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7 Epithelgewebe Epithelien sind Verbände aus polar gebauten Zellen, die dicht an dicht sitzen, mit einem Minimum an Extrazellulärraum dazwischen. Die Zellen sind durch Zellkon- takte untereinander verbunden und an einer Basalmembran verankert. Alle Epi- thelien sind grenzbildend, mit ihrer Hilfe wird der Extrazellulärraum des Organis- mus in verschiedene Kompartimente unterteilt. Je nach Lokalisation und vorherrschender Funktion kann man Oberflächen- und Drüsenepithelien unterscheiden. Oberflächenepithelien bedecken die äußere Körperoberfläche und kleiden im Inneren alle natürlichen Hohlräume aus, egal ob es sich um makroskopische Kavitäten oder um mikroskopisch kleinste Gänge und Kanäle handelt. Eine wesentliche Funktion aller Oberflächenepithelien ist die Erstellung einer Diusionsbarriere zwischen dem Lumen, das sie ausklei- den, und dem subepithelialen Raum. Drüsenepithelien betreiben in erster Linie Sekretion (S. 46). Diese Einteilung ist allerdings eine grobe Vereinfachung, denn auch Drüsenepithelien müssen Barrierefunktion erfüllen und viele Oberflä- chenepithelien betreiben auch Sekretion. Epithelien können aus allen drei Keimblättern (S. 520) hervorgehen. Einige, die aus dem Mesoderm stammen, werden als Mesothel bezeichnet (Auskleidung von Peritoneal-, Pleura- und Perikardhöhle). Die Auskleidung des Herzens sowie der Blut- und Lymphgefäße heißt Endothel. Gemeinsame Merkmale der Epithelien. Ungeachtet der großen Vielfalt der Epithe- lien gibt es einige gemeinsame Merkmale: Polare Bau- und Funktionsweise der Zellen (Abb. 1.1); Zellkontakte: Gesetzmäßige Verknüpfung der Zellen durch Tight junctions, Adhärenskontakte, Desmosomen und Gap junctions; Basalmembran: Verankerung des Epithels an der Unterlage. Bei einer Epithelzelle können Apex (apikaler Pol, zur freien Oberfläche hin) und Basis (basaler Pol) unterschieden werden. Entsprechend ist die Plasmamembran in eine apikale und eine basolaterale Domäne gegliedert. Die Grenze wird durch die Tight junctions (S. 39) gebildet. Die Basalmembran und ihr ultrastrukturelles Korrelat (Basallamina plus Lamina fibroreticularis) werden im Kapitel Bindegewebe näher besprochen (S. 125). Die Basalmembran ist ein komplex aufgebauter extrazellulärer Teppich, der die Ver- ankerung des Epithels am subepithelialen Bindegewebe vermittelt. Dieses Binde- gewebe wird, wenn es sich um die Auskleidung (Schleimhaut, Mukosa) von Hohl- organen wie Verdauungs-, Respirations- oder Urogenitaltrakt handelt, als Lamina propria bezeichnet. Mukosa = Epithel + Lamina propria. 96 7 Epithelgewebe 7 aus: Lüllmann-Rauch, Histologie (ISBN 9783131292438) © 2009 Georg Thieme Verlag KG

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Epithelien sind Verbände aus polar gebauten Zellen, die dicht an dicht sitzen, miteinemMinimum an Extrazellulärraum dazwischen. Die Zellen sind durch Zellkon-takte untereinander verbunden und an einer Basalmembran verankert. Alle Epi-thelien sind grenzbildend, mit ihrer Hilfe wird der Extrazellulärraum des Organis-mus in verschiedene Kompartimente unterteilt.

Je nach Lokalisation und vorherrschender Funktion kann man Oberflächen-und Drüsenepithelien unterscheiden. Oberflächenepithelien bedecken dieäußere Körperoberfläche und kleiden im Inneren alle natürlichen Hohlräumeaus, egal ob es sich ummakroskopische Kavitäten oder ummikroskopisch kleinsteGänge und Kanäle handelt. Eine wesentliche Funktion aller Oberflächenepithelienist die Erstellung einer Diffusionsbarriere zwischen dem Lumen, das sie ausklei-den, und dem subepithelialen Raum. Drüsenepithelien betreiben in ersterLinie Sekretion (S. 46ff). Diese Einteilung ist allerdings eine grobe Vereinfachung,denn auch Drüsenepithelien müssen Barrierefunktion erfüllen und viele Oberflä-chenepithelien betreiben auch Sekretion.

