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15 A Ausgangslage: Anspruchsvolle Fragestellung mit dringender Aktualität 1. Relevanz: Die Wirtschaftskrise 2009 als Weckruf Deutschland im Frühling 2009. Schon wieder verabschiedet sich ein Unternehmen in die Insolvenz. Die Banken können oder wollen den erforderlichen Kredit zum Aus- gleich von Zahlungsschwierigkeiten nicht geben. Das Vermögen des Unternehmens r eicht nicht aus T raurig Die hoch qualifizierte und hoch motivierte Belegschaft in die das Unternehmen angesichts des Postulates „Wissenschaftsstandort Deutschland“ massiv investiert hat zählt nicht als V ermögen Bald wir d sie abwandern oder sich in die Demotivation der inneren Kündigung verabschieden und ihrer Entlassung entgegensehen. „Die Mitarbeiter sind unserer wichtigstes Kapital“ heißt es doch immer. Nur leider ist dieses Kapital – wenn es darauf ankommt – offenbar doch nichts wert. Eine alternative Denkhaltung läuft im Ergebnis zwingend auf eine dezidierte und möglichst exakte Bezifferung des in den Mitarbeitern eines Unternehmens reprä- sentierten Human Capitals hinaus. Einen interessanten Vorschlag hat der Biochemiker Vester geliefert, der als Vordenker des Club of Rome den Wert von Blaukehlchen berechnet hat: Einem vordergründig plausiblen Wert von etwa 1,5 Cent als „Einkaufspreis“ für Blaukehlchen (Wert von Vogelskelett, Fleisch, Blut und Federkleid) hat er einen Wert in Höhe von 154,09 entgegengestellt (Wert zum Beispiel als potenzieller Schädlingsbekämp- fer, Freudespender und Symbiosepartner). 3 Die Idee, die der zweiten Berechnung zugrunde liegt, liefert interessante Anregungen für die Beschäftigung mit HCM. Vester hatte ein konkretes Anliegen: Der ermittelte Wert soll am prinzipiell denk- baren Nutzenpotenzial ansetzen. Durch diese Quantifizierung des Wertes von Tieren können – wenn überhaupt – den unverbindlichen Lippenbekenntnissen zum Schutz von Tier, Natur und Umwelt konkrete Taten folgen. Um es klar zu sagen: Die Aussage „Ein Blaukehlchen kostet an Futter 10 Cent im (Winter-)Monat“ greift ebenso zu kurz wie die zusätzliche Referenzgröße „1,5 Cent Einkaufspreis“. Richtig – und von uns angestrebt – ist die Gegen- überstellung von 10 Cent (Kosten) und 154,09 (Nutzenpotenzial) im Sinne von „Wert“. Ob sich dieser potenzielle Nutzen dann im Einzelfall realisiert und das Blaukehlchen dann tatsächlich singt, Freude spendet und Schädlinge vertilgt, ist eine weiterführende Frage. Sie würde sich aber gar nicht erst stellen, wenn Blaukehlchen mit 1,5 Cent bewertet und deshalb „abgeschafft“ würden. Der Satz „Wir sind gegen Human Capital Management, weil es mitarbeiterfeindlich, mechanistisch und technokratisch ist“ kommt relativ leicht über die Lippen. Aber

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1. Relevanz: Die Wirtschaftskrise 2009 als Weckruf

Deutschland im Frühling 2009. Schon wieder verabschiedet sich ein Unternehmen in die Insolvenz. Die Banken können oder wollen den erforderlichen Kredit zum Aus-gleich von Zahlungsschwierigkeiten nicht geben. Das Vermögen des Unternehmens reicht nicht aus. Traurig: Die hoch qualifizierte und hoch motivierte Belegschaft, in die das Unternehmen angesichts des Postulates „Wissenschaftsstandort Deutschland“ massiv investiert hat, zählt nicht als Vermögen. Bald wird sie abwandern oder sich in die Demotivation der inneren Kündigung verabschieden und ihrer Entlassung entgegensehen. „Die Mitarbeiter sind unserer wichtigstes Kapital“ heißt es doch immer. Nur leider ist dieses Kapital – wenn es darauf ankommt – offenbar doch nichts wert.

Eine alternative Denkhaltung läuft im Ergebnis zwingend auf eine dezidierte und möglichst exakte Bezifferung des in den Mitarbeitern eines Unternehmens reprä-sentierten Human Capitals hinaus.

Einen interessanten Vorschlag hat der Biochemiker Vester geliefert, der als Vordenker des Club of Rome den Wert von Blaukehlchen berechnet hat: Einem vordergründig plausiblen Wert von etwa 1,5 Cent als „Einkaufspreis“ für Blaukehlchen (Wert von Vogelskelett, Fleisch, Blut und Federkleid) hat er einen Wert in Höhe von 154,09 € entgegengestellt (Wert zum Beispiel als potenzieller Schädlingsbekämp-fer, Freudespender und Symbiosepartner).3 Die Idee, die der zweiten Berechnung zugrunde liegt, liefert interessante Anregungen für die Beschäftigung mit HCM. Vester hatte ein konkretes Anliegen: Der ermittelte Wert soll am prinzipiell denk-baren Nutzenpotenzial ansetzen. Durch diese Quantifizierung des Wertes von Tieren können – wenn überhaupt – den unverbindlichen Lippenbekenntnissen zum Schutz von Tier, Natur und Umwelt konkrete Taten folgen.

Um es klar zu sagen: Die Aussage „Ein Blaukehlchen kostet an Futter 10 Cent im (Winter-)Monat“ greift ebenso zu kurz wie die zusätzliche Referenzgröße „1,5 Cent Einkaufspreis“. Richtig – und von uns angestrebt – ist die Gegen-überstellung von 10 Cent (Kosten) und 154,09 € (Nutzenpotenzial) im Sinne von „Wert“. Ob sich dieser potenzielle Nutzen dann im Einzelfall realisiert und das Blaukehlchen dann tatsächlich singt, Freude spendet und Schädlinge vertilgt, ist eine weiterführende Frage. Sie würde sich aber gar nicht erst stellen, wenn Blaukehlchen mit 1,5 Cent bewertet und deshalb „abgeschafft“ würden.

Der Satz „Wir sind gegen Human Capital Management, weil es mitarbeiterfeindlich, mechanistisch und technokratisch ist“ kommt relativ leicht über die Lippen. Aber

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diese Verweigerungshaltung ist sowohl aus betriebs- und personalwirtschaftlicher als auch aus ethischer Sicht kontraproduktiv. Denn eine solche Sichtweise greift tief in die argumentative Trickkiste der Vorurteile und berücksichtigt vor allem nicht, dass auch eine Personalarbeit ohne ausgeprägtes Human Capital Management mitarbeiterfeindlich, mechanistisch und technokratisch sein kann. Es ist sogar wahr-scheinlich, dass sie es ist: Eine Personalarbeit ohne datenbasierte Personalplanung, die weder nach aktuellen Informationen sucht noch sich an solche flexibel anpassen kann, führt zwangsläufig zu technokratischen und letztlich die Bedürfnisse der Mitarbeiter ignorierenden Entscheidungen.

