ABBILDUNGSVERZEICHNIS 4 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 5 1...
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INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS 4
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 5
1 EINLEITUNG 6
2 DIE GESCHICHTE UND BEDEUTUNG DER ALLFINANZ IN DEUTSCHLAND UND EUROPA 11
2.1 Die Geschichte der Allfinanz 11 2.1.1 Entwicklungsstufen der Allfinanz im 20. Jahrhundert 11 2.1.2 Die konzernrechtliche Verbindung von Banken und Versicherungen 18 2.1.3 Die Financial Services-Welle in den USA 19 2.1.4 Kundenorientierung als Auslöser der Allfinanz- Renaissance 21
2.2 Die Situation auf dem deutschen Bankenmarkt 24
2.3 Die Situation auf dem deutschen Versicherungsmarkt 32
2.4 Konvergenz zwischen Bank- und Versicherungsgeschäft 41 2.4.1 Funktion und Risikosituation von Banken und Versicherungen 42 2.4.2 Produktkonvergenzen 47
2.5 Der Status quo der Allfinanz 51 2.5.1 Stand der Allfinanz in Deutschland 51 2.5.2 Stand der Allfinanz in Europa 58
3 RATIONALEN UND HINTERGRÜNDE DES ALLFINANZ- KONZEPTS 66
3.1 Größenvorteile 66 3.1.1 Skaleneffekte 66 3.1.2 Verbundeffekte 68 3.1.3 Cross-Selling und Kundenbindung 69 3.1.4 Verbundeffekte aus Sicht des Resource-based View 71 3.1.5 Quantifizierung von Verbundeffekten 74
3.2 Altersvorsorge in Deutschland 77 3.2.1 Entwicklung des Geldvermögens 77 3.2.2 Demographie und Altersvorsorge 79 3.2.3 Private und betriebliche Altersvorsorge und Allfinanz 82
2
3.3 Allfinanz aus Kundensicht 87 3.3.1 Kundenverhalten und Kundennutzen 87 3.3.2 Empirie zu Kundenanspruch und Kundenwunsch 92 3.3.3 Das Allfinanzkonzept unabhängiger Strukturvertriebe 96
3.4 Allfinanz als Diversifikationsstrategie 99 3.4.1 Double Gearing und die Aufsicht von Allfinanzkonzernen 108
4 DER ERFOLG VON ALLFINANZ AUS EMPIRISCHER SICHT 112
4.1 Möglichkeiten der Erfolgsmessung und ihre Grenzen 112
4.2 Überblick zu empirischen Befunden 119 4.2.1 Empirische Evidenz von Skaleneffekten 120 4.2.2 Erfolgsstudien zu Allfinanzfusionen 124
5 ANALYSE ENTSCHEIDENDER ERFOLGSFAKTOREN BEI DER UMSETZUNG DES ALLFINANZKONZEPTS 130
5.1 Übersicht und Auswahl der in der Literatur besprochenen Erfolgsfaktoren 130
5.2 Integrationsform und -grad 133 5.2.1 Kooperationsstrategien 133 5.2.2 Konzentrationsstrategien 139 5.2.3 Bewertung von Integrationsform und -grad 141
5.3 Markenführung 148
5.4 Vertriebsstrategie 154 5.4.1 Integration des Versicherungsvertriebs in die Bank 154 5.4.2 Multi-Channel-Banking und Allfinanz 162 5.4.3 Customer Relationship Management 167 5.4.4 Private Finanzplanung 173
5.5 Produktgestaltung 176
5.6 Mitarbeiterführung 182
6 ANALYSE DER ERFOLGSFAKTOREN VON ALLFINANZPARTNER-SCHAFTEN AUF GRUNDLAGE VON FÜNF EUROPÄISCHEN FALLSTUDIEN 190
6.1 Allianz und Dresdner Bank 190 6.1.1 Entwicklung des Allfinanzkonzepts 190 6.1.2 Erfolgsfaktoren des Allfinanzkonzepts 195 6.1.3 Erfolgsbeurteilung 199
3
6.2 KBC 204 6.2.1 Entwicklung des Allfinanzkonzepts 204 6.2.2 Erfolgsfaktoren des Allfinanzkonzepts 206 6.2.3 Erfolgsbeurteilung 213
6.3 Fortis Konzern 215 6.3.1 Entwicklung des Allfinanzkonzepts 215 6.3.2 Erfolgsfaktoren des Allfinanzkonzepts 218 6.3.3 Erfolgsbeurteilung 227
6.4 Citibank und CiV Versicherung 231 6.4.1 Entwicklung des Allfinanzkonzepts 231 6.4.2 Erfolgsfaktoren des Allfinanzkonzepts 233 6.4.3 Erfolgsbeurteilung 240
6.5 Commerzbank und AMB Generali 243 6.5.1 Entwicklung des Allfinanzkonzepts 243 6.5.2 Erfolgsfaktoren des Allfinanzkonzepts 245 6.5.3 Erfolgsbeurteilung 249
6.6 Zusammenfassung und Fazit 252
LITERATURVERZEICHNIS 254
4
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Five Forces-Modell für den Bankenmarkt 25
Abbildung 2: Marktanteile der Vertriebswege für Versicherungsprodukte
in % der lfd. Prämien 56
Abbildung 3: Anteile des Bankvertriebs am Verkauf von Lebens-
versicherungen in % 58
Abbildung 4: Anteile des Bankvertriebs am Verkauf von Sachver-
sicherungen in % 59
Abbildung 5: Steuerung und Kontrolle von Weiterleitungen 156
Abbildung 6: Organisation des KBC-Allfinanzkonzepts 205
Abbildung 7: Struktur der Fortis Gruppe 217
Abbildung 8: Citibank als Multikanalbank 232
5
Abkürzungsverzeichnis
Abb. Abbildung
ALM Asset und Liability Management
AVmG Altersvermögensgesetz
BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BAV Bundesanstalt für Versicherungen
bAV betriebliche Altersvorsorge
bspw. beispielsweise
CRM Customer Relationship Management
DSGV Deutscher Sparkassen und Giroverband
EG Europäische Gemeinschaft
EStG Einkommenssteuergesetz
EU Europäische Union
HGB Handelsgesetzbuch
IAS International Accounting Standards
IFA Independent Financial Advisor
IFRS International Financial Reporting Standards
IT Informationstechnologie
KWG Kreditwesengesetz
Mrd. Milliarde
p. a. per annum
PC Personal Computer
POS Point of Sale
ROE Return on Equity
u. a. unter anderem
u. U. unter Umständen
Univ. Universität
VAG Versicherungsaufsichtsgesetz
6
1 Einleitung
Spätestens seit der Fusion der Allianz AG mit der Dresdner Bank im Jahre 2001 ist das
Thema "Allfinanz" in Deutschland wieder in den Fokus der Medien gerückt. Vom Begriff
her keineswegs neu ist die Allfinanzthematik, die nach einer "Allfinanz-Euphorie" in den
80er Jahren in den frühen 90er Jahren in Deutschland fast in der Versenkung ver-
schwand1, in den letzten Jahren wieder verstärkt in den Blickpunkt der Finanzdienstleis-
tungsindustrie getreten und wird - in Deutschland vor allem seit Bekanntgabe des Zu-
sammenschlusses von Allianz/Dresdner Bank - in der Fachpresse kontrovers diskutiert.
Vielfach wird heute von einer "Renaissance" der Allfinanzidee gesprochen, z. T. spre-
chen Konzernlenker von einer "Allfinanz-Vision"2. Die Entwicklung und Beurteilung von
Allfinanz in Deutschland beschreibt Farny zutreffend mit dem Verlauf einer Sinuskurve
und ihren Auf und Abs - auf die Toterklärung des Konzepts folgte seine Wiederauferste-
hung. Heute scheint die Sinuskurve in Deutschland nach oben zu weisen: Die öffentlich-
rechtlichen Banken und Versicherer, die genossenschaftlichen Banken und die R+V-
Versicherer entwickeln sich in die Richtung von "Finanzkonzernen", die Allianz hat die
Dresdner Bank übernommen, HVB und Commerzbank intensivieren ihre Vertriebskoope-
rationen mit ERGO bzw. AMB Generali.
In der Literatur zum Thema Allfinanz setzen sich viele Autoren, häufig Vertreter von
Unternehmensberatungen, mit den Ursachen der Wiederbelebung, bspw. der aktuellen
Ertragsschwäche am Bankenmarkt oder der privaten Altersvorsorge, auseinander. Viel-
fach wird daraus ein Überlegenheitspostulat der Allfinanzstrategie abgeleitet.3 Als Belege
für das Gelingen des Allfinanzkonzepts werden dazu meist die erfolgreichen Allfinanz-
konzerne der Benelux-Staaten, Fortis und ING angeführt.
Es bestehen jedoch auch Zweifel. So titelte das Handelsblatt Anfang 2004 „Allfinanzfusi-
onen kommen aus der Mode“ und bezog sich auf eine aktuelle Studie der OECD, in der
die Vorteilhaftigkeit diversifizierter Finanzkonglomerate in Frage gestellt wird.4 Im Früh-
jahr 2005 verkaufte die Citigroup ihre Lebensversicherung Travelers Life & Annuity an
1 Vor allem das Scheitern der Zusammenarbeit der Bank für Gemeinwirtschaft und des Versicherers AMB führte dazu, daß "Allfinanz" in den 90er Jahren in der Finanzwelt quasi zum "Unwort des Jahres" wurde. Vgl. Schulte-Noelle (1998), S. 325. 2 Schulte-Noelle (1998), S. 324 3 Vgl. bspw. Warth (1999), S. 122f., Bernet (1999), S. 75 4 Vgl. o.V. (2004i), S. 23
7
den US-Versicherungskonzern MetLife und markierte damit ihren Abschied von der Stra-
tegie des „allumfassenden“ Finanzkonglomerats.5 Festzustellen ist, daß eine Frage in der
Literatur stark vernachlässigt wird: Liegt der Trend zur Allfinanz tatsächlich im Interesse
der Kunden, bzw. rechtfertigt der Kundenwunsch es, den „aus der Mode gekommenen“
Begriff der Allfinanz heute wiederzubeleben?
Bevor im folgenden die Ziele und Vorgehensweise dieser Arbeit erläutert werden, soll
zunächst auf den Begriff der „Allfinanz“ näher eingegangen werden.
Es ist festzustellen, daß der Begriff der Allfinanz in der Literatur auf vielfältige und unter-
schiedliche Weise interpretiert wird. Es lassen sich zunächst zwei prinzipielle Sichtwei-
sen identifizieren, eine mit funktionalem und eine mit institutionellem Schwerpunkt: Die
funktionale Sichtweise betrachtet Allfinanz als ein umfassendes Finanzangebot, das Bank-
und Versicherungsleistungen kombiniert. So begann man in den 80er Jahren im deutsch-
sprachigen Raum den Trend, die gesamte Breite der Finanzdienstleistungen auf einem
Vertriebsweg anzubieten, mit dem Begriff "Allfinanz" zu belegen. Viele Autoren ver-
standen und verstehen dabei den gemeinsamen Vertriebsweg als den primären Schwer-
punkt der Allfinanzidee.6 Teilweise wird mit Allfinanz sogar nur der Absatz von Versi-
cherungsverträgen über Bankschalter oder Finanzinstitute beschrieben.7
Vertreter der institutionellen Sichtweise betonen hingegen die kapitalmäßige Verflech-
tung bzw. den Integrationsgrad zwischen Bank und Versicherung. Hier wird von Allfi-
nanz z. T. nur gesprochen, sofern die Bank- und Versicherungsdienstleistungen unter
"einem Dach", d.h. in einem integrierten Unternehmen angeboten werden.8
Diese Sichtweise entspricht auch der Denkweise in den Vereinigten Staaten der frühen
80er Jahre, als die Verflechtung von Unternehmen im Bereich der Finanzfunktionen zu-
nahm. Eine erfolgreiche Umsetzung des "Financial Services"- Gedanken glaubte man
primär durch Bündelung verschiedener Finanzdienstleister in einem Konzern erreichen zu
können.9
5 Vgl. o.V. (2005), S. 23 6 Vgl. bspw. Kern (1999), S. 45, Warth (1999), S. 129. 7 Hierzu äußert sich ein Manager von ING, der sehr prägnant formuliert: "Allfinanz is distribution", vgl. bei Moly-neux (1998), S. 8 8 Vgl. Molyneux (1998), S. 8 9 Vgl. Haller (1999), S. 16
8
„Allfinanz“ bedeutet im englischsprachigen Raum „Bancassurance“, im Deutschen hin-
gegen wird „Bancassurance“ als eine Unterform des Oberbegriffs Allfinanz verstanden.
Von Bancassurance spricht man in Deutschland, sofern der Schwerpunkt der Geschäftstä-
tigkeit bei der Zusammenarbeit zwischen Bank und Versicherung im Bankbereich liegt,
während „Assurfinance“ im Fall eines Geschäftsschwerpunkts im Versicherungsgeschäft
angewandt wird.10
Angesichts der unterschiedlichen Ausprägungen der Allfinanz - je nach Integrationsgrad
sowohl in Form von Konzernen als auch in losen Kooperationen - ist es ratsam, eine
möglichst weite Definition des Allfinanzphänomens vorzunehmen. So wählt Zielke als
Definition von Allfinanz „das gleichzeitige Angebot von Bank- und Versicherungspro-
dukten durch einen Finanzintermediär“.11 Auf dieser Definition sollen im folgenden auch
die Ausführungen dieser Arbeit basieren. Zu beachten ist, daß auch die sog. Strukturver-
triebe als Allfinanzanbieter in diesem Sinne zu verstehen sind. Auf sie und ihre spezifi-
schen Erfolgsfaktoren wird in Kapitel 3.3.3 näher eingegangen.
Einige Autoren sind der Meinung, angesichts der zunehmenden Integration der Finanz-
dienstleistungen solle der Begriff der Allfinanz in seinem „weitesten Sinne“ verwendet
werden, nämlich um ganz allgemein die Konvergenz von Bank und Versicherungsge-
schäft zu beschreiben.12 Während die Spezialisierung der Finanzinstitute sowie die auf-
sichtsrechtliche Systemtrennung in der Vergangenheit zu einer deutlichen Abgrenzung
zwischen Bank- und Versicherungsgeschäft führte, treten ihrer Meinung nach die Unter-
schiede des Geschäfts heute in den Hintergrund. Die Zusammenarbeit wachse dement-
sprechend über reine Vertriebsvereinbarungen hinaus und dehne sich auf gemeinsame
Produkterstellung sowie Strategieverfolgung aus. Neben die reine Marktorientierung
durch Vertriebskooperation trete heute die Ressourcenorientierung, wie bspw. die ge-
meinsame Leistungserstellung von Banken und Versicherungen auf dem Markt für Al-
tersvorsorge und Risikobewältigung.
10 Vgl. Bergmüller (2002), S. 218. Bancassurance nennt man im Deutschen auch "Bankassekuranz", wobei hiermit vor allem das von Banken in den 80er Jahren ausgehende Eindringen ins Versicherungsgeschäft ge-meint wird, als Banken begannen, Versicherungen zu übernehmen bzw. Kooperationen mit Versicherungen einzugehen. Vgl. Warth (1999), S. 129 11 Vgl. Zielke (1997), S. 11. Hier wird Allfinanz allerdings mit dem Begriff Bankassekuranz bezeichnet, wobei kein Bedeutungsunterschied vorliegen dürfte. 12 Diese „Neudefinition“ von Allfinanz wird bspw. von Warth (1999), S. 141f. empfohlen.
9
Festzustellen ist, daß der Begriff Allfinanz heute nach wie vor meist mit dem Privatkun-
dengeschäft assoziiert wird. Gleichzeitig bieten sich jedoch auch Anwendungsmöglich-
keiten im Firmenkundenbereich (siehe Kapitel 2.4.2) sowie Möglichkeiten zur Gestaltung
der Gesamtrisikoposition im Allfinanzkonzern (siehe Kapitel 3.4). Inwieweit tatsächlich
eine „Konvergenz“ des Bank- und Versicherungsgeschäfts vollzogen wird, soll in Kapitel
2.4 diskutiert werden.
Die Umsetzung einer voll integrierten Strategie ist angesichts des Vorherrschens von
Vertriebskooperationen statt konzernrechtlicher Verbünde in Europa zwar selten anzu-
treffen, zumindest in der Theorie bietet das Allfinanzkonzept jedoch vielfältige Anwen-
dungsmöglichkeiten.
In der vorliegenden Arbeit wird das Thema Allfinanz aus unterschiedlichen Perspektiven
betrachtet. Ziel der Kapitel zwei und drei ist es, die Hintergründe der Allfinanzidee zu
beleuchten und kritisch zu bewerten. Das zweite Kapitel beschreibt dabei die geschichtli-
che Entwicklung des Konzepts, aktuelle Entwicklungen auf dem Bank- und Versiche-
rungsmarkt sowie die Konvergenz von Bank- und Versicherungsgeschäft, die zur Aktua-
lität der Allfinanzidee beiträgt. Der Status Quo der Umsetzung des Allfinanzkonzepts in
verschiedenen europäischen Ländern, u. a. Deutschland, rundet das Kapitel ab.
Im dritten Kapitel werden die wichtigsten Rationalen, die zur Wiederbelebung der Allfi-
nanzidee führen, analysiert und hinterfragt. Im Detail beleuchtet werden hierbei Skalen-
und Verbundvorteile, Entwicklungen auf dem Altersvorsorgemarkt, Allfinanz aus Kun-
densicht sowie mögliche Diversifikationseffekte in Allfinanzkonzernen.
In Kapitel vier wird der Frage nachgegangen, inwiefern sich das Allfinanzkonzept in
seiner Umsetzung bis heute als Erfolg oder Mißerfolg erwiesen hat. Dabei werden wis-
senschaftliche Erfolgsstudien der letzten Jahrzehnte aufgearbeitet und die Möglichkeiten
und Grenzen einer Erfolgsmessung kritisch bewertet.
Nach dieser allgemeinen Analyse des Allfinanz-Phänomens im ersten Teil, ist es Ziel der
Kapitel fünf und sechs, die praktische Umsetzung des Allfinanzkonzepts, primär die Zu-
sammenarbeit zwischen Banken und Versicherungen im Vertrieb, zu durchleuchten. In
Kapitel fünf werden Themenbereiche identifiziert, von deren Ausgestaltung der Erfolg
einer Allfinanzpartnerschaft maßgeblich abhängig ist. Hierzu zählen: Integrationsgrad-
und form, Marken- und Vertriebsstrategie, Produktpolitik und Mitarbeiter. Diese The-
10
menbereiche, im folgenden auch als "Erfolgsfaktoren" bezeichnet, werden im einzelnen
mit Hilfe der vorliegenden Literatur, darunter Erfahrungsberichte von Unternehmensbera-
tungen, analysiert. Hieraus werden Handlungsempfehlungen für die Praxis abgeleitet.
In Kapitel sechs wird mit Hilfe von fünf Praxisbeispielen die praktische Umsetzung des
Allfinanzkonzepts durchleuchtet. Die Dissertation verfolgt einen fallstudienorientierten
Forschungsansatz zur Erreichung der Erkenntnisziele. Zur Informationsgewinnung wur-
den Interviews mit Verantwortlichen der jeweils untersuchten Banken und Versicherun-
gen sowie Dokumente in Schriftform herangezogen. Es handelte sich um problemzent-
rierte Interviews, bei denen mit Hilfe eines Interviewleitfadens jeweils eine halbstruktu-
rierte Befragung durchgeführt wurde. Die Befragten kamen dabei offen zu Wort.13
Ziel ist es, bei den Allfinanzpartnerschaften (drei Konzerne und zwei Kooperationen) die
in Kapitel 5 identifizierten erfolgsbestimmenden Themenbereiche ("Erfolgsfaktoren") zu
beschreiben und analytisch-explanatorische Aussagen zu treffen. Es schließt sich jeweils
der Versuch einer Erfolgsbeurteilung der betrachteten Allfinanzpartnerschaft an. Mit
Hilfe der Analyse und Beurteilung der Fallstudien sollen dem Leser Anregungen zur er-
folgreichen Ausgestaltung einer Allfinanzpartnerschaft gegeben werden.
13 Während der Befragte im problemzentrierten Interview seine subjektive Perspektive und Meinung offen äußern kann, ist der Interviewer durch den vorgegebenen Leitfaden in seinen Freiheitsgraden eingeschränkt. Vgl. zum problemzentrierten Interview bei Witzel (1983), S. 228f.
11
2 Die Geschichte und Bedeutung der Allfinanz in Deutschland und Europa
2.1 Die Geschichte der Allfinanz
2.1.1 Entwicklungsstufen der Allfinanz im 20. Jahrhundert Die Ursprünge der Allfinanzidee reichen weit in die Vergangenheit. Überlieferte Verträge
aus der venezianischen Wirtschaftsgeschichte lassen vermuten, daß das Bank- und Versi-
cherungsgeschäft gemeinsame Wurzeln aufweisen: Das Seedarlehen im 12. Jahrhundert
vereinte die Kreditfinanzierung und die Versicherung des Schiffs in einem Produkt.14 Der
Kapitalgeber finanzierte dem Schiffseigner sein Geschäft, bspw. eine Handelsfahrt, und
übernahm zugleich das Risiko des Verlusts des Schiffs oder der Ladung. Nach wohlbe-
haltener Rückkehr des Schiffs erhielt er neben Rückzahlung seines Kapitals ein vorher
festgelegtes Fixum. Dieses Fixum ließe sich aus heutiger Sicht entweder als Zins für die
Finanzierung oder aber als Prämie für die Versicherungsleistung qualifizieren. Zum da-
maligen Zeitpunkt stellte es angesichts des unter Papst Gregor IX. ausgesprochenen Zins-
verbots wahrscheinlich eine Versicherungsprämie dar.
Eine Reihe von Beispielen zeigt, daß Kooperationen zwischen Banken und Versicherun-
gen im 19. Jahrhundert in Europa keine Seltenheit waren und einige Institute sogar aus
gemeinsamen Gründungen hervorgingen. So betrieb bspw. die Bayerische Hypotheken-
und Wechselbank seit ihrer Gründung 1835 bis zum Jahre 1906 unter ihrem Dach eine
selbständige Abteilung für Lebens- und Feuerversicherungen.15 Die Ausgliederung des
Versicherungsgeschäfts im Jahre 1906 in das selbständige Versicherungsunternehmen
"Bayerische Versicherungsbank" geschah aufgrund der seit Anfang des 20. Jahrhunderts
eingeführten aufsichtsrechtlichen Trennung der Finanzsparten.
Auf Beschluß des Reichstages von 1896 trat 1902 das Versicherungsaufsichtsgesetz
(VAG) in Kraft und die Versicherungsaufsicht (später Bundesaufsichtsamt für das Versi-
cherungswesen) nahm ihre Arbeit in Berlin auf. Seitdem gilt in Deutschland das System
der sog. "materiellen" Versicherungsaufsicht. Dieses Aufsichtssystem nimmt die Grund-
14 Vgl. Schulte- Noelle (1998), S. 324 15 Vgl. Wagner (1991), S. 11
12
sätze des Publizitäts- und Normativsystems in sich auf.16 Dazu kommt eine umfassende
Mißstandsaufsicht, d. h. die Aufsicht wirkt aktiv auf die Versicherungen ein, um die Inte-
ressen der Versicherten jederzeit zu wahren und erstreckt sich auf den gesamten Ge-
schäftsbetrieb des Versicherers. Fälschlicherweise wird in der Literatur zum Teil behaup-
tet, im Zuge der Deregulierung des Versicherungsmarktes im Jahre 1994 sei die materiel-
le Aufsicht "abgeschafft" worden. Dies ist nicht zutreffend: Auch heute gelten die Haupt-
ziele der Aufsicht, wie sie Anfang des 20. Jahrhunderts im VAG festgelegt wurden: Si-
cherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge und die Wahrung der
Interessen der Versicherten.17 Neben dem Versicherungsaufsichtsgesetz traten im Laufe
des 20. Jahrhunderts das Hypothekenbankengesetz sowie das Kreditwesen- und Bauspar-
kassengesetz in Kraft, was zu einer strikten Aufteilung der Finanzsektoren führte. Ziele
der Trennung waren der Schutz des Kunden sowie die Stabilität des Finanzsektors.18
Die frühe „Hochzeit“ der Allfinanz im Deutschland des 19. Jahrhunderts fand somit zu
Beginn des 20. Jahrhunderts vorerst ein Ende. Die Trennung der Aufsicht, aber auch die
zunehmende Spezialisierung und Arbeitsteilung führten dazu, daß im Laufe des gesamten
20. Jahrhunderts Banken primär im Finanzierungs- und Geldanlagegeschäft und Versi-
cherungen im Risiko- und Vorsorgegeschäft tätig waren.
Laut dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Allianz, Dr. Schulte-Noelle, bedeutet
der Begriff „Allfinanz“ aus funktionaler Sichtweise die Überwindung sowohl der gesetz-
lich geforderten Trennung zwischen Banken und Versicherungen als auch der Trennung
nach Sparten innerhalb der Gruppen.19 Nach dem 1903 entwickelten Grundsatz der Spar-
tentrennung müssen seit Etablierung der Versicherungsaufsicht in Deutschland bspw. das
Lebens- und Krankenversicherungsgeschäft getrennt vom übrigen Versicherungsgeschäft
betrieben werden. Gründe hierfür sind die Gefahr von Interessenkollisionen und Risiko-
transfers. Durch die sog. Versicherungsrichtlinien, erlassen im Zuge der Etablierung des
europäischen Versicherungsbinnenmarktes bis 1994, wurde die Spartentrennung in eini-
16 Seit Kodifizierung der nationalen Aufsichtsrechte Anfang des 20. Jahrhunderts existieren in Europa neben der materiellen Aufsicht das Publizitätssystem (Kontrolle der Versicherung durch Publizierung der Unterneh-menskennzahlen vor der Öffentlichkeit) sowie die Kontrolle durch Normativbestimmungen (zusätzliche Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzung bei Gründung und Betrieb einer Versicherung). Vgl. Müller (1995), S. 353 17 Vgl. Müller (1995), S. 354 18 Ähnliche Ziele verfolgte das in den USA seit den 20er Jahren eingeführte Trennbankensystem. Als Haupt-grund der Wirtschaftskrise wurde die Verwicklung von Banken in Wertpapiergeschäfte angesehen. Die Gesetz-gebung reagierte mit dem Glass Steagall Act, durch den das Einlagengeschäft vom Wertpapiergeschäft und das Bankwesen vom Versicherungswesen getrennt wurden. Die Aufteilung des Finanzsektors bis Ende des 20. Jahrhunderts erfolgte also primär, um das Vertrauen der Bevölkerung in das Finanzwesen zurückzugewinnen. Volkswirtschaftliche Unterschiede spielten dabei keine Rolle. Vgl. Steiner (2003), S. 8 19 Vgl. Schulte- Noelle (1998a), S. 116
13
gen Bereichen des Versicherungswesens aufgehoben.20 Auch die Spartentrennung inner-
halb des Bankensektors wurde im Laufe der Jahrzehnte durch Konzern- und Verbundbil-
dungen im privaten und öffentlichen Sektor immer weiter überwunden. So kam es bspw.
in den frühen 70er Jahren zur Einbindung der zuvor unabhängigen deutschen Hypothe-
kenbanken in die Konzernstrukturen der deutschen Großbanken.21
Eine Vorreiterrolle bei der Überwindung der Trennung von Bank- und Versicherungsge-
schäft nahmen Mitte des 20. Jahrhunderts die Genossenschaftsbanken ein, die eigene
Versicherungen gründeten. So wurde 1922 die Raiffeisen Allgemeine Versicherungsge-
sellschaft a. G. mit Kapital gegründet, das von der Deutschen Raiffeisenbank AG zur
Verfügung gestellt worden war. Diese neue Versicherung bildete mit drei weiteren Ge-
sellschaften den Ursprung der heutigen R+V Versicherungsgruppe.22
Mit Blick auf die letzten dreißig Jahre lassen sich verschiedene Phasen der Allfinanzbe-
wegung in Deutschland abgrenzen.
Etwa zu Beginn der 80er Jahre begannen Banken damit, Lebensversicherungen in ihre
Produktportfolios aufzunehmen und in Kooperation mit Versicherungsinstituten zu ver-
kaufen. Der vertriebliche Aspekt stand dabei im Mittelpunkt. Aus Sicht der Banken, von
denen die Initiative zur Kooperation ausging, war es das erklärte Ziel, dem Kunden die
ganze Bandbreite der Finanzdienstleistungen auf einem Vertriebsweg zugänglich zu ma-
chen und dabei attraktives Provisionsgeschäft aus dem Versicherungsverkauf zu erzielen.
Aus Sicht der Lebensversicherer ging es um die Mobilisierung von Vertriebskapazität,
zumal der Bankvertrieb im Vergleich zum Agentenvertrieb aufgrund eines günstigeren
Aufwands- und Ertragsverhältnisses Kostenvorteile aufwies.23
Ein Hintergrund für die Allfinanzinitiativen der Banken in den 80er Jahren waren die sich
abzeichnenden Verschiebungen bei der Kapitalanlage. Lange Zeit hatten die Banken den
größten Anteil des Bar- und Anlagekapitals der Bevölkerung verwahrt, während der An-
teil der Versicherungen vergleichsweise unbedeutend war. Aufgrund des steigenden Ren-
ditebewußtseins der sich emanzipierenden Anleger erfreute sich die Lebensversicherung
als Anlage- und Absicherungsprodukt jedoch im Laufe der Jahrzehnte einer stetig wach-
senden Beliebtheit. Während 1980 für neue Lebensversicherungen nur 25 Mrd. DM an
Prämien eingenommen wurden, betrug die Zahl im Jahr 1991 mit rund 60 Mrd. DM be-
20 Vgl. Müller (1995), S.20 ff. Bspw. wurde das Spartentrennungsgebot im Bereich der Kredit- und Kautionsver-sicherung aufgehoben. 21 Vgl. Schulte- Noelle (1998), S. 325 22 Vgl. Förterer (2002), S. 936 23 Vgl. Warth (1999), S. 138
14
reits zweieinhalbmal so viel.24 Diese Verschiebung bei der Kapitalanlage bewog die Ban-
ken zum Vordringen in die Versicherungsvermittlung mit dem Ziel, sich vor der auf-
kommenden Konkurrenz der Versicherungen zu schützen. Alternativprodukte zur Le-
bensversicherung, wie der "Sparplan mit Versicherungsschutz" (das Sparziel wird beim
Tod des Kunden durch den Versicherer garantiert, 1982 erstmals von der Deutschen Bank
eingeführt), kamen auf den Markt und wurden von der Finanzpresse als "Kampfansage"25
an die Versicherungen interpretiert.
Ein weiterer Beweggrund für die Allfinanzinitiativen der Banken in den frühen 80er Jah-
ren war die damals vorherrschende Denkweise. Die Banken befürchteten, angesichts der
fortschreitenden Disintermediation26 am Ende des Jahrhunderts in eine den Stahlwerken
vergleichbare Situation zu geraten. Diese Vermutung ließ Diversifikationsstrategien in
das Provisionsgeschäft, wie z. B. die Versicherungsvermittlung, besonders attraktiv er-
scheinen. Hinzu kam das Argument, die vorhandenen Filialnetze durch zusätzliches Ver-
sicherungsgeschäft besser auslasten zu können.
Festzustellen ist allerdings, daß in Deutschland nur wenige Banken den Schritt wagten,
konzernrechtliche Verbindungen mit Versicherungen einzugehen. Ein Beispiel für eine
Fusionsstrategie liefert die Deutsche Bank. Die Bank gründete 1989 ihren eigenen Le-
bensversicherer DB-Leben, übernahm dann die Mehrheit am Deutschen Herold und über-
trug den Versicherungsbestand auf diesen. Es wurden Versicherungsberatungszentren
aufgebaut und speziell dafür Auszubildende geschult. Die Zusammenarbeit war auf das
inländische Privatkundengeschäft beschränkt. Angesichts des hohen Restrukturierungs-
aufwands, den der Erwerb des Deutschen Herolds mit sich brachte, wird der Erfolg dieser
Allfinanzfusion kritisch betrachtet.27 Im Jahr 2002 gab die Deutsche Bank ihre Mehr-
heitsbeteiligung am Deutschen Herold an die Zürich Gruppe ab - die exklusive Koopera-
tion zwischen Deutsche Bank und Deutschem Herold wurde aufrechterhalten.
Ein weiteres Beispiel ist die Übernahme der Bank für Gemeinwirtschaft (BfG) durch die
AMB- Gruppe (Aachener und Münchener Beteiligungs AG) im Jahre 1987. Nach Erwerb
der Mehrheit an der Bank begann man mit dem Vertrieb von Versicherungen über den
Bankschalter sowie von Bankprodukten über Versicherungsagenten. Ab Mitte der 90er
Jahre baute die AMB ihren Anteil an der BfG jedoch sukzessive ab, 1999 wurde die rest-
24 Vgl. Erdmann (2001b), S. 422 25 Vgl. bei Haller (1999), S. 20 26 Disintermediation im Bankwesen bedeutet, daß aufgrund der direkten Inanspruchnahme des Kapitalmarkts bestimmte Bankdienstleistungen verzichtbar werden. 27 Vgl. bspw. Warth (1999), S. 139
15
liche Beteiligung an die schwedische SE-Bank verkauft. Es herrscht die Einschätzung
vor, daß die AMB mit der BfG nicht ihre angestrebten Ziele erreichen konnte, das "erste
Allfinanzhaus Deutschlands" erwies sich als Fehlschlag.28
Anfang der 90er Jahre hatte die "Vision" der Allfinanz u. a. wegen dieses Mißerfolgs viel
von ihrer Zugkraft verloren. Festzuhalten ist, daß bei den Allfinanzkooperationen- und
fusionen der 80er Jahre der vertriebliche Aspekt im Vordergrund stand, die Zusammenar-
beit war in der Regel auf das Privatkundengeschäft beschränkt.
Der Vorstoß der AMB- Gruppe ins Bankgeschäft deutet an, daß seit Ende der 80er Jahre
auch die Versicherungsunternehmen als Initiatoren der Allfinanzbewegung auftraten.
Versicherungskonzerne wie die AXA begannen, Banken und Investmentgesellschaften zu
erwerben, ihre Vermögensverwaltung auszubauen und den Vertrieb neu zu strukturieren.
Als ein Initialauslöser dieser Entwicklung gilt die Absicht der Versicherer, die Gelder
abgelaufener Lebensversicherungen im Hause zu halten.29 Statt diese Gelder wieder in
Form langfristig bindender Rentenprodukte anzulegen, wünschen vor allem ältere Versi-
cherte eine schnelle Verfügbarkeit und Liquidität bei der Wahl einer Anlageform. In-
vestmentgesellschaften bieten hier mit ihren Fonds die passende Alternative. Zudem
rückte die Notwendigkeit einer kapitalgedeckten Zusatzvorsorge neben der umlagefinan-
zierten gesetzlichen Rente in den letzten Jahrzehnten immer mehr in das Bewußtsein der
Bevölkerung. Schätzungen gehen davon aus, daß bis zum Jahr 2010 bis zu 27 Mrd. Euro
in staatlich geförderte Altersvorsorgeprodukte fließen werden.30 Im Bereich der Alters-
vorsorge entsteht somit seit Jahren ein bedeutender Markt, in dem die Versicherungen
und Banken als Konkurrenten um das Versorgungskapital einer zunehmend renditebe-
wußten Bevölkerung auftreten. Die sog. "Drittgeldverwahrung", das Asset Management,
gelangte dadurch in den letzten Jahrzehnten in den Focus der Versicherer; der Zukauf von
Kompetenzen in diesem Bereich war Hintergrund vieler Fusionstransaktionen.
Eine Entwicklung, die die Allfinanzbemühungen der Versicherungen in den 90er Jahren
begleitete, ist die sog. Deregulierung - die Verwirklichung des Binnenmarktes für Versi-
cherer im Jahre 1994. Unter Deregulierung wird im allgemeinen die Umsetzung der Drit-
ten Versicherungsrichtlinie der EG im Juli 1994 verstanden.
28 Vgl. Schulte-Noelle (1998), S. 325 29 Vgl. bspw. Erdmann (2001b), S. 423 30 Vgl. Schüller (2002), S. 95
16
Hierdurch wurde das deutsche Aufsichtsrecht entscheidend geändert. Parallel hierzu trat
am 1. November 1994 der Vertrag über die Europäische Union ("Maastricht") in Kraft,
durch den die Wirtschafts- und Währungsunion realisiert wurde. Den institutionellen
Rahmen bilden drei Generationen von Liberalisierungsrichtlinien, die in einem Zeitraum
von rund 20 Jahren erlassen wurden. Dabei wurden die Niederlassungs-, die
Dienstleistungs- sowie die Kapitalverkehrsfreiheit innerhalb der EG (EU) verwirklicht.31
Ziel der Deregulierung 1994 war neben der Schaffung gleicher Bedingungen für alle
Marktteilnehmer in Europa die Verstärkung des Wettbewerbs unter den Versicherern,
wodurch Innovationsfähigkeit und damit die Qualität des Versicherungsschutzes zuguns-
ten der Verbraucher steigen sollten. Durch die sog. Dritte Richtlinie wurde die Rechts-
grundlage für Binnenmarktverhältnisse auf dem Sektor der Lebens- und Nichtlebensver-
sicherung geschaffen. Seit Umsetzung dieser Richtlinie gilt das sog. "single-licence-
Prinzip". Dies besagt, daß eine Versicherung ihr Geschäft in jedem der Mitgliedsstaaten
ausüben kann; eine einmal erteilte Geschäftserlaubnis durch die Sitzlandsaufsicht ist im
gesamten Gemeinschaftsgebiet anwendbar. Es gilt die einheitliche Zulassung und Auf-
sicht durch den Hauptsitzstaat des Versicherungsunternehmens ("home country control")
und die gegenseitige Anerkennung der in jedem Mitgliedstaat geltenden Aufsichtssyste-
me. Zudem wurden vom Gesetzgeber die Vorschriften über die technischen Rückstellun-
gen koordiniert; eine Angleichung des Versicherungsrechts innerhalb der EU nahm man
hingegen nicht vor.
Entscheidend ist, daß im Zuge der Dritten Richtlinie die sog. Tarifkontrolle abgeschafft
wurde. Die vorherige Genehmigung und die systematische Mitteilung der Vertrags- und
Tarifbedingungen fällt seitdem - außer für die Pflichtversicherung und die Krankenversi-
cherung - auch für das Privatkundengeschäft weg.32 Nur eine nachträgliche Kontrolle der
Tarifbedingungen ist weiterhin zulässig - diese "nicht-systematischen" Mitteilungen dür-
fen allerdings keine Voraussetzung für die Ausübung des Versicherungsgeschäftes sein.
Die Aufsicht richtet sich also seit 1994 im wesentlichen auf das Unternehmen selbst,
seine Solvabilität und seine Leitung, nicht mehr auf Produkte und Tarife. Die Rentabilität
der Produkte wird nur nachträglich überprüft. Auf diese Weise kann ein solvabler Versi-
cherer die Tarife ohne Zwang auch unterhalb des technisch-finanziellen Gleichgewichts
festlegen.
31 Vgl. ausführlich hierzu bei Müller (1995), S. 5ff. 32 Vgl. Loheac (1994), S. 1117. Zuvor bedurfte die Versicherung einer vorherigen Genehmigung, bevor sie die AVB (Allgemeine Versicherungsbedingungen) in den Verkehr bringen konnte.
17
Während vor 1994 die Vermeidung von Krisen bzw. Konkursen von Versicherungsunter-
nehmen unbedingtes Ziel der Versicherungsaufsicht war, wird der Konkurs einer Versi-
cherung im Rahmen der Dritten Versicherungsrichtlinien als "Teil des logischen Sche-
mas"33 akzeptiert.
Empirische Untersuchungen der Rentabilität des Sachversicherungsgeschäfts zwischen
1975 bis 1993 belegen, daß die risikobereinigten Marktergebnisse um so besser sind, je
höher das Regulierungsniveau eines Landes ist.34
Ebenso ist bewiesen, daß die Konkurswahrscheinlichkeit innerhalb eines Marktes mit
abnehmendem Regulierungsniveau steigt. Ein Blick auf die operativen Gewinne von Ver-
sicherungsunternehmen im europäischen Vergleich zeigt, daß Deutschland zwischen 1980
bis 1990 den am stärksten reglementierten Versicherungsmarkt sowie die rentabelsten
Versicherungsunternehmen aufwies.35
Der Wegfall der Tarifkontrolle 1994 mündete in Deutschland in einem verstärkten Wett-
bewerb über den Preis, es kam zu einem Preisverfall in allen Versicherungssparten.36 Die
angesichts rückläufiger Gewinnmargen zu vermutende Konzentration im europäischen
Versicherungsmarkt hat sich bewahrheitet: Seit 1994 haben die Fusionen in der europäi-
schen Versicherungsbranche deutlich zugenommen.37 Die Markteintritte ausländischer
Versicherungsunternehmen in Deutschland nach Verwirklichung der Niederlassungsfrei-
heit in 1994 fielen hingegen geringer aus als befürchtet.38. Im Produktbereich zeichnete
sich seit 1994 - neben einem deutlichen Preisrückgang - in Deutschland ein Trend zu
stärkerer Kundenorientierung, bspw. durch sog. "Rundum- Sorglospakete" mit kostenlo-
sen Serviceleistungen, ab.
Festzuhalten ist, daß sich vor dem Hintergrund des EU-Binnenmarktes und der Deregu-
lierung die Konzentrationstendenz in der Versicherungs- und Bankenbranche verstärkte.
Argumente für Fusionen waren in erster Linie das Erlangen einer "kritischen" Größe als
Schutz vor feindlichen Übernahmen sowie die damit erreichbaren Skaleneffekte (bspw.
im Asset Management). Die Fusionen in der Finanzdienstleistungsbranche der 90er Jahre
33 Loheac (1994), S. 1118, vgl. auch Horsch (2002), S. 669; Zielke spricht in bezug auf den Versicherungsmarkt in Deutschland vor 1994 von einem "Versicherungskartell", auf dem durch die materielle Versicherungsaufsicht jegliche Konkurrenz untersagt war. Vgl. Zielke (1997), S. 70 34 Vgl. Weidenfeld (1997), S. 67 35 Vgl. bei Zielke (1995), S. 55, eine Studie von Michael Muth aus 1993 wird zitiert. 36 Vgl. Koch (2001), S. 2045 37 Vgl. Kern (1999), S. 9, verwiesen wird auf eine Studie von Roland Berger & Partner, Beispiele für Fusionen seit 1994 sind: Allianz/AGF, AXA/UAP, Bildung des ERGO-Konzerns, Generali/AMB. 38 Vgl. Kern (1999), S. 6, Hosch (2001), S. 2047. Konzentrationshemmend wirken hier noch heute die national unterschiedlichen Aufsichtsrechte sowie die national geprägten Kundenpräferenzen.
18
waren "autonomie-, kosten- und angebotsorientiert"39. Auch Allfinanzfusionen gehörten
zu den Strategien der Bank- und Versicherungskonzerne - sie traten jedoch vorerst eher
"beiläufig" in Erscheinung und waren Teil des allgemeinen Größenstrebens.
2.1.2 Die konzernrechtliche Verbindung von Banken und Versicherungen Eine zentrale Hürde bei der Umsetzung von Allfinanzstrategien stellte sich bei der kon-
zernrechtlichen Einbindung von Banken in Versicherungsinstitute und umgekehrt.
Kreditinstitute werden durch bankaufsichtsrechtliche Bestimmungen nicht daran gehin-
dert, bankfremde Tätigkeiten durchzuführen40. Nach §5 VAG bedürfen Unternehmen, die
Versicherungsgeschäfte betreiben, allerdings der Erlaubnis der Versicherungsaufsicht.
Versicherungsinstitute hingegen dürfen nach §7 VAG keine versicherungsfremden Ge-
schäfte betreiben, es sei denn diese Geschäfte stehen in unmittelbarem Zusammenhang
mit dem Versicherungsgeschäft.41 Als versicherungsnah gelten die Vermittlung von Bau-
sparverträgen und Fonds, Bankgeschäfte sind hingegen untersagt.
Für Kreditinstitute ist es somit möglich, über rechtlich selbständige Tochterunternehmen
Versicherungsgeschäft zu betreiben. Bei Beteiligungserwerben im Rahmen von Verbund-
oder Konzernstrategien unterliegen Banken dabei diversen Vorschriften, u. a. in bezug
auf die Höhe des haftenden Eigenkapitals. Festzuhalten ist jedoch, daß die Umsetzung
von Allfinanzstrategien für Banken grundsätzlich möglich ist.
Versicherungen ist es grundsätzlich aufgrund von §7 VAG und verschiedenen aufsichts-
rechtlichen Bestimmungen nicht möglich, herrschendes Unternehmen in einem Allfinanz-
Konzern zu werden.42 Zur Umgehung des Vermittlungsverbotes gründeten viele Versi-
cherungsunternehmen rechtlich selbständige Vertriebsgesellschaften, um so in ihrem
Produktportfolio sämtliche Finanzprodukte anbieten zu können.
Als Lösungsmöglichkeit für eine konzernrechtliche Verbindung von Banken und Versi-
cherungen hat sich in den letzten Jahrzehnten die Gründung einer Holding bzw. Holding-
gesellschaft erwiesen. Eine Holding ist eine Unternehmung, deren Hauptzweck die dau-
erhafte Beteiligung an einem oder mehreren rechtlich selbständigen Unternehmen ist. Die
Holding kann als konzernleitende Dachgesellschaft fungieren und hat den Vorteil, daß sie
nicht den bank- und versicherungsaufsichtsrechtlichen Vorschriften unterliegt. Sowohl
39 Vgl. Haller (1999), S. 23 40 Vgl. Amely (1994), S. 49 f. 41 Vgl. Müller (1995), S.146 ff. Grund ist, daß das an sich bereits risikoreiche Versicherungsgeschäft nicht durch weitere Geschäftstätigkeiten mit Risiko belastet werden soll. 42 Vgl. Amely (1994), S. 53
19
Banken als auch Versicherungen ist es möglich, einen Allfinanzkonzern zu gründen, der
von einer solchen aufsichtsfreien Holding geführt wird.43
2.1.3 Die Financial Services-Welle in den USA
Um ein umfassendes Bild der Entwicklung der Allfinanz in Deutschland und Europa zu
zeichnen, ist es notwendig, einen Blick auf die seit Beginn der 80er Jahre parallel in den
USA ablaufenden Bewegungen des Financial Services Marktes zu werfen. Die in den
USA zu dieser Zeit stattfindende "Financial Services"- Welle brachte die europäischen
Institute dazu, sich verstärkt und kontrovers mit dem Thema Allfinanz auseinanderzuset-
zen. Manche Autoren behaupten sogar, Allfinanz habe in Europa erst durch der Über-
nahme der Financial Services-Idee aus den USA Einzug gehalten.44
In den USA kam es in den frühen 80er Jahren zu einer Annäherung von Unternehmen im
Bereich der Finanzindustrie. Verflechtungen und Kooperationen zwischen Banken, Ver-
sicherungen und Warenhäusern hatten zum Ziel, dem Kunden die ganze Palette der Fi-
nancial Services aus einer Hand anbieten zu können. Als Voraussetzung eines erfolgrei-
chen Financial Services-Konzepts galt die Zusammenführung der verschiedenen Produkt-
lieferanten in einem integrierten Konzern. Protagonisten dieser Strategie waren bspw. die
Institute American Express oder Sears. Hintergrund der Bewegung war eine neu auf-
kommende Konkurrenzsituation auf dem amerikanischen Finanzdienstleistungsmarkt:
Auf der Nachfrageseite stand ein zunehmend rationaler und kritischer Kunde, angebots-
seitig drangen neue Protagonisten, bspw. Warenhäuser und Travel Related Services, mit
neuen Produkten in den angestammten Markt der Banken und Versicherungen ein. Der
Einsatz von Informationstechnologie verstärkte sich, die politisch verordnete Trennung
der Finanzbereiche löste sich im Zuge der Deregulierung zunehmend auf.45
Als Reaktion auf die Wirtschaftskrise war 1933 mit dem Glass Steagall Act eine rechtli-
che Trennung der Tätigkeitsfelder von Geschäftsbanken, Investmentbanken und Versi-
cherungen etabliert worden. In den 80er Jahren begannen viele Institute jedoch, die Gren-
zen der gesetzlichen Trennung der Finanzbereiche auszutesten (Deregulierung): So dran-
gen die Geschäftsbanken bspw. durch die Gründung von Tochtergesellschaften in das den
43 Vgl. ausführlich zum Holding- Konzept in Kapitel 5.2.2, ebenso Amely (1994), S. 54 44 Vgl. bei Erdmann (2001b), S. 425 45 Vgl. Steiner (2003), S. 9f.
20
Investmentbanken vorbehaltene Wertpapiergeschäft ein. Auch die rechtlichen Grenzen
zwischen Bank- und Versicherungsgeschäft lösten sich immer mehr auf.46
Erst mit dem sog. Gramm Leach Bliley Act im Jahre 2000 wurde es möglich, das Bank-
und Versicherungsgeschäft unter einem Dach zu betreiben, indem als Rechtsform für
Allfinanzkonzerne die sog. "Financial Holding Company" eingeführt wurde.
Die Financial Services-Euphorie in den USA schwächte sich Ende der 80er Jahre deut-
lich ab. Grund hierfür war neben den noch bestehenden rechtlichen Barrieren der ausblei-
bende finanzielle Erfolg vieler Konglomerate, wozu sowohl Integrationsprobleme inner-
halb der Konzerne als auch mangelnde Kundenresonanz beitrugen.47 Viele Allfinanz-
Konglomerate der 80er Jahre wurden zwischenzeitlich rückabgewickelt.
Nach Aufhebung der rechtlichen Trennung der Finanzsektoren im Jahr 2000 erwarteten
viele eine Fusionswelle zwischen Banken und Versicherungen in den USA. Diese blieb
jedoch bislang aus. So titelt die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Jahr 2001 "Allfinanz
ist in Amerika kaum bekannt"48 und bezieht sich damit auf die Tatsache, daß das Thema
Allfinanz in den USA aufgrund der bisherigen Trennung der Finanzsektoren noch in sei-
nen Anfängen steckt. Auch heute bestehen in den USA auf einzelstaatlicher Ebene noch
zahlreiche, vor allem versicherungsrechtliche Hindernisse, die Allfinanzfusionen er-
schweren.49 Zudem erwirtschaften die US-Banken im Vergleich zu den US-
Versicherungen wesentlich höhere Eigenkapitalrenditen; die Übernahme von Versiche-
rungsinstituten birgt daher die Gefahr einer Rentabilitätsverwässerung.
Die im Jahre 1998 aus der Fusion von Citicorp und Travelers Group hervorgegangene
Citigroup, mit einer Marktkapitalisierung von 233 Mrd. Dollar der weltweit größte "All-
finanz"- Konzern, entpuppt sich bei näherer Betrachtung in erster Linie als Bankkonzern,
der "nebenbei im Heimatmarkt auch Versicherungen anbietet"50. Der im Jahre 2000 er-
wirtschaftete Gewinn lag bei 13,5 Mrd. Dollar, wozu die Versicherungssparte nur 2,6
Mrd. Dollar beitrug. Zudem wird bezweifelt, ob die Allfinanzaktivitäten der Gruppe – der
46 Das Office of the Controller of the Currency (OCC) legte bpsw. das Bundesrecht dahingehend aus, daß es bundesweit agierenden Banken möglich war, Versicherungen in Kommunen mit weniger als 5.000 Einwohnern zu verkaufen. Vgl. Steiner (2003), S.10 47 Vgl. Haller (1999), S. 22 48 Siehe o.V. (2001b), S. 19 49 Vgl. hierzu ausführlich bei Steiner (2003), S. 12 f. 50 o.V. (2001c), S. 56
21
Versicherungsverkauf an die Kunden der Citibank – in seinem Volumen einen
nennenswerten Beitrag zum Gesamterfolg der Gruppe leistet.51
2.1.4 Kundenorientierung als Auslöser der Allfinanz- Renaissance Die Renaissance der Allfinanz- "Vision" und die Annäherung der Geschäftsfelder von
Banken und Versicherungen innerhalb des letzten Jahrzehnts in Europa erklärt sich zu
einem großen Teil durch die zunehmende Kundenorientierung52 im Finanzdienstleis-
tungsmarkt.
Seit Ende der 70er Jahre stieg der Umsatz bei den Banken langsamer als in den Jahren
davor. Die zunehmende Ausschöpfung der Kundenpotentiale, verbunden mit steigendem
Wettbewerbsdruck durch Mitbewerber lassen erkennen, daß der deutsche Bankenmarkt
sich heute in der Phase der Stagnation befindet (vgl. Kapitel 2.2)53 Für die Versiche-
rungsbranche ist noch keine Marktsättigung festzustellen, im Privatkundengeschäft wurde
jedoch z. T. praktisch eine Vollversorgung erreicht54. Umsatzausweitungen können nur
noch durch Umsatzverluste bei Mitbewerbern erreicht werden. Eine stärkere Ausschöp-
fung der eigenen Kundenpotentiale sowie die Erweiterung der Kundenpotentiale durch
Kooperationen zwischen Banken und Versicherungen sind logische Handlungsoptionen
in dieser Marktsituation. Nicht mehr das Produkt ist Ausgangspunkt der Marktüberlegun-
gen, sondern die Wünsche und Bedürfnisse der vorhandenen und potentiellen Kunden.
Der Kampf um den immer preis- und qualitätsbewußteren "König Kunde" erfordert so-
wohl von Banken als auch Versicherungen innovative, problemlösungsorientierte Produk-
te. Als Ziel gilt es, die gesamten finanzwirtschaftlichen Bedürfnisse des Kunden aus einer
Hand abzudecken und das Kundenpotential vollständig auszuschöpfen.
In diesem Zusammenhang bedeutsam ist die Entwicklung hin zu einem kundenorientier-
ten Marketing. Das Marketing im Bankwesen entwickelte sich seit den 60er Jahren von
einem sog. "Massenmarketing“, bei dem ein breiter Markt ohne Spezifizierung von Kun-
denschichten oder Produktarten angesprochen wurde, zum "Produktmarketing", bei dem
zwar spezielle Produkte jedoch ohne Differenzierung nach Kundengruppen angeboten
51 Vgl. o.V. (2001b), S. 19 52 Wagner teilt die Entwicklung des Versicherungsmarktes in drei Phasen ein: die Phasen der Produktionsori-entierung, der Verkaufsorientierung und schließlich der Kundenorientierung. Ähnlich vollzieht sich der Wandel auch auf dem Bankenmarkt. Vgl. Wagner (1991), S. 16f. und Haller (1999), S. 25f. 53 bspw. verfügt heute fast jeder Bürger über ein Girokonto, die potentielle Kundschaft für dieses Produkt ist nahezu ausgeschöpft. Vgl. bei Zielke (1997), S. 48 54 Vgl. Zielke (1997), S. 45
22
wurden.55 Inzwischen sind die Banken zum "Kundenmarketing" übergegangen: Der Kun-
de mit seinen vielfältigen Finanzierungs- und Versicherungsbedürfnissen steht im Mittel-
punkt, die Kundenansprache erfolgt zielgruppenorientiert und möglichst angepaßt an die
jeweilige Lebensphase der vorhandenen und potentiellen Kunden.
Dazu kommt ein sich wandelndes Verständnis von Finanzdienstleistungen - weg von der
reinen Funktionsorientierung, hin zum erweiterten Produktkonzept.56 Nach dem ursprüng-
lich industriell geprägte Produktverständnis stand das Kernprodukt angereichert mit be-
stimmten Servicekomponenten im Mittelpunkt. Im Zeitalter der Kundenorientierung geht
der Trend heute zur "integrierten" Dienstleistung, die von Prof. Haller im "Drei-Ebenen-
Konzept" beschrieben wird. Eine Finanzdienstleistung besteht demnach aus drei Ebenen:
Ebene eins umfaßt das Kernprodukt (bspw. einen Sparplan); Ebene zwei betrifft die damit
einhergehende Problemlösung inklusive Beratung. Ebene drei schließt die erweiterten
Funktionen (bspw. eine Versicherung) ein, abgestimmt auf die Lebenssituation des Kun-
den. Entscheidend für den Markterfolg ist die Abstimmung zwischen den Ebenen, sowohl
die technisch-ökonomische Komponente als auch die psychisch-soziale Dimension
bestimmen die Reaktion des Kunden. Jede Komponente des Leistungspaketes wird be-
wußt oder unbewußt in das Urteil des Kunden mit einbezogen. "Weiche" Faktoren, wie
die generelle Servicequalität des Dienstleisters, "Convenience" (die mühelose, schnelle
Erledigung des Problems) sowie "Ambience" (bspw. der jeweilige Vertriebsweg)
bestimmen den tatsächlichen Erfolg des Produktes am Markt.
Prof. Haller geht so weit, für die Zukunft eine völlige Neugestaltung der Wertschöp-
fungsprozesse in der Finanzdienstleistungsindustrie zu prognostizieren.57 Eine Neubeur-
teilung der bestehenden Wertschöpfungsketten veranlaßt demnach künftig die Anbieter,
sich in "Leistungsnetzwerken" zu positionieren, in denen jeder Finanzdienstleister seinen
speziellen Kernkompetenzen entsprechend Leistungen einbringt. Gemäß dem Konzept
"Versicherung im Netzwerk 2007" wird sich der Versicherungsmarkt in "Teilmärkte mit
Versicherungen" aufteilen, in denen bspw. der Versicherungsschutz modular produziert
und in differenzierten Risikomärkten abgesichert wird.
55 Vgl. Haller (1999), S. 25f. 56 Vgl. hierzu ausführlich bei Haller/Ackermann (1992), S. 3f. sowie Haller (1999), S. 28. 57 Vgl. Haller (1999), S. 30ff., hier wird auf das Konzept "Versicherung im Netzwerk 2007" bezug genommen.
23
Die Zusammenarbeit von Bank und Versicherung wird in integrierten Finanzkonzernen
stattfinden und sämtliche Bereiche, vom Vertriebsweg, über kombinierte Produkte, ge-
meinsame Service Center bis hin zum integrierten Risiko- und Asset Management abde-
cken. In bezug auf die Struktur solcher Finanzkonzerne wird angenommen, daß sie ein
Nebeneinander autonomer Geschäftsbereiche aufweisen wird, und sich große Konzerne
so zu sog. "Multispezialisten" entwickeln werden.
Diese "Visionen" stellen das Konzept der Allfinanz in seiner ausgeprägtesten Form dar
und dürften heute eher als Zukunftsmusik gelten. Heute wird das Allfinanzkonzept in der
Finanzpresse und Öffentlichkeit noch primär mit dem Privatkundengeschäft assoziiert.
Die Zahl der Vertriebskooperationen und Joint Ventures übersteigt bei weitem die Zahl
vollständig integrierter "Allfinanzkonzerne". Selbst große Allfinanz-"Vorbilder", wie die
amerikanische Citigroup oder die niederländische ING, sind in vielen Bereichen eher
durch ein Nebeneinander, als ein Miteinander der Bank- und Versicherungssparte ge-
kennzeichnet.58
58 Die ING konzentriert sich in Europa auf das Bankgeschäft, in den USA mit den Lebensversicherern ReliaStar und Equitable auf das Versicherungsgeschäft. Nach Meinung von Wirtschaftsredakteuren agieren die Bereiche Bank und Versicherung weitgehend unabhängig voneinander. Vgl. o.V. (2001c), S. 56
24
2.2 Die Situation auf dem deutschen Bankenmarkt
Um ein Verständnis für das in den letzten Jahren wieder auflebende Interesse am Allfi-
nanzkonzept zu erlangen, ist es notwendig, die Entwicklungen auf dem deutschen Ban-
ken- und Versicherungsmarkt zu durchleuchten. Die hier herrschenden Rahmenbedin-
gungen sind mitbestimmend für die Attraktivität von Allfinanzaktivitäten und die durch
das Allfinanzgeschäft generierbaren zusätzlichen Provisionserlöse.
Die deutsche Bankenbranche erfreute sich in den letzten Jahrzehnten hoher Wachstums-
raten. Zwischen 1973 und 1997 gelang es den Banken, ihr Kundengeschäftsvolumen im
Jahr durchschnittlich um 10 % auszudehnen. Ebenso erfolgreich verlief die Ertragsent-
wicklung: Die Bruttoerträge, die Summe aus Zins- und Provisionserträgen, konnten in
diesem Zeitraum pro Jahr durchschnittlich um 8,6 % erhöht werden.59 Ursächlich für die
langjährig guten Wachstumsraten der Banken waren mehrere Faktoren. Während vor dem
Zweiten Weltkrieg vielfach noch die Familie als soziales Auffangnetz und als Absiche-
rung für die Versorgung im Alter fungierte, trat an ihre Stelle später die gesetzliche Ren-
tenversicherung. Die Vermögensbildung wurde in die Hand der Banken gelegt. Daneben
stieg die Bedeutung der Kreditfinanzierung. Die Vorgänge des Sparens und Investierens
wurden getrennt: In ihrer Funktion als Betrags- und Fristentransformatoren sammelten
die Banken das Geld der Sparer ein, um es an anderer Stelle den kapitalsuchenden Inves-
toren gegen Zins bereitzustellen.60 Die große Nachfrage nach Kreditfinanzierung - auch
aufgrund der steuerlichen Besserstellung von Fremd- gegenüber Eigenkapital - bot den
Banken ein jahrzehntelanges Wachstumsfeld. Hinzu kam der konstante Anstieg des Kun-
dengeschäfts aufgrund der generellen Umstellung von barer auf unbare Gehaltszahlung
und die damit wachsende Bedeutung des Girokontos.61
Auch wenn es den Banken in den letzten 30 Jahren gelungen ist, ihr Kundengeschäftsvo-
lumen jährlich auszudehnen, ist festzustellen, daß die Wachstumsraten in den letzten Jah-
ren tendenziell abnehmen. Seit Ende der 70er Jahre stieg der Umsatz der Banken langsa-
mer als zuvor.62
59 Vgl. Rolfes (1999), S. 2 60 Vgl. Zielke (1997), S. 40 61 Vgl. Wagner (1991), S. 14 62 Vgl. Rolfes (1999), S. 6
25
Ursache ist eine Verschärfung des Wettbewerbs verbunden mit Sättigungserscheinungen
im klassischen Bankgeschäft. Zur Veranschaulichung der auf dem Bankenmarkt herr-
schenden Wettbewerbsbedingungen soll im folgenden das sog. "Five Forces"- Modell
von Porter63 hinzugezogen werden. Gemäß Porter wird die Intensität des Wettbewerbs
innerhalb eines Marktes durch fünf wettbewerbsrelevante Faktoren bestimmt. Adaptiert
an die Situation auf dem deutschen Bankenmarkt sind dies: Der Wettbewerb zwischen
existierenden Banken, die Bedrohung durch neue Wettbewerber (Non-Banks, Versiche-
rungen) sowie Ersatzprodukte (Lebensversicherungen), das Kundenverhalten (zuneh-
mende Renditeorientierung) und die Lieferantenmacht (Refinanzierung durch Spareinla-
gen und Kapitalmarkt) (Vgl. Abbildung 1). Diese Determinanten sollen im folgenden
näher erläutert werden.
Quelle: In Anlehnung an Porter (1986)
Ursache der Verschärfung des Wettbewerbs zwischen den Banken während der letzten
Jahrzehnte sind verschiedene Faktoren. So ist heute bei vielen Bankprodukten eine
Marktsättigung festzustellen: Inzwischen besitzt fast jeder Bürger ein Girokonto - das
Kundenpotential ist hier nahezu ausgeschöpft.64 Angesichts des wachsenden Anteils älte-
rer Bevölkerungsgruppen verbunden mit einer Rentenlücke im umlagefinanzierten Ren-
tensystem gewinnt das Thema Vermögensanlage und Altersvorsorge zwar an Bedeutung,
Nutznießer dieser Entwicklung sind jedoch nicht nur die Banken. Der nachweisbare
63 Siehe ausführlich zum eigentlich für den Industriebereich konzipierten Modell bei Porter (1986). 64 Vgl. Zielke (1997), S. 48
Abb. 1: Five Forces-Modell für den Bankenmarkt
Lieferantenmacht - Sparverhalten - Kapitalmarkt
Kundenverhalten - Multibanking - Rationaler Kunde
Ersatzprodukte - Versicherung (LV) - Kapitalmarkt
Neue Wettbe-werber - Non-Banks
Wettbewerb existierender
Banken
26
Trend vom liquiditätsorientierten hin zum langfristig rentabilitätsorientierten Sparen be-
günstigt substitutive Anlageprodukte, bspw. die von Versicherungen angebotenen Le-
bensversicherungen oder Fondsprodukte. Bis Anfang der 80er Jahre entfielen rund zwei
Drittel der Geldvermögensbildung der privaten Haushalte in Deutschland auf Bankeinla-
gen. Heute deponieren die Bürger nur noch rund ein Viertel ihrer neuen Ersparnisse bei
Banken.65 Während der Anteil der Banken am Geldvermögen der privaten Haushalte
sinkt, gewinnen Versicherungen und Investmentfondsanbieter Anteile hinzu.
In den Jahren nach der Währungsreform 1948 war die Geldanlage bei einer Bank für die
Bürger eine "logische" Entscheidung: Der Aspekt der Sicherheit der Depositen stand im
Vordergrund, Rentabilitätsüberlegungen waren sekundär. Zudem blieb der deutsche Ka-
pitalmarkt, speziell der Aktienmarkt, lange Jahre unterentwickelt.66 Während der 80er
Jahre änderte sich die Situation: Im Zuge wachsenden Wohlstands begannen die Bürger,
höhere Anforderungen an ihre Geldanlage zu stellen. Renditeforderungen und der
Wunsch nach Diversifizierung der Anlage führten zu einem vermehrten Interesse an in-
und ausländischen Aktien. Der Boom der Aktienmärkte zwischen 1995 und 2000 be-
schleunigte diese Entwicklung. Durch die Einführung des Euros wurde ein liquider euro-
päischer Finanzmarkt mit vielfältigen Produktangeboten ohne jegliches Wechselkursrisi-
ko geschaffen. Das klassische Sparbuch verlor im Zuge dieser Entwicklung seit den frü-
hen 90er Jahren stark an Bedeutung - statt Sparbüchern werden seitdem primär mit be-
sonderen Zinskonditionen ausgestatte Sparpläne abgesetzt.67
Ein weiterer Grund für das nachlassende Interesse an klassischen Spareinlagen und die
Hinwendung der Kunden zur kapitalbindenden Lebensversicherung und Investmentfonds
war das seit den 90er Jahren kontinuierlich sinkende Zinsniveau. Dieses ließ die klassi-
sche Spareinlage gegenüber rendite- und risikostärkeren Anlageformen an Attraktivität
verlieren.68
Unter anderem hatte die Abwendung der Privatkunden von den für die Banken günstigen
Sparformen (bspw. Sparbuch) hin zu aufwendigen Einlagen zur Folge, daß sich die Refi-
nanzierung der Banken stark verteuerte. Aufgrund der Abnahme der Einlagen heimischer
Nicht-Banken refinanzieren sich die Banken heute auf der Passivseite immer mehr durch
65 Vgl. Bankenverband (2004), S. 9 66 Vgl. Weber (2002), S. 245 67 Vgl. GDV (2004), S. 103 68 Vgl. Amara (2005), S. 62
27
die Ausgabe von Anleihen.69 Als Folge der wachsenden privaten Nachfrage nach Wert-
papieren sowie der Tatsache, daß auch Versicherungen die Anlagegelder ihrer Kunden
am Kapitalmarkt platzieren, stoßen diese Bankenanleihen auf eine hohe Akzeptanz am
Markt. Gleichzeitig finanzieren die Banken sich gegenseitig, da auch auf der Aktivseite
ihrer Bilanzen der Posten "Bankanleihen" einen immer größeren Anteil ausmacht: Fast
die Hälfte des Wachstums des Wertpapierportfolios deutscher Banken zwischen 1995 und
2000 ging zugunsten heimischer Bankanleihen. Ein Blick auf die Passivseite der Bankbi-
lanzen zeigt weiterhin, daß die Finanzierung deutscher Banken immer internationaler
geworden ist. Ende 2001 machte der Anteil der Einlagen ausländischer Kunden mehr als
15 % der Bilanzsummen aus, verglichen mit rund 6 % Ende 1990.70 Als Refinanzierungs-
quelle hat zudem der Interbankenmarkt, auf dem sich deutsche Banken nach Etablierung
der Währungsunion eine bedeutende Position erarbeitet haben, innerhalb des letzten Jahr-
zehnts stark an Bedeutung gewonnen.
Alle diese aufgezeigten Entwicklungen in der Zusammensetzung der Passivseite deut-
scher Banken trugen dazu bei, daß die Refinanzierung der Banken sich stark verteuert
hat.
Gleichzeitig haben Veränderungen auf der Aktivseite der Banken bewirkt, daß die Zinser-
träge pro Geschäftsvorfall in den letzten Jahren zurückgegangen sind. Bei der Finanzie-
rung deutscher Unternehmen ist eine deutliche Strukturverschiebung eingetreten. Bank-
kredite sind zwar vor allem bei kleinen und mittelgroßen Betrieben nach wie vor die
Hauptfinanzierungsform, bei den größeren Unternehmen hat hingegen die Finanzierung
über den Kapitalmarkt sowie über gruppeninterne Auslandskredite stark zugenommen.71
Hintergrund dieser Entwicklung ist zum einen der Boom der Aktienmärkte in der zweiten
Hälfte der 90er Jahre, zum anderen der durch die Europäische Währungsunion geschaffe-
ne größere Markt mit hohem Aufnahmepotential für Anleihen europäischer Nicht- Ban-
ken.72 Der Umlauf nationaler und internationaler Anleihen deutscher Unternehmen ist seit
1995 um rund das Dreizehnfache gestiegen. Im gleichen Zeitraum haben sich die Aus-
landsverbindlichkeiten deutscher Unternehmen verdreifacht. Grund hierfür ist die Zu-
69 Vgl. Weber (2002a), S. 456 70 Vgl. Weber (2002a), S. 457 71 Vgl. Bankenverband (2004), S. 10. Bei kleinen und mittelgroßen deutschen Unternehmen herrscht in Deutschland auch heute noch die sog. "Own Master"- Mentalität vor, d. h. der Wunsch nach Selbstbestimmung in unternehmerischen Entscheidungen. Dies spricht für eine Fremdfinanzierung über Bankkredite. 72 Vgl. Weber (2002), S. 241
28
nahme der Finanzierungen über ausländische Niederlassungen bzw. über ausländische
Konzernzentralen.73
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß auf der Aktivseite der deutschen Banken der An-
teil der Forderungen gegen heimische Unternehmen und Selbständige zwischen 1990 und
2001 stark abgenommen hat. Neben den oben beschriebenen Ursachen im Finanzierungs-
verhalten deutscher Unternehmen war auch das schwache Wachstum der Wirtschaft in
Deutschland hierfür mitverantwortlich: Das Bruttosozialprodukt wuchs zwischen 1993
und 2001 um nur 2,8 % jährlich74, was die allgemein nachlassende Nachfrage nach Kredi-
ten auf dem Heimatmarkt erklärt. Auf der Aktivseite deutscher Bankbilanzen stieg statt
dessen die Bedeutung der Forderungen gegen ausländische Banken und Nicht-Banken.