Epithelien können aus allen drei Keimblättern (S. 520) hervorgehen. Einige,die aus dem Mesoderm stammen, werden als Mesothel bezeichnet (Auskleidungvon Peritoneal-, Pleura- und Perikardhöhle). Die Auskleidung des Herzens sowieder Blut- und Lymphgefäße heißt Endothel.

Gemeinsame Merkmale der Epithelien. Ungeachtet der großen Vielfalt der Epithe-lien gibt es einige gemeinsame Merkmale:• Polare Bau- und Funktionsweise der Zellen (Abb. 1.1);• Zellkontakte: Gesetzmäßige Verknüpfung der Zellen durch Tight junctions,

Adhärenskontakte, Desmosomen und Gap junctions;• Basalmembran: Verankerung des Epithels an der Unterlage.Bei einer Epithelzelle können Apex (apikaler Pol, zur freien Oberfläche hin) undBasis (basaler Pol) unterschieden werden. Entsprechend ist die Plasmamembranin eine apikale und eine basolaterale Domäne gegliedert. Die Grenze wird durchdie Tight junctions (S. 39) gebildet.

Die Basalmembran und ihr ultrastrukturelles Korrelat (Basallamina plus Laminafibroreticularis) werden im Kapitel Bindegewebe näher besprochen (S. 125). DieBasalmembran ist ein komplex aufgebauter extrazellulärer Teppich, der die Ver-ankerung des Epithels am subepithelialen Bindegewebe vermittelt. Dieses Binde-gewebe wird, wenn es sich um die Auskleidung (Schleimhaut, Mukosa) von Hohl-organen wie Verdauungs-, Respirations- oder Urogenitaltrakt handelt, als Laminapropria bezeichnet. Mukosa = Epithel + Lamina propria.

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7.1 Oberflächenepithelien

Die formale Klassifizierung der Oberflächenepithelien (Abb. 7.1) richtet sich nachfolgenden Kriterien: Zahl der Zellschichten (einschichtig oder mehrschichtig) undForm der Zellen (platt oder prismatisch). Für die genauere Klassifizierung einesmehrschichtigen Epithels ist die Form der Zellen in der obersten Lage maßgebend.Lediglich beimUrothel ist dieses Kriteriumnicht anwendbar, da die oberflächlichenZellen ihre Form je nach Funktionszustand verändern. Zur vollständigen Beschrei-bung eines Epithels gehört außerdem, falls vorhanden, die Erwähnung besondererOberflächenstrukturen (z.B. Bürstensaum, Kinozilien).

7.1.1 Einschichtige Epithelien

In einschichtigen Epithelien sitzen grundsätzlich alle Zellen auf der Basalmembran(Abb. 7.2a–d). Beim einfachen Epithel (Epithelium simplex) sind alle Zellen gleichhoch und erreichen mit ihrem Apex die freie Oberfläche. Die Zellkerne liegen allewie aufgereiht in derselben Höhe. Dasmehrreihige Epithel (Epithelium pseudostra-tificatum) erweckt zwarden EindruckderMehrschichtigkeit, aber es sitzen alle Zel-len auf der Basalmembran (manche nurmit einem schmalen Fuß), allerdings errei-chen nicht alle Zellen die freie Oberfläche. Die Kerne sind in unterschiedlichenHöhen angeordnet; im Schnitt entsteht das Bild mehrerer Kernreihen.

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Abb. 7.1 Systematik der Oberflächenepithelien.

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Einfache Epithelien. Das einfache Plattenepithel besteht aus einer Lage von flachenZellen. Ihr Zellleib hat, in Aufsicht betrachtet, polygonale Form und ist oft so dünnausgewalzt, dass er im histologischen Schnitt kaum zu erkennen ist. Nur die Zell-kerne sind stets zu finden. Beispiele: Gefäßendothelien, Mesothelien, Epithel derLungenalveolen. Die Zellen der einfachen prismatischen Epithelien sind deutlichhöher als die im Plattenepithel und haben, in Aufsicht betrachtet, einen etwa hexa-gonalen Umriss. Im einfachen isoprismatischen (= kubischen) Epithel sind Höhe undBreite der Zellen gleich. Beispiele:mancheNierentubuli, Mesothel auf demOvar. Imeinfachen hochprismatischen Epithel (Zylinderepithel, Säulenepithel) sind die Zellenmehr hoch als breit (Abb. 7.2, Abb. 7.3). Einfache Zylinderepithelien kommen invie-len Hohlorganen vor. Beispiele: Oberflächenepithel in Magen, Darm, Gallenblase,Eileiter, Uterus.

