85. Schreiben Als Mentaler Und Sprachlicher Prozeß

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1005 85. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß 85. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß 1. Einleitung 2. Schreiben als Problemlöseprozeß 3. Vom Schreibenlernen zur Schreibkompetenz: Entwicklungspsychologische Aspekte 4. Vom Gedanken zum Wort: Schreiben als Sprachproduktion 5. Aufgabenspezifische Strategien der Textproduktion 6. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß: Grenzen der Modelle 7. Literatur 1. Einleitung Der Begriff Schreiben im engen Sinne be- zeichnet die graphomotorischen Prozesse bei der Produktion schriftlicher Äußerungen (Art. 86). Eine weite Auslegung des Begriffs umfaßt dagegen alle übergeordneten Ebenen der Planung und Redaktion von Texten, ins- besondere jene Aspekte, in denen sich Schrei- ben vom Sprechen unterscheidet (Art. 77). Für alle gezielten Aktivitäten, die Schreiben als mentalen und sprachlichen Prozeß cha- rakterisieren, wurde der Begriff Textproduk- tion eingeführt. Gegenstand dieses Artikels sind Modelle der Textproduktion. Schreiben in diesem Sinne war zwar schon immer ein Thema der Rhetorik und Stilistik (z. B. Ueding 1985; Ueding & Steinbrink 1986; Ludwig 1988), die systematische Analyse und Modellierung der Textproduktion wurde je- doch erst in den letzten zwei Jahrzehnten ge- leistet. Zur Textproduktion gibt es eine Vielzahl heterogener Ansätze, was eine repräsentative Auswahl homogen gruppierter Modelle er- schwert. Eine Klassifikation nach strukturel- len Gesichtspunkten würde z. B. sequentielle Modelle umfassen, wie sie der didaktischen Konzeption „Planen Schreiben Überar- beiten“ zugrunde liegen (s. Ludwig 1989; Roh- man 1965; Coe 1986), und solche Modelle, die den Schreibprozeß entlang der linguisti- schen Ebene aufteilen (z. B. Beaugrande 1984, s. u. Zf. 2 und 4). Modelle können auch nach ihrer Herkunft klassifiziert werden: Je nachdem, ob sie aus einer pädagogischen, lin- guistischen oder psychologischen Perspektive entwickelt wurden, bilden sich unterschiedli- che Schwerpunkte für die Erkenntnisgewin- nung heraus. Die zunehmende Grenzverwi- schung zwischen den Fächern läßt dieses Klassifikationskriterium allerdings wenig sinnvoll erscheinen (vgl. Sammelband von Antos & Krings 1989). Aus diesen Gründen werden die im folgen- den dargestellten Modelle nach inhaltlichen Schwerpunkten gruppiert: Schreiben als Pro- blemlöseprozeß (Zf. 2), als Erwerb von Fä- higkeitskomplexen (Zf. 3), als Sprachproduk- tion (Zf. 4) sowie aufgabenspezifische Mo- delle der Textproduktion (Zf. 5). Der Modell- begriff ist hierbei sehr weit gefaßt und wird auch auf einfache Verlaufsschemata oder ge- ordnete Listen von Handlungen und Pro- zessen angewandt, die laut Forschung die Grundlage verschiedener Schreibaktivitäten bilden. 2. Schreiben als Problemlöseprozeß Beim derzeit populärsten Ansatz wird Schrei- ben als Problemlöseprozeß aufgefaßt (z. B. Hayes & Flower 1980; Beaugrande 1984; Ei- gler 1985, Eigler et al. 1990; Ludwig 1983; Molitor 1984). Dieser Ansatz löste die lang favorisierte Vorstellung des Schreibens als se- quentiellem Prozeß mit eingrenzbaren, chro- nologisch angeordneten Produktionsstufen ab. In den linguistisch fundierten sequentiel- len Schreibmodellen wurde der Schreibpro- zeß als Sequenz von meistens fünf aufeinan- der folgenden (und aufeinander aufbauen- den) Stufen angesehen. Demnach werden beim Schreiben zunächst pragmatische, dann semantische, syntaktische und lexikalische Entscheidungen getroffen, die schließlich mit- tels Buchstabenketten graphisch umgesetzt werden (s. Abb. 85.1). Der Problemlöse-Ansatz dagegen betont die Interaktivität dieser Prozesse. Er ver- dankt seine Verbreitung im wesentlichen den Arbeiten von John Hayes und Linda Flower (z. B. Hayes & Flower 1979), die bei der Analyse handlungsbegleitender Verbalisatio- nen von Autoren die klassischen Kategorien der Problemlöse-Literatur wiederfanden: die Formulierung von Zielen und Problemen, vorwärtsgerichtete Suchprozesse nach einer geeigneten Vorgehensweise (d. h. nach einer Sequenz von Operatoren) zur Erreichung dieser Ziele, sowie die Analyse und Bewer- tung der Lösungswege beim Auftreten von Schwierigkeiten im Lösungsvorgang.

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100585. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

85. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

1. Einleitung2. Schreiben als Problemlöseprozeß3. Vom Schreibenlernen zur Schreibkompetenz:

Entwicklungspsychologische Aspekte4. Vom Gedanken zum Wort: Schreiben als

Sprachproduktion5. Aufgabenspezifische Strategien der

Textproduktion6. Schreiben als mentaler und sprachlicher

Prozeß: Grenzen der Modelle7. Literatur

1. Einleitung

Der Begriff Schreiben im engen Sinne be-zeichnet die graphomotorischen Prozesse beider Produktion schriftlicher Äußerungen (!Art. 86). Eine weite Auslegung des Begriffsumfaßt dagegen alle übergeordneten Ebenender Planung und Redaktion von Texten, ins-besondere jene Aspekte, in denen sich Schrei-ben vom Sprechen unterscheidet (! Art. 77).Für alle gezielten Aktivitäten, die Schreibenals mentalen und sprachlichen Prozeß cha-rakterisieren, wurde der Begriff Textproduk-tion eingeführt. Gegenstand dieses Artikelssind Modelle der Textproduktion. Schreibenin diesem Sinne war zwar schon immer einThema der Rhetorik und Stilistik (z. B.Ueding 1985; Ueding & Steinbrink 1986;Ludwig 1988), die systematische Analyse undModellierung der Textproduktion wurde je-doch erst in den letzten zwei Jahrzehnten ge-leistet.

Zur Textproduktion gibt es eine Vielzahlheterogener Ansätze, was eine repräsentativeAuswahl homogen gruppierter Modelle er-schwert. Eine Klassifikation nach strukturel-len Gesichtspunkten würde z. B. sequentielleModelle umfassen, wie sie der didaktischenKonzeption „Planen ! Schreiben ! Überar-beiten“ zugrunde liegen (s. Ludwig 1989; Roh-man 1965; Coe 1986), und solche Modelle,die den Schreibprozeß entlang der linguisti-schen Ebene aufteilen (z. B. Beaugrande1984, s. u. Zf. 2 und 4). Modelle können auchnach ihrer Herkunft klassifiziert werden: Jenachdem, ob sie aus einer pädagogischen, lin-guistischen oder psychologischen Perspektiveentwickelt wurden, bilden sich unterschiedli-che Schwerpunkte für die Erkenntnisgewin-nung heraus. Die zunehmende Grenzverwi-schung zwischen den Fächern läßt diesesKlassifikationskriterium allerdings wenig

sinnvoll erscheinen (vgl. Sammelband vonAntos & Krings 1989).

Aus diesen Gründen werden die im folgen-den dargestellten Modelle nach inhaltlichenSchwerpunkten gruppiert: Schreiben als Pro-blemlöseprozeß (Zf. 2), als Erwerb von Fä-higkeitskomplexen (Zf. 3), als Sprachproduk-tion (Zf. 4) sowie aufgabenspezifische Mo-delle der Textproduktion (Zf. 5). Der Modell-begriff ist hierbei sehr weit gefaßt und wirdauch auf einfache Verlaufsschemata oder ge-ordnete Listen von Handlungen und Pro-zessen angewandt, die laut Forschung dieGrundlage verschiedener Schreibaktivitätenbilden.

2. Schreiben als Problemlöseprozeß

Beim derzeit populärsten Ansatz wird Schrei-ben als Problemlöseprozeß aufgefaßt (z. B.Hayes & Flower 1980; Beaugrande 1984; Ei-gler 1985, Eigler et al. 1990; Ludwig 1983;Molitor 1984). Dieser Ansatz löste die langfavorisierte Vorstellung des Schreibens als se-quentiellem Prozeß mit eingrenzbaren, chro-nologisch angeordneten Produktionsstufenab. In den linguistisch fundierten sequentiel-len Schreibmodellen wurde der Schreibpro-zeß als Sequenz von meistens fünf aufeinan-der folgenden (und aufeinander aufbauen-den) Stufen angesehen. Demnach werdenbeim Schreiben zunächst pragmatische, dannsemantische, syntaktische und lexikalischeEntscheidungen getroffen, die schließlich mit-tels Buchstabenketten graphisch umgesetztwerden (s. Abb. 85.1).

Der Problemlöse-Ansatz dagegen betontdie Interaktivität dieser Prozesse. Er ver-dankt seine Verbreitung im wesentlichen denArbeiten von John Hayes und Linda Flower(z. B. Hayes & Flower 1979), die bei derAnalyse handlungsbegleitender Verbalisatio-nen von Autoren die klassischen Kategoriender Problemlöse-Literatur wiederfanden: dieFormulierung von Zielen und Problemen,vorwärtsgerichtete Suchprozesse nach einergeeigneten Vorgehensweise (d. h. nach einerSequenz von Operatoren) zur Erreichungdieser Ziele, sowie die Analyse und Bewer-tung der Lösungswege beim Auftreten vonSchwierigkeiten im Lösungsvorgang.

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1006 VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

pragmatischeEbene/Pläne

semantischeEbene/Bedeutung

syntaktischeEbene/Phrasen-struktur

lexikalischeEbene/Wörter

phonemisch-graphemischeEbene/Laute,Buchstaben

Zeit

TE

XT

OB

ER

FLÄ

CH

EAU

TO

R/S

PR

EC

HE

R

Abb. 85.1: Schema eines sequentiellen Schreibmodells (nach Beaugrande (1982 a, 236); übers. v. d. Verf.)

AUFGABENUMFELD

Schreibauftrag

- Thema- Adressat- Motivation

bisher geschriebeneTextteile

SCHREIBPROZESS

Langzeitgedächtnisdes Autors

- Wissen zum Thema- Wissen über Adressat- vorhandene Pläne

Struktu-rieren

FORMULIEREN ÜBERARBEITEN

Ziele setzen

KONTROLL-/STEUERUNGSINSTANZ

Gene-rieren

Lesen

Revi-dieren

PLANEN

Abb. 85.2: Allgemeines Modell der Textproduktion (nach Hayes & Flower (1980, 11); übers. v. d. Verf.)

2.1. Das Ur-Modell von Hayes & Flower1980

2.1.1. GlobalmodellDas Modell von Hayes & Flower 1980 erfülltdie Bedingungen eines Problemlösemodellsweitgehend: Es nennt Ziele, Probleme, eineSequenz von Operatoren und enthält einenMechanismus zur Analyse und Bewertungdes Lösungsvorgangs (s. Abb. 85.2).