Zusammen mit der Zunahme der Wertpapieranlage, darunter Bankanleihen sowie auslän-
dische Wertpapiere hoher Bonität, führte dies zu einer Verringerung der Zinserträge
deutscher Banken während des letzten Jahrzehnts. Mitverursacht durch die lang anhalten-
de Niedrigzinsphase ergibt sich seit etwa 1994 ein abwärts gerichteter Trend der Zins-
überschüsse deutscher Banken. Im Jahr 2000 betrug der Zinsüberschuß der deutschen
Kreditbanken im Durchschnitt unter 1,5 % (1993: 2 %) der Bilanzsumme.75
Kompensiert wird der Rückgang des Zinsergebnisses teilweise durch steigende Provisi-
onserträge aufgrund der zunehmenden Kapitalmarktaktivitäten der deutschen Bankkun-
den. Diese konnten jedoch nicht verhindern, daß sich die Ertragslage aller Bankengrup-
pen in den letzten 20 Jahren verschlechtert hat. Gleichzeitig ist eine deutliche Verschlech-
terung der Cost-Income-Ratios festzustellen (im Durchschnitt 75 % bei den Kreditbanken
in 2000). Verursacht wurde dies durch steigende Sachaufwendungen seit Mitte der 90er
Jahre (speziell Informationstechnologie). Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite der
Banken sank von rund 20 % im Jahr 1983 auf 4,4 % in 2002.76
Zu erkennen ist, daß die aktuelle Ertragsschwäche der Banken in Deutschland Folge einer
langfristigen Entwicklung ist. Innerhalb des sog. Lebenszyklusmodells befindet der Ban-
kenmarkt sich heute in der "Reifephase":77 Aufgrund einer rückläufigen Gesamtnachfrage
73 Hier spielen u. a. Finanzierungsvorteile von Konzerneinheiten auf bestimmten Auslandsmärkten sowie steu-erliche Überlegungen eine Rolle. 74 Vgl. Weber (2002), S. 242 75 Vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank bei Rolfes (1999), S. 7 76 Vgl. Bankenverband (2004), S. 8 77 Vgl. Schierenbeck (1999), S. 229f.
29
stagniert die Menge abgesetzter Produkte - fallende Preise und Gewinnmargen sowie
steigender Konkurrenz- und Konzentrationsdruck sind die Folge.
Absehbar ist, daß die deutschen Banken sich auch in Zukunft auf eine im Vergleich zu
früheren Jahrzehnten strukturell niedrigere Zinsmarge einstellen müssen. Auffällig ist
dabei, daß es international betrachtet keinen generellen Trend zu sinkenden Bankerträgen
gibt. Der Internationale Währungsfonds weist in seinem Herbstbericht 2003 darauf hin,
daß alle deutschen Bankengruppen in bezug auf die Ertragskraft schlechter als die ver-
gleichbaren Gruppen in den übrigen europäischen Volkswirtschaften abschneiden.78 Die
vielfach aufgebrachte Feststellung, die aktuellen Probleme der deutschen Banken seien
"hausgemacht", ist somit nicht von der Hand zu weisen.
Ein Grund für den Rückstand deutscher Banken bei der Anpassung an die geänderten
Marktbedingungen ist die Struktur der deutschen Kreditwirtschaft mit drei klar abge-
grenzten Gruppen. Rund 45 % des deutschen Bankenmarktes - gemessen an der Bilanz-
summe - wird von Instituten im öffentlichen Eigentum abgedeckt.79 Aufgrund der bis
Mitte 2005 geltenden Anstaltslast und Gewährträgerhaftung werden die Landesbanken im
Wettbewerb durch günstigere Refinanzierungsmöglichkeiten bevorzugt. Auch die Spar-
kassen, die sich primär über Einlagen statt Wertpapiere refinanzieren, weisen aufgrund
der Rückendeckung durch den Staat erhebliche Vorteile bei der Akquisition niedrig ver-
zinslicher Spareinlagen auf. Vom Wegfall der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung Mit-
te 2005 erhoffen sich die deutschen Privatbanken eine Verbesserung ihrer Wettbewerbssi-
tuation gegenüber öffentlichen Instituten, da auf reine Geschäftsausweitung abzielende
Strategien zu nicht marktgerechten Konditionen nicht mehr möglich sein werden. Ebenso
aktuell ist die Diskussion um die notwendige Konsolidierung des fragmentierten deut-
schen Bankenmarktes: Während die fünf größten Banken in der Schweiz, Schweden und
den Beneluxländern je auf einen Marktanteil von über 70 % kommen, liegt diese Kenn-
zahl in Deutschland bei lediglich 20 %.80 In den meisten europäischen Staaten ist die
nationale Konsolidierung weitgehend abgeschlossen - in Deutschland steht dieser Prozeß
noch aus. Die Beschränkung von Fusionen ausschließlich auf die eigene Gruppe wird
78 Vgl. bei Potthoff (2003), S. B4 79 Vgl. Bankenverband (2004), S. 11f. 80 Vgl. o.V. (2004), S. 25, Verweis auf eine Erhebung von Lehman Brothers
30
dabei als ein zentrales Hemmnis für die Hebung von Synergien zur Schaffung eines leis-
tungsfähigen, effizienten Bankensystems angesehen.81
Festzuhalten ist, daß es heute in Deutschland trotz der aufgezeigten Ertragsprobleme
"keine Bankenkrise"82 gibt. Neben den überholungsbedürftigen Strukturen wird das deut-
sche Bankwesen nach Meinung von Wirtschaftsexperten durch die schwache Konjunktur
sowie Managementfehler der Vergangenheit83 belastet. Handlungsmöglichkeiten für die
deutschen Banken finden sich zum einen auf der Kosten- zum anderen auf der Ertragssei-
te. In beiden Bereichen bieten sich Anwendungsmöglichkeiten für das Allfinanzkonzept:
1. Kosteneinsparungen
Deutschland weist mit rund 1.600 Einwohnern pro Bankstelle immer noch eine im inter-
nationalen Vergleich hohe Zweigstellendichte auf. Mit 4.000 bis 4.500 Einwohnern ist
die Versorgung mit Bankdienstleistungen in Großbritannien, Schweden und den Nieder-
landen wesentlich konzentrierter.84 Sowohl die steigende Mobilität der Bankkunden als
auch die Nutzungsmöglichkeiten von sog. Multi-Channel-Angeboten (bspw. Internet)
rechtfertigen in gewissem Umfang eine weitere Reduzierung des deutschen Filialnetzes.
Das Angebot von Versicherungsprodukten über den Bankschalter in Zusammenarbeit mit
einem Versicherungsinstitut stellt dabei eine Möglichkeit dar, vorhandene Filialnetze
besser auszunutzen und so die Effizienz des Bankvertriebs zu erhöhen. Zudem empfehlen
Unternehmensberatungen die Hebung von Kostensynergien durch verstärkte Kooperatio-
nen im Back Office- Bereich, bspw. durch das Betreiben sog. "Shared Service Center".
2. Ertragsorientierung
Wirtschaftsexperten sind sich einig, daß Kosteneinsparungen alleine nicht ausreichen
werden, um deutschen Banken eine im internationalen Vergleich konkurrenzfähige Ei-
genkapitalrendite zu ermöglichen. Mit durchschnittlichen Eigenkapitalrenditen von aktu-
ell drei Prozent sind die deutschen Banken noch weit von ihren Renditezielen entfernt.
Vor allem das Privatkunden- und Retailgeschäft sind gefordert, einen Rentabilitätsbeitrag
81 Siehe zur Diskussion um Fusionen innerhalb der drei Säulen der deutschen Bankenbranche bei GDV (2004), S. 23f. 82 Gerken (2003), S. 23 83 Prof. Gerken nennt als Beispiele für Managementfehler teure Investitionen in Investment Banking- Aktivitäten (Commerzbank), risikobehaftetes Kreditgeschäft und hohe Fixkostenblöcke im Filialgeschäft. Vgl. Gerken (2003), S. 23 84 Vgl. Baxmann (2004), S. B2
31
zu leisten. Nach einer Modellrechnung von A.T. Kearney müßten die Kosten um rund
40 % verringert werden, wollten die Banken allein auf diesem Wege ihre Zielrenditen von
15 % erreichen.85
Zur Verbesserung der Marktkapitalisierung deutscher Banken - auch zum Schutz vor
feindlichen Übernahmen - ist neben Kosteneinsparungen also eine strikte Ertragsorientie-
rung notwendig.
Berechnungen der Unternehmensberatung PA Consulting ergeben, daß das Potential für
eine Verbesserung der Profitabilität bei Banken auf der Umsatzseite rund viermal höher
als auf der Kostenseite ist.86 Die Berater identifizieren dabei vor allem zwei Aktionsbe-
reiche: Zum einen empfehlen sie eine Anhebung der Gebühren und Kreditkonditionen.
Hier verweisen sie auf die im Vergleich zu Deutschland wesentlich erfolgreicheren engli-
schen Banken, deren Kreditmargen und -gebühren um einen bzw. 0,4 Prozentpunkte im
Durchschnitt höher seien. Zum anderen empfehlen die Berater den Banken, sich auf der
Kundenseite durch attraktive, kundenspezifische Produkt- und Serviceangebote von den
Wettbewerbern abzusetzen.
Einen Weg zur Schaffung eines solchen Angebotes stellt die Anwendung des Allfinanz-
konzepts dar. Durch das gebündelte Angebot von Bank- und Versicherungsprodukten, die
sich strikt an der Bedarfssituation der anvisierten Kundengruppen orientieren, kann eine
umfassende Befriedigung der Finanzbedürfnisse der Kunden vorgenommen werden. Bei-
spiele wie die Citibank, die das Allfinanzkonzept in Deutschland seit Jahren erfolgreich
mit der CiV Versicherung umsetzt, belegen die Ertragspotentiale dieser Strategie.87
Generell ist aufgrund der seit Jahren rückläufigen Zinsüberschüsse eine verstärkte Fokus-
sierung deutscher Banken auf das Provisionsgeschäft unumgänglich. Der Verkauf von
Versicherungsprodukten stellt dabei eine attraktive Möglichkeit dar, die rückläufigen
Zinsergebnisse zu kompensieren sowie die Erträge der Bank unabhängig vom Zinsniveau
zu verstetigen.
85 Vgl. A.T. Kearney (2004), S. 3, die Autoren beziehen sich auf die akutuelle Bundesbankstatistik. 86 Vgl. Rushton (2002), S. 18 87 Siehe ausführlich zur Zusammenarbeit Citibank/CiV Versicherung in Kapitel 6.4.
32
2.3 Die Situation auf dem deutschen Versicherungsmarkt
Der deutsche Versicherungsmarkt befindet sich seit einigen Jahren in einer schwierigen
Phase. Neben hohen Schadensaufwendungen, bspw. durch die Hochwassersituationen im
Jahr 1997 an der Oder sowie 2002 entlang der Elbe, wird die Branche durch zunehmende
Ertragsprobleme belastet. Hinzu kommt eine "dramatisch" reduzierte Kapitalstärke der
Versicherungsinstitute: Bedingt durch die dreijährige Börsenkrise bis März 2003 und
historisch niedrige Zinsen vernichteten die Versicherungsinstitute in der Kapitalanlage
Milliarden von Euros.88 Die Solvabilität vieler Versicherer wurde substantiell ge-
schwächt: Das ausgewiesene Eigenkapital der größten europäischen Versicherungen
schmolz zwischen 2000 und 2002 um rund 20 Prozent, die Neubewertungsreserven san-
ken um über 40 Prozent.89 So stehen heute die deutschen Lebensversicherungen mit tradi-
tionell hohen Garantien für ihre Policen stark unter Druck. Einzelne Institute können ih-
ren Kunden aktuell nicht mehr als die gesetzlich bestimmte Garantieverzinsung ausschüt-
ten. Diese wurde Anfang 2004 in Deutschland von 3,25 % auf 2,75 % gesenkt.90
In den Jahren des Aktienmarktbooms nutzten zahlreiche Versicherer die durch Kapitalan-
lageerfolge erreichte hohe Eigenkapitalbasis für Expansionsstrategien, bspw. in ausländi-
sche Märkte, neue Produktangebote oder Vertriebsformen (bspw. Internet). Häufig wur-
den die mit diesen Projekten einhergehenden Risiken sowie die Komplexität unterschätzt.
Hinzu kommen heute in der europäischen Versicherungsbranche strukturelle Probleme:
Viele Sparten (bspw. kleine Industrieportfolios) erwirtschaften keine positiven Ergebnis-
beiträge mehr. Die Wertschöpfungstiefe ist bei den meisten Versicherern sehr hoch, Pro-
duktivitätsteigerungen machen teure Investitionen in die IT-Infrastruktur (z. B. Bestands-
führungssysteme) der Institute notwendig.91
Die in Europa ab frühestens 2007 in Kraft tretenden einheitlichen aufsichtsrechtlichen
Eigenkapitalregeln (Solvency II) werden aus Sicht von Versicherungsvorständen zu Ver-
änderungen in der gesamten europäischen Versicherungsbranche führen.
88 Vgl. Weibe (2003), S. 26 89 Vgl. Boston Consulting (2003) 90 Vgl. Lansch (2003a), S. 33 91 Vgl. Boston Consulting (2003), S. 11
33
Aufgrund der stärkeren Orientierung der Kapitalanforderungen an den eingegangen Risi-
ken wird nach Berechnungen von Experten der Kapitalbedarf vieler Gesellschaften deut-
lich steigen. Eine verstärkte Konsolidierung der europäischen Versicherungsbranche wird
erwartet.92
Angelehnt an die Vorgehensweise im vorherigen Kapitel soll hier zunächst die aktuelle
Wettbewerbssituation am deutschen Versicherungsmarkt dargestellt werden. Verschiede-
ne Faktoren tragen dazu bei, daß es innerhalb des letzten Jahrzehnts zu einer Intensivie-
rung des Wettbewerbs im Versicherungssektor gekommen ist.
Innerhalb der 90er Jahre haben sich auf dem deutschen Versicherungsmarkt achtzig neue
Institute etabliert.93 Die Auswirkungen der Deregulierung von 1994 (Kapitel 2.1.1) in
Form von Markteintritten ausländischer Anbieter blieben dabei geringer als erwartet - der
deutsche Versicherungsmarkt ist nach wie vor primär national.94 Europaweit haben seit
1994 die Konzentrationstendenzen im Versicherungsmarkt deutlich zugenommen. Impul-
se für Fusionen waren die Deregulierung sowie die Schaffung des europäischen Binnen-
marktes und die dadurch eingetretene Verschärfung der Preis- und Wettbewerbsbedin-
gungen. Das externe Wachstum durch Fusionen hat zum Ziel, gegenüber feindlichen
Übernahmen weniger angreifbar zu machen, die Finanzkraft der Institute zu erhöhen und
die Absatzmöglichkeiten und Handlungsautonomie im Wettbewerb zu verbessern.95
In Deutschland kam es in den 90er Jahren vermehrt zu Fusionsaktivitäten96, der Konzent-
rationsgrad der deutschen Versicherungswirtschaft war jedoch bis in die jüngste Vergan-
genheit deutlich geringer als auf vergleichbaren Versicherungsmärkten: 1997 entfielen
nur 47 % der Marktprämie auf die 15 größten Schaden- und Unfallversicherer (Frank-
reich 73 %, Niederlande 75 %).97 Ein Grund hierfür ist, daß der deutsche Versicherungs-
92 Vgl. bei Weibe (2003), S. 26; o.V. (2004a), S. 1. Neben Solvency II werden zudem die ab 2005 anzuwen-denden Internationalen Bilanzierungsregeln (IAS) den Zwang, finanzielle Reserven anzulegen, erhöhen. Auf der Aktivseite der Versicherungsbilanzen müssen Wertpapiere dann mit Tageskursen angesetzt werden; Kursver-luste werden nach außen transparenter. 93 Vgl. Kern (1999), S. 6
94 Vgl. Koch (2001), S. 2047 95 Vgl. Booth (2000), S. 24 96 Bspw. Die Zusammenführung der Versicherungsgesellschaften Victoria, D.A.S., Hamburg- Mannheimer und DKV zum ERGO-Konzern im Jahr 1997 97 Vgl. Booth (2000), S. 25
34
markt aufgrund seiner Größe auch mittleren und kleineren Versicherungsunternehmen
ausreichend Marktchancen einräumt. Untersuchungen von Roland Berger & Partner er-
geben, daß Größe nicht das einzige Erfolgskriterium von Versicherungen ist: Auch kleine
und mittelgroße Versicherungsanbieter sind am deutschen Versicherungsmarkt erfolg-
reich.98
Die Unternehmensberatung Boston Consulting (BCG) kommt in ihrer Studie über den
europäischen Versicherungsmarkt zu dem Ergebnis, daß die „kritische“ Mindestgröße für
Versicherungsinstitute ungefähr bei fünf Prozent nationalem Marktanteil und einem Prä-
mienvolumen von rund einer Milliarde Euro liegt.99 Ab dieser Größenordnung ergeben
sich laut BCG Skalenvorteile in den zentralen Wertschöpfungsprozessen, so z. B. im Ver-
trieb und Underwriting. Zudem seien Größenvorteile im Bereich Schadensmanagement
sowie in der Bestandsführung nachweisbar.
BCG stellt somit die These auf, die künftige Wettbewerbsfähigkeit europäischer Versi-
cherungsunternehmen werde stark davon abhängen, inwieweit es den Instituten gelingt,
die „kritische“ Mindestgröße zu überschreiten.
Ein Blick auf die Verhältnisse am europäischen Versicherungsmarkt zeigt jedoch, daß
etwa 98 % der rund 3.100 Versicherer die geforderte Mindestgröße (5 % nationaler
Marktanteil) im Leben- und Nicht-Leben-Geschäft nicht erreichen. Statt eines ausschließ-
lichen Größenstrebens müssen somit auch andere Strategien zur Sicherung und Steige-
rung der Ertragskraft ergriffen werden. Eine Erfolgsstrategie ist - auch aus Sicht von
BCG - die Zusammenarbeit mit einer Bank, d. h. die Anwendung des Allfinanzkon-
zepts.100 Als erfolgreicher Vertreter dieses Konzepts in Deutschland ist die CiV Versiche-
rung zu nennen, die als exklusiver Partner mit der Citibank kooperiert. Obgleich das Insti-
tut mit jährlichen Bruttobeiträgen von weit unter 1 Mrd.. Euro gemäß BCG zu den „zu
kleinen“ Versicherungsunternehmen zählt, ließen sich durch die Partnerschaft mit der
Citibank in den letzten Jahren hohe Wachstumsraten in Produktivität und Ergebnis erzie-
len (vgl. Kapitel 6.4).
98 Vgl. Kern (1999), Abbildungen S. 11 99 Vgl. Boston Consulting (2003), S.13 100 Laut BCG muß Bancassurance „weiterhin ein zentrales strategisches Thema sein“, vgl. ausführlich zu den Erfolgsfaktoren von Allfinanzkonzepten bei Boston Consulting (2002).
35
Ebenso wie die Banken stehen auch die Versicherungen heute einem zunehmend kriti-
schen, preisbewußten Kunden gegenüber, der auch neue Vertriebsformen akzeptiert.101 So
haben sich zwischenzeitlich zahlreiche Direktversicherer am Markt etablieren können,
die mit sehr günstigen Vertriebs- und Verwaltungskosten eine starke Konkurrenz für die
etablierten Institute darstellen. Es ist jedoch festzustellen, daß die etablierten Versiche-
rungen den sog. "Multikanalstrategien" aktuell keine besondere Bedeutung zumessen.
Das Internet hat sich zwar als Mittel zur Kommunikationsaufnahme mit dem Kunden
etabliert, ein richtiger Durchbruch ist laut einer Studie der Unternehmensberatung Mum-
mert Consulting jedoch bislang nicht eingetreten. Der persönliche Kundenkontakt wird
heute in den Vordergrund gestellt. Statt in elektronische Vertriebswege investieren die
Versicherungen in ihren Außendienst (speziell Mitarbeiterschulungen) und fördern die
Zusammenarbeit mit Strukturvertrieben und Maklern.102
Im folgenden sollen sowohl die Ertrags- als auch die Kostenseite der deutschen Versiche-
rungsunternehmen näher beleuchtet werden. Zunehmende Ertragsprobleme im Kompo-
sitgeschäft103 sowie steigender Kostendruck durch hohe IT-Aufwendungen und Ver-
triebskosten erzeugen einen Handlungsbedarf, der Allfinanzstrategien in einem attrakti-
ven Licht erscheinen lässt.
Eine Betrachtung der Kosten deutscher Versicherungsinstitute zeigt, daß die Kostenquo-
ten der Versicherungen innerhalb des letzten Jahrzehnts gestiegen sind. So stieg bei den
Schaden- und Unfallversicherungen die Schadenquote (Brutto-Aufwendungen für Versi-
cherungsfälle in Prozent der verdienten Brutto-Beiträge) von 78 % in 1994 auf 84,3 % in
2004, während die Betriebskostenquote (Brutto-Aufwendungen für den Versicherungsbe-
trieb in Prozent der verdienten Brutto-Beiträge) von 23,1 % auf 26,5 % wuchs.104 Die
Kosten der Versicherungen liegen heute aufgrund der hohen Schadenquote oft über den
Beiträgen. Wegen der gestiegenen Konkurrenz am Versicherungsmarkt kann diese Ent-
wicklung nicht über eine Erhöhung der Versicherungsbeiträge ausgeglichen werden.
Vielmehr herrscht in Deutschland seit Mitte der 90er Jahre ein starker Wettbewerb über
Prämien, Rabatte und Tarife.
101 Vgl. Booth (2000), S. 25 102 Vgl. o.V. (2004b), S. 26; es wird aus der Studie "Branchenkompass 2004 Versicherungen" von Mummert Consulting zitiert. 103 Hierzu zählen das Sach-, Haftpflicht/Unfall- und Kraftfahrzeuggeschäft. 104 Vgl. GDV (2004), S. 17
36
Möglichkeiten zur aktiven Verbesserung der Kostenquote deutscher Versicherer ergeben
sich heute folglich primär durch Beeinflussung der Betriebskostenquote. Hier stellt die
Anwendung des Allfinanzkonzepts eine Handlungsoption dar:
Zentrales Problem der Versicherungsinstitute im Bereich der Betriebskosten ist der teure
Vertrieb. Im Vergleich zu den Direktversicherungen und dem Vertrieb über den Bank-
schalter weisen die traditionellen Versicherungen durch die hohen Provisionen ihrer Aus-
schließlichkeitsvertreter und Makler deutlich schlechtere Vertriebskostenquoten auf.105
Wenn man den Versicherungsbetrieb aufteilt in die Bereiche "Produktion" (Produktent-
wicklung, Kundenservice, Portfolio Management) und "Vertrieb" (sämtliche Aktivitäten
zur Generierung zusätzlichen Geschäfts), erkennt man, daß Versicherungen häufig über
100 % der Prämieneinnahmen des ersten Jahres für den Vertrieb verwenden. Es wird in
der Vertriebsfunktion kaum oder sogar negativer Profit erwirtschaftet.106 Eine Möglich-
keit der Versicherer, den Ertrag auf ihr eingesetztes Kapital zu erhöhen, ist also die Ver-
besserung der Wirtschaftlichkeit ihres Vertriebs. Aufgrund eines günstigeren Verhältnis-
ses von Aufwand und Ertrag ist der Vertrieb über den Bankschalter dem Versicherungs-
vertrieb über Agenten deutlich überlegen.107
Gegenüber dem Versicherungsvertrieb über Agenten hat der Bankvertrieb - neben gerin-
geren Kommissionsaufwendungen - zwei zentrale Vorteile: 1) Banken verfügen über eine
große Zahl existierender Kundenverbindungen. 2) Sie haben zudem eine weitgehende
Einsicht in die Finanzbedürfnisse und das Finanzierungsverhalten ihrer Kunden.108
Durch den Vertrieb über eine Bank kann eine Versicherung somit ihre Vertriebskosten
verringern. Zudem ergeben sich Ertragspotentiale, indem bestehenden Bankkunden Ver-
sicherungsprodukte angeboten werden. Durch die Auswertung der Finanzbedürfnisse der
Kunden können Versicherungsbedürfnisse "entdeckt" und befriedigt werden.
105 Vgl. Kern (1999), S. 18; Molyneux (1998), S. 35 106 Vgl. bei Freeman (2001), S. 72. Es wird hier auf Erkenntnisse vom amerikanischen Versicherungsmarkt zurückgegriffen. 107 Vgl. Warth (1999), S. 138. Eine Untersuchung der Kostenquoten von Lebensversicherern in Frankreich aus dem Jahr 1991 zeigte, daß die Quoten der Versicherer mit traditionellem Agentenvertrieb wesentlich schlechter waren als die Quoten von in Banken integrierten Versicherern. Vgl. Hoschka (1994), S. 47 108 Vgl. Freeman (2001), S.72
37
Der klassische Versicherungsvertrieb ist heute noch primär nach produktorientierten Kri-
terien strukturiert. Die heute empfohlene lebensphasenorientierte Produktbündelung, dif-
ferenziert nach Zielgruppen, stellt für Versicherer daher ein Problem dar.
Während Banken ihre Kundenbestände zunehmend segmentierten, z. B. nach Alter oder
Einkommen der Kundengruppen, ist diese strategische Kundensegmentierung für Versi-
cherungsinstitute noch weitgehendes "Neuland"109. Gegenüber Banken, die bspw. durch
die monatlichen Geldeingänge ihrer Kunden tiefe Einblicke in die finanziellen Gewohn-
heiten ihrer Kunden erlangen, haben Versicherungen einen strategischen Nachteil. Ein
kundengruppenorientiertes Marketing stellt für sie ein Problem dar. Die Zusammenarbeit
mit einer Bank bietet Versicherern in diesem Bereich Möglichkeiten zur Steigerung ihrer
Konkurrenzfähigkeit am Finanzdienstleistungsmarkt.
Trotz der dargelegten Argumente, die den Versicherungsvertrieb über den Bankschalter
aus Kostensicht attraktiv erscheinen lassen, ist die Bedeutung des Bankvertriebs in
Deutschland heute noch gering. Unternehmensberatungen prognostizierten bereits seit
Beginn der 90er Jahre, daß der klassische Versicherungsvertrieb über Ausschließlich-
keitsvertreter110 zukünftig stark an Bedeutung einbüßen werde, während der Bankvertrieb
sowie der Vertrieb über Direktversicherungen Anteile hinzugewinnen werde. So stellte
die Unternehmensberatung McKinsey in 2001 die These auf, der Marktanteil der Aus-
schließlichkeitsvertreter werde in Deutschland in Zukunft auf 20 -25 % zurückgehen.111
Tatsächlich ist jedoch festzustellen, daß auch heute der Ausschließlichkeitsvertrieb klar
dominiert: 52 % des neuen Lebensversicherungsgeschäfts wurde in 2002 über Aus-
schließlichkeitsvertreter generiert, nur 19 % über den Bankschalter.112
Der Marktanteil der Ausschließlichkeitsvertreter in Deutschland lag in 2001 bei 64 % der
laufenden Versicherungsprämien. Diese Verhältnisse werden auch von Deutschlands
größtem Versicherer, der Allianz AG, widergespiegelt: Anläßlich ihres Börsengangs legte
die Allianz offen, daß rund zwei Drittel ihrer gesamten Vertriebsleistung auf dem Aus-
schließlichkeitsvertrieb beruhen.113
109 Vgl. Benölken (1992), S. 650 110 Ausschließlichkeitsvertreter sind selbständige (gemäß § 84 HGB ) Versicherungsvermittler, die exklusiv für eine Versicherungsgesellschaft oder Versicherungsgruppe tätig sind. Vgl. Benölken (1992), S. 651 111 Vgl. Surminski (2001), S. 473 112 Vgl. UBS (2004), S. 67. Von 2000 bis 2002 sank der Anteil des Bankvertriebs sogar noch von 21 auf 19%.
38
Angesichts dieser Zahlen ist zu vermuten, daß die in Deutschland vorherrschenden Struk-
turen im Versicherungsvertrieb in naher Zukunft keine revolutionären Veränderungen
erleben werden. Auch wenn Kostenvorteile des Bankvertriebs erkannt werden, stehen die
deutschen Versicherer laut der Studie "Branchenkompass Versicherungen“ von Mummert
Consulting dem Thema Allfinanz gespalten gegenüber. Hiernach wollten sich im Jahr
2002 52 % der Versicherer nicht mit dem Bankvertrieb befassen, 48 % planten Maßnah-
men oder führten sie bereits durch.114 Möglichkeiten zur Kostensenkung sahen die Versi-
cherer primär bei der Rationalisierung ihrer Geschäftsabläufe: Durch Automatisierung
von Policenverwaltung- und abwicklung sowie der Antragsbearbeitung sollen hiernach
die Arbeitsabläufe effizienter und damit kostengünstiger werden. Da nur standardisierte
Produkte automatisiert werden können, erwartete man im Mengengeschäft einen anhal-
tenden Trend zur Standardisierung.
Entscheidend für die künftige Entwicklung des Versicherungsvertriebs über Banken wird
letztendlich das Verhalten der Kunden sein. Ob der Bankvertrieb dem klassischen Au-
ßendienst Anteile abnehmen wird, liegt in der Hand der Kunden. Wollen sie ein umfas-
sendes "Allfinanz"- Angebot aus einer Hand oder bevorzugen sie weiterhin die getrennte
Befriedigung ihrer Finanzbedürfnisse durch Banken und Versicherungen? Kapitel 3.3
setzt sich näher mit dieser Frage auseinander.
Nach Betrachtung des Kostenseite soll im folgenden die Ertragsseite der deutschen Ver-
sicherer untersucht werden.
Wie bereits erläutert, ist seit Mitte der 90er Jahre im deutschen Versicherungsgeschäft ein
deutlicher Preisverfall festzustellen. Dieser ist nach Meinung von Versicherungsexperten
nicht - wie zu vermuten - eine unmittelbare Folge der Deregulierung von 1994.115 Die
deutschen Versicherer schufen sich vielmehr "den Wettbewerb selbst" und konkurrieren
seitdem verstärkt über Prämien, Rabatte und Tarife.116 Es gibt im Vergleich zu früher
mehr verbundene Versicherungen mit zum Teil erheblichen Preisreduktionen für Teilbe-
reiche. Bei den sog. Multiline-Produkten werden unterschiedliche Deckungsformen aus
dem Sach- oder Haftpflicht-Geschäft in einem Vertrag zusammengefaßt. Dieses Konzept
trug nach Meinung von Versicherungsvorständen zu den finanziellen Problemen von
113 Vgl. DSGV (2001), S. 21 114 Vgl. o.V. (2004b), S. 26; Verweis auf die Studie "Branchenkompass Versicherungen" von Mummert Consul-ting, in der die Investitionsstrategien der Branche für 2002 bis 2004 ermittelt wurden. 115 Vgl. Koch (2001), S. 2047 116 Vgl. Surminski (2001), S. 474
39
Versicherungsunternehmen bei, zumal in den letzten Jahren die Kapitalerträge als Aus-
gleich für versicherungstechnische Fehler ausblieben.117
Die negativen Auswirkungen des Preiswettbewerbs werden besonders deutlich beim
Blick auf die Industrie- und die Haftpflichtversicherer. Bei den deutschen Sach-
Industrieversicherern sank die Höhe der Beitragseinnahmen zwischen 1995 und 2001 von
2,4 auf 1,8 Mrd. Euro, während der Schadenaufwand von 1,8 auf 1,9 Mrd. Euro stieg.
Die Industrieversicherer strebten Mitte der 90er Jahre ein Wachstum "um jeden Preis"
an: Da die deutsche Industrie als Zielgruppe nicht in angemessenem Maße wuchs, waren
Marktanteilsgewinne nur im Verdrängungswettbewerb (über einen reduzierten Preis)
möglich. Gleichzeitig kam es zu Verbesserungen des Deckungsumfangs im Versiche-
rungsschutz. Das Ende des Kapitalmarkt-Booms, der den Versicherern als Ausgleich für
die verminderten Prämieneinnahmen außerordentliche Erträge bescherte, stürzte die In-
dustrieversicherer in eine schwere Krise.118
Bei den Haftpflichtversicherern kam es in den letzten Jahren zu einem stark steigenden
Schadensaufwand bei Produkthaftpflicht- und Kraftfahrzeug-Rückrufschäden. Eine der
Schadenssituation angemessene Erhöhung der Beiträge blieb aufgrund des herrschenden
Preiskampfes aus.
Im Zusammenhang mit der Ertragssituation der deutschen Versicherer stellt sich die Fra-
ge, ob der deutsche Versicherungsmarkt sich heute bereits - wie der Bankenmarkt - in
einer Phase der Stagnation befindet. Verschiedene Faktoren sprechen dagegen. Trotz der
Intensivierung des Wettbewerbs in den letzten Jahren, begleitet von rückläufigen Preisen,
befindet sich der Versicherungsmarkt bislang noch in einer Phase des Wachstums. Nur in
einigen Sparten des Privatkundengeschäfts (Kfz-Bereich) sind die Kundenpotentiale heu-
te weitgehend ausgeschöpft, in anderen Bereichen ist noch kein Zustand der Vollversor-
gung erreicht.119 Versicherungsprodukte weisen eine Einkommenselastizität größer eins
auf, d. h. Versicherungskunden geben bei einer Einkommenssteigerung überproportional
mehr Geld für den Versicherungsschutz aus. Dieses Phänomen läßt sich in Deutschland
anhand der Vorsorgequote (verdiente Brutto-Beiträge der Erstversicherer in Relation zum
verfügbaren Einkommen der Privathaushalte) belegen. Diese stieg zwischen 1993 und
2003 von 9,3 % auf 11,1 % an. Auch die Versicherungsdurchdringung (verdiente Brutto-
117 Vgl. Weiß (2002), S. 823. Der Autor, Mitglied des Vorstands der Aachener und Münchener Versicherungen, fordert, daß künftig nicht nur pro Kunde oder Vertriebsweg, sondern auch pro Versicherungssparte wieder ein Combined Ratio von deutlich unter 100 % angestrebt werden sollte. 118 Vgl. Weiß (2002), S. 826 119 Vgl. Zielke (1997), S. 60
40
Beiträge der Erstversicherer in Relation zum Bruttoinlandsprodukt) weist in Deutschland
mit 6,06 % in 1993 und 7,2 % in 2003 einen steigenden Trend auf. Dies unterstreicht die
für die Industrieländer nachgewiesene These einer Elastizität größer eins zwischen Versi-
cherungsgeschäft und Bruttoinlandsprodukt.120
Die Brutto-Beiträge des deutschen Direktversicherungsgeschäfts stiegen im Bereich Le-
bensversicherungen von 38,5 Mrd. in 1993 auf 65 Mrd. Euro in 2002, während im Be-
reich Schaden- und Unfallversicherungen eine Steigerung von 43,5 Mrd. auf 51,48 Mrd.
Euro erfolgte.121
Die allgemeine Zunahme des Nettogeldvermögens und der Status der Lebensversicherung
als "klassisches" Vorsorgeinstrument sprechen auch künftig für ein Wachstum der Sparte
Lebensversicherung.122 Das Wachstum der Schaden- und Unfallversicherungen wird da-
gegen nach Meinung von Unternehmensberatern hinter dem der Lebensversicherer zu-
rückbleiben. Risikofaktoren sind hier die hohen Schadenquoten sowie der allgemeine
Preisverfall.123
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Ertragspotentiale der deutschen Versicherer
noch nicht ausgeschöpft sind. Im zunehmenden Wettbewerb wird eine strikte Kontrolle
der Kosten notwendig sein, z. B. durch Rationalisierung der Betriebsabläufe oder Nut-
zung des günstigeren Bankvertriebs. Um ihre Marktanteile halten zu können, werden
sowohl die Banken als auch die Versicherer gezwungen sein, sich gegenüber ihren Mit-
bewerbern im Wettbewerb abzuheben: Kundenbindung und innovative Produktlösungen
sind in der Maturitätsphase des Produktlebenszyklusses die erfolgversprechenden Strate-
gien. Durch eine Zusammenarbeit von Banken und Versicherern im Sinne des Allfinanz-
konzepts lassen sich innovative Problemlösungsangebote kreieren, die zu einer langfristi-
gen Kundenbindung beitragen können.
120 Vgl. GDV (2004), S. 13 121 Vgl. GDV (2004), S. 6 122 Vgl. Molyneux (1998), S. 30f. 123 Vgl. Kern (1999), gestützt auf Prognosen von Roland Berger & Partner.
41
2.4 Konvergenz zwischen Bank- und Versicherungsgeschäft Nach der Untersuchung der allgemeinen Entwicklungstendenzen im Bank- und Versiche-
rungsgeschäft soll im folgenden der Konvergenzprozeß zwischen Banken und Versiche-
rungen näher analysiert werden. In der Literatur wird mit dem Begriff Konvergenz in der
Regel die grundsätzliche Annäherung der beiden Finanzdienstleistungsbereiche be-
schrieben. Diese Annäherung wird offensichtlich in den zunehmenden sektorübergreifen-
den Fusionsaktivitäten sowie wachsenden kapitalmäßigen Verflechtungen zwischen
Bank- und Versicherungsinstituten, die in der ausgeprägtesten Form zum Entstehen von
Allfinanzkonglomeraten führen. Die Entwicklungen führten im Mai 2002 zur Etablierung
der sog. Allfinanzaufsicht in Deutschland. Die ehemals für die Finanzaufsicht zuständi-
gen Bundesaufsichtsämter für das Versicherungswesen, den Wertpapierhandel sowie das
Kreditwesen wurden zu einem „single regulator“, der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
tungsaufsicht (BaFin), fusioniert. Jochen Sanio, Präsident der BaFin, macht drei Hauptur-
sachen für die Notwendigkeit einer zentral integrierten Finanzmarktaufsicht aus124: Zum
einen die zunehmende Produktkonvergenz bei Banken und Versicherern, d. h. das Kon-
kurrieren an denselben Märkten mit zunehmend identischen Produkten. Des weiteren den
wachsenden Allfinanzvertrieb, d. h. das Angebot von Bank- und Versicherungsprodukten
aus einer Hand, und zuletzt die Notwendigkeit einer integrierten Kontrolle von zuneh-
mend verzahnten Finanzkonglomeraten.
Kritiker einer integrierten Allfinanzaufsicht führen an, bei dem Phänomen der Allfinanz
handele es sich lediglich um ein Zusammenwachsen der Distributionskanäle. Zwar bringe
die gegenseitige Nutzung der Vertriebswege auch Fusionen zwischen Banken und Versi-
cherungen mit sich, von einem „Zusammenwachsen“ der Produktion, d. h. von einer
Konvergenz im „engeren Sinne“, könne jedoch keine Rede sein. Zudem unterschieden
sich die Risiken im Bank- und Versicherungsgeschäft fundamental.125
Der Frage, ob es heute einen Konvergenzprozeß im „engeren Sinne“ zwischen Bank- und
Versicherungsgeschäft gibt, soll im folgenden nachgegangen werden: Gleichen sich die
Funktionen von Banken und Versicherungen immer mehr an? Ähneln sich das Bank- und
Versicherungsgeschäft in ihrer Risikosituation? Werden die Produkte zunehmend aus-
124 Vgl. Sanio (2002), S. 111-113, Rede auf dem 3. Norddeutschen Bankentag, Juni 2004 125 Vgl. Diewald (2001), S. 1009
42
tauschbar? Erfüllen beide Sektoren vergleichbare volkswirtschaftliche Aufgaben und
werden sie auch von den Kunden ähnlich wahrgenommen?
2.4.1 Funktion und Risikosituation von Banken und Versicherungen
Im finanziellen Sektor einer Volkswirtschaft stellen Banken und Versicherungen als sog.
Finanzintermediäre die Kerninstitutionen zur Ermöglichung von Finanztransaktionen
dar.126 Gemeinsam mit den sonstigen Finanzintermediären (z. B. Leasinggesellschaften)
vermitteln sie zwischen Anbietern und Nachfragern von Kapital und von Risiken. Unter
den finanzwirtschaftlichen Funktionen von Finanzintermediären lassen sich die Informa-
tionsbedarfs-, Liquiditäts- und die Risikotransformation subsumieren.127 Neben diesen
Kernfunktionen werden unterstützende Dienstleistungen, z. B. Beratungsleistungen bei
Banken oder die Schadensbetreuung bei Versicherungen, angeboten.
Die Informationsbedarfstransformation wird sowohl von Banken als auch von Versiche-
rern angeboten: Banken und auch Versicherer erleichtern die Suche nach Informationen
über die Existenz und Güte potentieller Kontraktpartner vor Abschluß eines Finanzge-
schäfts und bieten dabei Größen- und Kompetenzvorteile bei der Beschaffung und Beur-
teilung von Informationen.
Die Liquiditätstransformation läßt sich hingegen als Aufgabe primär den Banken zuord-
nen. Banken erfüllen die gesamtwirtschaftliche Funktion des Ausgleichs zwischen Wirt-
schaftssubjekten mit überschüssigen Finanzmitteln und solchen, die Mangel daran haben.
Es werden Einlagen von Wirtschaftssubjekten entgegengenommen und diese nach Ablauf
einer gewissen Zeit wieder zurückgezahlt. Der Überschuß wird als Darlehen an Wirt-
schaftssubjekte mit Kapitalbedarf weiterverliehen. Durch das Zinsdifferential aus Darle-
henszins und Einlagenzins generiert die Bank ihre Einnahmen. Aufgrund ihrer Größe und
ihrer Funktion als Sammelbecken vielfältiger Einlagen betreibt die Bank als Unterpunkte
der Liquiditätstransformation zudem die Transformation von Losgrößen von Geldbeträ-
gen sowie die sogenannte Fristentransformation. Neben den Grundgeschäften der Kapi-
talsammlung und -verleihung werden dazu diverse zusätzliche Leistungen, wie z. B. Be-
ratungs- und Vermittlungsdienstleistungen, angeboten.
126 Vgl. Schierenbeck (1992), S. 11 127 Vgl. Bretschger (1999), S. 104
43
Schumpeter sieht die volkswirtschaftliche Hauptaufgabe der Banken in der Förderung
von Innovationen, die wiederum die zentrale Wachstumsquelle einer Wirtschaft darstel-
len. Die durch den Kreditvergabeprozeß der Banken finanzierten Innovationen fördern
bzw. bedingen das Wachstum einer Wirtschaft – Banken stellen daher die Quelle wirt-
schaftlicher Prosperität dar. 128
Auch wenn die Funktion der Liquiditätstransformation primär den Banken zuzuordnen
ist, nehmen auch Versicherungen in diesem Bereich Aufgaben wahr, bspw. in der mit
Sparprozessen verbundenen Kapitallebensversicherung.129 Zudem lassen sich Gemein-
samkeiten in der volkswirtschaftlichen Funktion von Versicherungen und Banken erken-
nen. Laut Schumpeter ist neben der Kreditvergabe durch Banken die Gewährung von
Versicherungsschutz Grundlage von Innovationen. Die Ausschaltung von Risiken und
Ungewißheiten hilft Unternehmen bei der Realisierung ihrer Wirtschaftspläne: Ebenso
wie Banken ermöglichen Versicherungen Innovationen und bedingen somit volkswirt-
schaftliches Wachstum.
Die Risikotransformation als dritte Hauptfunktion von Finanzintermediären bedeutet die
Übernahme von Risiken bzw. Schäden von Kunden und ist in erster Linie Hauptaufgabe
der Versicherungen. Während die sog. horizontale Transformation, nämlich die Überlas-
sung von Kundengeldern zur sicheren Verwahrung, sowohl von Banken als auch Versi-
cherungen übernommen wird, ist die vertikale Transformation, der Ausgleich eingetrete-
ner Risiken, primär den Versicherungen zuzuordnen.
Das Grundgeschäft von Versicherungen kann als Risikoausgleich im Kollektiv und in der
Zeit verstanden werden.130 Ein Risiko, das für ein einzelnes Wirtschaftssubjekt zu groß
ist, wird auf das gesamte versicherte Kollektiv aufgeteilt. Damit der einzelne am Kollek-
tiv teilnehmen kann, muß eine Risikoprämie gezahlt werden, die vom Versicherer ge-
winnbringend anzulegen ist und zur Verfügung stehen muß, sobald der Versicherungs-
bzw. Schadensfall eintritt. Die Berechnung der Prämie erfolgt nach statistischen Grund-
prinzipien. Im Gegensatz zur Bankeinlage erfolgt der Rücktransfer (außer bei der Erle-
bensversicherung) nicht an die Person, die die Prämie gezahlt hat, sondern bedingt durch
ein Zufallsereignis an das Wirtschaftssubjekt, das einen Schaden erlitten hat.
128 Vgl. Schumpeter (1964), S.85 129 Vgl. Bretschger (1999), S.107 130 Vgl. Erdmann (2001a), S. 373
44
Nach Meinung von Versicherungsexperten nehmen Versicherungen damit eine zum
Bankgeschäft fundamental unterschiedliche Aufgabe wahr: Die „Vergesellschaftung von
Risiken“ bedeute nicht nur eine finanzwirtschaftliche, sondern auch eine soziale, gesell-
schaftliche Funktion der Versicherungswirtschaft. So werde im privaten Bereich das Ri-
siko, das in vorindustrieller Zeit durch die Fürsorge von Großfamilien abgedeckt wurde,
heute durch Versicherungen „vergesellschaftet“, d. h. über das Kollektiv abgedeckt.131
Ungeachtet dieser Differenz läßt sich festhalten, daß sowohl Banken als auch Versiche-
rungen zur Realisierung von Wirtschaftsplänen beitragen. Zudem ist ihnen gemeinsam,
daß es bei beiden Grundgeschäften um den Transfer und Rücktransfer von Geldern geht.
Banken erhalten von Kunden Einlagen, die nach Ablauf bestimmter Zeitspannen zurück-
erstattet werden. Ebensolches gilt für die von Banken vergebenen Kredite, die nach defi-
nierten Fristen an die Banken zurückgezahlt werden müssen. Bei Versicherungen geht es
um den Transfer der Prämien von den Versicherten an den Versicherer. Diese müssen
beim Eintritt von Schadensfällen an die jeweils betroffenen Versicherten ausgezahlt wer-
den.
Zentrale Aufgabe der Aufsichtsbehörde ist es, dafür zu sorgen, daß Transfer und Rück-
transfer der Kundengelder sichergestellt sind. Es muß somit gewährleistet werden, daß
die Geldsummen bzw. die involvierten Finanzintermediäre selbst nicht verschwinden und
mit ihnen angesammeltes Kundenvermögen vernichtet wird.132
Ausgehend von der Frage, ob eine integrierte Aufsicht, wie sie in Form der Bundesanstalt
für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Deutschland verwirklicht wurde, tatsächlich
auf ein Zusammenwachsen der Sektoren hinweist, ist die unterschiedliche Risikosituation
des Bank- und Versicherungsgeschäfts zu untersuchen.
Das grundsätzliche Risiko von Banken ist dergestalt, daß zurückzuzahlende Kundengelder
(bspw. Spareinlagen) in Vermögenswerten angelegt werden (bspw. Krediten), die nicht
mit Sicherheit realisiert werden können. Das Risiko der Bank besteht somit in der Fehl-
beurteilung der Zahlungs- und Überlebensfähigkeit ihrer Kreditnehmer - das Hauptrisiko
des Kreditausfalls wird durch die Pflicht zur Eigenmittelunterlegung von Krediten abge-
deckt. Hinzu kommt das Risiko einer Fehleinschätzung der künftigen Zinsstrukturkurve,
die für die Bank einen Verlust aus dem Zinsdifferential zwischen Einlagen- und Kredit-
131 Vgl. Erdmann (2001a), S. 374 132 Vgl. Diewald (2002), S. 619 ff.
45
geschäft bewirken würde. Des weiteren sind Fehleinschätzungen von Wechselkursent-
wicklungen möglich. Diese Risiken lassen sich analog zu den Vorschriften von Basel II
unter den Marktrisiken subsumieren.133 Hauptziel der Aufsicht von Banken ist angesichts
des notwendigen Gleichgewichts von Einlagen und Darlehenskapital die Liquiditäts- und
Solvenzaufsicht. Eine Besonderheit des Bankgeschäftes ist, daß Banken aufgrund der
enumerativen Definition erlaubter Bankgeschäfte (§ 1 KWG, Abs. 1) für eine Vielzahl
von Geschäften Konzessionen bekommen. Die einzige Möglichkeit zur Absicherung
dieser u. U. risikoreichen Geschäfte ist die Unterlegung durch Eigenkapital.
Neben die Liquiditäts- und Solvenzaufsicht treten desweiteren die Systemaufsicht sowie
die sog. mikroprudentielle Aufsicht, d. h. die Überwachung der Kreditwürdigkeit indivi-
dueller Bankschuldner. Der Kunden- bzw. Einlegerschutz an sich spielt bei der Bankauf-
sicht somit keine zentrale Rolle. Dieser wird heute durch die Einlagensicherungssysteme
der verschiedenen Bankengruppen berücksichtigt.
Im Gegensatz zum Bankgeschäft spielt der Kundenschutz bei der Aufsicht von Versiche-
rungen die zentrale Rolle. Das Hauptrisiko der Versicherung ist es, die zu erwartenden
Schäden der Versicherten zu unterschätzen und damit die versicherungstechnischen
Rückstellungen falsch zu berechnen. Die Risikosituation tritt ein, sobald sich die Wirk-
lichkeit anders verhält als das vorausberechnete Szenario der Versicherung. Der Schutz
des Versicherten steht daher im Zentrum der Aufsicht: Die Kontrolle über die Bildung
versicherungstechnischer Rückstellungen sowie deren ordentliche Verwahrung als De-
ckungsstock für den Risikofall sind die zentralen Aufgaben der Versicherungsaufsicht.
Erst an dritter Stelle kommen die Liquiditäts- und Solvenzaufsicht. 134
Ein entscheidender Unterschied zwischen Bank- und Versicherungsgeschäft ist in diesem
Zusammenhang die Tatsache, daß es Versicherungen per Gesetz heute nach wie vor un-
tersagt ist, „versicherungsfremdes“ Geschäft zu betreiben.135 Die Versicherungsaufsicht
überwacht bei der Konzessionserteilung die Beschränkung des Geschäfts auf das Versi-
chern versicherbarer Risiken. Diese Gegebenheit ist ein zentrales Argument der Kritiker
des Allfinanzkonzepts, die im Zusammenwachsen von Bank- und Versicherungsinstituten
133 Vgl. Diewald (2002), S. 620 134 Erst wenn die gebildeten Rückstellungen den eintretenden Schaden nicht abdecken können, müssen die hinterlegten Eigenmittel eingesetzt werden, um den entstehenden Fehlbetrag zu kompensieren. Siehe zur Eigenmittelausstattung von Versicherungen bei Diewald (2001), S.1012 135 Siehe § 7, Abs. 2 VAG. Das Verbot versicherungsfremder Geschäfte wird in Europa von Land zu Land unterschiedlich eng ausgelegt: In Deutschland bspw. gilt die Vergabe von Hypothekarkrediten als Anlagege-schäft und ist den Versicherern als „versicherungsnahes“ Geschäft erlaubt. Vgl. Amara (2005), S. 56
46
lediglich „Vertriebsallianzen“ und keine Konvergenz im produktiven Sinne erkennen kön-
nen.
Die aufgezeigten Differenzen in der Risikosituation von Banken und Versicherungen
zeigen, daß auch in einer gemeinsamen Aufsichtsbehörde die unterschiedlichen Auf-
sichtskulturen erhalten bleiben müssen.136 So werden innerhalb der BaFin Banken, Versi-
cherer und andere Finanzdienstleister weiterhin isoliert nach ihren jeweiligen Branchen-
vorschriften kontrolliert – also nach dem Kreditwesen- bzw. dem Versicherungsauf-
sichtsgesetz. Hinzu kommt ab dem Geschäftsjahr 2005 eine branchenübergreifende Be-
aufsichtigung von sog. „Finanzkonglomeraten“. Die EU-Finanzkonglomeraterichtlinie
sieht vor, die Solvabilität der wachsenden Zahl von Allfinanzkonzernen (bspw. Allianz/
Dresdner Bank) künftig auch aus Gruppenperspektive zu beurteilen und zu überwachen.
Ziel dieser Zusatzkontrolle durch die BaFin ist die Bewahrung der Stabilität der Finanz-
märkte sowie die Verminderung der Risiken für Sparer, Anleger und Versicherungskun-
den.137
Ein Produktionsbereich, in dem sowohl Banken als auch Versicherungen tätig sind, und
der von Allfinanzbefürwortern oft als Beweis für zunehmende Ähnlichkeiten in der Ge-
schäftsstruktur angeführt wird, ist die Kapitalanlage. Angesichts der wachsenden Bedeu-
tung privater Altersvorsorge treten Banken und Versicherungen in Zukunft verstärkt in
Konkurrenz um anzulegende Vorsorgegelder.138 Die Absicherung für das Alter vereint
sowohl typische Bank- als auch Versicherungsprozesse: Zum einen geht es um die Kapi-
talbildung durch laufende Spartätigkeit, zum anderen um die Absicherung unerwarteter
Ereignisse (bspw. Todesfälle), die durch Sicherungssysteme gegen Prämienzahlungen
abzudecken sind. Der moderne Kunde beachtet dabei immer mehr die Performance seiner
Kapitalanlage. Bei der Anlage von Kundengeldern ist bei Banken und Versicherungen
der gleiche Wissens- und Ausbildungsstand der Mitarbeiter notwendig. Dies dürfte be-
wirken, daß Versicherungen in diesem Bereich vom Know-how der Banken profitieren
können.139
136 Vgl. Koch (2001), S. 2047 137 Als „Finanzkonglomerat“ gilt ein Institut, in dem Finanzdienstleistungen mindestens 40 % der Bilanzsumme ausmachen; zudem müssen mind. 6 Mrd. Euro sowohl im Versicherungs- als auch im Bank- und Wertpapierge-schäft erwirtschaftet werden. Vgl. ausführlich bei o.V. (2004d), S. 26 138 Vgl. bspw. Warth (1999), S. 120 139 Vgl. Zielke (1997), S. 191
47
Dessen ungeachtet ist festzustellen, daß das Kapitalanlagegeschäft für Versicherungen
eine grundsätzlich andere Funktion als für Banken innehat. Der Charakter der Geldanlage
ist unterschiedlich: Bei Versicherungen handelt es sich um Deckungsstock, bei Banken
um Anlagekapital. Die Versicherung muß die ihr anvertrauten Prämien nach gesetzlich
bestimmten Anlagevorschriften (in bezug auf Streuung, Mischung) vorhalten - es geht in
erster Linie um Sicherheit statt Rentabilität.140 Bei Banken hingegen trägt der Kunde (au-
ßer beim Nostrogeschäft) das Risiko der Kapitalanlage. Dem Versicherungsgeschäft ver-
gleichbare Anlagevorschriften gibt es hier dementsprechend nicht.
Ein fundamentaler Unterschied ist zudem, daß die Kapitalanlage bei Banken maßgeblich
zum Geschäftsergebnis beiträgt - die erzielte Rendite der Anlage minus bezahlte Einlage-
bzw. Refinanzierungszinsen fließt direkt ins Ergebnis der Bank ein. Für Versicherungen
hingegen stellt die Rendite aus der Kapitalanlage ein „zusätzliches“ Einkommen dar, das
genutzt wird, um die Prämien niedrig halten zu können.141
2.4.2 Produktkonvergenzen
Im folgenden soll die oben erwähnte Aussage des Präsidenten der BaFin, Jochen Sanio,
untersucht werden, das Angebot von Banken und Versicherungen zeichne sich durch eine
zunehmende „Produktkonvergenz“ aus.
Sowohl bei den von Banken als auch den von Versicherungen angebotenen Produkten
handelt es sich um abstrakte Dienstleistungen, d. h. immaterielle, erklärungsbedürftige
Güter.142 Eine Gemeinsamkeit stellt dabei die Identität des in den Produktionsprozeß ein-
fließenden externen Faktors dar: In beiden Fällen werden die Dienstleistungen an dem
externen Faktor „Nominalkapital“ ausgeführt.
Mit Blick auf das Privatkundengeschäft lassen sich bei Bank- und Versicherungsproduk-
ten Ähnlichkeiten erkennen, die auf eine substitutive Beziehung zwischen den Produkten
beider Anbieter hindeuten. Die von Versicherungen angebotene Kapitallebensversiche-
rung (KLV) ist in Konkurrenz zu der Spar- oder Termineinlage von Banken geeignet, das
Sicherheitsbedürfnis der Kunden zu befriedigen.
140 Die Aktienquote wurde im Zuge der Neuregelung der Kapitalanlageregeln in 2002 hochgesetzt. Experten merken jedoch an, daß die Ausschöpfung der nun geltenden Aktienquote von 10 % bereits bei einigen Versi-cherungen zu bedrohlichen finanziellen Situationen geführt hat. Vgl. Koch (2001), S. 2046 141 Vgl. Diewald (2001), S. 1011 142 Vgl. Corsten (1999), S. 9. Als konstitutiv für das Vorliegen einer Dienstleistung werden in der Literatur die Eigenschaften der Immaterialität sowie der Integrativität der Leistung genannt. Integrativität bezeichnet die Erfordernis der Integration eines sog. „externen“ Faktors, bspw. des Menschen oder eines Objekts.
48
Ein Sicherheitsbedürfnis tritt sowohl in bezug auf die Alters- und Zukunftssicherung als
auch die Absicherung gegen Risiken und Notfälle auf. Eine KLV stellt aus Kundensicht
durch ihren Sparanteil ein Konkurrenzprodukt zu den Sparformen der Bank dar, da dem
Kunden wie beim herkömmlichen Sparen im Alter ein Vermögensbetrag zur Verfügung
steht.
Unterschiede in der Funktion bestehen in bezug auf die bis Ende 2004 geltende Steuerbe-
günstigung der KLV und die Sicherheit des Erreichens eines angestrebten Sparziels im
Todesfall. Aus Kundensicht nachteilig sind die geringere Liquidität der KLV im Ver-
gleich zu anderen Sparformen sowie die hohen Anfangskosten aufgrund der Provisions-
zahlungen an die Versicherungsvertreter.143 Mit Blick auf die Transformationsleistungen
von Banken und Versicherungen läßt sich feststellen, daß die KLV die Funktionen der
Liquiditäts- und Risikotransformation vereint: Die Versicherungsprämien werden auf
dem Kapitalmarkt in bezug auf Größe und Fristigkeit transformiert, gleichzeitig werden
Risiken des Versicherungsnehmers im Kollektiv ausgeglichen.
Die in den letzten Jahren verstärkt angebotene fondsgebundene Lebensversicherung als
Koppelprodukt aus risikoreicher Anlageform und Versicherungsschutz für den Todesfall
macht deutlich, daß Bank- und Versicherungsfunktionen in einer Produktform gemischt
werden können. Statt einer substitutiven Beziehung zeigt sich hier ein komplementäres
Verhältnis zwischen klassichen Bank- und Versicherungsfunktionen.
Trotz der aufgezeigten Annäherungen zwischen Bank- und Versicherungsfunktionen im
Privatkundengeschäft ist festzuhalten, daß heute nach wie vor starke motivliche Unter-
schiede bei den Erwartungen von Kunden gegenüber Bank- und Versicherungsprodukten
bestehen. So eignet sich bspw. die Bedienung einer Bankspareinlage aus Kundensicht
eher zur Absicherung gegen kleine Risiken. Beim Vorliegen größerer Risiken hingegen
befriedigt der Abschluß einer Versicherung das Sicherheitsbedürfnis eines Kunden bes-
ser.144
Gemäß Prof. Haller assoziieren Menschen in bezug auf Banken vor allem die Aspekte des
Rationalen und des künftigen Erfolgs, während Versicherungen mit Ableben, Störungen
sowie dem Überwinden von Störungen in Zusammenhang gebracht werden.145 Die durch
diese Erwartungshaltungen notwendigen unterschiedlichen Kommunikationsprozesse
143 Vgl. Kremer (1994), S. 241 144 Vgl. Kremer (1994), S. 242 145 Vgl. bei Erdmann (2001a), S. 373; es wird aus einem Interview mit Prof. Haller in der NZZ vom 4.9.1997 zitiert.
49
gegenüber Bank- und Versicherungskunden liefern eine Erklärung für die historisch ge-
wachsenen und heute noch bestehenden unterschiedlichen Vertriebsformen.
Neben den Entwicklungen im Privatkundengeschäft läßt sich ein weiteres Feld für Kon-
vergenzprozesse von Banken und Versicherungen ausmachen: die zunehmende Integrati-
on von Versicherungs- und Kapitalmärkten.146 Hintergrund dieser Prozesse sind die stei-
gende Nachfrage nach integrierten Risikolösungen im Firmenkundenbereich sowie die
Nutzung des Kapitalmarktes, um Risiken aus Einzelpolicen gebündelt oder standardisiert
weiterzugeben. Banken nutzen den Kapitalmarkt heute zur Weitergabe ihrer Kreditrisiken
in Form von Kreditderivaten - als Erwerber dieser Kreditderivate treten neben Banken
auch verstärkt Versicherungsunternehmen auf. Gleichzeitig werden Versicherer selbst am
Kapitalmarkt aktiv, indem durch Verbriefungen mit Hilfe des sog. „Bundling“ Risiken
auf den Kapitalmarkt gebracht werden: Versicherungsrisiken werden dadurch zu Invest-
mentrisiken.147
Die Angebotserweiterungen von Versicherungen sind je nach Abgrenzung des Begriffs
dem sog. „Alternativen Risikotransfer“ (ART) zuzuordnen. Hierunter versteht man im
weitesten Sinne verschiedene Formen der Risikoübertragung von Erst- und Rückversiche-
rern an Kapitalmarktinvestoren.
Mit Hilfe sog. „Katastrophenanleihen“ ist es Versicherern bspw. möglich, einen Teil ihres
Risikos durch Verbriefung an den Kapitalmarkt abzugeben: Der Käufer der Anleihe er-
wirbt einen Anspruch auf eine über dem Marktzins für risikolose Anleihen liegende hohe
Verzinsung und Rückzahlung der Anleihe am Ende der Laufzeit. Im Falle eines festgeleg-
ten Schadeneintritts (bspw. Sturmschäden) werden die Zinszahlungen jedoch ausge-
setzt.148
Als Beispiel für neue Formen integrierter Risikolösungen läßt sich des weiteren der sog.
„Stand-by“ Kredit anführen. Statt einer vollständigen Absicherung von Risiken (bspw.
Naturkatastrophen) durch teure Versicherungspolicen, bieten Versicherungen ihren Kun-
den im Schadensfall die Möglichkeit, sich durch einen Kredit mit Liquidität zu versorgen.
146 Vgl. Zech (1999), S. 87ff. 147 Vgl. Franzetti (2002), S. 831ff. 148 Vgl. Zech (1999), S. 98
50
Die Versicherung bietet somit eine Garantie auf Liquidität an, eine Funktion, die bspw.
auch beim sog. „Catastrophe Equity Put“ wahrgenommen wird.149
Kritisch zu hinterfragen ist, ob die beschriebenen Aktivitäten der Versicherer tatsächlich,
wie einige Autoren behaupten, auf eine Konvergenz von Bank- und Versicherungsge-
schäft hindeuten. Ebenso können die neuen Funktionen auch "nur" als ein Vordringen der
Versicherer in ursprüngliches Bankgeschäft interpretiert werden.
Neben der zunehmenden Präsenz von Versicherern auf den Kapitalmärkten lassen sich
auch konkrete Felder für ein Zusammenwirken von Banken und Versicherungen im Kapi-
talmarktgeschäft ausmachen: Bei sog. Asset-Backed-Securities- (ABS-) Transaktionen
werden Kreditforderungen von Banken an Zweckgesellschaften ausgelagert, die daraus
Anleihen bilden, die an Investoren verkauft werden. Durch die Hinzunahme einer Kredit-
versicherung kann das Rating dieser Anleihen verbessert und insgesamt die Cash-
Effizienz der Transaktion erhöht werden. Die sich abzeichnende verstärkte Zusammenar-
beit von Investmentbanken und Rückversicherern im Bereich der Kapitalmarktprodukte
zeigt, daß Kooperationen von Banken und Versicherungen hier sinnvoll sind, wenn sich
Fähigkeiten und Ausstattungen der jeweiligen Partner ergänzen. So gingen im Jahr 2001
bspw. die Société Générale und die AGF ein Joint Venture ein mit dem Ziel, gemeinsam
Versicherungsderivate, speziell Wetterderivate, zu entwickeln.150
Insgesamt ist festzuhalten: Neben Produktkonvergenzen im Privatkundengeschäft deutet
sich eine Annäherung von Banken und Versicherungen im Kapitalmarktgeschäft an. Die
Nachfrage nach immer komplexeren Finanzierungs- und Risikolösungen macht eine ver-
stärkte Zusammenarbeit von Banken und Versicherungen im Firmenkundengeschäft not-
wendig.
149 Hierbei handelt es sich um eine Form bedingten Kapitals: Im Fall eines bestimmten katastrophalen Ereig-nisses hat der Kunde das Recht, zusätzliches Eigenkapital in Form von Aktien zu einem vorbestimmten Preis vom Versicherer aufnehmen zu können. 150 Vgl. Franzetti (2002), S. 835
51
2.5 Der Status quo der Allfinanz
Ziel des folgenden Kapitels ist die Untersuchung des Umsetzungsstands des Allfinanz-
konzepts in Deutschland sowie in einigen ausgewählten europäischen Nachbarländern.
Der Begriff der Allfinanz wird hierbei in seiner „engen“ Definition verwandt, d. h. stell-
vertretend für den Vertrieb von Versicherungsprodukten über den Bankschalter. Der Er-
folg des Konzepts pro Land wird ausgehend von dieser Definition vereinfacht anhand der
Anteile des Bankvertriebs am Versicherungsverkauf dargestellt. Wie sich im folgenden
zeigt, hat sich das Allfinanzkonzept innerhalb von Europa mit sehr unterschiedlichem
Erfolg durchgesetzt. Während in den südeuropäischen Ländern Spanien und Italien rund
zwei Drittel des Lebensversicherungsgeschäfts über den Bankschalter abgewickelt wer-
den, bilden Deutschland und Großbritannien mit jeweils knapp unter 20 % die Schluß-
lichter innerhalb Europas.151
2.5.1 Stand der Allfinanz in Deutschland
Allfinanzkooperationen verfügen in Deutschland über eine langjährige Tradition und
reichen bspw. im Genossenschaftswesen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zurück.
Heute findet das Allfinanzkonzept in Deutschland primär in Form von Kooperationsab-
kommen statt, während die vollständige Integration von Versicherungen unter dem Dach
von Banken und vice versa ungewöhnlich ist. Typischerweise werden die Kooperations-
abkommen (sog. „Distribution agreements“) durch gegenseitige Aktienbeteiligungen der
Partnerinstitute zementiert. Mit Blick auf die vier großen Privatbanken zeigt sich, daß
jedes der Institute seine eigene Allfinanzstrategie umgesetzt hat:
Die Commerzbank arbeitet mit der AMB Generali als exklusivem Kooperationspartner in
Form eines Joint Ventures mit gegenseitiger Kapitalbeteiligung zusammen (siehe Kapitel
6.6). Die HVB vertreibt seit 2001 in einem Kooperationsabkommen Versicherungen der
ERGO, Erstversicherungstochter der Münchner Rück. Das exklusive Vertriebsabkommen
wird durch gegenseitige Kapitalbeteiligungen zwischen HVB, ERGO und Münchner
Rück unterlegt.
Die Deutsche Bank vertreibt seit 2002 Versicherungen des Deutschen Herold in einem
exklusiven Kooperationsabkommen und hat sich damit von dem in 1989 initiierten Kon-
151 Vgl. Boston Consulting (2002), S. 4
52
zept eines „In-House“- Versicherungsvertriebs verabschiedet.152 Das vierte deutsche All-
finanzmodell ist die Integration der Dresdner Bank in die Allianz AG - mit dieser Über-
nahme wurde in 2001 der einzige „echte“ Allfinanzkonzern in Deutschland gegründet.
Neben den vier Großbanken sind in Deutschland vor allem der genossenschaftliche Fi-
nanzverbund sowie die Sparkassen-Finanzgruppe im Allfinanzgeschäft präsent und, wie
eine Studie des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) aus dem Jahr 2001
belegt, sehr erfolgreich. Bei beiden Gruppen wird von einem Verbund selbständiger Un-
ternehmen gesprochen, gegenseitige Beteiligungen der Verbundunternehmen unterstrei-
chen die Dauerhaftigkeit und Verbindlichkeit der Kooperationsbeziehungen.153
Um zu ermitteln, wie erfolgreich sich die Institute im deutschen Allfinanzgeschäft be-
haupten, kann zum einen die sog. Haushaltsreichweite und zum anderen die Marktdurch-
dringung der einzelnen Verbünde herangezogen werden. Die Haushaltsreichweite gibt an,
wie hoch der Anteil deutscher Haushalte ist, in denen mindestens eine Vertragsbeziehung
zu einem Unternehmen des untersuchten Verbundes besteht. Hier liegt die Sparkassen-
Finanzgruppe mit 73 % gefolgt von der Allianz/Dresdner Bank (37 %) an der Spitze und
kann somit als Marktführer der Allfinanzverbünde angesehen werden.154
Die Marktdurchdringung zeigt auf, wie viel Prozent derjenigen Haushalte, die mindestens
eine Vertragsbeziehung zu einem Unternehmen des jeweiligen Allfinanzverbundes haben,
bei einem zweiten oder dritten Verbundunternehmen (Bank, Versicherung oder
Bausparkasse) eine Geschäftsbeziehung unterhalten. Diese Kennziffer kann als eigentli-
che Erfolgskennzahl des Allfinanzkonzepts angesehen werden.