Im mehrreihigen Epithel (Abb. 7.2, 7.3) sind alle Zellen prismatisch, jedoch unter-schiedlich hoch. Die hohen, das ganze Epithel durchspannenden Zellen sind dieFunktionsträger. Die niedrigen Zellen, die nicht die Oberfläche erreichen, werdenals Basalzellen bezeichnet und gelten als Reservezellen für den Zellnachschub. Bei-spiele: Epithelien in Nebenhodengang, Samenleiter, Luftröhre.

Oberflächendifferenzierungen. Viele Epithelien besitzen an der apikalen oder ba-salen Oberfläche besondere Strukturen (Abb. 7.3), die auf S. 14f schon besprochenwurden. Der Bürstensaum ist das lichtmikroskopische Korrelat des dichten Be-

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Abb. 7.2 Verschiedene Ty-pen von Oberflächenepi-thelien (Schema). a ein-schichtiges Plattenepithel;b einschichtig kubisch; c ein-schichtig zylindrisch, mit Bürs-tensaum und Becherzellen; dmehrreihig, mit Kinozilien undBecherzellen; e mehrschichti-ges unverhorntes Plattenepi-thel; f , g Urothel in der lee-ren und gefüllten Harnblase.BM, Basalmembran.

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satzes mit Mikrovilli. Besonders lange Mikrovilli erscheinen als Stereozilien(Samenwege). Epithel mit dichtem Kinozilienrasen wird als Flimmerepithel be-zeichnet. Manche Epithelien können aufgrund einer typischen Kombination vonMerkmalen unverkennbar bestimmten Organsystemen zugeordnet werden. Bei-spiele: Das Epithel des Dünn- und Dickdarmes ist immer ein einfaches Zylinderepi-thel mit Bürstensaum und Becherzellen (Schleim-produzierenden Zellen, S. 108).Das gesunde (nicht rauchgeschädigte) „respiratorische Epithel“ der großen Atem-wege ist stets einmehrreihiges Flimmerepithel mit Becherzellen (vgl. S. 106, Meta-plasie).

Junktionaler Komplex (Schlussleistenkomplex, Haftkomplex). Prismatische Epithe-lien sowie dasmehrschichtige Plattenepithel der Kornea unddasUrothelweisen imapikalen Bereich eine konstante Kombination von hintereinander gestaffelten Zell-kontakten auf (Abb. 4.3, S. 35): Tight junction, Zonula adhaerens und Desmosom.Dieser junktionale Komplex ist zwar lichtoptisch nicht erkennbar, wohl aber derkontraktile Gürtel aus Aktinfilamenten, der die Zonula adhaerens auf der intrazel-lulären Seite begleitet. Aufgrund seiner starken Anfärbbarkeit ist dieser Filament-gürtel in Flachschnitten durch den apikalen Epithelbereich als hexagonales Musterzu erkennen („Schlussleistennetz” der Lichtmikroskopie) (Abb. 7.3a).

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Abb. 7.3 Einschichtige Zylinderepithelien. a und b Einschichtiges Zylinderepithel(Dünndarm, Katze)mit Bürstensaum (BüS) und Becherzelle (BZ). Lpr, bindegewebige Laminapropria. N, Zellkerne. Bild a zeigt das „Schlussleistennetz“ (Flachschnitt durch die apikale Epi-thelregion). Eisenhämatoxylin. c Zweireihiges Zylinderepithel (Nebenhodengang, Mensch)mit Stereozilien (StZ). B, Basalzellen. HE. d Mehrreihiges Zylinderepithel mit Kinozilien(KiZ) und Becherzellen („respiratorisches Epithel“, menschliche Trachea). Man beachte dieLinie der Kinetosomen im apikalen Zytoplasma; diese fehlen bei Stereozilien. Goldner.Vergr. 800fach (a, b) und 560fach (c, d).