Die Schreibaufgabe stellt das Problem dar,dessen Lösung die erfolgreiche Durchfüh-rung verschiedener Prozesse erfordert, die alsZielhierarchie angegeben werden. Dabei han-delt es sich um die aus der Schreibdidaktikbekannten Prozesse des Planens (planning),Formulierens (translating) und Überarbeitens(reviewing), deren Abfolge und Interaktion

durch eine Kontroll- und Steuerungsinstanz! dem sogenannten Monitor ! reguliert wer-den. Jeder dieser Prozesse ist seinerseits inweitere Teilprozesse aufteilbar, die zur Errei-chung entsprechender Teilziele notwendigsind (s. u. Zf. 2.1.2).

Inhalt und Gestaltung sämtlicher Prozessewerden nach Hayes & Flower durch dieSchreibsituation und das Langzeitgedächtnisdes Schreibenden beeinflußt. Hier werden dieBedingungen, das notwendige Wissen, diePrüfkriterien und Einschränkungen genannt,denen der Schreibprozeß unterliegt. Das Mo-dell setzt keine feste Abfolge zwischen denProzessen voraus, und alle Prozesse könnenbeliebig oft wiederholt werden. Mit dem Mo-nitor, der nach bestimmten Regeln die Ab-folge der Prozesse reguliert, wird die Schreib-

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strategie des Autors beschrieben. Formal hatdiese Kontrollinstanz die Struktur eines Pro-duktionssystems (Anderson 1980). Damit las-sen sich kognitive Fertigkeiten als Regeln be-schreiben, die angeben, unter welchen Bedin-gungen welche Handlungen bzw. Operatio-nen erfolgen sollen. Ein Produktionssystembesitzt demnach zwei Seiten: auf der linkenSeite die Bedingung, auf der rechten Seite dieAktion. Die Bedingung gibt an, unter wel-chen Umständen die Produktionsregel gilt,die Aktion bezeichnet die zu erfolgende Ope-ration, wobei es sich um Verhaltensweisen(äußere Operationen) oder kognitive (innere)Operationen handeln kann.

Aus den Produktionsregeln geht also her-vor, unter welchen Bedingungen ein Prozeßeingeleitet bzw. abgebrochen wird, und wie dieInteraktivität der Prozesse zustande kommt.Die Verlagerung des Arbeitsschwerpunktesgeht nach Hayes & Flowers Auffassung mitzunehmender Fertigstellung des Textes ein-deutig von links nach rechts, d. h. von derInhaltsgenerierung zum Formulieren undÜberarbeiten (s. u. Beaugrande 1980, Zf.2.2.2).

Unter dem Problemlöseparadigma wurdendie Hauptprozesse des Schreibens von denAutoren teilweise weiter unterteilt. Als Bei-spiel werden im folgenden Abschnitt Pla-nungsprozesse dargestellt.

2.1.2. Detailmodell: PlanungsprozessePlanungsprozesse werden von Hayes & Flo-wer in die Teilprozesse Generieren, Struktu-rieren und Zielsetzungen untergliedert. Mitdem Generierungsprozeß ist der Abruf rele-vanter Informationen aus dem Langzeitge-dächtnis gemeint. Durch den Strukturie-rungsprozeß sollen aus den abgerufenen In-formationen die nützlichsten ausgesucht undzu einem Plan zusammengestellt werden.Hierzu gehören außer den Inhalten, über diegeschrieben werden soll, auch die Gütekrite-rien, nach denen man sich beim Schreibenrichtet und die später zur Evaluation des Ge-schriebenen herangezogen werden. Die Güte-kriterien zu identifizieren und festzuhalten istdie Funktion des Zielsetzungsprozesses.

Generierungs- und Strukturierungspro-zesse werden als Entscheidungsketten darge-stellt, die in einem Flußdiagramm veran-schaulicht sind. Als empirische Hinweise fürdiese Vorstellung nennen die Autoren längereAssoziationsketten in den Protokollen lautenDenken, und die Notizen (einzelne Inhalts-

wörter und Satzbruchstücke) in den schriftli-chen Produkten.

Abb. 85.3 zeigt exemplarisch den Verlaufeines Generierungsprozesses: Eine Idee oderein Planungselement dient als Suchschemabei der Aktivierung des Gedächtnisses. BeiFehlanzeige wird das aktuelle Suchschemadurch ein Neues ersetzt. Ideen, die dem Such-schema entsprechen, werden evaluiert, wobeiein inneres Modell des Adressaten die Selek-tionsentscheidungen unterstützen kann, in-dem dessen potentielle Motive vom Autor vor-weggenommen werden. „Gute“ Ideen werdeneventuell niedergeschrieben, unbrauchbareIdeen führen u. U. zu einer Wiederholung desGenerierungsprozesses mit dem gleichen odereinem neuen Suchschema.

mit aktuellemSuchschemaIdeen abrufen

aktuelles Such-schema durch

neues ersetzen

gelungenmißlungen

abgerufenesElement ! aktuelles

Suchschema

Evaluation desabgerufenen

Elements

brauchbar

Notieren?

Ziel = Generieren?

aus

aus

ja

Notizschreiben

ja

nicht brauchbar

nein

nein

nein

Ziel = Genererieren?

Abb. 85.3: Der Prozeß der Inhaltsgenerierung(nach Hayes & Flower (1980, 13); übers. v. d. Verf.)

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1008 VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

In ähnlicher Form wird der Strukturie-rungsprozeß mit folgenden Arbeitsschrittenveranschaulicht (Hayes & Flower 1980, 14):Die Notizen der Materialsammlung werdengesichtet und jedes brauchbare Element unterdem Gesichtspunkt bewertet, ob es als An-fangs- oder als Schlußpunkt in Frage kommt,in welchem Verhältnis es zu (einem) frühernotierten Punkt(en) steht, ob es bereits Punktegibt, die ihm über- bzw. untergeordnet wer-den können, und ob sich eine Kategorie dar-aus ableiten läßt (z. B. ein Teil eines Textsche-mas). Eine positive Bewertung nach einer die-ser Kategorien führt zur entsprechenden Sy-stematisierung der Notizen durch Einrük-kung, Numerierung usw., so daß eine Gliede-rung entsteht. Jeder Punkt bekommt seinenPlatz in einer chronologisch, hierarchischoder gemischt aufgebauten Sequenz. Ände-rungen in der Gliederung sind durch Wieder-holungen des Strukturierungsprozesses jeder-zeit möglich.

Auch die Prozesse des Formulierens (s. u.Zf. 4) und des Revidierens (s. u. Zf. 5) wur-den von Hayes & Flower in dieser Form ver-anschaulicht.

2.2. Parallel- und Weiterentwicklungen desModells

Das Modell von Hayes & Flower ist von ver-schiedenen Autoren kritisiert, aber auch wei-terentwickelt oder auf spezifische Schreib-strategien adaptiert worden (s. u. Zf. 5). Ei-gler 1985 bemängelt, daß auf den Problemlö-sungscharakter des Schreibprozesses zwarhäufig hingewiesen wird, dies aber im Gegen-satz zu einer früheren Abhandlung der Auto-ren (Flower & Hayes 1977) nur wenig ausge-führt wird. Ferner zeige das Modell nur dasVerhalten von Schreibexperten, ohne An-haltspunkte zu bieten, wie aus Schreibnovi-zen Schreibexperten werden könnten.

Auch die Hierarchisierung der Teilprozessedes Schreibens ist problematisch (Molitor1984): So wird z. B. den Prozessen des Pla-nens, des Formulierens und des Überarbei-tens die gleiche Komplexitätsebene zugespro-chen, während der Prozeß des Lesens als Teildes Überarbeitens sich auf der Hierarchie-Ebene des Generierens befindet. Durch diefehlende Verbindung zwischen Formulierenund Überarbeiten wird die Rückwirkung ver-schiedener Zwischenprodukte des Schreibensauf Planungsprozesse nicht berücksichtigt.Ferner werden im Modell keine Auswirkun-gen des Schreibens auf den Bestand desLangzeitgedächtnisses in Betracht gezogen.

2.2.1. Ludwig (1983)Ludwig (1983) teilt die genannten Kritik-punkte und bemängelt die Reduktion desSchreibprozesses auf rein kognitive Prozessesowie das Fehlen motorischer Handlungenund den untergeordneten Stellenwert derMotivation. Des weiteren könne der Text alsProdukt des Schreibvorgangs nicht anderenElementen der Schreibsituation gleichgestelltwerden. Ludwigs Modellentwurf sieht insge-samt fünf Komponenten vor: eine motivatio-nale Basis, konzeptionelle Prozesse, inner-sprachliche Prozesse, motorische Prozesseund redigierende Aktivitäten (s. Abb. 85.4).

Die vollständige Ausführung dieser Kom-ponenten führt zu einem komplexen Ver-laufsdiagramm, das hier nicht vollständig,sondern nur in seinen Unterschieden zumSchema von Hayes & Flower erläutert wer-den kann.

Abweichend von Hayes & Flower wird diemotivationale Basis als Teil des Schreibpro-zesses i. e. S. gesehen und der entstehendeText aus den situativen Bedingungen des Auf-gabenumfeldes ausgegliedert. Die Funktionder Komponente Monitor ist z. T. in der An-lage der konzeptionellen Prozesse wiederzu-finden und erhält somit einen anderen Stel-lenwert. In einem detaillierteren Diagramm,das den Ablauf des Schreibprozesses unterEinbeziehung aller genannten Komponentendarstellt, taucht der Monitor in Form einesist-soll-Vergleichs auf, der die konzeptionel-len, innersprachlichen und motorischen Pro-zesse begleitet. Dabei liefern die konzeptio-nellen Prozesse zur Generierung der Zielvor-stellungen die Soll-Kriterien. Die Prozesseder „gedanklichen Konzeption“ entsprechender Planung, und die „innersprachlichen Pro-zesse“ der Durchführung, während die „redi-gierenden Aktivitäten“ die Kontrolle des ge-samten Schreibprozesses betreffen. Neu inLudwigs Modell sind die KomponentenVorbereitungshandlungen (z. B. Wahl derSchreibwerkzeuge) und Kontextbedingun-gen, womit der entstehende Text gemeint ist.

2.2.2. Beaugrande (1984)Unabhängig von Hayes & Flower entwickelteauch Beaugrande ein Modell, das dem Pro-blemlöseparadigma verhaftet ist (Beaugrande1982a, 1984). Er befaßt sich nicht primärmit einzelnen Zwischenzielen wie Generierenoder Planen, sondern stellt diese als grundle-gendere Abrufs- oder Strukturierungspro-zesse auf verschiedenen Abstraktionsniveaus

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100985. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

2.1 Zielsetzung

2.2 Gedankliche Konzeption

2.3 Bildung eines Schreibplanes

3.1 Textbildung

3.2 Satzbildung

3.3 Berücksichtigung von Konventionen der geschriebenen Sprache

4.1 Bildung eines Bewegungs- progamms

4.2 Ausführung

4.3 Kontrolle

5.1 Lesen

5.2 Korrigieren

5.3 Emendieren

5.4 Redigieren

5.5 Neu fassen

KONTEXT-BEDINGUNGEN

Der entstehende Text

SCHREIBPROZESS

MOTIVATIONALE BASIS1

KONZEP-TIONELLEPROZESSE

LANGZEIT-GEDÄCHTNIS

INNER-SPRACHLICHEPROZESSE

MOTORISCHEPROZESSE

REDIGIERENDEAKTIVITÄTEN

2

3

4

5

SCHREIBPROZESS

Wissen- insbes. sprachliches Wissen- auch Wissen über Schreib- pläne

Fähigkeiten Beherrschung der motorischen Prozesse

VOR-BEREITUNGS-HANDLUNGEN

SITUATIVE BEDINGUNGEN Anlaß, Leser, Ort, Zeit und weitere Umstände

Abb. 85.4: Die Struktur des Schreibprozesses (Ludwig 1983, 46)

LAUTE/BUCHSTABEN LINEARISIEREN

PHRASEN LINEARISIEREN

AUSDRUCK/VERBALISIERUNG

KONZEPTIONELLE ENTWICKLUNG

IDEEN ABRUFEN

ZIELE SETZEN ZIELE SETZEN

IDEEN ABRUFEN

KONZEPTIONELLE ENTWICKLUNG

AUSDRUCK/VERBALISIERUNG

PHRASEN LINEARISIEREN

LAUTE/BUCHSTABENLINEARISIEREN

Zeitachse

Abb. 85.5: Interaktives Parallel-Prozeß-Modell (nach Beaugrande (1984, 129); übers. v. d. Verf.)

dar, die grob den Ebenen des o. g. sequentiel-len Modells entsprechen. In seinem interakti-ven Parallell-Prozeß-Modell unterscheidet erAbrufprozesse (ideation), Linearisierungspro-zesse (linearization) und Verbalisierungspro-zesse (expression). Am Anfang beziehen dieseProzesse sich eher auf abstraktere Vorstellun-gen und Vorformen des Textes, wie z. B.