Hier wird deutlich, daß die Potentiale des Allfinanzkonzepts in Deutschland (Stand 2001)
bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Wiederum liegt die Sparkassengruppe vorn:
15 % der Kunden unterhalten sowohl eine Bank- als auch eine Versicherungsverbindung;
8 % eine Geschäftsverbindung bei drei Sparkassenverbundpartnern. Die Verbünde um die
vier großen Privatbanken sowie der Genossenschaftssektor setzen das Allfinanzkonzept
hingegen nur mit geringem Erfolg um: Nur 7 % der Kunden von Allianz oder Dresdner
Bank unterhalten im Jahr 2001 sowohl eine Bank- als auch eine Versicherungsverbin-
dung, 1 % haben daneben noch eine Geschäftsbeziehung zur Bausparkasse des Verbun-
152 Im Jahr 1989 gründete die Deutsche Bank eine eigene Lebensversicherung DB Leben, die später in den 1993 erworbenen Deutschen Herold integriert wurde. In 2002 entschied die Bank, daß das Lebensversiche-rungsgeschäft nicht zum Kerngeschäft des Konzerns gehörte und tauschte den Deutschen Herold inklusive sämtlicher Versicherungsbereiche in Südeuropa gegen das Asset Management (außerhalb Großbritanniens) von Zurich Financial Services ein. Vgl. UBS (2004), S. 69 153 Vgl. Marschler (2005), S. 34 154 Vgl. DSGV (2001), S. 3 f., im folgenden werden Ergebnisse dieser Studie erläutert.
53
des. Ähnlich schlecht schneiden die Verbünde der Commerzbank sowie der Deutschen
Bank ab: Nur 5 % bzw. 7 % der Kunden unterhalten Verbindungen zur Bank und Versi-
cherung, nur 1 % bzw. 2 % Verbindungen zu allen drei Allfinanzsparten des jeweiligen
Verbunds.
Zu einem vergleichbaren Resultat kommt die Unternehmensberatung Boston Consulting,
die bei verschiedenen europäischen Finanzgruppen die sog. Penetrationsrate (Anteil der
Bankkunden mit mindestens einem Versicherungsprodukt) untersucht. Im Jahr 2000 lie-
gen demnach die belgischen und spanischen Finanzkonzerne (bspw. Fortis, ING, BBVA)
mit Penetrationsraten von um die 40 % weit vor den deutschen privaten Institutsgruppen
mit unter 10 %.155 Einzige Ausnahme ist die deutsche Kooperation von Citibank/ CiV, die
mit rund 32 % im oberen europäischen Bereich liegt. Die Besonderheiten und Erfolgsfak-
toren dieses Verbundes werden in Kapitel 6.4 analysiert.
Neben Marktdurchdringung und Penetrationsrate werden sog. „Cross-Selling“ – Quoten
zur Analyse des Allfinanzerfolgs herangezogen. Sie geben bspw. an, wie viele Produkte
insgesamt pro (Bank-) Kunde abgesetzt werden.156 Problematisch bei der Interpretation
von Cross-Selling- Angaben einzelner Institute können Unterschiede in der Berechnung
sein: Je nachdem, ob bspw. Girokonto und EC-Karte als eigenständige Produkte bewertet
werden, fallen die Quoten unterschiedlich hoch aus. Nach Berechnungen der Deutschen
Bank werden in Deutschland pro Kunde zwei, in Großbritannien im Durchschnitt dage-
gen vier Produkte verkauft. Verschiedene unabhängige Studien deuten darauf hin, daß
deutsche Banken im europäischen Vergleich schlecht abschneiden.157
Im folgenden ist nach Gründen für das schwache Abschneiden der deutschen Institute im
Allfinanzgeschäft zu suchen sowie die offensichtlich gering ausgeprägte Kompetenz im
Cross-Selling zu analysieren. Zunächst ist festzustellen, daß der relativ gute Erfolg des
Sparkassen- und Genossenschaftsverbundes vor allem darauf zurückzuführen ist, daß der
Allfinanzvertrieb in diesen Verbünden bereits eine jahrzehntelange Tradition besitzt.
Zudem herrscht unter den Kunden der jeweiligen Gruppe eine starke Verbundtreue vor.158
Mögliche Erklärungen dafür, daß sich der Allfinanzvertrieb in Deutschland insgesamt -
verglichen mit Nachbarländern - offenbar noch im Entwicklungsstadium befindet, sind
aus Sicht der Autorin die folgenden:
155 Vgl. Boston Consultiing Group (2002), S. 5 156 Vgl. Baxmann (2002), S. 35 157 Vgl. Kort (2004b), S. 23 158 Vgl. Vogelsang (2002), S. 82
54
• Die deutschen Kunden erkennen die Kompetenz von Bankmitarbeitern beim Verkauf
von Versicherungen bisher noch nicht an – Allfinanz entspricht (noch) nicht einem
allgemeinen Kundenwunsch. (vgl. Kapitel 3.3)
• Die Verbindungen deutscher Kunden zu unterschiedlichen Finanzinstituten nehmen
in Deutschland seit Jahren zu: Im Durchschnitt nutzte der deutsche Haushalt im Jahr
2001 Produkte von sieben Finanzdienstleistern.159 Der Trend zur Individualisierung
und Dynamisierung der Nachfrage impliziert, daß sich die informationellen Voraus-
setzungen und kognitiven Fähigkeiten der Kunden zunehmend verbessern. Zusam-
men mit einem wachsenden Preisbewußtsein versetzt dies den Kunden in die Lage,
sich seine Finanzdienstleistungsprodukte eigenständig zusammenzustellen. Dieses
vagabundierende Käuferverhalten spricht tendenziell gegen den Erfolg eines Pro-
duktangebots „aus einer Hand“.
• Um einen Kunden dennoch langfristig an sich zu binden und Cross-Selling- Mög-
lichkeiten auszuschöpfen, ist nach Meinung von Finanzexperten eine umfassende Fi-
nanzberatung, ähnlich den Konzepten von Strukturvertrieben wie MLP, unumgäng-
lich. Durch computergestützte Finanzplanungstools muß es dabei vor allem gelingen,
mit dem Kunden langfristig und konsequent in Kontakt zu bleiben (vgl. Kapitel
5.4.4). In diesem Bereich fehlt deutschen Finanzinstituten nach Meinung von Unter-
nehmensberatern bislang noch die Expertise: In Beratungsgesprächen mangelt es an
strukturierter Gesprächsführung; es wird häufig nicht die gesamte Palette der Kun-
denbedürfnisse abgefragt – Cross-Selling- Potentiale bleiben dementsprechend unge-
nutzt.160
Mit Hilfe der Forschungsmethodologie des „Mystery Shopping“161 wurden in
Deutschland in den letzten Jahren diverse Studien zur Beratungsqualität deutscher Fi-
nanzinstitute durchgeführt, die zu ähnlichen Ergebnissen kommen: Obgleich die In-
stitute mit sog. Rundum-Versorgungspaketen (bspw. „Leben Sie, wir kümmern uns
um die Details“ / HypoVereinsbank) werben, sind die Beratungen häufig wenig auf
den Einzelfall zugeschnitten. Es mangelt an einer systematischen Erfassung der Le-
bens- und Risikosituation, oft fehlt es an Kenntnissen über die Produkte des jeweili-
159 Vgl. DSGV (2001), S. 15 160 Vgl. Kort (2004b), S. 23 161 Hierbei treten Testpersonen als „normale“ Kunden auf und überprüfen die Servicequalität der Beratung in simulierten Beratungsgesprächen. Vgl. zur Vorgehensweise bei Swoboda (2004), S. 306
55
gen Allfinanzpartners.162 Zusammengefaßt werden die aufgedeckten Defizite in der
Beratungsleistung deutscher Finanzinstitute von der Basler Bankenvereinigung163:
- Wenig abschlußorientiertes Verkäuferverhalten
- Keine systematische Vorgehensweise im Beratungsgespräch
- Keine ganzheitliche Erfassung des Kundenwunsches
- Ausgeprägte Leistungsdifferenzen zwischen den Beratern
- Begrenzte Nutzung des vorhandenen Produktportfolios
• Ende der 90er Jahre konzentrierte sich der Vertrieb und die Strategie der Banken vor
allem auf andere Produkte und Bereiche, wie bspw. den Fondsvertrieb und das lukra-
tive Investmentbanking. Der Vertrieb von Versicherungsprodukten stand lange Zeit
nicht im Fokus der Vertriebsstrategien.164 Eine Intensivierung der Allfinanzkoopera-
tionen innerhalb der Verbünde der großen deutschen Privatbanken (bspw. Commerz-
bank/AMB) findet erst seit einigen Jahren statt. Langjährig erfolgreiche europäische
Allfinanzanbieter, wie z. B. Fortis, haben als Kooperationsform eine vollständige In-
tegration gewählt.165 Der Erfolg des einzigen integrierten Allfinanzkonzerns Deutsch-
lands, der Allianz/Dresdner Bank, ist erst im Laufe der nächsten Jahre abschließend
zu beurteilen.
• In Deutschland ist der Versicherungsvertrieb über die Ausschließlichkeitsorganisati-
onen der Versicherer die dominierende Vertriebsform. Aufgrund der langjährigen tra-
ditionellen Stärke des Außendienstes fristet der Bankvertrieb bisher noch ein Schat-
tendasein.
162 Vgl. hierzu die Ergebnisse einer von der Monitor Group durchgeführten europaweiten Mysery Shopping- Studie in Finanzinstituten; Monitor Group/JP Morgan (2002), S. 38. Vgl. ebenso ein Testverfahren mit Hilfe des Mystery Shopping der European Business School (ebs), in dem die deutschen Großbanken und Finanzbera-tungen auf ihre Beratungsqualität hin untersucht wurden, vgl. Marlow (2005), S. 118 163 Vgl. Basler Bankenvereinigung (2002), S. 75 164 Bridget Gandy von der Ratingagentur Fitch findet für die niedrigen Cross-Selling-Quoten deutscher Banken zudem eine einfache Erklärung: „Die deutschen privaten Banken sind einfach nicht als Retail- Banken konzipiert worden. Sie sind von ihrer Historie Geschäftsbanken“. Vgl. Kort (2004b), S. 23 165 Diese Vorgehensweise ist nach Meinung von Unternehmensberatern die am ehesten erfolgversprechende. Vgl. Boston Consulting (2002), S. 11ff.; ebenso bei Kern (1999), S. 107ff., hier wird auf Studien der Beratungs-gesellschaft Roland Berger zurückgegriffen.
56
Quelle: DSGV (2001), S. 21, basierend auf Daten von CSC Ploenzke
Ein Blick auf die Marktanteile der Vertriebswege für Versicherungen in Deutschland
(Abb. 2) macht deutlich, daß der Ausschließlichkeitsvertrieb166 in Deutschland mit einem
Anteil von gut zwei Dritteln nach wie vor den wichtigsten Vertriebsweg darstellt. Der
Ausschließlichkeitsvertrieb, dessen Wurzeln in der Mitte des 19. Jahrhunderts liegen, ist
historisch eng mit der Verbreitung und Durchsetzung des Versicherungsgedankens in
Deutschland verbunden.167 Mit Hilfe und auf Anregung der Versicherungsvertreter wur-
den Versicherungen zu Produkten für „jedermann“. Die Versicherer weiteten ihre Ange-
bote auch auf risikoreiche Abnehmergruppen, wie Arbeitnehmer, aus.
Eine Eigenschaft, die bei der Gewinnung von Versicherungskunden von entscheidender
Bedeutung ist, scheint durch den klassischen Außendienst besonders gut erfüllt zu wer-
den: Der Versicherungsvertreter weckt im persönlichen Verkaufsgespräch bei seinen
Kunden Versicherungsbedarf – er erschafft hierdurch vorher noch nicht vorhandene
Nachfrage. Es bleibt abzuwarten, ob Bankmitarbeiter ähnliche verkäuferische Fähigkei-
ten entwickeln können, bzw. ob nicht die verschiedenen Verkaufskulturen von Bank- und
Versicherungsmitarbeitern dem Allfinanzgedanken im Weg stehen werden.
Verschiedene Beratungsunternehmen haben in den letzten Jahren die Hypothese aufge-
stellt, der Bankvertrieb von Versicherungen werde in Deutschland dem Außendienst mas-
siv Marktanteile abnehmen. So stellte McKinsey im Jahr 2001 die These auf, der Ver-
triebsanteil von Ausschließlichkeitsvermittlern im Lebensversicherungsgeschäft werde in
166 Hierunter fallen selbständige Versicherungsvermittler (§ 84 HGB), die ausschließlich für ein Unternehmen oder eine Unternehmensgruppe auf Provisionsbasis tätig sind. 167 Vgl. Surminski (2001), S. 476
Abb. 2: Marktanteile der Vertriebswege für Versicherungsprodukte in % der lfd. Prämien
64
179 6 1 4
01020304050607080
Aussc
hließ
lichke
it
Makler
Banke
n
Direktv
ertrie
b
Intern
et
sons
tige
2001
57
Deutschland künftig von rund 60 % auf 20 % absinken.168 Die Anteile von Maklern,
Bankvertrieb und Direktanbietern hingegen würden sich verdoppeln. Auf die Vorgabe
eines Zeitrahmens für diese Anteilsverschiebungen wurde dabei verzichtet. Aktuelle Zah-
len belegen jedoch, daß eine signifikante Veränderung der Vertiebsanteile bislang nicht
eingetreten und auch in den nächsten Jahren eher unwahrscheinlich ist. Im Neugeschäft
mit Lebensversicherungen sank der Anteil des Bankvertriebs zwischen 2000 und 2002
sogar leicht von 21 % auf 19 %, während der Ausschließlichkeitsvertrieb mit einem An-
teil von 51 % in 2002 weiterhin den dominierenden Vertriebskanal darstellt.169
168 Vgl. Surminski (2001), S. 474 169 Vgl. UBS (2004), S. 67
58
2.5.2 Stand der Allfinanz in Europa
Ein Blick auf Abbildung 3 macht deutlich, daß innerhalb von Europa das Volumen der
über den Bankschalter vertriebenen Lebensversicherungen stark variiert. Besonders er-
folgreich scheint sich das Allfinanzkonzept in den südeuropäischen Ländern, allen voran
Spanien, sowie in Frankreich und den Benelux Ländern durchgesetzt zu haben; Deutsch-
land und Großbritannien liegen mit Bankvertriebsanteilen von unter 20 % weit zurück.170
Der Bankvertrieb von Sachversicherungen171 fristet dagegen europaweit noch ein Schat-
tendasein (Abb. 4): Mit Anteilen von unter 10 % in allen betrachteten europäischen Län-
dern hat sich der Vertrieb von Sachversicherungen über den Bankschalter bisher offen-
sichtlich nicht durchgesetzt.
Quelle: UBS (2004), S. 8, basierend auf Daten von Datamonitor, AT Kearney
Im folgenden soll der unterschiedliche Umsetzungsgrad des Allfinanzkonzepts in Europa
anhand der Länder Spanien und Großbritannien beispielhaft analysiert werden, um damit
Erklärungen für ihr vergleichsweise gutes bzw. schlechtes Abschneiden im europäischen
Vergleich zu finden.
170 Das schwache Abschneiden des Allfinanzvertriebs in den USA ist mit dem noch vor wenigen Jahren gelten-den Trennbankensystem zu erklären. Der Fokus der Bankinstitute lag seitdem primär auf der Zusammenfüh-rung von Commercial- und Investment-Banking. Vgl. Baxmann (2002), S. 6 171 Unter Sachversicherungen werden hier vereinfacht sämtliche Versicherungsprodukte für Privatpersonen außerhalb des Lebensversicherungsgeschäfts zusammengefaßt.
Abb. 3: Anteile des Bankvertriebs am Verkauf von Lebensversicherungen in %
020406080
100
Spanie
n
Frankre
ich
Belgien
Italie
n UKUSA
Deutsc
hland
19942002
59
Quelle: in Anlehnung an UBS (2004), S. 9, basierend auf Daten von AT Kearney
Der spanische Versicherungsmarkt ist neben Portugal der am schnellsten wachsende Ver-
sicherungsmarkt in Europa. Vor allem das Lebensversicherungsgeschäft entwickelte sich
innerhalb des letzten Jahrzehnts rasant mit einer Verdoppelung des Volumens gebuchter
Bruttobeitragseinnahmen zwischen 1991 und 1997.172.
Noch vor rund 25 Jahren war der Finanzdienstleistungsmarkt in Spanien stark segmen-
tiert: Sparkassen war es untersagt, außerhalb ihrer regionalen Einzugsgebiete zu operieren
und auch die Geschäftsbanken waren primär lokal aufgestellt. Die Versorgung mit Spar-
und Investmentprodukten war im europäischen Vergleich rudimentär. Erst die Öffnung
der spanischen Wirtschaft nach der Demokratieeinführung 1975 und Spaniens Eintritt in
die EU im Jahr 1986 brachten eine Weiterentwicklung mit sich. Durch Fusionen entstan-
den international agierende spanische Bankengruppen (bspw. BBVA und SCH173),
Sparkassen und Geschäftsbanken agieren seitdem landesweit.174
Der spanische Bankenmarkt ist heute stark konzentriert: Die fünf größten Institute halten
44 % der Kundeneinlagen und 49 % des landesweiten Kreditgeschäfts. Neben den Ge-
schäftsbanken nehmen die Sparkassen (La Caixa und Caja Madrid als größte Institute)
eine starke Wettbewerbsposition ein.175 Durchschnittlich kommen die spanischen Spar-
172 Vgl. Kern (1999), S. 37 173 BBVA= Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, SCH= Santander Central Hispano 174 Vgl. Rowe (2003), S. 12 f. 175 Die spanischen Sparkassen sind als Stiftungen organisiert und hatten zu keiner Zeit Garantien des Staates im Rücken. Lokale Regierungen haben einen großen Einfluß in den Aufsichtsgremien, es gibt jedoch kaum politische Einmischung ins operative Geschäft.
Abb. 4: Anteile des Bankvertriebs am Verkauf von Sachversicherungen in %
7
8
7,5
5
0 2 4 6 8 10
Spanien
Frankreich
Belgien
Deutschland
60
kassen auf eine Eigenkapitalrendite von 15,4 % vor Steuern und sind damit der erfolg-
reichste Sparkassenverbund in Europa.176
Festzuhalten ist, daß der spanische Markt für Lebensversicherungen, ähnlich wie der ita-
lienische, ein sehr junger Markt ist. Die Verbreitung von Lebensversicherungen befand
sich bis ca. 1990 auf einem sehr geringen Niveau.177 Abbildung 3 verdeutlicht, daß vor
allem der Bankvertrieb Träger des expandierenden Lebensversicherungsgeschäfts ist.
Sowohl die spanischen Banken als auch ausländische Versicherer wußten die geringe
Marktdurchdringung von Lebensversicherungen in den letzten Jahren auszunutzen.
Mitbestimmend für die rasante Zunahme des Lebensversicherungsgeschäfts in Spanien
waren Veränderungen im staatlichen Pensionssystem im Jahr 1995: Unsicherheiten über
die zukünftige Tragfähigkeit der staatlichen Renten trugen zur steigenden Attraktivität
von Spar- und Versicherungsprodukten bei.
Für eine Besonderheit der spanischen Bankenlandschaft sind vor allem die Sparkassen
mitverantwortlich: Die im europäischen Vergleich sehr hohe Filialdichte trägt maßgeb-
lich zum Erfolg des spanischen Bankvertriebs bei.
Während die spanischen Geschäftsbanken als Folge von Fusionen seit Mitte der 90er
Jahre Filialen schließen, expandieren die Sparkassen auch heute noch. Die Gesamtzahl
der Filialen nahm daher seit ihrem Höchststand 1999 nur um wenige hundert ab. Mit 970
Filialen pro 1 Mio. Einwohner lag Spanien 1999 fast doppelt so hoch wie der europäische
Durchschnitt. 178
Spanien weist im europäischen Vergleich einen sehr starren Arbeitsmarkt auf. Nach Mei-
nung von Bankexperten trägt dies zur Attraktivität des Versicherungsvertriebs bei: Da
Entlassungen und damit Filialschließungen schwer durchsetzbar sind, bietet sich eine
effiziente Auslastung der Filialen, bspw. durch Versicherungsangebote, an.179
Die hohe Dichte von zum Teil relativ kleinen Filialen spiegelt ein Bedürfnis spanischer
Bankkunden wider: Die Nähe zur Bank wird als sehr wichtig empfunden, das persönliche
Gespräch mit dem Berater als angenehmer als bspw. der Kontakt zu einer Direktbank.
176 Vgl. Burgmeier (2004), S. 54 177 Lebensversicherungen weisen in Spanien im europäischen und weltweiten Vergleich noch eine unterdurch-schnittliche Marktdurchdringung von nur 2,4 % auf. Dies unterstreicht das Wachstumspotential des Versiche-rungsmarktes. Vgl. Engelhard (2005), S. 22 178 Vgl. Howard (2000), S. 24 179 o.V. (2003b), S. 74
61
Traditionell wendet der Spanier sich in Finanzfragen als erstes an seinen lokalen Bankbe-
rater – im Gegensatz zu diesem genießen Versicherungsagenten unter spanischen Kun-
den einen eher schlechten Ruf.180
Ein weiterer entscheidender Grund für den Erfolg des Bankvertriebs von Versicherungen
in Spanien ist die Tatsache, daß es in Spanien weitgehend keine eigenständige Entstehung
einer Lebensversicherungsindustrie gab – der Vertrieb von Lebensversicherungen wurde
durch die Banken eingeführt. Insgesamt wird der spanische Finanzdienstleistungsmarkt
durch die großen Bankinstitute dominiert, denen die meisten Versicherungsinstitute gehö-
ren. 181
Im Gegensatz zur deutschen Allfinanz, die durch Kooperationsabkommen geprägt ist,
wird das Allfinanzkonzept in Spanien hauptsächlich in Form von Joint Ventures oder
„In-House“- Versicherungslösungen umgesetzt: Die größte spanische Sparkasse La Cai-
xa arbeitet seit 1992 in einem Joint Venture mit der belgischen Fortis Gruppe zusammen.
Unter dem Dach der gemeinsamen Gesellschaft CaiFor werden Lebens- und Sachversi-
cherungen primär über den Bankschalter vertrieben. Die größte spanische Versicherung
Corporacion Mapfre unterhält seit 2000 ein Joint Venture mit der Sparkasse Caja Madrid.
In 2003 wurde 50 % ihres Lebensversicherungsgeschäfts über die Schalter von Caja Mad-
rid abgewickelt, während der Vertrieb von Sachversicherungen fast ausschließlich über
Versicherungsvertreter stattfand.
Die Banken BBVA und SCH unterhalten dagegen eigene Versicherungstöchter, deren
Produkte über ihre Bankschalter vertrieben werden: BBVA mit der Tocher BBVA Segu-
ros, SCH seit einer Restrukturierung in 2003 mit den Einheiten SCH Seguros und Ba-
nesto Seguros.
Ein Blick auf die verkauften Versicherungsprodukte im spanischen Privatkundengeschäft
macht deutlich, daß diese für den Bankvertrieb besonders gut geeignet sind: In der Regel
wird nur ein Portfolio weniger relativ leicht verständlicher Produkte angeboten.
Die Lebensversicherunsprodukte haben (ebenso wie auch in Frankreich) eher den Cha-
rakter von Sparprodukten mit einem im europäischen Vergleich relativ geringen Versi-
180 Vgl. UBS (2004), S. 77 181 Vgl. Thomson (2000), S. 52
62
cherungsanteil.182 In vielen Fällen erhalten die Produkte einen Steuervorteil, wenn sie als
Versicherungsverträge angeboten werden – eine Gemeinsamkeit des spanischen, italieni-
schen und französischen Versicherungsmarktes. Zu beachten ist, daß sich der spanische
Markt für private Altersvorsorge noch in einem sehr frühen Stadium befindet. Die Zu-
nahme privater Absicherungsprodukte wird künftig u. U. komplexere Produktkonstrukti-
onen mit sich bringen, die im Bankvertrieb schwerer zu vertreiben sind.183
Auffällig ist, daß der spanische Erfolg im Allfinanzgeschäft primär auf das Lebensversi-
cherungsgeschäft beschränkt ist: Wie Abb. 4 erkennen läßt, wird nur ein geringer Anteil
der verkauften Sachversicherungen über Banken abgesetzt; so ist auch die Zahl verkaufter
„Produktbündel“, bspw. Hypotheken mit Hausratversicherungen, noch relativ gering.
Insgesamt scheint es die spanische Bankenindustrie im europaweiten Vergleich sehr gut
zu verstehen, mit ihrem Service- und Produktangebot im Privatkundengeschäft Kunden
an sich zu binden. Mit ausgefallenen Produktaktionen für bestimmte Gesellschaftsgrup-
pen werben die Banken um neue Kunden; Rabattaktionen im Kreditkartengeschäft gehö-
ren ebenso zum Alltag wie nicht bankspezifische Dienstleistungen.184 Unterstützt wird
diese Kundennähe durch das dichte Filial- und Kassenautomatennetz spanischer Banken
– ein Service der europaweit in keinem anderen Land vorzufinden ist.
Großbritannien ist neben Deutschland eines der Länder, die als „Nachzügler“ im europäi-
schen Allfinanzvertrieb anzusehen sind. Im Vergleich zu Deutschland ist hier der Anteil
verkaufter Lebensversicherungen über den Bankschalter von 1994 bis 2002 sogar leicht
rückläufig und verharrt bei rund 20 % (Abbildung 3).
Großbritannien als größter Versicherungsmarkt Europas verfügt traditionell über eine
sehr starke Versicherungsindustrie. Auf dem Markt für Lebensversicherungen herrscht
ein starker Wettbewerb, Hauptkonkurrenten sind verschiedene große Versicherungsgrup-
pen, die es den Banken schwer gemacht haben, in diesem Geschäft Fuß zu fassen.
182 Vgl. Thomson (2000), S. 53. Die durchschnittliche Deckungssumme spanischer Lebensversicherungen beträgt nur sechs Monatseinkommen. Eine sehr weit verbreitete Produktgruppe zur privaten Vorsorge fürs Alter sind in Spanien die privaten Pensionspläne in Form von Investmentfonds, deren Beiträge steuerlich voll absetz-bar sind. Hier sind ebenfalls die Banken der dominierende Vertriebsweg. 183 Vgl. UBS (2004), S. 81 184 Die BBVA bot bspw. im Februar 2004 als Lockangebot einen zinslosen Kredit über 3.000 Euro für junge Mütter an. Vgl. Müller (2004), S. 28
63
In der ersten Welle britischer Allfinanz Ende der 80er Jahre gründeten Banken ihre eige-
nen Lebensversicherungstöchter, von denen die meisten nur mäßig erfolgreich waren. Im
nächsten Schritt ging man dazu über, etablierte Lebensversicherungen zu übernehmen,
womit sowohl bekannte Versicherungsmarken als auch Produktwissen im Versicherungs-
geschäft erworben wurden.185 Die meisten großen britischen Banken praktizieren das
Allfinanzkonzept heute in Form von „In-House“- Lösungen: HBOS, Lloyds TSB und
HSBC unterhalten 100 %ige Versicherungstöchter. Die Töchter von HBOS (Halifax Fi-
nancial Services) und Lloyds TSB (Scottish Widows) operieren dabei unter eigenen Mar-
kennamen im breiten Versicherungsgeschäft – d. h. neben dem Bankkanal wird über
eigene Agenten und sog. „Independent Financial Advisors“ (IFAs) vertrieben.
Damit bei diesen praktizierten „Multivertriebs“- Strategien Bankvertrieb und IFAs nicht
in Konkurrenz um die gleiche Kundschaft treten, beschränkt der Bankvertrieb sich in der
Regel auf einfach konzipierte Versicherungslösungen. Die meisten dieser Produkte verfü-
gen – wie auch in Spanien – über einen hohen Sparanteil; komplexe Versicherungen wer-
den über IFAs oder einen eigenen Außendienst verkauft.186
Die IFAs sind mit den deutschen Maklern (Mehrfachagenten) vergleichbar und haben im
britischen Versicherungsvertrieb eine sehr starke Stellung inne: Ihr Anteil am Vetrieb
neuer Lebensversicherungen betrug im Jahr 2002 über 50 %.187
Ein Grund für die gleichbleibend starke Vertriebskraft der IFAs ist die Tatsache, daß die
Mehrzahl britischer Produkte im Lebensversicherungs- und Investment- Bereich eine
komplexe, erklärungsbedürftige Struktur haben. Die Kunden bevorzugen daher bei diesen
Produkten die Hilfe von spezialisierten IFAs, um die für sie geeignete Lösung zu finden.
Im Gegensatz zum südeuropäischen Versicherungsmarkt verfügt Großbritannien bereits
über einen reifen Markt für Altersvorsorgeprodukte: Es gibt eine Vielzahl komplexer
Pensions- und Vorsorgepläne, viele Briten haben neben der (geringen) staatlichen eine
eigene private Altersvorsorge.188
Experten bemängeln die „verwirrende Komplexität“ des britischen Rentensystems. Bei
der privaten Vorsorge haben sich über die Jahre zahlreiche steuerlich und rechtlich unter-
185 Vgl. UBS (2004), S. 54 186 Vgl. Howard (1999), S. 21 187 Vgl. UBS (2004), S. 54 188 Ein Blick auf das von Pensionsfonds verwaltete Finanzvermögen in 2001 unterstreicht die innereuropäi-schen Differenzen: Während in Großbritannien 954 Mrd. USD verwaltet werden, sind es in Deutschland nur 61 Mrd. USD, in Italien sogar nur 47 Mrd. USD. Vgl. GDV (2004), S. 74
64
schiedliche Sparformen entwickelt. Eine grundlegende Reform des britischen Rentensys-
tems steht aktuell noch aus.189
Es bleibt abzuwarten, ob nach einer Reform der Trend bei den britischen Vorsorgepro-
dukten ähnlich wie in anderen europäischen Ländern in Richtung Standardisierung gehen
wird. Diese könnte dem stückkostengünstigeren Bankvertrieb Auftrieb geben.
Unvorteilhaft für die Entwicklung des Bankvertriebs ist, daß es in Großbritannien im
europäischen Vergleich strenge Regularien für Vertrieb und Beratung sowie hohe Daten-
schutzanforderungen gibt: Es kann aufgrund vielfältiger Compliance- Vorschriften und
Ausbildungsanforderungen an das Bankpersonal kostspielig für eine Bank werden, Le-
bensversicherungen zu verkaufen.190 Im Vergleich zu Südeuropa und Frankreich existie-
ren zudem kaum Steuervorteile für den Versicherungsvertrieb über den Bankschalter.
Zusammenfassend lassen sich aus der Beschreibung des spanischen und britischen Allfi-
nanzmarktes einige Schlußfolgerungen in bezug auf den Erfolg des Allfinanzkonzepts in
Europa ziehen:
• Der Versicherungsvertrieb über den Bankschalter scheint tendenziell vor allem in
Ländern mit geringer entwickelten Versicherungsmärkten und einfachen Produkten
erfolgreich zu sein. Die Erfahrung in allen europäischen Ländern zeigt, daß ein Port-
folio weniger einfach strukturierter Versicherungsprodukte für den Bankvertrieb am
besten geeignet ist.
• Der Bankvertrieb ist in den Ländern besonders stark, in denen Lebensversicherungs-
produkte den üblichen Bankprodukten angenähert sind und zudem gegenüber anderen
Altersvorsorgeformen (steuerlich) begünstigt sind.
• Gemeinsamkeiten der „erfolgreichen“ Allfinanz- Länder Spanien, Italien und Frank-
reich sind eine starke Stellung lokaler Banken, eine relativ hohe Filialdichte sowie
noch im Entwicklungsstadium befindliche private Vorsorgesysteme.
189 Vgl. Schönauer (2005), S. 26 190 Vgl. o.V. (2003b), S. 74
65
• Der Erfolg spanischer Banken im Privat- und Retailgeschäft (z. B. der spanischen
Sparkassen als erfolgreichste Sparkassengruppe Europas) zeigt, daß durch die geziel-
te Pflege von Kundenbeziehungen und durch die „Nähe“ zum Kunden vielfältige
Möglichkeiten zum Cross-Selling bei Privatkunden bestehen.
66
3 Rationalen und Hintergründe des Allfinanzkon-zepts
Das folgende Kapitel befaßt sich mit den Rationalen und Hintergründen des Allfinanz-
konzepts. Hinterfragt wird, welche zentralen Triebkräfte für die Wiederbelebung der All-
finanzidee im Finanzdienstleistungssektor und für die Renaissance der Allfinanzthematik
in den Medien verantwortlich sind. Bereits die Analyse der Ertrags- und Kostensituation
am deutschen Bank- und Versicherungsmarkt in Kapitel 2.2 und 2.3 hat wesentliche Hin-
tergründe des zunehmenden Allfinanzinteresses deutlich gemacht. In den folgenden Ab-
schnitten werden insgesamt vier Aspekte als Haupt-Triebkräfte der aktuellen Allfinanz-
welle identifiziert und im einzelnen erläutert:191 Größenvorteile durch Allfinanz, die
Problematik der Altersversorgung in Deutschland, Allfinanz als Kundenwunsch sowie
Diversifikationseffekte.
3.1 Größenvorteile
Angesichts der unter Druck stehenden Ertragsstrukturen der deutschen Bankengruppen
steht hinter der Realisierung des Allfinanzkonzepts die Erwartung einer damit einherge-
henden Erfolgsverbesserung. Ausgehend von diesem Rentabilitätsziel lassen sich zwei
effizienzverbessernde Größeneffekte identifizieren: Skalen- und Verbundeffekte.
3.1.1 Skaleneffekte
Skaleneffekte (economies of scale) resultieren aus der Fixkostendegression bei Auswei-
tung der Produktionsmenge eines Gutes sowie der Gewinnung von Erfahrungen im Zeit-
ablauf, die insgesamt betrachtet zu Kosteneinsparungen führen192. Skaleneffekte beruhen
auf der Gleichartigkeit von Strukturen und Leistungsprogrammen der kooperierenden
191 Diese gehen weitestgehend konform mit den von Dr. Schulte-Noelle genannten Rationalen für die Schaf-fung eines integrierten Finanzdienstleistungskonzerns aus Allianz und Dresdner Bank. Vgl. Schulte-Noelle (2003), S. 261 192 Vgl. Scheele (1994), S. 88f. Häufig wird bei Allfinanzfusionen der Begriff „Kostensynergien“ verwendet. Dieser hat im Prinzip eine vergleichbare Bedeutung: Die Reduzierung bestehender und künftiger Kosten durch Zusammenlegung bisheriger Doppelarbeiten und damit verbundener Personalabbau.
67
Partner. Sie sind daher bei Allfinanzkooperationen, die primär auf einem komplementä-
ren Leistungsprogramm der Partner basieren, in der Regel von geringerer Bedeutung. Bei
der Fusion Allianz/Dresdner Bank machen Kostensynergien für das Jahr 2004 ca. 40 %,
für das Jahr 2006 nur noch 31 % der geplanten Nettosynergien aus. Der Großteil der ge-
samten Kostensynergien wurde für die Geschäftsbereiche des Asset Managements einge-
plant - durch den Zusammenschluß von Allianz Asset Management und DIT zur Allianz
Dresdner Asset Management (ADAM).193
Im Asset Management spielen Skaleneffekte bei Allfinanzfusionen eine zentrale Rolle:
Durch die Zusammenlegung von vorher getrennten Einheiten lassen sich Kostenerspar-
nisse erzielen, indem bspw. Überlappungen von Investment Research und Handel besei-
tigt werden. Ebenso können durch höhere Volumina die Fixkosten pro Transaktion ge-
senkt werden, was wiederum zu höheren Margen und kompetitiveren Preisen führen
kann.194 Des weiteren bietet sich bei Allfinanzfusionen die Zusammenlegung bestimmter
Kundenmanagementsysteme an, wodurch ebenfalls die operative Effizienz erhöht und
langfristig Skaleneffekte realisiert werden können.
Neben dem Asset Management ergeben sich bei Allfinanzkooperationen auch im Vertrieb
Größendegressionseffekte, da sich die Fixkosten des Bankvertriebs auf eine größere Zahl
abgesetzter Produkte verteilen.195
Insgesamt ist festzuhalten, daß Skaleneffekte eher bei „reinen“ Bankenfusionen, und
zwar primär bei Überschneidungen im Geschäftsstellennetz erzielt werden: Sie basieren
auf der Beseitigung bestehender Überlappungen der Filialtätigkeiten - Haupthebel der
Kostensenkungen sind Personalkosten. Bei der Mehrzahl der bisherigen europäischen
Bankenfusionen stand die Reduzierung des Geschäftsstellennetzes im In- und Ausland im
Vordergrund.196
Mit Blick auf die Allfinanzfusion von Allianz und Dresdner Bank ist hingegen zu konsta-
tieren, daß im Zuge der Fusion keine Geschäftsstellen geschlossen wurden. Der Zusam-
menschluß kann insofern als „mitarbeiterfreundlich“ bezeichnet werden, gleichzeitig
werden jedoch auch im Verhältnis geringere Kostensynergien generiert.
193 Vgl. Allianz Group (2001a), S. 12 194 Vgl. Bergmüller (2002), S. 232 195 Vgl. Amara (2005), S. 169. Werden auch von den Versicherungsagenten Bankprodukte angeboten, gilt die Fixkostendegression analog im Versicherungsvertrieb. 196 Vgl. Fromann (2002), S.345. Nach Erfahrungswerten von Investmentbankern kann die addierte Kostenbasis der Fusionsbanken bei inländischen, überlappenden Fusionen um bis zu 20 % gesenkt werden.
68
Ein Blick auf den europäischen Fusionsmarkt bestätigt diese Beobachtung: Die Höhe der
nach Schätzungen erzielten Nettosynergien bei Allfinanzfusionen fällt verglichen mit
„reinen“ Bankenfusionen aufgrund der verhältnismäßig geringen Kostensynergien im
Durchschnitt niedriger aus.197
3.1.2 Verbundeffekte
Ein zentrales Ziel von Allfinanzkooperationen ist - weit vor den beschriebenen Skalenef-
fekten - die Realisierung von Verbundeffekten (economies of scope). Verbundeffekte ba-
sieren im Gegensatz zu Skaleneffekten nicht auf Kostensenkungen durch Produktion
eines Gutes, sondern auf Effizienzverbesserungen durch die kombinierte Produktion ver-
schiedener Güter in einem Unternehmen. Vorhandene Produktionsanlagen werden durch
die Herstellung verschiedener Güter effizienter ausgelastet.198
Im Fall von Kooperationen von Banken und Versicherungen handelt es sich dabei in ers-
ter Linie um die gegenseitige Nutzung vorhandener Vertriebskapazitäten: Die Produkte
des einen Kooperationspartners werden an die Kunden des anderen und umgekehrt ver-
kauft – der Umsatz pro Kunde steigt. Diesen Vorgang beschreibt die Fachliteratur auch
als „Cross-Selling“199. Es wird deutlich, daß Verbundeffekte – ebenso wie auch Skalen-
effekte – auf einer verbesserten Auslastung vorhandener Kapazitäten beruhen.
Beim Vergleich zwischen Verbundeffekten und den auf Fixkostendegression beruhenden
Skaleneffekten fällt allerdings auf, daß Verbundeffekte nicht nur Kostensenkungen gene-
rieren, sondern aufgrund des steigenden Umsatzes pro Kunde auch zusätzliche Erträge.
Diese werden in der Finanzpresse und von Allfinanzvertretern mit dem Begriff „Ertrags-
synergien“ apostrophiert und häufig synonym zu Verbundeffekten verwendet.
197 Vgl. Tabelle bei Brown (1999), S. 19 198 Vgl. Scheele (1994), S. 76. Verbundeffekte beruhen dementsprechend auf der Komplementarität der produ-zierten Leistungsprogramme. 199 Viele Autoren verwenden die Begriffe „Verbundeffekt“ und „Cross-Selling“ in Bezug auf Allfinanzkooperatio-nen synonym. Dies erscheint vertretbar, da Verbundeffekt beim Allfinanzkonzept primär im Vertrieb und nicht durch die gemeinsame Nutzung von Produktionsanlagen generiert werden. Vgl. bspw. bei Fromann (2002), S. 353
69
Vor allem die vorhandenen Vertriebskapazitäten der Banken bieten sich für einen zusätz-
lichen Versicherungsvertrieb an: Die Aufrechterhaltung einer gewissen Distributions- und
damit Filialdichte stellt einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor im Finanzdienstleistungs-
markt dar. Zudem müssen Filialen z. B. aufgrund von Öffnungszeiten bestimmte Min-
destkapazitäten an Personal vorhalten. Hinzu kommt, daß die Bankvertriebskosten im
Vergleich zum Agentenvertrieb aufgrund der dort gezahlten hohen Provisionen nachweis-
lich günstiger ausfallen200. Offensichtlich wird in diesem Zusammenhang ein Zielkonflikt
zwischen Skalen- und Verbundeffekten: Die Schließung von Geschäftsstellen aufgrund
bestehender Überkapazitäten führt zu einer Verringerung potentieller Cross-Selling- Ge-
legenheiten – eine sorgfältige Abwägung zwischen Kosteneinsparungen und Ertragsver-
lusten erscheint daher unumgänglich.201
3.1.3 Cross-Selling und Kundenbindung
Im Rahmen des Allfinanzkonzepts wird versucht, durch ein umfassendes Produktangebot
aus Bank- und Versicherungsleistungen eine gesteigerte Kundenbindung, bzw. Kunden-
treue zu erreichen. Diese soll insgesamt zu höheren Erträgen aus der Kundenbeziehung,
d. h. Ertragssynergien, führen - der Kunde ist möglichst über den gesamten Lebenszyklus
hinweg zu begleiten.
Die Vorteilhaftigkeit einer solchen umfassenden Produktpalette im Hinblick auf die Kun-
dentreue wird durch empirische Untersuchungen untermauert: Studien ergeben, daß ein
Kunde, der nur ein Produkt bei einem Finanzdienstleistungsunternehmen besitzt, zu 50 %
treu ist – d. h. mit einer 50 %igen Wahrscheinlichkeit den Anbieter während seines Le-
bens wechseln wird. Zwei bzw. drei Produkte hingegen erhöhen die Treuequote auf 70 %
bzw. sogar 90 % (nur mit 10 %iger Wahrscheinlichkeit kommt es zum Anbieterwech-
sel).202
Unternehmensberater empfehlen ihren Kunden – vor allem in Zeiten stagnierender Um-
sätze - die sog. „Share-of-Wallet“-Strategie als Mittel zur Gewinn- und Umsatzsteige-
rung. Statt teurer Neukundenakquise geht es auch hier darum, die Bedarfsdeckungsrate
des einzelnen Kunden zu optimieren, d. h. die Umsatzpotentiale des Kunden so weit wie
möglich auszuschöpfen.203 Zentrales Ziel der Strategie ist das Erreichen von Kunden-
200 Vgl. UBS (2004) S. 11. Es wird auf eine Präsentation des britischen Instituts Aviva aus Oktober 2003 Bezug genommen, in der die geringere Kostenstruktur des Bankvertriebs belegt wird. 201 Vgl. Davis (1999), S. 31 202 Vgl. Ergebnisse aus Studien bei Zielke (1997), S. 111 203 Vgl. Bain & Company (2002), S. 3 f.
70
treue, die mit dem Ertrag eines Unternehmens in folgendem positiven Wirkungszusam-
menhang steht:
• Mit der Dauer einer Kundenbeziehung steigt auch ihr Gesamtwert, gemessen als
Barwert der Nettoerträge über den Kundenlebenszyklus. Nach Berechnungen von
Bain & Company steigt bspw. der Kundenkapitalwert im Sachversicherungsgeschäft
um mehr als 80 %, wenn sich die durchschnittliche Bindungsrate von 90 auf 95 % er-
höht (d. h. nur noch 5 statt 10 % der Kunden im Jahr abwandern).204
• Bei der Neukundengewinnung entstehen hohe Akquisitionskosten, die sich erst mit
der Zeit amortisieren. Experten gehen davon aus, daß die Kosten für die Gewinnung
eines neuen Kunden gegenüber dem Erhalt einer bestehenden Kundenverbindung
acht mal so hoch sind.205 Je länger die Kundenbeziehung, d. h. je mehr Produkte ver-
kauft werden, desto rentabler wird sie.
• Durch die langfristige Begleitung lernt der Finanzdienstleister den Kunden in Bera-
tungen und Verkaufsgesprächen immer besser kennen, so daß es möglich wird, maß-
geschneiderte, umfassende Service- und Produktangebote zu unterbreiten.
• Treue Kunden, die mehrere Produkte bei einem Anbieter konzentrieren, sind generell
weniger anfällig dafür, ihre Bank – bzw. Versicherungsverbindung zu wechseln, da
dadurch relativ hohe Wechselkosten anfallen. Zudem ist zu beobachen, daß die
Wechselbereitschaft eines Kunden mit zunehmendem Alter abnimmt, was angesichts
der alternden Bevölkerungsstruktur zu steigenden Akquisitionskosten führen kann.206
• Treue Kunden sind in der Regel weniger preisempfindlich, so daß ein Unternehmen
höhere Margen realisieren kann. Hinzu kommt, daß Weiterempfehlungen treuer
Kunden in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis eine günstige Art der Neukundenge-
winnung darstellen.
Insgesamt sind positive Wirkungszusammenhänge also sowohl zwischen der Anzahl ver-
kaufter Produkte und der Treue eines Kunden, als auch zwischen Kundentreue und Kun-
204 Vgl. Bain & Company (2003), S. 2 205 Vgl. Swoboda (2004), S. 298 206 Vgl. Wagner (1991), S. 210
71
denrentabilität nachweisbar. Entscheidend mit Blick auf das Allfinanzkonzept ist es, in-
wiefern es gelingt, den Vertrieb so auszugestalten, daß der Kunde durch umfassende Ser-
viceleistungen langfristig an das Unternehmen gebunden wird. Hierzu muß bspw. durch
ein leistungsfähiges Kundeninformationssystem das vorhandene Umsatzpotential der
Kunden ermittelbar sein und durch Kundensegmentierung eine gezielte Ansprache attrak-
tiver Kundengruppen erfolgen. Diese notwendigen Ausgestaltungen des Vertriebs werden
in Kapitel 5.4 detailliert analysiert.
3.1.4 Verbundeffekte aus Sicht des Resource-based View
Im folgenden soll die Wirkungsweise von Verbundeffekten anhand des „Resource-based
View“ näher durchleuchtet werden. Hierbei handelt es sich um ein relativ neues Denk-
muster aus der Theorie des strategischen Mangements, in dem die speziellen Ausgangs-
bedingungen von Unternehmen als Basis zur Ableitung von Strategien herangezogen
werden.207 Während die klassische Industrieökonomie eine „Outside-in-Perspektive“
einnimmt, bei der Unternehmen innerhalb eines exogen vorgegebenen Umfeldes agieren
und Strategien entwerfen, nimmt der Resource-based View die umgekehrte Blickrichtung
ein. Unternehmen werden hier als Kombinationen von materiellen und immateriellen
Ressourcen betrachtet, deren kombinierte Nutzung Wettbewerbsvorteile und damit über-
durchschnittliche Gewinne am Markt generieren kann. Damit Ressourcen zur Realisie-
rung von Wettbewerbsvorteilen dienen können, müssen sie „distinktiv“ sein, d. h. sich
von denen anderer Unternehmen unterscheiden und nicht substituierbar sein. Dies bedingt
die Existenz von Informations-, Transfer- und Replikationsbarrieren, die die Distinktivität
der Ressourcen schützen.208 Zudem ist die Kombination der Ressourcen in einer Weise
vorzunehmen, durch die es möglich ist, einen überlegenen Kundennutzen zu stiften – sei
es durch die Beschaffenheit des Produktes an sich oder durch das Marktangebot des Un-
ternehmens insgesamt.
Aus den Grundüberlegungen des Resource-based View läßt sich schlußfolgern, daß dis-
tinktive Ressourcen vor allem dann von strategischem Wert sind, wenn sie in möglichst
vielen Märkten kundennutzend eingesetzt werden. Hieraus läßt sich ein Diversifikations-
imperativ für Unternehmen ableiten, sei es durch internes Wachstum, durch Kooperation
oder Fusion. Allfinanzpartnerschaften dienen folgerichtig zur Nutzbarmachung des Res-
207 Vgl. ausführlich zu den Grundzügen des Resource-based View bei Barney (1991), S. 103f. 208 Vgl. ausführlich bei Börner (1999), S. 12
72
sourcen- Portfolios des jeweiligen Partnerinstitutes, im Zentrum steht mithin die Realisie-
rung von Verbundeffekten.
Aus Sicht des Resource-based View ist bei der Beurteilung der Sinnhaftigkeit des Allfi-
nanzkonzepts eine Frage entscheidend: Gelingt eine gemeinsame Nutzbarmachung von
Ressourcen und wird durch sie ein überlegener Kundennutzen gestiftet?
Der zweite Teilaspekt wird im Rahmen des Kapitels 3.3 diskutiert. Hierbei ist zu hinter-
fragen, ob trotz der Entwicklung des Kundenverhaltens hin zu Preisbewußtsein und Indi-
vidualisierung ein kombiniertes Angebot von Bank- und Versicherungsleistungen nutz-
stiftend ist. Die Beantwortung des ersten Teilaspekts bedingt einen genaueren Blick auf
die potentiell realisierbaren Verbundeffekte zwischen Allfinanzpartnern:
Im Asset Management ist die Existenz von Verbundeffekten im Sinne des Resource-based
View zu bestätigen: Banken und Versicherungen verfügen in diesem Bereich über di-
stinktive Ressourcen (Know-how), die bei einer Kooperation bzw. Fusion gemeinschaft-
lich (bspw. im Portfoliomanagement, Back Office) genutzt werden können.
Im Vertrieb lassen sich verschiedene Bereiche für die gemeinschaftliche Nutzbarmachung
von Ressourcen ausmachen: Zum einen – wie erwähnt – die Ausnutzung vorhandener
Filialkapazitäten209 durch zusätzlichen Versicherungsverkauf. Hier kann es gleichzeitig
jedoch auch zu negativen Effekten kommen: Eine Gefahr ist die mögliche Überforderung
des Personals aufgrund der zusätzlich zu erbringenden Beratungsleistungen im Versiche-
rungsgeschäft.210 Außerdem sind Reibungsverluste durch Kulturunterschiede zwischen
Bank- und Versicherungspartnern sowie Kannibalismuseffekte zwischen den angebote-
nen Produktprogrammen möglich.
Ein Bereich gemeinsamer Ressourcennutzung ergibt sich beim Produktionsfaktor Infor-
mation, der im Finanzdienstleistungsgeschäft eine zentrale distinktive Ressource darstellt.
Einmal generierte Kundendaten können dem jeweiligen Allfinanzpartner zugänglich ge-
209 In einer Studie über europäische Allfinanzkooperationen von Coopers & Lybrand aus 1994 gaben 70 % der interviewten Firmenvertreter an, zentrale Triebfeder ihrer Kooperation sei die Generierung zusätzlicher Erträge durch Ausnutzung vorhandener Vertriebskapazitäten. Vgl. Molyneux (1998), S. 134 210 Vgl. Scheele (1994), S. 110. Zur Abmilderung dieser Problematik bietet es sich an, die gestiegenen Anfor-derungen aus der Sortimentserweiterung durch Entlastungen in anderen Bereichen zu kompensieren: Eine Vereinfachung bzw. Standardisierung der Produktpalette sowie die Entlastung der Kundenberater durch Ausla-gerung von Back-office- Tätigkeiten sind mögliche Ansatzpunkte.
73
macht werden: Es entfallen Mehrfachtätigkeiten, zusätzliche Verkaufsanlässe werden
generiert, sog. „warm leads“211 an den Allfinanzpartner sind möglich.
Ein zentrales Geschäftspotential bietet dabei die Wiederanlage abgelaufener Lebensver-
sicherungspolicen: Bereits im Jahr 2000 wurden in Deutschland 49,3 Mrd.. Euro an Le-
bensversicherungskunden ausgezahlt, ein Betrag der in den nächsten Jahren stark zuneh-
men wird.212 Der typische „Ablaufkunde“ ist älter als 55 Jahre und zählt volkswirtschaft-
lich gesehen zu der vermögensten Altersgruppe Deutschlands. Historisch betrachtet hat-
ten Versicherer stets Schwierigkeiten, Ablaufleistungen ihrer Kunden im eigenen Institut
zu halten.213 Ein attraktives Anlageangebot des Bankpartners kann helfen, diese Ablauf-
leistungen im Unternehmen (Konzern) zu halten – es ergeben sich somit erhebliche
Cross-Selling- Potentiale.214
Allgemein ist zu beachten, daß die Zusammenführung von Kundendatenbanken aufgrund
ihrer Komplexität zunächst hohe Kosten verursacht. Andere Informationen, wie Anlage-
informationen (Aktien, Zins usw.), dürften hingegen problemloser geteilt werden können.
Als letzter Punkt ist die gemeinschaftliche Nutzung vorhandenen Know-hows zu nennen:
Während Versicherer vom hohen Know-how der Banken im Liquiditätsmangement profi-
tieren, können Banken umgekehrt vom Akquisitionsgeschick der Versicherungsvertreter
lernen.215
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß mit Hilfe des Resource-based View verschiedene
Ertrags- und Kostenpotentiale des Allfinanzkonzepts identifiziert werden können. Ein
abschließendes Urteil über die Sinnhaftigkeit einer Kooperation oder Fusion kann jedoch
nicht ausgesprochen werden - die Integrationsleistung sowie die Ausgestaltung des Res-
sourcenportfolios werden im Einzelfall über Erfolg oder Mißerfolg entscheiden.
211 Die Fachliteratur versteht hierunter Situationen, in denen durch den Verkauf eines Bankproduktes (bspw. Hypothek) gleichzeitig eine Verkaufsmöglichkeit für Versicherungsprodukte (bspw. Hausrat) generiert wird. Vgl. bspw. UBS (2004), S. 10 212 Vgl. Castillo (2002), S. 1504. Fast zwei Drittel der fälligen Kapitallebensversicherungen versprechen Anschlußgeschäfte. Nach einer Emnid-Umfrage hat nur jeder Fünfte das Geld aus einer fälligen Lebensversi-cherung bereits fest für eine Investition verplant. 213 Vgl. Bergmüller (2002), S. 231 214 Im Jahr 2000 wurden bei der Allianz Auszahlungen aus Unfall-und Lebensversicherungen in Höhe von 7,8 Mrd. Euro nur zu 20 % von der Allianz weiterverwaltet. Dieser Anteil soll in 2006 auf 34 % gesteigert werden. Vgl. Allianz (2001a), S. 72 215 Vgl. Scheele (1994), S. 90
74
Einige zusätzliche Diskussionspunkte lassen sich mit Hilfe des Denkmusters verdeutli-
chen: Fusionen sind nur ein Weg, Ressourcen gemeinsam nutzbar zu machen. Kooperati-
onen bieten den Vorteil, daß die u. U. aufwendige Integration distinktiver Ressourcen ins
neue „Gesamtunternehmen“ unterbleibt – kulturelle Differenzen können dadurch vermin-
dert werden. Zudem ist es möglich, daß bei einer Fusion neben den distinktiven, nutzba-
ren Ressourcen des Partnerinstituts auch solche erworben werden, die für den Erwerber u.
U. eine geringe strategische Verwertbarkeit aufweisen.216
3.1.5 Quantifizierung von Verbundeffekten
Ein wichtiger Erfolgsfaktor im Vorbereitungsprozeß einer Fusion ist die Quantifizierung
der identifizierten Kosten- und Ertragssynergien sowie die Kommunikation ihrer Höhe an
den Kapitalmarkt.
Ertragssynergien (Verbundeffekte) basieren auf der Komplementarität der Geschäftspro-
zesse der Fusionspartner. Daher ist die Beobachtung schlüssig, daß die geplanten Ertrags-
synergien bei grenzüberschreitenden Fusionen sowie auch Allfinanztransaktionen in der
Vergangenheit höher waren als bei reinen, inländischen Bankenfusionen.217
Festzustellen ist, daß die Ertragssynergien generell wesentlich niedriger eingeschätzt
wurden als die Kostensynergien: Während bei vielen europäischen Bankenfusionen Kos-
tensynergien von über 15 % der kombinierten Kostenbasis erwartet wurden (bspw. bei
SBC/UBS, RBS/Nat West), lagen die erwarteten Ertragssynergien europäischer Fusionen
im Finanzdienstleistungssektor (bspw. Fortis/Generale, SEB/Trygg Hansa) unter 5 % der
gemeinsamen Ertragsbasis.218
Ein Grund hierfür ist, daß Kostensynergien wesentlich leichter quantifiziert werden kön-
nen: Die Freisetzung von Mitarbeitern und die Schließung doppelter Filialen basieren auf
internen Entscheidungen und können nach der Fusion mit relativ hoher Wahrscheinlich-
keit umgesetzt werden. Ertragssynergien basieren dagegen auf Entscheidungen der Kun-
den: Akzeptieren diese ein umfassenderes Angebot und lassen sich durch dieses Angebot
eventuell neue Kunden akquirieren? Bankanalysten betrachten Ertragssynergien daher
216 Als Beispiel kann bei der Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz der Miterwerb von Dresdner Kleinwort Wasserstein genannt werden. Der Verkauf der Investmentbank stand seit 2001 mehrfach zur Diskus-sion. 217 Vgl. Fromann (2002), S. 354 218 Vgl. Davis (2000), S. 29f.
75
deutlich kritischer als Kostensynergien, zumal die erfolgreiche Realisierung relativ
schwer nachprüfbar ist.219
Diese Unsicherheit führt dazu, daß Ertragssynergien häufig zwar intern geschätzt, aber
nicht extern an den Kapitalmarkt kommuniziert werden. Werden Synergieeffekte bei
Bankenfusionen durch das Management überschätzt oder übertrieben hoch dargestellt,
können sie von den Einschätzungen der Bankanalysten abweichen. Dies wiederum führt
u. U. zu negativen Kapitalmarktreaktionen zum Zeitpunkt der Fusionsankündigung.220 Zu
beobachten ist zudem, daß eine Nichterfüllung angekündigter Synergien am Kapitalmarkt
zu starken Kursverlusten führen kann. Eine vorsichtige Zielformulierung zum Fusions-
zeitpunkt ist somit angebracht.
Als entscheidend für die Glaubwürdigkeit angekündigter Ertragssynergien und damit für
die Kursentwicklung der fusionierenden Institute nach Fusionsankündigung lassen sich
einige Punkte herausstellen:
• Je besser die „Integrationshistorie“ des beteiligten Managements, d. h. der Integrati-
onserfolg bei vergangenen Transaktionen, desto glaubwürdiger sind die kommuni-
zierten Synergieziele und desto wahrscheinlicher ist eine positive Entwicklung der
Aktienkurse nach Bekanntgabe der Fusion.221
Es läßt sich nachweisen, daß die unmittelbaren Kapitalmarktreaktionen stark auf An-
kündigungseffekten beruhen. Steigende Aktienkurse können u. a. mit der sog. „Ma-
nagement Performance Extrapolation Hypothesis“ erklärt werden. Nach diesem em-
pirischen Befund unterstellt der Markt, daß sich die bisherige gute Managementleis-
tung des Bieterunternehmens auch auf das neue Gesamtunternehmen übertragen wird.
Diese Annahme führt in der nachfolgenden Zeit zu einem Kursanstieg.222
• Eine Equity Story, die den Aktionären und Kunden die „Vision“ der Fusion und ihre
Vorteile hieraus nachvollziehbar darlegt, trägt auch zur Akzeptanz geplanter Syner-
gien bei.
219 Vgl. Fromann (2002), S. 378. Häufig erfolgt keine Veröffentlichung durch die jeweiligen Institute. 220 Vgl. Beitel (2002), S. 139 221 Vgl. Fromann (2002), S. 379 222 Vgl. Jansen (2000), S. 475
76
• Eine Plausibilisierung geplanter Synergien anhand der erreichten Synergien bereits
abgeschlossener, vergleichbarer Transaktionen erhöht ihre Glaubhaftigkeit. In Stu-
dien wurde zudem nachgewiesen, daß ein offener und transparenter Kommunikati-
onsprozeß, vor allem in bezug auf die Höhe möglicher Kosteneinsparungen, die
Kursentwicklung nach Bekanntgabe einer Fusion stark positiv beeinflußt.223
223 Vgl. bei Beitel (2002), S. 138
77
3.2 Altersvorsorge in Deutschland
Im folgenden sollen zwei zentrale Impulsgeber der aktuellen Allfinanzwelle untersucht
werden: Zum einen die Entwicklungen am Markt für Kapitalanlageprodukte, zum ande-
ren der wachsende Markt für Altersvorsorgeprodukte. An diesen Schauplätzen treffen
Banken und Versicherungen in Konkurrenz um Kundengelder aufeinander, wobei im
speziellen die Altersvorsorge angesichts der demographischen Entwicklung in Europa ein
enormes Marktpotential verspricht. Ziel des Kapitels ist es, zu analysieren, inwieweit die
Entwicklung des deutschen Geldvermögens zur Wiederbelebung des Allfinanzkonzepts
beigetragen hat. Zudem ist zu untersuchen, ob die Zunahme der privaten und betriebli-
chen Altersvorsorge Potentiale für eine Zusammenarbeit zwischen Bank- und Versiche-
rungssektor bietet.
3.2.1 Entwicklung des Geldvermögens
In seinen Erläuterungen zu den Triebkräften des Zusammenschlusses von Allianz und
Dresdner Bank zu einem integrierten Finanzdienstleister weist Dr. Schulte-Noelle auf das
massive Wachstumspotential privater Geldvermögensanlagen in Deutschland hin sowie
im speziellen auf das Geschäftspotential, das sich aus der Anlage geerbter Vermögen
ergeben wird. Seinen Angaben zufolge wird die Geldvermögensanlage deutscher Privat-
haushalte bis 2010 auf geschätzte 5,6 Billionen Euro anwachsen, was einer Steigerung
um 40 % in acht Jahren gleichkommt.224
Ein Blick auf die Statistiken der Deutschen Bundesbank zeigt, daß das Geldvermögen
deutscher privater Haushalte in 2004 erstmals die „Schwelle“ von 4 Billionen Euro über-
schritten hat: Die zu Marktpreisen bewerteten Finanzaktiva haben damit in den letzten
beiden Jahren um rund 400 Mrd. Euro zugenommen.225
Die Entwicklungen im Portfolio des Geldvermögens deutscher Haushalte weisen folgen-
de Auffälligkeiten auf: Die Geldanlage bei Banken macht zwar mit rund 1,4 Billionen
224 Vgl. Schulte-Noelle (2003), S. 261 225 Vgl. Deutsche Bundesbank (2005), S. 28ff. Auch die folgenden Erläuterungen leiten sich aus den hier erho-benen Statistiken ab.
78
Euro noch etwa ein Drittel des gesamten Geldvermögens aus (Stand 2004), im Jahr 1993
waren es jedoch noch etwa 45 %.
Die relative Bedeutung der Geldanlage bei Banken (bspw. Spar- und Termineinlagen) hat
somit abgenommen. Hingegen ist es den Versicherungen gelungen, ihren Anteil am
Geldvermögen von 20 % in 1993 auf rund 25 % in 2004 zu steigern. Am wichtigsten
waren hier die Lebens- und Rentenversicherungen, was auf die konstante Bedeutung der
Lebensversicherung als Anlageinstrument für die Altersvorsorge hinweist.226
Die Anlage in Aktien ist mit 251 Mrd. Euro in 2004 gegenüber dem Vorjahr (245 Mrd.
Euro) leicht erhöht, was ausschließlich auf gestiegene Aktienkurse zurückzuführen ist.
Mit Blick auf die Mittelverwendung der Haushalte in 2004 wird dabei deutlich, daß Akti-
en per Saldo im Vergleich zum Vorjahr abgestoßen wurden (minus 6,5 Mrd. Euro), aller-
dings nicht in dem gleichen Umfang wie in der Vorperiode (2003: minus 20 Mrd. Euro).
Die Entwicklung zeigt, daß das Interesse an Aktien aufgrund der Börsenbaisse stark ab-
genommen hat. Das Anlagemotiv „Sicherheit“ hat vor allem für die Altersvorsorge erheb-
lich an Bedeutung gewonnen - die langfristige Entwicklung des Aktienmarktes und der
Anlegerinteressen bleibt abzuwarten.
Ein Blick auf den Anteil der Investmentfonds am Geldvermögen in 2004 zeigt, wie sehr
diese Anlageform mit vielfältigen Möglichkeiten zur Risikostreuung in der Gunst der
Deutschen gestiegen ist: Von 136 Mrd. Euro in 1993 stieg ihr Wert auf 464 Mrd. Euro in
2004. Zu beachten ist jedoch, daß diese Anlageform in 2004 erstmals einen Einbruch
erlebt hat mit Rückführungen in Höhe von rund 7 Mrd. Euro im Vergleich zum Vorjahr.
Insgesamt ist festzustellen, daß die Ende der neunziger Jahre erwartete erhebliche Bedeu-
tungszunahme von Aktien und Investmentfonds im Anlagemix der Kunden bislang nicht
eingetreten ist. Versicherer hatten sich aufgrund der erstarkten Aktienkultur unter Druck
gesehen, ebenfalls renditestarke Produkte der persönlichen Vermögensanlage anzubieten,
um vorhandene Kunden nicht zu verlieren und ihre Position im Vermögensanlagegeschäft
weiter auszubauen.
So wurde das vermutete Wachstum des Marktes für renditestarke Anlageformen auch als
zentrales Argument bei der Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz angeführt.
Dabei wurde unterstellt, das private Anlagevermögen in Investmentfonds, Aktien und
Lebensversicherungen werde von 1,5 Billionen in 1999 auf rund 2,7 Billionen Euro in
226 Vgl. hierzu auch Sprenger (2004), S. 24
79
2004 ansteigen.227 Mit Blick auf die aktuelle Geldvermögensstatistik der Deutschen Bun-
desbank wird jedoch deutlich, daß diese Entwicklung nicht eingetreten ist: Ende 2004
sind nur rund 1,7 Mrd. Euro in diesen Sparformen angelegt. Dies dürfte mit ein Grund
dafür sein, daß die von der Allianz geplanten Ertragssynergien Ende 2002 um rund 50 %
verfehlt wurden.228
Eine Teilmenge des wachsenden Geldvermögens deutscher Haushalte stellen die Gelder
der jungen Erbengeneration dar, die nach performancestarken Anlagemöglichkeiten
sucht. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) wird das kumu-
lierte Erbvolumen zwischen 2001 und 2010 in Deutschland zwei Billionen Euro betragen,
wovon rund 1,4 Billionen an die nachfolgende Generation vererbt werden. Das Erbvolu-
men setzt sich zur Hälfte aus Immobilienvermögen, zu 10 % aus Gebrauchsvermögen und
zu 36 % aus Geldvermögen zusammen.229
Ein Blick auf die Statistik zeigt, daß jeder Haushalt in einem Beobachtungszeitraum von
dreißig Jahren mindestens einmal in den Genuß einer Erbschaft kommt. Zu beachten ist
jedoch, daß 6 % der Erbenhaushalte nur auf dem Papier erben (u. U. Schulden) und 22 %
nur Erinnerungsgegenstände von geringem Vermögenswert. Rund 30 % der Erbenhaus-
halte erhalten Vermögen im Wert zwischen 13 und 80 Tausend Euro, viele davon am
unteren Ende der Spanne. Substantielle Erbschaften sind somit selten: Ein Viertel der
vererbten Gesamtmasse konzentriert sich auf 2 % der Erbenhaushalte.230
Es wird deutlich, daß die Aussicht auf Erbschaften nur in seltenen Fällen von der Not-
wendigkeit privater Vorsorgeleistungen für das Alter enthebt. Private Vorsorgeleistungen
werden aufgrund der im folgenden aufzuzeigenden demographischen Veränderungen in
Deutschland immer bedeutsamer.
3.2.2 Demographie und Altersvorsorge
Als Bismarck Ende des 19. Jahrhunderts die gesetzliche Rentenversicherung nach ihrem
noch heute geltenden Muster gründete, lag die durchschnittliche Lebenserwartung in
227 Allianz Group (2001), S. 9. Die Planzahlen der Allianz basieren auf Schätzungen der Unternehmensbera-tung McKinsey. 228 Vgl. UBS (2004), S. 23 229 Vgl. Van de Veer (2003), S. 777 230 Vgl. die Studie „Erben in Deutschland“ von Rainer Braun, Prof. Meinhard Miegel, Köln 2002; Veröffentli-chung eines Abstracts zur Studie unter: „www.dia-vorsorge.de/cgi-bin/shop.pl?command=link—pub_sparen“
80
Deutschland bei rund 40 Jahren. Heute liegt sie für Jungen bei der Geburt bei 80,1 und
bei Mädchen bei 80,4 Jahren.231 Ausschlaggebend für den Anstieg der Lebenserwartung
waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die rückläufige Kindersterblichkeit, da-
nach vor allem aufgrund medizinischen Fortschritts die verbesserten Überlebenschancen
der über 65-Jährigen. Insgesamt resultiert die erhöhte Lebenserwartung aus einem Zu-
sammenspiel verschiedener Faktoren, wie z. B. Einkommen, Bildung, Ernährung und
medizinischer Versorgung.
Wird neben der aktuellen Lebenserwartung unterstellt, daß sich die Fruchtbarkeitsrate in
Deutschland in den nächsten Jahren nicht verändert (d. h. auf dem geringen Niveau von
1,4 Kindern pro Frau verharrt) und zudem netto 200 Tausend Menschen jährlich nach
Deutschland einwandern, wird die Bevölkerungszahl in Deutschland bis 2050 auf voraus-
sichtlich 71,6 Millionen Menschen zurückgehen (Stand 2002: 82,4 Millionen).232 Da die
gesetzliche Rentenversicherung auf dem Generationenvertrag beruht, d. h. die jeweilige
Arbeitnehmergeneration mit ihren Beiträgen die Renten der jeweiligen Rentnergeneration
finanziert, stellen die seit den 60er Jahren rückläufigen Geburtenzahlen verbunden mit
der gestiegenen Lebenserwartung eine erhebliche Gefahr dar: Nach Berechnungen des
Statistischen Bundesamtes werden im Jahr 2040 1,3 Arbeitnehmer einen Rentner finan-
zieren müssen (Stand 1999: 2,5)233
Das System der Alterssicherung in Deutschland setzt sich aus den drei „Säulen“ gesetzli-
che Rentenversicherung, betriebliche Altersvorsorge und private Altersvorsorge zusam-
men (Drei-Säulen-Modell). Offensichtlich ist angesichts der demographischen Entwick-
lung, daß das Altersvorsorgesystem wegführen wird von der gesetzlich umlagefinanzier-
ten Absicherung hin zur kapitalgedeckten Altersvorsorge, sei es auf betrieblicher oder
privater Ebene.