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Diffusionsbarrieren und transportierende Epithelien

Viele Epithelien bilden aufgrund ihrer Tight junctions eine Diffusionsbarriere zwischenzwei Kompartimenten des Extrazellulärraumes. Einige wenige Beispiele seien genannt:Darmepithel, Nierenepithelien, Endstücke und Ausführungsgänge exokriner Drüsen. Ge-fäßendothel der Hirnkapillaren (Blut-Hirn-Schranke), Plexus choroideus (Blut-Liquor-Schranke).

Neben ihrer Schrankenfunktion betreiben viele Epithelien auch Resorption oder Sekre-tion im Sinne von selektiver Durchschleusung hydrophiler Moleküle und Elektrolyte undhäufig auch vonWasser. Sie werden als transportierende Epithelien bezeichnet. Die eigent-liche Triebkraft ist stets dieNa+/K+-ATPase. EinBeispiel für das OrganisationsprinzipWasser-resorbierender Epithelien ist in Abb. 7.4a vereinfacht dargestellt. Durch „Verschiebung“ vonIonen und anderen gelösten Stoffen von der apikalen zur basolateralen Seite des Epithels

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Abb. 7.4 Transport durch Epithelien (stark vereinfachte Schemata am Beispiel des Dünn-darmepithels). a Resorption von Ionen und Wasser. Am basolateralen Zellpol pumpt dieNa+/K+-ATPase (rote Punkte) Na+ gegen einen Gradienten heraus (rote Pfeile). Am apikalenPol dringen Na+ und andere Stoffe durch Kanäle (grüne Durchgänge) oder Transporter(grüne Punkte) entlang dem durch die Ionenpumpe geschaffenen Gradienten hinein. In derZeichnung sind diejenigen Stoffe weggelassen, die apikal im Cotransport mit Na+ eindringenund basal durch passiven Transport wieder austreten (z.B. Glucose). Durch Anhäufung vonherausgepumpten Ionen und anderen gelösten Teilchen entsteht in den engen Interzellulär-spalten ein osmotischer Gradient, dem Wasser folgt, wahrscheinlich sowohl transzellulärdurchmembranständigeWasserkanäle aus Aquaporinen (AQP, blaue Quadrate) als auch para-zellulär durch die „lecken“ Tight junctions (tj). b Sekretion von Ionen undWasser. Die Na+/K+-ATPase erstellt den Gradienten für den sekundär aktiven Einwärtstransport von Cl– (überden basolateralen Na+-, K+-, 2 Cl–-Cotransporter). Cl– tritt durch apikale Kanäle aus, Na+ folgtdurch Na+-permeable Tight junctions. Wasser wird osmotisch nachgezogen.

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entsteht ein osmotischer Gradient, demWasser folgt, falls das Epithelwasserdurchlässig ist.Beispiele: Darm, Gallenblase, proximaler Nierentubulus. Ist ein resorbierendes Epithelwasserundurchlässig, so verlassen zwar Ionen, nicht jedochWasser das Lumen; die zurück-bleibende Flüssigkeit wird hypoton. Beispiele: Streifenstück der Mundspeicheldrüsen, dis-taler Nierentubulus. InWasser-sezernierenden Epithelienwird ein osmotischer Gradient inumgekehrter Richtung, also von basal nach apikal aufgebaut, demWasser folgt (Abb. 7.4b).Beispiele: Endstücke exokriner Drüsen, Epithelien von Darm, Luftwegen, kleinen Gallen-und Pankreasgängen. Hierbei spielt die apikale Abgabe von Cl–-Ionen meist eine wichtigeRolle; über Folgen der gestörten Cl–- und Wassersekretion bei genetischen Defekten desCFTR-Proteins, das u.a. als Cl–-Kanal fungiert, s. S. 411 (Cystische Fibrose = Mukoviszidose).

Die enge Struktur-Funktions-Beziehung kommt durch folgende Merkmale der transpor-tierenden Epithelien zum Ausdruck: (a) Tight junctions; (b) Oberflächenvergrößerung derPlasmamembran zur Unterbringung von Ionenpumpen; (c) reiche Ausstattung mit Mito-chondrienwegen des hohen Energieaufwandes. Für die Wasserdurchlässigkeit des Epithelsmachte man früher hauptsächlich die „lecken“ Tight junctions verantwortlich. Nach neu-eren Befunden kann aber auch die Plasmamembran der Epithelzellen aufgrund von spezifi-schenWasserkanälen (Aquaporinen)Wasserdurchlassen.Aquaporine sind Transmembran-proteine, deren Moleküle einen sanduhrförmigen Tunnel mit hydrophilem Inneren auf-weisen. Je nach Zelltyp gibt es unterschiedliche Aquaporine, daher auch unterschiedlicheDurchlässigkeiten für Wasser allein oder zugleich für weitere hydrophile Stoffe (z.B. Glyce-rin). Beispiele: Dünndarmepithel, proximaler Tubulus und Sammelrohr der Niere (Abb.19.13, S. 461).