Unser entgegengesetztes Plädoyer „pro Mitarbeiter“, „pro HCM“ und „pro HC-Bewertung“ basiert auf vier Argumenten:

• Ein sinnvoll strukturiertes HCM verhilft erstens dem Unternehmen zu verbes-serter Wettbewerbsfähigkeit und sichert auf diese Weise Arbeitsplätze.

• Zweitens steigert es die Transparenz, was wiederum im Interesse der Mitarbeiter ist, weil es Undurchsichtigkeit und Ungerechtigkeit reduziert.

• Drittens kann ein gut ausgebautes Personalmanagement gerade „harte“ Anpas-sungsmaßnahmen wie betriebsbedingte Kündigungswellen vermeiden hel-fen4 – und HCM erzwingt eine weitere Professionalisierung des Personalmanage-ments.

• Schließlich ist viertens zu bedenken, dass die Bewertung immaterieller Vermö-genswerte ohnehin bevorsteht. Die Chance, als Personaler die Entwicklung von HCM im Interesse von Unternehmen und Mitarbeitern zu beeinflussen, bevor Unternehmen dieses Spielfeld Wirtschaftsprüfern oder Beratern überlassen, sollte nicht ungenutzt verstreichen.

Die Erfahrungen aus der Wirtschaftskrise 2008–2010 liefern eine faszinierende Chance, sich bewusst und professionell mit einem „echten“ Human Capital Manage-ment zu befassen. Plötzlich wurde deutlich, dass die Mitarbeiter für Unternehmen gerade in der Krise einen tatsächlichen Wert darstellen, auf den das Unternehmen selbst bei rückläufigen Auftragseingängen nicht verzichten will. Vorausschauende Unternehmen haben bereits in der Krise an die Zeit nach der Krise gedacht und sich überlegt, dass der zuvor bereits bestehende Fachkräftemangel nur unterbrochen wurde, sich aber nicht aufgelöst hat. Die Unternehmen mussten sich also ganz bewusst überlegen, welche ihrer Mitarbeiter sie binden wollten und wie sie die Funktionsfähigkeit ganzer Abteilungen und Projekte während und nach der Krise zu sichern gedachten. Es ist kein Zufall, dass das Instrument der Kurzarbeit – an-ders als in vorangegangene Krisen – viel intensiver genutzt wurde, weil damit den Unternehmen der vorhandene Wert der Belegschaften erhalten werden konnte. Auch ist es kein Zufall, dass zunehmend mit der Belegschaft, ihrem Zukunftspotenzial und damit (wenn auch häufig implizit) mit dem HC-Wert argumentiert wurde, wenn

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Unternehmen Kredite beantragten oder im Zuge der Krisenbewältigung anderweitig auf die Kooperation von Partnern angewiesen waren.

Die Wirtschaftskrise 2008–2010 hat zudem drastisch die Begrenztheit vieler Kon-zepte bewiesen, die – auf Schönwetterphasen ausgelegt – kreativ unverbindliche Indikatoren erheben und zu einer Werbebotschaft verdichten, die letztlich externe und interne Partner irreführt. Dementsprechend gehört Human Capital Management in den Bereich einer neuen Betriebswirtschaftslehre, nicht aber in die Werbeab-teilung.

Relevanz

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2. Ratlosigkeit:Was ist dennunser Personal wert?

Vorstandssitzung eines Konzerns. Der Finanzvorstand hat gerade seinen Bericht über die finanzielle Lage des Unternehmens abgegeben und durch eine Vielzahl von Kennzahlen einmal mehr eindrucksvoll die Bedeutung seines Ressorts für den Erfolg des Unternehmens unter Beweis gestellt. Dann die Frage an den Personal-vorstand: „Wie sieht es denn eigentlich aus mit unserem Human Capital? Ist es mehr geworden oder weniger?“

Jeder Personalvorstand, der keine substanzielle Antwort auf diese Frage parat hat, müsste eigentlich ersetzt werden. Doch genau dieser Herausforderung will man sich mit einem HCM stellen: Harte Fakten, also ein exakter Euro-Wert als konkretes Ergebnis, sind gefragt. Deshalb ist HCM auch kein neu erfundenes Schlagwort zur Attraktivitätssteigerung beraterischer Angebotsportfolios. Auch geht es nicht um die generelle Messung des Wertschöpfungsbeitrages der Personalarbeit.5

HCM bedeutet als Steuerungsimpuls für erfolgreiches Management die wert-mäßige Quantifizierung der Belegschaft.

Wenn ein Unternehmen Investitionen in seine Belegschaft tätigt, verzichtet es in dieser Höhe auf andere Investitionen beziehungsweise auf gegenwärtigen Konsum.6 Man kann betriebswirtschaftlich beurteilen, ob sich diese Investitionen lohnen be-ziehungsweise gelohnt haben. Dabei ist jedoch nicht primär die Frage nach dem Wert einzelner Personen interessant, sondern auf strategischer Ebene der Wert der Belegschaft.

Ähnlich wie bei Finanzkennzahlen im Geschäftsbericht soll so auch der Erfolgs-faktor Human Capital messbar, vergleichbar und unternehmensintern wie auch unternehmensextern als Entscheidungsgrundlage nutzbar gemacht werden:

• Einhergehend mit der weltweiten Anwendung standardisierter Rechnungs-legungsvorschriften wie IAS/IFRS (International Accounting Standards be-ziehungsweise International Financial Reporting Standards) oder US-GAAP (US-amerikanische Generally Accepted Accounting Principles) kommt es zu einer weltweit standardisierten Evaluation und Steuerung der Unternehmens-effektivität.7

• Gleichzeitig wird Personalarbeit im Unternehmen vielschichtiger, da sowohl dramatische Reorganisationen als auch schleichende Entwicklungen ihre Spuren hinterlassen. Dies gilt umso mehr, als die zunehmende Informationstechno-logisierung zu verstärkter Virtualisierung und Grenzauflösung und damit zu einer größeren Verzahnung der Personalarbeit mit anderen betrieblichen Funktionen führt.8

• Zudem nimmt der Erfolgsdruck auf das Personalmanagement spürbar zu. Da die Höhe der Personalkosten die Marktfähigkeit beeinflusst, wird den Mitarbeitern

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unmittelbar, dem Personalmanagement mittelbar eine wettbewerbsentscheidende Rolle zugesprochen.9

Das Personalmanagement wird zukünftig nicht mehr nur seine klassischen Funk-tionen und Aufgaben erfüllen. Gerade in seiner seit Langem geforderten10, aber erst jetzt langsam realisierten11 strategischen Ausrichtung geht es um mehr als um pure Administration. So stellen die Verschärfung des globalen Wettbewerbs, die Forcierung der technologischen Entwicklung, eine sich ausweitende Fusionswelle und die Veränderung der Beschäftigungsverhältnisse immer neue Anforderungen an das Personalmanagement. Insgesamt geht es dabei für das Personalmanagement weniger um die Suche einer neuen strategischen Rolle einer wie auch immer orga-nisierten Personalabteilung, sondern vielmehr um die Wahrnehmung seiner schon bestehenden zentralen Führungsfunktion.