Aktuelle Zahlen belegen jedoch, daß das Niveau der privaten und betrieblichen Vorsorge
in Deutschland noch relativ gering ist: Im Jahr 2003 stammten rund 85 Prozent der Al-
terseinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Nur fünf Prozent resultierten aus
der betrieblichen, zehn Prozent aus der privaten Vorsorge.234 Beim Vergleich mit europä-
231 Vgl. Kluge (2003), S. 30f. 232 Vgl. Piper (2003), S. 14 233 Aktuell ist die schlechte Situation der Rentenkassen noch nicht auf demographische Faktoren zurückzufüh-ren, sondern auf die hohe Arbeitslosenquote sowie die kurze Lebensarbeitszeit. Zudem stellte die soziale Eini-gung Deutschlands eine Belastung dar: Viele Ostdeutsche beziehen Renten, ohne in die westdeutsche, d. h. heute gesamtdeutsche, Rentenversicherung eingezahlt zu haben. Vgl. Piper (2003), S. 15 234 Vgl. o.V. (2004e), S. 44
81
ischen Nachbarländern offenbart sich für Deutschland ein hoher Nachholbedarf: In
Großbritannien macht die staatliche Rentenversicherung nur noch 65 %, in den Nieder-
landen 50 % der gesamten Altersversorgung aus; die betriebliche Vorsorge ist zudem mit
25 % bzw. 40 % wesentlich bedeutsamer als in Deutschland.235 Dementsprechend gering
ist die Höhe der in Deutschland in Pensionsfonds gesammelten Finanzvermögen vergli-
chen mit den Nachbarländern.236
Der aufgezeigte Nachholbedarf und damit das Marktpotential der privaten und betriebli-
chen Vorsorge in Deutschland wird auch durch eine von der Burda Medienforschung
herausgegebene Studie unterstrichen: Nur knapp 50 % der Befragten gaben an, bereits
Maßnahmen für die Altersvorsorge getroffen zu haben. 46 % derjenigen, die sich bereits
mit dem Thema beschäftigt hatten, sorgen mit Lebensversicherungen vor, rund 40 % mit
selbstgenutztem Wohneigentum. Die offensichtliche Bedeutung von Lebensversicherun-
gen in der privaten Vorsorge bestätigen aktuelle Statistiken: Nach Angaben des GDV
(Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft) machten in 2003 die Auszah-
lungen aller Lebensversicherer rund ein Drittel der Rentenauszahlungen der gesetztlichen
Rentenkasse aus (1992: 19 %).237
Mit dem Inkrafttreten der Rentenreform am 1. Januar 2002 hat der Gesetzgeber auf die
demographischen Herausforderungen reagiert und wesentliche Schritte zur Stärkung der
Altersvorsorge eingeleitet. In Deutschland stehen seitdem unterschiedliche Formen der
privaten und betrieblichen Altersvorsorge zur Verfügung. Durch das Altersvermögensge-
setz (AVmG) wurden verschiedene Fördermöglichkeiten und Durchführungswege priva-
ter und betrieblicher Vorsorge geregelt. Gleichzeitig machte die im Altersvermögenser-
gänzungsgesetz (AVmEG) vorgenommene Kürzung der gesetzlichen Rentenleistung die
Notwendigkeit individueller Absicherung deutlich.
Die sog. Riester-Förderung (§10a EStG) sieht vor, daß für freiwillige Beiträge zur priva-
ten Altersvorsorge ab einer bestimmten Höhe Zulagen gezahlt werden und ein Sonder-
ausgabenabzug erfolgt. Es handelt sich für den Arbeitnehmer um eine Nettoentgeltum-
wandlung. Alternativ hat der Arbeitnehmer ein arbeitsrechtlich durchsetzbares Recht auf
eine aus dem Bruttogehalt finanzierte betiebliche Altersvorsorge (bAV): Die sog. Eichel-
Förderung (§ 3 Nr. 63 EStG) sieht vor, daß bis zu 4 Prozent der Beitragsbemessungs-
235 Vgl. Redhardt (2004), S. 524 236 Deutschland 60,5 Mrd. USD, Großbritannien 954 Mrd. USD, Niederlande 397 Mrd. USD; vgl. GDV (2004), S. 74 237 Vgl. o.V. (2004e), S. 44
82
grenze steuerfrei in ein Altersvorsorgeprodukt abgeführt werden können – es erfolgt eine
nachgelagerte Besteuerung.238 Für den Arbeitnehmer ergibt sich bei der betrieblichen
Altersvorsorge der Vorteil, daß er sich in einem größeren Kollektiv befindet und daher
Mengenrabatte bzw. günstige Konditionen zu erwarten sind.
3.2.3 Private und betriebliche Altersvorsorge und Allfinanz
Unternehmensberater beziffern den Markt für private und betriebliche Altersvorsorge im
Jahr 2008 auf insgesamt über 40 Mrd. Euro239. Erwartet wird, daß über zwei Drittel davon
in die steuerlich begünstigte betriebliche Altersvorsorge fließen wird, diese somit das
bedeutsamere Marktpotential aufweist.240
Die Verkaufszahlen der Banken und Versicherer im Verkauf von Riester-Produkten bes-
tätigen diese Prognose. Wie die Allianz Leben mitteilt, ist ihr Riester-Geschäft stark rück-
läufig: Nach rund einer halben Million verkaufter Riester-Verträge in 2002 waren es in
2003 nur noch rund 52 Tausend. Nachteilig für die Institute ist vor allem die relativ hohe
Beratungsintensität der Produkte aufgrund vieler Varianten, zudem die hohe Verwal-
tungsintensität, z. B. aufgrund der aufwendigen Beantragung der Zulagen.241
Der Trend geht – wie die Verkaufszahlen der Institute belegen – in Richtung betriebliche
Altersvorsorge, d. h. Bruttoentgeltumwandlung. Während die Entgeltumwandlung in
zahlreichen Großunternehmen bereits geregelt ist, besteht vor allem bei kleinen und mit-
telständischen Unternehmen noch Handlungsbedarf.
Nach einer Studie von Infratest boten Ende Juni 2004 41 % aller privaten Firmen in
Deutschland eine Betriebsrente an, 10 % mehr als Ende 2001. Die Beschäftigten nutzen
das Angebot jedoch häufig nur zögerlich: Seit Einführung der Eichel-Förderung in 2002
haben nur rund 6 % der Beschäftigten von der Möglichkeit zur Entgeltumwandlung
Gebrauch gemacht.242
238 Es existieren fünf Durchführungswege der betrieblichen Vorsorge: klassische Pensionszusage, Direktversi-cherung, Unterstützungskasse, Pensionskasse und seit Januar 2002 der Pensionsfonds. Vgl. ausführlich zur bAV bei Joseph (2003), S. 136f. 239 Vgl. Bergmüller (2002), S. 225, es handelt sich um die kumulierten Bruttobeiträge für sämtliche private und betriebliche Vorsorgeprodukte von 2002 bis 2008, Schätzungen von Accenture. 240 Vgl. Schüller (2002), S. 95, ebenso Bergmüller (2002), S. 225 241 Vgl. o.V. (2004f), S. 7 242 Vgl. Hussla (2005a), S. 43
83
Das Geschäftsfeld der betrieblichen Altersvorsorge bietet somit noch erhebliche Wachs-
tumschancen. Diese sollen im folgenden erläutert werden, ebenso wie Ansatzpunkte für
eine Zusammenarbeit von Banken und Versicherungen in diesem Bereich.
Während der private Vorsorgemarkt etwa gleichberechtigt von Bank- und Versicherungs-
unternehmen beherrscht wird, haben die Versicherungen bei der Altersvorsorge im be-
trieblichen Geschäft einen großen Vorsprung. Auf die Frage, wer künftig ihr geeigneter
Partner in der betieblichen Altersvorsorge sein könnte, nannten die meisten der befragten
Unternehmen in einer Studie Versicherungen (37 %). Nur 9 Prozent der Befragten woll-
ten mit einer Bank zusammenarbeiten, etwa ein Drittel war sich über die Partnerwahl
unsicher.243
Die Wahlmöglichkeit für Arbeitgeber bzw. Arbeitnehmer zwischen fünf verschiedenen
Durchführungswegen weist auf einen umfassenden Beratungsbedarf hin, der von der
Studie bestätigt wird. Da im Zuge der Reform die Pensionskassen und Pensionsfonds als
einzige Versorgungsträger sowohl zulagegeförderte Nettoentgeltumwandlung (Riester-
Rente) als auch eine Bruttoentgeltumwandlung (bAV) zulassen, werden diese oft als die
Gewinner der Rentenreform betrachtet. Beide stehen unter der Aufsicht der BaFin und
basieren auf dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). Pensionskassen unterliegen je-
doch restriktiveren Anlagevorschriften gemäß § 54 VAG, während Pensionsfonds die
Chancen des Kapitalmarktes gemäß § 115 VAG mit geringeren Einschränkungen nutzen
können. Sowohl Banken als auch Versicherungen haben die Marktchancen erkannt und
eigene Pensionskassen und -fonds gegründet.244
Die Einführung einer betrieblichen Altersversorgung, sei es arbeitnehmer- oder arbeitge-
berfinanziert, hat für ein Unternehmen langfristige Auswirkungen, die eine genaue Ana-
lyse finanzwirtschaftlicher und bilanzieller Aspekte des zu wählenden Versorgungsweges
notwendig machen. Ein Beratungsbedarf entsteht, den neben Versicherungen auch Ban-
ken decken können.
Einen Handlungsbedarf erzeugen aktuell vor allem die bestehenden ungedeckten Pensi-
onszusagen vieler Unternehmen, die aufgrund einer ungünstigen Demographie der Beleg-
schaft zu hohen künftigen Verpflichungen führen werden. Pensionszusagen sind Direkt-
243 Vgl. Wachter (2003), S. 41 244 Vgl. Melchiors (2003), S.22
84
zusagen der Arbeitgeber an Arbeitnehmer, durch die diese einen Anspruch auf Leistun-
gen aus einer betrieblichen Altersversorgung erhalten. Zielgruppe der Direktzusage sind
in erster Linie Geschäftsführer und leitende Angestellte. Zur Finanzierung der Zusage
bildet das Unternehmen Pensionsrückstellungen, die nach §6 EStG den Gewinn mindern,
somit die Ertragssteuer reduzieren und daher einen Innenfinanzierungs- Effekt haben.245
Da die Zuführungen zu den Rückstellungen zwar Aufwendungen aber keine baren Vor-
gänge darstellen, ist es möglich, daß zum Zeitpunkt des Rentenantritts des Arbeitnehmers
keine ausreichenden liquiden Mittel zur Verfügung stehen. Zu dieser Problematik trägt
vor allem die vermehrte Frühverrentung in den Betrieben bei, was zu einem erheblichen
Liquiditätsrisiko führt: Unüberschaubare Pensionsverpflichtungen verschlechtern die
Bonität der Unternehmen und verteuern Kredite. Mit den neuen Bilanzierungsregeln nach
IFRS verschärft sich die Problematik: Die Pensionsverpflichtungen werden gegenüber
den HGB-Vorschriften im Durchschnitt rund 20 Prozent höher ausfallen, was zu einer
Herabstufung durch die Ratingagenturen führen kann.246
Eine Lösungsmöglichkeit für die Gefahren aus ungedeckten Pensionszusagen stellt die
Abgabe von Risiken über eine Rückdeckungsversicherung an eine Versicherung dar.
Möglich ist auch die Auslagerung der Rückstellungssumme in einen separat verwalteten
Fonds. Hier bietet sich der Pensionsfonds an, der als einziger Durchführungsweg eine
lohnsteuerfreie Übertragung auf einen externen Versorgungsträger ermöglicht.247
Die WestLB Panmure bezifferte im Jahr 2001 die Höhe der ungedeckten Pensionszusa-
gen, vor allem im deutschen Mittelstand, mit rund 125 Mrd. Euro und erwartete eine Ver-
vierfachung dieses Marktes innerhalb der folgenden fünf Jahre.248 Sowohl Banken als
auch Versicherungen sind an der Auslagerung dieser Pensionszusagen interessiert. Die
Auslagerung sowie das Geschäftsfeld der betrieblichen Altersvorsorge insgesamt verlan-
gen Kompetenzen, die am besten in einem integrierten Ansatz, d. h. gemeinsam von Ban-
ken und Versicherungen abgedeckt werden können:
245 Vgl. ausführlich Wachter (2003), S. 42. Aktuell nutzen sechzig Prozent der deutschen Unternehmen diese Form der Innenfinanzierung. Vgl. Hussla (2005), S. 15 246 Vgl. Hussla (2005), S. 15 247 Vlg. Hussla (2005), S. 15. Vorteil der Auslagerung in Pensionsfonds ist die internationale Vergleichbarkeit, da Pensionsfonds in angelsächsischen Ländern die Regel sind. Zudem wirkt die Verrechnung von Pensions-rückstellungen und Vermögenswerten bilanzverkürzend, nur die Bedienung der Pensionen taucht noch im operativen Ergebnis auf. 248 Vgl. WestLB Panmure (2001), S. 18. Insgesamt wird die Höhe der Pensionsrückstellungen auf 210 Mrd. Euro geschätzt, von denen nur rund 60 Mrd. über Wertpapieranlagen gedeckt sind, nur 25 Mrd. sind insolvenz-sicher vom übrigen Betriebsvermögen getrennt. Vgl. Redhardt (2004), S. 527
85
Zum einen sind reine Risiken (z. B. Langlebigkeit) sowie ökonomische Risiken (z.B.
Cash flow-Probleme bei Veränderungen der Belegschaft) abzudecken - dies erfordert die
versicherungsmathematischen Kenntnisse eines Versicherungsinstitutes. Daneben müssen
aber auch steuerrechtliche und bilanzielle Auswirkungen beachtet werden, was eher dem
Know-how von Banken entspricht. Zudem ist eine hohe Kompetenz im Asset Manage-
ment erforderlich.
Die notwendige Investmentstrategie erfaßt sowohl die Aktiv- als auch die Passivseite der
Unternehmen: Im Rahmen eines sog. Asset-Liability-Managements müssen die Kapital-
anlagen (Assets) sowie die Verbindlichkeiten (Liabilities) gleichzeitig gesteuert werden.
Zudem eröffnen sich weitere Geschäftsfelder, da viele Unternehmen nicht nur die Ver-
waltung der Vorsorgegelder delegieren wollen, sondern auch andere administrative Tä-
tigkeiten (z. B. Performance-Messung).249
Häufig geht es um „Komplettlösungen“ für Unternehmen, d. h. neben der Einrichtung
einer betrieblichen Altersvorsorge aufgrund des neuen Entgeltumwandlungsanspruchs
stehen vorhandene arbeitgeberfinanzierte Vorsorgesysteme zur Überprüfung oder Neu-
ordnung an.
Diese vielfältigen Beratungsaspekte untermauern die These von Experten, die einen in-
tegrierten Beratungsansatz von Banken und Versicherungen für die „gewinnende“ Strate-
gie im Geschäft mit der betrieblichen Altersvorsorge halten.250
Ungehobene Ertragspotentiale lassen sich dabei im Firmenkundengeschäft der Banken
ausmachen: Banken verfügen über langjährige und intensive Kundenbeziehungen im
deutschen Mittelstand und dabei über detaillierte Firmeninformationen, durch die sich
Anknüpfungspunkte für eine Beratung zur betrieblichen Altersvorsorge ergeben. Der
komplexe Beratungsbedarf dürfte allerdings zumeist ohne eine Zusammenarbeit mit einer
Versicherung und Fondsgesellschaft nicht durchführbar sein.
Nicht überraschend ist daher, daß Analysten das Geschäft mit der betrieblichen Alters-
vorsorge für „die“ zentrale Triebfeder des Zusammenschlusses aus Allianz und Dresdner
Bank erachten: Im Jahr 1999 hatte die Allianz in diesem Geschäft einen Marktanteil von
rund 23 %. Durch die Übernahme der Dresdner Bank eröffnete sich der Zugang zu zahl-
reichen engen Kundenkontakten im deutschen Mittestand. Der Zugewinn dieser Kunden-
249 Vgl. Redhardt (2004), S. 526f. 250 Vgl. bspw. Wachter (2003), S. 41, WestLB Panmure (2001), S. 17f., ebenso Redhardt (2004), S. 533
86
kontakte versprach ein breites Wachstumsfeld, womit sich die Allianz in diesem Geschäft
eine marktbeherrschende Stellung erhoffte.251
Aktuelle Zahlen belegen, daß die betriebliche Altersvorsorge für die Allianz immer be-
deutsamer wird: Rund fünfzig Prozent des Neugeschäfts der Allianz Leben fallen inzwi-
schen auf die betriebliche Vorsorge; der Marktanteil im Bestand der bAV beträgt 20 %.
Ausschlaggebend für die erfolgreiche Vertriebsleistung ist allerdings nach wie vor in
erster Linie der starke Außendienst. Der Vertrieb über die Dresdner Bank konnte zwar
deutlich zulegen (plus 30 %), trug aber in 2004 „nur“ rund acht Prozent zum bAV-
Neugeschäft bei.252
Insgesamt ist gezeigt worden, daß der Markt für private und betriebliche Altersvorsorge
ein Spielfeld darstellt, auf dem sich künftig Banken und Versicherungen sowohl in Kon-
kurrenz als auch in Kooperation begegnen werden. Aufgrund vielfältiger und komplexer
Problemstellungen ergeben sich durch einen integrierten, gemeinschaftlichen Ansatz bei
der Marktbearbeitung Vorteile.
251 Vgl. WestLB Panmure (2001), S. 20 252 Vgl. o.V. (2004f), S. 7
87
3.3 Allfinanz aus Kundensicht
Ziel der folgenden Abschnitte ist es, das Thema Allfinanz aus Kundensicht zu durch-
leuchten. Dabei soll festgestellt werden, ob bzw. inwieweit das Allfinanzkonzept einem
originären Kundenwunsch entspricht. Wünscht der moderne Privat- und Retailkunde ein
Finanzangebot „aus einer Hand“ und generiert ein integriertes Allfinanzangebot aus Kun-
densicht einen „Zusatznutzen“? Gibt es Studien, die einen Kundenwunsch nach Allfi-
nanzangeboten belegen und damit die Sinnhaftigkeit des Konzepts aus der Perspektive
des Kunden nachweisen können?
3.3.1 Kundenverhalten und Kundennutzen
Die Bedürfnisse und damit das Nachfrageverhalten der Privat- und Retailkunden unterla-
gen in den letzten Jahrzehnten einem starken Wandlungsprozeß.
Der frühere Mengenkunde war gekennzeichnet durch ein passives Informationsverhalten,
einen dementsprechend geringen Informationsstand in bezug auf finanzielle Fragen sowie
eine hohe Kundenbindung an seine Hausbank bzw. örtliche Filiale.253
Angesichts dieses relativ anspruchslosen, passiven Kundenverhaltens stellten die Befür-
worter des Allfinanzkonzepts folgende Hypothese auf, mit deren Hilfe sich ein Finanzan-
gebot „aus einer Hand“ plausibilisieren ließ: Je geringer die kognitiven Fähigkeiten des
Kunden und damit seine Fähigkeit, Produkte zur Befriedigung seiner finanziellen Bedürf-
nisse selbst zusammenzustellen, desto vorteilhafter sei es aus Kundensicht, auf ein integ-
riertes „Komplett“-Angebot zurückgreifen zu können.254
Die Gültigkeit dieser Hypothese ist mit Blick auf den eingetretenen Wandel im Kunden-
verhalten heute kritisch zu hinterfragen: Der moderne Mengenkunde – sowohl Bank- als
auch Versicherungskunde - zeichnet sich durch ein zunehmend aktives Informationsver-
halten und damit umfassendes Know-how in bezug auf Finanzierungs- und Anlagemög-
lichkeiten aus.255
253 Vgl. Swoboda (2004), S. 70f. 254 Vgl. Farny (1991), S. 167 255 Vgl. z.B. Kern (1999), S. 20
88
Molyneux macht für die seit den 80er Jahren stark gestiegene „Consumer Awareness“ in
Großbritannien einige Hauptgründe aus: Der Kundenwunsch, trotz Inflation gute Rendi-
ten zu erzielen sowie die Notwendigkeit privater Altersvorsorge machen aufmerksam für
langfristige, renditestarke sowie auch alternative Anlageformen. Hinzu kommt eine ver-
besserte Informationslage des Kunden durch hohen Werbeaufwand der Finanzinstitute.256
An die Stelle der früheren Bindung an eine Filiale tritt vor allem bei jungen und mittelal-
ten Kunden heute der Anspruch, Bankgeschäfte jederzeit an jedem Ort abwickeln zu kön-
nen (Multi-Channel-Banking). Insgesamt ist das Kundenverhalten hierdurch wesentlich
weniger vorhersagbar geworden: Man spricht daher vom sog. „hybriden“ oder auch „va-
gabundierenden“ Kundenverhalten – die Bindung des Kunde an ein Institut wurde abge-
löst durch das Bestreben, finanzielle Bedrüfnisse dort zu befriedigen, wo der höchstmög-
liche Nutzen erwartet wird.
Eine zielgerichtete Kundensegmentierung, anhand derer attraktive Kundensegmente und
Martkbearbeitungsstrategien abgeleitet werden können, ist angesichts dieser Entwicklung
zunehmend schwierig geworden: Sozioökonomische (bspw. Beruf, Einkommen) und
demographische (bspw. Alter, Geschlecht) Segmentierungskriterien erscheinen unzurei-
chend und müssen abgelöst werden durch Abgrenzungen nach Lifestyles oder Wertvor-
stellungen. Mit Blick auf das heterogene Kundenverhalten grenzen Markt- und Trendfor-
scher eine Vielzahl unterschiedlicher „Kundentypen“ im Privat- und Retailbanking ab. So
spricht man bspw. vom sog. „Smart-Shopper“, „Fun-Client“ oder „Convenience-
Client“.257 Unklar ist allerdings, wie hoch tatsächlich innerhalb dieser Gruppen der Anteil
„rational“ handelnder, nutzenoptimierender Kunden ist. So erscheint es möglich, daß trotz
des Trends zum reifen Kunden eine Vielzahl von Kunden ein bequemes Angebot „aus
einer Hand“ zu schätzen weiß.
Im folgenden sollen zwei weitere Annahmen untersucht werden, auf deren Grundlage
Allfinanzbefürworter in den 80er Jahren die Überlegenheit des Allfinanzkonzepts be-
gründeten.
Die erste Annahme besagt, daß mit Zunahme des Vermögens und Einkommens der Kun-
den gleichzeitig auch ihr Bedürfnis nach Bequemlichkeit und Service, d. h. einem Ange-
bot „aus einer Hand“, zunehmen werde.258
256 Vgl. Molyneux (1998), S. 19f. 257 Vgl. bei Swoboda (2004), S. 76 258 Vgl. Benölken (1992), S. 650
89
Diese Hypothese ist aus heutiger Sicht kritisch zu hinterfragen. Zwar ist es möglich, daß
ein Kunde die finanziellen Fragestellungen rund um sein gewachsenes Vermögen auf-
grund der Komplexität der Anlageoptionen an einen Anbieter delegieren möchte. Denk-
bar ist jedoch auch, daß der Kunde aufgrund seiner wirtschaftlichen Fachkompetenz ein
gestiegenes Preis- Leistungsbewußtsein an den Tag legt und die für ihn günstigsten Pro-
dukte u. U. selbst zusammenstellen will. Diese Vermutung wird unterstützt durch die
Beobachtung, daß die Kredit- und Versicherungsinstitute ihren Informationsvorsprung
gegenüber dem Kunden heute immer mehr verlieren. Über eine Vielzahl von Informati-
onsdienstleistern, bspw. Finanzportale, kann der Kunde die Angebote vielfältiger
Dienstleister vergleichen und bewerten. Während Allfinanz-Befürworter die „unüber-
schaubare“ Informationsflut als Argument für ein integriertes Angebot bewerten, kann die
umfassende Informationsversorgung ebenso als Argument für zunehmende Kundenreife
und damit gegen das Allfinanzkonzept verwendet werden.
Eine weitere Beobachtung spricht ebenso eher gegen die Sinnhaftigkeit eines integrierten
Finanzangebots: Viele Kunden fürchten, in die Rolle eines „gläsernen Kunden“ zu gera-
ten und möchten ihre finanziellen Angelegenheiten einem einzelnen Institut nicht voll-
ständig offenlegen. So konnte bspw. in kleineren Dörfern ein deutlicher Trend nachge-
wiesen werden, neben der Bankverbindung im eigenen Dorf eine diskrete Kundenverbin-
dung zu einem Institut im Nachbarort zu unterhalten.259
Die zweite zu untersuchende Annahme sagt aus, der Markt (hier gemeint: der Versiche-
rungsvertrieb) werde sich „polarisieren“: Ausreichende Ertragsaussichten im Geschäft
mit dem preisbewußten Mengenkunden ließen sich künftig nur noch im kostengünstigen
Direktvertrieb realisieren, während die notwendige Servicekompetenz für den anspruchs-
vollen, vermögenden Kunden nur im Allfinanzkonzern bereitstellbar sein werde. Den
Anbietern, die sich „in-between“ von Direktvertrieb und Allfinanzkonzern positionierten,
wurden schlechte Überlebenschancen eingeräumt.260
Auch diese Hypothese ist aus Kundensicht heute kritisch zu beurteilen. Führende Markt-
forscher machen nicht nur im Konsumgüterbereich, sondern auch bei den Finanz-
dienstleistern einen zunehmenden Trend zum „Cherry- Picking“261 aus:
259 Vgl. Benölken (1992), S. 649 260 Vgl. Benölken (1992), S. 650 261 Vgl. Blankenburg (1999), S. 163
90
Der „hybride“ Kunde unterhält heute ein Online-Konto bei einer Direktbank und läßt sich
gleichzeitig in Vermögensfragen bei einer Privatbank beraten. Dieses vagabundierende
Verhalten unterstützt weder die aufgezeigte Polarisierungshypothese noch das Überle-
genheitspostulat der Allfinanz.
Die Ausführungen zeigen, daß sich die Vorteilhaftigkeit eines Allfinanzangebots ange-
sichts der herrschenden Trends im Kundenverhalten nicht unbedingt belegen läßt. Ein
integriertes Angebot wird nicht bei allen Kunden zwangsläufig einen Kundennutzen262
stiften. Zu untersuchen ist, welche Faktoren zur Generierung eines Kundennutzens gene-
rell beitragen können und welche spezifische Ausgestaltung des Allfinanzangebots not-
wendig ist, um für den Kunden nutzstiftend zu sein.
Ein Kundennutzen entsteht immer dann, wenn ein Kundenbedürfnis durch die Leistung
eines Anbieters befriedigt wird.263 Grundsätzlich bietet ein integriertes Angebot von
Bank- und Versicherungsleistungen, d. h. ein Beschaffungsverbund, vor allem zwei An-
satzpunkte zur Befriedigung von Kundenbedürfnissen: Zum einen durch eine Kostener-
sparnis (Preissenkung) für den Kunden, zum anderen durch einen erhöhten Abwicklungs-
komfort.264
Die Realsierung eines Kundennutzens durch Preissenkung hängt davon ab, ob der Anbie-
ter die von ihm mit Hilfe des Allfinanzangebots realisierten Erträge und Kosteneinspa-
rungen an den Kunden weitergibt, d. h. die Konditionen verbessert. Wie in Kapitel 3.1.2
gezeigt wurde, lassen sich aus Anbietersicht Ertragssynergien durch ein integriertes An-
gebot generieren – ob, bzw. inwieweit diese in Form von günstigen Konditionen weiter-
gereicht werden, liegt in der Hand des Anbieters. Auffällig ist, daß eine Vielzahl deut-
scher Bürger im Jahr 1991 vermutete, ein integriertes Finanzangebot bei einem Anbieter
sei teurer als die getrennte Beschaffung bei Bank und Versicherung.265
Problematisch aus Kundensicht ist, daß bei Bündelung von Produkten zu einem einzigen
Problemlösungsangebot die Transparenz über die Preisgestaltung der einzelnen Produkt-
262 In Kapitel 3.1.2.2 wurde erläutert, daß ein Allfinanzangeobt aus Sicht des Resource-based View nur bei Generierung eines überlegenen Kundennutzens sinnvoll sein kann. 263 Vgl. Kremer (1994), S. 258. Allgemein ist zu beachten, daß die Nutzeneinschätzung eines Kunden letztend-lich immer ein individueller Prozeß ist und von persönlichen Präferenzen des Einzelnen abhängt. 264 Vgl. Zielke (1997), S. 120, Wagner (1991), S. 196 265 Vgl. Kremer (1994), S. 261, es wird auf eine Kundenbefragung von FMDS aus dem Jahr 1991 zurückgegrif-fen.
91
bestandteile verloren gehen kann: Die Vergleichbarkeit des Preis-Leistungsverhältnisses
der Einzelprodukte ist u. U. nicht mehr gewährleistet.
Die zweite Möglichkeit, Kundennutzen durch erhöhten Abwicklungskomfort zu generie-
ren, stellt sich wesentlich komplexer dar. Beachtet werden muß, daß der Nutzen sich für
den Kunden aus einer Summe von Komponenten zusammensetzt, die unterschiedlich
stark seine Kaufentscheidung beeinflussen.266 Neben dem beschriebenen Nutzen durch
Preissenkung spielen andere Faktoren in der Kaufentscheidung des modernen Kunden
eine Rolle, die vielfach den „emotionalen“ Bereich des Kundenverhältnisses berühren.
Unter Abwicklungskomfort sollen hier dementsprechend Faktoren wie die fachliche und
menschliche Qualität der Beratung, Sicherheit, Vertrauen, Servicequalität und Bequem-
lichkeit subsumiert werden.
Unter den Aspekt der Bequemlichkeit fällt vor allem der geringere Zeitaufwand bei Inan-
spruchnahme eines integrierten Finanzangebots. Der Anbieter kann dem Kunden einen
kompletten „Problemlösungsvertrag“ anbieten, der u. U. mit einer einzigen Unterschrift
abgeschlossen wird und für den nur eine (Komplett)-Prämie zu zahlen ist.267
Offensichtlich ist dabei, daß verschiedene Lebenssituationen eines Privat- und Retailkun-
den einen Beratungsbedarf induzieren, der durch ein integriertes Angebot besonders gut
abgedeckt werden kann.268 Der Kunde profitiert dabei im Vergleich zum getrennten Er-
werb durch geringere Transaktionskosten: Hierunter fallen Such- und Informationskos-
ten, Verhandlungs- und Entscheidungskosten.269 Besonders deutlich wird dies beim An-
gebot einer integrierten Finanzplanung, bspw. gestützt durch ein Finanzplanungstool: Der
Kunde wird in seinem Suchprozeß durch Informationen unterstützt, das gleichzeitige
Angebot von Produkten senkt seine Verhandlungs- und Entscheidungskosten (vgl. Kapi-
tel 5.4.4).
Ziel des folgenden Abschnitts ist es, anhand vorliegender Studien die übrigen Bestim-
mungsfaktoren der Kaufentscheidungen deutscher Bank- und Versicherungskunden zu
untersuchen. Herauszufinden ist, welche der oben genannten Faktoren den Kundennutzen
wesentlich bestimmen und ob ein Allfinanzangebot aus Sicht der Kunden als nutzbrin-
gend erachtet wird.
266 Vgl. Wagner (1991), S. 197f. 267 Vgl. Kremer (1994), S. 261 268 Beispiele sind die Lebensphase „Berufseinstieg“ (Girokonto und Berufsunfähigkeitsversicherung) oder Lebensphase „Erwerb von Wohneingentum“ (Baudarlehen und Wohngebäude- und Hausratversicherung) 269 Vgl. Richter/ Furubotn (1999), S. 167
92
3.3.2 Empirie zu Kundenanspruch und Kundenwunsch
Die Recherche der Autorin nach Marktforschungsstudien zu den Allfinanzwünschen
deutscher Privat- und Retailkunden führte zu dem Ergebnis, daß offenbar keine aktuellen
Studien zum Thema Allfinanz aus Kundensicht veröffentlicht sind.270 Hierzu wurden
Anfragen bei verschiedenen kreditwirtschaftlichen Verbänden, bspw. DSGV (Deutscher
Sparkassen- und Giroverband), BdB (Bund deutscher Banken) sowie der Martkfor-
schungsanstalt Allensbach gemacht.
Zwar führen viele Finanzdienstleister bei ihren Kunden regelmäßige Zufriedenheitsstu-
dien durch, in denen auch die Einstellungen gegenüber Allfinanzangeboten abgefragt
werden. Die Ergebnisse dieser Befragungen werden jedoch in der Regel nur zu unter-
nehmensinternen Zwecken verwendet und nicht veröffentlicht.271
Zurückgegriffen wird hier daher auf zwei bereits über ein Jahrzehnt zurückliegende Stu-
dien: eine Umfrage des Spiegel-Verlags (1989) sowie eine Studie von Gruner + Jahr
(1992) zur Akzeptanz von Allfinanzangeboten in der Bevölkerung.272
Beide Studien kommen zu dem Ergebnis, daß die Einstellung der Bevölkerung gegenüber
Allfinanzangeboten gespalten ist: In der Spiegel-Studie fanden es rund 66 % der Befrag-
ten „bequem“, alle ihre Finanzgeschäfte bei einer Bank durchführen zu können; 40 %
hielten ein Allfinanzangebot bei einem Versicherer für bequem. Dabei empfanden es
43 % der Befragten jedoch als nicht wünschenswert, daß die Bank über sämtliche ihrer
Finanzangelegenheiten Bescheid wußte; bezogen auf eine Versicherung waren es sogar
69 % der Befragten. In der zwei Jahre später durchgeführten Gruner + Jahr-Studie hielten
insgesamt 44 % der Befragten ein Allfinanzangebot grundsätzlich für bequem. Die Skep-
sis gegenüber der Bündelung ihrer Finanzinformationen bei einer Bank bzw. Versiche-
rung war im Vergleich zu zwei Jahren zuvor leicht gesunken und lag nur noch bei 39 %
bzw. 48 %.
Gemäß den Befragungsergebnissen genießen sowohl Banken als auch Versicherungen
großes Vertrauen in bezug auf ihre Beratungskompetenz im jeweiligen Kerngeschäft. Bei
der branchenübergreifenden Kompetenz scheinen Banken jedoch einen deutlichen Ver-
270 Zu dem gleichen Ergebnis kommt Prof. Baxmann (2002), S. 30. 271 Vgl. bei Hessler (1997), S. 56. Hier werden Ergebnisse aus einer internen Studie der Commerzbank zur jährlichen Messung der Kundenzufriedenheit zitiert. 272 Vgl. bei Scheele (1994), S. 126, Wagner (1991), S. 61. Die Studien des Spiegel-Verlags (1989, „Soll und Haben“ III) sowie von Gruner + Jahr (1992, „Markenprofile“, IV) basieren beide auf Befragungen von jeweils mehreren Tausend Bürgern in Westdeutschland.
93
trauensvorsprung zu haben: 36 % der Befragten vertrauen auf eine gute Beratung ihrer
Bank in Versicherungsfragen, aber nur 19 % vermuten eine gute Beratung ihrer Versiche-
rung in Kredit- und Geldfragen.
Auffällig ist zudem das Ergebnis der Gruner + Jahr- Studie, wonach zum Befragungszeit-
punkt erst drei Prozent der Befragten „schon gute Erfahrungen“ mit Allfinanzangeboten
gemacht hatten und ebenfalls nur etwa drei Prozent sich „besonders für Allfinanzangebo-
te interessierten“. Erst 44 % der Befragten hatten überhaupt schon von branchenübergrei-
fenden Allfinanzangeboten gehört. Hieraus kann geschlossen werden, daß zu Beginn der
90er Jahre der Kenntnisstand über Allfinanzangebote in der Bevölkerung (noch) sehr
gering ausgeprägt war. Auch wenn unterstellt wird, daß sich ein „originärer“ Kunden-
wunsch nach Allfinanz in der Bevölkerung nicht nachweisen läßt, so weist diese Beo-
bachtung doch darauf hin, daß der Bedarf an Allfinanzangeboten noch geweckt werden
kann.
Auf eine mögliche „Bedarfsweckung“ in bezug auf Allfinanzangebote weisen auch ver-
schiedene neuere Umfragen zur privaten Altersvorsorge hin: Die Notwendigkeit, das
Konsumverhalten zugunsten eigener Vorsorgemaßnahmen einzuschränken, wird von
immer mehr Bürgern anerkannt.273 Bankinterne Zufriedenheitsstudien der Commerzbank
zeigen, daß die Akzeptanz der Bankkunden gegenüber dem Angebot von Versicherungs-
produkten relativ schwankend ist: Während einige Bestimmungsfaktoren der Kundenzu-
friedenheit, wie „Freundlichkeit“ und „fachlich gute Beratung“, über die Jahre konstant
als „besonders wichtig“ erachtet werden, wird ein Allfinanzangebot mal als weniger, mal
als mehr wünschenswert eingeordnet.274
Eine von der Allianz/Dresdner Bank bei ihren Kunden intern durchgeführte Befragung
bescheinigt dem Allfinanzkonzept gute Zukunftsaussichten: Knapp 50 Prozent der be-
fragten Kunden wünschen sich demnach eine Finanz- und Vorsorgeberatung aus einer
Hand.275
273 Vgl. Erdmann (2001c), S. 449. Nach einer Befragung der Emnid waren drei Viertel der 2000 Befragten zum Konsumverzicht zugunsten der Altersvorsorge bereit, ein Anstieg um 18 % gegenüber 1997. 274 Vgl. Hessler (1997), S. 56 275 Vgl. o.V. (2005b), S. 23. Fünfzig Prozent der Befragten können sich sowohl vorstellen, Versicherungspro-dukte über den Bankschalter als auch Bankprodukte über Versicherungsagenten zu erwerben. Vgl. Interview der Autorin mit Joachim Müller, Leiter Allianz Sales and Support.
94
Eine aktuelle Studie der Psychonomics AG, Köln, zum Thema Allfinanz befaßt sich mit
dem Vertrieb von Bankprodukten über Versicherungsagenten und kommt zu einem deut-
lich anderen Ergebnis: Hiernach hat die Mehrzahl deutscher Versicherungskunden wei-
terhin klare Vorbehalte gegen das Angebot versicherungsfremder Produkte über Versi-
cherungsvertreter. Die Bereitschaft, dem Versicherungsvertreter Einblicke in die persön-
lichen Vermögensverhältnisse zu geben, ist eher gering ausgeprägt: Fast 70 Prozent der
befragten Versicherten lehnen dies grundsätzlich ab.276
Angesichts der geringen Zahl und der unterschiedlichen Ergebnisse aktueller Studien zum
Thema Allfinanz soll im folgenden eine ganzheitliche Analyse der Bestimmungsfaktoren
von Abschlußbereitschaft und Zufriedenheit der Bank- und Versicherungskunden vorge-
nommen werden.
Wie bereits vorher angedeutet, spielen emotionale Faktoren bei der Entscheidung eines
Kunden für oder gegen ein Finanzinstitut eine entscheidende Rolle. Die Ansprüche an
Finanzdienstleister aus Kundensicht wurden in verschiedenen Studien erhoben.277 Zu-
sammenfassend zeigt sich folgendes:
Das wesentliche Kriterium für die Wahl einer Versicherung ist das Vertrauen des Kunden
auf die künftige Leistung (im Schadensfall). Daneben spielt der Anspruch auf eine fach-
lich und menschlich kompetente Beratung die wichtigste Rolle. Sehr ähnlich stellen sich
die Erwartungen an eine Bank dar: Hier dominiert ebenfalls der Anspruch auf eine kom-
petene Beratung, daneben sind eine freundliche Betreuung sowie niedrige Gebühren
wichtige Entscheidungsfaktoren. Interessant ist, daß sowohl bei Bank- als auch Versiche-
rungsumfragen Beratungskompetenz vor günstigen Konditionen genannt wird.278
Eine von Benna (1998) durchgeführte Analyse der Präferenzstruktur deutscher Bankkun-
den mit Hilfe der Conjoint-Analyse kommt zu folgendem Ergebnis: Unter fünf abgefrag-
ten Kriterien bei der Wahl der Bankverbindung räumen die Befragten einer „kurzen We-
gezeit“ (zur Filiale) mit 41 % die höchste relative Wichtigkeit ein, das zweitwichtigste
Kriterium ist mit rund 19 % das „Hinzuziehen eines Produktspezialisten“.279 Diese Er-
gebnisse sprechen in zweifacher Weise für die Sinnhaftigkeit eines Allfinanzangebotes:
276 Vgl. o.V. (2005c), S. 44 277 Vgl. bei Kremer (1994), S. 112. Zitiert wird hier beispielhaft für mehrere Studien aus einer Repräsentativbe-fragung vom Institut für Demoskopie Allensbach („Kundenerwartungen“), eine Befragung im Auftrag der Allianz, 1989. 278 Vgl. bspw. A.T. Kearney (2004), S. 5. Hier wurden die Gründe für die Nutzung der Hausbank abgefragt. 89 % der Befragten legen auf eine kompetente Beratung, nur 56 % auf attraktive Konditionen wert. 279 Vgl. Benna (1998), S. 203
95
Da eine zusätzliche Wegezeit aus Kundensicht mit einem überdurchschnittlich starken
Abfall des wahrgenommenen Nutzens verbunden ist, kann ein integriertes Angebot im
Sinne des „one-stop-shopping“ als nutzstiftend empfunden werden. Auch der Wunsch
nach einem „Produktspezialisten“ läßt sich mit dem Prinzip eines Allfinanzangebots ver-
einbaren: So hat die Dresdner Bank bspw. im Zuge ihrer Fusion mit der Allianz in ihren
Filialen feste Arbeitsplätze für die Vorsorge- und Versicherungsbeauftragten der Allianz
eingerichtet, die in Kundengesprächen als Spezialisten zur Seite stehen.
Die Kundenansprüche an einen Finanzdienstleister können auch mit Hilfe des psycholo-
gischen Phänomens der Kundenzufriedenheit ermittelt werden. Bei der Zufriedenheit
handelt es sich um eine emotionale Reaktion des Kunden auf die Leistungen eines Anbie-
ters. Kundenzufriedenheit hängt eng mit der Kundenbindung und damit der Gesamtrenta-
bilität einer Kundenbeziehung zusammen und läßt sich u. a. in Cross-Selling- Quoten
operationalisieren. Im modernen Retail Banking geht man aufgrund einer Vielzahl von
Kundenbefragungen davon aus, daß zu den wichtigsten Bestimmungsfaktoren der Kun-
denzufriedenheit folgende Aspekte gehören280: Schnelle und freundliche Reaktion auf die
Wünsche des Kunden, „bequeme“ Abwicklung, eine eindeutige Zuordnung zum Bera-
tungspersonal sowie hohe Beratungsqualität und Servicebereitschaft.281
Es zeigt sich, daß mit Hilfe eines Allfinanzangebots einige der aufgezeigten Aspekte er-
füllt werden können: Ein integriertes Angebot trägt zu einer „bequemen“ Abwicklung
bei; zudem kann sich ein Allfinanzanbieter als „Komplett- Problemlöser“ für verschiede-
nen Lebenslagen des Kunden (Hausbau, Familiengründung u.s.w.) von der Konkurrenz
absetzen und somit u. U. überlegene Beratungsqualität anbieten. Nachweisbar ist heute
der Wunsch vieler Kunden nach einer „Rundum-Beratung“. Eine produktorientierte, zeit-
punktbezogene Kundenberatung wird immer mehr abgelöst durch eine zielgruppenorien-
tierte, zeitraumbezogene Betreuung im Sinne des „Lebensphasenkonzepts" (vgl. Kapitel
5.4.3).282 Allfinanzangebote entsprechen diesem Wunsch nach umfassenden Problemlö-
sungsangeboten.
280 Vgl. Swoboda (2004), S. 290 281 Nach einer Studie von KPMG (2004), S. 15f. ist die Mehrheit der deutschen Bankkunden „zufrieden“ mit ihrer Hauptbank (83 %). Allerdings besteht eine relativ hohe Wechselbereitschaft: 13 % der Befragten wollen ihre Hauptbankverbindung innerhalb der folgenden 12 Monate wechseln; als Hauptgrund wird „mangelnder Service“ genannt. 282 Vgl. bspw. Benölken (1992), S. 651, der das Lebensphasenkonzept bereits Anfang der 90er Jahre für die gewinnende Strategie im Versicherungs- und Bankvertrieb erachtete.
96
An dieser Stelle muß angemerkt werden, daß sich heute neben Banken und Versicherun-
gen eine Anbietergruppe besonders mit ihrem Ansatz ganzheitlicher Kundenbetreuung
hervorhebt: Die sog. Strukturvertriebe. Die größten Anbieter nach Provisions- bzw. Um-
satzerlösen sind in Deutschland die DVAG (Deutsche Vermögensberatung AG), gefolgt
von AWD (Allgemeiner Wirtschaftsdienst) sowie MLP (Marschollek, Lautenschläger &
Partner). Im folgenden Exkurs soll beispielhaft anhand der Erfolgsfaktoren von MLP283
analysiert werden, inwiefern diese Institute den modernen Kundenwünschen besonders
gerecht werden und ob Bank- und Versicherungsinstitute bei der Umsetzung ihrer Allfi-
nanzstrategien von den Sturkturvertrieben lernen können.
3.3.3 Das Allfinanzkonzept unabhängiger Strukturvertriebe
Wird der Begriff Allfinanz, so wie in Kapitel 1 vorgeschlagen, als das „gleichzeitige An-
gebot von Bank- und Versicherungsprodukten durch einen Finanzintermediär“ verstan-
den, so gelten auch die Strukturvertriebe per Definition als Allfinanzanbieter.
Eine Untergruppe bilden die sog. „unabhängigen“ Strukturvertriebe: Die Unabhängigkeit
bezieht sich dabei zum einen auf die Unternehmensbeteiligungen des Finanz-
dienstleisters, zum anderen auf die Ungebundenheit in bezug auf die Produktauswahl. Der
unabhängige Finanzberater MLP greift in seiner Produktpalette auf Kooperationen mit
rund 25 Unternehmen zurück, keines davon hat einen dominierenden Anteil; institutionel-
le Anleger und Aktionäre sind mit jeweils maximal drei Prozent an MLP beteiligt.284
Ziel der Produktunabhängigkeit ist es, das Geschäftsmodell konsequent auf den Bera-
tungsansatz auszurichten: Die Finanzberatung des Kunden steht im Mittelpunkt. Im Dia-
log mit dem Kunden werden dessen kurz- und langfristigen wirtschaftlichen Ziele sowie
sein Vorsorge- und Absicherungsbedarf definiert; die Beratung ist lösungs- und nicht
produktorientiert. Erst danach werden die dem jeweiligen Bedarf am besten entsprechen-
den Produkte zusammengestellt. Hierbei wendet MLP das sog. „bestpartner-Konzept“ an:
283 MLP wurde 1971 gegründet, 2001 in den DAX 30 aufgenommen und gilt in der Branche als ein Best Practi-ce- Beispiel für den Vertrieb von Finanzdienstleistungen an die Zielgruppe der Akademiker und vermögenden Privatkunden (jährliche Nettoeinkommen über 51 TSD Euro). Vgl. DSGV (2001), S. 42f. 284 Vgl. DSGV (2001), S. 44
97
Der Kunde erwirbt mit nur einem Vertrag Produkte- bzw. Produktmodule mehrerer An-
bieter. Die beteiligten Unternehmen sind in Konsortialverträge eingebunden, die Leistun-
gen der Partnerunternehmen werden von MLP regelmäßig anhand verschiedener Bench-
marks überprüft. Bei Unterschreitung der gestellten Anforderungen wird der Konsortial-
partner ausgetauscht.285
In einer von Forsa durchgeführten Studie gaben 70 % der Befragten an, in Fragen der
Altersvorsorge sei ihnen eine umfassende, unabhängige Beratung wichtig bzw. sehr
wichtig.286 Ebenso ergeben Studien der Citibank, daß 90 % ihrer Kunden auf eine unab-
hängige Beratung Wert legen.287 McKinsey prognostiziert den unabhängigen Finanzver-
mittlern eine Verdopplung ihrer Marktanteile im Lebensversicherungs- und Investment-
fondsgeschäft auf bis zu 30 %.288 Das Konzept von MLP scheint somit den Wünschen des
modernen Privatkunden zu entsprechen: Die persönliche Finanzberatung bei einer Person,
die kein Interesse an der Maximierung des Umsatzes für eine bestimmte Produktmarke
hat.
Einige Aspekte des unabhängigen Beratungsansatzes der Strukturvertriebe scheinen in
besonderer Weise mit modernen Kundenansprüchen konform zu gehen und sollen hier
herausgestellt werden:
• Die praktizierte Produktunabhängigkeit, d. h. die Auswahl der Produktpartner unab-
hängig von Abhängigkeiten oder Kooperationen auf Konzernebene, kommt dem ge-
stiegenen Preis-Leistungs-Bewußtsein des modernen, gut informierten Privatkunden
entgegen.
• Im Gegensatz zu den begrenzten Öffnungszeiten von Bankfilialen sind die MLP-
Berater flexibel in ihren Terminvereinbarungen; ein Erfolgsfaktor ist somit die Er-
reichbarkeit. Dies entspricht dem Trend zum Einsatz „mobiler“ Berater, den inzwi-
schen auch Banken und Versicherungen erkannt und z. T. umgesetzt haben (vgl. Ka-
pitel 5.4.2).
• Die Finanzberatung mit Hilfe des Lebensphasenkonzepts entspricht dem Ziel jedes
Finanzdienstleisters, den Kunden über sämtliche Lebensphasen hinweg zu begleiten,
285 Vgl. Schroeder- Wildberg (2004), S. 310 286 Vgl. Maschmeyer (2002), S. 64 287 Vgl. Kort (2004a), S. 22 288 Vgl. Surminski (2001), S. 473
98
und damit zu binden. Erfolgsfaktoren von MLP sind hierbei die voll integrierte Da-
tenverarbeitung, die konsequente Zielgruppenorientierung (jeweils auf spezielle Be-
rufsgruppen, bspw. Ärzte) sowie ein umfassender Internet- Service (jedem Kunden
wird online der volle Zugriff auf seine Daten und Leistungen ermöglicht).289
Insgesamt lassen sich mit Hilfe des Beispiels von MLP generelle Schlußfolgerungen für
eine erfolgreiche, kundenorientierte Umsetzung von Allfinanzkonzepten ziehen.
Integrierte Allfinanzanbieter sollten ihren Kunden kompetente, lebensphasenorientierte
Finanzberatung anbieten, um aus Kundensicht einen zusätzlichen Nutzen („added value“)
zu schaffen. Es kommt vor allem auf die Ausgestaltung der Beratung an, ob die Anbieter
mit konkurrierenden Instituten, wie den aufstrebenden Strukturvertrieben, mithalten kön-
nen.
Trotz des festgestellten Mangels an aktuellen empirischen Untersuchungen zu den Allfi-
nanzwünschen deutscher Privat- und Retailkunden, lassen sich erfolgversprechende An-
satzpunkte für ein integriertes Allfinanzangebot erkennen. Ob Allfinanz in Deutschland
Kundenwunsch ist oder wird, hängt damit in erster Linie von der Qualität und Umsetzung
der Allfinanzstrategien am Markt ab.
289 Vgl. ausführlich bei Schroeder- Wildberg (2004), S. 312
99
3.4 Allfinanz als Diversifikationsstrategie
Die Diversifikation als Strategie eines Unternehmens, durch internes oder externes
Wachstum neue Märkte zu erschließen, wird in der Literatur zum strategischen Manage-
ment vielfältig diskutiert. Es lassen sich im wesentlichen vier Diversifikationsstrategien
unterscheiden290: Die horizontale Diversifikation (Ausdehnung der Geschäftsaktivitäten
im bisherigen Produkt- und Marktbereich), vertikale Diversifikation (Ausdehnung der
Geschäftsaktivitäten auf Zulieferer- oder Kundengeschäfte), konzentrische Diversifikati-
on (Addition neuer, aber verwandter Produkte und Aktivitäten zum vorhandenen Portfo-
lio) sowie konglomerate Diversifikation (Addition neuer, nicht verwandter Produkte und
Aktivitäten). Aufgrund der vorhandenen Ähnlichkeiten (siehe Kapitel 2.4) des Bank- und
Versicherungsgeschäfts stellt die Strategie der Allfinanzpartnerschaft eine Form der kon-
zentrischen Diversifikation dar: Distribution, Marketing und Asset Management lassen
sich dabei als verwandte Bereiche einstufen, die verschiedene Synergiepotentiale aufwei-
sen.
Die theoretischen Motive für Diversifikation umfassen neben der Realisierung von Grö-
ßenvorteilen die Verbesserung der Risikoposition des Gesamtkonzerns. Der Aspekt der
Risikoreduktion durch Allfinanzkonzepte soll im folgenden näher analysiert werden. Zu
beachten ist hierbei, daß risikosenkende bzw. -erhöhende Effekte in der Regel nur bei
Allfinanzzusammenschlüssen auftreten, die Betrachtung schließt Verbindungen in Form
von losen Kooperationen daher aus.
In der Literatur wird eine verbesserte Risikosituation häufig als wichtige Triebfeder für
Allfinanzzusammenschlüsse genannt.291 Zu hinterfragen ist jedoch, ob die zusammenge-
faßten Geschäftszyklen von Banken und Versicherungen tatsächlich zu einer Verringe-
rung der Ertragsschwankungen im Gesamtunternehmen beitragen können, und ob nicht
gleichzeitig eine Akkumulation von Risiken zu befürchten ist. Der Abschnitt 3.4.1 wid-
met sich im besonderen der Frage des sog. „Double gearing“ und den aufsichtsrechtlichen
Änderungen nach Basel II.
290 Vgl. Molyneux (1998), S. 98f. Es wird auf die Diversifikations-Klassifizierung nach Ansoff (1957) Bezug genommen. 291 Vgl. bspw. bei Scheele (1994), S. 98; Bergmüller (2002), S. 233
100
Mit Blick auf die Entwicklung der Aktienmärkte in den letzten Jahren ist festzustellen,
daß das Geschäft der Banken insgesamt riskanter geworden ist. Die Volatilität der Akti-
enmärkte hat deutlich zugenommen, als eine Ursache wird die zunehmende Konvergenz
der Informationen angesehen.292 Die Verbesserung des Informationsstandes (bspw. durch
das Internet) führt demnach zu einer Harmonisierung der Annahmen und dies wiederum
zu einer Verstärkung von Kurstendenzen, die sich nicht mehr unbedingt kurzfristig aus-
gleichen. Die Ergebnisse der Banken werden folglich schwankender, die Fristentransfor-
mation insgesamt riskanter.
Ebenso ergeht es den Versicherungsinstituten. Hier kommt hinzu, daß mit der Umstellung
der Bilanzierung auf IAS ein wichtiges Ergebnissteuerungsinstrument weggefallen ist -
die sog. Spezialfonds. Diese wurden bisher nicht als Teil des normalen Investitionsportfo-
lios bewertet; ihre Ausschüttungen konnten von den Versicherern je nach Bedarf selbst
festgelegt und damit zur Gestaltung des Gesamtergebnisses eingesetzt werden.293 Die
Spezialfonds müssen seit Ablauf des Geschäftsjahres 2000 voll konsolidiert werden und
fallen als Ergebnissteuerungsinstrument somit weg, was zu volatileren Ertägen sowie
Bewertungen der Versicherer führt.
Angesichts dieser Entwicklungen ist es sowohl aus Bank- als auch aus Versicherungssicht
wünschenswert, die Volatilität ihrer Geschäfte, d. h. ihre Risiken, zu verringern. Die Stra-
tegie der Diversifikation, hier im speziellen der Zusammenschluß mit einem Institut des
anderen Sektors, bietet zu diesem Zweck verschiedene Ansatzpunkte.
Grundsätzlich ist eine Diversifikation durch den gleichzeitigen Vertrieb von Bank- und
Versicherungsprodukten positiv zu bewerten. Veränderungen, z. B. rechtliche oder steuer-
liche, die ein Produktsegment beeinflussen, wirken sich auf Gesamtkonzernebene auf-
grund der Vielfalt der Produkte nur noch in abgeschwächter Form aus. Als Beispiel ist
der teilweise Wegfall der Steuerbefreiung von Lebensversicherungen zu nennen. Ein
möglicher Rückgang dieses Geschäfts kann auf Konzernebene u. U. durch den Absatz
alternativer Anlageprodukte ausgeglichen werden.294
Durch die Fusion von zwei zuvor getrennten Instituten zu einer großen Einheit ergibt sich
zudem ein genereller Größenvorteil: Ein größeres Unternehmen ist in der Lage, riskante-
re Geschäfte und Investitionen zu tätigen, eventuelle Fehlschläge können aufgrund der
292 Vgl. WestLB (2001), S. 14 293 Vgl. Bergmüller (2002), S. 233 294 Vgl. Becker/ Hasenstab (2004), S. 83
101
Vielzahl der Aktivitäten leichter verkraftet werden als in kleineren Unternehmen.295 Dies
kann insgesamt zu einer Verringerung des Bankrottrisikos des Konzerns führen und somit
einen langfristig positiven Effekt auf die Überlebenschancen der Unternehmen haben.
Diese Verringerung des Bankrottrisikos drückt sich allerdings nicht notwendigerweise in
einer positiven Aktienkursentwickung des Konzerns aus und ist daher eher aus Stakehol-
der-Sicht als Vorteil zu bewerten.296
Ebenso nachvollziehbar ist eine Risikominderung, wenn im Kreditgeschäft eine Lebens-
versicherung dazu genutzt wird, das Solvabilitätsrisiko eines Kredits abzudecken. Der
Kreditnehmer schließt neben einem Kredit (rückzahlbar in einer Summe am Ende der
Laufzeit) eine Lebensversicherung über die gleiche Laufzeit ab. Der Kredit wird mit Hilfe
der ausgezahlten Lebensversicherung zurückgezahlt. Bei variablem Zinssatz des Kredites
schützt diese Konstruktion das Allfinanzunternehmen vor Zinsänderungsrisiken und be-
schert gleichzeitig ein zusätzliches Geschäft im Versicherungsbereich.
Aus Sicht einer Bank bedeutet zusätzliches Lebensversicherungsgeschäft, d. h. zusätzli-
ches Einlagengeschäft, zudem eine kostengünstige Refinanzierung - zumal die Höhe der
Spareinlagen bei Banken in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen ist.
Argumentiert wird des weiteren, ein Allfinanzkonzern besitze aufgrund seines größeren
langfristigen Geschäfts (bspw. Lebensversicherungen) eine höhere Kreditwürdigkeit auf
den internationalen Finanzmärkten. Somit könne bspw. bei größeren Schadensfällen die
Versicherungssparte kostengünstigere Kredite aufnehmen. Zudem verfüge ein Allfinanz-
konzern allein schon aufgrund seiner Größe über eine erhöhte Verhandlungs- und
Marktmacht.297
Kritisch ist hierbei folgendes anzumerken: Selbst in voll integrierten Allfinanzunterneh-
men ist häufig kein über Banken- und Versicherungssegmente übergreifendes Risikocont-
rolling anzutreffen.298 Auch wenn übergreifende Steuerungssysteme existieren, wird im
Geschäftsbericht darüber meist nur wenig berichtet. Dies macht es dem potentiellen Kre-
295 Vgl. Scheele (1994), S. 100 296 Vgl. Molyneux (1998), S. 121, 123. Verschiedene Studien (Event-Studies, zwischen 1970-2000) zu den Hintergründen von Unternehmensdiversifikationen kommen zu dem Ergebnis, daß eine Vielzahl von Diversifika-tionen „defensiven“ Charakter haben: Ziel der fusionierenden Firmen ist es dabei, eigene rückläufige Erträge durch Erschließung neuer Ertragsquellen auszugleichen – somit den Fortbestand der Firmen zu sichern. Diese empirische Beobachtung gibt eine Erklärung dafür, warum Diversifikationsstrategien sich nicht unbedingt in positiven Aktienkursbewertungen niderschlagen. 297 Vgl. Zielke (1997), S. 101, dieser bezieht sich u. a. auf verschiedene französische Autoren. 298 Vgl. Becker/ Hasenstab (2004), S. 82
102
ditgeber eines Allfinanzkonzerns schwer, die Risikosituation des Konzerns richtig einzu-
schätzen. Durch die Vorschriften von Basel II und Solvency II soll die Transparenz durch
erhöhte Informationsanforderungen an die Institute (sog. „3. Säule“) künftig zwar verbes-
sert werden, ein einheitliches Risikomeßsystem als Grundlage für die Eigenkapitalunter-
legung wird aber weiterhin keine Pflicht sein.299
Aus Gläubigersicht kann Diversifikation – trotz der aufgezeigten strategischen Vorteile –
also gleichzeitig zu mangelnder Transparenz führen, was der Kreditwürdigkeit eher ab-
träglich ist. Eine Analyse der Einzelunternehmen des Konzerns ist für den Kreditgeber
unerläßlich.
Befürworter des Allfinanzkonzepts führen die Möglichkeiten zum Austausch von Finanz-
aktiva im Allfinanzkonzern an: Die Bank kann, um ihren Spielraum zur Kreditvergabe
auszudehnen, Kredite verbriefen und als handelbare Wertpapiere weitergeben. Tritt die
Versicherung innerhalb des Konzerns als Käufer oder „Enhancer“ (Versicherer) dieser
gebündelten Kredite auf, wird die Eigenkapitalerfordernis der Bank verringert - sie kann
damit ihren Umsatz weiter erhöhen, ohne an ihre Solvabilitätsgrenzen zu stoßen. Die
Versicherung profitiert gleichzeitig durch eine gute Rendite.300
Ebenso ist es denkbar, daß die Versicherung im Fall von größeren Schadensereignissen
auf Kredite des Bankpartners zurückgreift, statt ihre Wertpapierreserven u. U. mit Kurs-
verlusten verkaufen zu müssen.301
In beiden Fällen ist zu beachten, daß durch die entstehenden Geschäftsbeziehungen in-
nerhalb des Konzerns Risiken des Bank- und Versicherungsgeschäfts „vermischt“ werden
können - Bank und Versicherung unterliegen dann den gleichen Riskofaktoren.
So nehmen Versicherungen im ersten Fall durch das Versichern verbriefter Kreditbestän-
de am Kreditrisiko des Bankpartners teil: Die Bank übernimmt das direkte Gegenparteiri-
siko, die Versicherung das versicherungstechnische Risiko – Adressrisiken werden da-
durch kumuliert. Im zweiten Fall werden Versicherungsrisiken, die eigentlich durch Risi-
kodiversifizierungen und Rückversicherung gedeckt werden müssen, durch Rückgriff auf
die Reserven (Kredite) des Bankpartners ausgeglichen.
299 Vgl. Becker/Hasenstab (2004), S. 83 300 Die Höhe der von Versicherungen gehaltenen verbrieften Anlagen hält sich nach Aussage der BaFin aktuell in Grenzen: So haben die deutschen Lebensversicherer nur rund 0,5 % ihrer Anlagegelder in verbrieften Anla-gen investiert. Der Transfer von Bankrisiken an Versicherer ist laut BaFin- Chefaufseher Sanio somit begrenzt und wird zudem streng überwacht. Vgl. Lansch (2003), S. 23 301 In Deutschland sind nach Angaben der Aufsichtsbehörden gruppeninterne Kredite von Banken an Versiche-rungen erlaubt; von Versicherungen an Banken bedingt erlaubt. Vgl. hierzu Amara (2005), S. 335
103
Angesichts dieser internen Verflechtungen befürchtet Prof. Hankel, daß durch Allfinanz-
zusammenschlüsse die Sicherungsnetze beider Finanzsektoren vermischt und damit anfäl-
liger werden. Börsencrashs, die bisher primär die Banken betrafen, könnten daher künftig
vermehrt auch die Versicherungsmütter in Mitleidenschaft ziehen. Umgekehrt träfen Ver-
sicherungsgroßschäden auch die Banken.302
Die vermehrte Bildung von Allfinanzkonglomeraten kann somit zu einer Erhöhung der
sog. Systemrisiken beitragen. Hierunter werden Risiken verstanden, die die Funktionsfä-
higkeit eines gesamten Systems, bspw. des Marktes für Finanzdienstleistungen, beeinflus-
sen. Im Fall der Schieflage eines Konzernunternehmens überträgt sich der entstehende
Vertrauensverlust der Kunden auch auf die übrigen Konzernunternehmen. Die volkswirt-
schaftlich negativen Auswirkungen sind dadurch höher als durch den Ausfall des Einzel-
unternehmens.303
Es lassen sich verschiedene Beispiele dafür aufzeigen, daß Bank- und Versicherungsinsti-
tute gleichartigen Risikotypen ausgesetzt sein können, was u. U. zu Risikokumulationen
führen kann:
Sowohl Banken als auch Versicherungen sind den sog. Marktrisiken ausgesetzt, je nach
Geschäftsstruktur und Anlageart in unterschiedlichem Umfang. Eine Risikokumulation
ergibt sich dabei bspw., wenn Bank und Versicherung eines Konglomerats in höherem
Umfang Wertpapiere des gleichen Emittenten halten. Dieselbe Situation kann im Han-
dels- und Derivategeschäft auftreten, sofern Geschäfte mit den gleichen Kontrahenten
abgeschlossen werden.304 Handelt es sich nicht direkt um den gleichen Schuldner, so ist
die Gefahr gleichgerichteter Risiken dennoch gegeben, wenn sich die Forderungen auf
Gegenparteien derselben Branche oder Region konzentrieren. Problematisch aus Sicht
der Kreditgeber eines Finanzkonglomerats ist dabei die Tatsache, daß aus den Geschäfts-
berichten der Konzerne kumulierte Adressrisiken in der Regel nicht direkt erkennbar
sind. Amara weist zudem auf die Möglichkeit hin, daß eine konzerninterne Vereinheitli-
chung von Steuerungsmodellen (bspw. Liquiditäts- und Risikomanagement) zu einer
302 Vgl. bei Weiler (2001), S. 20, Kommentar von Prof. Wilhelm Hankel zu Gefahren des Allfinanzkonzepts. 303 Neben den hier besprochenen Risiken in Allfinanzkonzernen existieren weitere Risiken, die für Konglome-ratsbildungen im allgemeinen gelten und daher an dieser Stelle nicht näher erläutert werden. Hierzu zählen u. a. Ansteckungsgefahren innerhalb eines Konzerns (durch Kapitalverflechtungen werden Schieflagen eines Kon-zernteils auf andere übertragen); zudem „Moral hazard“ (erhöhte Risikobereitschaft innerhalb eines Konzerns aufgrund der Erwartung von Hilfestellungen in Notfällen; „Too big to fail“). Vgl. hierzu ausführlich bei European Central Bank (2004), S. 15f. 304 Vgl. Amely (1994), S. 156, ebenso Becker/Hasenstab (2004), S. 83
104
Erhöhung der operationellen Risiken führen kann, da spezifische Modellrisiken sich auf
mehrere Unternehmenseinheiten auswirken.305
Trotz der aufgeführten Gefahren von Risikokumulation im Allfinanzkonzern - sei es
durch interne Verflechtungen oder das Eingehen gleichartiger Risikotypen – ist festzuhal-
ten, daß Risikoreduktion durch Diversifikation als ein zentrales Argument bei vielen eu-
ropäischen Allfinanzzusammenschlüssen genannt wird.306
Das Argument basiert auf Annahmen der modernen Portfoliotheorie: Diese besagt, daß
die Kombination zweier negativ korrelierender Einkommensströme zu einer Verminde-
rung ihrer Volatilität, d. h. des Gesamtrisikos, führt.307 Um die Portfoliotheorie auch auf
Unternehmen übertragen zu können, wird der diversifizierende Konzern stellvertretend
als Investor betrachtet, der sein Kapital in einer Vielzahl von Aktivitäten „anlegt“.
Diese Sichtweise weist einige grundsätzliche Schwachstellen auf: Im Gegensatz zum
privaten Investor, der bei seinen Investitionen in bezug auf die Höhe und den Zeitpunkt
seiner Anlagen kaum Restriktionen unterliegt, verfügt ein Unternehmen über einen we-
sentlich begrenzteren Spielraum. Umschichtungen im Portfolio der Aktivitäten sind kost-
spielig und von vielfältigen Einflüssen abhängig. Zudem bedeutet eine Diversifikation auf
Unternehmensebene nicht nur den Einsatz von Kapital, sondern auch von unternehmeri-
schen Fähigkeiten. Da diese das Risikoprofil des Gesamtkonzerns erheblich beeinflussen,
halten Kritiker den Ansatz der Portfoliotheorie nur für bedingt geeignet, Diversifikations-
strategien auf Unternehmensebene zu beurteilen.308
Zur Überprüfung der Anwendbarkeit der Portfoliotheorie bei Allfinanzkonzernen ist zu
analysieren, ob die Einkommensströme, d. h. die Erträge von Banken und Versicherungen
tatsächlich eine negative Korrelation aufweisen.
Nachvollziehbar ist eine negative Ertragskorrelation dann, wenn sich Unternehmen mit
nicht korrelierenden Geschäftszyklen zusammeschließen: Prozyklische Unternehmen,
deren Erträge positiv mit einem Wachstum der Wirtschaft korrelieren, haben u. U. ein
Interesse daran, sich mit antizyklischen Unternehmen, die von Verschlechterungen der
305 Vgl. Amara (2005), S. 306 306 Bspw. von Dr. Schulte-Noelle als eine der Triebfedern für das Konzept des integrierten Finanzkonzerns aus Allianz/ Dresdner Bank. Vgl. Schulte-Noelle (2003), S. 263 307 Vgl. ausführlich zur Portfoliotheorie bei Mertens (2004). 308 Vgl. bei Molyneux (1998), S. 120f.
105
Wirtschaftslage in geringerem Maße betroffen sind, zusammenzuschließen. Die unter-
schiedliche Reaktion auf Wirtschaftszyklen wirkt dabei ertragsstabilisierend.
Zu klären ist nun, inwiefern sich die Geschäftszyklen von Banken und Versicherungen
gleichen oder unterscheiden, d. h. ob die Erträge der Sektoren und ihre Risiken vorwie-
gend positiv oder negativ korrelieren.
Als allgemein anerkannt gilt, daß das langfristige Versicherungsgeschäft insgesamt weni-
ger riskant ist als das Kreditgeschäft.309 Eine Umfrage von Arthur Anderson aus den frü-
hen 90er Jahren ergab, daß ein Grund für die Versicherungsaktivitäten der Banken das
geringere Risiko im Versicherungsgeschäft (im Vergleich zum Kreditgeschäft) war.310
Argumentiert wird, vor allem die Schaden- und Unfallversicherung sei krisenresistenter
als das Bankgeschäft: Bei fallenden Börsen wirkten die konstanten Erträge des Versiche-
rungsgeschäfts für die Bank daher ertragsstabilisierend.311
Festzustellen ist auch, daß einige „typische“ Risiken des Bank- und Versicherungsge-
schäfts nicht positiv miteinander korrelieren: Das Risiko eines negativen Schadenver-
laufs, das Schadenversicherer eingehen, steht bspw. in keinem inneren Zusammenhang
mit den Kredit- und Marktrisiken von Banken. Das gleiche gilt für das Langlebigkeitsri-
siko bei Lebensversicherern.
