ältereMitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ehrlichem Interesse und einer koope-rativen Grundhaltung einzulassen.

Die Wissensvermittlung in Nachwuchsführungskräftetrainings solltemoderne Ergebnisse der Altersforschung beinhalten und die Anforderun-gen an altersgerechtes Führen aufzeigen. Darüber hinaus ist es notwen-dig, die typischen Spannungsfelder in der Konstellation „Jung führt alt“aufzuzeigen. Dies verdeutlicht den Nachwuchsführungskräften, dass essich hier um ein überindividuelles Phänomen handelt und schafft persön-liche Entlastung, wenn die Spannungsfelder in der ersten Führungsposi-tion dann auch tatsächlich auftreten.

Im Bereich der Skills sollten Nachwuchsführungskräfte mit erfolgreichemund erfolglosem Führungsverhalten im Kontext von „Jung führt alt“ kon-frontiert werden. Es ist wichtig, das Lernen hier möglichst anschaulichund erfahrungsgeleitet zu gestalten. So sollte neben den klassischenTrainingsmethoden des Rollenspiels oder der Case Study insbesonderedie Bearbeitung eigener Fälle Eingang in die Ausbildung finden.

Wenn junge Führungskräfte ihre erste Führungsposition einnehmen, soist es sinnvoll, sie durch ein Führungswechselcoaching zu begleiten. Diebewährten Coachingformate (Fischer 2002; Metz/Rinck 2010) solltendabei mit den Erkenntnissen zur Thematik „Jung führt alt“ angereichertwerden. So können auch in diesem Rahmen persönliche Haltungen bear-beitet, Wissen vermittelt und auftretende Spannungsfelder maßgeschnei-dert analysiert werden. Den jungen Führungskräften wird dadurch ermög-licht, persönlich stimmige Vorgehensweisen zu entwickeln.

Die Untersuchungen haben gezeigt, dass junge Führungskräfte insbe-sondere bei der Entwicklung von internalen BewältigungsstrategienUnterstützung benötigen. Bei der internalen Bewältigung ändert derBetroffene die innere Einstellung zu der als belastend empfundenenSituation. Dabei können die Stressoren nicht beeinflusst werden, jedochdie daraus resultierende, emotionale Reaktion. Eigene Grenzen werdenanerkannt. Es besteht grundsätzlich Kompromissbereitschaft bzw. dieBereitschaft, die innere Haltung, eigene Einstellungen oder Wertmaß-

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stäbe an das äußere Geschehen anzupassen und damit das Konflikter-leben zu reduzieren. Dieser Stil ist vergleichbar mit „Einsicht in die Not-wendigkeit“ oder auch mit der Bereitschaft „seinen Frieden“ mit denGegebenheiten zu schließen, ohne deren Existenz an sich zu leugnen.

Im Bereich der problemzugewandten, lösungsorientierten, externalenBewältigungsansätze, die darauf ausgerichtet sind, das Umfeld und diehandelnden Personen zu verändern, gibt es bei jungen Führungskräftendagegen oft schon sehr konkrete Vorstellungen. Diese können in einemFührungswechselcoaching auf ihre Angemessenheit für die aktuelleSituation überprüft werden.

Eine weitere Möglichkeit der Unterstützung junger Führungskräftebesteht in der Etablierung von Mentorenprogrammen. Ältere und erfah-rene Führungskräfte, die den jungen Führungskräften an die Seitegestellt werden, können hier eine besondere Lotsenfunktion einnehmen.Als „erfahrene Reisende“ sind sie in ihrem Führungsalltag, insbesonderezu Beginn ihrer eigenen Karriere, vermutlich an ähnlichen Stationen vor-beigekommen, mit denen sich die junge Führungskraft aktuell konfrontiertsieht. Es ist ihnen daher möglich, eigene, als erfolgreich erlebte Füh-rungserfahrungen weiterzugeben.

Darüber hinaus befinden sich ältere Führungskräfte persönlich häufig indenselben Lebenslagen und haben ähnliche Befindlichkeiten, wie ältereMitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie können jüngeren Führungskräftendaher Reflexionspartner sein und am eigenen Empfinden sowie an dereigenen Wahrnehmung spiegeln, wie Auftreten und Verhalten der jungenFührungskraft wirken. Um gute Lotsen für das Feld „Jung führt alt“ zusein, sollten sich die Mentoren allerdings ihrerseits mit altersgerechterFührung auskennen und eine eigene positive Haltung zum Alter haben.Es empfiehlt sich daher, die Übernahme der Mentorenfunktion durch vor-bereitende Trainings und gegebenenfalls begleitende Supervision zuunterstützen.

6 Literatur

Armutat, Sascha (2011): Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Genera-tion Y finden, fördern und binden, in: DGFP e. V. Praxis Papier9/2011

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Bartsch, Silke/Specht, Nina (2009): The Critical Incident Technique (CIT),in: Schwaiger, Manfred/Meyer, Anton (Hrsg.): Theorien und Metho-den der Betriebswirtschaft: 377–400, München

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