„Bauschäden durch Mineralische...

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Herbert Pöllmann und Jürgen Göske Treiberscheinungen werden durch Mineralreaktionen in einem bereits erhärteten Baustoff- Gefüge verursacht. Das höhere Volumen der Mineralneubildung führt zu Ausdehnungsreaktionen, die Spannungen und Risse im Gefüge verursachen können. Alle Neubildungen in einem erhärteten Gefüge, die ein höheres Volumen aufweisen, können in diese Klasse von Bauschäden eingereiht werden. Da diese Reaktionen sehr gut bekannt sind, kann durch eine geeignete Anwendung ein Schaden verhindert werden. So ist zum Beispiel die Anwesenheit des voluminösen Ettringits nicht immer ein Bauschaden. Entsteht dieses Mineral während des Abbindens eines Zements, so ist die Bildung durchaus gewollt. Entsteht Ettringit jedoch später (Sekundärettringit), kann es zu entsprechenden Schäden kommen. Viele Bauschadensreaktionen können darüber hinaus aber auch nicht nur expansive Wirkung zeigen, sondern können auch lösend wirken. Deshalb reicht der reine Nachweis der Anwesenheit eines Minerals nicht aus, um von einem Bauschaden zu sprechen. Bauschäden können bei richtiger Vorgehensweise sehr oft verhindert werden. Bereits die Kristallisation von Wasser zu Eis führt auch zu einer Volumenzunahme von 9 %, wird aber nicht zu diesen Treibreaktionen gerechnet. Für diese Schadreaktionen gibt es sehr viele Möglichkeiten, dabei kommen sowohl der Baustoff selbst, Reaktionen mit zugeführten Stoffen, als auch Verarbeitungskomponenten in Betracht: 1. Durch Neubildung im Mikrogefüge des Materials (zum Beispiel nach Wärmebehandlung eines Bauteils nachträgliche Kristallisation eines voluminösen Minerals, z.B.von Sekundärettringit in einem festen Gefüge) 2. Verspätete Hydratationsreaktionen aus dem Baustoff (Nachträgliche Reaktion von hochgebranntem CaO und MgO aus dem Zement) 3. Reaktion der Baustoffkomponenten mit zugeführten Bestandteilen aus dem Grundwasser oder umgebendem Boden- und Gestein 4. Reaktion der Baustoffkomponenten mit zugeführten Bestandteilen aus der Luft, durch Reinigungsmittel und Taumittel 5. Reaktion der Baustoffkomponenten im Rahmen einer Bausanierung usw. 6. Reaktion von Zuschlag mit Zement. Im Folgenden sollen nun einige besonders häufige mineralische Treiberscheinungen beschrieben werden. Die durch die Neubildungen verursachte Volumenzunahme führt dabei zu den Schäden (Tabelle 1). Die Aktuelle-Wochenschau © der GDCh – Bauen und Chemie 40/2011 „Bauschäden durch Mineralische Treiberscheinungen“

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Herbert Pöllmann und Jürgen Göske

Treiberscheinungen werden durch Mineralreaktionen in einem bereits erhärteten Baustoff-Gefüge verursacht. Das höhere Volumen der Mineralneubildung führt zu Ausdehnungsreaktionen, die Spannungen und Risse im Gefüge verursachen können. Alle Neubildungen in einem erhärteten Gefüge, die ein höheres Volumen aufweisen, können in diese Klasse von Bauschäden eingereiht werden. Da diese Reaktionen sehr gut bekannt sind, kann durch eine geeignete Anwendung ein Schaden verhindert werden. So ist zum Beispiel die Anwesenheit des voluminösen Ettringits nicht immer ein Bauschaden. Entsteht dieses Mineral während des Abbindens eines Zements, so ist die Bildung durchaus gewollt. Entsteht Ettringit jedoch später (Sekundärettringit), kann es zu entsprechenden Schäden kommen. Viele Bauschadensreaktionen können darüber hinaus aber auch nicht nur expansive Wirkung zeigen, sondern können auch lösend wirken. Deshalb reicht der reine Nachweis der Anwesenheit eines Minerals nicht aus, um von einem Bauschaden zu sprechen. Bauschäden können bei richtiger Vorgehensweise sehr oft verhindert werden.Bereits die Kristallisation von Wasser zu Eis führt auch zu einer Volumenzunahme von 9 %, wird aber nicht zu diesen Treibreaktionen gerechnet. Für diese Schadreaktionen gibt es sehr viele Möglichkeiten, dabei kommen sowohl der Baustoff selbst, Reaktionen mit zugeführten Stoffen, als auch Verarbeitungskomponenten in Betracht:

1. Durch Neubildung im Mikrogefüge des Materials (zum Beispiel nach Wärmebehandlung eines Bauteils nachträgliche Kristallisation eines voluminösen Minerals, z.B.von Sekundärettringit in einem festen Gefüge)

2. Verspätete Hydratationsreaktionen aus dem Baustoff (Nachträgliche Reaktion von hochgebranntem CaO und MgO aus dem Zement)

3. Reaktion der Baustoffkomponenten mit zugeführten Bestandteilen aus dem Grundwasser oder umgebendem Boden- und Gestein

4. Reaktion der Baustoffkomponenten mit zugeführten Bestandteilen aus der Luft, durch Reinigungsmittel und Taumittel

5. Reaktion der Baustoffkomponenten im Rahmen einer Bausanierung usw. 6. Reaktion von Zuschlag mit Zement.

Im Folgenden sollen nun einige besonders häufige mineralische Treiberscheinungen beschrieben werden. Die durch die Neubildungen verursachte Volumenzunahme führt dabei zu den Schäden (Tabelle 1).

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„Bauschäden durch Mineralische Treiberscheinungen“

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Enthalten Zemente nach der Herstellung noch freies MgO, so kann es durch ein nachträgliches, meist sehr langsam reagierendes "Ablöschen" des MgO zu Mg(OH)2 (Brucit) zu einem "Magnesiatreiben" kommen. Zudem tritt diese Reaktion auch oft sehr verzögert nach mehreren Monaten auf. Kalktreiben entsteht, wenn nach dem Klinkerbrand unreagiertes CaO zurückbleibt und im festen Zementstein anschließend nachträglich zu Ca(OH)2 (Portlandit) reagiert. Der Portlandit kann anschließend über eine Carbonatisierungsreaktion zu Calciumcarbonat weiterreagieren.

Für Zemente sind deshalb Grenzwerte des Gehalts an freiem CaO und MgO gegeben. Sehr bekannt ist auch die sulfatbedingte Treiberscheinung durch Ettringit/Thaumasit, wenn der Aluminatanteil im Zement mit Sulfat im festen Gefüge nachträglich das voluminöse Mineral Ettringit/Thaumasit bildet. Unter bestimmten Bedingungen kann auch Thaumasit, ein aluminatfreies Mineral der Ettringitgruppe, gebildet werden. Auch Thaumasit ist wie Ettringit sehr voluminös und kann aber auch in aluminiumfreier Umgebung gebildet werden. Bekannt ist auch die Bildung von Sekundärettringit in wärmebehandelten Bauteilen bei Temperaturen über 70 °C. Bei diesen

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Treibreaktion Chem. Zusammensetzung

Ettringittreiben [Al(OH)6]2 • 24 H2O}6+ {3SO42- nH2O}6-

Thaumasittreiben {Ca6[Si(OH)6]2 • 24 H2O}8+ {2 SO42-•2 CO3

2-}8-

Hydrocalumitbildung C3A • CaX2 • 10-12 H2O (X=Chlorid, Carbonat, Hydroxid)

Kalktreiben CaO + H2O - → Ca(OH)2

Magnesiatreiben MgO + H2O - → Mg(OH)2

Thenardit - Mirabilitbildung Na2SO4 +nH2O - → Na2SO4.10H2O

Kieserit,Pentahydrit, Epsomitbildung MgSO4 + nH2O - → MgSO4.nH2O(n=5,7)

Thermonatritbildung Na2CO3, Na2CO3.nH2O(n= 7, 10)