7.1.2 Mehrschichtige Epithelien

Alle Epithelien, die mehr als zwei Zelllagen besitzen, lassen grundsätzlich einegrobe Gliederung in drei Stockwerke erkennen: Basal-, Intermediär- und Super-fizialschicht. In der Basalschicht finden die Mitosen für den Zellersatz statt. Vonhier steigen die Zellen auf und machen dabei eine Reifung (Differenzierung)durch, die erst in der Superfizialregion abgeschlossen ist. Je nach der Form derSuperfizialzellen sind mehrschichtige prismatische und mehrschichtige Platten-epithelien zu unterscheiden; Letztere gliedern sich je nach Differenzierung derobersten Zelllagen in einen unverhornten und einen verhornten Typ. Eine Sonder-form des mehrschichtigen Epithels ist das Urothel (Übergangsepithel).

Mehrschichtige prismatische Epithelien

Mehrschichtige prismatische Epithelien bestehen aus 2–5 Zelllagen. Sie kommen nur anwenigen Stellen des Körpers vor. Ein zweischichtiges isoprismatisches (kubisches) Epithelist beispielsweise in den Ausführungsgängen der Schweißdrüsen (S. 544) und amZiliarkörper des Auges (S. 582) zu finden. Beides sind transportierende Epithelien, indenen die zwei Zelllagen durch Gap junctions verbunden und daher funktionell wie eineSchicht zu betrachten sind. Mehrschichtige Zylinderepithelien kommen beispielsweise inden großen Ausführungsgängen der Speicheldrüsen, im Fornix conjunctivae (Abb. 26.13,S. 596) und in Teilen der männlichen Urethra (S. 466) vor.

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Mehrschichtige Plattenepithelien

Mehrschichtige Plattenepithelien besitzen meist viele (> 10) Zelllagen und sindüberall dort zu finden, wo die Oberfläche einer hohen mechanischen Beanspru-chung ausgesetzt ist. Die Struktur-Funktions-Beziehung wird dadurch deutlich,dass die Zellen von einem besonders dichten Netz aus Zytokeratinfilamenten(Tonofilamenten) durchzogen werden, untereinander durch besonders vieleDesmosomen verbunden sind und die Verankerung der untersten Zellschicht ander Basallamina durch Hemidesmosomen extra verstärkt ist (Abb. 4.1c auf S. 33,Abb 8.10 auf S. 128).

Unverhorntes und verhorntes Plattenepithel. Die mehrschichtigen Plattenepithe-lien im Körperinnerenwerden durchDrüsensekrete ständig befeuchtet und bleibenunverhornt (ausgenommen einige Stellen in der Mundhöhle). Unverhorntes mehr-schichtiges Plattenepithel findetman amBeginn und Ende des Verdauungssystems(Mundhöhle, Speiseröhre, Analkanal), auf der Plica vocalis des Kehlkopfes, am Aus-gang der Harnröhre, an der Wand der Vagina, auf der Portio vaginalis der Cervixuteri und an der freien Oberfläche des Augapfels (Hornhaut, Bindehaut; hier aller-dingsmit deutlichenModifikationen gegenüber den vorher genannten Lokalisatio-nen, S. 575). Ist die Epitheloberfläche dauerhaft und direkt der Luft (und damit derGefahr der Austrocknung) ausgesetzt, so differenzieren sich die obersten Zelllagenzu Hornzellen (verhorntes mehrschichtiges Plattenepithel, Epidermis der Haut).