Vor allem in Nordamerika und Skandinavien hat sich mit HCM schon seit Längerem ein Denkansatz entwickelt, der dem hohen Erfolgsdruck eine personalwirtschaft-liche Erfolgsstrategie entgegensetzen will. Ausgangspunkt sind die immateriellen, sich in den Bilanzen bislang noch kaum niederschlagenden Vermögenswerte, die die Basis für den langfristigen Erfolg von Unternehmen ausmachen: geistiges Eigentum, Patente, Lizenzen, Copyrights, Kundenstamm, Lieferantenbeziehungen, Nutzungseffizienz der IT-Infrastruktur, Image und daraus resultierender Wert von Marken sowie vor allem der Wert der Mitarbeiter, das Human Capital. Die große Bedeutung gerade der geistigen Fähigkeiten der Mitarbeiter wird vor allem in wissensbasierten Unternehmen inzwischen erkannt.

Eine wichtige Motivation für die Auseinandersetzung mit HCM liegt in der Notwendigkeit, zunehmend konkrete Angaben über den Gesamtwert der Be-legschaft nachweisen zu müssen.

Ratlosigkeit

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B Gestaltungsgrundsätze:NeunPostulatezumHC-Wert

Nachdem nun die Ausgangslage für ein HCM spezifiziert wurde, rückt ab dieser Stelle der HC-Wert in den Mittelpunkt: Er ist die Basis des HCM. Ohne einen HC-Wert, der konkret bestimmt wird, lässt sich über das tatsächlich in einem Un-ternehmen vorhandene Humankapital nicht vernünftig sprechen.

An den HC-Wert und seine Ermittlung müssen Qualitätsanforderungen gestellt wer-den, die sich in Form von Postulaten formulieren lassen. Diese Qualitätsanforderungen leiten sich unmittelbar aus dem Anspruch des Human Capital Managements ab:

• Wenn es darum gehen soll, das HC-Bekenntnis, die Mitarbeiter seien das wertvollste Kapital des Unternehmens, glaubhaft mit Substanz zu füllen, dann führt kein Weg drumherum, den HC-Wert explizit auf Bewertungsgrundsätze hin auszurichten, die mit Fokus auf „Human“ die Menschen auch als solche wahrnehmen und nicht etwa als Finanzkapital.

• Wenn es darum gehen soll, die HC-Bewertung auf „Capital“ hin auszurich-ten, dann führt kein Weg darum herum, den HC-Wert als Kapitalgröße zu spezifizieren, die objektiv und möglichst valide erhebbar ist und die einen kapitalbezogenen Aussagewert besitzt.

• Wenn es darum gehen soll, die HC-Optimierung in ein „Management“ zu trans-formieren, dann führt kein Weg drumherum, dass der HC-Wert eine konkrete Handlungsorientierung impliziert.

Die mit den Postulaten verbundenen qualitativen Kriterien dienen später in Kapitel C der Bewertung aller einzelnen HC-Bewertungsansätze. Ansätze, die diese Postulate nicht erfüllen, scheiden damit aus der Liste der zulässigen HC-Bewertungsansätze aus.

Damit sind die folgenden neun Postulate zum HC-Wert als notwendige Bedingungen für eine „richtige“ HC-Bewertung zu verstehen. Die Postulate 1 bis 3 beziehen sich auf den Aspekt „Human“, die Postulate 4 bis 6 auf den Aspekt „Capital“, die Postulate 7 bis 9 auf den Aspekt „Management“.

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B Gestaltungsgrundsätze:NeunPostulatezumHC-Wert

1. Der HC-Wert muss sich von der Fixierungauf denAktienkurslösen undauf denArbeitsmarkt ausrichten!

Die Strategieforschung hat auch im strategischen Personalmanagement zur Unter-scheidung zweier Sichtweisen geführt:37

• Der Market-Based View38 stellt die Anforderungen des Marktes in den Mit-telpunkt seiner Betrachtungen. Das Unternehmen mit seinen Mitarbeitern und seiner Personalstrategie orientiert sich an den übergeordneten Anforderungen der externen Umwelt und den dort bestehenden Ansprüchen von Kunden, po-tenziellen Mitarbeitern und weiteren Stakeholdern. Die Personalstrategie wird von der absatzmarktbezogenen Unternehmensstrategie abgeleitet.

• Nach dem Resource-Based View39 gilt das Hauptinteresse den im Unterneh-men arbeitenden Menschen mit ihren Eigenschaften und Fähigkeiten. Sie sind eine zentrale Ressource und als solche die Basis zur Bildung entscheidender, nachhaltiger Wettbewerbsvorteile. In dieser Sichtweise ist Personalmanagement die betriebliche Funktion, die die innerhalb des Unternehmens vorhandenen Mitarbeiterpotenziale optimiert.

HCM verbindet beide Sichtweisen:40 Hier stehen zunächst die Mitarbeiter im Sinne von Ressourcen im Mittelpunkt des Interesses. Ihr Wissen und ihr Arbeiten tragen im Hinblick auf die interne Leistungserstellung zum Wert des Unternehmens bei. Eine Bewertung der Belegschaft darf dabei jedoch nicht außer Acht lassen, dass es einen externen Markt für die Bewertung von Arbeit und Leistungserbringung gibt.

Vor Beginn der Diskussion von sinnvollen Bewertungsgrundlagen im Hinblick auf den externen Markt ist jedoch von einem absurden Vorschlag abzuraten: Noch unsinniger als die in Abschnitt 3 von Kapitel B erwähnte Bewertung von Human Capital als Restgröße einer bilanztechnischen Unternehmensbewertung ist die Idee, als Grundlage für den HC-Wert einfach den Aktienkurs zu verwenden, wie der historisch besonders interessante Fall EM.TV belegt.

Im Juli 2000 veröffentlichte ein renommierter Professor aus der Strategie- und Marketingberatung eine Berechnungsformel zum Wert eines Mitarbeiters (unter anderem) bei EM.TV:41 Der Börsenwert des Unternehmens wird dividiert durch die Zahl der Mitarbeiter und ergibt in diesem Beispiel einen sensationellen durch-schnittlichen Mitarbeiterwert von rund 47 Mio. € (Abb. 2). Dass diese und ähnliche Aussagen zum Wert von Mitarbeitern Konsequenzen für Gehaltsdiskussionen und für Kosten-Nutzen-Analysen von Rekrutierungsmaßnahmen haben mussten, liegt auf der Hand. Ein Jahr später, als das Unternehmen einen Kursrückgang von 98 % hinter sich hatte, zeigte sich aber, dass diese Methode nicht unproblematisch ist: Bei gleichzeitigem Personalzuwachs war der durchschnittliche EM.TV-Mitarbeiter nach dieser Rechnung zum Stichtag 31.12.2001 gerade mal noch etwa 337.000 € wert (zum 31.12.2002 hatte jeder Durchschnittsmitarbeiter von EM.TV unter Anwendung obiger Berechnungsmethode lediglich noch einen Wert von ca. 371.000 €).