Pläne, Ziele und Inhalte, später verstärkt aufderen sprachliche Realisierung (z. B. Syntax,Grammatik und Wortwahl). Wie Abb. 85.5zeigt, überlappen sich die Prozesse mit zeit-lich verschobenen Dominanzen (s. Klam-mern am Rand), wobei die Verlagerung desArbeitsschwerpunktes ! ähnlich wie in deno. g. Modellen ! von den konzeptionellen

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1010 VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Prozessen zu den Formulierungsprozessen (s.Zickzack-Kurve) übergeht.

Durch die Vermischung von Prozessen undProdukten wird Beaugrandes Schema etwasundurchsichtig und ein Vergleich mit anderenModellen erschwert. Sein Interesse gilt v. a.der Identifizierung jener Stellen im zeitlichenVerlauf des Produktionsprozesses, an denendie Informationsverarbeitungskapazität desSchreibenden besonders strapaziert wird (vgl.Schema in Beaugrande 1982 b, 129).

Das Modell von Hayes & Flower stellt einebrauchbare Aufgabenanalyse für den For-scher und den Pädagogen dar. Es zeigt, wasdie kognitiven Prozesse beim Schreiben zuleisten haben, und wodurch diese Prozessebeeinflußt werden können. In pädagogischerHinsicht kann das Modell genutzt werden,um Engpässe bei der kognitiven Beanspru-chung des Schreibens vorherzusehen und soden Stellenwert einzelner Schreibübungenund Hilfen zu ermessen. Nach Ludwig 1983können solche Modelle der Textproduktionauch als Folie für das Gebiet des Schrift-spracherwerbs dienen, um die einzelnenSchritte in der Entwicklung der Schreibfähig-keit, sowie Defizite oder Fehlentwicklungendeutlich ablesen zu können (Ansätze dazu s.Zf. 3). Aufgabe der Forschung sei, auf derGrundlage solcher Schemata die einzelnenKomponenten zwecks Modellbildung empi-risch zu überprüfen.

3. Vom Schreibenlernen zurSchreibkompetenz:EntwicklungspsychologischeAspekte

In diesem Abschnitt werden entwicklungs-psychologische Modelle beschrieben. In ih-nen werden Komponenten des Schreibens be-nannt und isoliert, deren Erwerb den Kin-dern gemeinhin Schwierigkeiten bereitet unddie pädagogisch unterstützt werden können.Im Mittelpunkt der Modelle steht die Kom-ponente des Wissens (das Langzeitgedächtnisim Modell von Hayes & Flower): Fähigkei-ten-Modelle veranschaulichen Entwicklungund Aufbau von Teilkompetenzen des Schrei-bens (Zf. 3.1) und Strategie-Modelle zeigenden unterschiedlichen Verlauf einzelner Teil-prozesse des Schreibens während der Onto-genese aufgrund unterschiedlichen Wissens(Zf. 3.2).

3.1. Ontogenese der Schreibkompetenz

3.1.1. Erwerb von FähigkeitskomplexenEin viel zitiertes Modell zur Differenzierungder Fähigkeiten, die man zum Erwerb voll-ständiger Schreibkompetenz braucht, stammtvon Bereiter (1980). Der Begriff Schreibkom-petenz ist in diesem Zusammenhang als voll-ausgereifte Schreibfähigkeit zu verstehen: dieFähigkeit, sich anderen schriftlich mitzuteilenund seine Gedanken schriftlich zu artikulie-ren und dabei weiterzuentwickeln. Bereiterbeschreibt Fähigkeitskomplexe, die ein Kindnach und nach erwerben und integrierenmuß, bevor es über eine solche Schreibkom-petenz verfügt.

Die in der folgenden Grafik dargestelltenFähigkeiten betreffen nicht nur den Schreib-prozeß, sondern beziehen auch das Produkt! den Text ! und den Leser mit ein (s.Abb. 85.6).

Für die erste Stufe des assoziativen Schrei-bens (associative writing) müssen grundle-gende prozeßbezogene Fähigkeiten wie „flüs-sige“ schriftliche Sprachproduktion und ge-zieltes Abrufen von Ideen durch kontrollierteAssoziationen vorhanden sein, wobei dieSchreibkonventionen der Gesellschaft nochnicht befolgt werden müssen. Erst wenn alsproduktbezogene Fähigkeit die Beherrschungder Schreibkonventionen hinzukommt, wirdmit dem Stadium des flüssigen Schreibens(performative writing) zumindest auf der me-chanischen Ebene eine gewisse Vollendungder Schreibkompetenz erreicht. Die Fähig-keit, sich in andere hineinversetzen zu kön-nen ! soziale Kognition ! ermöglicht Leser-bezogenheit und damit das kommunikativeSchreiben (communicative writing). Zwei wei-tere produkt- und prozeßbezogene kognitiveFähigkeiten ergänzen die Schreibkompetenzzum reflektierten Schreiben (unified writing),wenn Texte unter literarischen und logischenGesichtspunkten kompetent bewertet werdenkönnen, und zum epistemischen Schreiben(epistemic writing), wenn die Fähigkeit zurSelbstreflexion gegeben ist. Die beiden letzt-genannten Fähigkeiten ermöglichen eine Wei-terentwicklung der Gedanken beim Schrei-ben und unterstützen dadurch den Wissens-erwerb. Schreiben wird eine „produktiveKraft“ (Eigler 1985, 309).

Bereiter begründet sein Modell mit derPiaget-nahen Theorie von Pascual-Leone:Demnach werden Kinder aufgrund ihrer be-

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101185. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

sozialeKognition

Schreib-konventionen

kontrollierteAssoziationen

schriftlicheSprachproduktion

flüssigesSchreiben

assoziativesSchreiben

kommunikativesSchreiben

kritische Urteils-fähigkeit

(literarisch/logisch)

reflexivesDenken

reflektiertesSchreiben

epistemischesSchreiben

FokusLeser

Produkt

Prozeß

Abb. 85.6: Fähigkeiten der Schreibkompetenz (nach Bereiter 1980; übers. v. d. Verf.)

grenzten Kapazität, Informationen zu verar-beiten, erst mit zunehmendem Alter fähig,mehrere Tätigkeiten gleichzeitig zu koordi-nieren (Pascual-Leone & Smith 1969). Exper-ten gelingt dies erst durch die Automatisie-rung „niederer“ Prozesse. Sie erlaubt es, dieAufmerksamkeit zeitweise zwischen verschie-denen ranghöheren Tätigkeiten (im Sinne vonBereiters Modell) zu verteilen.

Mit seinem Modell schafft Bereiter einebrauchbare Grundlage für die Entstehungund Erklärung von Schreibstrategien, diesich in der Ontogenese durch schrittweise In-tegration neuer Fähigkeitskomplexe immerwieder umstrukturieren und zu neuen For-men des Schreibens führen (s. u. Zf. 3.2, !Art. 100).

3.1.2. Entwicklung desMakrostrukturwissens

Die Möglichkeit, ein fundiertes Modell überdie Entwicklung der Schreibkompetenz zu er-stellen, wird von Feilke & Augst (1989) skep-tisch eingeschätzt. Sie weisen auf die theore-tischen Probleme hin, die in Ermangelungeiner empirisch begründeten Theorie desSchriftspracherwerbs und einer konsensfähi-gen entwicklungspsychologischen Theorie be-reits bei der Bezeichnung des Gegenstandsbe-reiches entstünden: Ist der Schriftspracher-werb ein Reifungsprozeß in nuce, ein Erwerbim Sinne Chomskys, ein Sozialisationspro-zeß, der lediglich internalisiert werden muß,oder ein vom Individuum ausgehender Lern-prozeß?

Angesichts dieser Lage definieren die Auto-ren Entwicklungsprozesse als Veränderungenvon Wissensbeständen innerhalb des kogniti-ven Systems, zu deren Erklärung sie auch aufHandlungs- und Kommunikationsbedingun-

gen zurückgreifen. Die Ebenen des kogniti-ven Systems und die des kommunikativenHandelns werden in einem dritten Schritt zugenerellen Annahmen über den Verlauf bzw.die Richtung der stattfindenden Prozesse inBeziehung gesetzt.

An erster Stelle steht demnach ein kogniti-ves Modell (s. Abb. 85.7). In Anlehnung andas Handlungsmodell von Leontjew 1975 un-terscheiden Feilke & Augst zwischen drei Ar-ten des Wissens, die in einer hierarchischenVerbindung stehen und eine Stufenfolge vonbewußtem zum unbewußtem Wissen darstel-len: Konzeptionswissen, Realisierungswissenund Routinewissen. Das Konzeptionswissenumfaßt Wissen über allgemeine Kommunika-tionsnormen und Weltwissen, d. h. Erfah-rungswissen. An zweiter Stelle steht das Re-alisierungswissen, das davon handelt, wieman Konzeptionswissen sprachlich umsetzt.Zum Realisierungswissen, das bereits alssprachliches Wissen im engeren Sinne be-trachtet werden kann, zählen linguistischesMakrostrukturwissen (z. B. Kenntnis vonPlanungstechniken) und linguistisches Mikro-strukturwissen (z. B. Beherrschung syntakti-scher und lexikalischer Alternativen der For-mulierung und der Verkettung von Proposi-tionen). An dritter Stelle steht der am wenig-sten bewußte Teil des Wissens, das Routine-wissen. Es umfaßt nicht nur schriftsprach-liche Routinen, sondern auch Planungspro-zesse beim Formulieren und Strukturierender Texte (s. Abb. 85.7).

In Abb. 85.7 markieren die Pfeile zwischenden genannten Wissensbeständen Bezüge zwi-schen den unterschiedlichen Parametern lin-guistischer, kognitiver und sozial-kognitiverEntwicklungen, die die Hypothesenbildungerleichtern sollen. So bedeutet z. B. der Pfeil

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1012 VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Kommunikationsnormen-wissen

- Aufrichtigkeit- Objektivität- Verständlichkeit- situative Angemessenheit

Linguistisches Makrostruktur-wissen

- Planungstechniken- Textsortenwissen- Kohärenzprinzipien

Linguistisches Mikrostruktur-wissen

- Kohäsionstechniken- Syntax- Lexik(Formulierung)

Weltwissen

- frames- Prototypen- Begriffe

Konzeptionswissen Realisierungswissen Routinewissen

- Schreibmotorik- Schreibung und Interpunktion- literale Routinen

Abb. 85.7: Kognitives Modell für die Ontogenese der Schreibkompetenz (Feilke & Augst 1989, 302)

vom Weltwissen zum Mikrostrukturwissen,daß mit zunehmender Ausweitung und Kom-plexität des Weltwissens auch die Anforde-rungen an die linguistische Kompetenz stei-gen (vgl. Augst & Faigel 1986; Scardamalia1982; Rickheit 1975). In diesem Modell wirdder Entwicklung von Makrostrukturwissenals entwicklungspsychologischer Kompo-nente im Erwerb schriftsprachlicher Fähig-keiten eine Schlüsselstellung eingeräumt. Dadie Makrostruktur im kognitionspsychologi-schen Sinne die top-down-Prozesse der Text-produktion organisiert, beeinflußt sie alle an-deren Merkmale des Textes.