Bestätigt werden diese Aussagen durch einige aktuelle Studien, die europäische Allfi-
nanzkonglomerate auf Basis von Aktienkursentwicklung sowie Jahresabschlußzahlen
untersuchen. Diese kommen zu dem Schluß, daß die Diversifikation der Geschäftsfelder
zu einer stabileren Ergebnisentwicklung der Allfinanzanbieter im Vergleich zu reinen
Bank- oder Versicherungsgruppen führen kann.312
Ebenso ist aufgrund der unterschiedlichen Rückstellungspolitik von Banken und Versi-
cherungen ein stabilisierender Effekt möglich: Ein wachsendes Aktivgesschäft bedeutet
für die Bank positive Erträge; Rückstellungen werden erst beim Eintritt von Schadensfäl-
len gebildet. Bei stagnierendem Aktivgeschäft wird die Bank von ihren ungedeckten Kre-
ditrisiken "eingeholt", die Erträge sinken.313 Im Gegensatz dazu ist ein expandierendes
Versicherungsgeschäft für eine Versicherung zunächst mit negativen Ergebnissen ver-
309 Vgl. bei Molyneux (1998), S. 136 310 Vgl. Scheele (1994), S. 100 311 Vgl. Schulte- Noelle (2003), S. 261 312 Vgl. bei OECD (2004), S. 21 313 Vgl. Zielke (1997), S. 182
106
bunden, da Rückstellungen gebildet werden müssen. Ein stagnierendes Geschäft bringt
dagegen positive Ergebnisse, da diese Notwendigkeit entfällt.
Insgesamt ist jedoch festzustellen, daß Banken und Versicherungen auf Konjunktur-
schwankungen größtenteils gleichgerichtet reagieren. Sowohl Banken als auch Versiche-
rungen profitieren ertragsseitig von steigenden langfristigen Zinsen (begleitet von einer
steilen Zinsstrukturkurve).314 Ebenso nachweisbar sind sowohl bei Banken als auch bei
Versicherungen steigende Erträge bei steigenden Aktienmärkten aufgrund höherer Erträ-
ge im Anlagegeschäft. Steigende Aktienmärkte korrelieren positiv mit einer positiven
Entwicklung der Gesamtwirtschaft. Diese wiederum bringt insgesamt geringere Ausfälle
im Kreditgeschäft der Banken mit sich.
Es läßt sich festhalten: Sowohl Banken als auch Versicherungen profitieren von einem
Wirtschaftswachstum. Ein Wirtschaftsabschwung (wie bspw. zwischen 2001 und 2003)
beeinflußt umgekehrt beide Sektoren negativ. Das Ausmaß einer Risikoreduktion durch
Verringerung von Ertragsvolatilitäten scheint bei Allfinanzzusammenschlüssen somit
begrenzt zu sein. Auch wenn, wie oben gezeigt, einige typische Risiken der Geschäftsbe-
reiche nicht positiv korrelieren, scheint in bezug auf die Erträge eine positive Korrelation
vorzuliegen.
Manager des Fortis-Konzerns legen in einer Präsentation zum Risikomanagement aller-
dings nahe, das Thema Risikoreduktion durch Allfinanz nicht nur aus Sicht der Erträge zu
betrachten315: Neben der Korrelation von Erträgen müsse ebenso die Korrelation der Fair
Values (Werte) der Unternehmenseinheiten beachtet werden. Grund hierfür ist, daß Fortis
die Höhe des insgesamt notwendigen ökonomischen Kapitals auf Basis der Höhe des Fair
Values der Gruppe festlegt. Die Zuweisung des ökonomischen Kapitals zu den einzelnen
Unternehmenseinheiten erfolgt wiederum auf Basis der Volatilitäten der Fair Values der
einzelnen Einheiten.
314 Vgl. UBS (2004), S. 35, ebenso Fortis (2004), S. 13. Zielke spricht hingegen von einer negativen Wirkung steigender Zinsen auf Versicherungen: Bei steigendem Zinsniveau komme es zu einer vermehrten Kündigung von Lebensversicherungen, da der Versicherer aufgrund fallender Kurse mit seinen festverzinslichen Wertpa-pieren Kursversluste erlitten hat. Um nicht mit Kursverlusten festverzinsliche Wertpapiere verkaufen zu müssen, um die Kunden auszuzahlen, könne der Versicherer u. U. auf Kredite der Bank, die von dem steigenden Zinsni-veau profitiert, zurückgreifen. Vgl. Zielke (1997), S. 194 315 Vgl. Fortis (2004), S. 15f. Die Präsentation wurde während einer Roadshow Anfang 2004 in Deutschland vom General Manager des Risk Management (Luc Henrard) sowie dem Leiter von ALM von Fortis (Philippe Goosse) gehalten.
107
Argumentiert wird, daß der Fair Value des Bank- und des Versicherungsbereichs bei Ver-
änderungen des Zinsniveaus in gegensätzliche Richtungen ausschlägt. Grund hierfür ist
die gegensätzliche Laufzeitstruktur der Aktiva und Passiva der Bereiche: Banken halten
hauptsächlich mittel- und langfristige Assets, die mit kurzfristigen Verbindlichkeiten
finanziert werden. Die Assets und Verbindlichkeiten der Versicherer sind dagegen beide
eher langfristig, wobei die Assets kurzfristiger als die Verbindlichkeiten sind.316 Fortis
zeigt, daß bei verschiedenen Zinsszenarien die Fair Value- Sensitivität des Bank- und
Versicherungsbereichs negativ korreliert.317 Allerdings korrelieren beide Bereiche positiv
mit steigenden Aktienmärkten.
Nach Angaben von Fortis hat dieser ausgleichende Risikoeffekt bei Fortis einen erhebli-
chen Einfluß auf die Gesamthöhe des ökonomischen Kapitals auf Gruppenebene: Auf-
grund des Diversifikationsvorteils war die Höhe des notwendigen ökonomischen Kapitals
auf Gruppenebene in 2002 um 16 % (2,7 Mrd. Euro) geringer als die Summe des not-
wendigen ökonomischen Kapitals der einzelnen Gruppenteile.
Aus Perspektive des ökonomischen Eigenkapitals ist hiernach also ein positiver Diversifi-
kationseffekt nachweisbar. Allfinanzkonzerne, die die Allokation des ökonomischen Ei-
genkapitals wie Fortis auf Fair Value-Basis vornehmen, können offenbar in gewissem
Umfang Eigenkapitalkosten einsparen. Zu beachten ist allerdings, daß derartige Effekte
keinen Einfluß auf das rechtlich notwendige Eigenkapital des Konzerns haben: Die Höhe
des jeweils rechtlich notwendigen Eigenkapitals von Bank und Versicherung wird von
den verschiedenen Aufsichtsgesetzen vorgegeben. Es kann also durch Diversifikationsef-
fekte nicht beeinflußt werden.
Zudem ergibt sich durch den beschriebenen Diversifikationseffekt keine spürbare Wir-
kung für die Aktionäre: Weder die Rating-Agenturen noch die Rechnungslegungsstan-
dards bewerten bisher Kapital auf Fair Value-Basis.318
316 Vgl. Deutsche Bundesbank (2005a), S. 46; Fortis (2004), S. 15f., ebenso Molyneux (1998), S. 136 317 Bsp.: Bei fallendem Zinsniveau steigt der Fair Value des Bankbereichs und gleicht den fallenden Fair Value des Versicherungsbereichs in gewissem Maße aus. 318 Vgl. UBS (2004), S. 36
108
3.4.1 Double Gearing und die Aufsicht von Allfinanzkonzernen
Im vorherigen Abschnitt wurde gezeigt, daß sich in einem Allfinanzkonzern offenbar kein
entscheidender Diversifikationsvorteil in bezug auf das Gesamtrisiko ergibt. Statt dessen
muß davon ausgegangen werden, daß die Risiken aufgrund von z. T. positiver Ertragskor-
relation eher additiv sind. Bankanalysten führen darüber hinaus an, daß die Gesamtrisiken
eines Allfinanzkonzerns u. U. sogar höher sind als die Summe der Einzelrisiken ihrer
Bank- und Versicherungsunternehmen: Ursache ist das sog. Double Gearing, durch das
Bank- und Versicherungsrisiken vermischt werden können.319
Double Gearing steht für die Mehrfachnutzung von Eigenmitteln. Diese kommt vor, wenn
durch die Gründung von Tochterunternehmen oder durch Beteiligungen das Eigenkapital
(des Mutterunternehmens) mit Risiken anderer Unternehmen (der Töchter) belastet wird.
Im Kern handelt es sich um ein Phänomen, das ebenso in reinen Bank- oder Versiche-
rungsgruppen auftritt und vor Jahren bereits für beide Sektoren in der Diskussion
stand.320 Aufgrund der zunehmenden sektorübergreifenden Fusionen ist das Thema be-
sonders im Allfinanzbereich in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt.
Der Vorgang des Double Gearing läßt sich anhand eines Beispiels wie folgt beschreiben:
Eine Bank verfügt auf ihrer Passivseite über ein Eigenkapital von insgesamt 100 Einhei-
ten und finanziert davon aktivseitig eine Beteiligung an einer Versicherungstochter über
30 Einheiten. Diese 30 Einheiten stehen der Versicherung als Eigenkapital zur Verfü-
gung. Es sei davon auszugehen, daß sowohl die Bank als auch die Versicherungstochter
ihre jeweiligen Solvabilitätsvorschriften durch dieses Eigenkapital genau einhalten kön-
nen. Insgesamt betrachtet werden also 130 Einheiten Eigenkapital ausgewiesen, obgleich
es sich effektiv nur um die ursprünglichen 100 Einheiten handelt - von denen 30 nun so-
wohl bei der Bank als auch der Versicherungstochter formal zum Risikoausgleich zur
Verfügung stehen. Dieses Eigenkapital ist also sowohl mit Bank- als auch mit Versiche-
rungsrisiken belastet.321
319 Vgl. ausführlich bei UBS (2004), S. 27ff. 320 Vgl. bei Hölscher (1999), S. 211 321 In der Literatur wird teilweise behauptet, die Mehrfachnutzung von Eigenkapital sei unkritisch, sofern keine positiv korrelierenden Risiken der Einzelunternehmen (Bank und Versicherung) vorlägen, da Risiken sich in dem Fall innerhalb der Gruppe ausgleichen könnten. Vgl. bei Hölscher (1999), S. 212. Dieser Auffassung ist in Anbetracht der gefundenen positiven Korrelationen von Bank- und Versicherungsrisiken eher zu widersprechen.
109
Nach aktuellen aufsichtsrechtlichen Vorschriften sind die Eigenkapitalanforderungen
(Solvabilitätsvorschriften) von Banken und Versicherungen in einem Konzern getrennt
voneinander zu erfüllen. Für das Kreditrisiko der Bank und das versicherungstechnische
Risiko des Versicherers sind die jeweiligen Eigenmittelunterlegungen nach KWG und
VAG erforderlich. Um den aufgezeigten Effekt des Double Gearing zu vermeiden, ist
jedoch eine Betrachtung auf konsolidierter Basis notwendig. Es müssen spezifische Ei-
genkapitalanforderungen auf Ebene des Konglomerates gesetzt werden, die neben den
geltenden Eigenmittelanforderungen gruppenübergreifend zu erfüllen sind.
Nach bisheriger Rechtslage in Deutschland war nur für Bankengruppen die zusätzliche
Erfüllung von Eigenmittelanforderungen auf Gruppenebene vorgeschrieben (§10a KWG).
Eine entsprechende Vorschrift für Versicherungsgruppen lag nicht vor. Zwar hielt es die
BAV (Bundesanstalt für Versicherungen) für erforderlich, bei der Berechnung der Ei-
genmittel einer Versicherung die Buchwerte von Beteiligungen an anderen Versicherern
in Abzug zu bringen – dieser Vorschlag wurde jedoch nicht umgesetzt. Bei der Überprü-
fung der Solvabilität von Versicherungen und Versicherungsgruppen blieben bisher die
Beteiligungsverhältnisse zu anderen Unternehmen unberücksichtigt. 322
Mit der Umsetzung der europäischen Finanzkonglomerate- Richtlinie vom 16. Dezember
2002 wurden nun die Voraussetzungen für eine einheitliche Beaufsichtigung von Finanz-
konglomeraten geschaffen. Künftig bestehen für Finanzkonglomerate neben den sektor-
spezifischen zusätzlich auch gruppenübergreifende Solvabilitätsvorschriften.323 Mit dem
sog. Finanzkonglomerate- Richlinie- Umsetzungsgesetz (FKRLUmsG) soll die Richtlinie
in nationales Recht transformiert werden.
Die Richtlinie, die in Deutschland von der BaFin umgesetzt werden wird, findet erstmals
bei der aufsichtsrechtlichen Prüfung der Geschäftsabschlüsse für das Geschäftsjahr 2005
Anwendung. In Deutschland werden voraussichtlich acht Finanzkonglomerate von der
Richtlinie erfaßt. Dies erscheint angesichts von über zweitausend Banken und etwa 450
Versicherungsinstituten in Deutschland wenig, erklärt sich jedoch durch die eng gefaßte
322 Die Gegner einer konsolidierten Betrachtung des Eigenkapitals auf Gruppenebene argumentierten folgen-dermaßen: Aufgrund der geltenden Spartentrennung könnten die Risiken innerhalb von Versicherungsgruppen nicht oder kaum korrelieren. Die Doppelbelegung der Eigenmittel sei daher nicht mit Gefahren verbunden. Vgl. GDV (2004), S. 4 323 Vgl. die Ausführungen zur Finanzkonglomerate-Richtlinie bei Papenhausen (2004), S. 12ff.
110
Definition. Nur wenn bestimmte Schwellenwerte erreicht werden, d. h. das Institut in
erheblichem Umfang branchenübergreifend tätig ist, gilt es nach § 51a KWG als Finanz-
konglomerat.
Mit Hilfe der Richtlinie soll künftig überprüft werden, ob Allfinanzkonzerne auf Grup-
penebene über insgesamt angemessene Eigenmittel verfügen. In Deutschland wurde hier-
zu § 10b KWG eingefügt. Zwei Methoden werden zur Berechnung der Eigenkapitalan-
forderungen alternativ zur Verfügung stehen: Die Berechnungsmethode auf Grundlage
des konsolidierten Abschlusses oder die sog. Abzugsmethode.324 Ziel der Berechnungen
ist es, künftig auszuschließen, daß Eigenmittel innerhalb eines Allfinanzkonzerns mehr-
fach mit Risiken belastet werden.325
Bisher ist noch nicht absehbar, ob die zusätzlichen Eigenkapitalanforderungen bei den
deutschen Finanzkonglomeraten zu einem erhöhten Eigenkapitalbedarf führen werden.
Sicher ist, daß die Umsetzung der Richtlinie in Europa die Gefahr des Double Gearings
in den Fokus der Aufsicht und auch der Investoren rückt. Inwieweit es europaweit tat-
sächlich zu einem Verbot der Mehrfachnutzung von Eigenkapital in Allfinanzkonglome-
raten kommen wird, ist aktuell noch nicht erkennbar.326
Bei der Analyse europäischer Allfinanzzusammenschlüsse der letzten Jahre stellen Bank-
analysten fest, daß die Mehrfachnutzung von Eigenkapital bei einigen Fusionen eine
nicht zu unterschätzende Rolle gespielt hat. Aus Sicht einer Bank, die eine Versicherung
erwirbt, bewirkt der Effekt des Double Gearing, daß die Beteiligung an der Versicherung
zu 100 % mit Fremdkapital finanziert werden kann. Das in der Versicherungstochter in-
vestierte Kapital bleibt im Tier 1- Eigenkapital der Mutter enthalten und muß nur vom
Gesamt-Eigenkapital (Tier 1 plus Tier 2) abgezogen werden. Obgleich das Kapital also in
der Versicherungstochter verwendet wird, ist es weiterhin im Tier 1 der Mutter enthalten
und haftet für Bankrisiken.
324 Vgl. ausführlich bei Deutsche Bundesbank (2005a), S. 50ff. Bei der Methode auf Grundlage des konsolidier-ten Abschlusses werden die Eigenmittel der Bankinstitute nach § 10a Abs 6, Satz 3-9 KWG zusammengestellt sowie die Eigenmittel der Versicherungen nach § 53c VAG. Die so insgesamt ermittelten Eigenmittel müssen größer sein als die Summe der jeweiligen Eigenmittel nach branchenspezifischer Anforderung. 325 Die Finanzkonglomerate- Richtlinie sieht daneben vor, daß Finanzkonglomerate künftig speziellen Anzeige-pflichten unterliegen; dies bezieht sich auf Risikokonzentrationen innerhalb der Gruppe sowie gruppeninterne Transaktionen (§ 13c KWG). Vgl. Papenhausen (2004), S. 14 326 Vgl. UBS (2004), S. 32.
111
Der daraus resultierende Finanzierungseffekt für das Mutterunternehmen läßt sich bei-
spielhaft für die Credit Suisse demonstrieren: Ende 2002 hielt die Credit Suisse nur 400
Mio. Schweizer Franken an Eigenkapital gegen ihre Tochtergesellschaft Winterthur. Ana-
lysten der UBS behaupten jedoch, daß aus ökonomischer Sicht rund 9,5 Mrd. Schweizer
Franken notwendig gewesen wären.327
Dieser bislang mögliche, vorteilhafte Effekt für Banken steht in Zukunft jedoch zur Dis-
position. Die Umsetzung von Basel II (voraussichtlich 2007) sieht vor, daß Banken künf-
tig ihr in Versicherungstöchtern investiertes Kapital zu 50 % vom Tier l und zu weiteren
50 % vom Tier 2- Kapital abziehen müssen. Dies bedeutet eine substantielle Erhöhung
der vorzuhaltenden Eigenkapitalmittel bei einer Akquisition, was die Attraktivität derarti-
ger Allfinanzzusammenschlüsse in den nächsten Jahren vermindern dürfte.
Insgesamt ist festzuhalten, daß in Zukunft sowohl durch Basel II als auch die Finanz-
konglomeraterichtlinie Double Gearing-Effekte verstärkt überwacht werden. Einige Ana-
lysten vermuten, daß aufgrund der künftigen Kapitalanforderungen durch Basel II die
Zahl der Allfinanzakquisitionen auf Initiative von Banken zurückgehen wird. Anstelle
von Fusionen erwartet man, daß vermehrt Kooperationen eingegangen werden.328
327 Vgl. UBS (2004), S. 21 328 Vgl. Credit Lyonnais Securities (2004), S. 9
112
4 Der Erfolg von Allfinanz aus empirischer Sicht
Ziel des folgenden Kapitels ist es, anhand vorliegender empirischer Befunde den Erfolg
bisheriger Allfinanzzusammenschlüsse zu untersuchen. Gegenstand der Analyse sind
ausschließlich Konzernlösungen; Kooperationen werden nicht in die Betrachtung einbe-
zogen. Zunächst werden die Schwierigkeiten einer präzisen Definition des Erfolgs von
Fusionen diskutiert und der Erfolgsbegriff aus verschiedenen Blickwinkeln analysiert.
Untersucht wird des weiteren, welche methodischen Ansätze sich zur Messung des Fu-
sionserfolges aus Sicht der Aktionäre der beteiligten Institute eignen. Abschnitt 4.2. trägt
aktuelle empirische Forschungsergebnisse zur Erfolgsanalyse bisheriger Banken- und
Allfinanzfusionen am europäischen und amerikanischen Markt zusammen.
4.1 Möglichkeiten der Erfolgsmessung und ihre Grenzen
In Kapitel 2.5. wurde der Umsetzungsstand des Allfinanzkonzepts in Europa sowie spe-
ziell in Deutschland untersucht. Hierbei wurden einige Meßgrößen zur Ermittlung des
Erfolgs von Allfinanzkonzepten vorgestellt - bspw. die sog. Marktdurchdringung sowie
Cross-Selling-Kennziffern. Diese Kennzahlen sind geeignet, den Erfolg von Allfinanz-
partnerschaften auf Unternehmensebene transparent zu machen und ermöglichen gleich-
zeitig Vergleiche auf Instituts- oder Landesebene. Allerdings ist festzustellen, daß nicht
alle im Allfinanzgeschäft tätigen Institute diese Erfolgsgrößen veröffentlichen.329
Mit Blick auf bisherige Fusionen ist zu konstatieren, daß die beteiligten Institute häufig
kein systematisches Akquisitionscontrolling implementiert haben: Der Zielerreichungs-
grad quantitativer und qualitativer Fusionsziele wird oft nicht konsequent nachverfolgt,
eine Wirtschaftlichkeitsnachrechnung für laufende Integrationsprojekte unterbleibt. Davis
nennt als Beispiele die amerikanischen Banken Bank One und First Union, die trotz einer
Vielzahl von Akquisitionen keine separate Erfolgsrechnung pro Transaktion durchgeführt
haben.330
329 Vgl. Kort (2004b), S. 23. Die Dresdner Bank weist zwar auf das hohe Cross-Selling-Potential durch den Verkauf von Allianz-Versicherungen hin, macht jedoch keine genauen Angaben zu Cross-Selling- Kennziffern. 330 Vgl. Davis (2000), S. 93. Ebenso konstatiert Jansen, daß nur 7 % von 103 untersuchten deutschen Unter-nehmensfusionen ein systematisches Akquisitionscontrolling durchführen. Vgl. Jansen (2000), S. 475
113
Häufig verzichten die Fusionspartner bei Bekanntgabe der Fusion auf Angaben zur ge-
planten Höhe von Ertragssynergien, da eine Quantifizierung mit vielen Unsicherheitsfak-
toren belastet ist (Vgl. Kapitel 3.1.5).
Als Beispiele sind hier die Allfinanzfusionen von Citicorp und Travelers im Jahr 1998
sowie von Lloyds TSB und Scottish Widows zu nennen: In beiden Fällen wurden keine
Angaben zu den geplanten Ertragssynergien gemacht.331 Eine Erfolgsbewertung gestaltet
sich für Unternehmensexterne dementsprechend schwierig. Ebenso häufig unterbleiben
bei Fusionen Angaben zur Höhe der Restrukturierungskosten (bspw. bei Lloyds
TSB/Scottish Widows; Credit Suisse/Winterthur). Auch wenn hierzu Zahlen veröffent-
licht werden, ist die Nachverfolgung angefallener Kosten schwierig: Abschreibungen von
IT-Anlagen oder Kosten durch Mitarbeiterverluste werden selten in der Finanzpresse
veröffentlicht und gehen statt dessen in allgemeinen Aufwandspositionen der fusionierten
Institute „unter“.332
Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie der Erfolg einer Fusion gemessen werden soll.
Jansen weist darauf hin, daß eine Fusion nur dann erfolgreich sein kann, wenn die mit ihr
verbundenen Ziele erreicht werden.333 Dies impliziert die Frage nach den tatsächlichen
Zielen der jeweiligen Fusion.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht steht hinter jeder Investition – und damit auch Fusion -
das Ziel einer Gewinnmaximierung bzw. einer Unternehmenswertsteigerung. Basierend
hierauf hat sich das angelsächsisch geprägte Shareholder-Value-Konzept als Paradigma
der Unternehmensführung durchgesetzt: Ziel eines Unternehmens muß hiernach die
nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes bzw. der Anlagerendite für die Anteils-
eigner (Shareholder) sein.334 Eine Fusion ist dementsprechend als erfolgreich einzustufen,
wenn das fusionierte Unternehmen den Aktionären einen höheren Mehrwert bringt als der
Besitz von Aktien beider Unternehmen. Kritisch sind hierbei folgende Punkte anzumer-
ken:
Trotz des allgemeinen Postulats einer Shareholder-Value-Maximierung können hinter
Fusionen auch andere für die Öffentlichkeit nicht erkennbare Motive stehen, die keinen
Zusammenhang zur Unternehmenswertsteigerung aufweisen. Zu nennen ist die sog.
„Hubris-Hypothese“. Diese identifiziert als Hintergrund von Fusionen eine überhöhte
331 Vgl. Monitor Group/ JP Morgan (2002), S. 41 332 Vgl. Davis (2000), S. 94 333 Vgl. Jansen (2000), S. 474; hier wird vom sog. „Ziel-Ansatz“ gesprochen. 334 Vgl. Schierenbeck (1999), S. 222
114
Selbsteinschätzung des Managements, das infolgedessen unrealistisch hohe Effizienzge-
winne aus der Fusion in Aussicht stellt. Deren Realisierungschancen werden vom Kapi-
talmarkt bezweifelt, so daß eine Wertsteigerung in Form von positiven Kursentwicklun-
gen u. U. ausbleibt. Ebenso auf Managementegoismen basiert die „Principal-Agent- The-
orie“: Sie geht von einem Auseinanderfallen von Management- und Aktionärsinteressen
aus und erklärt Fusionen als Resultat der Eigeninteressen des Managements.335
Festzustellen ist zudem, daß neben quantitativ meßbaren Zielen, wie der Steigerung des
Unternehmenswertes, auch andere sog. „weiche“ Faktoren bei Fusionen eine Rolle spie-
len:336 Hierzu zählen u.a. die Zufriedenheit der Mitarbeiter, die Entwicklung der Innova-
tionskraft sowie die Reputation eines fusionierten Unternehmens. Diese Faktoren haben
zwar langfristige Auswirkungen auf die Marktbewertung des neu entstehenden Instituts,
sind aber für Analysten zum Zeitpunkt einer Fusion kaum einschätzbar und dementspre-
chend ohne Einfluß auf die kurzfristigen Kapitalmarktreaktionen.
Bei der Analyse europäischer Bankenfusionen der letzten Jahrzehnte kommt Davis zu
dem Schluß, daß es häufig die „geerbten“ Probleme eines Fusionspartners waren, die zu
einer negativen Fusionsbewertung an den Aktienmärkten führten.337
Beispielhaft sind zwei Fusionen aus dem Jahre 1998 zu nennen: Die Fusionen von
Schweizer Bankgesellschaft (SBG) und Schweizerischem Bankverein (SBV) zur UBS
AG sowie der Vereinsbank und Hypo Bank zur HVB. Als die Volatilität des Kapital-
marktes in 1998 zunahm, erlitt die UBS Verluste in Höhe von 1,6 Mrd. Schweizer Fran-
ken durch ihre Geschäfte mit Long Term Capital Management (LTCM) sowie das Deri-
vate-Portfolio der SBG. Dies führte im ersten Fusionsjahr zu weit hinter den Erwartungen
liegenden Erträgen und einem Wertverlust für die Aktionäre in Höhe von 60 Mrd.
Schweizer Franken.338 Im Fall der HVB (HypoVereinsbank) stellte das Management in-
nerhalb eines Monats nach dem Closing der Fusion in 1998 fest, daß eine zusätzliche
Rückstellung in Höhe von DM 3,5 Mrd. für das Immobilienportfolio der früheren Hypo
335 Vgl. zur Principal- Agent- Theorie und Hubris- Hypothese bei Beitel (2002), S. 145. Fontanari weist darauf hin, daß viele Kooperationen durch den spontanen oder freundschaftlichen Kontakt zwischen Geschäftsführern entstehen – diese „Golfplatzallianzen“ basieren demnach nicht unbedingt auf strategischen Notwendigkeiten. Vgl. Fontanari (1995), S. 118 336 Vgl. Jansen (2000), S. 473 337 Vgl. Davis (2000), S. 95ff. Davis spricht von „unforseen events“ im Fusionsprozeß. Diese führten in den aufgezeigten Fällen dazu, daß die Fusionen zwar ihre strategischen Ziele erreichten, aufgrund der verringerten Ertragsstärke der Institute jedoch nicht die Erwartungen des Kapitalmarktes erfüllten. Dies unterstreicht die Bedeutung einer konsequenten „Due Diligence“ der Fusionspartner im Vorfeld einer Fusion. 338 Vgl. Kappeler (1998), S. 1
115
Bank zu bilden war. Die Folge waren langfristige interne Konflikte innerhalb der fusio-
nierten Managementeinheiten sowie ein fünfzigprozentiger Rückgang des Aktienkurses
zwischen 1998 und 1999.
Ein aktuelles Beispiel für Probleme beim Übernahmeobjekt bietet die Fusion von Allianz/
Dresdner Bank im Jahr 2001. Zum Zeitpunkt der Übernahme rechtfertigte der Barwert
der prognostizierten Synergien noch die Höhe des Kaufpreises, den die Allianz für die
Dresdner Bank zahlte. Die seit 2001 aufgelaufenen hohen Verluste der Dresdner Bank
führten jedoch dazu, daß bis zum Ende 2005 ein geschätzter kumulierter Wertverlust von
rund 13 Mrd. Euro aus der Fusion entstanden ist. Entsprechende Kursverluste an der Bör-
se waren die Folge. (Vgl. Kapitel 6.1).
Aus Sicht von Marcel Ospel, Präsident der Konzernleitung der UBS, stellt sich bei der
Erfolgsbeurteilung einer Fusion eine grundsätzliche Frage: Was wäre die Alternative
gewesen?339 Ihre fehlende Marktgröße könnte die Fusionspartner alternativ zu Zielen
feindlicher Übernahmen werden lassen; möglich wäre bei fehlenden Wachstumsimpulsen
auch eine schrumpfende Geschäftsentwicklung mit entsprechend negativen Aktienkurs-
entwicklungen. Eine mehr als hypothetische Beantwortung der Frage ist zweifellos nicht
möglich.
Die Frage weist auf einen Fusions-Typus hin, der vor allem bei Allfinanzfusionen ver-
breitet zu sein scheint, die sog. „Defensive Diversification“.340 Eine defensive Fusion
liegt vor, wenn es das Ziel der Fusion ist, bestehende Unternehmen zu erhalten und/oder
ihre Ertragskraft wiederherzustellen. Hinter einer Diversifizierung in andere Wirtschafts-
zweige steht damit die Angst vor schrumpfendem Wachstum in den angestammten Märk-
ten und der Wunsch nach einer Risikoreduktion durch Diversifizierung (vgl. auch Kapitel
3.4). Empirisch läßt sich das Motiv der defensiven Diversifikation bei Fusionen nachwei-
sen, bei denen die beteiligten Institute vor der Diversifizierung eine im Vergleich zu
Wettbewerbern niedrige Ergebnisentwicklung aufweisen. Verschiedene Studien341 bestä-
tigen das Motiv der defensiven Diversifikation als Triebfeder für Allfinanzfusionen. Die-
se Erkenntnis wird unterstützt durch die Entwicklung des Bankenmarktes.
339 Vgl. Davis (2000), S. 98, zitiert aus einem Inverview mit Marcel Ospel. 340 Vgl. hierzu bei Molyneux (1998), S. 123f, sowie 136 341 Bspw. von Cazalet (!991) und Wein (1993), vgl. bei Molyneux (1998), S. 137
116
Wie in Kapitel 2.2 gezeigt wurde, befindet sich der Bankenmarkt heute in einer Phase der
Marktsättigung. Angesichts rückläufiger Zinsüberschüsse im angestammten Bankgeschäft
stellt eine Diversifizierung bspw. ins Lebensversicherungsgeschäft eine attraktive Wachs-
tumsoption dar.
Betrachtet man Allfinanzzusammenschlüsse als Ausdruck einer defensiven Diversifika-
tionsstrategie, kommt man zu folgender Schlußfolgerung: Anhand der absoluten Wert-
entwicklung (Aktienkursentwicklung) der fusionierten Institute läßt sich keine endgültige
Aussage über den Erfolg einer Allfinanzfusion machen. In einem schrumpfenden Markt
kann bereits ein vergleichsweise geringerer Unternehmenswertrückgang (i. Vgl. zu Wett-
bewerbern) als Erfolg gewertet werden.342 Defensive Diversifikationsstrategien dienen
dem langfristigen Überleben der Fusionspartner, spiegeln sich jedoch nicht unbedingt in
einer positiven Wertentwicklung am Aktienmarkt wider.
Im folgenden sollen die in der Literatur verwendeten Forschungsheuristiken zur Erfolgs-
bewertung von Fusionen kurz erläutert werden. Der Transaktionserfolg wird in der Regel
aus Sicht der Aktionäre beschrieben - eine Fusion gilt als erfolgreich, wenn sie den Share-
holder Value343 steigert.
Die sog. „Event-Studies“ messen die Reaktion des Kapitalmarktes auf die Ankündigung
bzw. Durchführung einer Fusion. Die Veränderung des Shareholder Values kann über
Kursgewinne oder -verluste der Aktionäre in Form der sog. abnormalen Rendite gemes-
sen werden. Die abnormale Rendite ergibt sich als Differenz zwischen der ohne Fusion zu
erwartenden und der tatsächlichen Rendite.344 Als „Ereignis“ wird die erste Bekanntma-
chung, in der Regel die offizielle Ankündigung, einer Fusion am Markt definiert. Der
betrachtete „Ereigniszeitraum“ variiert von wenigen Tagen (bspw. 10 Tage vor und nach
der Fusionsankündigung) bis zu einer längerfristigen Betrachtung (bspw. bis 18 Monate).
342 Vgl. Jansen (2000), S. 474 343 Bei börsennotierten Aktiengesellschaften umfaßt der Shareholder Value, der den Aktionären zusteht, den Wert aus Kursveränderungen der Aktien, Dividendenzahlungen, Kapitalrückzahlungen, Bezugsrechten und Liquidationserlösen. Vgl. Beitel (2002), S. 33 344 Vgl. Tichy (1990), S. 377. Die abnormale Rendite kann für die Aktionäre des kaufenden sowie des über-nommenen Institutes errechnet werden, ebenso für die gemeinsame, neu entstandene Einheit. Zur Bestimmung der erwarteten Rendite werden in der Literatur verschiedene Modelle verwendet, u. a. das an das Capital Asset Pricing Model (CAPM) angelehnte Marktmodell.
117
Der Sinn dieser kurzfristigen Kapitalmarktbetrachtung ist insofern in Frage zu stellen, als
daß eine Fusion eine Investition in die Zukunft darstellt, deren Gelingen in erster Linie
von der anschließenden Integrationsleistung abhängt. Eine kurzfristige Kapitalmarktreak-
tion spiegelt somit die Erwartungshaltung der Börse in bezug auf den Akquisitionserfolg
wider, nicht jedoch den tatsächlichen, d. h. langfristigen Erfolg der Transaktion.345 Es
wird hier nur ein sog. Ankündigungseffekt gemessen, bestimmt von den Erwartungshal-
tungen der Marktteilnehmer. Gemäß Jansen gibt es bislang keinen empirischen Beleg
dafür, daß aus der Kursreaktion der ersten fünf Tage eine Prognose für die weitere Kurs-
entwicklung nach der Fusion abgeleitet werden kann.346
Eine längerfristige Kapitalmarktbetrachtung erscheint auf den ersten Blick sinnvoller, da
hierbei auch die Integrationsleistungen nach der Fusion in die Erfolgsbewertung mit auf-
genommen werden. Problematisch ist jedoch, daß die Aktienkurse vielfältigen Einflüssen
ausgesetzt sind, die nicht in direktem Zusammenhang zur Fusion stehen. Eine Isolierung
der Einflußfaktoren des Kurses ist schwierig, eine Fusionsbewertung anhand langfristiger
Kapitalmarktreaktionen dementsprechend ungenau.
Die sog. „Dynamischen Effizienzstudien“ kommen in der empirischen Forschung zum
Erfolg von Unternehmensfusionen erst seit den 90er Jahren zur Anwendung. Sie können
aus Aktionärssicht nur indirekt zur Erfolgsbewertung von Fusionen verwendet werden, da
sie auf extern verfügbaren Bilanzdaten der Unternehmen basieren. Es wird hierbei unter-
stellt, daß eine Steigerung der Effizienz eines Unternehmens nach einer Fusion auch zur
Steigerung des Shareholder Values beiträgt. Im Kern geht es bei dem Verfahren um die
Messung der „Effizienz“ eines Unternehmens im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Mit
Hilfe der sog. „frontier methodology“ wird hierbei eine Effizienzgrenze bestimmt und
überprüft, ob die betrachteten Unternehmen unter- oder oberhalb dieser Grenze produzie-
ren.347
Beispielhaft für den Bankenmarkt ist eine Studie von Berger und Humphrey zu nennen,
die mit Hilfe des „thick frontier“- Ansatzes die Effizienz aller amerikanischen Geschäfts-
banken (für das Jahr 1984) analysiert.
345 Vgl. Ebert (1998), S. 32. So führt bspw. allein die Ankündigung von Kostenreduktionen durch Personalab-bau bei Fusionsankündigungen regelmäßig zu einer Aktienkurssteigerung. Befürworter des Shareholder Value- Konzepts unterstreichen jedoch, daß das eigentliche Ziel des Shareholder Value- Gedankens die Steigerung des Unternehmenswertes auf lange Sicht ist. Vgl. Schierenbeck (1999), S. 225 346 Vgl. Jansen (2000), S. 475. 347 Vgl. ausführlich bei Berger/ Humphrey (1991), S. 120 sowie Keßler (1996), S. 115f. Mittels linearer Regres-sion wird eine Kostengrenze geschätzt, die die Kosten „effizienter“ Institute verbindet. Ineffizienzen lassen sich dementsprechend als Abweichungen von dieser Grenze messen.
118
Sie kommen zu dem Schluß, daß über 20 % der Kostendifferenzen am Bankenmarkt auf
Unterschiede in der technischen Effizienz zurückzuführen sind – während Skalen- und
Verbundeffekte nur 5 % der Kostenunterschiede ausmachen.348 Die Kostensenkungsmög-
lichkeiten durch Eliminierung bestehender Ineffizienzen dominieren demnach eindeutig
die Vorteile eines Größenwachstums.
Der dritte Forschungsansatz zur Messung des Fusionserfolgs umfaßt die sog. „Outcome-
Studies“ (auch Performancestudien). Diese basieren ebenfalls auf veröffentlichten Jahres-
abschlußdaten und überprüfen, ob und in welcher Höhe sich die Rentabilitäts- und Pro-
duktivitätskennziffern nach einer Fusion verändern. Wiederum kann unterstellt werden,
daß eine Veränderung dieser Erfolgskennzahlen indirekt auch die Börsenbewertung und
damit den Mehrwert für die Aktionäre beeinflußt.
Kritisch anzumerken ist hierbei der statische, vergangenheitsbezogene Charakter von
Jahresabschlußzahlen. Zudem können nicht durchschaubare Bilanzgestaltungsmaßnah-
men bei einer Erfolgsbeurteilung von Fusionen zu Verzerrungen führen.
Die Zusammenfassung der in der Literatur verwendeten Forschungsheurisiken zur Fusi-
onserfolgsmessung macht folgendes deutlich: Je nach verwendetem Forschungsansatz
sowie je nach untersuchtem Zeithorizont dürfte es starke Differenzen in der Erfolgsbe-
wertung einer Transaktion geben. Diese Annahme wird duch die unterschiedlichen Er-
gebnisse empirischer Fusionsstudien bestätigt. Ein allgemeiner, branchenunspezifischer
Überblick vorliegender Event-Studies der letzten Jahrzehnte macht deutlich, daß die Er-
gebnisse gemischt und wenig konsistent sind.349
Für den Bankensektor, speziell den amerikanischen, liegt eine Vielzahl empirischer Stu-
dien zum Erfolg von Fusionen vor. Im Durchschnitt weisen die amerikanischen Studien
eine positive Aktienkursreaktion der übernommenen Banken, eine konstante bis negative
Wertentwicklung der Akquisiteure und insgesamt keinen signifikanten Wertgewinn der
zusammengeschlossenen Unternehmenseinheiten auf.350 Für den deutschen Sprachraum
ist eine Studie von Weimer und Wißkirchen zu nennen, die bei ihrer Beurteilung der 50
348 Vgl. Berger / Humphrey (1991), S. 146. Zu diesem Ergebnis kommen auch Lang und Welzel bei ihrer Un-tersuchung deutscher Genossenschaftsbanken anhand von Daten aus 1992. Steigende Skalenerträge erwarten sie zudem nur bei kleinen Banken mit Bilanzsummen zwischen 2-5 Mrd. DM Bilanzsumme. Vgl. Lang/Welzel (1995), S. 20 349 Vgl. eine Zusammenfassung vorliegender empirischer Befunde bei Beitel (2002), S. 142f. 350 Vgl. für eine Zusammenfassung amerikanischer Studien Berger/ Humphrey (1992), S. 565, ebenso Houston (1994), S. 1174.
119
wichtigsten Bankenfusionen der vergangenen Jahre nur rund ein Viertel als erfolgreich
einstufen.351
Trotz der Kritisierung von Fusionen und Übernahmen als „Wertvernichter“ gibt es auch
Studien, die zu einem anderen Ergebnis kommen. Die Unternehmensberatung Boston
Consulting (BCG) untersucht in einer aktuellen Studie die Marktentwicklung von 705
US-amerikanischen Unternehmen über einen Zeitraum von zehn Jahren und kommt zu
folgendem Schluß: Gesellschaften mit regen Fusionsaktivitäten weisen eine bessere
Wertentwicklung auf als Firmen, die nur organisch wachsen.352 Eine langfristige Bewer-
tung von Fusionen scheint aus Aktionärssicht also zu einem anderen Ergebnis zu kom-
men als kurzfristig angelegte Erfolgsstudien.
Sinnvoll ist es auf jeden Fall, bei der Erfolgsanalyse von Fusionen einen zusätzlichen
Wettbewerbsvergleich durchzuführen: Der Erfolg einer Fusion kann nur im Vergleich zu
relevanten Wettbewerbsgruppen richtig bewertet werden. Hierzu bietet sich eine Indexie-
rung, bspw. durch länder- oder branchenbezogene Aktienindizes, an.353
4.2 Überblick zu empirischen Befunden
Im folgenden wird eine Zusammenfassung empirischer Studien vorgenommen. Kapitel
4.2.1 geht der Frage nach, ob durch ein fusionsbedingtes Betriebsgrößenwachstum im
Bank- und Versicherungsbereich signifikante Skaleneffekte realisiert werden können und
hinterfragt das generelle Größenstreben in der Finanzdienstleistungsbranche.
Kapitel 4.2.2 versucht, anhand von verschiedenen aktuellen Allfinanzstudien eine Er-
folgsbewertung des Allfinanzkonzepts vorzunehmen.
351 Als Erfolgskriterien werden die relative Aktienperformance im Vgl. zum Sektorendurchschnitt sowie die Entwicklung der Erträge und Cost Income Ratios der fusionierten Institute zugrunde gelegt. Vgl. Weimer/ Wiß-kirchen (1999), S. 760. 352 Vgl. o.V. (2004g), S. 22 353 Das Verfahren der Indexierung bedeutet einen Vergleich der Kursentwicklung mit relevanten Branchenindi-zes und wird bspw. von Amara (2005) angewendet. Siehe hierzu Kapitel 4.2.2.
120
4.2.1 Empirische Evidenz von Skaleneffekten
Die im folgenden vorgestellten Studien befassen sich mit dem Nachweis von Skaleneffek-
ten bei Banken und Versicherungen. Dabei wird vor allem auf US-amerikanische Ban-
kenstudien eingegangen, die sich mit Größenwirkungen bei amerikanischen Bankenfusi-
onen beschäftigen.354 Wie in Kapitel 3.1.1 gezeigt wurde, kommen Größenvorteile auch
bei Allfinanzzusammenschlüssen zum Tragen. Aufgrund der Ähnlichkeiten des Bank-
und Versicherungsgeschäfts sind die zu erwartenden Größenvorteile mit denen „reiner“
Bankenfusionen vergleichbar.
In der Literatur wird die Betriebsgröße i. d. R. als „Einflußgröße“ bezeichnet, die neben
dem Umsatz primär die Kosten eines Unternehmens beeinflußt und daher von Bedeutung
für die Wirtschaftlichkeit des Betriebes ist.355 Um die Frage nach der Vorteilhaftigkeit
bestimmter Bankgrößen und damit der Existenz einer „optimalen“ Bankgröße beantwor-
ten zu können, muß eine Produktions- bzw. Kostenfunktion für Banken aufgestellt wer-
den, die die Zusammenhänge zwischen eingesetzten Faktoren und erbrachten Leistungen
sichtbar macht. Die Formulierung einer derartigen Funktion und damit die Definition der
In- und Outputfaktoren des Bankbetriebs stellt bei Größenstudien jedoch ein zentrales
Problem dar. Ein Großteil der empirischen Größenstudien verwendet heute die flexible
Translog-Funktion, die die Schätzung von Kostenfunktionen anhand von Inputpreisen
und Outputmengen (Produkten) erlaubt. Uneinigkeit herrscht jedoch bzgl. der verwende-
ten In- und Outputfaktoren.
Einige Studien wählen den „Produktionsansatz“, bei dem die In- und Outputs auf der
Grundlage des Nettobeitrags der Bankleistung zum Ertrag definiert werden.356 Unter Nut-
zung der Inputfaktoren Arbeits- und Kapitalkosten „produziert“ die Bank Einlagen und
Kredite, wobei als Outputmaß die Zahl neu errichteter Konten bzw. Transaktionen pro
Konto verwendet wird. Als Größenmaßstab ist dieser Ansatz insofern problematisch, als
daß keine Betrachtung der Volumina (z. B. der Kredite und Einlagen) erfolgt, und die
Zinsaufwendungen als Inputfaktor vernachlässigt werden. Der „Intermediationsansatz“
354 Es existieren nur wenige Studien zu Größeneffekten am europäischen Bankenmarkt. Das hohe amerikani-sche Forschungsinteresse beruhte vor allem auf den speziellen Regularien der amerikanischen Finanzindustrie, die im Laufe der Jahrzehnte gelockert wurden. Hierzu wurden vielfältige Studien im Auftrag der Federal Reser-ve Banks durchgeführt. 355 Vgl. bspw. Baxmann (1995), S. 58 356 Vgl. Keßler (1996), S. 78f.
121
stellt dagegen die Transformationsleistung einer Bank in den Vordergrund. Dementspre-
chend bilden die gewährten Kredite und erworbenen Wertpapiere den Output, während
neben den Arbeitskosten die hereingenommenen Gelder den kostenverursachenden Input
darstellen. Die Zinsaufwendungen werden hier als Kosten des Inputs mit berücksichtigt.
Da bei diesem Ansatz auf Zahlen der Bankbilanzen zurückgegriffen werden kann, findet
der Intermediationsansatz in der Mehrzahl der Größenstudien Anwendung.
Die beiden unterschiedlichen Verfahren zur In- und Outputbestimmung machen deutlich,
daß im Umgang mit empirischen Größenstudien Vorsicht geboten ist, da die Ergebnisse
der Studien bereits durch die einbezogenen Kosten und Produkte vorbestimmt sein dürf-
ten. Bei Banken als „Mehrproduktunternehmen“ stellt die Definition „selbständiger Pro-
dukte“357 vor allem deshalb ein Problem dar, weil neben standardisierten Leistungen eine
Vielzahl komplexer, kundenspezifischer Produktinnovationen angeboten werden. Da zur
Schätzung einer Translog- Funktion alle in der Stichprobe enthaltenen Banken die glei-
chen Produkte führen müssen, werden i. d. R. nur wenige Standardleistungen – meist
zwischen zwei bis sechs Outputkategorien - einbezogen.358
Die Probleme bei der Definition von Bankleistungen deuten an, daß auch die Formulie-
rung eines allgemeingültigen Betriebsgrößenmaßstabs für Banken ein schwieriges Unter-
fangen ist. Die Autoren von Größenstudien und auch die Öffentlichkeit neigen dazu, die
Größe einer Bank anhand ihrer Bilanzsumme auszudrücken. Zu bedenken ist jedoch, daß
angesichts der Zunahme bilanzunwirksamer Geschäfte (bspw. Finanzderivate) auch die
Bilanzsumme kein umfassendes Abbild der Geschäftstätigkeit eines Kreditinstitutes wi-
dergeben kann.
Ziel der Bankenstudien ist die Bestimmung einer „optimalen“ Größe für Bankinstitute.
Dies erfordert die Existenz einer funktionalen Beziehung zwischen Größe und Kosten
einer Bank. Ohne auf die empirischen Ergebnisse zurückzugreifen, läßt sich der ungefäh-
re Verlauf dieser Kurve folgendermaßen herleiten: Realisierbare Kosteneinsparungen
durch Fixkostendegression und Lernkurveneffekte lassen eine zunächst sinkende Durch-
schnittskostenkurve erwarten. Ab einer bestimmten Größe werden die positiven Effekte
jedoch durch überproportional steigende Organisations- und Kontrollkosten359 überlagert,
so daß sich insgesamt ein U-förmiger Gesamtkostenverlauf ergibt.
357 Vgl. Tichy (1990), S 362 358 Vgl. Rose (1987), S. 138 359 Diese lassen sich auch als negative Synergien oder Dissynergien bezeichenen.
122
Vor allem die in den 80er und 90er Jahren durchgeführten Größenstudien, die zur Ermitt-
lung bankbetrieblicher Kostenzusammenhänge die Translog- Funktion nutzen, unterstüt-
zen die Theorie eines U-förmigen Kostenverlaufs bei Banken.
Die Translog- Funktion stellt eine lokale Approximation an eine unbekannte, tatsächliche
Kostenfunktion dar und schätzt in natürlichen Logarithmen die bankbetrieblichen Ge-
samtkosten als Funktion der Outputs und der Inputpreise.360 Im Rahmen empirischer
Größenstudien wird die translogarithmische Spezifikation an einen – zumeist weit ge-
streuten – Datensatz angepaßt, um auf diese Weise die allgemeine Kostenfunktion für eine
große Stichprobe von Banken zu erhalten. Zur Bestimmung von größenbedingten Kosten-
vorteilen werden bestimmte Maßgrößen, bspw. die sog. „ray scale elasticity“ (RSCE)
verwendet, die die relative Veränderung der Kosten in Abhängigkeit von veränderten
Ausbringungsmengen ausdrücken.
Die in den USA mit Hilfe der Translog- Funktion durchgeführten Studien kommen über-
wiegend zu der Erkenntnis, daß die durchschnittliche Kostenkurve amerikanischer Ban-
ken eine relativ flache U-Form aufweist, und das kostenminimale Betriebsgrößenoptimum
von mittelgroßen Instituten erreicht wird. Eine eindeutige Lokalisierung des „scale effi-
cient point“, d. h. des Kurvenminimums, gelingt den Studien allerdings nicht. Je nach
Größe der in die Stichprobe einbezogenen Banken ergeben sich unterschiedliche „optima-
le“ Betriebsgrößen. Insgesamt legen die Studien den Schluß nahe, daß es nur für kleine
Institute eine eindeutige Evidenz für realisierbare Skaleneffekte gibt. Kleine Institute
können durch Fusionen u. U. eine „kritische Mindestgröße“ erreichen. 361
Bei den „Mega-Fusionen“ der 80er Jahre von Banken mit Bilanzsummen über 1 Mrd.
US-$ traten im Durchschnitt kaum Größenvorteile auf – obgleich es neben fehlgeschlage-
nen auch sehr erfolgreiche Akquisitionen mit positiven Skaleneffekten gab.
Stellvertretend für die wenigen aus Deutschland stammenden Translog-Studien sei die
von Lang und Welzel 1994 durchgeführte Untersuchung von 764 bayerischen Genossen-
schaftsbanken genannt. Da bei allen Instituten positive Skaleneffekte (d. h. RSCE-Werte
<1) ermittelt werden, folgern die Autoren, daß die Genossenschaftsbanken ihre optimale
Größe noch nicht erreicht haben. Fusionen zwischen „kleineren“ Banken haben also
„eine solide ökonomische Begründung“. 362
360 Vgl. zur ausführlichen Vorgehensweise die Studie von Lang/ Welzel (1994), S. 3 f., die anhand der Daten von 764 Genossenschaftsbanken eine Translog-Funktion auf Basis des Intermediationsansatzes schätzen. 361 Vgl. Berger / Humphrey (1992), S. 545, 579, Überblick zu vorliegenden Studien bei Scheele (1994), S. 117f. 362 Vgl. Lang/ Welzel (1994), S. 21
123
Neben Bankenstudien existieren verschiedene Größenstudien für den Versicherungsbe-
reich. In der Regel wurden die Studien getrennt für die verschiedenen Versicherungssek-
toren (Lebens-, Schadenversicherung etc.) vorgenommen. Als Kostenfunktion dient eben-
falls zumeist die Translog-Funktion; als Outputgrößen werden bspw. Prämien, Versiche-
rungssummen oder Anzahl der Verträge herangezogen.
Im Durchschnitt lassen die vorliegenden Studien den Schluß zu, daß positive Skalenef-
fekte am ehesten im Lebensversicherungssektor nachweisbar sind und zudem vorwiegend
kleinere Institute betreffen.363
Insgesamt ist auch hier kritisch zu hinterfragen, ob für Versicherungen Größe allein einen
Vorteil darstellt. Wie Prof. Koch zusammenfaßt, gibt es in Europa „durchaus Raum für
mittlere Versicherungsunternehmen“ mit den entsprechenden Kompetenzen und Ausrich-
tungen auf bestimmte Vertriebswege. Einen bestimmten Schwellenwert für die Betriebs-
größe habe die Versicherungswissenschaft noch nicht entwickelt.364
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Betriebsgröße weder bei Banken noch bei
Versicherungen das entscheidende Effizienzkriterium darstellt. Skaleneffekte sind primär
beim Zusammenschluß kleinerer Institute zu erwarten, werden ab einer bestimmten Grö-
ßenordnung jedoch vernachlässigbar gering.
Allfinanzzusammenschlüsse sollten demnach nicht Ausdruck eines bloßen Größenstrebens
unter dem Motto „Big is beautiful“ sein. Inwiefern Skaleneffekte bei einer Fusion reali-
siert werden (bspw. im Asset Management, Kapitel 3.1.1), hängt vom Einzelfall und der
jeweiligen Integrationsdurchführung ab und entzieht sich einer empirischen Überprüfbar-
keit. Größenstudien speziell für den Allfinanzbereich liegen nach Kenntnis der Autorin
nicht vor.
363 Vgl. Überblick bei Scheele (1994), S. 125 364 Vgl. Koch (2001), S. 2049
124
4.2.2 Erfolgsstudien zu Allfinanzfusionen
Im folgenden wird ein Überblick aktueller Studien zum Erfolg von Allfinanztransaktio-
nen gegeben. In der Literatur liegen Arbeiten vor, die sich explizit mit produktdiversifi-
zierenden Transaktionen im Finanzdienstleistungssektor beschäftigen.365 Andere Studien
behandeln Allfinanzfusionen als Untergruppe von Bankenfusionen. Die hier zitierten
Arbeiten von Beitel/ Schiereck (2001), DeLong (1999) und Amara/ Graf (2001) sind alle
kapitalmarktorientiert; im Fall von Beitel/ Schiereck sowie DeLong handelt es sich um
kurzfristige Event-Studies. Bei Amara wird eine langfristige Betrachtung mit Hilfe von
annualisierten Aktienrenditen im Vergleich zu verschiedenen Börsenindizes vorgenom-
men.
Zunächst ist festzuhalten, daß es sich bei Allfinanzzusammenschlüssen um eine Form von
„verwandter Diversifikation“ (concentric diversification) handelt. Bei einer Fusion von
Banken und Versicherungen ergeben sich Synergiepotentiale, die bspw. auf Komplemen-
taritäten im Vertrieb beruhen.
Aus den 80er und 90er Jahren liegen verschiedene Studien vor, die sich mit der relativen
Performance von „verwandten“ im Vergleich zu „unverwandten“ (conglomerate) Diversi-
fikationsstrategien auseinandersetzen. Die Studien kommen zu der konsistenten Schluß-
folgerung, daß die verwandte der unverwandten Diversifikation in bezug auf verschiede-
ne Performance- Meßgrößen überlegen ist.366
McKinsey führte in 2002 eine Studie durch, die dieses Ergebnis unterstützt: Es wurde eine
Stichprobe von 267 amerikanischen Firmen aus sechs verschiedenen Industriezweigen
untersucht, die in die Untergruppen „fokussiert“, „moderat diversifiziert“ und „diversifi-
ziert“ eingeteilt wurde. Die Kapitalmarktentwicklung dieser Untergruppen wurde anhand
von annualisierten „excess“ TRS (Total returns to shareholders) im Vergleich zur jeweils
relevanten Industriegruppe dargestellt. Für den untersuchten Zeitraum von 1990 bis 2000
stellte sich heraus, daß die moderat diversifizierten Unternehmen mit 13 % im Vergleich
365 Bspw. die Studie von DeLong (1999), eine Zusammenfassung vorliegender Studien wird bei Beitel (2002), S. 137 vorgenommen. 366 Vgl. Übersicht bei Molyneux (1998), S. 127.
125
zu den fokussierten (8 %) und den diversifizierten Unternehmen (4 %) den höchsten „ex-
cess“ TRS erreichen.367
McKinsey kommt zu dem Schluß, daß bei verwandten Diversifikationsstrategien die exis-
tierenden Kernkompetenzen eines Unternehmens in neuen Märkten genutzt werden kön-
nen, wodurch sich zukunftsträchtige Wachstumschancen ergeben.
Stellvertretend für kurzfristig angelegte Kapitalmarktstudien zum Erfolg von Diversifika-
tionsstrategien am Bankenmarkt ist die Arbeit von DeLong (1999) zu nennen. DeLong
untersucht 280 Bankenfusionen im Zeitraum von 1988 bis 1995 am US-amerikanischen
Markt. Die Fusionen werden klassifiziert als „fokussiert“ und „diversifiziert“ in bezug
auf den geographischen Markt und in bezug auf die Aktivitäten. Die angewandte For-
schungsmethodologie folgt dem Event-Studies- Ansatz zusammen mit dem Marktmodell.
Untersucht wird, ob die Aktien der Fusionspartner abnormale Renditen nach der Fusions-
ankündigung aufweisen. Das betrachtete Zeitfenster umfaßt 10 Tage vor der Ankündi-
gung bis einen Tag nach der Ankündigung.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, daß die fokussierenden Fusionen eine Wertsteige-
rung für die Aktionäre mit sich bringen, während die produktdiversifizierenden sowie die
geographisch diversifizierenden Fusionen wertvernichtend sind.368
DeLong selbst weist allerdings auf die Defizite der angewandten Forschungsmethodolo-
gie hin: Die tatsächliche Performance von Bankenfusionen kann von den in den Aktien-
marktreaktionen ausgedrückten Erwartungshaltungen abweichen.
Zu einer positiven Bewertung von Bankenfusionen, im speziellen auch von produktdiver-
sifizierenden Bankenfusionen, kommt die Studie von Beitel und Schiereck (2001). Unter-
sucht werden mit Hilfe der Event-Studies- Methode 98 Fusionen und Akquisitionen eu-
ropäischer Banken zwischen 1985 und 2000. Betrachtet werden Zeitfenster von bis zu 20
Tagen vor und nach der Fusionsankündigung.369
Die Studie kommt zu dem Schluß, daß europäische Bankenfusionen im Durchschnitt
wertschaffend sind: Es werden signifikant positive kumulierte abnormale Renditen so-
wohl für das übernommene Unternehmen als auch für die kombinierte Einheit aus Käufer
367 Vgl. ausführlich bei Harper/ Viguerie (2002), S. 1f. 368 Vgl. DeLong (1999), S. 221ff. Zu einer positiven Einschätzung von produktdiversifizierenden Bankenfusio-nen kommen hingegen Cybo-Ottone/ Murgia (2000). Die vorliegenden empirischen Befunde sind somit nicht konsistent. 369 Vgl. Beitel/ Schiereck (2001), S. 1ff.
126
und Übernahmeobjekt gemessen. Für die Aktionäre des akquirierenden Unternehmens
kommt es allerdings zu keiner signifikanten Wertveränderung.
Als Untergruppe der Stichprobe werden auch produktdiversifizierende Bankenfusionen
untersucht - hierzu zählen Übernahmen von Versicherungsunternehmen sowie von sons-
tigen Finanzdienstleistern. Es werden signifikant positive abnormale Renditen für das
Übernahmeobjekt sowie die kombinierten Unternehmenseinheiten insgesamt gemessen.
Die abnormalen Renditen der akquirierenden Bank sind wiederum nicht signifikant. Vom
aggregierten Blickwinkel scheinen die untersuchten europäischen Allfinanzfusionen aus
Aktionärssicht somit wertschaffend zu sein.370
Die Ergebnisse von Beitel und Schiereck, deren Studie mit dem „Best Paper Award“ der
US-amerikanischen Midwest Finance Association ausgezeichnet wurde, bieten für
Bankmanager praktische Anwendungsmöglichkeiten. Die Reaktionen des Marktes auf
eine Fusion lassen sich teilweise vorhersehen.371 Wird dies bei einer Fusion beachtet,
kann u. U. ein Kurssturz nach einer Transaktion vermieden werden.
So reagiert der Kapitalmarkt negativ, wenn eine große, renditeschwache Bank einen klei-
nen, wachstumsstarken Konkurrenten kauft. Es wird vermutet, daß der Käufer seine
schwache Rentabilität auf das Übernahmeobjekt übertragen könnte. Eine Wertsteigerung
versprechen dagegen Transaktionen, bei denen eine starke Bank einen „gefallenen Star“
kauft, da eine erfolgreiche Sanierung des Übernahmeobjektes vermutet wird. Allerdings
gilt dies nicht bei extrem angeschlagenen Akquisitionsobjekten. Hier vermutet der Markt
offenbar eine Übernahme auf politischen Druck hin.372
Als weitere aktuelle Studie zur Erfolgsbewertung von Allfinanzfusionen kann die Arbeit
von Amara und Graf (2001) herangezogen werden.373 Es werden die Allfinanzstrategien
von 77 europäischen Bankinstituten über den Zeitraum 1994 bis 2000 betrachtet. Die
einbezogenen Institute verfolgten in diesem Zeitraum ihre Allfinanzpartnerschaften be-
reits seit mehreren Jahren, so daß sich der Erfolg ihrer Strategien bereits auf ihre Perfor-
mance und damit ihre Aktienkurse auswirken konnte.
370 Die Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz war nicht Gegenstand der Studie, da hier ein Versiche-rer, keine Bank, der Käufer war. 371 Zitiert wird im folgenden der an der Studie beteiligte Prof. Wahrenburg. Vgl. o.V. (2002b), S. 18 372 Beispielhaft wird die Schmidt Bank genannt, die durch ein Konsortium aus HypoVereinsbank, Dresdner Bank und Deutsche Bank zur Sanierung übernommen wurde. Dies führte zu negativen Aktienkursreaktionen für die Anteilseigner der beteiligten Banken. 373 Vgl. Amara/ Graf (2001), S. 86ff., ebenso bei Amara (2005), S. 70ff.
127
Die Aktien der untersuchten Banken werden zu einem Portfolio aggregiert, wobei sich die
Gewichtung der einzelnen Titel durch ihre Marktkapitalisierung ergibt. Als Vergleichs-
größen zu dem so konstruierten Allfinanzindex werden die reinen Banken- und Versiche-
rungs- Branchenindizes (u. a. DJ STOXX BANK, FTSE E300 Insurance) herangezogen.
Anhand einer deskriptiv- statistischen Untersuchung behandelt die Studie zwei zentrale
Fragen, um den Erfolg der Allfinanzstrategien zu bewerten: Weist der Allfinanzindex
gegenüber reinen Branchenindizes eine Overperformance aus? Ergibt sich bei Allfinanz-
instituten ein ergebnisglättender, d. h. risikomindernder Effekt und somit eine geringere
Volatilität der Aktienrenditen?
Als Meßgröße der Rendite wird die annualisierte Durchschnittsrendite der Indizes ermit-
telt, als Risikokennzahl dient die annualisierte Volatilität der Indizes. Die Studie kommt
zu folgendem Ergebnis:
In bezug auf die Rendite schneidet der Allfinanzindex besser als die reinen Branchenindi-
zes ab und wird nur durch den Lebensversicherungsindex geschlagen. In bezug auf das
Risiko bewegt sich der Allfinanzindex im Mittelfeld - die Volatilität des Portfolios ist
geringer als die des reinen Bankenindex, jedoch höher als die des Versicherungsindex.
Als Schlußfolgerung wird festgestellt, daß die Allfinanzstrategie wertgenerierend ist.
Allfinanzinstitute scheinen reinen Bankinstituten sowohl aus Rendite- als auch aus Risi-
kosicht überlegen zu sein. Desweiteren bestätigt der Vergleich der Indizes in bezug auf
ihr Risiko (Volatilität) die vermutete ergebnisglättende Wirkung einer Diversifikation ins
Versicherungsgeschäft.
Abschließend ist eine aktuelle Studie der OECD zum Thema Allfinanz zu nennen, die im
März 2004 veröffentlicht wurde. Die Studie analysiert die Ergebnisse der dreißig weltweit
führenden diversifizierten Finanzkonglomerate. Einbezogen sind sowohl von Banken
dominierte Konzerne (u. a. Citigroup, Credit Suisse) als auch von Versicherungen domi-
nierte Gruppen (u. a. ING, AXA). Untersuchungszeitraum ist die Phase zwischen März
2000 und März 2003, die von wirtschaftlichem Abschwung, Börsenbaisse und Terroris-
mus-Gefahren gezeichnet war.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, daß sich die Finanzkonglomerate im Angesicht der
wirtschaftlichen Schocks als äußerst widerstandsfähig erwiesen haben, was in ihren Akti-
enmarktbewertungen zum Ausdruck kommt.374
374 Vgl. OECD (2004), S. 1ff.
128
Zu demselben Schluß kommt Guhler, der das von Amara und Graf (2001) verwendete
Datenmaterial auf den Untersuchungszeitraum 1994 bis 2003 ausweitet. Der Allfinanzin-
dex erlitt zwar zwischen 2001 und 2003 deutliche Renditeverluste, jedoch in geringerem
Ausmaß als andere Indizes (bspw. DJ EURO STOXX BANK/ INSURANCE).375
Dennoch kommen die Autoren der OECD-Studie insgesamt zu einem negativen Urteil
über die bisherigen Allfinanzbemühungen der großen Finanzkonzerne. Die relativ gute
Performance der Konzerne in der Abschwungphase 2001 bis 2003 war ihrer Meinung
nach nicht Ergebnis eines Diversifikationsvorteils durch ihre Aktivitäten in verschiedenen
Sektoren.
Die jeweiligen Kerngeschäftsfelder sind weiterhin bei weitem die wichtigsten Ertrags-
quellen sowohl bei den bank- als auch den versicherungsdominierten Konglomeraten: Im
Geschäftsjahr 2002 erzielten die bankdominierten Konzerne gemäß OECD im Durch-
schnitt nur 3 % ihrer Erträge aus dem Versicherungssektor, die versicherungsdominier-
ten Konzerne immerhin 10 % aus dem Bankgeschäft. Im Fall der bankdominierten Kong-
lomerate ging der niedrige Ertragsanteil aus dem Versicherungsgeschäft in dem schwieri-
gen Umfeld von 2002 sogar noch weiter zurück, während die versicherungsdominierten
Gruppen ihre Bankerträge konstant halten konnten.
Insgesamt folgern die OECD-Experten, daß der Trend zur Allfinanz und zu Finanzkong-
lomeraten bislang noch nicht die erwünschten Ergebnisse gebracht hat. Nichtsdestotrotz
entwickelten sich immer mehr Institute zu Allfinanzkonzernen: Im Jahr 1995 machten
Finanzkonglomerate erst 42 % der 500 weltweit größten Finanzinstitute aus, im Jahr 2000
lag ihr Anteil bereits bei 60 %.376
Mit Blick auf die Zukunft gibt sich die OECD-Studie optimistisch. Ein Aufschwung der
Wirtschaft könne für die Allfinanzkonzerne ein günstigeres Umfeld schaffen, in dem die
Erträge aus den Diversifikationsstrategien zunehmen würden.377
Zusammenfassend ist zu konstatieren: Allfinanzstrategien können, wie bei Beitel/ Schier-
eck und Amara/ Graf gezeigt wurde, den beteiligten Aktionären einen Mehrwert bieten.
375 Vgl. Guhler (2004), S. 42f. 376 Vgl. o.V. (2004j), S. 20. Es werden die OECD-Experten J. Blommestein und Sebastian Schich zitiert. 377 Vgl. OECD (2004), S. 20
129
Auch aus Risikosicht scheint das Allfinanzkonzept gegenüber reinen Bank- oder Versi-
cherungslösungen Vorteile aufzuweisen.
Sinnvoll in bezug auf die Erfolgsmessung von Allfinanzstrategien erscheint eine länger-
fristige Betrachtung der Wertentwicklung. Diese These wird unterstützt durch die Tatsa-
che, daß die Integrationsarbeit nach einer Fusion i. d. R. mehrere Jahre in Anspruch
nimmt. So gingen die Aktienanalysten bei der Übernahme der Dresdner Bank durch die
Allianz im Jahr 2001 davon aus, daß eine abschließende Erfolgsbeurteilung der Fusion
frühestens nach drei Jahren möglich sein werde.378 Erst dann ließe sich erkennen, wie
sich der neue deutsche Allfinanzkonzern am internationalen Finanzmarkt positioniert
habe.
Auch die empirisch bestätigte Annahme, Allfinanzfusionen seien vielfach ein Ausdruck
defensiver Diversifikationsstrategien, unterstreicht die Bedeutung einer langfristig orien-
tierten Erfolgsbewertung. Entscheidend für den Erfolg ist nach dieser Theorie die lang-
fristige Positionierung am Markt und das Überleben der fusionierten Unternehmen im
sich verschärfenden Wettbewerb.
Die in diesem Kapitel zitierten Studien379, die einen längerfristigen Ansatz verfolgen,
kommen insgesamt zu einer positiveren Berwertung von Diversifikationsstrategien als
kurzfristige Kapitalmarktbetrachtungen.
378 Vgl. bei Weiler (2001), S. 23 379 Amara/ Graf (2001); Harper/ Viguerie (2002); OECD (2004); BCG-Studie zitiert bei o.V. (2004g), S. 22
130
5 Analyse entscheidender Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung des Allfinanzkonzepts
5.1 Übersicht und Auswahl der in der Literatur besprochenen Er-folgsfaktoren
Im vorliegenden Kapitel wird versucht, wichtige Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung von
Allfinanzkooperationen und -fusionen zu identifizieren und anschließend zu erläutern.
Als Erfolgsfaktoren werden hier Bestimmungsfaktoren bezeichnet, die einen positiven
Einfluß auf die Erfolgsmaße einer Allfinanzpartnerschaft ausüben.
Empirische Studien, die sich mit den Erfolgsfaktoren von Fusionen am europäischen und
amerikanischen Bankenmarkt beschäftigen, sind zumeist kapitalmarktorientiert (vgl.