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Ähnlich groteske Vorschläge zur Mitarbeiterbewertung lassen sich auch im Umfeld von Discounted-Cash-Flow-Methoden finden. In der Praxis beeinflussen derartige Aussagen zum Wert von Mitarbeitern immer noch Vergütungssysteme, Personalbe-schaffungsmaßnahmen sowie diverse andere Personalentscheidungen.

Realitätsferne, weil unprofessionelle Messungen des Human Capitals führen (ebenso wie der blinde Verzicht auf Bewertung) zu katastrophalen Management­fehlern – mit fatalen Konsequenzen für Unternehmen, Kunden, Geschäftspart­ner und Steuerzahler.

Damit haben solche Ansätze zur Bestimmung des Human Capitals wie der hier vorgestellte letztlich sogar den Niedergang der New Economy mit zu verantworten, weil sie seinerzeit zur Grundlage für utopische Mitarbeiterforderungen wurden.

Die Autoren dieses Buches sind nicht gegen das Marktprinzip, sondern im Ge-genteil Anhänger einer auf Wettbewerb basierenden sozialen marktwirtschaftlichen Unternehmenssteuerung, die sogar innerbetriebliche Märkte hervorbringt.43 Dennoch: Man kann weder aus einem börsenmarktlichen Kurseinbruch unmittelbar auf den Verfall des Human Capitals schließen noch aus einem börsenmarktlichen Kursan-stieg zwingend auf den Ausbau des Human Capitals. Die rein aktienkursbasierte HC-Wertermittlung argumentiert, dass der gesamte Wert eines Unternehmens im Human Capital seiner Mitarbeiter begründet ist, da der tagesaktuelle Börsenwert des Unternehmens auf Mitarbeiter-Köpfe umgelegt wird. Damit wird unterstellt, dass alle anderen Vermögensgegenstände des Unternehmens keinen (Börsen-)Wert haben.

Marktpreise sind als Bewertungsgrundlage des Human Capitals akzeptabel, aber nur solche, die sich letztlich auf dem Arbeitsmarkt ergeben.

Solche Werte müssen das Angebot von und die Nachfrage nach Personen mit kon-kreten Fähigkeiten widerspiegeln: Je stärker die mitarbeiterseitigen Leistungsbeiträge nachgefragt werden, desto wichtiger und wertvoller werden die zur Leistungserstel-lung benötigten Fähigkeiten. Auf diese Weise schlagen die Preisbildungsmechanis-men des Arbeitsmarktes auf das Human Capital durch. Unternehmen können hier

Abb. 2: Aktienkursabhängige Berechnung (nach Simon 2000)42

Datum Unternehmens-wert von EM.TV

[€]

Mitarbeiterzahlvon EM.TV

Wert pro EM.TV-Mitarbeiter

[€]

Juni 2000 10,15 Mrd. 218 46,560 Mio.

Dezember 2000 0,85 Mrd. 815 1,043 Mio.

Dezember 2001 0,21 Mrd. 623 0,337 Mio.

Dezember 2002 0,14 Mrd. 377 0,371 Mio.

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steuernd eingreifen: direkt über die Gestaltung der Nachfrage und indirekt über das Signalisieren, welches mitarbeiterseitige Angebot man sich wünscht.

Eine Arbeitsmarktorientierung von HCM kommt insgesamt zum Ausdruck, wenn die Kompetenzen und Potenziale der Mitarbeiter in den Betrachtungsmittelpunkt gerückt werden. Dadurch spezifizieren sich diese als Humankapitalträger über ihre individuellen Fähigkeitsprofile am Arbeitsmarkt. Die zusätzliche Berücksichtigung der Qualifikationen anderer Marktteilnehmer (auch auf dem externen Arbeits-markt außerhalb des Unternehmens) verstärkt diese Ausrichtung des HCM. Wird außerdem auf Löhne und Gehälter als personalbezogene Preise zurückgegriffen, so unterstreicht dies deutlich eine Abkehr von Aktienkursen als vermeintlich HC-relevanten Größen.

Mit ausschlaggebend ist für die HC­Bewertung die Nachfrage auf den Seg­menten des Arbeitsmarktes. Umgekehrt scheiden damit alle Ansätze aus, die sich primär auf personalfremde Märkte beziehen, also auf Kapitalmärkte, Gütermärkte oder Dienstleistungsmärkte.

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2. Der HC-Wert muss gruppenbezogenund unternehmensbezogen ermittelt werden können!

HC-Werte gibt es auf mehreren Ebenen:

• Auf der Individuumsebene stehen die einzelnen Mitarbeiter mit ihren indivi-duellen Fähigkeiten im Betrachtungsmittelpunkt, was zur Bewertung und Op-timierung individuumsbezogenen Human Capitals führen würde. Dies ist zwar theoretisch denkbar, allerdings wenig praktikabel, da die Methodik zu komplex, der Messaufwand zu groß und die Akzeptanz bei Mitarbeitern, Führungskräften und Betriebsrat zu gering sind.

• Auf der Gesamtunternehmensebene dagegen wird das gesamte Unternehmen mit seinem aggregierten Fähigkeitenportfolio betrachtet. Hier entsteht mit der Bewertung und Optimierung des unternehmensbezogenen Human Capitals eine Schnittstelle zum Shareholder Value.

Zwischen beiden Ebenen liegt die gruppenbezogene Betrachtungsweise, bei der das Human Capital eines Teams, einer Abteilung, einer funktionalen Ebene, einer Job-familie oder eines Bereichs bestimmt wird. Häufig weisen solche Gruppen gemein-same Kerneigenschaften auf, die sich dann auch in ähnlichen weichen Faktoren der Bewertung niederschlagen. Eine gruppenbezogene Kenngröße ist insofern wichtig, als sie Vergleiche innerhalb des Unternehmens zulässt und man dann beispielsweise feststellen kann, ob eine unternehmenstypische Personalentwicklungsmaßnahme tatsächlich gruppenübergreifend zu einer Steigerung des HC-Wertes geführt hat oder in einzelnen Gruppen besser wirkt als in anderen.

Hinsichtlich der Bezugsebenen, auf denen eine HC­Bewertung zum Einsatz kommt, strebt ein sinnvolles HCM eindeutig die Gesamtunternehmensebene an, muss aber zum Zweck der innerbetrieblichen Steuerung zusätzlich (!) auch gruppenbezogene Werte ausweisen.

Es existieren auch Ansätze, die unmittelbar individuelle HC-Werte für einzelne konkrete Mitarbeiter berechnen. Zur Konzipierung einer allgemein akzeptablen HC-Bewertung, die sich nicht dem Vorwurf der gläsernen Mitarbeiter aussetzt, ist es aber sinnvoll, auf eine solche Individualbewertung zu verzichten. Für den Fall, dass HC-Werte pro Mitarbeiter zu Vergleichszwecken benötigt werden, scheint es allenfalls akzeptabel, für die individuelle Ebene Durchschnittswerte pro Mitarbeiter zu bilden, also Gruppen- oder Unternehmenswert durch die Zahl der Mitarbeiter zu dividieren. Individuelle Unterschiede zwischen einzelnen Menschen spiegeln sich in solchen Werten nicht wider.