Weil sie den Schreibprozeß als Versuchauffassen, ein komplexes Kommunikations-problem zu lösen, ergänzen Feilke & Augst(1989) das interaktive Modell der Wissens-komponenten durch ein semiotisch begrün-detes Modell kommunikativer Handlungs-probleme, die in einen expressiven, einenkognitiven und einen sozialen Problemraumaufgeteilt sind. Diese Dimensionen, bei denendas Bühlersche Organon-Modell Pate stand,werden durch einen weiteren, textuellen Pro-blemraum ergänzt, in dem alle anderen Pro-blemaspekte münden. Als Norm für die Text-qualität gilt die Homogenität des gesamtenTextes. Die expressive Problemdimension be-sagt, daß beim Schriftspracherwerb unter on-togenetischer Perspektive aufgrund steigen-der Affektdistanz eine zunehmende symboli-sche Durchstrukturierung der Ausdrucks-kommunikation erfolgt (Desymptomatisie-

rungsfähigkeit). Hinsichtlich der kognitivenProblemdimension müssen die Fähigkeitenzur Versprachlichung und zur Dekontextuali-sierung erworben werden, um das Fehlen desgemeinsamen Handlungskontextes zwischenAutor und Leser und den verstärkten Einflußdes semantischen Umfeldes im schriftlichenText zu kompensieren. Als besonders schwie-rig betrachten Feilke und Augst die sozialeProblemdimension. Schriftliche Kommuni-kation erfordert bzw. ermöglicht die Ausbil-dung einer Kontextualisierungskompetenz,weil alle möglichen Reaktionen des Adres-saten in der Phantasie vorweggenommen undbeim Schreiben bedacht werden müssen. Dietextuelle Problemdimension besagt, daß dieAnforderungen, die an „Texte“ im Sinne derTexttheorie gestellt werden, in jeder Modali-tät andere Probleme mit sich bringen. Hierwird die funktionale Integration aller ange-sprochenen Problemdimensionen verlangt,was vor allem durch das Verhältnis der ge-nannten Probleme zueinander im Text unddurch genuin schriftsprachlich bedingte Pro-bleme ! z. B. den richtigen „Startpunkt“ zufinden (vgl. Feilke 1988) ! erschwert werdenkann. Die hier erforderliche Planungskompe-tenz verlangt eine möglichst weit gehende gei-stige Vorwegnahme aller Handlungskonse-quenzen im Schreiben (Reflexivierungskom-petenz).

Während Bereiters Modell teilweise auf ei-genen Untersuchungen beruhte, handelt essich bei Feilke & Augst um ein heuristisches

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101385. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

Modell mit bestimmten Hypothesen zur Ent-wicklung der Schreibkompetenz. Es umfaßtallerdings nur kognitive und sprachliche Ent-wicklungsprozesse, die zur Lösung der an-geführten kommunikativen Schreibhand-lungsprobleme notwendig sind. Da Schrei-benlernen meist als Erwerb einer kommuni-kativen Fähigkeit angesehen wird, ist dieserFokus aus entwicklungspsychologischer Sichtsinnvoll. Das Hauptaugenmerk richtet sichdabei auf die Entwicklung des Makrostruk-turwissens, dessen Ordnungsprinzipien bisherwenig in vergleichenden Untersuchungen er-forscht wurden.

mit Hilfe der SuchschemataInhalte aus dem Gedächtnis

abrufen

mentale Repräsentationder Aufgabe

Abrufschematakonstruieren

Inhalte auf Angemessenheit prüfen

Schreiben(Notizen, Rohfassung usw.)

mentale Repräsentationdes Textes aktualisieren

Prozeß derWissens-

reproduktion

thematischeHinweisesuchen

Hinweise auf Textart

suchen

angemessen

inhaltsbezogenesWissen

nicht angemessen

sprachbezogenesWissen

Abb. 85.8: Strategie der Wissensreproduktion (knowledge telling model) nach Scardamalia & Bereiter (1986,62; übers. v. d. Verf.)

Eine Folge der Entwicklung der Wissens-komponente ist, daß Teilprozesse der Schreib-handlung je nach Alter in Abhängigkeit desWissens unterschiedlich durchgeführt werden.Die nun folgenden Modelle über Schreib-strategien beschreiben den Umgang mit die-sem Wissen.

3.2. Ontogenese von SchreibstrategienMit Schreibstrategien unter entwicklungspsy-chologischem Aspekt befassen sich Scarda-malia & Bereiter (1986, 1987) aus pädagogi-schen Gründen. Sie untersuchten die Schreib-strategien von Schülern und Studenten und

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1014 VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

versuchten diese durch procedural facilitation(einem Verfahren, das fehlerhafte oder un-vollständige Denkprozesse durch strategischeHinweise unterstützen soll) weiterzuentwik-keln.

Aus ihren Untersuchungen gingen zweiStrategie-Modelle hervor: Das sogenannteknowledge-telling-model, eine Strategie derbloßen Wiedergabe von Wissen beim Schrei-ben, und das knowledge-transforming-model,eine Schreibstrategie, bei der Wissen durchden Produktionsprozeß verändert wird. For-mal gesehen entsprechen diese Modelle demProblemlöseschema, mit Schwerpunkt aufdem Prozeß der Inhaltsgenerierung.

Die Strategie der einfachen Wissensrepro-duktion (knowledge-telling-model), die Scar-damalia & Bereiter als typische Herangehens-weise bei Anfängern feststellten, ermöglichtes, Inhalte ohne übergreifende Planung oderZiel, d. h. ohne die für das Schreiben übli-chen Problemlöseverfahren, zu generieren(Bereiter & Scardamalia 1985). Dieses Ver-fahren läßt sich allerdings nur bei einer ver-trauten Textart und einem ansprechendenThema aufrechterhalten. Das inhaltliche undsprachliche Wissen zum Thema wird dabeipraktisch ungefiltert assoziativ wiedergege-ben (s. Abb. 85.8).

Auf der Grundlage einer mentalen Reprä-sentation der Aufgabe werden thematischeund textartspezifische Reizwörter zur Steue-rung der Suchprozesse im Gedächtnis be-stimmt. Diese Suchwörter aktivieren automa-tisch zusammenhängende Konzepte, imSinne einer spreading activation (Anderson1983). Bei dieser Art der Gedächtnisaktivie-rung werden im wesentlichen solche Informa-tionen abgerufen, die dem unmittelbarenKontext bzw. dem Aktivierungsursprung amnächsten sind. Dies führt im allgemeinenautomatisch zu kohärenten Texten, ohne daßder Schreibende diese Kohärenz über Pla-nungsprozesse sicherzustellen braucht. Jedegeschriebene Texteinheit dient ihrerseits alsweitere Quelle für themenbezogene und gen-respezifische Reizwörter und verstärkt da-durch die Tendenz zur Kohärenz. Literari-sches Wissen oder eine gezielte und bewußteAnwendung des Erfahrungswissens spielenfür Kohärenz und Stil eines mit dieser Strate-gie produzierten Textes eine untergeordneteRolle.

Diese Schreibstrategie wird häufig bis insErwachsenenalter beibehalten und hat un-übersehbare Vorteile: Sie erlaubt schnellesSchreiben und erfordert nicht wesentlich

mehr Planungs-, Zielsetzungs- und Überar-beitungsprozesse als ein normales Gespräch.Dadurch können Kinder ihre bereits wei-terentwickelten Gesprächsführungsstrategienbeim Schreiben übernehmen (Bereiter &Scardamalia 1982). Für die Plausibilität die-ses Strategie-Modells sprechen laut Scarda-malia & Bereiter zahlreiche Belege: Schreib-anfänger „kleben“ an bekannten literarischenTextschemata und wählen die Inhalte ohnegroße Rücksicht auf den Adressaten (vgl.auch writer-based prose nach Flower 1979).Anzeichen von Zielsetzungs-, Planungs- oderanderen Problemlöseverhaltensweisen zeigensie beim lauten Denken wie in Selbstberich-ten allenfalls auf lokaler Ebene. Die Anlauf-zeit beim Schreiben ist daher unabhängig vonder Schwierigkeit der Schreibaufgabe, unddie Art Kohärenz der produzierten Texte ent-spricht den Erwartungen des Modells. Ähn-liche Verhaltensweisen wurden beim Revidie-ren und den Lesestrategien von Schreiban-fängern beobachtet (Bereiter & Scardamalia1987).

Im Unterschied zum Modell der Wissens-reproduktion umfaßt das Modell der Wissens-transformation (knowledge-transforming-stra-tegy) eine Reihe von Problemlöseverfahren.Diese fortgeschrittenere Schreibstrategie ent-hält das erstgenannte Modell noch als Unter-prozeß im Rahmen eines komplexen Pro-blemlösevorgangs. Es handelt sich also wederum eine Verfeinerung des ersten Modellsnoch um etwas völlig Neues.

Bei der Strategie der Wissenstransforma-tion wird im Sinne Newells (1980) von eineminhaltlichen und einem rhetorischen Pro-blemraum ausgegangen. Der Begriff Pro-blemraum bezeichnet eine abstrakte Einheit,bestehend aus verschiedenen Wissenszustän-den und Operationen, die dazu dienen, einenWissenszustand in einen nächsten zu über-führen. Im vorliegenden Beispiel werden iminhaltlichen Problemraum die Überzeugun-gen des Schreibenden angenommen, diedurch Operationen wie Schlußfolgern undHypothesenbildung geändert werden kön-nen. Der rhetorische Problemraum seinerseitsbesteht aus Repräsentationen der rhetori-schen Situation, d. h. des Textes und der da-mit verbundenen Ziele. Im rhetorischen Pro-blemraum setzt man sich demnach mit derBeziehung zwischen Inhalten und den mögli-chen Reaktionen eines Lesers auseinander.Die Wissenszustände im rhetorischen Pro-blemraum werden durch Operationen beein-flußt, mit denen der Text, die Ziele oder die

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101585. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

mentale Repräsentationder Aufgabe

Problemanalyse,Zielsetzung

inhalts-bezogenes

Wissen

sprach-bezogenes

Wissen

inhaltlicherProblem-

raum

rhetorischerProblem-

raum

Prozeß derWissens-

reproduktion

Problem-übersetzung

Problem-übersetzung

Abb. 85.9: Modell der Wissenstransformation (knowledge-trans-forming-strategy) nach Scardamalia & Bereiter (1987, 146; übers.v. d. Verf.)

Beziehungen zwischen dem Text und den Zie-len geändert werden.