Kapitel 4.1). Als Erfolgsfaktoren werden durch das Management direkt beeinflußbare
Größen verstanden, die sich positiv auf den Transaktionserfolg auswirken. Dieser wird in
der Regel aus Sicht der Aktionäre beschrieben und drückt sich in einer Steigerung des
Marktwertes (bspw. anhand abnormaler Renditen) der fusionierten Institute aus.380 Die
Untersuchung des gleichzeitigen Einflusses mehrerer Erfolgsfaktoren erfolgt zumeist
regressionsanalytisch. Hierbei handelt es sich um flexible Analyseverfahren, anhand derer
Beziehungen zwischen einer abhängigen Variablen (bspw. abnormale Rendite des fusio-
nierten Instituts) sowie einer unabhängigen Variablen (Erfolgsfaktor) untersucht werden.
Die vorliegenden Studien, sowohl branchenübergreifend als auch bankenbezogen, identi-
fizieren mit Hilfe entsprechender Korrelationsanalysen verschiedene Einflußfaktoren auf
den Kapitalmarkterfolg von Fusionen am Finanzdienstleistungsmarkt: Viele Autoren
kommen zu dem Schluß, daß eine hohe geschäftsseitige Überschneidung der Transakti-
onspartner zu den Erfolgsdeterminanten einer Fusion zählt.381 Zudem wird die Fusions-
Erfahrung des beteiligten Managements als wichtiger Einflußfaktor auf die Aktienkurs-
entwicklung identifiziert.
380 Vgl. hierzu beispielhaft die Studie von Beitel (2002), der die Erfolgsfaktoren von M&A- Transaktionen euro-päischer Käuferbanken zwischen 1985 bis 2000 untersucht. Der Erfolg wird anhand abnormaler Renditen für den Käufer bzw. das Übernahmeobjekt ermittelt. Ebenso Seidel (1995), hier werden firmenwertbestimmende „Erklärungsfaktoren“ bei Übernahmen in der US-Bankenbranche analysiert. 381 Vgl. eine Übersicht aktueller Studien bei Beitel (2002), S. 131f.
131
Hawawini/ Swary (1990) sowie DeLong (1999) stellen fest, daß M&A- Transaktionen
erfolgreicher sind, wenn die Übernahmeobjekte eine unterdurchschnittliche Profitabilität
aufweisen. Jansen zählt zu den Erfolgsfaktoren einer Fusion die Erarbeitung einer exter-
nen und internen Kommunikationsstrategie, eine systematische Due Diligence im Vorfeld
der Fusion sowie eine Harmonisierung der Gehalts- und Anreizsysteme.382
Neben diesen empirischen Kapitalmarktstudien existieren verschiedene Arbeiten von
Unternehmensberatern, die sich mit der Ausgestaltung von Bankenfusionen und im spe-
ziellen von Allfinanzkooperationen und -fusionen auseinandersetzen. Die Autoren greifen
hierbei auf ihre Erfahrungen im Post Merger Management von Fusionen zurück und lei-
ten daraus Erfolgsmuster ab, die nach ihrer Erkenntnis eine erfolgreiche Zusammenarbeit
ausmachen.
Einen Überblick zu den so identifizierten Erfolgsvoraussetzungen von Allfinanzpartner-
schaften gibt Bernet: Er teilt die Erfolgsfaktoren in solche der Kooperationsvorausset-
zung (bspw. Erfahrung des Managements, Persönlichkeit der Beteiligten, Zielidentität der
Partner), der Kooperationsinhalte (bspw. Kapitalverflechtung, Tiefe der Kooperation)
und der Kooperationsform (bspw. vertragliche Ausgestaltung der Kooperation) ein.383
Auf den konkreten Wirkungszusammenhang zwischen Erfolgsfaktoren und Erfolg einer
Transaktion gehen die Berater in ihren Veröffentlichungen nur in wenigen Fällen ein.
Zumeist beschränkt sich die Analyse auf das Zusammentragen von als erfolgsrelevant
betrachteten Faktoren, bspw. bei Davis (2000). Andere Studien, bspw. Fontanari (1995),
legen die aus theoretischen Ansätzen generierten Erfolgsfaktoren Unternehmern und Be-
ratern zur Bewertung vor. Hierdurch ergibt sich eine rein subjektive Beurteilung der Er-
folgsfaktoren.
382 Vgl. Jansen (2000), S. 471. Die von ihm abgeleiteten Erfolgsfaktoren basieren auf einer Analyse von 103 Fusionen mit deutscher Beteiligung zwischen 1994 und 1998, bewertet anhand von Aktienmarktreaktionen sowie Performance- Kennziffern. 383 Vgl. bei Bernet (1999), S. 60. In bezug auf die Kooperationsinhalte und -form nimmt Bernet keine Bewer-tung der Ausgestaltungsformen vor. Statt dessen beschränkt er sich bspw. auf die Empfehlung einer „effizien-ten“ Kooperationsform sowie einer „genauen“ Spezifizierung der Kooperationsinhalte. Dies macht deutlich, daß die Erfolgsfaktoren letztlich von den individuellen Hintergründen der jeweiligen Kooperation abhängig sind.
132
Die folgenden Abschnitte dieser Arbeit basieren auf Veröffentlichungen großer Unter-
nehmensberatungen zum Thema Allfinanz sowie auf Gesprächen mit Vertretern von All-
finanzkonzernen (vgl. Kapitel 6).
Es werden insgesamt fünf Bereiche identifiziert, denen bei der inhaltlichen Ausgestaltung
von Allfinanzpartnerschaften eine besonders große Bedeutung zukommt. Sie haben daher
einen starken Einfluß auf den Erfolg einer Zusammenarbeit und werden als „Erfolgsfak-
toren“ bezeichnet: Integrationsform und -grad, Markenführung, Vertriebsstrategie, Pro-
duktgestaltung und Mitarbeiterführung. In diesen Bereichen sollen Handlungsempfeh-
lungen für die Ausgestaltung künftiger Kooperationen abgeleitet werden können.
Es geht in erster Linie um die operative Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen
Banken und Versicherungen im Vertrieb. Untersuchungsgegenstand ist primär der Ver-
trieb von Versicherungsprodukten über den Bankschalter, d. h. das Allfinanzkonzept in
seiner „engen“ Definition. Aufgrund der bisher geringen Erfolge beim Vertrieb von
Bankprodukten durch Versicherungsagenten wird dieser Bereich in Kapitel 5 nicht mit
einbezogen384.
Der Erfolg wird im folgenden nicht aus Kapitalmarktsicht betrachtet. Vielmehr ergibt
sich der Erfolg aus den direkt meßbaren Ergebnissen der Zusammenarbeit zwischen Bank
und Versicherung im Vertrieb. Als erfolgreich gilt eine Allfinanzpartnerschaft u. a. dann,
wenn es gelingt, eine möglichst hohe Zahl von Versicherungsverträgen pro Kundenbe-
treuer der Bank zu verkaufen.385
384 Folgende Problemfelder ergeben sich beim Vertrieb von Bankprodukten durch Versicherungsvertreter: Der Versicherungsvertrieb ist zumeist als Spartenvertrieb organisiert. Die Agenten sind reine Produktspezialisten und werden nach einem strikten Produkt- und Wettbewerbssystem incentiviert; der Verkaufsfokus liegt daher auf den provisionsträchtigen Personen- und Sachversicherungen. Dem zusätzlichen Verkauf von Bankproduk-ten steht zudem oft die mangelnde Qualifikationsbereitschaft der Agenten entgegen, die an ein fest definiertes Leistungsprogramm gewohnt sind. Die auf Neugeschäftsgewinnung ausgerichtete Vertriebsmentalität der Ver-sicherungsagenten entspricht nicht unbedingt dem Cross-Selling- Gedanken des Allfinanzvertriebs. Vgl. Benöl-ken (1992), S. 649. 385 Dieser Vorgehensweise zur Bewertung von Allfinanzkonzepten folgen verschiedene aktuelle Publikationen, vgl. u. a. Monitor Group/ JP Morgan (2002), Boston Consulting (2002), Kern (1999).
133
5.2 Integrationsform und -grad
Mit Blick auf Europas Finanzdienstleistungsmarkt ist festzustellen, daß das Allfinanz-
konzept in einer Vielzahl institutioneller Ausgestaltungen umgesetzt wird. Die Spannbrei-
te reicht von der losen Kooperation ohne Exklusivitätsanspruch bis hin zur Konzernbil-
dung durch Übernahme oder Neugründung. Zwischen diesen Extremen besteht ein breites
Spektrum von unterschiedlich stark formalisierten Organisationsformen. Zum Teil wer-
den gleichzeitig mehrere Organisationsformen umgesetzt, oft kommt es im Zeitverlauf zu
Strategiewechseln.
So verfolgte die Commerzbank seit Beginn der 80er Jahre das Konzept der offenen Ko-
operation und kooperierte auf Basis von Vertriebsabkommen mit einer Vielzahl von Ver-
sicherungen und Bausparkassen. Im Laufe der Jahrzehnte fokussierte die Bank ihre Part-
nerschaften immer mehr und ging bspw. 1989 eine exklusive Vertriebskooperation mit
der Leonberger Bausparkasse ein, die mit einer Kapitalbeteiligung unterlegt wurde. Seit
Ende der 90er Jahre kooperiert die Commerzbank exklusiv mit AMB Generali - die lang-
fristig angelegte Zusammenarbeit wurde durch gegenseitige Kapitalbeteiligungen zwi-
schen Generali und Commerzbank untermauert (vgl. Kapitel 6.5).
Zunächst sollen hier die am europäischen Allfinanzmarkt zu findenden Kooperations-
und Konzentrationsformen inklusive ihrer Vor- und Nachteile einzeln erläutert werden.
Die Frage, ob die institutionelle Form Einfluß auf den Erfolg einer Allfinanzpartnerschaft
hat, wird im Anschluß daran in Abschnitt 5.2.3 untersucht.
5.2.1 Kooperationsstrategien
Bei einer sog. offenen Kooperation arbeitet ein Finanzdienstleister, bspw. eine Bank, mit
wechselnden Partnerunternehmen (hier Versicherungen) zusammen. Es erfolgt in der
Regel keine vertragliche Fixierung der Kooperation, dementsprechend besteht kein Ex-
klusivitätsanspruch. Die Bank erhält für die Vermittlung von Versicherungsprodukten
eine Vermittlungsprovision.386 Idee dieser Kooperationsform ist es, dem Kunden je nach
Bedarf maßgeschneiderte Produkte anbieten zu können. Eine gemeinsame Strategiever-
386 Vgl. UBS (2004), S. 16f.
134
folgung oder ein koordinierter Marktauftritt von Bank und Versicherungspartnern erfolgt
nicht.
Die offene Kooperation läßt sich dem sog. „Open architecture“- Modell zuordnen, das
heute bspw. von der Citibank im Vertrieb von Fondsprodukten umgesetzt wird. Der Kun-
de kann hier zwischen den Produkten verschiedener Anbieter (Kapitalanlagegesellschaf-
ten) auswählen. Das Modell bietet den Vorteil, daß die Kooperationspartner, u. U. auch
konzerneigene Unternehmen, sich mit ihren Produkten einem breiten Wettbewerb stellen
müssen. Dies kann sich positiv auf das Preis- Leistungsverhältnis des Angebots auswir-
ken.387 Aus Sicht der Bank ist zudem vorteilhaft, daß multilaterale Verbindungen einge-
gangen werden können - dies führt zu einer guten Verhandlungsposition bei Provisions-
abkommen. In der europäischen Allfinanzlandschaft wird das Open architecture-Modell
allerdings nur selten umgesetzt, statt dessen setzen Banken und Versicherungen eher auf
stärker formalisierte Kooperationen mit wenigen Partnerinstituten.388
Eine stärkere Integration der Kooperationspartner findet statt, wenn die vertragliche Ver-
pflichtung eingegangen wird, exklusiv die Produkte des jeweiligen Partners zu vertreiben.
Dieses Modell der formalisierten Kooperation389 wird in Deutschland bspw. von der Citi-
bank/ CiV Versicherung, HVB/ ERGO sowie Deutsche Bank/ Deutscher Herold ange-
wandt. Oft wird die Zusammenarbeit durch gegenseitige Kapitalverflechtungen bzw.
Minderheitsbeteiligungen der Institute unterstrichen.390 Dies erhöht die Einfluß- und Kon-
trollmöglichkeiten der Partner und kann die Grundlage für eine engere Integration der
Tätigkeiten bilden.
Im angelsächsischen Sprachgebrauch wird bei formalisierten Vertriebskooperationen
zumeist der Begriff Distribution Agreement verwendet.391 Die Kooperation ermöglicht
den Partnerinstituten einen gemeinsamen Marktauftritt, gleichzeitig erfordert sie nur ei-
nen geringen Kapitaleinsatz der Beteiligten. Einen nennenswerten Einfluß auf das jewei-
lige Partnerunternehmen erlauben derartige Abkommen jedoch nicht. Im Fall von Ziel-
387 Deutsche Bundesbank (2005a), S. 41 388 Vgl. Amara (2005), S. 103. Deutschland weist europaweit die höchste relative Häufigkeit bilateraler Koope-rationen auf. Diese werden zumeist durch gegenseitige Beteiligungen unterlegt. 389 Vgl. Baxmann (2002), S. 15f. 390 Im Fall von HVB/ ERGO besteht eine Beteiligung der HVB an der Münchner Rück i.H.v. 9,9 % und umge-kehrt 25,7 %. Die CiV Versicherung hingegen ist eine 100 %ige Tochter des Talanx-Konzerns, sie wurde von der Citibank in 1985 gegründet, 1996 an die Talanx verkauft. Der Deutsche Herold gehört seit 2002 zu 100 % Zurich Financial Services, nachdem die Deutsche Bank ihre „In-house“- Versicherungslösung aufgegeben hatte. 391 Vgl. bspw. Monitor/ JP Morgan (2002), S. 11
135
konflikten dürften daher die Eigeninteressen der Institute überwiegen, so daß sich auch
formalisierte Kooperationen durch eine relativ hohe Instabilität auszeichnen.392
Zu beachten ist, daß die genannten exklusiven Kooperationen in Deutschland z. T. große
Unterschiede in der Ausgestaltung ihrer Zusammenarbeit aufweisen. So handelt es sich
bei der CiV Versicherung um einen „integrierten Spezialversicherer“, der in seiner Pro-
dukt- und Vertriebsstrategie vollständig auf den Partner Citibank ausgerichtet ist. Andere
Versicherer, wie die AMB Generali, setzen hingegen weiterhin in erster Linie auf den
klassischen Vertrieb über Versicherungsvertreter.
Diese Beobachtung macht deutlich, daß eine Bewertung verschiedener Kooperationsmo-
delle nicht pauschal erfolgen kann. Vielmehr müssen die jeweiligen Umstände der ge-
wachsenen Markt- und Kundenstrukturen berücksichtigt werden. Der Umfang der gegen-
seitigen Kapitalbeteiligung der Partnerinstitute kann nur ein Indiz dafür sein, wie stabil
und langfristig die Zusammenarbeit sein soll.
Eine zunehmend an Popularität gewinnende Ausprägungsform der formalisierten Koope-
ration ist das Joint Venture. Unter einem Joint Venture wird im angloamerikanischen und
deutschen Sprachgebrauch ein rechtlich selbständiges Tochterunternehmen verstanden,
das von mindestens zwei Muttergesellschaften gemeinschaftlich gegründet wird.393 Im
Vergleich zu einer Konzernstrategie ergibt sich der Vorteil eines vergleichsweise gerin-
gen Kapitaleinsatzes. Auf dem europäischen Allfinanzmarkt fällt auf, daß Joint Ventures
besonders in Frankreich, Spanien und Italien eine beliebte Kooperationsform darstellen.
Insgesamt unterhalten bereits 12 % aller europäischen Banken (nach Marktkapitalisie-
rung) ein Joint Venture mit einem Partnerunternehmen.394 Beispiele sind das spanische
Joint Venture „Caifor“ von Fortis und La Caixa sowie das Joint Venture „Commerz Part-
ner“ von Commerzbank und AMB Generali (vgl. Kapitel 6.3 und 6.5).
Ein Vorteil des Joint Ventures gegenüber loseren Kooperationsabkommen liegt in der
erhöhten Stabilität der Verbindung. In der Regel gründen Bank und Versicherung zu-
sammen eine separate Versicherungstochter, deren Zweck es ist, Versicherungsprodukte
an die Kunden der Bank zu verkaufen. Typischerweise halten die Bank und Versicherung
jeweils fünfzig Prozent am Eigenkapital des Joint Ventures, hinzu kommen zumeist ge-
392 Vgl. Deutsche Bundesbank (2005a), S. 41 393 Vgl. Baxmann (2002), S. 19
136
genseitige Kapitalbeteiligungen zwischen den Partnerinstituten. In der Regel erfolgt im
Vertragswerk eine genaue Aufgabenteilung: Die Bank übernimmt bspw. den Vertrieb
sowie das Marketing, die Versicherung stellt die Produkte sowie die notwendige Daten-
verarbeitung zur Verfügung.395
Ein besonderer Vorteil des Joint Venture- Ansatzes ist die Möglichkeit eines erheblichen
Know-how- Transfers zwischen den Partnerinstituten. Hierdurch kann die beteiligte Bank
Fachwissen zum Versicherungsgeschäft internalisieren, das in der Folgezeit u. U. bei der
Gründung einer eigenen Versicherungstochter genutzt werden kann. Nach Aussage von
Experten bestehen Joint Ventures branchenübergreifend rund sechs Jahre lang und wer-
den dann aus unterschiedlichen Gründen beendet. Häufig hat sich nach dieser Zeit die
Wettbewerbslage so verändert, daß die Zusammenarbeit für einen der Partner keinen Sinn
mehr macht und dieser seine Anteile an den anderen Partner verkauft: In 85 % der Fälle
endet das Joint Venture mit dem Erwerb der Gesellschaft durch einen der ursprünglichen
Partner.396
Als Nachteile des Joint Ventures gegenüber loseren Kooperationsformen sind folgende
Punkte zu nennen: Durch ein Joint Venture ergeben sich materielle und personelle Ver-
flechtungen, die die Beendigung der Zusammenarbeit im Vergleich zu Kooperationsab-
kommen verteuern. Die Exit-Kosten sind also relativ hoch - die Partner büßen an Flexibi-
lität ein, wenn sie auf neue unternehmerische Herausforderungen reagieren wollen. Hinzu
kommen relativ hohe Investitionskosten bei Gründung eines Joint Ventures.
Einige Aspekte werden von Experten bei der Etablierung von Joint Ventures als beson-
ders erfolgsentscheidend bewertet397:
• Eine Voraussetzung für ein stabiles Joint Venture ist die genaue Verteilung der Rol-
len der Partnerinstitute im gemeinsamen Tochterunternehmen: Es müssen im Vorfeld
Vereinbarungen zur Aufgabenverteilung innerhalb des Joint Ventures getroffen wer-
den.
394 Vgl. UBS (2004), S. 14 395 Vgl. UBS (2004), S. 14f 396 Vgl. Büchel (2004), S. 56 397 Die Erläuterungen basieren auf Interviews mit Verantwortlichen der Allfinanzbranche, vgl. Kapitel 6.
137
• Die gewählte Strukturierung des Joint Ventures muß sich an den festgestellten Bei-
trägen der Partner orientieren - die Beteiligungsquoten am gemeinsamen Tochterun-
ternehmen sollten hiervon abhängen. Bei einem 50:50- Joint Venture sollte bspw. da-
von auszugehen sein, daß beide Partner in etwa die gleiche Leistungsmenge beisteu-
ern, d. h. eine gleichmäßige Arbeitsbelastung der Partner vorliegt.398 Schwierig ges-
taltet sich vor allem die Bewertung der Beiträge der Partner, zumal der künftige Er-
folg des Joint Ventures mit hohen Unsicherheitsfaktoren belastet ist.
• Eine gerechte Verteilung von Risiken und Nutzen ist für die erfolgreiche Entwicklung
des Joint Ventures unerläßlich. Es müssen vertragliche Vereinbarungen zur Gewinn-
verteilung getroffen werden. Konflikte lassen sich vermeiden, wenn die Muttergesell-
schaften sich sicher sein können, daß für sie ein Gleichgewicht von Leistung und
Nutzen besteht.399
• Formelle Ausstiegsmodalitäten müssen festgelegt werden, die es den Partnern bei
schwerwiegenden Konflikten erlauben, das Joint Venture ohne zeitaufwendige juris-
tische Auseinandersetzungen zu beenden.
Abschließend soll ein Blick auf die vorzufindenden Integrationsformen am europäischen
Allfinanzmarkt geworfen werden. Es ist festzustellen, daß Kooperationen gegenüber
Konzernlösungen in Deutschland, der Schweiz und Österreich vorherrschend sind.400
Ein Grund hierfür dürfte sein, daß Kooperationsabkommen in Deutschland im Genossen-
schafts- und Sparkassensektor bereits eine jahrzehntelange Tradition haben. In ihren his-
torisch gewachsenen Verbundsystemen kooperieren die genossenschaftlichen und öffent-
lichen Banken mit verschiedenen Versicherungsgruppen (bspw. Genossenschaftsbanken
mit R+V). Die Zusammenarbeit basiert auf einem freiwilligen Commitment (Verbund-
treue), unterlegt durch zumeist indirekte Beteiligungen.
398 Vgl. Monitor Group/ JP Morgan (2002), S. 14. Es stehen verschiedene Strukturierungsmöglichkeiten zur Verfügung mit unterschiedlichen Eigenkapitalbeteiligungen der Partner und Gewinnverteilungsquoten. Wichtig ist es, eine Struktur zu wählen, die für beide Partner ausreichende Anreize schafft. 399 Vgl. Büchel (2004), S. 57, die Autorin ist Professorin am IMD, International Institute for Management Deve-lopment, in Lausanne, Schweiz. 400 Vgl. Amara (2005), S. 108. Hiernach machen „lose“ Kooperationen zusammen mit Joint Ventures in Deutschland rund zwei Drittel der gesamten Allfinanzpartnerschaften aus. Die Konzernlösungen in Form von Tochtergesellschaften und Holding- Strukturen kommen dagegen zusammen auf weniger als 40 %.
138
Nach Ansicht der Allfinanzexperten der UBS werden Kooperationsmodelle in den nächs-
ten Jahren vermehrt an Attraktivität gewinnen.401 Grund hierfür sind die mit der Umset-
zung von Basel II erwarteten rechtlichen Veränderungen, die die „capital arbitrage“- Vor-
teile in Allfinanzkonzernen beschränken werden. Banken müssen dann bei Akquisitionen
wesentlich mehr Eigenkapital aufbringen als bisher. (vgl. Kapitel 3.4.1).
Es ist zu beobachten, daß sich verschiedene große Finanzdienstleister in den letzten Jah-
ren von ihren Allfinanz- Konzernlösungen verabschiedet haben: Die Deutsche Bank be-
fand im Jahr 2002, daß das Versicherungsgeschäft des Deutschen Herolds – trotz guter
Ertragslage - nicht zum "Kerngeschäft der Bank“ gehörte und tauschte den Herold gegen
das Asset Management Geschäft (außerhalb Großbritanniens) von Zurich Financial Ser-
vices ein. Seitdem besteht nur noch eine exklusive Vertriebskooperation mit dem Herold.
Die Citigroup verkaufte im Frühjahr 2005 ihre Lebensversicherung Travelers Life & An-
nuity und fast ihr gesamtes internationales Versicherungsgeschäft an den US- Versiche-
rungskonzern MetLife. An die Stelle der Konzernlösung tritt seitdem ein exklusives, über
zehn Jahre angelegtes, Vertriebsabkommen zwischen Citigroup und MetLife. Grund für
diese „Rückabwicklung“ des Allfinanzkonzerns ist auch hier die Konzentration auf das
Kerngeschäft.402
Insgesamt scheint das Konzept der Allfinanzkonglomerate in den USA aktuell aus der
Mode zu kommen: Der Kreditkartenkonzern American Express, der in den USA als Pio-
nier der Allfinanzidee gilt, gab Anfang 2005 bekannt, sein Fonds-, Handels- und Bera-
tungsgeschäft in ein selbständiges Unternehmen ausgliedern zu wollen.403
401 Vgl. UBS (2004), S. 34 402 Vgl. o.V. (2005), S. 23, zitiert wird der Citigroup- Vorstandsvorsitzende Charles Prince. Die Rückbesinnung auf das Kerngeschäft der Bank drückt sich auch durch den Verkauf der LKW-Leasingtochter sowie die europäi-schen Factoring- Aktivitäten aus. 403 Vgl. o.V. (2005a), S. 24. Grund für den Strategiewechsel ist u.a. die im Vergleich zum Kreditkartengeschäft schlechtere Ergebnisentwicklung des Beratungs- und Brokerbereichs.
139
5.2.2 Konzentrationsstrategien
Neben den beschriebenen Kooperationsmodellen kann das Allfinanzkonzept durch Kon-
zernbildung umgesetzt werden. Experten sprechen von „traditioneller“ Allfinanz und
meinen damit Konzerne, in denen die Produktion und Distribution von Versicherungs-
und Bankprodukten unter einem Dach stattfindet.404 Beispiele sind die großen Benelux-
Allfinanzkonzerne Fortis, ING und KBC, in Deutschland die Allianz/ Dresdner Bank, in
England Lloyds TSB/ Scottish Widows.
Von Konzernbildung wird gesprochen, wenn mehrere rechtlich selbständige Unterneh-
men unter einer einheitlichen Führung zusammengefaßt werden.405 Charakteristika eines
Konzerns sind eindeutige Kommunikations- und Weisungsbeziehungen sowie eine zent-
rale geschäftspolitische Leitung. Innerhalb eines Allfinanzkonzerns besteht ein breiter
Gestaltungsspielraum in bezug auf den Grad der Kooperation zwischen den Unterneh-
men: Die Zusammenarbeit kann sich auf einem Kontinuum zwischen vollständiger Inte-
gration und befristeten Vertragsbeziehungen zwischen den Konzernunternehmen bewe-
gen. Die kapitalmäßige Beteiligung innerhalb des Konzerns legt in jedem Fall die Grund-
lage für eine langfristige Kooperation der Gesellschaften und schafft gute Voraussetzun-
gen für eine tiefere Integration.406
Grundsätzlich ist bei der Konzernbildung zwischen Neugründung und Akquisition zu
unterscheiden. Die Strategie der Neugründung verfolgte bspw. die Deutsche Bank bei der
Gründung der DB Leben in 1989, die später mit der übernommenen Herold Leben ver-
schmolzen wurde. Nachteilig ist bei der Gründung einer eigenen Versicherungstochter die
hohe Zeit- und Kostenintensität, die der Aufbau eines Kundenstamms sowie der Einkauf
externen Know-hows erfordert.407 Hinzu kommt die Unsicherheit bezüglich des künftigen
Markterfolgs der Tochter, zumal bei dem Mutterunternehmen u. U. keine ausreichende
Branchenerfahrung vorliegt.408 Andererseits ist eine Integration der Tochter innerhalb des
Konzerns reibungsloser möglich als bei Übernahme einer „fremden“ Gesellschaft. Bei
404 Vgl. UBS (2004), S. 13 405 Vgl. Wagner (1991), S. 121 406 Im Fall der Allianz/ Dresdner Bank liegt eine 100 %- Beteiligung der Allianz an der Dresdner vor. Ebenso hält Lloyds TSB 100 % an der Versicherungstochter Scottish Widows. 407 Vgl. Baxmann (2002), S. 21f. 408 Vgl. Amara (2005), S. 35
140
Neugründung einer Versicherungstochter durch eine Bank kann die Leistung der Versi-
cherung speziell an den Bankvertrieb angepaßt werden; häufig agiert die Versicherungs-
tochter als reiner Produktlieferant für die Muttergesellschaft. Durch die Nutzung des etab-
lierten Markennamens der Mutter können hierbei Synergien gehoben werden.
Eine Akquisition bezeichnet die Übernahme bzw. den Teilerwerb eines bereits am Markt
tätigen Unternehmens und dessen Integration in den bestehenden Konzern.409 Beispiel ist
in Deutschland die Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz im Jahr 2001. Die
Akquisition stellt die kapitalintensivste Form der Zusammenarbeit dar. Vorteilhaft ist die
Schnelligkeit des Marktzutritts durch Übernahme von Kunden- und Geschäftsbeziehungen
sowie von Branchen- Know-how. Das Allfinanzkonzept kann dabei zügig umgesetzt
werden, da etablierte Vertriebskanäle zusammengeführt werden.
Innerhalb der Konzernstrategie kann eine Differenzierung nach der Organisationsform
vorgenommen werden. Je nachdem, welche Funktionen von der Obergesellschaft eines
Konzerns wahrgenommen werden, unterscheidet man zwischen Stammhaus- und Hol-
ding- Konzepten. Im Falle eines Stammhauskonzerns ist die Konzernobergesellschaft
nicht nur für die Lenkung und Koordination der Konzernunternehmen verantwortlich,
sondern tritt zudem auch eigenunternehmerisch am Markt auf.410 Die Tochtergesellschaf-
ten sind juristisch selbständig, jedoch finanziell und operativ stark von der Obergesell-
schaft abhängig.
Beim Holding- Konzept ist die Obergesellschaft hingegen ausschließlich für die strategi-
sche Führung und Steuerung der Gruppe zuständig. Geschäftszweck der Holding ist pri-
mär die Beteiligung an Unternehmen des Finanzdienstleistungssektors, es findet kein
eigenständiger Marktauftritt statt.
Nach Meinung von Experten erweist sich das Holding- Konzept bei der Koordination von
Allfinanzkonzernen als besonders vorteilhaft. Folgende Gründe sprechen dafür:
• Die Holding- Gesellschaft ist für die Gesamtunternehmensstrategie der Gruppe zu-
ständig, d. h. die Bestimmung der grundsätzlichen Tätigkeitsfelder der Gruppe erfolgt
zentral. Bei der Umsetzung der Geschäftsbereichsstrategien bewahrt das jeweilige
409 Vgl. Baxmann (2002), S. 20. Nach allgemeiner Auffassung liegt bereits bei einer 50 %igen Beteiligung eine Akquisition vor, da hierdurch über die Leistungen und Ressourcen des Zielunternehmens verfügt werden kann. 410 Vgl. Wagner (1991), S. 120ff.
141
Management vor Ort jedoch einen hohen Grad an Eigenständigkeit.411 Das Manage-
ment wird hier nicht mit strategischen Aufgaben belastet und kann sich ganz der
Marktbearbeitung widmen.
• Die Holding-Struktur ermöglicht es, eine Vielzahl von Unternehmen mit unterschied-
lichen Organisationen und Unternehmenskulturen in einer Gruppe zu führen, die
Aus- oder Neueingliederung von Unternehmen ist problemlos möglich. Dies bedeutet
ein hohes Maß an Flexibilität bei sich verändernden Marktgegebenheiten.
• Auf Ebene der Holding sind die zentralen Aufgaben zur Steuerung der Gruppe anzu-
siedeln: Hierzu gehört die Allokation von Ressourcen, die Entwicklung der Konzern-
strategie und das Konzern- Controlling. Von hier aus wird auch das Selbstverständnis
der Gruppe, ihre Corporate Identity, entwickelt und kommuniziert und der gruppen-
weite Wissensaustausch koordiniert. Zudem kann auf Ebene der Obergesellschaft die
zentrale Steuerung der Integrationsarbeiten vorgenommen werden: Hier erfolgt die
Festlegung der gemeinsam vertriebenen Produktpalette sowie die Verzahnung der
Vertriebswege.412
5.2.3 Bewertung von Integrationsform und -grad
Im folgenden soll ein Vergleich der Integrationsformen Kooperation und Konzentration
vorgenommen werden. Die in der Literatur diskutierte Frage nach einer „optimalen“ insti-
tutionellen Form für eine Allfinanzpartnerschaft kann angesichts der bereits festgestellten
Vor- und Nachteile der jeweiligen Ansätze nicht eindeutig beantwortet werden. Einige
Überlegungen sind bei der Abwägung zwischen den Integrationsformen jedoch grund-
sätzlich zu beachten:
Eine Kooperation kann den beteiligten Partnern die Möglichkeit bieten, sich besser „ken-
nenzulernen“ und dabei festzustellen, ob eine tiefere Integration, bspw. durch Fusion,
vorteilhaft ist. Während der Zusammenarbeit können die Partner sich gegenseitig einge-
411 Vgl. Allianz Group (2001), S. 23 412 Vgl. bei Schulte- Noelle (2003), S. 263; Allianz Group (2001), S. 23. Bei der Allianz Gruppe wurde nach der Fusion auf oberster Managementebene ein zentraler Integrationsausschuß unter Leitung von Dr. Schulte-Noelle und Prof. Fahrenholz eingerichtet.
142
hender prüfen und analysieren, als dies bspw. im Rahmen einer Due Diligence möglich
ist.413
Stellt sich die Zusammenarbeit als nicht erfolgreich heraus, können die Partner sich je-
derzeit ohne größere Aufwendungen wieder voneinander trennen – auf beiden Seiten wird
eine hohe Flexibilität gewahrt.
Der Vorstandsvorsitzende der Bank of Scotland bringt seine Haltung zur Form einer All-
finanzpartnerschaft auf den Punkt: „You don`t need to own a cow to have milk“414. Bei
einer Kooperation sei es jederzeit möglich, das Partnerinstitut zu wechseln, sofern die
(Versicherungs-) Produkte nicht mehr den Qualitätsanforderungen der Bank genügten.
Diese Flexibilität gehe bei einer konzernmäßigen Verbindung der Institute verloren.415
Aus Sicht der beteiligten Versicherung bietet die Kooperation mit einer Bank den Vorteil,
hierdurch einen kostengünstigen, zusätzlichen Vertriebskanal zu erschließen. Für den
Vertrieb erhält die Bank zwar eine Provision, der übrige Gewinn aus dem zusätzlichen
Geschäft verbleibt jedoch bei der Versicherung.416
Aus Perspektive der beteiligten Bank weist das Kooperationsmodell daher eine grund-
sätzliche Schwäche auf: Es ist für die Bank sehr schwierig, den Nutzen, der beim Versi-
cherungspartner durch den Bankvertrieb generiert wird, richtig einzuschätzen und daran
finanziell zu partizipieren. Häufig werden daher Kompensationsgeschäfte vereinbart, d. h.
gleichzeitig auch Bankprodukte über den Versicherungsvertrieb abgesetzt.417 Das Koope-
rationsmodell stellt sich also vorteilhafter für die Versicherung als für die Bank dar. Dies
kann dazu führen, daß die Motivation der Bankangestellten, neben ihren traditionellen
Produkten „fremde“ Versicherungen zu verkaufen, relativ gering bleibt.
Attraktiver aus Sicht der Bank erscheint im Vergleich zur losen Kooperation die Grün-
dung eines gemeinsamen Joint Ventures, da hierbei neben Provisionen zusätzlich Beteili-
gungserträge generiert werden. Die Kooperationsform des Joint Ventures wird auch in
einer Studie von Boston Consulting empfohlen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, daß
413 Vgl. Bergmüller (2002), S. 237 414 Zitiert bei Imeson (2002), S. 95. Die Bank of Scotland war mehrere Jahre exklusiv an StandardLife gebun-den. Zwischenzeitlich unterhält die Bank Distribution Agreements mit mehreren Versicherungsinstituten. Vgl. Monitor Group/ JP Morgan (2002), S. 44 415 Anzumerken ist hierzu, daß auch innnerhalb von Allfinanzkonzernen, wie bspw. ING und Fortis, die Bank-töchter z. T. mit verschiedenen Versicherungsanbietern kooperieren. Je nach Ausgestaltung der Führungs-struktur ist also ein Wechsel der Kooperationspartner durchaus möglich. 416 Vgl. Kern (1999), S. 46 417 Vgl. Warth (1999), S. 138.
143
die Höhe der Versicherungsverkäufe über den Bankschalter stark mit der finanziellen
Beteiligung der Bank an der gemeinsamen Allfinanz- Tochter korreliert.418
Die Praxis zeigt, daß eine Zusammenarbeit in Form von Vertriebskooperationen im Ver-
gleich zur Konzernbildung zwar wesentlich geringere Integrationskosten mit sich bringt,
gleichzeitig jedoch auch geringere Synergiepotentiale verspricht. So entfällt bspw. die
Möglichkeit, Skaleneffekte im Asset Management zu generieren. Auch der von vielen
Autoren vermutete Diversifikationsvorteil durch Senkung der Risikokosten (vgl. Kapitel
3.4) ist nur in einem Konzern, nicht bei einer Kooperation erreichbar.
Verfechter einer tiefen Integrationsstrategie weisen auf das höhere Ertrags- und Cross-
Selling- Potential einer Konzernlösung gegenüber Kooperationsmodellen hin:
Während bei einer Vertriebskooperation rund sechzig Prozent der Gewinnmarge beim
Verkauf einer Lebensversicherung als Provision an die Bank gehen, können diese Erträge
bei einem integrierten Konzern „im eigenen Haus“ gehalten werden. Durch die zentrale
Steuerung und Kontrolle in einem Konzern sei es zudem möglich, die Menge der über
den Bankschalter abgesetzten Versicherungen substantiell zu erhöhen. 419
Experten der Münchener Rückversicherung stellen fest, daß vor allem das „Commitment
des Top Managements“ den Erfolg einer Allfinanzpartnerschaft beeinflußt.420
Wichtig sei eine enge Zusammenarbeit auf Vorstands- und Senior Management-Ebene,
begleitet von regelmäßigen Treffen zur Allfinanzzusammenarbeit. Es müssen Möglich-
keiten gegenseitiger Einflußnahme geschaffen werden, dies kann bspw. durch Kapitalver-
flechtungen der Allfinanzpartner geschehen. Ebenso wird empfohlen, daß Mitglieder der
Lenkungs- und Aufsichtsorgane Funktionen in den jeweiligen Organen des Partnerinstitu-
tes übernehmen.421
418 Vgl. Boston Consulting (2002), S. 12. Im Falle der sehr erfolgreichen Zusammenarbeit Citibank/ CiV Versi-cherung liegt kein Joint Venture vor, sondern nur eine exklusive Kooperation inklusive eines Profit-Sharing- Abkommens. 419 Vgl. Schulte- Noelle (2003), S. 263. Verwiesen wird auf den stark gestiegenen Versicherungsverkauf über die Filialen der Dresdner Bank nach der Fusion von Allianz/ Dresdner Bank in 2001. 420 Vgl. Münchener Rück (2001), S. 4-5. Die Autoren sprechen sich dabei nicht für oder gegen eine bestimmte Kooperations- oder Konzentrationsform aus. 421 Auch Michael Albert, Vorstandsvorsitzender der Bayerischen Versicherungsbank (BVB), die sehr erfolgreich mit den bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken kooperiert, nennt das Engagement auf Top Management- Ebene als entscheidenden Erfolgsfaktor der Zusammenarbeit: Die Bankführung müsse hinter der Allfinanzko-operation stehen und diese auch durchsetzen. Der Versicherungsverkauf dürfe nicht nur als Appendix begriffen werden. Vgl. Flämig (2001), S. 19.
144
Insgesamt kann vermutet werden, daß die institutionelle Form der Integration einen
Einfluß auf den Erfolg einer Allfinanzpartnerschaft ausüben kann. Zu hinterfragen ist
jedoch, ob es tatsächlich empirische Beweise für die Überlegenheit einer bestimmten
Kooperations- oder Konzentrationsform gibt.
Zunächst ist zu konstatieren, daß es für alle vorgestellten Kooperationsformen erfolgrei-
che Praxisbeispiele gibt: Als erfolgreich gelten bspw. die Allfinanzkonzerne ING, Fortis
und KBC, das Joint Venture LaCaixa/ Fortis (Caifor) sowie die exklusive Kooperation
Citibank/ CiV Versicherung.422
Diese Beobachtung wird in den Studien von Amara zum Erfolg europäischer Allfinanz-
kooperationen bestätigt.423 Seine Erfolgsanalyse umfaßt 77 europäische Banken, die in
unterschiedlicher institutioneller Form zwischen 1994 und 2000 eine Allfinanzstrategie
verfolgten (vgl. 4.2.2).
Amara unterteilt das Portfolio der Banken nach der jeweiligen Kooperationsform (lose
Kooperation, Joint Venture, Holding etc.) in Subportfolios. Hinterfragt wird, ob eine der
Kooperationsformen bezüglich der Rendite (annualisierte Durchschnittsrendite der Ein-
zelportfolios) sowie des Risikos (Volatilität gemessen als Renditestandardabweichung)
den anderen überlegen ist.
Die Untersuchung führt zu dem Ergebnis, daß sich zwar unterschiedliche Renditen und
Risikostrukturen der Einzelportfolios abzeichnen, diese Unterschiede jedoch kaum an-
hand der jeweiligen Kooperationsform erklärt werden können. So weist das Portfolio
„Joint Venture“ im Vergleich mit anderen Kooperationsmodellen sowohl das geringste
Risiko als auch die niedrigste Rendite aus. Die geringe Rendite erscheint angesichts der
vergleichsweise tiefen Integration innerhalb eines Joint Ventures eher überraschend.
Das Portfolio der Holding- Gesellschaften stellt zwar aus Renditesicht die erfolgreichste
Kooperationsform dar, enttäuscht allerdings mit einem vergleichsweise hohen Risiko.
Diese Beobachtung läßt Zweifel an der These einer Risikoreduktion im Allfinanzkonzern
aufkommen.
In der Analyse von Amara wird der Erfolg der Allfinanzkonzepte aus Kapitalmarktsicht
dargestellt. Wie bereits in Abschnitt 5.1 gezeigt wurde, soll hier im speziellen der Erfolg
422 Vgl. Credit Lyonnais Securities (2004), S. 2f., UBS (2004), S. 79, 64, 423 Vgl. Amara/ Graf (2001), S. 86f.; Amara (2005), S. 76ff.
145
der Vertriebskooperation analysiert werden. Hierfür bietet sich als Erfolgskennzahl die
„Anzahl verkaufter Versicherungsprodukte pro Bankkundenbetreuer pro Jahr“ an.
In ihrer Studie zu den Erfolgsfaktoren von Allfinanzkonzepten verwenden Monitor
Group und JP Morgan diese Kennzahl, um den Erfolg europäischer Allfinanzpartner-
schaften zu untersuchen.424
Untersucht wird die Hypothese, daß der Erfolg einer Partnerschaft weniger von der Ko-
operationsform, sondern vielmehr vom Ausmaß der operativen Zusammenarbeit abhän-
gig ist.
Das Ausmaß der Zusammenarbeit messen die Autoren anhand der Kriterien Integrations-
grad und Ausrichtung. Als Integrationsgrad wird die Integration des Versicherungspart-
ners in die Bank bezeichnet. Hierunter fallen u. a. der Vertriebsansatz und die IT- Appli-
kationen. Bei einem hohen Integrationsgrad werden die IT-Applikationen des Versiche-
rers extra für die Anwendung bei der Bank konzipiert – die Versicherungsanwendungen
laufen auf den Rechnern der Bank. Die Versicherungspodukte werden direkt durch die
Schaltermitarbeiter der Bank verkauft - nicht durch Versicherungsmitarbeiter.
Die Ausrichtung des Versicherers auf die Bank umfaßt das Markenmanagement, Produkte
und Schulungen. Bei einem hohen Ausrichtungsgrad stellt der Versicherer extra für den
Bankvertrieb konzipierte Lösungen zur Verfügung: Es werden speziell auf den Bankver-
trieb ausgerichtete Produkte angeboten und Schulungen für Bankmitarbeiter organisiert.
Die Autoren unterteilen verschiedene europäische Allfinanzanbieter nach ihrem jeweili-
gen Integrations- und Ausrichtungsgrad. Sie kommen zu folgendem Ergebnis: Die Allfi-
nanzpartnerschaften, die sowohl einen hohen Integrationsgrad als auch eine hohe Aus-
richtung des beteiligten Versicherers auf die Bank aufweisen, sind im Versicherungsver-
kauf über den Bankschalter am erfolgreichsten.425
Eine tiefe Integration des Versicherers in das Vertriebskonzept des Bankpartners ist also
offenbar Grundlage einer hohen Verkaufsproduktivität und damit einer erfolgreichen
424 Vgl. Monitor Group/ JP Morgan (2002), S. 19f., 46f.; ebenso bei Kern (1999), 47f. Kern war zunächst Bera-ter bei Roland Berger & Partner, bevor er zur Monitor Group wechselte. Die Erkenntnisse der Arbeiten beruhen auf den gleichen Untersuchungen. 425 Zu den erfolgreichsten Verbindungen gehören u. a. Citibank/ CiV sowie La Caixa/ Fortis. Die Citibank ver-kaufte in 2002 nach Firmenangaben 71 Erstversicherungsverträge pro Schaltermitarbeiter, die anderen deut-schen Banken im Durchschnitt nur 11 Stück. Vgl. CiV Versicherungen (2003), S. 10
146
Allfinanzpartnerschaft. Im Vertrieb bedeutet dies u. a., daß die Bankangestellten in die
Lage versetzt werden sollten, eigenständig Versicherungsverkäufe abzuschließen.426
Insgesamt empfehlen die Autoren427, daß innerhalb einer Allfinanzpartnerschaft die Bank
die Führungsrolle übernehmen sollte. Nur so könne eine optimale Ausrichtung von Pro-
dukten und Prozessen auf die Bedürfnisse der Bankkunden gewährleistet werden. Dem-
nach tritt die Bank als Manager der Kundenbeziehung auf, während der Versicherungs-
partner als „Dienstleister“ agiert, der Produkte und Systeme zur Verfügung stellt.428
Die Integration auf operativer Ebene wird in den Bereichen Vertrieb, Produktpolitik, Mit-
arbeiterführung und Informationstechnologie umgesetzt (vgl. Kapitel 5.4 ff.). Die Ausge-
staltung dieser Bereiche bedingt laut Studie somit den Erfolg oder Mißerfolg einer Ko-
operation.
Die Autoren von Monitor Group/ JP Morgan ergreifen auch Partei für eine bestimmte
Integrationsform. Sie stellen die Hypothese auf, daß eine enge institutionelle Verbindung
eine reibungslose Integration der Partner unterstützt. Bevorzugt wird daher die Konzern-
bildung gegenüber anderen Kooperationsstrategien.429
Nach Bernet (1999) sind für den Erfolg jeder Integrationsform folgende Faktoren beson-
ders wichtig: Eine klare Verteilung von Kompetenzen und Verantwortung zwischen den
Beteiligten; Regelungen zur Bewältigung von Konflikten und für die Verteilung der Ko-
operationserträge und –kosten; Festlegung von Sanktionsmöglichkeiten bei nicht konfor-
mem Verhalten eines Partners.430
Als Fazit der Analysen kann folgendes zusammengefaßt werden: Bislang hat sich in der
Praxis keine Kooperationsform im Allfinanzgeschäft als eindeutig überlegen herauskris-
426 Die Alternative ist die sog. „Transfer- Strategie“: Hierbei wird der erste Kundenkontakt zwar durch den Bankangestellten geschaffen, dann erfolgt jedoch eine Weiterleitung des Kunden an einen Versicherungsmitar-beiter, der das Versicherungsgeschäft abschließt. 427 Ebenso die Experten von Boston Consulting (2002), S. 9 428 Aus Sicht der Berater setzt die Citibank mit ihrem Versicherungspartner CiV das Allfinanzkonzept „optimal“ um. Vgl. Monitor Group/ JP Morgan (2002), S. 33. Die Rollenverteilung bei der Zusammenarbeit von Allianz und Dresdner Bank geht hingegen aufgrund der gegebenen Machtverhältnisse nicht mit den Empfehlungen der Berater konform. 429 Vgl. Monitor Group/ JP Morgan (2002), S. 46. Innerhalb des Subportfolios der stark integrierten Allfinanz-partnerschaften identifizieren die Autoren die Konzernlösungen als die erfolgreichsten in bezug auf die Ver-kaufszahlen. Aufgrund der relativ geringen Zahl stark integrierter Partnerschaften kann dies jedoch nicht als empirischer Beleg für die Überlegenheit der Konzernstrategie gewertet werden. 430 Vgl. Bernet (1999), S. 63
147
tallisiert.431 Die formal-juristische Form sagt wenig über das tatsächliche Ausmaß der
Zusammenarbeit zwischen Bank und Versicherung aus. So können bspw. innerhalb einer
Holding die Konzerngesellschaften weitgehend unabhängig voneinander agieren432, wäh-
rend bei exklusiven Kooperationen eine tief integrierte Zusammenarbeit stattfindet (bspw.
Citibank/ CiV Versicherung).
Letztlich müssen die beteiligten Allfinanzpartner bei der Wahl von Form und Tiefe ihrer
Zusammenarbeit zwischen Integrationskosten und möglichen Erträgen abwiegen. Die
Wahl sollte von der jeweiligen, spezifischen Situation der Institute abhängig gemacht
werden. Externe Faktoren (bspw. regulatorische Gegebenheiten) müssen dabei ebenso
beachtet werden wie interne Aspekte (Kompatibilität der IT-Systeme, Risikoprofil des
jeweiligen Partners).433
431 Vgl. auch bei Deutsche Bundesbank (2005a), S. 42, Münchener Rück (2001), S. 5 432 Als Beispiele lassen sich die Citigroup und ING anführen: Die Citigroup als größter Allfinanzkonzern der Welt bietet außerhalb der USA keine Versicherungen für Privatkunden an. Auch die ING teilt ihre Aktivitäten klar auf: In Europa konzentriert sie sich auf das Bankgeschäft, in den USA auf Versicherungen. Vgl. o.V. (2001c), S. 56 433 Vgl. von Hülsen/ Schacht/ Schulz (2003), S. 123. Die Bewertung des Risikoprofils des Partners ist vor allem bei einer Konzernbildung angesichts der Gefahr von Risikotransfers entscheidend: So führten bspw. die hohen Kreditrisiken der übernommenen Dresdner Bank zu einer starken Belastung des Allianz- Konzerns.
148
5.3 Markenführung
Innerhalb der letzten Jahre hat die Markenführung im Finanzdienstleistungssektor eine
starke Bedeutungszunahme erlebt. Verdeutlicht wird dies durch die hohen Investitionen
der Finanzkonzerne in den Aufbau ihrer Marken. Als Indikator können die Werbeauf-
wendungen deutscher Finanzdienstleister herangezogen werden: Zwischen 1990 und
2001 haben sich die Werbeaufwendungen in den klassischen Medien (TV, Funk, Print)
ungefähr verdreifacht und liegen heute bei über siebenhundert Millionen Euro.434
Branchenübergreifend sind sich die deutschen Top- Manager einig, daß die Markenpolitik
einen zentralen unternehmerischen Erfolgsfaktor darstellt.435
Speziell in einem Allfinanzkonzern, wo eine Vielzahl von Produkten und Leistungen
unter einem Dach gebündelt ist, kommt einer starken Dachmarke eine große Bedeutung
zu: Eine kundenorientierte Markenführung trägt dazu bei, das differenzierte Leistungsan-
gebot zu integrieren und zu koordinieren.
Zunächst sollen die Bedeutung und Funktion der Marke aus Sicht der Finanzdienstleis-
tungsbranche erläutert werden. Unter der „Marke“ versteht die Wissenschaft ein in der
Psyche der Konsumenten verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem
Produkt, einer Dienstleistung oder einem Unternehmen.436
Aus Sicht des Kunden kommen der Marke verschiedene Funktionen zu. Sowohl Bank-
als auch Versicherungsprodukte sind Dienstleistungen, die sich durch Immaterialität und
Integrativität auszeichnen.437 Aufgrund dieser Eigenschaften sind folgende Markenfunkti-
onen im Finanzdienstleistungsbereich besonders relevant:
• Die Marke stellt im Kaufprozeß des Kunden eine Orientierungs- und Entscheidungs-
hilfe dar. Angesichts der hohen wahrgenommenen Austauschbarkeit der Finanz-
dienstleistungen kann der Kunde hierdurch seine Informationskosten reduzieren.
434 Vgl. Szallies (2004), S. 17. Banken, Versicherer und Finanzvertriebe zusammen kamen in 2003 auf den dritthöchsten Werbeetat im Branchenvergleich - noch vor den Branchen Telekommunikation und Pharma. 435 Dies ist das Ergebnis einer in 2000 vom Institut für Marketing der Westfälischen Wilhelms- Universität Münster durchgeführten Befragung. Vgl. Meffert (2003), S. 17 436 Vgl. Meffert (2003), S. 17 437 Vgl. Corsten (1999), S. 4. Die Integrativität bedeutet die Erfordernis der Einbeziehung eines sog. externen Produktionsfaktors (des Menschen). Immaterialität und Integrativität gelten als konstitutiv für das Vorliegen einer Dienstleistung.
149
• Der Erwerb einer Finanzdienstleistung bringt aus Kundensicht ein hohes Kaufrisiko
mit sich. Dieses resultiert aus der Immaterialität der Leistung, die sich durch einen
hohen Anteil an Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften auszeichnet. Die Qualität
der Leistung läßt sich für den Kunden, wenn überhaupt, erst im nachhinein beurtei-
len. Aus diesem Grund spielen das Prestige des Finanzdienstleisters sowie der
freundliche und kompetente Auftritt der Mitarbeiter eine große Rolle bei der Quali-
tätseinschätzung der Leistung.438 Die Marke trägt dazu bei, das Risiko eines Fehl-
kaufs zu verringern. Sie signalisiert Kompetenz und hat somit eine vertrauensbilden-
de Funktion.
• Die Marke bringt zudem einen ideellen Nutzen mit sich, sie vermittelt ein bestimmtes
Image. Vor allem bei der Wahl des Bankkontos, einer Krankenversicherung und ei-
nes Investmentfonds ist das Image des Anbieters aus Kundensicht relevant.439
Bei einer Allfinanzpartnerschaft stellt sich die Frage, unter welcher Marke die Versiche-
rungsprodukte über den Bankschalter vertrieben werden sollen. Grundsätzlich sind drei
Möglichkeiten denkbar: Ein Auftritt unter dem Namen der Versicherung, dem Namen der
Bank oder unter einem neuen, eigenständigen Namen.440
Im ersten Fall spricht man auch von einer „Zwei-Markenstrategie“, da dem Bankkunden
Produkte sowohl unter der etablierten Bank- als auch Versicherungsmarke angeboten
werden.441 Diese Strategie wird bspw. im Falle von Allianz/Dresdner Bank angewandt:
Aufgrund des hohen Bekanntheitsgrads der beiden Marken verzichtete man darauf, eine
neue Marke zu kreieren. Das Logo sowie die Marke der Dresdner Bank blieben erhalten;
über die Bankschalter werden Versicherungsprodukte unter der Marke „Allianz“ vertrie-
ben.442
438 Vgl. Swoboda (2004), S. 301 439 Vgl. Meffert (2003), S. 18. Dies ist das Ergebnis eines Forschungsprojektes des Marketing Centrums Müns-ter mit der GfK und McKinsey. 440 Für den dritten Fall liegen laut Kern (1999), S. 123 keine Praxisbeispiele in der europäischen Allfinanzland-schaft vor. 441 Vgl. bei Bergmüller (2002), S. 239 442 Ziel sei es, die beiden Unternehmenskulturen von Allianz und Dresdner Bank zusammenzuführen, ohne die Charakteristika der Partner einzubüßen. Vgl. Fösken (2001), S. 17, zitiert wird der Vertriebsvorstand der Allianz Cramer.
150
Da es sich bei der Allianz um eine gut etablierte Versicherungsmarke mit hohem Identifi-
kationswert handelt, erscheint diese Vorgehensweise sinnvoll. Die Kompetenz des Versi-
cherungsgebers Allianz kann in den Vordergrund gestellt werden und dient gegenüber
dem Kunden als Verkaufsargument. Zudem können die bereits vorhandenen Versiche-
rungsprodukte mit geringem Zeitaufwand auf den Bankvertrieb übertragen werden.
Beim Verkauf identischer Versicherungsprodukte über den Bankschalter sowie den her-
kömmlichen Agentenvertrieb ist allerdings die sog. „Freerider“- Problematik zu beach-
ten: Werden die gleichen Produkte zu unterschiedlichen Preisen angeboten, lassen die
Kunden sich u. U. von Versicherungsvertretern beraten, schließen den Vertrag letztlich
jedoch (günstiger) in der Bankfiliale ab.443 Um Konflikte zu vermeiden, ist also unbedingt
eine gleiche Preisgestaltung in den verschiedenen Vertriebswegen vorzunehmen.
Führende Unternehmensberatungen empfehlen, bei Allfinanzpartnerschaften die „Ein-
Markenstrategie“ anzuwenden.444 Hierunter versteht man eine vollständige Integration
der Versicherungsprodukte in den Marktauftritt der Bank. Die Versicherungen werden
unter der Bankmarke vertrieben - das Versicherungsinstitut tritt als Produktgeber und
Vertragspartei des Kunden nur noch auf dem Antragsformular auf. Als Beispiel ist die
Kooperation von Citibank/CiV Versicherung zu nennen. Die Namensgebung erfolgt unter
der Citibank- Marke, der Marketingauftritt der CiV ist vollständig in den der Bank integ-
riert (vgl. Kapitel 6.4).445
Vorteilhaft ist hierbei, daß das Qualitäts- und Service- Image der Bank auf die Versiche-
rungsprodukte übertragen wird. Es entfällt die Notwendigkeit eines zusätzlichen, teuren
Marketingauftritts der Versicherung für den Bankvertrieb. Andererseits entstehen Kosten
durch die Kreierung „neuer“ Versicherungsprodukte; zudem geht die Identität der betei-
ligten Versicherung u. U. verloren.
443 Vgl. Erdmann (2001b), S. 426 444 Vgl. bei von Hülsen/Schacht/ Schulz (2003), S. 123; McDaniel (1996), S. 42; Monitor Group/ JP Morgan (2002), S. 27, Boston Consulting (2002), S. 16 445 Den gleichen Ansatz empfiehlt der DSGV in einer Studie zur Allfinanz im Sparkassensektor: Um die Identifi-kation der Sparkassenmitarbeiter mit den Versicherungsprodukten der Verbundpartner zu stärken, sollten die Produkte unter der Marke „Sparkasse“ vertrieben werden. Das Erscheinungsbild der Anträge und Broschüren müsse einen eindeutigen Bezug zur Sparkassengruppe herstellen, bspw. durch Verwendung des Logos der S- Finanzgruppe. Vgl. DSGV (2001), S. 65
151
Hervorzuheben ist, daß ein Auftritt unter der Bankmarke stark zur Identifikation der
Bankangestellten mit den Versicherungsprodukten beiträgt und somit eine höhere Ver-
triebsmotivation mit sich bringt: Nach einer Untersuchung von Monitor Group/ JP Mor-
gan identifizieren sich 63 % der befragten Bankangestellten eher mit einem Versiche-
rungsprodukt, das unter dem Namen ihrer Bank angeboten wird.446
Allgemein ist zu empfehlen, daß bei der Wahl einer Markenstrategie im Bankvertrieb die
spezifischen Gegebenheiten der Allfinanzpartner berücksichtigt werden. Das Image der
vorhandenen Marken ist dabei ebenso in die Überlegungen mit einzubeziehen wie die
historische Entwicklung der jeweiligen Kooperation.
Wie bereits eingangs erwähnt wurde, kommt der Markenführung in integrierten Allfi-
nanzkonzernen eine besondere Bedeutung zu. Meffert macht dies deutlich, indem er fest-
stellt: „Die Allfinanz lebt von der Dachmarke“.447
Die zunehmende Komplexität des Produktangebots mit unterschiedlichen Preis- und Leis-
tungsmodellen innerhalb eines Konzerns kann zu einer Verunsicherung der Kunden füh-
ren. Die Etablierung einer starken Dachmarke trägt dazu bei, das vielfältige Angebot zu
integrieren und sorgt bei den Kunden für einen Wiedererkennungseffekt.
Beispielhaft ist die Dachmarkenstrategie der Allianz Gruppe zu nennen. Nach der Über-
nahme der Dresdner Bank wurden die Marke und das Logo der Bank beibehalten. Den-
noch ist es Ziel des Konzerns, künftig den Gruppencharakter verstärkt zu kommunizie-
ren. Die Einzelmarken des Konzerns sollen von der starken Dachmarke „Allianz“ profi-
tieren.448
Als gemeinsames Leistungsversprechen aller Marken der Allianz Gruppe wurden die sog.
„Trusted Authority“ sowie Kundenorientierung definiert. Hierunter ordnen sich die ein-
zelnen Gruppenunternehmen mit ihren individuellen Leistungsversprechen an - bspw. die
Dresdner Bank mit ihrem Werbespruch als „Beraterbank“.
Nach Untersuchungen der Allianz profitieren die Einzelmarken der Gruppe bereits von
der Dachmarken-Kampagne – die Wahrnehmung der Leistungsstärke und Vertrauens-
würdigkeit der Einzelmarken habe sich positiv entwickelt.
446 Vgl. Monitor Group/ JP Morgan (2002), S. 27 447 Meffert (2003), S. 17 448 Vgl. bei Berdi (2003), S. 15. Es wird aus einem Interview mit Michael Maskus, Leiter des Group Marketing der Allianz AG, zitiert.
152
Mit Blick auf die „100 erfolgreichsten Marken des Jahres 2004“ ist festzustellen, daß sich
hierunter zwar zehn Prozent Finanzdienstleister befinden, jedoch keine deutsche Versi-
cherung oder Bank auf den vorderen Rängen zu finden ist.449 Die erfolgreichsten Marken
der Finanzbranche sind amerikanische Institute - an erster Stelle Citigroup und American
Express, gefolgt von europäischen Instituten wie ING und UBS ab Rang sieben.
Eine bevölkerungsrepräsentative Studie der icon brand navigation GmbH aus dem Jahr
2002 kommt zu dem Ergebnis, daß mehr als die Hälfte der Befragten keine wesentlichen
Unterschiede zwischen den einzelnen Bankinstituten wahrnehmen. Im Vergleich zu
Gebrauchsgütermarken weisen Bankenmarken Defizite in den Einzeldimensionen Sympa-
thie, Loyalität und Markenuniqueness auf.450
Die Berater von Keylens Management Consultants nennen als Grund für den relativ ge-
ringen Erfolg deutscher Finanzmarken ein unzureichendes Markenverständnis deutscher
Top-Manager. Fünfzig Prozent der von ihnen befragten Manager interpretieren die „Mar-
ke“ vor allem als Werbung, Firmenname oder Logo eines Unternehmens. Rund 75 Pro-
zent der Befragten bringen das Thema „Marke“ ausschließlich in Verbindung mit Kom-
munikation und Produktqualität.
Bei Unternehmen, die es mit ihren Marken unter die erfolgreichsten im Finanzdienstleis-
tungsbereich geschafft haben (bspw. ING, UBS, HSBC), kommt der Markenführung
hingegen eine wesentlich umfassendere Bedeutung zu: Eine starke Marke wird hier als
wichtiger Erfolgsfaktor bei der Gewinnung von Kunden erachtet, sie verkörpert das „wo-
für das Unternehmen steht.“451 Die Schaffung eines positiven Kundenerlebnisses, die
Pflege der Kundenbeziehungen und die Motivation der Mitarbeiter sind Bestandteile ei-
ner erfolgreichen Markenstrategie.
Insgesamt scheint ein Nachholbedarf deutscher Banken und Versicherungen im Hinblick
auf das Markenverständnis vorzuliegen. Die Investition in Werbung und Kommunikation
allein greift zu kurz, um im Bewußtsein der Kunden ein eigenständiges, differenziertes
Profil einer Finanzmarke zu erzeugen. Aus Beratersicht bedarf es eines „ganzheitlichen“
Markenmanagements, das neben Werbung und Kommunikation auch die Mitarbeiterkul-
449 Vgl. bei Strauss (2004), S. 1652f. Diese und die folgenden Ausführungen basieren auf den bei Strauss zitierten Untersuchungen der Unternehmensberatung Keylens Management Consultants. 450 Vgl. ausführlich zur Studie bei Szallies (2004), S. 14 451 Vgl. bei Strauss (2004), S. 1653, Zitat von Peter Wuffli, CEO der UBS AG.
153
tur sowie das Management der Kundenbeziehungen integriert.452 Einige Aspekte sind
dabei von besonderer Wichtigkeit:
- Die genaue Kenntnis der Kundenbedürfnisse durch Segmentierung der Zielgruppen
sowie ein effizientes Management der Kundenschnittstellen.
- Die interne Verankerung der Markenstrategie in die Unternehmenskultur. Durch
„Leitbilder“ (auch „Codes of Conduct“) sollten die Werte und Ziele der Marke für die
Mitarbeiter übersetzt werden. Die Anforderungsprofile und Zielvereinbarungen der
Mitarbeiter können an diesen Leitbildern ausgerichtet werden.
- Der Beratungs- und Betreuungsqualität kommt eine immer größere Bedeutung zu.
Die fachlichen sowie die sozialen und emotionalen Kompetenzen der Kundenbetreuer
stellen wichtige Bestimmungsfaktoren bei der Wahrnehmung einer Finanzmarke dar.
452 Vgl. Schmidt/ Cyriax (2004), S. B10
154
5.4 Vertriebsstrategie
Unter einer Vertriebsstrategie versteht man „ein rational geplantes, zusammenhängendes
Maßnahmenbündel für den Absatz von Produkten und Leistungen“.453
Die Vertriebsstrategie ist Bestandteil der Geschäftsstrategie und trägt damit zur Errei-
chung der Ziele eines Unternehmens bei. Ihr lassen sich verschiedene absatzpolitische
Instrumente zuordnen. Hierunter fallen u. a. die Wahl der Vertriebskanäle (Kapitel 5.4.2),
die Produktpolitik (Kapitel 5.5) sowie die Preis- und Kommunikationspolitik eines Un-
ternehmens.
Die folgenden Abschnitte befassen sich mit der Ausgestaltung des Vertriebs deutscher
Retail- und Privatbanken, wobei zunächst auf die Organisation des Versicherungsver-
triebs über den Bankschalter (Kapitel 5.4.1) eingegangen wird. Danach wird das Thema
„Vertrieb“ in einem weiteren Kontext beleuchtet: Dabei werden zwei vertriebspolitische
Instrumente, das Customer Relationship Management (5.4.3) sowie die private Finanz-
planung (5.4.4) analysiert, die heute als Erfolgsfaktoren im Vertrieb von Finanzdienstleis-
tungen angesehen werden.
5.4.1 Integration des Versicherungsvertriebs in die Bank
Beim Verkauf von Versicherungsprodukten über den Bankschalter sind grundsätzlich drei
verschiedene Durchführungswege möglich: Der direkte Versicherungsverkauf durch die
Kundenbetreuer der Bank, die Weiterleitung von Kunden mit Versicherungsbedarf an
Versicherungsagenten des Partnerinstituts oder ein Mischsystem aus beiden Durchfüh-
rungswegen.
Untersuchungen sowie die Praxiserfahrungen von Allfinanz-Managern zeigen, daß der
direkte Versicherungsverkauf durch die Bankangestellten die höchsten Verkaufszahlen
mit sich bringt.454
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) empfiehlt den Sparkassen, den Ver-
sicherungsverkauf auf eine möglichst breite Vertriebsbasis zu stellen: Standardisierte
Versicherungsprodukte sollten demnach von den Sparkassenmitarbeitern selbst verkauft
453 Nirschl/ Wild/ Wimmer (2004), S. 300 454 Vgl. bspw. Monitor Group/ JP Morgan (2002), S. 20f., Boston Consulting (2002), S. 15. Die folgenden An-gaben basieren u. a. auf Gesprächen der Autorin mit Vertretern erfolgreicher Allfinanzpartnerschaften (vgl. Kapitel 6)
155
werden, während beratungsintensive Produkte von den spezialisierten Betreuern in den
Vermögensanlage- oder Immobilien-Centern angeboten werden.455
Eine langjährige Vertriebskooperation besteht zwischen der Bayerischen Versicherungs-
bank (BVB), einer Tochter der Allianz AG, und den bayerischen Volks- und Raiffeisen-
banken. Rund zehn Prozent des gesamten Leben-Neugeschäfts der Allianz in Deutschland
wurden im Jahr 2000 von den bayerischen Volks- und Raiffeisenbanken generiert. Auch
hier kommt das „direkte“ Vertriebskonzept sehr erfolgreich zur Anwendung: Standardi-
sierte Versicherungsprodukte verkaufen die Kundenbetreuer der Bank direkt, erst bei
komplizierteren Versicherungsfragen wird der Kunde an einen Experten der BVB ver-
wiesen.456
Ein weiteres Erfolgsbeispiel in Deutschland ist der Vertriebsansatz von Citibank/ CiV
Versicherung: Die auf die Bankkundschaft zugeschnittenen Versicherungsprodukte wer-
den in diesem Fall ausschließlich durch die Kundenbetreuer der Citibank vertrieben – bei
der CiV handelt es sich damit um einen vollständig integrierten Spezialversicherer.
In der Praxis bedeutet der direkte Versicherungsverkauf am Bankschalter, daß die Bank-
angestellten zu Bank- und Versicherungsverkäufern werden müssen. Dies bedingt hohe
Anfangsinvestitionen in Schulungskonzepte sowie in die Anpassung von Produkten und
IT-Systemen. Diese Kosten werden aus Sicht von Beratern jedoch durch verschiedene
Vorteile überwogen:
Die Kundenbetreuer der Bank sind mit den Wünschen ihrer Kunden vertraut und können
(unterstützt durch IT-Anwendungen) Cross-Selling- Potentiale erkennen und nutzen. Eine
generelle Weiterleitung von Kunden mit Versicherungsbedarf könnte ihre Kompetenz
untergraben und motivationshemmend wirken. Der direkte Verkauf durch die Bankange-
stellten ist zudem unter Zeitaspekten effizienter als eine Weiterleitung, zumal die Erfah-
rung zeigt, daß Bankkunden einen Ansprechpartner in der Filiale bevorzugen.457 Werden
die Versicherungsprodukte zudem unter der Marke der Bank vertrieben, kann dies die
Identifikation der Bankangestellten mit den Produkten zusätzlich erleichtern (vgl. Kapitel
5.3).
455 Vgl. DSGV (2001), S. 65 456 Vgl. Flämig (2001), S. 18 457 Vgl. Boston Consulting (2002), S. 16
156
Wie bereits deutlich wurde, überwiegt in der Praxis ein „Mischsystem“ aus direktem Ver-
sicherungsverkauf und einem Weiterleitungs („Referral“)- System. So werden bei der
Dresdner Bank standardisierte Versicherungen durch die Bankangestellten vertrieben,
während bei komplizierteren Versicherungsfragen die Vorsorge- und Versicherungsbe-
auftragten der Allianz zur Hilfe gezogen werden.
Erfolgsvoraussetzung der beschriebenen Vorgehensweise ist, daß in den Filialen ein effi-
zientes System zur Steuerung und Kontrolle von Weiterleitungen eingerichtet wird (vgl.
Abbildung 5).