Eine gesamthafte Erfassung des Human Capitals impliziert letztlich auch, dass die Interaktionen zwischen den Fähigkeitsträgern berücksichtigt werden. Gerade in Teamstrukturen sollten Synergien zwischen den Fähigkeiten einzelner Mitarbeiter realisiert werden, indem man sich koordiniert und Wissen teilt. Unterbleibt diese

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koordinierende Interaktion oder ist sie gestört, so entstehen ungenutzte Wertpoten-ziale, die dann auch nicht mehr als Human Capital ausgewiesen werden können. Daher liegt eine weitere Kernfrage auf der Hand: Wird das Ganze gleich viel, mehr oder weniger als die Summe seiner Teile ergeben?

• Das Human Capital eines Gesamtunternehmens könnte im Einzelfall durchaus genau der Summe der individuellen Mitarbeiterfähigkeiten entsprechen; das Ganze wäre dann gleich der Summe seiner Teile. Bei einem solchen unspek-takulären Fall brauchte man bloß die einzelnen HC-Werte aufzusummieren, um Individual- zu Gesamtunternehmenswerten zu aggregieren.

• Der Fall, bei dem das Ganze mehr als die Summe seiner Teile wäre, ergibt sich, wenn durch die Integration eines neuen Mitarbeiters zusätzliche Potenziale im Unternehmen freigesetzt werden, also bislang gebundene oder versteckte Kräfte zur Entfaltung kommen. Dies kann auf das charismatische Führungsverhalten einer neuen Führungskraft zurückzuführen sein, die versteckte Reserven bei den Mitarbeitern mobilisiert. Oder aber durch die sozialen Kompetenzen eines neuen Mitarbeiters entsteht ein harmonisches und produktiveres Arbeitsklima.

• Doch auch die umgekehrte Variante ist denkbar: Ineffizient zusammenarbeitende Mitarbeiter könnten insgesamt ein niedrigeres Human Capital ausweisen, als durch Aufsummieren der individuellen HC-Werte zu erwarten gewesen wäre. Diese Möglichkeit, bei der das Ganze weniger als die Summe seiner Teile ergibt, kann auch auf das Zusammentreffen sozialer Inkompetenzen zurückzuführen sein.

Die Überprüfung von Gruppen- und Unternehmensbezogenheit von HC-Bewertungs-ansätzen impliziert zwei binäre Entscheidungen: Weist ein HC-Bewertungsansatz eine HC-Kennzahl für eine Gruppe von Mitarbeitern aus (ja oder nein)? Und weist ein Ansatz eine HC-Kennzahl für das gesamte Unternehmen aus (ja oder nein)? Dass darüber hinaus auch noch der Ausweis individuumsbezogener HC-Werte denkbar ist, spielt hier keine Rolle.

Nicht nur unternehmensübergreifende Grundsatzentscheidungen der Personal­arbeit, sondern auch Charakteristika und Eigendynamiken von Gruppen haben einen Einfluss auf den aggregierten HC-Wert eines Unternehmens. Der HC­Wert hat zusätzlich zur Gesamtunternehmensebene die Bezugsebene der Gruppen zu berücksichtigen. Umgekehrt scheiden damit alle Ansätze aus, die einzelne Mitarbeiter individuell bewerten oder die ausschließlich die Gesamt­unternehmensebene betreffen.

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Marktwert- orientierte Ansätze

C Praxis: Der State-of-the-Art

Die in der Unternehmenspraxis existierenden Ansätze zur Bewertung des Human Capitals kommen aus sechs unterschiedlichen Denkrichtungen (Abb. 5). Der konzep-tionelle Grundgedanke jeder Bewertungsklasse wird zu Beginn jedes der folgenden sechs Abschnitte kurz vorgestellt. Eine Basisformel verdeutlicht dabei jeweils die grundsätzliche Rechenlogik. Die zentralen Ansätze jeder Bewertungsklasse werden dann definiert (die Notation := bedeutet „ist definiert als“), spezifiziert, präsentiert und diskutiert.

Abb. 5: Klassifizierung der HC-Bewertungsansätze

Alle Ansätze werden hinsichtlich der Erfüllung der neun Postulate zum HC-Wert überprüft. Um eine Standardisierung der Darstellung zu erzielen, die der Lese-freundlichkeit dient, wurden dabei fünf Veränderungen vorgenommen:

Die Bezeichnung der HC-Bewertungsansätze erfolgt unabhängig davon, ob es sich im Einzelnen um durch ™ oder ® geschützte Namen handelt, stets ohne die jeweiligen Symbole.

Alle Formeln werden nach Möglichkeit so wiedergegeben, dass sie einerseits relativ leicht zu erfassen, andererseits unmittelbar und konkret angewendet werden können. Aus diesem Grund können sich kleinere Abweichungen zu den Originalquellen ergeben.

Aus Gründen der besseren Nachvollziehbarkeit wurde eine Vereinheitlichung unterschiedlicher Begriffe (beispielsweise Intellektuelles Kapital oder Human-potenzial) vorgenommen, wenn die entsprechenden Ansätze zur Bewertung des Human Capitals genutzt werden können. Der in diesem Buch relativ enge Fokus auf Human Capital als personalbezogenen Teil des Intellectual Capitals von Unternehmen ist dabei weitaus spezifischer als die generelle Beschäftigung mit jeglichen immateriellen Vermögenswerten: Schließt man aus den Kennzahlen für das Intellectual Capital eines Unternehmens auf dessen Human Capital, das eine Teilmenge des Intellectual Capitals ist, so gilt: HC ≤ IC. Das Human Capital ist also stets kleiner oder gleich dem Intellectual Capital. In diesem

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C Praxis: Der State-of-the-Art

Marktwert- orientierte

Ansätze

Sinne wurden alle uns bekannten Ansätze berücksichtigt, die zur HC-Bewer-tung genutzt werden können (auch wenn dies nicht bei allen die ursprüngliche Intention war) und die im Zusammenhang mit der Bewertung immateriellen Vermögens in der Literatur diskutiert werden.

Nicht berücksichtigt werden in diesem Buch die der Volkswirtschaftslehre entstammenden Berechnungsverfahren. Sie quantifizieren wie in der mikro-ökonomischen Herangehensweise das Human Capital durch den Anteil am Gehalt, der über die für unqualifizierte Arbeit gezahlte Lohnsumme hinausgeht, oder berücksichtigen wie in der makroökonomischen Herangehensweise unter anderem den Gesundheitsstatus und den Bildungsstand der Bevölkerung als Determinanten des Human Capitals.

Schließlich haben wir einigen Ansätzen Namen gegeben, die bisher – ohne expliziten Namen – nur mit einzelnen Autoren verknüpft waren.