Wissenstransformation durch Schreibenfindet im inhaltlichen Problemraum statt,wenn eine Wechselwirkung zwischen inhalt-lichem und rhetorischem Problemraum gege-ben ist. Dazu müssen Probleme aus dem rhe-torischen Problemraum in Teilziele übersetztwerden, die im inhaltlichen Problemraum er-füllt werden, und umgekehrt. Ein Beispiel:Das rhetorische Problem, eine Aussage klarund überzeugend zu gestalten, kann in Teil-ziele wie „Generiere Beispiele für einen Be-griff“, „Begründe eine Überzeugung“, „Ge-neriere Zwischenschritte in einer Argumen-tationskette“ usw. übersetzt werden. DieseOperationen werden im inhaltlichen Pro-blemraum durchgeführt und können ihrer-seits auf die Überzeugungen des Schreiben-den zurückwirken. Es entstehen z. B. neueBezüge, neue Zusammenhänge oder Ziele fürweiteres Nachdenken. So kann die dialekti-sche Wechselwirkung zwischen beiden Pro-blemräumen Inhalt und Struktur des Wissensverändern (s. Abb. 85.9).

Obwohl die Art und Weise, wie Informa-tion aus dem Gedächtnis abgerufen wird, in

beiden Modellen gleich ist, gibt es einen Un-terschied in der Qualität der aktivierten Ge-dächtnisinhalte. Bei der Strategie der Wis-senstransformation spielen rhetorische Teil-ziele eine wesentlich größere Rolle. Infolge-dessen passen die abgerufenen Informationennicht nur zum Thema und zum Textgenre,sondern auch zu den konkreten Gegebenhei-ten der rhetorischen Situation. Mit wachsen-der Übung des Schreibenden ist den Textenäußerlich oft kaum noch anzumerken, mitwelcher Strategie sie produziert wurden, dochbleibt als charakteristischer Unterschied dasFehlen oder Vorhandensein von strategischformulierten Zielen und Teilzielen, von Such-kriterien sowie anderen Komponenten vonProblemlöseprozessen.

Die Tatsache, daß das Modell der Wissens-reproduktion in dem fortgeschritteneren Mo-dell integriert ist, läßt vermuten, daß es sichum allgemein gültige Entwicklungsstadiendes Schreibens handelt. Wahrscheinlicher istjedoch, daß jemand, der beim Schreiben übereine ausgeprägte Strategie der Wissenstrans-formation verfügt, bereits von Anfang aneine zielgerichtetere Einstellung zum Schrei-ben hatte (vgl. Britton 1982; Scardamalia &

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1016 VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Bereiter 1982). Die reifere Strategie ermög-licht es, zwischen verschiedenen Schreibakti-vitäten abzuwechseln, deren Angemessenheitfortlaufend zu überprüfen und deren Ergeb-nisse zu koordinieren. Die Anwendung heuri-stischer Suchprozesse erhöht die Wahrschein-lichkeit, die richtigen Inhalte zu finden. DerUmgang mit unterschiedlichen mentalen Re-präsentationen des Textes ermöglicht eine ge-zieltere und präzisere Denkarbeit: Wortwört-liche Repräsentationen, detaillierte Repräsen-tationen des Inhalts (Mikropropositionen)oder des allgemeinen Sinns (Makroproposi-tionen), Repräsentationen der Struktur, derProbleme und Ziele erlauben eine genauereFehlerdiagnostik und bieten Möglichkeitenfür kreative Momente, die bei der Strategieder Wissensreproduktion nicht zu erwartensind.

4. Vom Gedanken zum Wort:Schreiben als Sprachproduktion

Historisch gesehen hat die Schreibforschungauch wesentliche Impulse aus der Forschungzur mündlichen Sprachproduktion erhalten.Es wurden daher auch einige Modelle entwik-kelt, deren Komponenten aus den Gemein-samkeiten und Unterschieden zwischen Spre-chen und Schreiben hervorgehen. Im Mittel-punkt steht bei diesen Modellen die Umset-zung von (vermutlich) sprachfreien Gedan-ken in gesprochene und geschriebene Spra-che. Im Vergleich zu den Modellen der vor-ausgegangenen Abschnitte, in denen dergesamte Schreibprozeß und die Komponentedes Wissens modelliert wurden, handelt essich hier um einen Versuch, den Prozeß desFormulierens mit seinen Planungsstufen zubeschreiben. Die hier entwickelten Modelleenthalten als Komponenten linguistische Ka-tegorien, die die Stufen der Versprachlichungvon Gedanken zu Sätzen sowie sprachlich-stilistische Unterschiede zwischen Sprechenund Schreiben kennzeichnen sollen.

Die derzeit umfassendste Modellierung dermündlichen Sprachproduktion bietet Levelt(1989 a, b). Sein Prozeßmodell umfaßt meh-rere parallel arbeitende Module: eines für diekonzeptuelle Verarbeitung (Inhaltsplanungund Überwachung der Sprachproduktions-prozesse), einen Formulator (grammatischesund phonologisches Enkodieren), einen Arti-kulator (Regulation der Sprechmotorik) undein Modul für das Verstehen (Lauterkennung,phonologisches und grammatisches Decodie-

ren), das zur Überwachung der eigenenSprachproduktion notwendig ist. Der Wegvom Gedanken zum Wort geht von der prä-verbalen Botschaft über die innere Sprachezur Äußerung, aus der zur Kontrolle diepostverbale Botschaft heraus interpretiertwird. Levelt belegt den Verlauf dieser Pro-zesse vor allem mit einer Sammlung von Ver-sprechern und dem Verhalten bei Selbstkor-rekturen.

Da Fehleranalysen von Texten auf die glei-che Vorgehensweise beim Prozeß der schriftli-chen Formulierung hindeuten (s. Daiute1986; Kaufer et al. 1986; Nystrand 1982 a;Hotopf 1983; Wiese 1989), spricht einiges da-für, die mündliche wie schriftliche Sprach-oder Textproduktion zumindest unter demAspekt der „Verbalisierung“ (im Sinne derVersprachlichung sprachfreier Gedanken) alsgrößtenteils gleichwertig anzusehen. In denbekannten Modellen wird dieser Weg im all-gemeinen in drei Stufen eingeteilt (s. Zf. 4.1).Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Un-tersuchung der beobachtbaren Prozeßabläufe(s. Zf. 4.2).

4.1. Stufen der SprachproduktionIn diesem Abschnitt werden mehrere Modellezur schriftlichen Sprachproduktion beschrie-ben und den Stufen mündlicher Sprachpro-duktion zum Vergleich gegenübergestellt.

Ein typisches Stufenmodell der Sprachpro-duktion stammt von Herrmann & Hoppe-Graff (1989). Sie unterscheiden als Produk-tionsstufen eine Stufe der Wissensaktualisie-rung und -fokussierung, eine Stufe der Selek-tion und Linearisierung und eine Stufe derverbalen Enkodierung.

(1) Als erstes wird demnach Wissen aktua-lisiert und fokussiert. Dabei unterliegt dieAuswahl des aktualisierten Wissens verschie-denen Einschränkungen: den eigenen Erfah-rungen und darauf aufbauenden Schlußfolge-rungen, dem Handlungsziel und den Beson-derheiten der Kommunikationssituation unddes Kommunikationspartners. Diese, auf dasZiel und den Partner bezogene Thematik desTextes nennen die Autoren den Fokus bzw.die fokussierte gedankliche (informationale,kognitive, propositionale) Grundlage derTextproduktion.

(2) Aus diesen fokussierten Informationenwird jedoch nur ein Teil verbalisiert (Inputse-lektion). Ferner werden die ausgewählten Fo-kuskomponenten in einer bestimmten Rei-henfolge selegiert und sprachlich enkodiert(Inputlinearisierung). Zur Steuerung dieser

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101785. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

Prozesse nehmen die Autoren erlernte sche-matische Linearisierungsprozeduren an: Soerfolgt die übliche Linearisierungsprozedurz. B. nach dem Prinzip, die Dinge in derjeni-gen Reihenfolge zu sagen oder zu schreiben,in der sie üblicherweise ablaufen oder sich zu-getragen haben (vgl. auch Flammer et al.1985).

(3) Als nächstes muß dieser noch nichtsprachlich geformte Enkodier-Input in münd-liche oder schriftliche Sprache übersetzt wer-den. Diese Enkodierprozesse werden in syn-taktische, lexikalische und prosodische Enko-dierung unterteilt. Die artikulatorische bzw.schreibmotorische Realisierung von Textenstellt eine weitere gesonderte Enkodierungdar. Als verbale Enkodierungsprozesse beimSchreiben gelten z. B. die Wahl der Wortstel-lung, die Pronominalisierung oder die Ver-wendung von Soziolekten. Da die verbaleEnkodierung die letzte Planungsstufe in die-sem Sprachproduktionsmodell bildet, ist siefunktional abhängig von den vorgeordnetenPlanungsprozessen der Fokussierung, Selek-tion und Linearisierung. Herrmann &Hoppe-Graff fassen den Prozeß der Sprach-produktion dennoch nicht als eine strikt li-neare Abfolge von Prozeßstufen auf, sondernals parallele Prozesse auf verschiedenen Ebe-nen. Die Ergebnisse der aktuellen Planungs-prozesse einer Ebene stellen gleichzeitig die„Daten“ für die Prozesse auf den anderenStufen dar.

Ein ähnliches dreistufiges Modell stammtvon Chafe (1977, 1979). Er unterscheidet dreiArten von Textstrukturen: (1) eine semanti-sche Struktur, d. h. Propositionen, die derSprachproduzent auf der Grundlage seinesWissens von der Welt erstellt, (2) eine Ober-flächenstruktur, womit eine linearisierte Kon-figuration der semantischen Struktur gemeintist, und (3) eine phonetische Struktur, die sichaus der Umsetzung der Oberflächenstrukturin Laute ergibt. Mit anderem Vokabular (vgl.auch Schlesinger 1977) werden hier im Prin-zip die gleichen Zäsuren getroffen wie imModell von Herrmann & Hoppe-Graff. Wasletzteres auszeichnet, ist der Stellenwert desKommunikationsziels und -partners beimSprechen und Schreiben auf sämtlichen Pro-duktionsstufen (vgl. auch u. Zf. 4.3).

Ein weiteres Stufenmodell, bei dem der Be-griff der Kohärenz im Mittelpunkt steht,wurde von Frederiksen (1977) entwickelt.Demnach muß der Schreibende auf vier Ebe-nen kommunikative Entscheidungen treffen,die den Text sowohl in seiner Tiefenstruktur

als auch an seiner Oberfläche kohärent wer-den lassen. (1) Auf der „tiefsten“ Ebene derTextbedeutung wird propositionale und funk-tionale Kohärenz durch Festlegung der Aussa-gen und der illokutionären Funktionen desTextes erreicht. (2) Eine Ebene darüber wer-den durch geeignete Sequenzierung Entschei-dungen zur thematischen Kohärenz getroffen.Bezogen auf den Formulierungsteil derSprachproduktion spricht Frederiksen vonKohäsionsentscheidungen. (3) Kohäsionsent-scheidungen dienen dazu, die auf der Bedeu-tungsebene vorhandene Kohärenz auch mitangemessenen Mitteln sprachlich zu signali-sieren. (4) Die letzte Entscheidungsstufe sollschließlich die Kohäsion innerhalb der Sätzedurch korrekte Anwendung grammatikali-scher Regeln usw. gewährleisten. Die ver-schiedenen Stufen der Kohärenzentscheidun-gen zeigen, daß Kohärenz nicht nur eine An-gelegenheit des Autors (Verknüpfungen imWissen des Autors) oder des Textes (Ver-knüpfungen im Text) ist, sondern auch vonder Beziehung zum Adressaten (Verknüpfun-gen zwischen der Textstruktur und den Wis-sensstrukturen des Adressaten) abhängt.