Unverhorntes mehrschichtiges Plattenepithel

Dieses Epithel enthält meist mehr als 20 Zelllagen (Abb. 7.5a, 7.5b). Sie werden vierStockwerken zugeordnet, die etwa dem Reifungsfortschritt der Zellen bei ihrergemeinsamen Wanderung von unten nach oben entsprechen: Stratum basale,Str. parabasale, Str. intermedium, Str. superficiale. Das Stratum basale besteht auseiner Lage von zylindrischen Zellen mit kleinem, kräftig gefärbtem Zellleib (Kern/Plasma-Relation zu Gunsten des Kerns verschoben als Ausdruck der Unreife dieserZellen). Die Zellen des Stratum parabasale (mehrere Lagen) sind polygonal, derZellleib immer noch gut anfärbbar. Im Stratum intermedium (mehrere Zelllagen)wird der Zellkern dichter und das Zytoplasma auffallend blass. Die Verdichtungdes Zellkerns (Pyknose) und die Formänderung der Zellen setzen sich im Stratumsuperficiale fort, bis der Kern in den obersten Zelllagen ganz pyknotisch (aberimmer noch erkennbar) und der Zellleib weitgehend abgeplattet ist. Die oberstenZellen schilfern ab und werden fortlaufend durch nachrückende ersetzt. Dem „Ab-blassen“ des Zytoplasmas liegt ein wesentlicher Differenzierungsvorgang zu-grunde: Die Zellen des Str. intermedium und superficiale enthalten große MengenGlykogen (Abb. 7.5b), das durch die histologischen Standardfärbungen nicht zurDarstellung kommt; daher erscheint das Zytoplasma blass. Mit der PAS-Methode(S. 602) lässt sich das Glykogen jedoch deutlich anfärben. Es fehlt im Str. basale

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noch völlig und ist im Str. parabasale nur in Spuren vorhanden (als Ausdruck dergerade beginnenden Glykogensynthese). Von dem Glykogen leben vermutlich dieZellen (anaerobe Glykolyse) in den oberen Epithelbereichen, die weit ab von denversorgenden Blutgefäßen liegen. Hier sei darauf hingewiesen, dass Oberflächen-epithelien generell frei von Blutgefäßen sind. Die nächstenGefäße liegen unterhalbder Basalmembran im Bindegewebe.

Alle von basal nach superfizial fortschreitenden Änderungen der Zellen sind Aus-druck der zunehmenden Differenzierung. Sie fehlen, wenn die Zellen sich nur nochteilen, aber nicht mehr ausreifen: Dysplasie, Vorstufe der malignen Entartung zumPlattenepithel-Karzinom. Der Glykogennachweis (durch eine einfache Anfärbungdes Epithels bei der klinischen Untersuchung) wird in der praktischen Medizin ausge-nutzt, um an der Portio vaginalis der Cervix uteri (S. 512) regelrecht differenziertesvon nicht differenziertem Plattenepithel zu unterscheiden (Iodprobe nach Schiller);diese einfache diagnostische Maßnahme kann auch am Epithel der Mundhöhle undSpeiseröhre durchgeführt werden.

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Abb. 7.5 Mehrschichtige Plattenepithelien (Mensch). a und b Unverhorntes mehr-schichtiges Plattenepithel (Ösophagus). Schichten: Stratum basale (b), Str. parabasale (pb),Str. intermedium (int), Str. superficiale (sup). Unter dem Epithel die bindegewebige Laminapropria (Lpr). Bei Goldner-Färbung (a) erscheint das Zytoplasma in den oberen beiden Stratablass, in der PAS-Färbung (b) wird das Glykogen in diesen Schichten dargestellt. c Verhorntesmehrschichtiges Plattenepithel (Epidermis). Schichten: Stratum basale (b), Str. spinosum(spin), Str. granulosum (gr), Str. corneum (cor). Die Pfeile weisen auf die Basalmembran.D, bindegewebige Dermis. HE. Vergr. 150fach (a, b) und 500fach (c).

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Verhorntes mehrschichtiges Plattenepithel

Dies ist das typische Epithel der Haut, die Epidermis. Die Zellen werden als Kera-tinozyten bezeichnet (Einzelheiten S. 527ff). Hier sei nur die Schichtung erwähnt(Abb. 7.5c): Stratum basale (eine Lage aus zylindrischen Zellen), Str. spinosum(mehrere Lagen polygonaler Zellen), Str. granulosum (ca. 3 Lagen platter Zellenmit auffälliger Granulierung des Zytoplasmas: Keratohyalingranula), Str. corneum(variable Zahl von kernlosen, nicht mehr vitalen Hornzellen).