Kapitel C will einen Überblick über die 47 zurzeit prominentesten betriebswirt-schaftlichen Ansätze zur HC-Bewertung bieten und damit eine Lücke schließen, da verschiedene Publikationen lediglich einige ausgewählte HC-Bewertungsansätze diskutieren oder sich mit der generellen Bewertung immaterieller Vermögenswerte beschäftigen, ohne dabei auf die HC-Bewertung zu fokussieren.51 Die folgenden Ausführungen erfüllen damit gleichzeitig die Funktion eines Nachschlagewerks.

Neben kompakten Beschreibungen und weiterführenden Literaturangaben haben wir zusätzlich ein Symbolsystem entwickelt, das den jeweils vorgestellten Ansatz auf einen Blick charakterisiert (Abb. 6). Es besteht zunächst aus einer Matrix mit folgenden zwei Achsen (Dimensionen):

• Die horizontale Achse (? – i – e) betrifft den Bewertungsprozess, für den es mehrere Möglichkeiten gibt. Entweder weiß das Unternehmen überhaupt nicht genau, wie die HC-Bewertung erfolgt (Symbol „?“), beispielsweise weil Un-ternehmensberatungen die HC-Bewertung vornehmen und nur die Ergebnisse präsentieren. Eine weitere Möglichkeit ist, dass das Unternehmen die HC-Bewer-tung nach klaren Bewertungsvorschriften ausschließlich unternehmensintern mit nur innerhalb des Unternehmens verfügbaren Daten vornehmen kann (Symbol „i“). Die dritte Möglichkeit besteht darin, dass die HC-Bewertung – über die interne Bewertung hinaus – zusätzlich durch Externe möglich ist (Symbol „e“), etwa unter Verwendung von frei zugänglichem Datenmaterial zum Beispiel aus Geschäftsberichten bei publikationspflichtigen Unternehmen. Damit kann die ansteigende Transparenz bei der HC-Bewertung angegeben werden.

• Die vertikale Achse (v – Z – €) betrifft das formale Ergebnis. Entweder besteht der HC-Wert aus rein verbalen Aussagen (Symbol „v“) oder zusätzlich aus einer wie auch immer gearteten Zahl (Symbol „Z“) oder zusätzlich aus einem konkreten Euro-Wert (Symbol „€“). Damit kann die ansteigende Exaktheit bei der Quantifizierung des Human Capitals angegeben werden.

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Marktwert- orientierte Ansätze

Die Positionierung eines HC-Bewertungsansatzes in dieser Matrix ist zunächst beschreibend. Formale Verbindlichkeit entsteht bei einer HC-Bewertung allerdings erst dann, wenn der Bewertungsprozess – bei welchem formalen Ergebnis auch immer – die Ebene der externen Bewertung („e“) erreicht und sich damit der ex-ternen Kontrollierbarkeit unterwirft.

Allerdings besteht das Ziel nicht nur generell in formaler Verbindlichkeit, sondern darüber hinaus in einer inhaltlichen Verbindlichkeit, die auf HCM bezogen ist. Denn in dieser Matrix wäre ein formal verbindlicher Bewertungsansatz bereits gegeben, wenn jemand Marke, Preis und PS-Zahl seines Autos aufschreiben würde (Kombination „e – €“) – allerdings hätte er noch nichts mit Humankapitalbewer-tung zu tun. Daher muss an dieser Stelle noch die inhaltliche Dimension ergänzt werden: Die Sprechblase über der Matrix (H – C – M) betrifft die Erfüllung der Postulate aus Kapitel B. Vergeben wird im Rahmen der Charakterisierung jedes HC-Bewertungsansatzes pro Postulat ein Strich bei absoluter Nichterfüllung, ein Häkchen in Klammern bei teilweiser Erfüllung und ein Häkchen bei vollständiger Erfüllung des jeweiligen Postulats. Um eine Medaille der Kategorien H – C – M zu erreichen, muss ein HC-Bewertungsansatz mindestens zwei von drei möglichen Häkchen aufweisen: für H bezogen auf die Postulate 1 bis 3, für C bezogen auf die Postulate 4 bis 6, für M bezogen auf die Postulate 7 bis 9. Durch die Anzahl errungener Medaillen kann die ansteigende HCM-Relevanz des HC-Werts ange-geben werden.

Je vollständiger ein HC-Bewertungsansatz charakterisiert wird (sinnvolles Ziel: obere Zeile in der Matrix und gleichzeitig alle drei Medaillen), desto weiter ist der HC-Bewertungsansatz auf dem Weg „Raus aus der Unverbindlichkeit!“ gekommen und desto besser erfüllt er die Ansprüche an ein substanzielles HCM.

Die Bewertungen der einzelnen Ansätze werden dann in Kapitel D zu einer Ent-scheidungshilfe zusammengeführt.

Abb. 6: Symbolsystem zur Charakterisierung der HC-Bewertungsansätze (hier: Beispielbewertung)

C Praxis: Der State-of-the-Art

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C Praxis:DerState-of-the-Art

Marktwert-orientierte

Ansätze

1. MarktwertorientierteAnsätze (spekulativ)

Die marktwertorientierten Ansätze nehmen eine marktseitige Einschätzung des Human Capitals von Unternehmen vor und weisen überwiegend monetäre Kenngrößen aus. Daher sind sie gerade für Analysten und Investoren von großem Interesse, wobei sie aber wegen ihrer Ausrichtung zum Beispiel auf den Aktienkurs einen deutlich spekulationsgeladenen Inhalt aufweisen.

Für die marktwertorientierten Ansätze gilt zur Berechnung des immateriellen Vermögens von Unternehmen und damit zur Ermittlung der Obergrenze ihres HC-Wertes folgende Basisformel:

HC := f (Marktwert, Buchwert, Mitarbeiterzahl)

1.1 Markt-/Buchwert-Relation

Die Markt-/Buchwert-Relation (Markt-/Buchwert-Verhält-nis, Markt-/Buchwert-Quotient, Market-to-Book Ratio, Market Value to Book Value) wird zur Quantifi­zierung des Intellectual Capitals herangezogen. Sie schließt dadurch das Human Capital in ihre Berechnung mit ein.

Über den Kapitalmarkt-Einfluss überlässt die Markt-/Buch-wert-Relation die Wertermittlung den Shareholdern eines Unternehmens und nicht dem Management. Die Markt-/Buchwert-Relation signalisiert das, was die Mitarbeiter eines Unternehmens an immateriellen Vermögenswerten schaffen,52 indem der Quotient aus Markt- und Buchwert ermittelt wird.53

HC := BuchwertMarktwert

FTEBuchwertMarktwert

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Mit frei verfügbaren Unternehmensdaten berechenbar, kann über die Markt-/Buch-wert-Relation das Human Capital jedes börsennotierten Unternehmens ermittelt werden (Abb. 7).