Die hier beschriebenen Modelle unter-scheiden nicht streng zwischen schriftlicherund mündlicher Sprachproduktion. Stelltman ihnen zum Vergleich Levelts Modellmündlicher Sprachproduktion gegenüber, sozeigen sich Unterschiede v. a. darin, daß inden Modellen der schriftlichen Sprachpro-duktion die konzeptuelle Ebene (d. h. die Er-zeugung der präverbalen Botschaft nach Le-velt) stärker ausgearbeitet ist, die Prozesseder Formulierung oder Verbalisierung sowiedie Rolle des Lexikons dagegen wenig diffe-renziert dargestellt werden. Diese weitge-hende Übereinstimmung ist auf die wissen-schaftliche Herkunft vieler Schreibforscherzurückzuführen und zeigt sich u. a. darin,daß die o. g. Autoren in der Regel beide Mo-dalitäten in ihr Modell miteinbeziehen.

4.2. Prozeßablauf beim FormulierenEin Modell des Formulierungsprozesseswurde von Hayes & Flower entsprechend ih-res Problemlöse-Ansatzes als Flußdiagrammdargestellt (Hayes & Flower 1980, 1986).Startpunkt ist ein Element des Planes (z. B.ein Stichwort zur inhaltlichen Planung odereine Selbstanweisung), das als Suchschemadient. Die Größe der Planungseinheiten beimFormulieren ! ob Satzteile, ganze Sätze odergar Abschnitte ! hängt davon ab, wieviel In-halte durch den betreffenden Gliederungs-

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1018 VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

punkt vermittelt werden sollen oder über wel-che Informationsverarbeitungskapazität derSchreibende verfügt. Als empirischen Belegfür die Planung eines Satzteiles wertenHayes & Flower die Suchprozesse, die in denProtokollen lauten Denkens als Selbstbefra-gungen und im Verhalten als wiederholtesÜberlesen des Kontextes auftauchen.

Diese Ausführungen sagen etwas über Pla-nungs- und Evaluationsprozesse aus, wenigjedoch über die Stufen der eigentlichenFormulierungsprozesse. An anderer Stelleäußern sich Hayes & Flower etwas genauerzum Verhältnis von Plan und Text (Hayes &Flower 1986; Kaufer, Hayes & Flower 1986):Meist werden die Notizen der Inhaltsplanungstark detailliert und, falls notwendig, um-fassende Generierungsprozesse zwischenge-schaltet. Darüber hinaus besteht ein dialekti-sches Verhältnis zwischen Plan und Text,demzufolge die Reihenfolge der Themen imPlan häufig die Reihenfolge der entsprechen-den Sätze im Text bestimmt, andererseits aberauch durch den Zwang zur Kohäsion beimFormulieren Unzulänglichkeiten im Plan auf-gedeckt und korrigiert werden können (vgl.Zf. 3.2).

Die Hauptschwierigkeit in den eben be-schriebenen Modellen besteht darin, wie dieÜbersetzung von (vermutlich) averbalen Ge-danken in sprachliche Äußerungen zu cha-rakterisieren ist. Diese „Versprachlichung“stellt vom schematheoretischen Standpunkteine Reihe von Interpretationsakten der (vgl.Chafe 1977): Gedächtnisinhalte werden inchunks (Miller 1956) unterschiedlicher Größeund Struktur abgerufen. Diese subjektivenEinheiten entsprechen nicht unbedingt gram-matischen Kategorien. Als psychologisch be-deutsam haben sich syntaktisch und längen-mäßig eingrenzbare Satzeinheiten (phrasalunits) und Bedeutungseinheiten (gists) erwie-sen (Scardamalia & Paris 1985). Durch Sche-matisierungsprozesse werden diese chunks beider Verbalisierung in kleinere (immer nochwesensgleiche) Einheiten aufgeteilt, die sichin Sätzen ausdrücken lassen. Als nächsteswird ein Rahmen (frame nach Minsky 1975)gewählt, der festlegt, welche Details (Perso-nen, Objekte usw.) zur Charakterisierung derschematisierten Situation oder Ereignisse er-wähnt werden sollen. Die Gedanken werdenerst sprachlich spezifiziert, wenn durch Kate-gorisierungsprozesse die Wahl der Wörter er-folgt.

Bis hierher lassen sich mühelos Parallelenzum Modell von Herrmann & Hoppe-Graff

ziehen. Die Frage, ob dann zuerst Wörter ge-wählt und zu Sätzen zusammengefügt wer-den, oder ob zuerst Satzschemata gewähltund mit Wörtern gefüllt werden, findet in kei-nem der genannten Modellen eine klare Ant-wort. Ergebnisse aus der mündlichen Sprach-produktion zeigen, daß es für beide Möglich-keiten Belege gibt (s. Beaugrande 1982 b). Imallgemeinen wird auf der Grundlage der ge-nerativen Grammatik angenommen, daßbeim Sprechen Einheiten produziert werden,die einer clause entsprechen (z. B. Fodor, Be-ver & Garrett 1974). Die im Modell von Fre-deriksen genannten Kohäsionsentscheidun-gen tragen der Wörterselektion eine entschei-dende Rolle zu. Beaugrande 1982 b schlägteine Art Raster vor, nach dessen Parameterdie Merkmale der in Frage kommenden Wör-ter im Hinblick auf bestimmte Kriterien ab-getastet werden. Der Kontext bestimmt dabeidie Merkmale, die ein Wort besitzen muß, umdie Schwelle dieses Filters zu überschreiten.Bedenkt man allerdings die nachweislichhohe Interaktivität der verschiedenen Verba-lisierungsstufen (s. Levelt 1989 a, b), so erwei-sen sich einige der eben genannten Fragen alshinfällig oder unbeantwortbar.

4.3. Strategien der SprachproduktionAusgehend von einem handlungstheoreti-schen Ansatz präsentieren van Dijk &Kintsch (1983) ein umfassendes Strategien-Modell, das die Wechselbeziehungen zwi-schen verschiedenen Planungs- und Evalua-tionsstrategien bei der Textproduktion zeigt.Es bezieht sich zwar auf die mündlicheSprachproduktion, läßt sich aber ohne weite-res auf die schriftliche Textproduktion über-tragen. Eine grundsätzliche Eigenschaft die-ses Ansatzes ist die Unterscheidung zwischenden beobachtbaren Merkmalen der Handlun-gen und den Merkmalen der kognitiven Re-präsentation dieser Handlungen. Die Wir-kungen oder Konsequenzen von Handlungenwerden als Ziele bezeichnet; kognitiv werdenHandlungen als Intentionen und Ziele alsZwecke repräsentiert. Kontrolliert werden dieZiele durch die Motivationen des Handelnden.Handlungszwecke sind ihrerseits von diesemmotivationalen System abhängig.

Die Sprachproduktion wird als Sequenzeinzelner Handlungen und Makro-Handlun-gen (macroactions) betrachtet, deren kogni-tive Repräsentationen als Pläne bezeichnetwerden. Um diese Pläne auf effektive Art um-zusetzen, werden Strategien notwendig. VanDijk & Kintsch gehen ausführlich auf prag-

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101985. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

Strategien zurEvaluation der lokalen

Durchführung

Pläne für globale

Sprechakte

Pläne für lokale

Sprechakte

Durchführungdes Sprechakts

Wissen überKooperations-prinzipien, Über-zeugungen &Interessen desHörers

soziales &kulturellesWissen

sozialer &kognitiverKontext

kontextspezifischeAnnahmen überZiele, Vorlieben

Annahmen überdas Erreichbare

Annahmen überWirkungsmöglich-keiten verbalerInteraktion

pragmatischeAnalyse desaktuellenKontextes

vorausgegangenelokale Sprech-akte & ihreKonsequenzen

Hypothesen zum aktuellenZustand des Hörers

Wissen überSprechakte &Einsatz-bedingungen

Wissen überStrategien zurVerbindung lokaler & globalerPläne

Gedächtnis-repräsentationvoraus-gegangenerSprechakte

Interessen &Werte

Wissen überZiele, Vorlieben

Wissen überInteraktionen

Abb. 85.10: Interaktion der Sprachproduktionsstrategien (nach van Dijk & Kintsch (1983, 271); übers. v.d. Verf.)

matische, semantische und Formulierungs-pläne ein und betonen dabei die gegenseitigenAbhängigkeiten der zur Realisierung derPläne notwendigen Strategien (s. Abb. 85.10).In ihren Schlußfolgerungen zur Strategie derSatzproduktion stellen die Autoren z. B. fest,daß im Prinzip jede Information der semanti-schen oder pragmatischen Ebene an der Text-oberfläche in Worten wiedergegeben werdenkann und daß die Wörter der Oberflächen-struktur bereits gewählt werden können, be-vor eine vollständige semantische oder prag-matische Repräsentation gebildet worden ist.Abb. 85.10 zeigt (von außen nach innen ge-hend), welche Wissensbestände durch welcheaktuellen Annahmen und Analysen gefiltertund kombiniert werden, um zu den Plänenund Strategien zu führen, die dem Sprechaktzugrunde liegen.

Das Modell bestätigt die Stufenmodelledes vorausgegangenen Abschnitts, was Artund Inhalt der Formulierungsebenen betrifft.Der Schwerpunkt liegt hier aber auf den Stra-tegien zur Durchführung der Prozesse auf

den einzelnen Ebenen und zur Verbindungdieser Ebenen miteinander. Dabei werdenauch Wissen und Motivation als die Kompo-nenten angesprochen, aus denen die Ele-mente der kognitiven Repräsentationen beiPlanung und Durchführung bezogen werden.

5. Aufgabenspezifische Strategien derTextproduktion

Dieser heterogene Abschnitt umfaßt Modelleüber aufgaben-, personen- und situationsspe-zifische Schreibstrategien. Vom Aufbauprin-zip her sind sie dem Problemlöse-Ansatz ver-pflichtet und weisen in ihrer Konzeptionmeist keine grundlegend neuen Gedankenauf. Die folgenden Beispiele sollen jedoch zei-gen, wie durch neue Gewichtungen, weitereDifferenzierung und Rekombination einzel-ner Komponenten vorhandener Modelle For-schungsergebnisse zur Erklärung beobachte-ter Schreibphänome beitragen und interes-sante Fragestellungen für weitere Forschunggewonnen werden können.

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5.1. Aufgabenspezifische Adaptationen desModells von Hayes & Flower 1980

Die Popularität eines Modells läßt sich u. a.an der Anzahl seiner aufgabenspezifischenAdaptationen bemessen. Am Beispiel fremd-sprachlichen Schreibens und bibliographi-schen Abstrahierens wird dieser Punkt fürdas Modell von Hayes & Flower illustriert.

5.1.1. Fremdsprachliches SchreibenMit dem Ziel, charakteristische Merkmaledes fremdsprachlichen Schreibens in dynami-sierter Form darzustellen, fügt Börner 1989der Aufgabenumgebung und den im Original-Modell von Hayes & Flower genannten kog-nitiven Prozessen jene Aspekte hinzu, die sichzwangsläufig durch die Zwei- bzw. Mehrspra-chigkeit des fremdsprachlichen Schreibens er-geben: Bei einer Nacherzählung z. B. denAusgangstext in der Fremdsprache (L2), dieSchreibprozesse teilweise in der Mutterspra-che (L1), oder in einer Interim-Sprache (Lint),den Zieltext in einer meist nicht perfekten In-terim-Sprache (Lint) sowie den Korrekturtextdes Lehrers in der korrekten Fremdsprache(L2). Ansonsten ändert Börner im wesentli-chen nichts an der vorgegebenen Strukturdes Originals.

Wie im Original beschreibt Börner dieEbene der Schreibprozesse „Planen ! For-mulieren ! Überarbeiten“ mit der kognitivenKontrollinstanz „Monitor“, deren sprachli-che Anteile vermutlich in der Interimsprache(Lint) erfolgen, wobei auch die Muttersprache(L1) mitbeteiligt sein kann.