Die Praxiserfahrung zeigt, daß auf Seiten der Bankbetreuer Barrieren bestehen, „ihre“
Kunden an fremde Versicherungsagenten abzugeben. Zur Incentivierung müssen daher
bei erfolgreichen Weiterleitungen Provisionen an die jeweiligen Bankangestellten gezahlt
werden. Es ist dabei klar zu regeln, wem der jeweilige Kunde „gehört“. Komplikationen
können sich bspw. ergeben, wenn mehr als ein Versicherungsagent oder eine Bankfiliale
sich berechtigt fühlen, aus dem Versicherungsverkauf eine Provision zu beziehen.458
Quelle: Eigene Darstellung
458 Beispiel hierfür: Ein Versicherungsagent schließt in Folge einer Weiterleitung erfolgreich einen Versiche-rungsverkauf ab. Bald darauf verkauft er an denselben Kunden zwei weitere Versicherungen. Zu regeln ist, ob der weiterleitende Bankbetreuer auch für diese Verkäufe eine Kommission erhält. Vgl. weitere Praxisbeispiele bei Münchener Rückversicherungsgesellschaft (2001), S. 37
Abb. 5: Steuerung und Kontrolle von Weiterleitungen
Definition des Weiterleitungs-
Prozesses
Allokation der Versi-cherungsagenten zu den Filialen
Evaluation der Ergebnis-se und Mitar-beiter-Incentivierung
Kontrollsystem mit Periodenver-gleich und Benchmarks
157
Ziel ist es, die Zahl der Weiterleitungen zu maximieren, und gleichzeitig die Qualität der
Verkaufsabschlüsse zu optimieren. Im Zentrum steht die genaue Definition des Ablaufs
von Weiterleitungen inklusive der Zuständigkeiten der Beteiligten. Auf dieser Grundlage
ist es möglich, Weiterleitungsprozesse effektiv zu überwachen und die Bankbetreuer
durch Anreizsysteme (Provisionen) zu motivieren. Hierzu ist ein regelmäßiges Kontroll-
system einzurichten, durch das die Ergebnisse der Weiterleitungen an das Management
des Allfinanzanbieters berichtet werden. Von Interesse sind dabei die Zahl der Weiterlei-
tungen, der Anteil der daraus generierten Geschäftsabschlüsse, ebenso Vergleiche mit
früheren Perioden oder Benchmarking mit anderen Allfinanzanbietern. Wichtig ist eine
intelligente Zuordnung von Versicherungsagenten bzw. – agenturen zu den Bankfilialen.
Die vorhandenen Kapazitäten sollten kooperativ zur Marktbearbeitung genutzt werden.
Vertriebspolitische Ansatzpunkte sind gemeinsame, abgestimmte Verkaufsaktionen.459
Die Praxiserfahrung zeigt, daß der Grundstein für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in
einem Umdenken von Bank- und Versicherungsmitarbeitern liegt: Von Seiten des Top
Managements sollte eine „Kultur der Kooperation“ vorgelebt und kommuniziert werden.
In den Köpfen der beteiligten Parteien muß sich die Idee durchsetzen, daß eine sorgfältige
Weiterleitung sowohl für das Unternehmen als auch für den einzelnen Vorteile mit sich
bringt.460
Ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Integration des Versicherungsvertriebs in die Bank ist
die Integration der Informationstechnologie (IT).
Wagner betrachtet die Informationstechnologie als „eine treibende Kraft“461 bei der Inte-
gration von Banken und Versicherungen. Im Zentrum der Zusammenarbeit stehen die
gemeinsame Systementwicklung sowie die gemeinsame Nutzung technischer Infrastruktu-
ren von Bank- und Versicherungspartner. Dies umfaßt die Entwicklung von Servicesys-
temen und die Zusammenführung der Kundeninformationen in einem gemeinschaftlichen
Kundeninformationssystem.
459 Vgl. DSGV (2001), S. 66 460 Vgl. Boston Consulting (2002a), S. 2 461 Vgl. Wagner (1991), S. 178ff.
158
Die beidseitige Nutzung der integrierten Markt- und Kundensysteme birgt erhebliche
Synergiepotentiale462, zudem ist es die Voraussetzung für eine umfassende Kundenanaly-
se und Vertriebssteuerung.
Auch Warth sieht in der Informationstechnologie einen Schlüsselfaktor bei der Entwick-
lung des Allfinanzkonzepts. Er weist jedoch auf die Konfliktpotentiale bei der IT- Inte-
gration hin. Banken und Versicherungen verwalten ihre Produkte in äußerst unterschied-
lichen Bestandsführungssystemen, die u. U. nur mit hohem Kostenaufwand integriert
oder ersetzt werden können.463 Dennoch ist laut Warth eine gemeinschaftliche IT-Lösung
unabdingbar. Nur durch sie sind Bank- und Versicherungsprodukte integrativ abbildbar
und mittels Schnittstellen ein beidseitiger Zugriff auf die Bestandsverwaltung möglich.
Unternehmensberater empfehlen, bei der Zusammenarbeit im Vertrieb das IT- System des
Versicherungspartners in das System der Bank zu integrieren.464 Konkret bedeutet dies,
daß die Anwendungsprogramme des Versicherungspartners auf der existierenden Bank-
Hardware laufen. Es wird kein separater PC für Versicherungsanwendungen am Schalter
benötigt. Wichtig ist die Zusammenführung der Datenbestände, durch die eine gemein-
same Kundenbestandsanalyse (Data Mining) und damit eine zielgruppenorientierte Kun-
denbetreuung ermöglicht werden (vgl. Kapitel 5.4.3).
Der Bankmitarbeiter sollte durch das IT- System beim Beratungsgespräch unterstützt
werden. Beim sog. „geführten“ Verkauf wird der Berater vom Softwaresystem durch das
Gespräch mit dem Kunden geleitet, indem ihm interaktive Fragen mit Multiple-choice-
Antworten vorgegeben werden. Gemäß den Angaben des Kunden werden die Antworten
eingegeben, nach Abschluß der Fragen erhält der Kunde direkt einen Ausdruck seines
Versicherungsangebots. Die Policierung kann bei einer Online-Anbindung an den Versi-
cherungspartner im besten Fall direkt am Point of Sale erfolgen.465
462 Gemäß Mc Kinsey lassen sich bei Bankenfusionen durch Integration der IT-Systeme die IT- Kosten um bis zu 25 % senken. Zwischen 30 und 50 % der gesamten Synergieeffekte einer Fusionen können direkt von der IT abhängen. Vgl. Leichtfuß/De Ploey/Kestens (2000), S. 374 463 Vgl. Warth (1999), S. 147. Problematisch ist dabei bspw. die lange Laufzeit von Lebensversicherungspro-dukten, die z. T. bereits vor Jahrzehnten verkauft wurden und in alten Systemen abgebildet werden. 464 Vgl. Monitor Group/ JP Morgan (2002), S. 28, Boston Consulting (2002), S. 17, Von Hülsen/Schacht/Schulz (2003), S. 125f. 465 Vgl. Kern (1999), S. 121. Damit werden bereits die ersten Verarbeitungsschritte beim Erstellen eines Versi-cherungsangebots am Bankschalter vollzogen, was die Versicherung entlastet.
159
Eine integrierte IT-Lösung am Bankschalter entspricht somit zum einen dem Wunsch der
Kunden nach Schnelligkeit und Abwicklungskomfort, zum anderen verspricht sie eine
hohe Akzeptanz beim Bankpersonal, das mit vertrauten Systemen arbeitet. Dem Bankbe-
rater wird ein strukturierter Gesprächsleitfaden vorgegeben - dies trägt zum Abbau psy-
chologischer Hemmnisse gegenüber dem „fremden“ Versicherungsprodukt bei.466
Werden die IT- Systeme der Versicherung nicht in die Bankanwendungen integriert, er-
geben sich eine Reihe entscheidender Nachteile: Das Nebeneinander von zwei Anwen-
dungssystemen bedeutet eine geringere Effizienz im Verkaufsprozeß, verbunden mit er-
höhter Komplexität. Gleichzeitig entfällt die Möglichkeit, durch die Analyse des inte-
grierten Datenbestandes Cross-Selling- Potentiale aufzudecken.
Ziel der Vertriebsstrategie muß es sein, die Mitarbeiter zu vertriebsorientierten Verkäu-
fern zu entwickeln. Die Kundenbetreuer der Banken verstehen sich primär als „Berater“ -
Bankprodukte stehen im Fokus ihrer Beratungsaktivität, Versicherungen werden oft nur
als „Zusatz“ angesehen. Der Versicherungsverkauf erfolgt zumeist "opportunistisch“,
was bedeutet, daß Versicherungsprodukte kaum aktiv angeboten werden, sondern nur,
wenn der Kunde danach fragt.467
Um die Cross-Selling-Potentiale des Kundenstamms auszunutzen, wird von den Bankbe-
treuern heute ein „proaktives“ Verkaufsverhalten gefordert. Dies erfordert eine aktive
Verkaufsansprache des Kunden, die sowohl Bank- als auch Versicherungsprodukte um-
faßt. Um den Vertrieb von Versicherungen für die Bankmitarbeiter attraktiv zu gestalten,
ist eine gleichwertige Incentivierung von Bank- und Versicherungsprodukten notwendig.
Zudem sollte die Vertriebsunterstützung für Versicherungen die gleiche Qualität wie für
herkömmliche Bankprodukte aufweisen.468
Grundvoraussetzung einer proaktiven Kundenansprache ist eine leistungsfähige, integ-
rierte IT-Software, mit deren Hilfe Kundenbestände segmentiert und zielgruppenorien-
tierte Marketingaktionen initiiert werden können.
466 Von Hülsen/Schacht/Schulz (2003), S. 126 467 Vgl. Monitor Group/ JP Morgan (2002), S. 24. Beispiel für einen „opportunistischen“ Versicherungsverkauf ist eine Baufinanzierung, für die der Kunde gleichzeitig eine Bauherrenhaftpflichtversicherung abschließen möchte. 468 Vgl. Kern (1999), S. 111
160
Experten empfehlen, grundsätzlich jeden Kontakt zum Kunden für eine aktive Ansprache
zu nutzen. Cross-Selling-Gelegenheiten ergeben sich nicht nur im Beratungsgespräch,
sondern auch an den SB-Automaten oder über das Telefon-Banking. So werden bei der
Stadtsparkasse Hildesheim im Call Center aktiv Beratungstermine akquiriert, wenn der
Kunde bspw. seinen Kontostand abfragt. Ebenso werden den Kunden über die Displays
der Kontoauszugsdrucker und Geldautomaten persönliche Nachrichten der Kundenberater
zugestellt. 469
Durch Schulungen können die Bankmitarbeiter für anlaßbezogene Verkaufsgelegenheiten
sensibilisiert werden. Anlässe für das Angebot von Versicherungsprodukten ergeben sich
häufig automatisch im Kundengespräch: Erwähnt der Kunde bspw. eine Unternehmens-
gründung oder die Geburt eines Kindes, sollte der Bankberater sofort Cross-Selling- Ge-
legenheiten erkennen (bspw. eine Betriebsunterbrechungsversicherung, Kinderversiche-
rung).
Sinnvoll ist eine IT- unterstützte, ereignisbezogene Verkaufsansprache. Beim Erstge-
spräch mit dem Kunden können auf Grundlage der Kundenangaben im System Kontakt-
anlässe festgelegt werden. Hierzu zählen bspw. das Auslaufen von Festgeldern, die Aus-
zahlung von Versicherungsleistungen oder auch der Start ins Berufsleben. Beim Eintritt
der Ereignisse erfolgt eine automatische Benachrichtigung des Kundenbetreuers oder
auch eine direkte Verkaufsansprache des Kunden bspw. per E-Mail.470
Insgesamt existieren vielfältige Möglichkeiten zur Ausgestaltung einer aktiven und sys-
tematischen Kundenansprache. Auf Grundlage einer funktionsfähigen Kundendatenbank
können Zielgruppen- Aktionen (bspw. für bestimmte Berufs- oder Altersgruppen) ebenso
wie Produkt- Aktionen („Bausparwoche“) durchgeführt werden.
Eine wichtige Rolle spielt auch die sog. Verkaufsförderung („Sales Promotion“).471 Er-
folgreiche Allfinanzanbieter motivieren ihre Bankmitarbeiter zum Versicherungsverkauf,
indem sie Verkaufswettbewerbe ausschreiben, deren Sieger z. B. eine Urlaubsreise ge-
469 Vgl. Block/Wolpers (2004), S. 71. 470 Vgl. bei Krah (2004), S. 35. Beispielhaft ist die Citibank mit ihrem neu eingeführten Finanzplanungstool zu nennen. Hier werden gemeinsam mit dem Kunden im Beratungsgespräch systematische Verkaufsanlässe generiert. 471 Unter „Verkaufsförderung“ subsumiert man in der Praxis zeitlich begrenzte Aktionen mit dem Ziel, im Ver-trieb durch ökonomische und psychologische Anreize Kommunikations- und/ oder Verkaufsziele zu erreichen. Vgl. bei Swoboda (2004), S. 250
161
winnt. Ebenso existieren häufig „Rennlisten“ zwischen den Mitarbeitern oder den einzel-
nen Filialen, die den Verkauf von Versicherungsprodukten anregen sollen.
Wichtig bei der Ansprache des Kunden ist eine genaue Abstimmung zwischen den einzel-
nen Vertriebskanälen sowie die Vermeidung von zu aggressivem Verkaufsverhalten. Die
Überschwemmung eines Kunden mit Informationen zu Zusatzprodukten, für die kein
Bedarf besteht, führt zu Reaktanzen, die die Kundenzufriedenheit beeinträchtigen. Ebenso
wird ein Anruf wegen neuer Produktangebote per Call Center bei einem Kunden, der
gerade eine Beschwerde gegen die Bank eingereicht hat, nicht von Erfolg gekrönt sein.472
Unternehmensberater empfehlen zur Unterstützung des Bankvertriebs die Einrichtung
eines Service Centers (Hotline) bei der Versicherungsgesellschaft.473 Dieses sollte sowohl
den Schaltermitarbeitern der Bank als auch den Bankkunden bei Versicherungsfragen zur
Seite stehen.
Die Bankmitarbeiter können sich an die Hotline bei Fachfragen zu Versicherungsproduk-
ten wenden. Ebenso ist das Service Center für den persönlichen Versicherungsbedarf der
Mitarbeiter zuständig und wickelt diesbezüglich sämtliche Vertragsangelegenheiten ab.
Auf Seiten der Kunden fungiert die Hotline als Anlaufstelle bei Fragen zu Produkten, bei
Schadensfällen, Beschwerden oder Vertragsänderungen. Zudem können von hier aus
vertriebsunterstützende Verkaufsaktionen abgewickelt werden.
Besonders entscheidend bei der Qualitätsbeurteilung eines Service Centers sind aus Kun-
densicht drei Aspekte: Die fachliche Kompetenz, die Freundlichkeit und die Erreichbar-
keit der Service Center- Mitarbeiter.474
Eine generelle Maßnahme zur Steigerung der Vertriebsleistung einer Bankfiliale ist die
Herauslösung von Back-Office- Prozessen aus dem Filialbetrieb. Nach einer Studie von
Mummert Consulting verbringen die Kundenbetreuer deutscher Banken im Durchschnitt
nur 20 % ihrer Arbeitszeit im Kundengespräch. Berater der Citibank hingegen kommen
auf über 50 %.475 Bei der Citibank finden nur die Kundenberatung und der Vertrieb in
den Filialen statt. Sämtliche administrativen Tätigkeiten, wie Zahlungsverkehr oder
472 Vgl. Beutin/Klenk (2005), S. 52 473 Vgl. Kern (1999), S. 124 474 Vgl. Müller/Geisler (2004), S. 94. Das Service Center der Citibank/ CiV Versicherungen steht den Versiche-rungskunden der Citibank bspw. wochentags von 8:00 bis 20:00 Uhr zur Verfügung. Vgl. Kapitel 6.4. 475 Vgl. ausführlich in Kapitel 6.4.
162
Wertpapierabwicklung, werden in einem Dienstleistungszentrum in Duisburg von speziell
geschulten Mitarbeitern ausgeführt.
Die Citibank folgt damit einem Trend, der sich in anderen Branchen bereits durchgesetzt
hat: Die Informationstechnologie wird genutzt, um interne und externe Prozesse zu auto-
matisieren und zu vernetzen. Die Unternehmen konzentrieren sich auf ihre Kernkompe-
tenzen, durch die Auslagerung von Prozessen wird die Fertigungstiefe gesenkt. So liegt
die Fertigungstiefe in der Automobilindustrie heute nur noch bei durchschnittlich 30 %,
während in der Finanzdienstleistungsindustrie noch Größen um 70 % vorherrschen.476 Es
besteht somit noch ein großes Potential zur Realisierung von Synergie- und Spezialisie-
rungsvorteilen – z. B. durch Auslagerung von Back-Office- Prozessen aus dem Filialbe-
trieb.
5.4.2 Multi-Channel-Banking und Allfinanz
Eine wichtige Fragestellung im Vertriebskonzept einer Bank ist die Entscheidung, über
welche Vertriebskanäle die Bank- und Versicherungsprodukte angeboten werden sollen.
Trotz der zahlreichen Filialschließungen innerhalb des letzten Jahrzehnts verfügt
Deutschland noch über ein sehr dichtes Bankstellennetz: Während in den USA auf eine
Bankfiliale 3.900 Kunden kommen, bedient eine Filiale in Deutschland im Durchschnitt
nur 1.880 Kunden.477
Die klassischen Filialbanken laufen heute Gefahr, gegenüber fokussierten Mitbewerbern
Marktanteile zu verlieren: Kostensensitive Kunden entscheiden sich für die günstigen
Angebote der Direktbanken, während beratungssuchende Kunden sich vermehrt an unab-
hängige Finanzberater (bspw. MLP) wenden. Um diesem „Stuck in the Middle“- Phäno-
men zu entgehen, sind die deutschen Retailbanken gezwungen, im Vertrieb neue Wege
einzuschlagen.
Als erfolgversprechende Strategie empfehlen Unternehmensberater die Positionierung als
„filialzentrierte Multikanalbank“. Beim Multi-Channel-Banking wird dem Kunden die
Möglichkeit geboten, selbst zu entscheiden, über welchen Vertriebsweg er mit der Bank
in Kontakt tritt: Er hat die freie Wahl zwischen dem stationären (Filial-) Vertrieb und den
medialen Vertriebswegen (Telefonbanking, Online- Banking).478
476 Vgl. Bruckner (2004), S. B4 477 Vgl. Köhler (2004), S. 31 478 Vgl. Köhler (2004), S. 29
163
Marktforscher kommen zu dem Ergebnis, daß die Dominanz der Filiale im Vertriebswe-
gemix in den nächsten Jahren abnehmen wird: Im Jahr 2010 werden demnach 20 % aller
Retail-Kunden ihre Bankgeschäfte ausschließlich über das Internet abwickeln. Die Mehr-
heit der Kunden (60 %) werde jedoch zu Multikanal- Nutzern, die neben der Filiale sämt-
liche medialen Zugangswege der Bank in Anspruch nehmen wollen.479 Diese Prognose
wird unterstützt durch das heute zu beobachtende hybride Kaufverhalten moderner Bank-
kunden (vgl. Kapitel 3.3.1).
Die Praxis zeigt allerdings, daß die elektronischen Vertriebswege von den Kunden aktuell
noch überwiegend als Informations- und Abwicklungsmedium genutzt werden. Zwar hat
sich die Zahl der Onlinekonten in Deutschland zwischen 1998 und 2002 auf rund 30 Mio.
ungefähr vervierfacht - Beratung und Verkauf von Finanzprodukten finden über das In-
ternet jedoch kaum statt.
Rund 80 Prozent der Retail- Kunden besuchen gemäß einer Studie des Frauenhofer Insti-
tuts mindestens einmal monatlich ihre Filiale und bevorzugen eine persönliche Beratung
in ihren Finanzangelegenheiten.480
Das persönliche Gespräch mit dem Kundenberater eröffnet den Geldhäusern - im Ver-
gleich zum Telefon- oder Online- Banking - dabei bessere Möglichkeiten, dem Kunden
Angebote zu unterbreiten und ihn für Cross-Selling zu gewinnen.
Die Herausforderung liegt aus Bankensicht also darin, die Nähe zum Kunden zu wahren
und dabei gleichzeitg effektiv ausgelastete und aus Kostensicht konkurrenzfähige Filial-
formate anzubieten. Zu erwarten ist eine zunehmende „Filialdifferenzierung“: Wenige,
spezialisierte Beratungszentren etablieren sich als Kompetenz- und Beratungspunkte;
daneben existieren (kostengünstige) Selbstbedienungs (SB)- Zweigstellen oder „Mini-
Filialen“ mit erweiterten Leistungsangeboten.
479 Vgl. bei Swoboda (2004), S. 215, basierend auf Marktforschungsstudien und Angaben von Unternehmens-beratern. 480 Vgl. bei A.T. Kearney (2004), S. 16. Rainer Neske, Mitglied der Konzernführung Deutsche Bank AG, zu-ständig für Privat- und Geschäftskunden, unterstreicht die Bedeutung der Filiale im Kontakt mit dem Kunden: "Die Vorstellung, daß Technik die Beratung von Mensch zu Mensch ersetzten kann, ist vor dem Hintergrund der neuen Anforderungen an individuelle Finanzplanung hinfällig (..) Technik wird künftig dazu da sein, die Berater dabei zu unterstützen, ihre Kunden optimal zu betreuen (..)." Vgl. Neske (2005), S. 30
164
Je nach angesprochenem Kundensegment können zielgruppenorientierte Filialkonzepte
(z. B. an Universitäten) umgesetzt werden, ebenso werden Banking-Shops (bspw. in Su-
permärkten) eingerichtet.481
Ziel einer filialzentrierten Multikanalbank ist es, standardisierte Transaktionen kosten-
günstig über die elektronischen Kanäle (Internet, SB-Terminals) zu vertreiben und die
herkömmliche Filiale als Beratungszentrum zu etablieren.
Entscheidende Herausforderung ist dabei die Abstimmung zwischen den Vertriebskanä-
len. Aus Erfahrung bezeichnen Unternehmensberater diesen Abstimmungsprozeß als
komplex und kostenintensiv.482 Die Kanäle sollten untereinander so vernetzt werden, daß
durch die Nutzung von Synergien Kostendegressionen entstehen. Zudem muß über sämt-
liche Kanäle die Einheitlichkeit der Beratung sichergestellt werden: Eine fehlende Syn-
chronisation kann kontraproduktiv wirken und zu einem Wettbewerb zwischen den Kanä-
len führen.483
Trotz der anfallenden Kosten empfehlen Unternehmensberater die sorgfältige Integration
der Vertriebskanäle als wichtige Voraussetzung für effektives Cross-Selling. So kann es
dem Kunden ermöglicht werden, eine Transaktion in einem Kanal zu beginnen und in
einem anderen abzuschließen. Beginnt der Kunde bspw. online einen Baufinanzierungs-
antrag und bricht den Vorgang ab, sieht dies sein Kundenbetreuer in der Kundenhistorie
und kann telefonisch beim Kunden nachhaken.484
Ein Absatzkanal, der in Zukunft im Bankgeschäft verstärkt an Bedeutung gewinnen wird,
ist der mobile Vertrieb. Gute Erreichbarkeit und kompetente Beratung sind laut einer
Studie von A. T. Kearney die wichtigsten Gründe für die Nutzung einer Hausbank.485 Die
Filialschließungen der letzten Jahre laufen den Wünschen der Kunden somit entgegen.
Als Ergänzung zum herkömmlichen Filialvertrieb kann der mobile Vertrieb dazu beitra-
gen, die „Nähe“ zum Kunden zu erhalten. Merkmale sind flexible Beratungszeiten, auch
außerhalb der Filialöffnungszeiten, und damit eine hohe Bequemlichkeit für den Kunden
sowie eine umfassende, persönliche Beratung.
481 Vgl. ausführlich zu modernen Filialkonzepten bspw. bei Baxmann (2004), S. B2 482 Vgl. Nirschl/Wild/Wimmer (2004), S. 304 483 Vgl. Köhler (2004), S. 29 484 Vgl. Boston Consulting (2002a), S. 2 485 Vgl. A. T. Kearney (2004), S. 5
165
Durch den Aufbau mobiler, gut qualifizierter Beratergruppen übernehmen die Banken das
erfolgreich erprobte Vertriebskonzept der Strukturvertriebe und treten gleichzeitig in
Konkurrenz zu ihnen. Der Beratungsansatz geht dabei immer mehr in Richtung einer
umfassenden Finanzplanung anstelle des reinen Produktverkaufs. Entscheidender Er-
folgsfaktor ist daher die Qualifikation sowie die Qualifikationskontrolle der mobilen Be-
rater.486 Es bietet sich eine – zumindestens teilweise - provisionsbasierte Bezahlung an,
die die Berater zu Kundenbesuchen auch außerhalb der üblichen Geschäftszeiten moti-
viert. Häufig gründen die Banken für ihren mobilen Vertrieb eigene Gesellschaften, so
daß die Tarifarbeitszeiten und der Bankentarifvertrag nicht anzuwenden sind.487
Unabdingbar ist eine enge, kooperative Zusammenarbeit zwischen Filiale und mobilem
Vertrieb: Es müssen klare Regeln und Anreize für die Überleitung von Kunden zwischen
den beiden Kanälen geschaffen werden. Die Aufgabenstellung des mobilen Vertriebs,
bspw. die Neukundengewinnung im weiteren Filialradius, sowie der Zielgruppenfokus
müssen klar definiert werden. Ziel ist es, eine Konkurrenz um Kunden zu vermeiden.488
Als wichtiges Instrument zur systematischen Kundenbetreuung im mobilen Vertrieb hat
sich ein klar strukturierter Beratungsleitfaden erwiesen. Experten empfehlen eine hohe
Standardisierung des Beratungsablaufs durch ein verkaufsunterstützendes Software- Pro-
gramm (Finanzplanungstool, vgl. Kapitel 5.4.4). Des weiteren sollten die mobilen Berater
Zugriff auf die Kundendaten der Filiale erhalten und während des Beratungsvorgangs
elektronisch vernetzt werden.
Abschließend ist zu untersuchen, über welche Vertriebswege der Bank die Versiche-
rungsprodukte des Allfinanzpartners angeboten werden sollten. Unternehmensberater
empfehlen, den Versicherungsverkauf auf wenige, ausgewählte Kanäle der Bank zu be-
schränken.489 Neben dem Filialvertrieb stellt der mobile Vertrieb einen geeigneten Ab-
satzkanal dar. Weitere Optionen sind der Vertrieb über das Telefon oder Internet.
Zu beachten ist hierbei, daß es sich bei Versicherungen um erklärungsbedürftige Produk-
te handelt, die nur bedingt über mediale Kanäle absetzbar sind. Im Falle des Telefonver-
triebs ist eine kostenintensive Schulung der Telefon-Vertriebsmitarbeiter in Versiche-
486 Vgl. Kort (2004), S. 22. 487 Zu nennen sind bspw. die „Commerz Partner“, die Citi Finanzberatungs GmbH oder die Vertriebsgesell-schaft mbH der Deutschen Bank Privat- und Geschäftskunden. 488 Vgl. Grieffenhagen/ Röckemann (2005), S. 26 489 Vgl. Kern (1999), S. 117
166
rungsfragen notwendig. Die mögliche Überforderung der Vertriebsmitarbeiter spricht
dabei eher gegen das Versicherungsangebot via Telefon.
Dem Vertrieb von komplexen Produkten über das Internet stehen heute noch die Beden-
ken vieler Kunden in bezug auf die Sicherheit des Online-Bankings entgegen.490
Das Internet hat zwar als Vertriebskanal von Versicherungen in den letzten Jahren eine
Bedeutungszunahme erlebt, die Neugeschäftsentwicklung ist seit 1999 jedoch rückläu-
fig.491
Experten räumen dem Internet als Vertriebsweg von Finanzprodukten jedoch ein großes
Potential ein: Der Trend geht hin zur personalisierten, individuellen Kundenansprache
über das Netz. Künftig soll der Kunde sowohl medial als auch persönlich mit seinem
Kundenberater kommunizieren - aus technischer Sicht erscheint mittelfristig auch der
Verkauf komplexer Produkte über das Internet möglich.492 Zu erwarten ist, daß sich in
Zukunft weder Banken noch Versicherungen dem Trend zur Verlagerung von Service-
leistungen ins Internet entziehen können, da ihnen andernfalls ein Imageverlust droht.
Die Citibank bietet bereits heute für bestimmte Standard-Versicherungen Abschluß-
möglichkeiten im Internet an; bei Fortis befindet sich der Vertrieb von Standard-
Versicherungen über das Internet aktuell im Aufbau (vgl. Kapitel 6.3 und 6.4)
Entscheidet sich eine Bank für den Vertrieb von Versicherungen über das Telefon oder
Internet zusätzlich zum Filialvertrieb, ist bei der Produkt- und Preisgestaltung die "Free-
rider"- Problematik zu beachten: Finanzprodukte werden im medialen Vertrieb i. d. R.
günstiger als am Bankschalter angeboten. Um zu vermeiden, daß der Kunde die Beratung
in der Filiale nutzt und dann online oder per Telefon den Produktkauf (günstiger) ab-
schließt, müssen spezielle Produkte für den Direktvertrieb kreiert werden. Dies bedeutet
auf Seiten der Versicherung einen hohen Aufwand. 493
490 Vgl. Erdmann (2001c), S. 451 491 Vgl. DSGV (2001), S. 21. Der Anteil des elektronischen Vertriebs am Gesamtversicherungsgeschäft nach Vertragszahlen betrug in 1998 0,2 %, in 1999 0,6 % und in 2000 0,7 %. 492 Vgl. Köhler (2004), S. 34. Die Citibank plant aktuell eine persönliche Kundenbetreuung via Internet. Der Berater erscheint dabei auf dem PC- Monitor des Kunden und dieser kann direkt mit ihm kommunizieren. Vgl. Citibank (2003), S. 7. 493 Beispielhaft ist die Vorgehensweise bei der Sparkasse Pforzheim zu erwähnen: Kunden, die im Kontakt mit einem Berater stehen, erhalten beim Abschluß über das Internet die gleichen Konditionen wie am Schalter. Verzichtet ein Kunde konsequent auf die Beratung, nutzt er hingegen die (günstigeren) Direktbanking- Produk-te. Vgl. Müller/Geisler (2004), S. 81
167
5.4.3 Customer Relationship Management
Beim Customer Relationship Management (CRM) handelt es sich um ein Managementin-
strument, das in den letzten Jahren stark an Popularität gewonnen hat. Im Kern bedeutet
CRM, die Kundenstrategie und die Geschäftsprozesse eines Unternehmens aufeinander
abzustimmen. Dies geschieht - unterstützt durch ein geeignetes CRM-Software-System –
mit dem Ziel, die Kundenloyalität und damit die Rentabilität des Unternehmens zu stär-
ken.494
CRM- Systeme haben dabei die Aufgabe, Kundendaten zu sammeln und zu analysieren,
die wertvollsten Kundengruppen ausfindig zu machen und deren Loyalität durch eine
proaktive Ansprache und individuelle Angebote zu festigen.495
Kreditinstitute gewinnen durch ihren regelmäßigen Kontakt mit dem Kunden einen tiefen
Einblick in sein Kaufverhalten. Werden die gewonnenen Daten in einer fachbezogenen
Datenbankarchitektur gespeichert, spricht man vom sog. „Data-Warehouse“. In dieser
Datenbank sollten neben den Grunddaten des Kunden auch Potentialdaten (bisheriges
sowie prognostiziertes Kaufverhalten des Kunden) sowie Aktions- und Reaktionsdaten
(Verkaufsaktivitäten der Bank sowie das Feedback des Kunden) gesammelt werden.496
Ziel der Sammlung von Kundendaten ist es, durch die Auswertung der Datenbestände
eine genaue Kenntnis über die Wünsche der Kunden zu erlangen. Diese Auswertung ge-
schieht durch sog. „Data-Mining“- Techniken. Durch sie werden Muster und Informati-
onsstrukturen innerhalb des Datenbestands aufgedeckt, wobei verschiedene multivariate,
statistische Analyseverfahren zum Einsatz kommen.497 Ziel der Analyse ist u. a. die Bil-
dung von Kundensegmenten (mit Hilfe der Clusteranalyse) sowie die Errichtung von
Vorhersagemodellen zum Kundenverhalten.
Die im europäischen Vergleich geringen Cross-Selling-Quoten deutscher Banken machen
deutlich, daß die Ertragspotentiale im Retail- und Privatkundengeschäft noch nicht aus-
494 Vgl. Rigby/Reichheld/Schefter (2002), S. 56 495 Die CRM-Systeme lassen sich unterteilen in analytische Systeme (Datenbank- und Data-Mining-Technologien) sowie operative Systeme. Diese umfassen bspw. Software zur Unterstützung des Schalterper-sonals im Kundenkontakt. Vgl. Poscharsky (2004), S.313 496 Vgl. Bain & Company (2002a), S. 3 497 Vgl. ausführlich zum Data-Mining bei Schmidt/Kläver (2004), S. 516f.
168
reichend genutzt werden. Voraussetzung einer individuellen Ansprache der zunehmend
anspruchsvollen Bankkundschaft ist die konsequente Pflege der Kundendatenbestände.
Unternehmensberater stellen fest, daß sich Banken häufig um die falschen Kunden bemü-
hen. Liegt beim Kunden kein Bedarf an den angebotenen Leistungen vor, bleiben Marke-
ting- Aktionen erfolglos. Ebenso werden oft die falschen Produkte angeboten, da keine
ausreichende Kenntnisse über die Bedürfnisse des Kunden vorliegen.498 Die Berater von
McKinsey weisen auf die Bedeutung aktueller Kundendaten im Vertrieb deutscher Re-
tailbanken hin: So werden Bankkunden bei Telefonaktionen häufig nicht erreicht, da die
Adress- und Telefonangaben in der Datenbank lückenhaft bzw. nicht aktualisiert sind.499
Grundlage einer zielgruppenorientierten Kundenbetreuung ist die Segmentierung des
Kundenbestands. Hierunter wird die Aufteilung der Retail- und Privatkunden in homoge-
ne Kundensegmente verstanden. Für die einzelnen Kundensegmente erfolgt eine segment-
spezifische Kundenansprache mit bedarfsgerechten Produkten und Dienstleistungen.500
Da Banken und Versicherungen vergleichbare Kundensegmente bedienen, sollte die
Kundensegmentierung in einem integrierten Allfinanzkonzern gemeinsam erfolgen. Zu-
sammen mit der Integration der Datenbestände (vgl. Kapitel 5.4.1) stellt dies einen wich-
tigen Schritt zur gemeinsamen Marktbearbeitung von Bank und Versicherung dar.
Die Kriterien, nach denen der Kundenbestand segmentiert wird, müssen verschiedene
Voraussetzungen erfüllen: Es muß ein Zusammenhang zwischen dem Kaufverhalten und
dem Segmentierungskriterium bestehen – das Kauf- und Finanzverhalten innerhalb eines
Segments sollte möglichst gleichartig sein. Zudem sollten die Segmente attraktiv genug
sein, um den Aufwand einer gezielten Segmentbearbeitung zu rechtfertigen. Wichtig ist
dabei die zeitliche Stabilität der Abgrenzungskriterien, da Marktbearbeitungsstrategien
zumeist über einen längeren Zeitraum stattfinden.501
Ein im Finanzdienstleistungsbereich vorherrschendes Segmentierungsschema ist die so-
zioökonomische und demographische Kundensegmentierung. Hierbei werden die Kun-
densegmente nach demographischen Kriterien (bspw. Alter, Geschlecht) und sozioöko-
498 Vgl. Beutin/Klenk (2005), S. 52 499 Vgl. Merbecks (2004), S. 35 500 Vgl. Wagner (1991), S. 200 501 Vgl. ausführlich zu Segmentierungskriterien bei Swoboda (2004), S. 144
169
nomischen Merkmalen (bspw. Einkommen, Beruf) unterteilt. Vorteil dieser Segmentie-
rung ist die relativ leichte und kostengünstige Erfaßbarkeit der Kriterien.502
Unternehmensberater kritisieren die Vorgehensweise jedoch als zu einseitig: Die indivi-
duellen Bedarfsstrukturen der Kunden würden hierdurch nicht erfaßt, das tatsächliche
Marktverhalten der Kunden ließe sich anhand der Kriterien nicht vorhersagen.503
In der Konsumgüterindustrie werden innovative Segmentierungsansätze bereits erfolg-
reich umgesetzt. Zu nennen sind die sog. psychographische Kundensegmentierung sowie
die Segmentierung nach dem beobachtbaren Kundenverhalten.
Die wichtigsten psychographischen Segmentierungskriterien sind Motive, Einstellungen
sowie Lebensstile (Lifestyles). Beispielhaft ist die Abgrenzung nach Lebensstilen zu er-
wähnen. Grundgedanke ist, daß sich die Menschen durch unterschiedliche Lebensge-
wohnheiten unterscheiden. Anhand ihrer Aktivitäten und Meinungen in bezug auf Kon-
sum, Freizeit oder Finanzverhalten lassen sich verschiedene „Lebensstil-Typologien“
bilden. Mit Hilfe von multivariaten Analyseverfahren können Kunden dabei u. a. durch
ihr soziales Milieu, ihr Gesellschaftsbild oder ihr Freizeitverhalten in Segmenten erfaßt
werden.504
Unternehmensberater empfehlen psychographische Segmentierungsansätze auch für den
Bankvertrieb. Um das Kundenverhalten dem Mitarbeiter „anschaulich“ zu machen, könn-
ten schriftliche Portraits zu den Kunden bestimmter Segmente (z. B. Lebensstil- Typolo-
gien) ausgearbeitet werden.505 Andererseits sind psychographische Segmentierungen mit
einem hohen Erhebungsaufwand verbunden. Zudem wird die unzureichende Trennschärfe
der ermittelten Kundensegmente kritisiert. Dies führt dazu, daß psychographische Seg-
mentierungsansätze in der deutschen Bankpraxis – wenn überhaupt – bislang nur als „er-
gänzendes“ Instrument eingesetzt werden.
Die Segmentierung nach dem beobachtbaren Kundenverhalten grenzt die Kunden nach
ihrem Informations- und Nachfrageverhalten ab. Analysiert wird, mit welcher Intensität
Kunden die angebotenen Finanzprodukte nutzen (bspw. Intensiv-, Normal- oder Nicht-
Nutzer) und welche Vertriebswege dabei gewählt werden.
502 Beispielhaft ist die vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband entwickelte Segmentierung nach den Kriterien Alter und Einkommen zu nennen, die heute von vielen Sparkassen umgesetzt wird. 503 Vgl. Monitor Group/ JP Morgan (2002), S. 25 504 Vgl. ausführlich bei Swoboda (2004), S. 158f. 505 Vgl. Monitor Group/ JP Morgan (2002), S. 26
170
Nach einer Studie von Bain & Company ist die Analyse dieser verhaltensrelevanten Da-
ten von besonders großer Bedeutung, wenn es darum geht, abwanderungswillige Kunden
zu erkennen. Liegen Daten zur Entwicklung des Kaufverhaltens der Kunden vor, gelingt
es in den meisten Fällen, die Loyalität dieser unzufriedenen Kunden wieder zurückzuge-
winnen.506
Wie in Kapitel 3.1.3 bereits dargelegt wurde, bietet sich in Zeiten stagnierender Umsätze
die Anwendung der „Share-of-Wallet“- Strategie an. Ziel ist es, die Umsatzpotentiale der
Bestandskunden eines Unternehmens so weit wie möglich auszuschöpfen.
Die Bankpraxis zeigt, daß das tatsächliche Umsatzpotential (Wallet) der Kunden sowie
der eigene Anteil daran (Share of Wallet) in vielen Fällen unbekannt sind. Bestehende
Ertragspotentiale werden dementsprechend nicht genutzt; Kundensegmente oder Bran-
chen mit unausgeschöpften Absatzchancen nicht entdeckt und bearbeitet.507
Banken verwenden zur Bewertung ihrer Kunden zumeist vergangenheitsbezogene, quan-
titative Kriterien, wie bspw. das Anlagevolumen oder den Deckungsbeitrag eines Kun-
den. Anhand dieser Kriterien werden Kundengruppen gebildet und in eine Attraktivitäts-
reihenfolge gebracht.
Da bei der Kundenergebnisrechnung der erwirtschaftete Deckungsbeitrag je Kunde mit
aktuellen Kosten belegt wird, und das Gesamtpotential des Kunden über den Lebenszyk-
lus in der Regel nicht berücksichtigt wird, konzentrieren sich deutsche Retail- und Privat-
banken vielfach auf ertragsstarke Kunden. Das Potential einkommensschwacher Be-
standskunden, die u. U. einen hohen Beratungsbedarf aufweisen, bleibt ungenutzt.508
Zu empfehlen ist daher ein potential- und zukunftsorientierter Betreuungsansatz: Mit
Hilfe von Informationen zum Einkommen, Alter und zur Lebensphase eines Kunden läßt
sich sein Gesamtkapitalwert über den gesamten Lebenszyklus ermitteln.509
506 Vgl. Bain & Company (2003), S. 4 507 Vgl. Schimmer/Wild/Wimmer (2004), S. 405 508 Vgl. A.T. Kearney (2004), S. 7 509 Zur Ermittlung des Gesamtkapitalwerts einer Kundenbeziehung werden die Zahlungsflüsse aus allen in Anspruch genommenen Produkten über die vermutete Dauer der Vertragsbeziehung saldiert und auf den Er-mittlungszeitpunkt abdiskontiert. Vgl. bei Wagner (1991), S. 206f.
171
Das dabei zur Anwendung kommende Lebensphasenkonzept sagt aus, daß jede Lebens-
phase eines Menschen durch einen speziellen Bedarf an Finanzdienstleistungen gekenn-
zeichnet ist.
Werden die Kunden nach ihren Lebensphasen segmentiert, können zielgerichtete Marke-
ting- und Vertriebsstrategien angewandt werden. Der Kunde soll dadurch langfristig an
das Unternehmen gebunden werden, indem ihm die richtigen Produkte zur richtigen Zeit
angeboten werden. Ziel ist es, den sog. „Customer-Lifetime-Value“, den Wertbeitrag des
Kunden über die gesamte Dauer der Kundenverbindung, zu maximieren.510
Die Praxis zeigt, daß im Alter die Bereitschaft abnimmt, eine bestehende Bankverbindung
zu wechseln, d. h. die Akquisitionskosten steigen im Laufe des Lebenszyklus an (vgl.
Kapitel 3.1.3). Von besonderer Wichtigkeit erscheint es daher, junge, ertragsschwache,
aber potentialstarke Kunden frühzeitig zu erkennen und durch eine gezielte Ansprache
langfristig an die Bank zu binden.
Grundvoraussetzung für die Anwendung des Lebensphasenkonzepts ist eine entsprechen-
de IT- Unterstützung: Der Kundenbetreuer muß an seinem Personalcomputer über die
derzeitige Lebensphase des Kunden informiert werden, um Bedarfslücken bzw. Ver-
kaufsansätze erkennen und nutzen zu können. Wichtig ist wiederum die ständige Aktuali-
sierung der Kundendaten sowie eine spezielle Sensibilisierung der Betreuer für den Be-
darf der Kundensegmente.511
Obgleich der potential- und zukunftsorientierte Betreuungsansatz sowie das Lebenspha-
senkonzept sich in besonderem Maße für eine proaktive, bedarfsorientierte Kundenan-
sprache eignen, werden sie in deutschen Banken als vertriebspolitisches Mittel aktuell
kaum angewandt.512
510 Vgl. Johannsen/Stegmaier (2002), S. 33 511 Vgl. Swoboda (2004), S. 155 512 Ein Erfolgsbeispiel liefert die italienische Bank Monte di Paschi di Siena, die nach Implementierung einer potentialorientierten Segmentierungsstrategie ihre Vertriebszahlen durch gezielte Verkaufsansprachen signifi-kant steigern konnte. Zitiert aus der A.T. Kearney- Studie „Profitabel wachsen“ bei A.T. Kearney (2004), S. 8
172
Das Beratungsunternehmen Gartner Group hat in einer branchenübergreifenden Untersu-
chung herausgefunden, daß rund 55 Prozent aller CRM- Projekte nicht den erwünschten
Erfolg mit sich bringen.513 Berater von Bain & Company, die CRM-Projekte in unter-
schiedlichen Branchen untersucht haben, finden dafür folgende Begründung:
Häufig werden CRM- Software- Systeme eingeführt, bevor die Organisation sowie die
Prozesse eines Unernehmens auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet wurden. Vor Imp-
lementierung eines CRM- Systems müsse jedoch ein innerbetriebliches „Umdenken“ hin
zur Kundenorientierung erfolgen. Vergütungssysteme, Leistungsbeurteilungen und Aus-
bildungssysteme sind an den Kundenbedürfnissen auszurichten. Erst nachdem eine Stra-
tegie zur Gewinnung und Bindung von Kunden sowie die Auswahl der geeigneten Ziel-
kundschaft erfolgt ist, sollte eine CRM- Software- Lösung eingeführt werden.
Falsch sei es zudem, die Implementierung ausschließlich den IT- Managern zu überlas-
sen. Die Nutzer der Software, d. h. die Kundenberater, sollten mit in den Implementie-
rungsprozeß einbezogen werden, statt das CRM-System einer Organisation „aufzuset-
zen“.514
513 Vgl. bei Rigby/Reichheld/Schefter (2002), S. 55 514 Vgl. ausführlich bei Bain & Company (2002a), S. 3
173
5.4.4 Private Finanzplanung
Ein ideales Instrument, um auf Vertriebsebene einer Allfinanzpartnerschaft Bank- und
Versicherungsdienstleistungen zu integrieren ist die private Finanzplanung.
Ziel ist es, den Kunden über verschiedene Lebensphasen hinweg umfassend zu beraten
und jeweils maßgeschneiderte Finanzdienstleistungen anzubieten.
Die Erfahrung zeigt, daß Kunden erst beim Eintritt bestimmter Situationen die Notwen-
digkeit einer privaten Finanzplanung erkennen; nur das Thema der privaten Altersabsi-
cherung wird bereits relativ früh angegangen.515 Eine private Finanzplanung erfordert
daher, daß der Berater – unterstützt durch sein IT- System – eine umfassende, dauerhafte
Kenntnis der Lebensphase und der Bedarfssituation seines Kunden hat, um ihn möglichst
frühzeitig anzusprechen.
Nach Definition des Deutschen Verbands Financial Planners (DEVFP) berät ein „Finan-
cial Planner (..) Personen in ihren gesamten privaten finanziellen Angelegenheiten auf
Basis der Grundsätze ordnungsgemäßer Finanzplanung“. Der DEVFP setzt dafür einen
fest definierten Ausbildungsstandard voraus und bietet die Prüfung zum „Certified Finan-
cial Planner“ an.516
Die Finanzplanung entspricht dem Kundenbedürfnis nach qualifizierter Beratung (vgl.
Kapitel 3.3.2) und sollte nach Einschätzung führender Unternehmensberater als eigen-
ständige Leistung auch mit einem entsprechenden Preis belegt werden.
Angesichts der Komplexität der Fragestellungen wird durch die Beratungsleistung für den
Kunden ein Mehrwert geschaffen: Ziel ist die Optimierung der Vermögensstruktur, der
Anlageerträge und der Risikosituation. Aufgrund seiner Erfahrungen und Qualifikation ist
davon auszugehen, daß der Finanzplaner die Finanzplanung effizienter und effektiver
vornehmen kann als der Kunde selbst. Gemäß einer Befragung der Fachhochschule für
Wirtschaft in Berlin sind über 50 Prozent der Privatkunden bereit, für eine gute, individu-
elle und objektive Beratung auch einen Preis zu zahlen.517 Dem Kundenwunsch nach
Objektivität kommt dabei vor allem das Beratungskonzept unabhängiger Strukturvertrie-
515 Vgl. Bosmann (2002), S. 98 516 Vgl. Castillo (2002), S. 1503 517 Vgl. bei A.T. Kearney (2004), S. 11
174
be (Kapitel 3.3.3) entgegen - der Trend zur Integration „hausfremder“ Produkte (bspw.
Aktienfonds) nimmt jedoch auch bei Banken zu.
Die private Finanzplanung ist ein Produkt, für das in allen Schichten der Retail- und Pri-
vatkundschaft Bedarf besteht. Dennoch beschränkt sich das Angebot individueller Bera-
tung bei Banken zumeist auf die ertragsstarken Kunden, von denen profitable Verkaufs-
abschlüsse zu erwarten sind. Ziel muß es sein, individualisierte Beratungsleistungen auch
der Mengenkundschaft zugänglich zu machen. Dies erfordert neben einer eigenständigen
Bepreisung (z. B. Honorar für die Erstellung eines Finanzplans) auch eine starke Stan-
dardisierung518 des Beratungsvorgangs.
Grundvoraussetzung für die standardisierte Erstellung einer privaten Finanzplanung ist
der Einsatz einer geeigneten Beratungssoftware. Die Citibank arbeitet seit 2004 im Ver-
trieb mit einem Finanzplanungstool, das bei der Beratung sämtlicher Kunden, unabhän-
gig von ihrem Einkommen, angewandt wird. Nach Firmenangaben konnte der Ertrag mit
den so betreuten Kunden bereits um das 2,5 fache gesteigert werden.519 In den USA ver-
kauft das Versicherungsunternehmen AXA bei Kunden, für die ein Finanzplan erstellt
wurde, durchschnittlich 3,7 Produkte, im Vergleich zu 2,2 ohne Finanzplan.520
Am Beginn der Finanzplanung steht in der Regel die ausführliche Analyse des finanziel-
len Ist-Zustands des Kunden. Dies umfaßt u. a. die aktuelle Vermögenssituation des Kun-
den sowie seine Einnahmen- und Ausgabenentwicklung. Die im Gespräch gewonnenen
Daten und Hintergrundinformationen werden mit Hilfe der Software dokumentiert und
vernetzt.
Im zweiten Schritt werden die finanzwirtschaftlichen Ziele (Vermögensplanung, Alters-
vorsorge, Risikomanagement usw.) des Kunden erarbeitet, sowie die Rahmenbedingun-
gen (privates Umfeld, Arbeitswelt usw.) festgehalten. Am Ende steht die Festlegung kon-
kreter finanzwirtschaftlicher Maßnahmen und eines Aktionsplans.521 Die Software kann
den Berater dabei umfassend unterstützen, indem je nach Angaben des Kunden flexible
Anlage-, Versicherungs- oder Vorsorgemöglichkeiten aufgezeigt werden.
518 Die standardisierte Finanzplanung im Retail- Banking wird in der Praxis auch als Financial Engineering oder Private Consulting bezeichnet. Vgl. bei Swoboda (2004), S. 202 519 Vgl. Krah (2004), S. 36. 520 Vlg. bei DSGV (2001), S. 66 521 Vgl. zum Ablauf einer individuellen Finanzplanung bei Wagner (1991), S. 216f., Castillo (2002), S. 1503
175
Wichtiges Ziel einer privaten Finanzplanung ist es, dauerhaft mit dem Kunden in Kontakt
zu bleiben und den Finanzplan regelmäßig zu aktualisieren. Nur auf diesem Weg ist es
möglich, systematisch Verkaufsanlässe zu nutzen und damit das Cross-Selling- Potential
der Kundenverbindung umfassend auszuschöpfen.
176
5.5 Produktgestaltung
Die Produktpolitik bildet einen zentralen Bestandteil der Vertriebsstrategie einer Allfi-
nanzpartnerschaft. Im Zentrum steht die Frage, welche Versicherungsprodukte über die
Vertriebskanäle der Bank verkauft werden sollen und in welcher Ausgestaltung. Dabei
muß eine Entscheidung getroffen werden zwischen dem Vertrieb herkömmlicher Produk-
te des Versicherungspartners und "neuen", auf den Bankkanal zugeschnittenen, Versiche-
rungsangeboten.
Wie bereits in Kapitel 2.4.2 erläutert wurde, sind sowohl Bank- als auch Versicherungs-
produkte geeignet, bestimmte Sicherheitsbedürfnisse eines Kunden zu befriedigen. Zur
Zukunftssicherung und Absicherung gegen Risiken stehen sowohl Bankprodukte (z. B.
Spareinlagen, Wertpapiere) als auch Versicherungen (z. B. Kapitallebensversicherung)
zur Auswahl - es besteht eine Substitutionskonkurrenz zwischen den Produktgruppen.
Gleichzeitig haben sich die Produkte auf den Finanzmärkten angenähert und zum Teil zu
Allfinanzprodukten vermischt. Beispiel für eine Integration von Bank- und Versiche-
rungsleistungen in einem Produkt ist die fondsgebundene Lebensversicherung, die eine
Mischung aus klassischer Versicherung (Lebens- bzw. Rentenversicherung) und Bank-
produkt (Investmentfonds) darstellt.522 Die komplementären Nachfragebeziehungen zwi-
schen Bank- und Versicherungsleistungen nutzen Allfinanzanbieter, indem sie "gebündel-
te" Allfinanzangebote zusammenstellen.
Bei den sog. ereignisorientierten Produktbündeln werden verschiedene komplementäre
Kernprodukte rund um eine bestimmte Lebenssituation (Ereignis) in einem Nutzungsver-
bund zusammengefaßt.523
Ereignisorientierte Produktbündel für das breite Massengeschäft zeichnen sich der Regel
durch einen hohen Standardisierungsgrad aus. Beispiele für Lebenssituationen, die einen
Anknüpfungspunkt für das Angebot verschiedener Finanzdienstleistungen bieten, sind:
Der Erwerb von Eigenheim (Baufinanzierung, Wohngebäude- und Hausratversicherung
522 Im Retailgeschäft der Banken sind funktional integrierte Allfinanzprodukte relativ selten anzutreffen. Dies erklärt sich u. a. durch den hohen Aufwand in der Produktentwicklung, der sich nur bei Produktkreationen amor-tisiert, die auf breiter Basis absetzbar sind. In den USA wurde ein Allfinanzprodukt entwickelt, das die Altersvor-sorge an eine Hausfinanzierung koppelt. Vgl. ausführlich bei Amara (2005), S. 130 523 Vgl. bei Feiermuth/ Minuz (1999), S. 130, Wagner (1991), S. 248
177
usw.), der Berufseinstieg (Girokonto, Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung) oder
die Planung einer Urlaubsreise (Aufnahme eines Dispositionskredites, Kreditkarte, Aus-
landskrankenversicherung usw.).
Während im Geschäft mit vermögenden Privatkunden die Produktbündel zusammen mit
dem Kunden individuell und zeitintensiv zusammengestellt werden, sollte der Retail-
Kundenberater auf ein standardisiertes Produktbündel (bspw.: "Rund um die Immobilie"
oder "Familien-Vorsorge"524) zurückgreifen können. Die Beratungsleistung besteht darin,
dem Kunden die Funktionsbestandteile und den Nutzen des Produktbündels einsichtig zu
machen.
Für den Kunden bedeutet das gebündelte Angebot aus einer Hand eine Komplexitätsre-
duktion, zumal Produktbündel häufig mit einer Unterschrift abgeschlossen und mit einer
Gesamtprämie bedient werden können.525
Da Preis- und Leistungsvergleiche für Produktbündel nur schwer durchführbar sind, kön-
nen hierfür in der Regel höhere Preise am Markt durchgesetzt werden: Häufig liegt der
Preis eines Produktbündels über der Summe der Einzelpreise der enthaltenen Produkte.
Um das Cross-Selling bestimmter Produkte zu forcieren, kann bei einem Produktbündel
zudem die Strategie der "internen Subventionierung" angewandt werden: Hierbei wird
der Absatz ertragsstarker Produkte durch das Angebot anderer Produkte mit absichtlich
geringem Gewinn oder Verlust gezielt gefördert.526
Die Standardisierung von Produktbündeln im Retailgeschäft bringt aus Sicht der Bank
Kostenvorteile durch Stückkostendegressionseffekte im Produktions- und Vertriebspro-
zeß mit sich.527 Ebenso ist ein Imagegewinn möglich, sofern die standardisierte Dienst-
leistung sich durch eine besonders hohe Qualität auszeichnet und hierdurch ein überlege-
ner Kundennutzen geschaffen wird. Dies ist heute in der Regel nur möglich, wenn das
Standardproduktangebot kundenorientiert ausgestaltet werden kann.528 Eine ideale Mög-
524 Vgl. bei DSGV (2001), S. 51. Bei der Kooperation des Sparkassenverbandes Bayern mit der Versiche-rungskammer Bayern (VKB) wird das stark standardisierte Produktangebot als zentraler Erfolgsfaktor bewertet. In den Sparkassen werden sechs Versicherungspakete mit PC-gestützten Antragsverfahren angeboten. Hier-durch wird nach Unternehmensangaben der Versicherungsbedarf von 80 % der Privatkunden zu 100 % abge-deckt. Bei zusätzlichem Versicherungsbedarf werden Versicherungsbeauftragte der VKB hinzugezogen. 525 Vgl. Kremer (1994), S. 276. Werden Versicherungsprodukte statt in Produktbündeln rein "additiv" in das Leistungsprogramm einer Bank aufgenommen, ist der Nutzengewinn aus Kundensicht geringer. Der Vorteil beschränkt sich hier auf verminderte Informations- und Suchkosten. 526 Vgl. Wagner (1991), S. 248 527 Vgl. Scheele (1994), S. 111 528 Vgl. Schürmann (2004), S. B2
178
lichkeit zur Individualisierung von Standarddienstleistungen bietet hier die private Fi-
nanzplanung mit Hilfe eines Finanzplanungstools (vgl. Kapitel 5.4.4).
Kritiker des Allfinanzkonzepts wenden ein, bei den Produktpaketen aus Bank- und Versi-
cherungsleistungen handele es sich oft um "Unsinns"- Bündel, durch die der ursprüngli-
che Versicherungsgedanke immer mehr in den Hintergrund trete.529 So galt bspw. bei der
Zusammenarbeit von Credit Suisse mit Winterthur im Retailgeschäft nur das "Wohnei-
gentümerpaket" als erfolgreich.
Unternehmensberater empfehlen, das Versicherungsangebot im Bankvertrieb generell auf
ein begrenztes Portfolio einfach strukturierter Produkte zu beschränken.530 Die erfolgrei-
chen Allfinanzkonzerne Fortis, KBC sowie die Allfinanzpartner Citibank/ CiV Versiche-
rung befolgen diesen Rat und bieten in ihrem Bankportfolio einfache, standardisierte
Versicherungsprodukte an. Dabei werden (bspw. bei den Sachversicherungen) nur wenige
Vertragsvarianten angeboten, um den Vertrieb für die Bankmitarbeiter so einfach wie
möglich zu gestalten. Die "Einfachheit" der Versicherungsprodukte drückt sich bei der
KBC auch darin aus, daß für den Abschluß einer Risiko-Lebensversicherung im Bankver-
trieb in der Regel keine Gesundheitsprüfung notwendig ist. Die versicherten Summen
sowie das Alter der Versicherten sind begrenzt, es ist maximal eine "Health declaration"
der versicherten Person oder des Arztes notwendig.
Beim Vergleich der Allfinanzkonzepte der britischen Finanzdienstleister Lloyds TSB und
HBOS stellen die Analysten der UBS fest, daß HBOS beim Versicherungsvertrieb über
den Bankschalter deutlich höhere Abschlußzahlen erreicht. Als Grund wird vor allem das
weniger komplexe, einfach gestrickte Produktangebot der HBOS identifiziert.531
Bei der Auswahl von Versicherungsprodukten für den Bankvertrieb ist zu entscheiden, ob
die vorhandenen, traditionellen Produkte des Versicherungspartners übernommen oder
alternativ völlig neue Versicherungsprodukte für den Bankvertrieb kreiert werden sollen.
529 Vgl. Erdmann (2001a), S. 376. Der Autor nennt als Beispiel das Angebot einer fondsgebundenen Unfallver-sicherung. 530 Vgl. Thomson (2000), S. 54; von Hülsen/Schacht/Schulz (2003), S. 123, die Berater von Mercer Manage-ment Consulting empfehlen maximal acht bis zehn Versicherungsprodukte im Bankportfolio. Vgl. ebenso Kern (1999), S. 113f. 531 Vgl. UBS (2004), S. 26
179
Die Praxis zeigt, daß erfolgreiche Allfinanzanbieter in der Regel extra für den Bankkanal
konzipierte Versicherungen anbieten. Wie in Kapitel 5.4.1 erläutert wurde, sollten die
Kundenbetreuer der Bank in die Lage versetzt werden, Verkäufe von Standardversiche-
rungen selbständig - ohne Hinzuziehung eines Versicherungsagenten - abschließen zu
können. Bei der Produktgestaltung muß somit das besondere Vertriebsselbstverständnis
der Bankmitarbeiter berücksichtigt werden.532
Das Verkaufsverhalten von Versicherungsagenten zeichnet sich durch eine starke
Abschlußorientierung aus, da für Vertragsabschlüsse hohe Provisionen, für die laufende
Betreuung von Bestandskunden hingegen maximal geringe Bestandsprovisionen gezahlt
werden. Im Bankvertrieb liegt der Focus hingegen auf der Beratungsleistung. Da die
Bankbetreuer zu ihren Kunden meist in einem langjährigen, regelmäßigen Kontakt ste-
hen, sind die Beratungszeiten deutlich kürzer als bei Versicherungsagenten, die häufig
einen "ganzen Nachmittag" im Gespräch mit dem zu akquirierenden Kunden verbringen.
Experten empfehlen daher das Angebot von sog. "tailored products"533, d. h. auf den
Bankkanal zugeschnittenen Versicherungsprodukten. Diese bedeuten einen relativ gerin-
gen Schulungsaufwand für die Bankmitarbeiter und versprechen dabei gleichzeitig eine
hohe Identifikation der Mitarbeiter mit den verkauften Produkten. Zudem bringen einfa-
che Produkte den Vorteil einer hohen Back-Office- Produktivität mit sich: Bei erfolgrei-
chen Allfinanzpartnerschaften werden rund 90 bis 95 Prozent der standardisierten Versi-
cherungsprodukte direkt, ohne weitere Prüfungen, policiert.534
Aus Sicht von Unternehmensberatern genügt es nicht, wenn die Versicherung in der All-
finanzpartnerschaft als reiner Produktlieferant fungiert. Im Sinne einer vollständigen
Ausrichtung auf den Bankpartner sollte die Versicherung gleichzeitig als "Servicepart-
ner" auftreten. Dies bedeutet bspw. das Abhalten von Schulungen für die Bankmitarbeiter
sowie das Vorhalten einer Service-Hotline (vgl. Kapitel 5.4.1). Empfehlenswert ist zudem
eine gemeinsame Auswahl und Gestaltung des Produktangebots von Mitarbeitern der
Bank und Versicherung, um die spezifischen Belange des Bankvertriebs zu berücksichti-
gen.535
532 Vgl. von Hülsen/Schacht/ Schulz (2003), S. 123 533 Vgl. Thomson/Wade (2000), S. 18 534 Vgl. Monitor Group/JP Morgan (2002), S. 23 535 Vgl. Thomson/Wade (2000), S. 18
180
Die Praxis zeigt, daß die Kapitalmärkte die Kombination von Bank- und Lebensversiche-
rungsgeschäft positiver bewerten als das Hinzufügen des Schaden- und Unfallversiche-
rungsgeschäfts zum Bankvertrieb.536
Ein Grund hierfür ist, daß es sich bei Lebens- und Rentenversicherungen um banknahe
Produkte handelt - ihre Integration in das vorhandene Portfolio der Bank kann somit rela-
tiv reibungslos vorgenommen werden.
Grundsätzlich ist bei der Einführung von Versicherungsprodukten in den Bankvertrieb zu
beachten, daß die Mitarbeiter nicht überfordert werden. Die Berater von Boston Consul-
ting empfehlen einen Stufenplan, bei dem zunächst wenige, banknahe Produkte (bspw.
Lebens- und Rentenversicherungen, Kreditversicherung) einbezogen werden.537 Im zwei-
ten Schritt kann das Produktportfolio um Sachversicherungen niedriger Komplexität
(bspw. Unfall-, Haftpflicht-, Rechtsschutzversicherung) erweitert werden, bevor zuletzt
über die Aufnahme komplexer Produkte (bspw. Krankenversicherung) entschieden wird.
Letztere Angebote bedingen in der Regel hohe Investitionen in die Schulung des Perso-
nals und Produktanpassung an den Bankvertrieb.
In der Literatur wird auf die Gefahren hingewiesen, die eine Kombination von Bank- und
Sachversicherungsgeschäft für die Bank mit sich bringen kann. Bei der Abwicklung von
Schadensfällen sind Konflikte möglich: Ist der Bankkunde nicht zufrieden mit der Art
und Weise, wie seine Schadensansprüche behandelt werden, kann dies die Kundenbezie-
hung mit seiner Bank beeinträchtigen.538 Zielke beschreibt den internen Konflikt zwi-
schen Bank und Versicherung, der entsteht, wenn die Bankdirektion einen Verlust im
Versicherungsgeschäft hinzunehmen bereit ist, um das gute Verhältnis zu ihrem Kunden
aufrecht zu erhalten.539
Zur Umgehung dieser Situationen ist die Abwicklung von Schadensfällen außerhalb des
Kreditinstitutes empfehlenswert. Zuständig sollten dafür ausschließlich Versicherungs-
kaufleute sein, die über das notwendige Versicherungswissen verfügen.540
Abschließend ist festzustellen, daß der Vertrieb von Sachversicherungen über den Bank-
kanal im Vergleich zum klassischen Agentenvertrieb europaweit noch ein Schattendasein
fristet (vgl. Kapitel 2.5.2). Es liegen also noch ungenutzte Geschäftspotentiale vor, die im
536 Vgl. Börner (2004), S. B3 537 Vgl. Boston Consulting (2002), S. 17 538 Vgl. Howard (2000), S. 24 539 Vgl. Zielke (1997), S. 131 540 Vgl. McDaniel (1996), S. 43, ebenso bei Molyneux (1998), S. 42
181
Privat- und Retailgeschäft langfristig gehoben werden können. Ein großes Potential sieht
der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) bspw. im provisionsstarken Kran-
kenversicherungsgeschäft. Bislang besitzen nur rund 5 % der privat krankenversicherten
Sparkassenkunden eine Krankenversicherung bei einem öffentlichen Versicherer - ein
Geschäftspotential, das die Sparkassen in Zukunft verstärkt heben wollen.541
541 Vgl. DSGV (2001), S. 66
182
5.6 Mitarbeiterführung
Einen maßgeblichen Einfluß auf den Erfolg einer Allfinanzstrategie üben die an der Um-
setzung beteiligten Mitarbeiter aus. Im Fokus der Betrachtung stehen im folgenden die
Vertriebsmitarbeiter der Bank, die im Rahmen einer Allfinanzpartnerschaft Versiche-
rungsprodukte an ihre Kunden absetzen. Es kann die These aufgestellt werden, daß die
Funktion der Vertriebsmitarbeiter nicht nur einen Erfolgsfaktor an sich darstellt, sondern
auch alle übrigen Erfolgsfaktoren wesentlich beeinflußt.542 Die Mitarbeiter sind somit
eine "Stellgröße" zur Steuerung sämtlicher erfolgsrelevanter Bereiche.
Studien zufolge hängt die Wahl eines Kreditinstituts beim Kunden zu siebzig Prozent von
emotionalen Faktoren ab.543 Die Identifikation mit der Bank erfolgt dabei in erster Linie
über die Mitarbeiter des Instituts. Aufgrund der Immaterialität der Finanzdienstleistung
kauft der Kunde nicht primär das Produkt, sondern vor allem das Image des Unterneh-
mens und die Persönlichkeit und Kompetenz des Beraters.
Die Reduktion der Mitarbeiterzahlen in den Filialbanken aufgrund von Kostensenkungs-
programmen hat sich in den letzten Jahren negativ auf die Motivation der Vertriebsmitar-
beiter ausgewirkt. Ziel muß es sein, die Motivation wieder herzustellen und die Kunden-
betreuer gleichzeitig durch umfassende Qualifikation zu kompetenten "Allfinanzberatern"
auszubilden. Die Motivation der Vertriebsmitarbeiter hängt aus Sicht von Unterneh-
mensberatern generell von folgenden Faktoren ab:544
• Adäquate, erfolgsbasierte Bezahlung; das Anreiz- und Entlohnungssystem kann
dabei finanzielle und immaterielle Kompensationen vorsehen,
• kontinuierliches Training und Fortbildung durch Schulungsmaßnahmen,
• eine interessante Tätigkeit sowie das Aufzeigen von Karriere- und Entwicklungs-
chancen,
• die Wertschätzung der Tätigkeit durch den Arbeitgeber, bspw. mit Hilfe von
Feedbacks.
542 Vgl. Marliere/ Unternährer (1999), S. 260 543 Vgl. Rohn (2004), S. 60 544 Vgl. Merbecks (2004), S. 37, der Autor ist Partner bei McKinsey & Company, Düsseldorf; vgl. ebenso A.T. Kearney (2004), S. 15
183
Die Besonderheit einer Allfinanzpartnerschaft besteht darin, daß die Vertriebsmitarbeiter
der Bank bei der Kundenbetreuung kooperativ mit dem parallel operierenden Versiche-
rungsvertrieb zusammenarbeiten müssen.545 Die bei der Zusammenarbeit auftretenden
Konflikte sind zumeist auf folgende Faktoren zurückzuführen546: Die differierenden Ver-
kaufskulturen in Banken und Versicherungen; der Neid der Bankmitarbeiter auf die bes-
sere Bezahlung (Provisionen) der Versicherungsagenten; zudem die Angst der Bankmit-
arbeiter vor "Produktkannibalismus" (bspw. Auflösung einer Bankspareinlage zum
Zweck des Erwerbs einer Lebensversicherung).
In Interviews mit Verantwortlichen von Allfinanzkonzernen (Kapitel 6) wird deutlich,
daß bei einer Allfinanzpartnerschaft jeder Angst hat, "zu verlieren". Häufig vermuten die
Mitarbeiter, daß der jeweilige Allfinanzpartner eigene Kunden "abwirbt". Entscheidend
ist daher eine deutliche Abgrenzung von Aufgaben und Marktbearbeitungsgebieten sowie
die Festlegung klar definierter Regeln bei der Weiterleitung von Kunden an den Versi-
cherungspartner.
Die unterschiedlichen Kulturen im Bank- und Versicherungsvertrieb stellen ein zentrales
Problemfeld in der Zusammenarbeit dar. Baxmann spricht hier von einem möglichen
"Clash der Unternehmenskulturen"547.
Versicherungen weisen in der Regel eine hierarchisch und zentralistisch geprägte Unter-
nehmenskultur auf. Das Befolgen von Regeln sowie das Festhalten an bewährten Traditi-
onen sind charakteristische Merkmale von Versicherungsmitarbeitern. Demgegenüber
zeichnen sich Bankmitarbeiter durch eine selbstbewußte "Macher- Philosophie" aus.
Dementsprechend werden sie häufig als arrogant und wenig kompromißbereit empfun-
den. Die Führung einer Bank ist geprägt durch eine starke Ergebnisorientierung - die
Unternehmenskultur ist ordnungsgeprägt und reglementiert.