• Hierzu errechnet man den auch als Marktkapitalisierung beziehungsweise Börsenkapitalisierung bezeichneten Marktwert als Marktwert = (Anzahl der Aktien) × Börsenkurs. Die Aktienzahl ist dem Geschäftsbericht zu entnehmen, der Börsenkurs ist tagesaktuell beispielsweise in der Zeitung zu fi­nden.

• Das auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital repräsentiert den Buchwert.

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Vorwort zur 3. Auflage

Die Diskussion um ein Human Capital Management wird durch zwei treibende Kräfte in Gang gehalten: Auf der einen Seite etabliert sich mit „HR Analytics“1 ein Mainstream, der bewusst auf eine intensive Abbildung der Personalarbeit und ihrer Ergebnisse durch Zahlen setzt. Die Antwort auf alle Fragen, die die Personalarbeit bewegen, ist also letztlich die aus der Literatur bekannte „42“ als Spitzenkennzahl, allerdings im Verbund mit konkreten, aussagefähigen, interpretierbaren und damit entscheidungsrelevanten Kennzahlen und Werthebeln. Im Sinne eines „evidenzbasier-ten Managements“2 kommt es dabei darauf an, dass die Managemententscheidungen in Unternehmen auf wissenschaftlich fundierten und empirisch-formal verankerten Erkenntnissen und Daten basieren.

Auf der anderen Seite erfüllt sich gerade die Bedingung „Humankapitalbewertung wird sich durchsetzen, sobald der Nachweis gelingt, dass sie wirklich prognostische Kraft für Erfolg und Misserfolg von Unternehmen hat!“: So konnte die monetäre Humankapitalbewertung die drohenden Probleme bei der die deutsche Finanzkrise symbolisierenden Hypo Real Estate Holding früher vorhersagen als andere betriebs-wirtschaftliche Analyse-Instrumentarien.

Als wir im Jahr 2004 mit der ersten Auflage dieses Buches in mehrfacher Hinsicht Neuland beschritten, konnten wir seine Wirkung nicht im Geringsten erahnen: Ging es uns doch im Wesentlichen „nur“ darum, bestehende Ansätze zu diesem Thema zu systematisieren und der Öffentlichkeit eine kleine Weiterführung (die Saarbrücker Formel) zu präsentieren. Inzwischen ist die Systematik weitgehend als Basis für Humankapitaldiskussionen akzeptiert, wenngleich die Diskussion um die einzelfallspezifische Messung erfreulicherweise weitergeht und – im Rahmen der vorgeschlagenen Grundlogiken – immer neue Vorschläge für weitere Vertiefungen im Detail liefert.

Uns geht es aber mit diesem Buch nicht um die Saarbrücker Formel als solche oder um irgendwelche anderen speziellen Ansätze, die sich alle mehr oder weniger etab-liert haben. Uns geht es vielmehr um das Ermöglichen professionell-pragmatischer Lösungen und konstruktiv-kritischer Diskussionen. Hierfür ist es fast unerlässlich, konkret zu werden und den Einstieg in eine analytisch-numerische Vorgehensweise zu finden. Dies führt eindeutig in die Richtung „Raus aus der Unverbindlichkeit!“ und prüft, inwieweit eine HC-Messung in verbalen Aussagen, konkreten Zahlen oder gar monetären Euro-Werten resultiert.

Was für uns daher im Zentrum dieses Buches steht, ist der Human-Capital-Wert: Der zentrale Beitrag zur Verminderung von Unverbindlichkeit ist eben die Bewertung, die einen konkreten Wert hervorbringt. Man kann über Personalarbeit allgemein sowie Sinn und Zweck personalwirtschaftlicher Maßnahmen speziell reden, aber wenn der Wert des Humanvermögens eines Unternehmens gemessen werden soll,

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Vorwort

dann muss dies zwangsläufig auf eine Zahl hinauslaufen. Selbstverständlich soll diese Zahl möglichst aussagekräftig, immun gegen Manipulationen sowie andock-fähig an personalwirtschaftliche sowie unternehmensstrategische Entscheidungen sein – aber immer noch bleibt es eine konkrete Zahl. Sie kann dann beispielsweise auch in Geschäftsberichten dargestellt werden: Auch hier herrscht die Sprache der konkreten Zahlen und Euro-Werte vor – wenn bislang auch nur selten in dem Teil des Geschäftsberichts, der sich mit den Mitarbeitern befasst.

Vor diesem Hintergrund gibt es jetzt nicht nur einen weiteren Nachdruck des Buches, sondern eine in dreifacher Hinsicht aktualisierte Neuauflage:

(1) Die präsentierten Ansätze – dies sind im Wesentlichen alle Ansätze, die sich der Ermittlung des Human Capitals zurechnen lassen beziehungsweise die sich explizit als Humankapitalansatz bezeichnen – werden aktualisiert und um die wichtigsten Vorschläge ergänzt, die inzwischen neu hinzugekommen sind. In der Tendenz gibt es dabei kaum grundlegende Innovationen.

(2) Die Saarbrücker Formel wird nicht mehr als neuartiges integratives Modell „hinter“ die älteren Konzepte gestellt, sondern in die Gesamtsystematik gleich-rangig zu allen anderen Ideen einsortiert, wenngleich sie in einem kurzen Exkurs hinsichtlich einiger Detailaspekte etwas vertieft wird.

(3) Vor allem der Anwendungsaspekt wird stärker herausgearbeitet, beginnend bei den Nutzeraspekten eines HCM in Kapitel D bis hin zu den Adressaten in Kapitel F.

Trotzdem konnte ein großer Teil des Buches in seiner bewährten Form beibehalten werden.

Ein Buch über ein situationsbezogen vernünftiges Ermitteln von HC-Werten und über ihre Nutzung ist aus unserer Sicht dringend notwendig: Denn Verstehen und Gestalten dieser anspruchsvollen Thematik wird in Zukunft ein unverzichtbarer Be-standteil einer professionellen Personalarbeit werden. Gerade vor dem Hintergrund der sich teilweise dramatisch ändernden Arbeitswelt mit völlig neuen Spielregeln im wettbewerbsintensiven Umgang zwischen Unternehmen, Personalabteilung und Mitarbeitern, aber auch Kapitalgebern und weiteren Anspruchsgruppen, bietet Human Capital Management die Chance, Unternehmen mitarbeiterorientiert zu führen und zu steuern.

Der Messung von Human Capital kommt insgesamt eine wichtige Bedeutung zu, woraus sich auch ihr zentraler Stellenwert in der generellen Auseinandersetzung mit dem HCM ergibt. Vor diesem Hintergrund greift das Buch alle drei Aspekte Human – Capital – Management auf:

Am Beginn des HCM steht die unternehmens- und personalpolitische Frage, warum sich ein Unternehmen überhaupt mit dem Aspekt „Human“, also mit seinem Personal, beschäftigen soll. Verbreitet ist ein HC-Bekenntnis zu den

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Vorwort

Mitarbeitern als wichtiges Kapital. Zu ihm gibt es viele Beispiele in der wis-senschaftlichen Literatur und in der Unternehmenspraxis: Sie zeigen (a) die Notwendigkeit auf, spezifizieren (b) die Rolle der durchführenden Personal-abteilung und setzen sich (c) mit der generellen Kritik am HCM auseinander. Arbeiten zum HC-Bekenntnis sparen im Regelfall die Frage aus, wie das Human Capital überhaupt bestimmt werden kann. Sie geben allerdings den wichtigen Impuls, sich generell mit dem Human Capital zu beschäftigen, und leiten somit über zu HC-Bewertung und HC-Optimierung.