Bei der Darstellung der Schreibumgebungsteht die bei der Schreibübung ablaufendeLehr-Lern-Interaktion im Mittelpunkt. Alszusätzliche Komponenten fügt Börner ge-zielte Hilfen zum Planen und Formulieren,sowie die Dreifachfolge von Intertexten dertypischen fremdsprachlichen Schreibübung(Ausgangstext, Zieltext und Korrekturtext alsFeedback) hinzu. Dem steht als weitererAspekt der Schreibumgebung die Ebene derlehrseitigen Planung, Steuerung und Bewer-tung der genannten Schreibprozesse gegen-über: Hier werden Befunde, Annahmen undSetzungen der fremdsprachlichen Schreibdi-daktik als Einflußfaktoren auf den „Moni-tor“ und damit auf die Gestaltung derSchreibprozesse berücksichtigt.

Die Adaptation auf fremdsprachlichesSchreiben erforderte Hinzufügungen bei fastallen Komponenten des ursprünglichen Mo-dells von Hayes & Flower, was angesichts der

allgegenwärtigen Rolle der Sprache nichtüberrascht. Didaktische Progression, Vorga-ben der Schreibziele, Aufgabengestaltung, dieeigentlichen Schreibprozesse, Feedback undBewertung erscheinen bei Börner als Kreis-lauf von Interaktionen zwischen Lehrer, Ler-nenden und Texten, die durch allgemeinePrinzipien des Schreibens, des Schreibenler-nens und des Schreibenlehrens in der Fremd-sprache gesteuert werden.

5.1.2. Bibliographisches AbstrahierenDie Genese von Inhaltsangaben für biblio-graphische Datenbanken (abstracting) zeich-net sich als Aufgabe dadurch aus, daß dasübergreifende Ziel die Reduktion und Kom-primierung von Inhalten ist. Diese Art derTextproduktion erfordert von seiten des In-haltsanalytikers zwar viel implizites berufli-ches Wissen, doch stehen ihm auch speziali-sierte Methoden zur Verfügung, die mit denmentalen Techniken der Textzusammenfas-sung verwandt sind (s. u. Zf. 5.2). BrigitteEndres-Niggemeyer (1989, 1993) entwickelteein Modell, dessen Schwerpunkt auf der spe-zifischen Gestaltung des Generierungsprozes-ses liegt. Im Unterschied zum Ur-Modell vonHayes & Flower ist das Originaldokument,aus dem fast der gesamte Inhalt des zusam-menfassenden Textes entnommen wird, Teildes Aufgabenumfelds. Der alles beherr-schende Prozeß der Inhaltsgenerierung be-steht paradoxerweise mehrheitlich aus Pro-zessen der Informationsreduktion: Zunächsteine Abfolge von scanning-Prozessen, um dieanstehenden Dokumente nach Inhalt undForm zu klassifizieren, dann die Auswahl derzu lesenden Textabschnitte, die zusammenge-faßt werden sollen. Endres-Niggemeyer greiftan diesem Punkt auf die Makrostruktur-Theorie von Kintsch & van Dijk 1978 zu-rück. Mit den anschließenden Planungspro-zessen wird die Struktur des Zieltextes festge-legt. Mehrere Variablen kontrollieren diesenTeil der Schreibaufgabe: z. B. das angestrebteProdukt, der Adressat, die Arbeitsbedingun-gen, verfügbare Hilfen usw. Eine ähnlicheaufgabenspezifische Präzisierung erfährt derProzeß des Revidierens, der durch professio-nelle (nach Richtlinien und Normen festge-legte) Prüf- und Darstellungsverfahren er-gänzt wird.

Dieses Modell stellt den ersten Schritt zurEntwicklung eines Performanzmodells alsGrundlage für ein implementierbares wis-sensbasiertes Expertensystem dar. Das Zielder Simulationsfähigkeit erfordert eine diffe-

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renziertere Darstellung der Wissenskompo-nenten und eine Umstrukturierung der Kom-ponenten dahingehend, daß ein Prozeß alsSteuerprogramm mit Input und Output so-wie Wissensspeichern und Arbeitsstrukturendefiniert wird.

5.2. TextreproduktionTextproduktionsprozesse wurden auf indi-rektem Wege auch als Nebenprodukte derTextrezeptionsforschung erfaßt. Die Wieder-gabe eines gelesenen Textes in Form einermündlichen oder schriftlichen Zusammenfas-sung stellt eine Standardmethode zur Über-prüfung abgelaufener Verstehensprozesse dar.Diese Art der Textreproduktion als Sonder-fall der Textproduktion verleitet zu der An-nahme, daß bei der Reproduktion spiegel-bildlich die gleichen Prozesse ablaufen wiebeim Textverstehen. Ein Beispiel dafür ist dasSchema von Schnotz, Ballstaedt & Mandl(1981). Im Mittelpunkt dieses Schemas ste-hen die reduktiven Prozesse, die beim Text-verstehen die Information verdichten, sowiedie konkretisierenden Prozesse bei der münd-lichen oder schriftlichen Wiedergabe des gele-senen Textes, mit denen aus der verdichtetenBedeutungsstruktur wieder verbalisierbareDetails abgeleitet werden. Das Schema ba-siert auf der Makrostrukturtheorie von vanDijk und veranschaulicht den konstruktivenCharakter von Verstehen und Reproduzieren(van Dijk 1977, 1980). Es zeigt, wie auf ver-schiedenen Ebenen der Texttiefenstruktur In-formationen, um verstanden und eingeprägtzu werden, teils zusammengefaßt, teils durchleserspezifische Assoziationen ergänzt wer-den.

Die ursprünglich zur Erklärung der Text-rezeption intendierte Konstruktionstheorieentwickelte sich so zu einer Rekonstruktions-theorie der Textreproduktion (Rickheit &Strohner 1989). Danach wird bei der Repro-duktion eines Textes aus den zur Verfügungstehenden Bruchstücken der Erinnerung einsinnvolles Ganzes rekonstruiert (Weaver &Kintsch 1987). Eine wichtige Rolle in der Re-konstruktionstheorie spielen die Proposi-tions-Theorie, die Schema-Theorie und derenWeiterentwicklung zur Script- und Scenario-Theorie sowie die Theorie der Geschichten-grammatik und die Theorie der Problemlöse-handlungen im Text (Originalquellen undÜberblick s. Ballstaedt et al. 1981, Rick-heit & Strohner 1989). Mit diesen Theorienwird versucht, die Wissensbestände darzu-stellen, die zur Genese der Inhaltsstruktur des

reproduzierten Textes führen und auch in denStufenmodellen zur Sprachproduktion be-reits erwähnt wurden.

Bei dem Versuch, alle zur Zeit bekanntenTeilaspekte der Textreproduktion in eineübergreifende Gesamttheorie zu integrieren,entwickelte Strohner (1987) ein Modell derTextreproduktion aus systemischer Sicht (s.Abb. 85.11). Als Bestandteile des SystemsTextreproduktion nennt Strohner den Origi-naltext, den reproduzierten Text und den Re-produzenten mit seiner mentalen Repräsenta-tion des Originaltextes. Umweltbedingungen,die das System beeinflussen können, sind dasTextmedium und die Reproduktionsaufgabe.Als Verarbeitungsprozesse werden die dreiPhasen der Textrezeption, der Textspeiche-rung und der Textrekonstruktion berücksich-tigt. Der ontogenetische Erwerb der Fähig-keit zur Textreproduktion wird als Verände-rung von Verarbeitungs- und Speicherfähig-keiten innerhalb des ungesteuerten wie auchdes gesteuerten Spracherwerbs betrachtet.

Im Sinne einer Integration vorhandenerForschungsergebnisse fassen Rickheit &Strohner bei der Erörterung ihrer Modell-komponenten zusammen, was z. Zt. zu jedemder genannten Punkte bekannt ist. Beim Ori-ginaltext sind es die Charakteristika, die zurbesseren Reproduzierbarkeit beitragen (z. B.Zusammenfassungen und Überschriften).Beim Reproduzenten werden die Eigenschaf-ten genannt, die die Qualität der Textreprä-sentation über den Originaltext beeinflussen(z. B. sein Wissen, seine Emotionen und Fä-higkeiten zur Selbstregulation). Von den Um-weltbedingungen bestimmt die Art der Re-produktionsaufgabe (z. B. freie Textrepro-duktion, Wiedererkennung) Ausführlichkeitund Qualität der Textreproduktion. ZumEinfluß des Mediums wird auf die unter-schiedlichen Verstehens- und Reproduktions-leistungen bei Lesen und Hören hingewiesen.Während der Textrezeption wird die Textre-präsentation nach dem Leitprinzip der Sinn-konstanz (Hörmann 1976) aufgebaut, wobeiInferenzen eine wichtige Rolle spielen (Rick-heit, Schnotz & Strohner 1985). Im Zusam-menhang mit der Textspeicherung, ohne diekeine Textrezeption möglich wäre, gehen dieAutoren auf die Bedingungen ein, die den In-halt des Textes kurz- und langfristig einpräg-sam machen. Die Phase der Textrekonstruk-tion zeichnet sich gegenüber der Textrezep-tion und -speicherung vor allem durch stär-kere kognitive Kontrollen, Bewußtseinsphä-nomene und Problemlösestrategien aus, die

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1022 VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

reproduzierterText

Medium

Original-text

Reproduzent

Text-repräsentation

Medium

Reproduktions-aufgabe

Prozeßphasen

Erwerb

Rezeption Speicherung Rekonstruktion

Abb. 85.11: Das System der Textreproduktion mit seinen Komponenten, denUmweltbedingungen, den Prozeßphasen und dem ontogenetischen Erwerb derTextreproduktion (Rickheit & Strohner 1989, 230)

die automatischen Verarbeitungsprozesse er-gänzen.

Der praktische Nutzen eines Modells derTextreproduktion (z. B. für die Entwicklungvon Schulungsmaßnahmen oder Datenban-ken in allen Bereichen der Kommunikation)ergibt sich aus der Rolle, die der Textrepro-duktion in der heutigen Informationsgesell-schaft als Lern- und Lesestrategie und als we-sentliches Mittel der Informationsspeiche-rung und -vermittlung zukommt.

5.3. Schreiben als Problemlöse-StrategieIn den bisher beschriebenen Modellen ist einAspekt des Schreibens ! seine Reflexivitätund die damit verbundene „epistemische“Funktion (s. Zf. 3.1.1 und 3.2) ! noch nichtnäher erläutert worden. Um den Schreibpro-zeß in diesem Sinne nicht nur als Problemlö-seprozeß, sondern auch als Problemlösestra-tegie darzustellen, bedarf es eines Ansatzes,der die grundlegenderen Prozesse der Sprach-produktion und deren Auswirkungen aufkognitive Repräsentationen berücksichtigt.Der Gesichtspunkt der Repräsentation spieltin diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle(vgl. Eigler et al. 1990): „Experten“ und „No-vizen“ haben von vornherein ein unterschied-liches Problembewußtsein und damit eine un-terschiedliche Repräsentation der Schreibauf-gabe, mit der sie gerade konfrontiert werden(vgl. auch Chi, Glaser & Rees 1982). DieAusführlichkeit und Komplexität dieser Re-präsentation beeinflußt die Wahl der Schreib-

strategie. Ein weiterer Gesichtspunkt reflexi-ven bzw. epistemischen Schreibens liegt imAnteil und in der Qualität der beteiligten Le-seprozesse. Untersuchungen belegen, daß dasWissen des Schreibenden bei der Textproduk-tion um so stärker verändert wird, je mehreigene gedankliche Arbeit und eigene Formu-lierungen die Schreibarbeit verlangt (z. B.Durst 1987; Tierney et al. 1989; Newell &Winograd 1989; Molitor-Lübbert 1991). DerText gewinnt für den weiteren Verlauf desSchreibprozesses zunehmend an Bedeutung,wenn er fortlaufend unter inhaltlichen undformalen Gesichtspunkten bewertet und dasErgebnis dieser Bewertung als Grundlage fürdie weitere inhaltliche Entwicklung des Tex-tes genutzt wird. Diese Situation tritt meistbeim Revidieren eines Textes auf sowie bei ei-ner Schreibstrategie, die bewußt zur gedank-lichen Klärung eingesetzt wird.