Die Verhornung beginnt im Str. granulosum und deutet sich durch die „Keratohyalin-granula“ an. Dies sind stark anfärbbare Zytoplasmabereiche, in denen Zytokeratinfilamenteund Begleitproteine (z.B. Profilaggrin) miteinander verbacken sind. Die vollständige Ver-hornung im Str. corneum ist u.a. dadurch gekennzeichnet, dass der Zellkern verschwindetund die Zytokeratinfilamente durch Quervernetzungen zu einem dichten, festen Materialwerden, das die gesamte Hornzelle ausfüllt und als Keratin bezeichnet wird (S. 530).

Am Zahnfleisch (S. 364) gibt esmehrschichtiges Plattenepithel, dasMerkmale des unver-hornten und des verhornten Typs aufweist und als parakeratinisiert klassifiziert wird. Ihmfehlt ein deutliches Str. granulosum; die obersten Zelllagen weisen noch Kernreste auf,ähneln aber im übrigen den Hornzellen. Im Gegensatz dazu ist das zuvor beschriebene Epi-thel der Haut als orthokeratinisiert zu bezeichnen.

Mehrschichtige Plattenepithelien als Diffusionsbarriere

Auch die mehrschichtigen Plattenepithelien müssen die Funktion einer Diffusionsbarriereerfüllen. Dies wird durch Versiegelung der Interzellulärspalten mittels polarer Lipide er-reicht (Lipidverschluss). Die Barriere-Lipide werden von den vitalen Zellen der oberenEpithelstockwerke gebildet und durch Exozytose ausgeschüttet. Diese Art der Barrierespielt besonders an der Epidermis eine Rolle (Abb. 22.2b, S. 528). Zusätzlich zum Lipidver-schluss gibt es ein kontinuierliches Netz von Tight junctions (beim verhornten Plattenepi-thel im Str. granulosum, beim unverhornten im oberen Drittel), das ebenfalls Bedeutungfür die Barriere hat. Bei den unverhorntenmehrschichtigen Plattenepithelien des Augapfelsliegen die Tight junctions zwischen den Superfizialzellen.

Urothel (Übergangsepithel)

Das Urothel (Epithelium transitionale) kleidet die ableitenden Harnwege aus: Nie-renbecken, Ureter, Harnblase und den oberen Teil der Urethra. Es ist ein mehr-schichtiges Epithel (Kommentar s.u.) mit Basal-, Intermediär- und Superfizial-schicht. Besonders auffällig sind die oberflächlichen Deckzellen (engl.: umbrellacells). Sie sind wesentlich größer als die tiefer gelegenen Zellen, aus denen siedurch Differenzierung hervorgehen; die Deckzellen sind oft polyploid oderhaben mehrere Zellkerne.

In der Harnblase muss sich das Urothel den Größenänderungen der Oberflächebei Füllung und Entleerung des Organs anpassen. Dabei ändern sich Epithelhöheund Zellform, was an der Form und Ausrichtung der Zellkerne abzulesen ist(Abb. 7.6). In der leeren (ungedehnten) Harnblase scheint das Urothel aus etwa5 (bis maximal 7) Zelllagen zu bestehen. Die Deckzellen buckeln sich in das

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Lumen vor. Bei gefüllter (gedehnter) Harnblase sind die Zellen in 3 Lagen angeord-net. Die Deckzellen sind platt, können einen Flächendurchmesser von 150 μm er-reichen und überdecken jeweils mehrere Intermediärzellen.

Die Deckzellen können die Größe ihrer apikalen Oberfläche verändern, indem sieganze Flecken vonMembranmaterial, das in Form von diskoiden (flachen) Vesikelnim Zytoplasma bereit liegt, in die apikale Plasmamembran einfügen und auch wie-der zurückholen (Abb. 19.14, S. 464). Außerdem stellen die Deckzellen eine beson-dere Permeabilitätsschranke gegenüberdemHarndar. Dazu sind sie durch typischejunktionale Komplexe (mit Tight junctions) untereinander verbunden und besitzenin der lumenwärtigen Plasmamembran spezielle transmembranäre Proteine (Uro-plakine) (S. 464).

Es wird immer wieder behauptet, dass einige oder alle Deckzellen mit einem dünnen Aus-läufer die Basallamina erreichen (entsprechend der Definition des mehrreihigen Epithels).Diese Frage ist bis heute nicht abschließend geklärt. – Crusta urothelialis ist eine irrefüh-rende Bezeichnung für das apikale Zytoplasma der Deckzellen, das sich meist stärker an-färbt als der übrige Zellleib. Hierfür ist der lokal hohe Gehalt an Filamenten und diskoidenVesikeln verantwortlich.