Wie die Ermittlung eines Capital-Wertes für die Gesamtbelegschaft eines Unternehmens erfolgen kann, ist Thema der HC-Bewertung. Auf sie konzent-rieren wir uns in diesem Buch: Wir wollen Ideen zur Messung des Human Capitals spezifizieren. Dass sich ein solcher Text zwangsläufig sperriger liest als ein feuriges Plädoyer, den wirklichen Wert des Mitarbeiters als individuelle Persönlichkeit endlich zu erkennen, liegt auf der Hand. Dabei vertreten wir keine sozialromantische Personalarbeit, die jegliche Messung ablehnt, dafür Applaus erntet, später dann aber Krokodilstränen weint, wenn aufgrund von Unprofessionalität der Personalarbeit Mitarbeiter entlassen werden. Also: Raus aus der Unverbindlichkeit!

Aus der Bewertung und der Analyse sowie Interpretation des HC-Wertes er-gibt sich die Chance zum Management, also dazu, das Unternehmen über den Ansatzpunkt Human Capital personalseitig zu steuern. Die HC-Optimierung nutzt das Instrumentarium des Personalmanagements, um Wirtschaftlichkeit und Personalführung stimmig zusammenzubringen. Sie ist damit ein essenzieller Baustein für ein Personalmanagement, das aus unserer Sicht eine höhere Priorität (wenn nicht sogar das Primat) in der Unternehmensführung beanspruchen kann. Trotzdem wird – da dieses Buch einen anderen Fokus hat – die Thematik der HC-Optimierung im vorliegenden Text nur am Rande berührt.

Unser Ansatz basiert auf allgemeinen Anforderungen an ein sinnvolles Human Capital Management, beschreibt aber vor allem die wichtigsten HC-Bewertungsansätze, die hier in komprimierter Form und nach immer der gleichen, standardisierten Logik präsentiert werden.

Entsprechend dieser Diktion ist klar, womit wir uns in diesem Text überwiegend nicht beschäftigen:

Wir werden nicht die unbestreitbare Wichtigkeit von Mitarbeitern als Werttreiber im Unternehmen behandeln.

Wir werden nicht die unbestreitbare Bedeutung des Wertschöpfungsbeitrages der Personalarbeit thematisieren.

Wir werden nicht auf die unbestreitbaren Konsequenzen hinsichtlich Aufgabe und Organisation der Personalarbeit eingehen.

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Vorwort

Diese drei Aspekte übergehen wir nicht wegen ihrer geringen Bedeutung im Ge-samtkontext eines HCM – im Rahmen dieser Publikation wird lediglich ein anderer Schwerpunkt gesetzt. Nicht jeder an der Personalarbeit Interessierte muss also dieses Buch lesen: Wer über HC-Werte nichts wissen will, soll andere Literatur zur Hand nehmen. Doch wer in das moderne evidenzbasierte Personalmanagement einsteigen will, kommt um dieses Buch nicht herum.

Ordnet man das vorliegende Buch jedoch in die Saarbrücker Personalforschung ein, so zeigt sich, dass alle Aspekte des HCM abgedeckt sind:

Das HC-Bekenntnis ist Teil der Trendstudie „Spieler ohne Stammplatzgarantie. Darwiportunismus in der neuen Arbeitswelt“ (2003): Das Buch thematisiert die Auseinandersetzung mit der Arbeitswelt, die gegenwärtig tief greifende Verände-rungen erlebt, und verweist auf das HCM als unverzichtbaren Bestandteil einer professionellen Personalarbeit. Einen ähnlichen Argumentationfaden nimmt das Buch „Der Talente-Krieg“ (200�) auf, das den War for Talents thematisiert und ebenfalls auf die Handlungspotenziale hinweist, die ein HCM zur Bewältigung dieser Herausforderung beitragen kann.

Die HC-Bewertung ist Schwerpunkt dieses Buches „Human Capital Manage-ment“ und seiner Vorauflagen (2004, 2006). Ein weiteres Buch – „Dynamisches Human-Capital- und Kompetenz-Controlling im innovativen Mittelstand“ (2010) – zeigt, dass eine HC-Bewertung sich als kontinuierliche Praxis in Unternehmen (auch im Mittelstand) realisieren lässt und bewährt, sogar im Monatstakt.

Die HC-Optimierung wird in dem Handbuch „Personalmanagement. Informa-tionsorientierte und verhaltenstheoretische Grundlagen“ (Vahlen, 6. Aufl. 2012) sowie im Buch „Grundzüge des Personalmanagements“ (2011) ausführlich beschrieben. Die zur Verfügung stehenden Instrumente und Methoden des Personalmanagements sind zudem Inhalt von „Vahlens Großes Personallexikon“ (2009).

In der Zusammenschau ergibt sich ein differenziertes Portfolio mit einer integrativen Logik, in dem die Humankapitalbewertung (und damit das vorliegende Buch) als zentrales Puzzleteil positioniert ist.

Unser Buch „Human Capital Management. Raus aus der Unverbindlichkeit!“ wendet sich an alle, die einen Handlungsleitfaden für die unternehmensindividuelle – und gleichzeitig sinnvolle – Bewertung des Human Capitals suchen. Dies sind all jene, die auf wertvolle und wertschöpfende Mitarbeiter bauen: Personalmanager, Unternehmer und Führungskräfte, Vorstände und Aufsichtsräte, Managementberater sowie Wissenschaftler und Studierende.

Zu diesem Zweck werden wir in Kapitel A in die Problematik des HCM allgemein einführen. In Kapitel B wenden wir uns dann dem HC-Wert zu und leiten neun

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Vorwort

generelle Gestaltungsgrundsätze für Human-Capital-Werte ab. Welche Vorschläge zur Bewertung des Human Capitals es gibt und inwieweit sie unsere Postulate erfüllen, erfahren Sie in Kapitel C. Aus diesen umfangreichen Überlegungen heraus entwickeln wir in Kapitel D eine Entscheidungshilfe, die Ihnen die Aus-wahl der HC-Bewertungsansätze erleichtern soll. Kapitel E liefert als Exkurs eine Vertiefung der Saarbrücker Formel. Kapitel F stellt als Ergebnis heraus, welche Konsequenzen sich aus der HC-Bewertung für Mitarbeiter, Betriebsräte, Personal-abteilungen, Unternehmen, Vorstände und Aufsichtsräte, Kapitalgeber und für die Gesamtwirtschaft ergeben.

Saarbrücken – Siegen – München, im Juli 2011 Christian Scholz Volker Stein Roman Bechtel

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