Angesichts der großen Bedeutung, die derTextrevision in der Schreibforschung beige-messen wird (z. B. Faigley & Witte 1983;Fitzgerald 1987; Baurmann & Ludwig 1985;Witte 1985), wird im folgenden ein Modelldazu exemplarisch vorgestellt. Es stammt vonHayes et al. (1987) und besteht aus den Kom-ponenten Prozesse und Wissen, deren Inter-aktion folgendermaßen beschrieben wird:Ausgangspunkt ist die Aufgabendefinition,eine Überprüfung des Textes vorzunehmen.Dazu und als Grundlage für die Evaluationdes Textes werden Ziele, Kriterien und Vor-gaben für Texte und Pläne aus dem Wissen

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herangezogen. Als Evaluationsprozesse die-nen Leseprozesse mit verschiedenen Zielen:z. B. eine Repräsentation zum Verständnisdes Textes, eine Repräsentation seiner Inkon-sistenzen und ggf. eine Repräsentation überdie Art der Inkonsistenzen aufzubauen. Jenach Art der durchgeführten Evaluation wer-den Inkonsistenzen entweder nur entdecktoder diagnostiziert, und es kommt zu einerentsprechenden gut oder schlecht definiertenProblemrepräsentation. Weitere Prozessehängen von der gewählten Strategie ab (z. B.Probleme ignorieren oder vertagen, zwecksDiagnose weitersuchen, Text umschreiben,usw.). Ist der Beschluß zum Revidieren ge-faßt, werden aus den verfügbaren stilistischenund inhaltlichen Ausdrucksmitteln diejenigenausgewählt, mit denen eine Verbesserung desTextes im Hinblick auf ein spezifisches Zielerwartet wird (s. Hayes et al. 1987, 185).

Ein Teil der Textrevision ! die Evaluation! kann auch in Anlehnung an das Hand-lungsmodell von Miller et al. 1960 (Test!Operate!Test!Exit " TOTE) als Folge vonVergleichen, Diagnosen und Operationenskizziert werden (vgl. Bereiter & Scardamalia1987, 266). Das sog. CDO-Modell (Com-pare!Diagnose!Operate) von Bereiter &Scardamalia macht den Vergleich zwischender Intention und dem tatsächlich Geschrie-benen zum Anhaltspunkt der Evaluation.

Dieser Gedanke wird auch im folgendenModell aufgegriffen und als Charakteristi-kum des reflexiven bzw. epistemischen

Repräsentationdes intendierten

Textes

Repräsentationdes intendierten

Textes

Planungs-prozesse

Produktions-prozesse

Evaluations-prozesse

Lese-prozesse

Autor(en)/Textproduzenten

TEXT

SCHREIBUMGEBUNG

Abb. 85.12: Schema eines reflexiven Schreibprozesses (Molitor-Lübbert 1991, 156)

Schreibens herausgestellt (Molitor 1984, Mo-litor-Lübbert 1989a, b, 1991). Bei einem Mo-dell des epistemischen Schreibens muß diezentrale Rolle der Interaktion zwischenAutor und Text, die über Leseprozesse ab-läuft, veranschaulicht werden (s. Abb. 85.12).Als Hauptkomponenten in diesem Schemastehen sich der Autor und der entstehendeText als gleichgewichtete „Partner“ gegen-über, die jeweils von bestimmten Kontextbe-dingungen beeinflußt sein können. Dazu ge-hört alles, was die Befindlichkeit und dasWissen des Autors sowie das Aussehen desTextes verändert. Ein zweiter zentraler Punktdieses Schemas ist die Rolle der kognitivenRepräsentationen, die sowohl das Produkt alsauch die Rohmaterie für die angeführten Pro-zesse darstellen.

Die Struktur des Schemas impliziert, daßepistemisches Schreiben im schrittweisenAufbau, dem Vergleich und der gegenseitigenAnpassung von kognitiven Repräsentationen(Intention und Realisation) besteht. Die Re-präsentation des intendierten Textes bezeich-net jede Art von Vorstellung, die man beimSchreiben über Inhalte, Struktur oder For-mulierungen des Textes bildet. Dementspre-chend können die Planungseinheiten einzelneWörter, ganze Sätze oder auch nur Ziele sein.Durch Produktionsprozesse (d. h. Prozesseder Sprachproduktion, s. u. Zf. 4) werden dieElemente dieser Repräsentation materiali-siert, d. h. niedergeschrieben. Dadurch kön-nen sie gelesen und evaluiert werden. Durch

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1024 VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Lesen der Notizen, Sätze oder Textabschnittewird eine Repräsentation dessen aufgebaut,was tatsächlich geschrieben wurde: eine Re-präsentation des realisierten Textes. An dieserStelle wird deutlich, daß der Begriff Text allesSchriftliche umfaßt und sich nicht nur aufden ausformulierten Text im üblichen Sinnbezieht. Der intendierte Text kann auch alsPlan, der realisierte Text als Produkt bezeich-net werden. Durch Evaluationsprozesse wirddie Übereinstimmung zwischen Plan undProdukt geprüft. Dazu werden die beiden Re-präsentationen unter bestimmten Urteilskri-terien miteinander verglichen (im Sinne desCDO-Modells, s. o.). Das Ergebnis diesesVergleichs liefert wiederum die Ziele fürnachfolgende Planungsprozesse auf der glei-chen oder einer anderen Ebene der Textpro-duktion. Es ist anzunehmen, daß Inhalt undAussehen dieser kognitiven Repräsentationenvom momentanen Stadium der Textproduk-tion abhängen: z. B. Ziele festlegen, neue In-halte generieren oder Formulieren eines Sat-zes in einem bestimmten Kontext. Schreibex-perten sind nicht nur in der Lage, diese ver-schiedenen Repräsentationen aufzubauen,sondern auch miteinander zu verbinden.

Das Schema wurde aus der Analyse vonSchreibstrategien (Fallstudien) entwickelt(Molitor 1985). Es sollte als heuristischesModell dazu anregen, den Einfluß verschie-dener Kontextbedingungen (z. B. der Schreib-aufgabe, des Schreibmediums oder des sozia-len Kontextes) auf den Verlauf der jeweiligenProzesse und Prozeßgruppen und den Inhaltder verschiedenen Repräsentationen zu un-tersuchen und darzustellen. Dabei können dieeinzelnen Komponenten entsprechend derFragestellung spezifiziert und in Form vonDetail-Modellen weiter ausgebaut werden.Aufbau und Komponenten des Schemas (z. B.die starke Gewichtung der Leseprozesse unddie Rolle der kognitiven Repräsentationen)wurden so konzipiert, daß personen- und auf-gabenspezifische Schreibstrategien an denStellen gekennzeichnet werden können, diedas Zusammenwirken von Kontextbedingun-gen, Schreibstrategie und Schreibproduktdeutlicher hervortreten lassen (vgl. Jakobs1995, Molitor-Lübbert 1995).

6. Schreiben als mentaler undsprachlicher Prozeß:Grenzen der Modelle

Die dargestellten Modelle geben einen Ein-druck von den derzeit geltenden Komponen-ten der Schreibforschung und sollen zeigen,

daß Schreiben nicht außerhalb seines sozialenund psychologischen Kontexts betrachtetwerden kann (s. Bridwell & Beach 1985). Zu-sammenfassend kann gesagt werden, daßSchreiben nun als Tätigkeit aufgefaßt wird,die von zahlreichen sozialen und psychologi-schen Determinanten und Konsequenzen be-gleitet ist (vgl. die Sammelbände von Gregg& Steinberg 1980, Whiteman 1981; Nystrand1982b, Martlew 1983, Mosenthal, Tamor &Walmsley 1983 und Antos & Krings 1989).

Von den oben beschriebenen Modellen er-weist sich keines bei genauerer Betrachtungals Universalmodell zur Erklärung oder auchnur Untersuchung aller bereits bekanntenPhänomene des Schreibens. Die Modelle zei-gen außerdem ! jeweils aus unterschiedli-chen Blickwinkeln !, welche prekäre Angele-genheit die Unterscheidung von „mental“und „sprachlich“ ist. Den eigentlichen Inhalt„mentaler Prozesse“ zu definieren fällt ge-nauso schwer wie die Grenze zwischen „men-tal“ und „sprachlich“ festzulegen. Anderer-seits sprechen viele Schreibprobleme dafür,daß es einen solchen Übergang gibt.

Für die allgemeine Validität der beschrie-benen Modelle gibt es prinzipiell mehrereMöglichkeiten:

(a) Ein Modell stellt eine Art Algorithmusüber den Schreibprozeß dar. Als Beweis fürseine Gültigkeit dient meist die Simulierbar-keit des betreffenden Prozesses auf demComputer. Diese Art Modell ist am ehestenin den Detailmodellen von Hayes & Flowersowie deren Adaptation durch Endres-Nigge-meyer (1989) gegeben, die damit auch ihreNähe zur KI-Forschung dokumentiert.

(b) Modelle können deskriptiv sein, indemsie beobachtete Phänomene kategorisierenund diese entsprechend dem Stand der For-schung in sinnvolle Zusammenhänge brin-gen. Dies trifft z. B. für die Modelle von Be-reiter, Beaugrande und Rickheit & Strohnerzu.

(c) Die dritte und wahrscheinlich größteGruppe umfaßt heuristische Modelle: Auchhier handelt es sich um deskriptive Modelle,doch mit theoretischer statt empirischerGrundlage. Phänomene werden durch hypo-thetisierte Systeme erklärt, die besagte Phä-nomene erzeugen könnten. Als Grundlageund Hypothesengenerator für weitere For-schung und ggf. auch zur Entwicklung vonSchreibhilfen haben solche Modelle ihrenStellenwert als Konstrukte, die nicht nur Be-kanntes wiedergeben, sondern Wegweiser fürzukünftige Erkenntnisse darstellen.

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86. Writing by hand

1. Introduction2. Handwriting as motor activity3. Development and pathology of handwriting4. Computational approaches to handwriting5. References

1. Introduction

The emphasis in the present chapter is onwriting as an executive motor task. If wecompare handwriting with other linguisticoutput modalities such as speech and typing,it has as its most typical feature that it in-volves very specific movement sequences.The characteristics of these movement pat-terns, their internal representation, organiza-

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Sylvie Molitor-Lübbert, Karlsruhe(Deutschland)

tion, and performance, are the main topic ofthis chapter. As will become clear, they are ofgreat interest for their own sake, both froma scientific and a technological point of view,and from the viewpoint of education. Thisjustifies their isolated study, detached fromlinguistic implications. Of course, the move-ments are highly constrained by the linguisticnature of the message and by the writing sys-tem used: For example, our alphabet pre-scribes only a limited number of movementpatterns (corresponding to the 2x26 lettershapes), and orthography dictates that thesecan only appear in a limited number of or-dered sequences. Conversely, it is also truethat the linguistic processes during writing