7.1.3 Zellumsatz in Oberflächenepithelien

Die Zellen der Oberflächenepithelienwerden ständig erneuert: Natürlicher Zelltodund Nachschub von neuen Zellen müssen sich die Waage halten (Zellumsatz). DerZellumsatz wird durch zahlreiche Faktoren streng reguliert und besteht aus den

7.1 Oberflächenepithelien 105

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Abb. 7.6 Urothel (Übergangsepithel) (Katze). a Leere (ungedehnte) Harnblase.b Gefüllte (gedehnte) Harnblase. DZ, Deckzellen. Lpr, bindegewebige Lamina propria.Azan. Vergr. 400fach.

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Komponenten Zellproliferation (Zellvermehrung), Zelldifferenzierung und pro-grammierter Zelltod (Apoptose, S. 85).

Für die Proliferation ist diemitotischeAktivität einer bestimmten Zellpopulation(Transit-Amplifizierungszellen, S. 82) verantwortlich, die in jedemEpithel eine cha-rakteristische Lokalisation hat, z.B. bei den mehrschichtigen Plattenepithelien imStratum basale. Außerdem wird ein kleiner, aber nahezu unerschöpflicher Vorratvon ruhenden Stammzellen (S. 82) bereitgehalten, aus dembei Bedarf jederzeit tei-lungsfreudige Zellen abgerufen werden können. Sobald eine Zelle aus der Popula-tion der mitotisch aktiven Zellen heraustritt undmit ihrerDifferenzierung beginnt,läuft ihre Lebensuhr. Die Erneuerungsrate ist je nach Epithel und Organ sehr unter-schiedlich. Beispiele: Dünndarmzotten 5 Tage, Wangenschleimhaut etwa 14 Tage,Epidermis etwa 30 Tage, Urothel etwa 300 Tage.

Metaplasie bezeichnet die „Umwandlung“ eines differenzierten Gewebetyps ineinen anderen und kann grundsätzlich in allen Geweben vorkommen, hat aber inder praktischen Medizin gerade für die Epithelien besondere Bedeutung. Beispiele:einschichtiges Zylinderepithel→mehrschichtiges unverhorntes Plattenepithel (Portiovaginalis, S. 512); mehrreihiges respiratorisches Epithel → mehrschichtiges Platten-epithel (Folge von chronischem Rauchen); mehrschichtiges unverhorntes Plattenepi-thel → einschichtiges, Schleim-bildendes Zylinderepithel (im unteren Ösophagus,S. 372). Eine solche Umwandlung beruht auf einer Umstellung des Differenzierungs-programms der nachwachsenden Epithelzellen und ist Ausdruck der Anpassung anÄnderungen des Milieus oder Folge einer chronischen Irritation. Die Epithelzellen imBereich einer Metaplasie neigen verstärkt zur malignen Entartung (Entstehung einesKarzinoms).

7.2 Drüsenepithelien

Drüsen sind Epithelzellverbände oder Einzelzellen, die einen Stoffmit biologischerFunktion herstellen (Sekret) und in den Extrazellulärraum ausschütten. Die meis-ten Drüsen liegen im Bindegewebe unterhalb des Oberflächenepithels, aus demsie embryologisch folgendermaßen entstanden sind: Ein zapfenartiger Zellver-band wächst von der Oberfläche in das darunter liegende Bindegewebe und dif-ferenziert sich zu einemVerband sezernierender Zellen (Endstück).Wenn die Ver-bindung zur Oberfläche direkt oder in Form eines Ganges (Ausführungsgang) er-halten bleibt und das Sekret über diesen Weg abgeleitet wird, handelt es sich umeine exokrine Drüse. Wenn die Verbindung zur Oberfläche in der weiteren Or-ganentwicklung verschwindet, wird das Sekret (dann als Hormon bezeichnet) inden Extrazellulärraum des umgebenden Bindegewebes abgegeben und gelangtin die Blutbahn (endokrine Drüse, S. 414). Im Folgenden wird nur der allgemeineAufbau der exokrinen Drüsen besprochen. Die spezielle Histologie der verschiede-nen exokrinen Drüsen wird andernorts beschrieben (z.B. Speicheldrüsen S. 350;

106 7 Epithelgewebe

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aus: Lüllmann-Rauch, Histologie (ISBN 9783131292438) © 2009 Georg Thieme Verlag KG