Nitrat, Phosphat, Carboxylat, ... Ca,Mg,Na,K-salze

Alkalitreiben Na,K-silikathydrate

Oxydationsprodukte Neubildung von Eisenhydroxyd aus gediegen Eisen

Tabelle 1: Mineralreaktionen die zu Treiberscheinungen führen

Abbildung 1: Brucitkristallisation im Fugenbereich

Abbildung 2: Portlanditbildung im Zwickelbereich des Gefüges

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Temperaturen über 70 °C kann Ettringit nicht gebildet werden, wird jedoch nach der Abkühlung < 70 °C im bereits erhärteten Gefüge unter feuchten Bedingungen und Normaltemperatur neu gebildet und kann dann durch die Expansionsschadreaktionen zu Dehnungen bis hin zur Rissbildung führen. Diese Ettringit-ähnlichen Strukturen können zudem noch verschiedene Mischkristalle durch Einbau von Carbonat und Hydroxyd ausbilden. Andere sprengende Wirkung können durch Umkristallisationen oder durch die Bildung von hoch wasserhaltigen Mineralen entstehen. Bei der Umkristallisation von Calciumcarbonat bei Sulfatzufuhr kann es zur Neubildung von Gips kommen. Das Volumen der Neubildung ist fast verdoppelt. Die Reaktion kann wie folgt beschrieben werden : CaCO3 + SO4 2- + 2H2O - → CaSO4.2H2O(Gips) + CO3 2-

Andere wichtige Reaktionen sind Mineralreaktionen, bei denen es durch Wasseraufnahme zu Umkristallisationen kommen kann. Sehr bekannt sind die wasserhaltigen Verbindungen Mirabilit (Na2SO4.10H2O) oder Epsomit (MgSO4.7H2O). Durch die Bildung der wasserreichen Phase aus einer wasserärmeren Phase kommt es zu Ausdehnungen und Absprengungen des Baustoffegfüges. Als sehr bekanntes Beispiel soll hier die Umwandlung von Thenardit (Na2SO4) in Mirabilit (Na2SO4.10H2O) dargestellt werden :

Na2SO4 ↔ Na2SO4.10H2O (32.4 °C)

Diese bereits bei 32.4 °C stattfindende Umwandlungsreaktion ist bei gleichzeitig anwesendem Magnesiumsulfat sogar schon bei 27 °C und Chlorid bis auf 15 °C abgesenkt. Andere Ausblühungen und Neubildungen können oft auch zu Schadreaktionen führen. Als Beispiel für eine derartige Reaktion in einem Stall ist in Abbildung 7 die Bildung von Kaliumnitrat auf einer Mörteloberfläche gezeigt.

Volumenzunahme und Treibreaktionen können aber auch durch die Oxydation des eingelagerten Stahlgitters entstehen, da die rostige Neubildung FeOOH durch Volumenzunahme zu Absprengungen des überlagernden Materials führen kann. Werden alle Parameter wie richtige Wahl der Baustoffe und richtige Verarbeitung berücksichtigt, so können Schäden weitgehend vermieden werden. Treten trotzdem

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Abbildung 3: Rissbildung in Industrieboden durch sekundäre Ettringitbildung

Abbildung 4: Betonpflastersteine mit Treibschäden

Abbildung 5: Ettringit/Thaumasitneubildung auf Betonsteinoberflächen in Zwickelräumen

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einmal Schäden auf, so gibt es verschiedene Möglichkeiten der Schadensbehebung. Auch hier spielen bauchemische Produkte oft eine wichtige Rolle. Ursachenforschung dient dabei nicht nur dazu den "Schuldigen" zu finden, sondern oft auch dazu die Basis zu schaffen, dass ein Schaden optimal behoben oder im Idealfall von Anfang an verhindert wird.

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Abbildung 6: Mirabilit/Thenarditbildung (Kristalle 20cm) Abbildung 7: Kalinitratbildung an Mörteloberfläche

Abbildung 8: Expansionsreaktion durch Rostbildung auf Stahlbewehrung

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Kontakt: Schlauer FuchsProf.Dr.Dr.Herbert Pöllmann Universität Halle/SaaleMineralogie/GeochemieVon Seckendorffplatz 306120 Halle/Saale

Unsere Schlaue-Fuchs-Frage zu diesem Beitrag lautete:

Warum gibt es für Zemente Grenzwerte für den Gehalt an freiem CaO und MgO?

http://www.geo.uni-halle.de/

Dr. rer. nat. Jürgen Göske, Diplom MineralogeDorfstrasse 16a91233 Neunkirchen am SandTel.: +49 (0)9153 97999-5Fax: +49 (0)9453 97999-4E-Mail: [email protected]

http://www.schadensanalytik.eu/

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