Aufschlußreich ist das Bild, das Bankmitarbeiter von Versicherungsunternehmen haben:
Banker empfinden Versicherungsinstitute in der Regel als konservativ, wenig dynamisch
und nicht sehr effektiv. Dem Versicherungs- Außendienst hingegen bescheinigen sie eine
545 Ausnahmen bilden Allfinanzkonzepte, bei denen der Versicherungsverkauf ausschließlich über den Bank-partner erfolgt (bspw. Citibank/ CiV, vgl. Kapitel 6.4). 546 Vgl. Münchener Rückversicherungs- Gesellschaft (2001), S. 19 547 Baxmann (2002), S. 32
184
hohe Abschlußorientierung - die effiziente Verkaufsmentalität der Versicherungsagenten
wird als vorbildlich anerkannt.548
Deutliche Unterschiede zeigen sich beim Vergleich der Verkaufskulturen in Banken und
Versicherungen. Die Kultur des Bankvertriebs ist primär auf die Pflege der Kundenver-
bindung, das sog. "Relationship Banking" ausgerichtet - im Zentrum steht die Beratung.
Der Versicherungsvertrieb hingegen zeichnet sich durch eine hohe Abschlußorientierung
aus. Es herrscht die Mentalität des "Hard Selling" vor, der kurzfristige Verkaufserfolg
steht im Mittelpunkt.549
Die unterschiedlichen Verkaufskulturen liefern einen Hinweis darauf, warum Bankmitar-
beitern von Kunden in der Regel mehr Vertrauen als Versicherungsvertretern entgegen-
gebracht wird. Bankangestellte genießen einen Imagevorteil gegenüber Versicherungs-
agenten. Dieser kann für den Allfinanzpartner im Sinne einer "Image- Arbitrage" genutzt
werden, der Vertrauensvorteil der Bank wird auf die Allfinanzpartnerschaft übertragen.550
Bei einer Allfinanzpartnerschaft, die im Vertrieb eine enge Zusammenarbeit impliziert,
erscheint eine Integration der Unternehmenskulturen notwendig. Ziel sollte es sein, die
unterschiedlichen Fähigkeiten der Allfinanzpartner zu verbinden. Eine Angleichung der
Kulturen ist dabei in allen Bereichen wichtig, in denen ein gemeinsames Produktangebot,
d. h. ein gemeinsamer Kundenauftritt, erfolgt. In anderen Bereichen ohne enge Zusam-
menarbeit scheint eine gegenseitige "Tolerierung" der Unternehmenskulturen ausrei-
chend zu sein.551
Eine Angleichung der Vertriebskulturen von Bank und Versicherung bedeutet in der Pra-
xis folgendes: Die Versicherungsagenten müssen im Verkauf kundenorientierter auftre-
ten, d. h. einen stärkeren Schwerpunkt auf die Kundenbetreuung legen. Von den Bank-
vertriebsmitarbeitern hingegen wird erwartet, daß sie verkaufsorientierter auftreten, d. h.
eine aktivere Verkaufskultur annehmen.552
548 Vgl. Bechmann/Haldi/Käppli (1999), S. 183ff. Mit Hilfe von narrativen Interviews untersuchen die Autoren das Selbst- und Fremdbild von Bank- und Versicherungsmitarbeitern. 549 Vgl. Süchting (1991), S. 186 550 Vgl. Marliere/Unternährer (1999), S. 262 551 Vgl. Blankenburg (1999), S. 172 552 Vgl. Bergmüller (2002), S. 240; ebenso Kern (1999), S. 108; Boston Consulting (2002), S. 13f.
185
Bereits in Kapitel 5.4.1 wurden Maßnahmen aufgezeigt, die zur Schaffung einer aktiven
Verkaufskultur im Bankvertrieb beitragen. Hierzu zählt u. a. die Entlastung der Filialmit-
arbeiter von beratungsfremden Aufgaben, bspw. durch Auslagerung administrativer Auf-
gaben in Service Center. Die Bankmitarbeiter sollten sich auf ihre eigentliche Aufgabe als
Verkäufer konzentrieren können. Gleichzeitig muß dem Thema "Verkaufen" in der Ver-
triebsorganisation ein höherer Stellenwert beigemessen werden, damit die Mitarbeiter die
Wichtigkeit des aktiven Vertriebs erkennen. Mitarbeiterschulungen können bspw. in
"Verkaufsschulungen" umbenannt werden, die besten Verkäufer einer Filiale sollten aus-
gezeichnet werden. Rennlisten verstärken den Wettbewerb zwischen den Filialen einer
Region.553
Entscheidend ist die Motivation der Bankmitarbeiter, neben herkömmlichen Bankproduk-
ten zusätzlich "bankfremde" Versicherungen zu vertreiben.
Unabdingbar hierfür ist ein klares Commitment des Top Managements der Bank zum
Geschäftsfeld Versicherungen. Es muß eine zeitnahe, umfassende Kommunikation über
das Vorgehen der Allfinanzpartnerschaft und die Vorteilhaftigkeit der Kooperation für
die Bank und ihre Mitarbeiter erfolgen. Die Geschäftsführung sollte dabei die angestreb-
ten organisatorischen Veränderungen definieren und auf allen Hierarchieebenen klare
Meilensteine für die Umsetzung der Allfinanzpartnerschaft vorgeben.554
Eine mitreißende Vision, d. h. die Beschreibung eines künftigen, gewünschten Zustands,
wird generell als einer der Haupterfolgsfaktoren bei der Zielbestimmung einer Fusion
angesehen. Nur durch die klare Kommunikation des Sinns einer Allfinanzpartnerschaft
kann intern die Bereitschaft der Mitarbeiter geweckt werden, sich für die Ziele der Ko-
operation einzusetzen.555
Eine Maßnahme, um das Vertrauen zwischen Bank- und Versicherungsmitarbeitern zu
stärken und Barrieren abzubauen, ist der Austausch von Personal, bspw. durch Rotation
von Vertriebsmitarbeitern. Vorgeschlagen wird auch die Herausgabe eines gemeinsamen
"Wörterbuchs". Hierdurch kann der unterschiedliche Sprachgebrauch im Bank- und Ver-
553 Vgl. ausführlich bei Ronzal (2004), S. 394 554 Vgl. Boston Consulting (2002), S. 14 555 Vgl. Leichtfuß/de Ploey/Kestens (2000), S. 371. Bei einer Fusion ist die rasche Bekanntgabe der neuen Führungsstruktur ein weiterer Erfolgsfaktor: Möglichst schon bei der Ankündigung der Fusion sollten die neue Unternehmensstruktur und die Zusammensetzung der künftigen Unternehmensleitung bekannt gegeben wer-den. Ebenso müssen die Manager in Schlüsselpositionen frühzeitig klare Perspektiven in bezug auf ihre künfti-ge Rolle im Unternehmen aufgezeigt bekommen, um Kündigungen wichtiger Leistungsträger zu vermeiden.
186
sicherungsgeschäft vereinheitlicht und die Kommunikation zwischen den Bank- und Ver-
sicherungsmitarbeitern erleichtert werden.556
Um die Bankmitarbeiter zu kompetenten Versicherungsverkäufern auszubilden, muß ein
Schulungs- und Trainingsprogramm konzipiert werden. Die Durchführung kann sowohl
bei Schulungsbeauftragten der Versicherung liegen als auch durch die Bankangestellten
selbst erfolgen. So können im Sinne des "Train-the-Trainer"- Konzepts Bankmitarbeiter
durch Versicherungsspezialisten in Versicherungsfragen ausgebildet werden - sie geben
ihr Wissen dann an die Bankvertriebsmitarbeiter weiter.557
Inhalte eines Schulungskonzepts sollten verschiedene Trainingsmodule zur Vermittlung
von Fachwissen in den angebotenen Versicherungsprodukten sein. Bewährt hat sich zu-
dem das Angebot von "Electronic Learning": Die Vertriebsmitarbeiter können sich in
beratungsfreien Filialzeiten PC- gestützt Versicherungswissen aneignen. Häufig werden
zudem "Coaches" der Versicherung in den Bankfilialen eingesetzt, um das Bankpersonal
beim Versicherungsverkauf beratend zu unterstützen.558
Angesichts der heute bestehenden Defizite deutscher Filialbanken bei der aktiven Kun-
denansprache empfehlen Unternehmensberater zudem ein intensives Verkaufscoaching:
Das Coaching soll den Vertriebsmitarbeitern helfen, dem Kunden die Einzigartigkeit der
Angebote zu verdeutlichen und damit die Argumentationssicherheit im Verkaufsgespräch
stärken.559
Ein Mittel, um die Identifikation der Bankmitarbeiter mit den Versicherungsprodukten zu
stärken, ist das sog. "Multiplier- Konzept". Hierbei werden die Bankmitarbeiter als "erste
Kunden" des Versicherungspartners gewonnen, indem ihnen die Versicherungsprodukte
zu einem besonders günstigen Mitarbeitertarif angeboten werden. Unterstellt wird, daß
die Mitarbeiter aufgrund ihrer Zufriedenheit mit dem Produkt - in bezug auf Preis, Leis-
tung und Service - eine hohe Motivation haben, das Produkt aktiv zu verkaufen und auch
in ihrem privaten Umfeld weiterzuempfehlen.
556 Vgl. Interviews mit Verantwortlichen von Allfinanzpartnerschaften (Kapitel 6) 557 Vgl. Kern (1999), S. 97. Das Konzept wird bspw. erfolgreich von der AIG (American International Group) und ihren Bankpartnern durchgeführt. 558 Vgl. Monitor Group/ JP Morgan (2002), S. 30 559 Vgl. Merbecks (2004), S. 36
187
Unverkennbar ist, daß das zusätzliche Angebot von Versicherungsprodukten hohe Anfor-
derungen an den einzelnen Bankvertriebmitarbeiter stellt. Die Angestellten müssen sich
zu "Allfinanz-Beratern" mit umfassendem Produktwissen wandeln, so daß erhebliche
Investitionen in das Fachwissen des Personals notwendig sind. Empfohlen wird - neben
den beschriebenen Trainingskonzepten - eine zusätzliche Qualifikation der Filialmitarbei-
ter560 und auch das verstärkte Anwerben von Akademikern für den Vertrieb.
Im Falle der Kooperation der Bayerischen Versicherungsbank (BVB) mit den bayeri-
schen Volks- und Raiffeisenbanken werden die Filialmitarbeiter bspw. innerhalb von
neun Monaten zusätzlich zu Versicherungskaufleuten des Berufsbildungswerks der Deut-
schen Versicherungswirtschaft ausgebildet.561
Eine Kernaufgabe bei der Mitarbeiterführung innerhalb einer Allfinanzpartnerschaft ist
die Schaffung eines geeigneten Anreiz- und Entlohnungssystems.
Das Gehaltssystem in Bankfilialen unterscheidet sich grundsätzlich von dem des Versi-
cherungsaußendienstes. Bankmitarbeiter im stationären Vertrieb beziehen heute primär
Festgehälter mit geringem variablem Anteil, was einer kundenorientierten Beratung zugu-
te kommen soll. Im Versicherungsaußendienst erfolgt die Bezahlung hingegen auf Provi-
sionsbasis - Produkte mit hohen Provisionssätzen werden dementsprechend bevorzugt
zum Verkauf angeboten.
Sollen die Bank- und Versicherungsmitarbeiter zu einer kooperativen Zusammenarbeit
angeregt werden, bietet es sich an, die bestehenden Entlohnungssysteme einander anzu-
nähern.562 Für den Versicherungsaußendienst bedeutet dies eine verstärkt beratungsbezo-
gene Vergütung. Die Bestandspflege sollte bei der Vergütungsbemessung berücksichtigt
werden: Hohe Kundenbindungsdauer und niedrige Stornoquoten sind angemessen zu
honorieren. Vor allem der Abschluß kompletter Problemlösungsverträge, unter Einbezie-
hung von Bankprodukten, ist finanziell besonders zu würdigen.
560 Vgl. Marliere/ Unternährer (1999), S. 269. Hier wird bspw. die Ausbildung zum Finanzplaner ("Financial Consultant" , Nachdiplomstudiengang der HWV St. Gallen) empfohlen. 561 Vgl. Flämig (2001), S. 19 562 Werden bei einer Kooperation dieselben Versicherungsprodukte von Versicherungsagenten und Bankmitar-beitern verkauft, ist eine Vereinheitlichung der Vergütung notwendig, um keine Ungerechtigkeiten durch die Betriebszugehörigkeit entstehen zu lassen. Vgl. auch Zielke (1997), S. 159; Kremer (1994); S. 287, Baxmann (2002), S. 33
188
Bei den Bankvertriebsmitarbeitern bietet sich eine verstärkt verkaufsorientierte Bezah-
lung an. Zuzüglich zum fixen Gehalt ist eine Provisionszahlung für verkaufte Versiche-
rungsprodukte denkbar. Die Mehrheit der Autoren empfiehlt, von einer produktbezogenen
Provisionszahlung an Einzelmitarbeiter abzusehen und statt dessen eine indirekte Provi-
sionierung vorzunehmen - bspw. durch Prämienzahlungen auf Teamebene.563
Provisionen für Versicherungsverkäufe werden dann in der Ergebnisrechnung des Bera-
tungsteams berücksichtigt und kommen "indirekt" dem Einzelmitarbeiter zugute, indem
sie den variablen Gehaltsanteil beeinflussen. Hierbei besteht allerdings die Möglichkeit,
daß besonders gute Verkaufserfolge einzelner Mitarbeiter im Teamerfolg "untergehen",
bzw. finanziell nur unzureichend gewürdigt werden.
Die Gefahr bei einer produktbezogenen Provisionszahlung ist die Vernachlässigung einer
objektiven, kundenorientierten Beratung zugunsten hochprovisionierter Einzelprodukte.
Ziel sollte es sein, daß alle Produkte gleichermaßen ernst genommen werden - dies setzt
eine gleichberechtigte Einbeziehung aller Produkte in die Zielvereinbarungen der Mitar-
beiter voraus. Die Hamburger Sparkasse entschied sich vor einigen Jahren, bei ihrer Ko-
operation mit der Lebensversicherung "neue leben" vollständig auf die Zahlung von Ein-
zelprovisionen für Lebensversicherungsverkäufe zu verzichten. Nach einem vorüberge-
henden Rückgang des Lebensversicherungsgeschäfts pendelten sich die Verkaufszahlen
danach schnell wieder auf dem vorherigen Niveau ein.564
Erforderlich ist die Auswahl eines Konzepts zur Leistungsmessung der Vertriebsmitarbei-
ter, sei es auf Einzelmitarbeiter- oder Teambasis. Hierfür sind über das Controllingsystem
regelmäßig relevante Erfolgskennzahlen zur Verfügung zu stellen. Diese müssen direkt
oder indirekt (bspw. über das Team) mit der Vergütung der Mitarbeiter verknüpft werden,
d. h. als variabler Gehaltsbestandteil dem Mitarbeiter zufließen.
Zu den stückzahlbezogenen Erfolgskennzahlen zählen Cross-Selling-Quoten (bspw. vier-
zig verkaufte Sachversicherungen pro Mitarbeiter p. a.). Als Zielvorgaben verführen diese
Kennzahlen allerdings zum Abschluß vieler "kleiner" Geschäfte, und bieten damit Anrei-
ze zum Fehlverhalten. Als geeigneter sind daher wertbezogene Kennziffern anzusehen
563 Vgl. Marliere/ Unternährer (1999), S. 370, Baxmann (2002), S. 33. Eine einzelmitarbeiterbezogene Leis-tungsbemessung läuft zudem in vielen Fällen dem deutschen Betriebsverfassungsgesetz zuwider. 564 Vgl. Vogelsang (2002), S. 90
189
(bspw. akquiriertes Beitragsvolumen von sechzigtausend Euro pro Mitarbeiter p. a.), da
Erträge primär mit Wertvolumina in Zusammenhang stehen.565
Als Zielvereinbarung kann im Sinne des "Share-of-Wallet"- Konzepts auch eine be-
stimmte zu erreichende Ausschöpfung des Ergebnispotentials der zugewiesenen Kund-
schaft herangezogen werden.566
Empfehlenswert ist es, neben quantitativen Erfolgskennzahlen auch qualitative Kriterien,
bspw. Kennziffern zur Kundenzufriedenheit und Kundenbindungsdauer, zu erheben und
bei der Leistungsbeurteilung zu berücksichtigen.
Aus Sicht der Berater von Boston Consulting sollte der variable Gehaltsanteil, der durch
die Erfüllung von Erfolgskennzahlen beeinflußbar ist, mindestens fünfzehn Prozent des
Basisgehalts ausmachen, um verhaltenswirksam zu werden. Notwendig ist zudem eine
regelmäßige - mindestens dreimal jährliche - Überprüfung der Kennzahlen, damit nicht
nur zum Jahresende hin die Verkaufszahlen ansteigen.567
Die Zielvereinbarungen sollten grundsätzlich zwar hart, aber nicht zu hart zu erreichen
sein. Eine Studie der Universität Erlangen zur Vertriebssteuerung bei Banken und Versi-
cherungen kommt zu folgendem Ergebnis: Erfolgversprechend ist die Vorgabe weniger,
klar verständlicher Erfolgskennzahlen. Es sollte dabei eine deutliche Abfolge der Priori-
täten gegeben sein; zudem ist ein regelmäßiges Feedback an die Mitarbeiter bezüglich der
Erfüllung oder Nichterfüllung der Zielvorgaben notwendig.568
565 Vgl. Baxmann (2002), S. 36 566 Vgl. Praxmarer (1993), S. 313 567 Vgl. Boston Consulting (2002b), S. 2 568 Vgl. bei Hus (2005), S. 3
190
6 Analyse der Erfolgsfaktoren von Allfinanzpart-nerschaften auf Grundlage von fünf europäi-schen Fallstudien
In den folgenden Abschnitten der Arbeit wird die praktische Umsetzung des Allfinanz-
konzepts anhand von fünf Fallbeispielen untersucht. Die Erkenntnisse basieren auf In-
formationen aus der Finanzpresse sowie auf Interviews mit Verantwortlichen der jeweili-
gen Allfinanzpartnerschaften. Es wurden halbstrukturierte Interviews auf Grundlage ei-
nes Interviewleitfadens geführt, der sich aus den in Kapitel 5 untersuchten Themenberei-
chen ableitet. Die Interviewten wurden zudem nach ihrer subjektiven Meinung zu den
Haupterfolgsfaktoren der Allfinanzpartnerschaft befragt.
Pro Fallstudie werden die Ausgestaltung sowie die Erfolgsfaktoren der Allfinanzpartner-
schaft dargestellt. Es schließt sich jeweils der Versuch einer Erfolgsbeurteilung des Allfi-
nanzkonzepts an.
Die Fallbeispiele umfassen die Zusammenarbeit von Allianz und Dresdner Bank, durch
deren Zusammenschluß im Jahr 2001 der einzige integrierte Allfinanzkonzern Deutsch-
lands entstand. Desweiteren werden die beiden großen belgischen Allfinanzinstitute KBC
und Fortis untersucht, die das Allfinanzkonzept bereits seit den neunziger Jahren erfolg-
reich umsetzen und unter Analysten als „Vorreiter“ der Allfinanzidee gelten. Es schließt
sich die Analyse von zwei Kooperationsabkommen an: Die Zusammenarbeit von Citi-
bank und CiV Versicherung, die sich durch einen sehr hohen Integrationsgrad auszeich-
net, sowie die Allfinanzkooperation zwischen Commerzbank und AMB Generali.
6.1 Allianz und Dresdner Bank
6.1.1 Entwicklung des Allfinanzkonzepts Am 2. April 2001 gab die Allianz die Übernahme der Dresdner Bank bekannt, im Juli
desselben Jahres wurde die Transaktion formal abgeschlossen. Damit entstand ein Allfi-
nanzkonzern mit Schwerpunkten in den Bereichen Vermögensverwaltung und Altersvor-
sorge, der seinen Kunden alle Bank- und Versicherungsprodukte aus einer Hand anbietet.
191
Die Kooperationsverträge zwischen Dresdner Bank und Hamburg-Mannheimer sowie
zwischen Allianz und HypoVereinsbank (HVB) wurden aufgehoben. In den Monaten
nach der Übernahme wurden zwei Geschäftsmodelle entwickelt: Modell 1 umfaßt den
Vertrieb von Versicherungen über die Geschäftsstellen der Dresdner Bank, Modell 2 den
Verkauf von Bankprodukten durch die Versicherungsvertreter der Allianz.
Im Vordergrund der Transaktion steht die Erzielung von Ertragssynergien, d. h. Umsatz-
steigerungen durch die gegenseitige Nutzung der Vertriebskanäle und Kundenverbindun-
gen. Von den rund 1 Mrd. Euro Gesamtsynergien, die für das Jahr 2006 in Aussicht ge-
stellt wurden, soll rund die Hälfte im Privatkundengeschäft erzielt werden.569
Die Allianz Gruppe ist mit Beitragseinnahmen von insgesamt 68,7 Mrd. Euro im Jahr
2000 einer der größten Finanzdienstleister der Welt mit den Kerngeschäftsfeldern Scha-
den- und Unfallversicherung, Lebens- und Krankenversicherung sowie Asset Manage-
ment. Der Schwerpunkt der Versicherungsaktivitäten liegt in Europa; in Deutschland
betreut die Allianz rund 17,5 Millionen Kunden, Hauptvertriebskanal ist ein Netz von
Ausschließlichkeitsvertretern. Die Dresdner Bank, zum Übernahmezeitpunkt die dritt-
größte deutsche Bank, verfogt seit 2000 die Strategie, sich als fokussierte europäische
Beraterbank zu etablieren. Im Unternehmensbereich Private Kunden betreut die Bank im
Jahr 2000 mehr als 6 Millionen Privatkunden.
In der Führungsstruktur des neu entstandenen Allfinanzkonzerns fungiert die Allianz AG
als Management Holding und ist für die strategische Führung und Steuerung der Gruppe
verantwortlich. Dies bedeutet die Entwicklung von Strategien und Zielen des Konzerns
sowie die Allokation von Ressourcen und das Konzern- Controlling.
Die Allianz wählte mit der Übernahme der Dresdner Bank den Weg der Konzernbildung
als Integrationsform. Zuvor wurde die Zusammenarbeit in Form einer Vertriebskoopera-
tion durchgeführt, deren Ergebnisse allerdings nicht überzeugend waren: Im Jahr 2000
wurden pro tausend Kunden der Dresdner Bank lediglich neun Allianz-Versicherungen
verkauft. Der Vertrieb von Lebensversicherungen der Allianz Leben über die Filialen der
Dresdner Bank (und HypoVereinsbank) entsprach nicht den firmeninternen Erwartun-
gen.570
569 Vgl. Allianz Group (2001a), S. 12, 72 570 Vgl. Weiler (2001), S. 19. Im Jahr 2000 verkauften die bayerischen Genossenschaftsbanken im Durch-schnitt pro Kundenberater doppelt so viele Versicherungen der Allianz wie die Dresdner Bank. Vgl. o.V. (2001e), S. 64
192
Als Vorteil der Konzernlösung gilt, daß die Mitarbeiter nun die Produkte des "eigenen
Hauses" vertreiben. Innerhalb der Allianz Gruppe können neue Anreizsysteme geschaffen
werden, um den Versicherungsverkauf am Bankschalter sowie den Vertrieb von Bank-
produkten über Versicherungsagenten attraktiver zu gestalten. Zudem ergeben sich besse-
re Preisgestaltungsmöglichkeiten, da die Zahlung einer Gewinnmarge an den Kooperati-
onspartner entfällt; der Ertrag verbleibt statt dessen vollständig in den "eigenen Bü-
chern".571
In den Jahren vor der Übernahme der Dresdner Bank betrieb die Allianz eine Strategie
der Internationalisierung und Globalisierung. Insgesamt 14 große und über 50 kleinere
Unternehmen wurden zwischen 1991 und 2001 in die Allianz Gruppe integriert. Ziel war
es, mit dem bestehenden Know-how in neue Märkte zu expandieren und damit der
Wachstumsschwäche der deutschen Versicherungswirtschaft entgegenzusteuern. Im Fo-
kus stand dabei die Konzentration auf die Kerngeschäftsfelder, d. h. das Versicherungs-
und Vermögensanlagegeschäft. Im Zuge dessen wurde bspw. die Kapitalmehrheit an dem
französischen Versicherer AGF erworben, die Übernahme einer Bank lehnte der damali-
ge Vorstandsvorsitzende Dr. Schulte-Noelle ab. Verwiesen wurde auf die Gefahr, wegen
unzureichender Management- und Finanzressourcen zu scheitern.572
Die Ankündigung der Übernahme der Dresdner Bank im Jahr 2001 überraschte die Märk-
te und zeugte von einem "Stimmungsumschwung" in bezug auf das Allfinanzkonzept: Die
Positionierung als integrierter Finanzdienstleister wurde nun als die gewinnende Strate-
gie der kommenden Dekade proklamiert.573 Eine der Ursachen dieses Strategiewechsels
sind die veränderten Rahmenbedingungen des Jahres 2001: Bundesarbeitsminister Walter
Riester brachte die Förderung der privaten Altersvorsorge auf den Weg (Riester-
Förderung, vgl. Kapitel 3.2.2).
Ziel des Zusammenschlusses von Allianz und Dresdner Bank war es, die Kräfte des
Bank- und Versicherungsgeschäfts im Bereich Vorsorge und Vermögen zu bündeln, um
im Altersvorsorgegeschäft eine Führungsposition in Deutschland einnehmen zu kön-
571 Vgl. Schulte-Noelle (2003), S. 263 572 Vgl. Schulte-Noelle (1998), S. 327 573 Vgl. Schulte-Noelle (2003), S. 264
193
nen.574 Die Firmenkundenbeziehungen der Dresdner Bank boten dabei ein hohes Ge-
schäftspotential in der betrieblichen Altersvorsorge.
Im Bereich der privaten Vorsorge erwartete Paul Achleitner, Finanzvorstand der Allianz,
einen Trend zu "komplexeren" Produkten. Die Kombination von Versicherungen und
Asset Management- Produkten (bspw. Fondsgebundene Lebensversicherung) machte es
aus seiner Sicht notwendig, "die gesamte Produktpalette im Haus" zu haben.575 Nur da-
durch könne die Wertschöpfung produktions- und distributionsseitig vollständig ausge-
nutzt werden.
Das Geschäft mit Publikumsfonds stellt für die Allianz angesichts des Wachstums bei
privaten Vorsorgeprodukten einen Bereich von zentraler Bedeutung dar. Im Jahr 2001
mußte man einsehen, daß der Eigenaufbau des Geschäfts zu lange dauerte. Der Unter-
nehmensbereich Asset Management (Allianz Asset Management) war rund dreieinhalb
Jahre zuvor neu aufgebaut worden, die Vermögensverwaltung wurde neben Sach- und
Lebensversicherungen zum dritten Kerngeschäftsfeld ausgerufen. Ziel war es, weltweit zu
den Top Fünf der Asset Manager aufzusteigen.
Die Erkenntnis, dieses Ziel aus eigener Kraft nicht erreichen zu können, gilt unter Akti-
enanalysten als einer der Hauptgründe für die Übernahme der Dresdner Bank. Im Ge-
schäft mit Publikumsfonds (Wertpapier-, Geldmarkt- und Hedgefonds) betrug der Markt-
anteil der Allianz Asset Management im Jahr 2001 nur 1,1 Prozent.576
Die Dresdner Bank- Fondstochter DIT (Deutscher Investment Trust) war mit 13,6 Prozent
Marktanteil die Nummer Vier in Deutschland und gilt daher als das "wahre Juwel" der
Übernahme.577
Heute hält die aus Allianz Asset Management und DIT hervorgegangene AGI (Allianz
Global Investors-Gruppe) im Geschäft mit Publikumsfonds einen Marktanteil von knapp
16 Prozent. Mit 7,2 Mrd. Euro sammelte die AGI im ersten Halbjahr 2005 das meiste
neue Anlegergeld in Wertpapierfonds unter den deutschen Fondsgesellschaften ein. Mehr
als ein Drittel der Fonds wurde über die Dresdner Bank verkauft.578
574 Allianz Group (2001), S. 24 575 Vgl. o.V. (2001e), S. 64, Interview mit Finanzvorstand Paul Achleitner. 576 Vgl. WestLB Panmure (2001), S. 53 577 Vgl. Schütz/von Gärtringen/Zoettl (2001), S. 54. Neben einer schlechten Performance der Publikumsfonds der Allianz Asset Management war auch ihr Vertrieb wenig erfolgreich: Den Allianz-Vertretern fehlte offenbar das Know-how sowie die Motivation zum Verkauf von Fondsprodukten. Auch über die Bankkanäle Dresdner Bank und HVB mit ihren eigenen Fondstöchtern DIT und Activest ließen sich die Allianz- Fonds nur schwer verkaufen. 578 Vgl. o.V. (2005d), S. 21
194
Die Haushaltsreichweite des neu entstandenen Allfinanzkonzerns aus Allianz und Dresd-
ner Bank zeigt, daß das Allfinanzkonzept der Gruppe im Jahr 2001 ein sehr hohes Poten-
tial aufwies: Der Anteil der deutschen Haushalte, die mindestens eine Vertragsbeziehung
zu einem Unternehmen der Allianz Gruppe unterhielten, betrug 37 Prozent. Damit hatte
die Allianz Gruppe nach der Sparkassen- Finanzgruppe (73 %) die zweithöchste Haus-
haltsreichweite in Deutschland - gleichbedeutend mit vielfältigen Cross-Selling- Mög-
lichkeiten. Gleichzeitig bestand ein erkennbares Potential zur Abwerbung von Sparkas-
sen-Kunden: Rund 36 Prozent der Sparkassen-Kunden unterhielten mindestens eine Ver-
tragsbeziehung zum Konzern Allianz/Dresdner Bank.579
Während die Filialen der Dresdner Bank vornehmlich in den Städten vertreten sind, wei-
sen die Agenturen der Allianz eine starke Präsenz in den ländlichen Regionen auf - es
liegt eine Komplementarität der Vertriebsnetze vor.580 Ziel der Übernahme war es, durch
die Kombination der Vertriebskapazitäten eine flächendeckende, regionale Präsenz der
Gruppe in Deutschland zu schaffen.
579 Vgl. DSGV (2001), S. 14f. 580 Vgl. Allianz Group (2001a), S. 68
195
6.1.2 Erfolgsfaktoren des Allfinanzkonzepts
Die Allianz hat sich zusammen mit der Dresdner Bank zum Ziel gesetzt, bis Ende 2007
zum führenden integrierten Finanzdienstleister Europas zu werden.581
Das Allfinanzkonzept wird auf zwei Wegen umgesetzt: Durch den Versicherungsverkauf
über die Dresdner Bank- Filialen sowie das Angebot von Bankprodukten über die Agen-
turen der Allianz. Nach eigenen Angaben nimmt die Allianz mit diesem kombinierten
Ansatz eine Pioneer- Stellung in der europäischen Allfinanzlandschaft ein. Der Vor-
standsvorsitzende der Allianz, Michael Diekmann, erwartet, daß es im Jahr 2010 für ei-
nen Kunden "ganz normal" sein wird, in einer Dresdner Bank-Filiale oder bei einem Alli-
anz-Vertreter die gesamte Produktpalette aus Bank- und Versicherungsleistungen ange-
boten zu bekommen.582
Das Vertriebskonzept in den Filialen der Dresdner Bank sieht vor, daß die Kundenbe-
treuer pro Filiale durch einen sog. Vorsorge- und Versicherungsbeauftragten (VVB) der
Allianz AG unterstützt werden. Im Jahr 2003 waren deutschlandweit rund tausend VVBs
in den Dresdner Bank- Filialen eingesetzt. Die Bankmitarbeiter verkaufen ihren Kunden
ausschließlich einfache Standardversicherungen, bspw. fondsgebundene Lebensversiche-
rungen, Riesterprodukte oder einfache Kombinationsprodukte. Bei speziellen Versiche-
rungsfragen erfolgt die Beratung hingegen durch den jeweiligen VVB der Filiale; er bie-
tet u. a. auch Krankenversicherungen und Kfz-Versicherungen an.
Diese Vorgehensweise wird von den Verantwortlichen des Konzerns als ein zentraler
Erfolgsfaktor des Allfinanzkonzepts angesehen: Durch die Anwesenheit eines Versiche-
rungsexperten können nicht nur generelle Versicherungsfragen in den Filialen geklärt
werden, sondern auch zu Spezialthemen, bspw. zur betrieblichen Altersvorsorge, kann vor
Ort sofort Auskunft gegeben werden.
Bei ihrer Arbeit in den Filialen betreiben die VVBs keine eigenständige Kundenakquise.
Sie haben keinen Zugriff auf die bankinternen Kundendaten. Die Dresdner Bank- Betreu-
er weisen ihre Kunden lediglich auf das Angebot ihres Allianz- Kollegen hin oder rufen
581 Die folgenden Ausführungen basieren auf einem Gespräch im November 2005 mit Joachim Müller, Leiter der Abteilung "Allianz Vertrieb & Support Banking" bei der Dresdner Bank. Der Unternehmensbereich ist seit Mai 2004 verantwortlich für die Steuerung des Allfinanz- Vertriebs über die Dresdner Bank- Filialen und Allianz- Versicherungsagenturen. 582 Vgl. Busse (2004), S. 2, Interview mit Michael Diekmann zum Erfolg der Allfinanz-Strategie der Gruppe.
196
ihn zum Kundengespräch hinzu. Durch diese klar geregelten Zuständigkeiten soll eine
Konkurrenzsituation zwischen Bank und Versicherer vermieden werden.583
Bei Fragen zu Versicherungsprodukten steht den Filialmitarbeitern die Hotline "Berater-
line" der Dresdner Bank zur Verfügung. Im Fall von Schadensmeldungen können die
Kunden sich direkt an die Dresdner Bank- Filiale wenden, wo der jeweilige VVB die
weiteren Regelungen übernimmt. Um die Filialmitarbeiter zum Versicherungsverkauf zu
motivieren, werden Mitarbeiter- Sonderkonditionen für die Allianz- Produkte angeboten.
Zur Unterstützung der Filialmitarbeiter im Versicherungsverkauf wird ab 2006 ein neues
Software- Beratungstool eingeführt, das den Kundenbetreuer anhand standardisierter
Fragen durch das Verkaufsgespräch führt und gezielt Versicherungslösungen anbietet.
Eine direkte Policierung am Point of Sale ist aktuell noch nicht möglich - die Versiche-
rungsverträge werden den Kunden zugeschickt.
Ebenso ist für Anfang 2006 die Einführung eines neuen Vergütungssystems in den Filia-
len geplant. Bislang erfolgt die Vergütung der Mitarbeiter für den Versicherungsverkauf
auf Basis von Einzelprovisionen. Künftig sollen keine zusätzlichen Provisionen beim
Verkauf von Versicherungen gezahlt werden - statt dessen sind Versicherungsprodukte
als integraler Bestandteil der traditionellen Produktpalette zu begreifen. In der Erfolgs-
steuerung der Filialen wird das Versicherungsgeschäft dann jedoch höher bewertet als
zuvor, so daß die variablen Gehaltsbestandteile in stärkerem Maße vom Versicherungs-
vertrieb abhängig sind.
Neben der Vergütung wird auch das Ausbildungssystem aktuell neu geregelt: Die Filial-
mitarbeiter erhalten als Einführung künftig jeweils zehn Tage lang ein ausführliches Ver-
triebstraining für die Versicherungsprodukte des Filialvertriebs.
In bezug auf ihre Marke hat sich die Allianz Gruppe für eine fokussierte Mehr-Marken-
Strategie entschieden.584 Der Bekanntheitsgrad von Allianz und Dresdner Bank war zum
Übernahmezeitpunkt so hoch und die Markenpositionierung so erfolgreich, daß es keinen
Sinn machte, eine neue Marke zu kreieren. Dementsprechend blieben das charakteristi-
sche Grün der Dresdner Bank sowie ihr Logo und ihre Marke erhalten. Über die Schalter
der Bank werden die Versicherungsprodukte unter der Marke der Allianz angeboten.
583 Vgl. Wagner (2001), S. 21 584 Vgl. Allianz Group (2001), S. 25
197
Marktforschungsstudien zeigen, daß das Image der Dresdner Bank von den Kunden heute
als "elitär" und "kompetent" wahrgenommen wird. Im Vergleich zu den konkurrierenden
Sparkassen wird der Bank ein deutlicher Kompetenzvorsprung zugetraut.
Die Zusammenarbeit mit der Dresdner Bank wird daher aus Sicht der Allianz- Versiche-
rungsagenten als Vorteil wahrgenommen: Die Agenten profitieren vom guten Image der
Dresdner Bank-Produkte. Gleichzeitig vermindert sich die Gefahr von Kundenabwerbun-
gen durch die Sparkassen- Gruppe, wenn die Kunden neben Allianz- Versicherungen
auch ihre Konten bei der gruppeneigenen Dresdner Bank unterhalten.585
Das zweite Standbein des Allfinanzkonzepts ist der Vertrieb von Bankprodukten über die
Agenturen der Allianz. Seit Ende 2001 werden die Versicherungsagenten von rund 300
Wertpapierberatern der Dresdner Bank unterstützt. Diese sind für den Verkauf von In-
vestmentfonds sowie komplexen Anlageprodukten zuständig. Einfache Bankprodukte
(Girokonten, Kreditkarten, private Kleinkredite) werden hingegen von den Versiche-
rungsvertretern selbst vertrieben.
Nach einer Pilotphase im Jahr 2004 wurde das Jahr 2005 von der Allianz zum "Banken-
jahr" ausgerufen: Insgesamt 300.000 neue Bankkunden sollen unter den aktuell 17,5 Mil-
lionen Versicherten der Allianz neu angeworben werden. Die Verkaufskraft der Vertreter
soll somit für die Bank genutzt werden; Ziel ist es, den Marktanteil der Dresdner Bank im
Privatkundengeschäft von aktuell 4 % auf 10 % zu steigern.
Mit günstigen Konditionen für die Kontoführung sowie einem Bonusmodell für Kredit-
karten gelang es den Agenturen im Jahr 2005 bis Oktober, bereits 190.000 neue Bank-
kunden zu akquirieren.586
Die von den Agenten angebotenen Bankprodukte zeichnen sich durch einen hohen Stan-
dardisierungsgrad aus und sind speziell auf die Bedürfnisse der Allianz- Kunden und -
Vertreter zugeschnitten. Grundsätzlich sollen bei gleichen Produkten keine Preisunter-
schiede zwischen den Vertriebskanälen (Filiale, Agentur) auftreten.587
Über die Vergabe des Kredites "Flexigeld" kann innerhalb von nur zehn Minuten in An-
wesenheit des Kunden entschieden werden. Als Wettbewerbsvorteil wird die starke Prä-
585 Vgl. Fromme/Maier (2005), S. 15 586 Vgl. Aufterbeck/Landgraf (2005), S. 25 587 Kritiker werfen der Allianz vor, mit "Kampfpreisen" den Vertrieb von Bankprodukten zu forcieren: Das güns-tigste über die Allianz-Vertreter angebotene Dresdner-Konto kostet nur 2,75 Euro pro Monat. Bei der Dresdner Bank selbt kostet das günstigste (Online-) Konto dagegen 5 Euro pro Monat. Vgl. Fromme/Maier (2005), S. 15
198
senz der Agenturen in ländlichen Gebieten angesehen: Hier sollen vor allem den Sparkas-
sen und Genossenschaftsbanken Kunden abgeworben werden.
Seit 2004 werden die Agenturen von sog. Bankberatern der Dresdner Bank unterstützt,
die u. a. für die Schulungen in Bankprodukten zuständig sind. Es wird geplant, künftig
zusätzlich sog. Geschäftskundenberater der Bank in den Agenturen einzusetzen.
Sowohl das Ausbildungs- als auch das Vergütungssystem in den Agenturen sind aktuell
in Überarbeitung. Bislang wird der Verkauf von Bankprodukten durch Einzelprovisionen
vergütet - diese werden von den Versicherungsagenten z. T. allerdings als "wenig attrak-
tiv" eingestuft.588
Insgesamt ist der Zusammenschluß von Allianz und Dresdner Bank als mitarbeiter-
freundlich zu bewerten. Im Rahmen der Übernahme der Dresdner Bank wurden keine
Geschäftsstellen geschlossen. Auf Basis ihres Kostensenkungsprogramms aus dem Jahr
2000 baute die Dresdner Bank selbst insgesamt 300 von 1.100 Filialen ab; dieses Ziel war
im Jahr 2001 mit einem Bestand von rund 800 Filialen bereits zum Großteil erreicht. Im
Vergleich dazu wären bei der zuvor geplanten Fusion der Dresdner Bank mit der Deut-
schen Bank rund sechzehntausend Arbeitsplätze, u. a. aufgrund von Zweigstellenschlie-
ßungen, abgebaut worden.589
588 Vgl. Fromme/Maier (2005), S. 15. Als problematisch wird zudem erachtet, daß der Bankkunde in den Agen-turen keine Geldautomaten oder Kontoauszugsdrucker der Bank vorfindet. Hierzu muß er eine Dresdner Bank- Filiale aufsuchen. Hier wiederum haben die Filialmitarbeiter keinen Einblick in die Konten der Allianz- Bankkun-den. 589 Vgl. o.V. (2003c), S. 1
199
6.1.3 Erfolgsbeurteilung
Der Umbau einer Bank bzw. eines Versicherers in einen Anbieter integrierter Finanz-
dienstleistungen dauert nach Einschätzung von Prof. Bernet, Universität St. Gallen, etwa
fünf Jahre.590 Auch der Finanzvorstand der Allianz, Paul Achleitner, rechnete zum Zeit-
punkt der Übernahme mit einer Integrationszeit zwischen drei bis fünf Jahren. 591
Die aktuellen Überarbeitungen der Ausbildungs- und Vergütungssysteme von Allianz und
Dresdner Bank zeigen, daß eine abschließende Beurteilung der Integrationsarbeiten im
Vertrieb frühestens Ende 2006 möglich sein wird.
Beim Verkauf von Versicherungen über die Dresdner Bank sind seit 2001 deutliche Fort-
schritte erzielt worden. Die Dresdner Bank trägt heute einen Anteil von 12 Prozent zum
Neugeschäft mit Lebensversicherungen (Allianz Leben) bei.592 Im Jahr 2000 kamen die
Dresdner Bank und die HypoVereinsbank zusammen auf einen Anteil von nur 8 Prozent
am Neugeschäft - der Wegfall der HypoVereinsbank als Vertriebspartner der Allianz
Leben wurde zwischenzeitlich somit mehr als kompensiert.
Im Vergleich zu führenden europäischen Allfinanzkonzernen sind die Ergebnisse der
Dresdner Bank allerdings noch gering: Bei den Allfinanzkonzernen KBC und Fortis wur-
den im Jahr 2000 bereits 87 % bzw. 66 % des Lebensversicherungsgeschäfts im Bankver-
trieb generiert (vgl. Kapitel 6.2 und 6.3).
Insgesamt verkauften die Dresdner Bank- Filialen im Jahr 2003 rund 182.000 Lebens-,
Sach- und Riester-Policen der Allianz - gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um rund
ein Drittel. Relativiert wird diese Erfolgszahl jedoch mit Blick auf die HypoVereinsbank:
Diese setzt das Allfinanzkonzept zusammen mit der ERGO-Gruppe in Form einer exklu-
siven Kooperation um und kam im Jahr 2003 auf 200.000 verkaufte Policen.593
Im Geschäft mit der betrieblichen Altersvorsorge wird der Vertriebsweg Dresdner Bank
für die Allianz immer wichtiger: Im Jahr 2003 trug die Bank rund acht Prozent zu diesem
590 Vgl. Bernet (1999), S. 55 591 Vgl. o.V. (2001e), S. 65 592 Vgl. o.V. (2005b), S. 23 593 Vgl. Burgmeier (2004a), S. 47
200
Segment bei. Jedes fünfte neue Unternehmen kam über die Bank zur Pensionskasse der
Allianz Leben.
Die Dresdner Bank hat im Jahr 2004 eine Marktoffensive unter dem Namen "Neue
Dresdner Plus" gestartet. Im Mittelpunkt stehen die Themen Zugänglichkeit und Bera-
tungskompetenz. Ziel ist es, das Image der Bank jünger und weniger elitär zu gestalten;
hierzu werden die Filialen offener eingerichtet und Werbespots im Fernsehen geschaltet.
Aktienanalysten bezweifeln jedoch, daß Marketingkampagnen wie diese ausreichen, um
die operativen Erträge der Bank im Filialgeschäft (Personal Banking) auf Dauer zu stär-
ken. Eine Erhöhung der Cross-Selling-Quoten ist angesichts des gesättigten deutschen
Bankenmarktes schwierig.
Die Bank hofft daher auf die Vertriebskraft der Allianz-Agenturen. In einer "Pilotphase"
im Jahr 2004 wurden bereits einfache Bankprodukte über die Agenturen verkauft. Dabei
stieg das Geschäftsvolumen nach Firmenangaben um 62 Prozent auf 2,4 Mrd. Euro.594
Für das "Bankenjahr" 2005 setzte die Allianz sich das Ziel, insgesamt 300.000 neue
Dresdner Bankkunden anzuwerben. Diese Zielvorgabe konnte deutlich übertroffen wer-
den: Nach Angaben der Gruppe wurden in 2005 rund 360.000 Dresdner Bank- Neukun-
den durch die Allianz-Agenturen gewonnen.595
Eine abschließende Erfolgsbeurteilung steht noch aus. Es zeichnet sich jedoch ab, daß die
Vertriebserfolge der Allianz-Agenturen in Zukunft einen entscheidenden Anteil daran
haben werden, ob der Zusammenschluß von Allianz und Dresdner Bank als gerechtfertigt
gelten wird.
Im Zuge der Übernahme im Jahr 2001 wurden von der Allianz Zielvorgaben in bezug auf
die Höhe der zu erreichenden Synergien gemacht. Für das Jahr 2002 rechnete man mit
Synergien in Höhe von 290 Mio. Euro aus dem Zusammenschluß.596 Diese Vorgabe wur-
de mit insgesamt 376 Mio. Euro deutlich übererfüllt.597
594 Vgl. o.V. (2005b), S. 23. Hierin enthalten ist auch das Geschäft mit Wertpapierfonds des DIT und Immobi-lienfonds der Degi. 595 Vgl. o.V. (2005e), S. 23 596 Vgl. Allianz Group (2001a), S. 12 597 Vgl. Burgmeier (2004a), S. 46
201
Ein Großteil der Synergien bestand aus Kostensynergien, u. a. durch die Zusammenle-
gung der Asset Management- Bereiche von Allianz und Dresdner Bank. Die AGI (vorher
Allianz Dresdner Asset Management) ist zwischenzeitlich durch mehrere Zukäufe zum
zweitgrößten Anlagemanager der Welt hinsichtlich des verwalteten Vermögens aufge-
stiegen.
Kostensynergien wurden auch im Bereich Informationstechnologie erwartet. Im Januar
2003 legte der Konzern die bislang getrennt agierenden IT- Dienstleister der Allianz (Al-
lianz Gesellschaft für Informatik Services) und Dresdner Bank (Dresdner Global IT Ser-
vices) zusammen. Experten erkannten verschiedene Synergiepotentiale, bspw. durch die
Zusammenlegung von Zahlungsverkehrssystemen, Intranets oder von Programmen zur
Vermögensverwaltung.598
Auffällig ist, daß die Allianz ab dem Jahr 2002 darauf verzichtet, Angaben zu den er-
reichten Synergien zu veröffentlichen.
Für das Jahr 2006 wurden Synergien von insgesamt einer Milliarde Euro in Aussicht
gestellt, die zu rund einem Drittel als Ertragssynergien (Cross-Selling) im Vertrieb gene-
riert werden sollen. Ob dieses ambitionierte Ziel erreicht werden kann, erscheint bislang
fraglich.
Der Kaufpreis für die Dresdner Bank in Höhe von rund 24 Mrd. Euro599 wurde in erster
Linie mit den zu hebenden Synergien gerechtfertigt.
Bei Zugrundelegung eines Diskontfaktors von 12 % und einer finalen Synergie- Wachs-
tumsrate von 2,5 % ermitteln die Analysten der UBS einen Present Value der Synergien
zum Übernahmezeitpunkt von rund 8 Milliarden Euro.600 Der Goodwill, den die Allianz
für die Dresdner Bank zahlte, betrug (bei einem Wert der Bank von 21,6 Mrd. Euro am
22.03.2001) rund 6,3 Mrd. Euro. Die Synergien überstiegen den Goodwill damit um etwa
1,7 Mrd. Euro - der Kaufpreis für die Bank war damit gerechtfertigt.
Die hohen Verluste, die die Dresdner Bank seit der Übernahme generierte - im Jahr 2002
bereits fast eine Mrd. Euro - haben den Wertgewinn durch Synergien bislang zunichte
598 Vgl. o.V. (2001f), S. 11 599 Aufgrund ihrer Beteiligung an der Dresdner Bank über rund 20 % erwarb die Allianz zur Übernahme nur 80 % der Dresdner Bank. Die Zahlung erfolgte in erster Linie in eigenen Aktien, 3,7 Mrd. Euro in bar. 600 Vgl. UBS (2004), S. 22. Die Allianz veröffentlichte selbst eine Berechnung des Present Values der geplan-ten Synergien. Sie kommt bei einem Diskontfaktor von 9,05 % auf einen Wert von 7,3 Mrd. Euro. Vgl. Allianz Group (2001a), S. 98
202
gemacht. Die Analysten der UBS beziffern den kumulierten Wertverlust durch die Toch-
ter Dresdner Bank für die Allianz bis Ende 2005 auf rund 13 Mrd. Euro.601
Die Übernahme der Dresdner Bank stellte im Jahr 2001 einen wichtigen Schritt zur Ent-
flechtung des deutschen Finanzsektors dar. Die Allianz sowie die Dresdner Bank gaben
im Zuge der Transaktion ihre Beteiligungen an der HypoVereinsbank an die Münchener
Rück ab.
Im Gegenzug trennten sich die Münchener Rück und die HypoVereinsbank von ihren
Anteilen an der Dresdner Bank. Anfang 2002 verkaufte die Münchener Rück zudem ihre
40,6-prozentige Beteiligung an Allianz Leben an die Allianz, die dadurch 90 Prozent des
größten deutschen Lebensversicherers erhielt.602
Durch die gewählte Transaktionsstruktur verringerte die Allianz ihr gebundenes Kaptial
in reinen Finanzbeteiligungen. Das sog. "excess capital" wurde reduziert, so daß die
Gruppe statt dessen stärker in ihren Kerngeschäftsfeldern investieren kann. Die Über-
kreuzbeteiligung zwischen Münchener Rück und Allianz wurde seit 2001 weiter abgebaut
mit dem Ziel einer gegenseitigen Beteiligung von unter fünf Prozent.
Der Verlauf des Aktienkurses der Allianz ist seit dem Jahr 2001 durch hohe Kursverluste
gekennzeichnet. Während die Aktie zum Jahresende 2000 noch bei 360 Euro notierte, fiel
ihr Kurs im Frühjahr 2003 auf zeitweise unter 50 Euro (Xetra, Bloomberg).
Eine der Hauptursachen des Kursverfalls waren die hohen Verluste der Tochter Dresdner
Bank. Erst seit dem 1. Quartal 2004 liefert die Bank wieder einen positiven Beitrag zum
Konzernergebnis der Allianz. Die Ziele des Sparprogramms "Neue Dresdner", das eine
Kostensenkung um rund 1 Mrd. Euro bis Ende 2005 vorsieht, sind inzwischen erreicht
worden - die Restrukturierung der Bank ist weitestgehend abgeschlossen. Für das Jahr
2005 strebt die Dresdner Bank einen Gewinn in Höhe der Kapitalkosten an, was einer
Eigenkapitalrendite von 8,85 Prozent nach Steuern entspricht.
601 Es werden Kapitalkosten von 10 % zugrunde gelegt. Das Ergebnis der Dresdner Bank für das Jahr 2005 wurde geschätzt. Vgl. UBS (2004), S. 24 602 Vgl. Allianz Group (2001), S. 27. Die Übernahme der Dresdner Bank wurde in erster Linie über den Beteili-gungstausch mit der Münchener Rück sowie die Abgabe von Beteiligungen über die Auflage von Wandelanlei-hen bezahlt. Damit hob der Allianz Konzern stille Reserven in Milliardenhöhe. Nach Berechnungen der Allianz betrug der Preis für die Dresdner Bank nach Abzug dieser kostenneutralen Umschichtungen nur rund 5,9 Mrd. Euro. Vgl. Busse (2002), S. 23
203
Obgleich sich die Entwicklung der Bank bereits positiv im Kursverlauf der Allianz wi-
derspiegelt, liegt die Allianz mit ihrem Börsenwert noch weit hinter dem amerikanischen
Konkurrenten AIG (American International Group).603
Der Vorstandsvorsitzende der Allianz, Michael Diekmann, will auch in Zukunft an der
Strategie des "integrierten Finanzdienstleisters" festhalten. Eine abschließende Erfolgsbe-
urteilung der Fusion ist in Anbetracht der laufenden Integrationsarbeiten noch nicht mög-
lich. Abzuwarten ist die langfristige Positionierung des Konzerns am europäischen Allfi-
nanzmarkt. Ein New Yorker Investmentbanker stellte im Jahr 2003 der Wachstumsstrate-
gie der Allianz ein positives Urteil aus, indem er die Vermutung äußerte, der Allianz
Konzern werde in zehn Jahren das "einzige unabhängige deutsche Finanzinstitut von
Weltrang" sein.604
603 Vgl. Jakobs (2004), S. 93. Zum 12.10.2004 betrug der Börsenwert der Allianz 32,2 Mrd. Euro, der Wert der AIG dagegen 142,9 Mrd. Euro. In bezug auf den Umsatz lag die Allianz im 1. Hbj. 2004 mit 49,5 Mrd. Euro vor der AIG mit 38,3 Mrd. Euro. 604 Vgl. o.V. (2003d), S. 1
204
6.2 KBC
6.2.1 Entwicklung des Allfinanzkonzepts Die KBC Bank & Insurance Group (KBC) wurde im Jahre 1998 durch den Zusam-
menschluß von drei belgischen Finanzinstituten gegründet: der Kredietbank, eine der
damals größten belgischen Universalbanken, der genossenschaftlichen CERA Bank und
ABB, der viertgrößten belgischen Versicherung. Die Kredietbank war schon zuvor als
Bancassurer tätig. Es wurden Versicherungen der Lebens- und Schadensversicherer Om-
niver und Fidelitas über die Bankschalter verkauft, jedoch nur in geringem Umfang.
Hintergrund der Fusion zur KBC war das Bestreben, sowohl im Bank- als auch im Versi-
cherungsbereich eine "kritische Masse" zu erreichen. Dabei sollten Kostensynergien
durch die Zusammenlegung von Zweigstellen erzielt und gleichzeitig das sog. "Multi-
Channel Bancassurance"- Konzept etabliert werden.605 Durch die Fusion wurde die KBC
1998 in Belgien sowohl im Bank- als auch im Versicherungsbereich zum drittgrößten
Bancassurer mit einem Marktanteil von 22 % bzw. 13 %. Der Bankbereich ist der domi-
nante Partner innerhalb des Konzerns, der Versicherungsbereich macht etwa ein Drittel
der Konzerngröße aus.
Die einzige an der Börse gehandelte Firma ist die Obergesellschaft KBC Bank & Insu-
rance Holding, die Untergesellschaften KBC Bank und KBC Insurance sind nicht börsen-
notiert. Ziel ist somit die Gewinnmaximierung auf Gruppenebene - ob im Bank- oder
Versicherungsbereich ist durch die Konsolidierung der Töchter im Konzernverbund nicht
entscheidend.
Die Organisation unter einer Holding-Gesellschaft hat den Hintergrund, daß in Belgien
das Bank- und Versicherungsgeschäft nicht gemeinsam in einer Institution durchgeführt
werden darf. Nur 29 % der Holding- Anteile werden im Free float gehandelt, die übrigen
Aktien liegen bei der Almanij- Gruppe. Hierdurch soll die stabile Basis einer langfristig
ausgerichteten Strategie gelegt werden.
605 Diese und die folgenden Angaben basieren auf Interviews mit Paul Vandeput (Project Manager), Luc Boesmans (Directeur) und Erik Van Acker (Manager Retail and Distribution Networks) in den Geschäftsräumen der KBC, Leuven, im Oktober 2004 sowie auf den unternehmensinternen Präsentationen KBC (2001) und KBC (2004).
205
Kundenzielgruppen von KBC in Belgien sind zum einen Privatpersonen und zum anderen
kleine und mittelgroße Unternehmen (SME)606 - zusammen das sog. Retail Segment.
Neben Belgien sind die zentraleuropäischen Staaten Ungarn, Polen, Slovakai, Slowenien
und Tschechien die weiteren Heimatmärkte, in denen die KBC mit ihrem Bancassurance-
Modell inzwischen eine führende Position eingenommen hat. Ziel ist es, die in Belgien
erprobte Bancassurance- Strategie auch bei den akquirierten lokalen Banken und Versi-
cherungsunternehmen anzuwenden. Parallel zum Fortschreiten der zentraleuropäischen
Aktivitäten wurden seit 1998 die Investitionen im Bereich Corporate and Investment
Banking zurückgefahren. Die KBC ist heute klar auf das Retail Geschäft fokussiert.
Für die Umsetzung ihres Allfinanzkonzepts hat die KBC die Integrationsform der Kon-
zernbildung gewählt. Zentrale Steuerungseinheit für die Allfinanzaktivitäten der Gruppe
ist das sog. "Bancassurance Management Committee" (siehe Abbildung 6), das aus fünf
Personen besteht. Hierzu gehören zwei Mitglieder des Board of Directors der Holding-
Gesellschaft sowie drei General Manager aus dem Bank- und Versicherungsbereich. Ziel
ist es, die Bancassurance- Aktivitäten der Gruppe auf einer möglichst hohen Ebene anzu-
siedeln. Das Committee trifft sich einmal monatlich. Von hier aus werden die 20 Private
Banking- und 990 Retail Banking- Niederlassungen sowie die Versicherungsvertreter der
KBC ("tied agents", d. h. Ausschließlichkeitsvertreter) gesteuert.
Quelle: Eigene Darstellung nach Firmenangaben
606 Small-medium-enterprises= "SME"
Abb. 6: Organisation des KBC-Allfinanzkonzepts
KBC Bank & Insurance Holding
KBC Bank
KBC Insurance
Bancassurance Management Committee
Private Retail Banking Banking Filialen Filialen
Versicherungs-agenturen
206
Getrennt vom Bancassurance- Modell findet auch ein Versicherungsverkauf über freie
Makler (Fidea, Centea) statt, hierbei wird allerdings nicht die Marke KBC genutzt. Zu-
dem gehört zur KBC auch die CBC Bank, die zwar in die Steuerungssysteme der Gruppe
eingebunden ist, jedoch als "Nischen-Bank" für wohlhabende Kunden nicht am KBC-
Bancassurance- Modell teilnimmt.
Die KBC sieht "Cross-Selling" als das Kernelement ihrer Bancassurance- Strategie an.
Ende 1999 wurden verschiedene Cross-Selling- Kennziffern untersucht und ein großes
noch zu hebendes Potential festgestellt. 34 Prozent der KBC-Kunden hielten zu dem
Zeitpunkt mindestens ein Bank- sowie ein Versicherungsprodukt. Nur 10 Prozent der
Gesamtkundschaft waren dagegen "stabile" Kunden und besaßen sowohl drei Bank- als
auch drei Versicherungsprodukte.607
6.2.2 Erfolgsfaktoren des Allfinanzkonzepts Zur Hebung der Cross-Selling- Potentiale wurde als Vertriebsstrategie das sog. "Micro-
Market- Konzept" entworfen. Dazu wurden in Flandern 850 lokale („micro“) Märkte aus
Bankniederlassungen und Versicherungsagenturen definiert und ihre jeweiligen Aufga-
benbereiche festgelegt. Bankprodukte werden ausschließlich über die Bankfilialen ver-
trieben. Aufgrund bereits gemachter Erfahrungen in Testprojekten hält die KBC den Ver-
kauf von Bankprodukten über Versicherungsagenten nicht für erfolgsversprechend. Für
die Weiterleitung ("Referral") eines potentiellen Bankkunden an eine KBC- Bankfiliale
erhält der Versicherungsagent eine Provision.
Beim Versicherungsverkauf wird klar zwischen Standardprodukten und Nicht-
Standardprodukten unterschieden. Sowohl die Bankfiliale als auch der Versicherungsver-
treter verkaufen Standardversicherungen („Konkurrenzmodell“). Komplexe Nicht-
Standardprodukte werden dagegen ausschließlich über Versicherungsvertreter vertrie-
ben; die Bankangestellten leiten interessierte Kunden an die jeweiligen Vertreter weiter
(„Kooperationsmodell“). Die Schadensadministration wird für alle Produkte nur vom
Versicherungsvertreter bzw. vom Call Center der KBC (KBC 24+) vorgenommen.
607 Die KBC geht davon aus, daß ein Kunde, der je drei Bank- und Versicherungsprodukte der KBC hält, die KBC als 1. Bankverbindung betrachtet. Die Kundenloyalität und damit der Ertrag durch den Kunden sind dann besonders hoch, der Kunde ist "stabil".
207
In der Praxis werden so in den Bankfilialen vor allem die typischen "banknahen" Versi-
cherungen verkauft, wie z. B. bei Finanzierung eines Hausbaus die Bauherrenhaftpflicht
oder bei der Autofinanzierung die Kfz-Versicherung. Für Freiberufler und Geschäftskun-
den hingegen, die einen komplizierten Versicherungsbedarf abdecken müssen, ist der
KBC-Versicherungsagent der naheliegende Ansprechpartner. Nach Firmenangaben ist
aufgrund dieser "logischen" Aufgabenteilung die Konkurrenz zwischen Bankangestellten
und Versicherungsvertretern geringer als bspw. zwischen den KBC-Ver-
sicherungsvertretern und unabhängigen Maklern.
Ein wichtiger Integrationsschritt im Vertrieb war, daß alle Bankfilialen und Versiche-
rungsvertreter wechselseitig den vollen Zugriff auf sämtliche Informationen zu den Versi-
cherungsprodukten der KBC- Kunden erhielten.608 Jeder Vertriebsmitarbeiter (Bank, Ver-
sicherung) kann weitere Versicherungsverkäufe für sämtliche KBC-Kunden initiieren.
Sofern es sich um einen KBC- Kunden handelt, der bereits ein loyaler Kunde eines ande-
ren Vertriebsmitarbeiters ist, wird der zusätzliche Verkauf im Namen des bisherigen Be-
treuers vorgenommen. Die Person, die den zusätzlichen Verkauf initiiert, erhält dann eine
Akquisitionsprämie. SME-Kunden werden in jedem Fall exklusiv vom Vertreternetzwerk
bedient, hier erfolgt generell eine Weiterleitung durch die Bankfiliale. Nach Meinung der
KBC wurde durch das Micro-Market- Konzept die natürliche Konkurrenz um den Kun-
den, die zwischen Bankangestellten und Versicherungsvertretern herrscht, gemildert, da
bei einem zusätzlichen Versicherungsverkauf in jedem Fall beide Seiten "gewinnen".
Neben dem Vertrieb über die Filialen, Vertreter und unabhängigen Makler (Fidea, Cen-
tea) wird bei der KBC auch das Internet genutzt. Ziel ist es aktuell, den existierenden
Kunden Bequemlichkeit zu bieten. So erhält der Kunde per Internet eine Übersicht zu
seinen Versicherungspolicen, ausführliche Informationen zu allen Versicherungsproduk-
ten, Simulationen für verschiedene Versicherungsarten und sog. "Payment planner". Es
ist bislang allerdings noch nicht möglich, per Internet eine Versicherung abzuschließen.609
Die Mitarbeiter der Bankfilialen werden beim Versicherungsverkauf auf verschiedenem
Wege unterstützt: Für Produktfragen gibt es getrennt nach Lebens- und Sachversicherun-
608 Ausgeschlossen ist weiterhin die gegenseitige Kundeneinsicht zwischen Versicherungsvertretern. 609 Als Grund hierfür wird die Schwierigkeit der Identifizierung und Authentifikation der Kunden im Internet genannt. Unter Umständen wird in Zukunft ein Versicherungsverkauf an bereits bestehende Kunden im Internet ermöglicht werden.
208
gen zwei Support-Hotlines. Für allgemeine Fragen zu Kundenzielgruppen oder Anfragen
bzgl. Informationsmaterialien steht die sog. "Commercial"- Hotline zur Verfügung.
Die Angestellten erhalten die von ihnen angebotenen Versicherungen zu Haustarifen und
können daher als sog. "Multiplier" (siehe Kapitel 5.6) angesehen werden.
Die administrative Arbeit in den Filialen wurde bisher noch nicht - wie z. B. bei der Citi-
bank - in Service Center ausgelagert. Ziel ist es jedoch, die Zeit, die im direkten Kunden-
gespräch (von KBC "Commercial Talk" genannt) verwendet wird, zu maximieren. Wäh-
rend der Fusionsphase nach 1998 wurde laut KBC im Durchschnitt 15 % der Arbeitszeit
der Filialangestellten für Commercial Talk aufgewandt. Der Prozentsatz hat sich zwi-
schenzeitlich auf durchschnittlich 30 % verbessert. Anhand von Benchmark- Studien
innerhalb der Gruppe fand man heraus, daß im besten Fall in Filialen bis zu 50 % der
Arbeitszeit auf Kundengespräche verwendet werden kann.
Die Ausstellung und der Druck der Versicherungspolicen erfolgt bei manchen Produkten
(bspw. im Bereich Hausfinanzierung) heute bereits direkt am Point of Sale (POS). Ziel ist
es, durch fortschreitende Integration der IT- Systeme die Arbeitsabläufe für die Bankan-
gestellten weiter zu vereinfachen.
Zum Training der Filialmitarbeiter in Versicherungsfragen gibt es sog. "Sales animation
teams", die pro Region in den Filialen Schulungen vornehmen.
Bei der Kundenbetreuung wird ein auf Kundenzufriedenheit ausgerichteter "Customer-
driven Approach" umgesetzt. Es wird starker Wert auf Freundlichkeit gelegt, die Kun-
denzufriedenheit sowie Kundentreue werden regelmäßig ermittelt. Die Öffnungszeiten
der Filialen reichen bis in den späten Abend und auch Samstag morgens ist geöffnet.
Produktinnovationen werden zeitnah an den Markt, bzw. die Kundschaft, weitergegeben.
Die Hotline KBC 24+ steht für Fragen zu Versicherungsprodukten sowie Schadensmel-
dungen zur Verfügung.
Die Anstrengungen von KBC im Bereich Kundenservice scheinen erfolgreich zu sein:
KBC ist gemäß einer Studie von "Strategic Monitor" aus dem Jahr 2000 die Finanzgruppe
in Belgien mit der zweithöchsten Kundenzufriedenheit nach Dexia und liegt hiernach weit
vor Fortis.
Unter anderem ist dieses gute Abschneiden nach Meinung der interviewten KBC- Mana-
ger auf die langsame Integrationsdurchführung nach 1998 zurückzuführen. Im Gegensatz
zur Fortis Gruppe, die die Integration der Generale Bank 1998 in sehr kurzer Zeit im sog.
209
"Big bang"- Verfahren durchführte (vgl. Kapitel 6.3) wurde bei KBC ein fünfjähriger
Integrationsplan aufgestellt. Eine langfristige Durchführung sei zwar teurer als eine
schnelle Integration, jedoch sei die Gefahr von Kundenunzufriedenheit und -
abwanderung geringer, da weniger Irritationen im täglichen Geschäft aufträten. Ziel bei
der KBC war es, die Integration – speziell der IT-Systeme - möglichst "unbemerkt" vom
Kunden stattfinden zu lassen. Die Daten größerer Kunden wurden erst 2003 auf die ge-
meinsame, neue IT-Plattform der KBC umgestellt. Der prozentuale Verlust von Kunden-
verbindungen während des Fusionsprozesses war nach Angaben der KBC nur sehr ge-
ring, was für den Erfolg dieser Vorgehensweise spricht.
Im Produktbereich wurden die Marketing-Aktivitäten für Versicherungs- und Bankpro-
dukte auf vielen Ebenen zusammengelegt. Verantwortliche aus dem Vertrieb und aus den
Produkt- "Fabriken" der Bank- und Versicherungssparte treffen sich regelmäßig, um
Marketing-Themen und die aktuellen Kundenwünsche zu besprechen. Gemäß Angaben
der KBC finden solche Treffen in einer kooperativen, konkurrenzfreien Atmosphäre statt.
Die von den Bankfilialen angebotenen Produktgruppen umfassen u. a. Kfz-
Versicherungen, Hausratversicherungen, Unfallversicherungen sowie verschiedene Arten
von Lebensversicherungen für Privatpersonen. Innerhalb dieser Produktgruppen werden
nur die Produkte über den Bankschalter vertrieben, die einfach, standardisiert und für
den privaten Gebrauch konzipiert sind. Als "non-standard" gelten bspw. Hausratversiche-
rungen für Häuser mit Schwimmbad oder Schlösser; komplexe Unfallversicherungen - z.
B. für Freiberufler - und Lebensversicherungen für den professionellen Gebrauch, z. B.
die sog. "guaranteed income insurance".
Als Marke wird generell "KBC" verwendet, nur bei den von unabhängigen Maklern ver-
triebenen Produkten werden KBC-fremde Produktnamen eingesetzt. Es gibt keine Preis-
unterschiede zwischen den gleichen Produkten im Bank- und Versicherungsvertrieb.
Einige der Standard-Produkte wurden für den "Massenverkauf" über den Bankschalter
extra angepaßt (Feuerversicherung) oder vereinfacht (Unfallversicherung). Andere Pro-
dukte existierten in ihrer jetzigen Form bereits vor der Fusion 1998 und wurden im Laufe
der Jahre nur modernisiert (Lebensversicherungen, Kfz-Versicherung).
Für den Abschluß einer Risiko-Lebensversicherung ist im Bankvertrieb in der Regel kei-
ne Gesundheitsprüfung notwendig, da die versicherten Summen sowie das Alter der Ver-
sicherten begrenzt sind. Die meisten Lebensversicherungen erfordern hier maximal eine
„Health declaration“ der versicherten Person selbst oder ihres Arztes.
210
Nach Aussage der KBC wurden keine speziellen Produktbündel ("bundled products") aus
Bank- und Versicherungsangeboten konzipiert. Im Rahmen von sog. "Client need cam-
paigns", die an die Stelle der früheren Produkt- Kampagnen getreten sind, werden Pro-
dukte jedoch häufig zusammen angeboten, um die jeweiligen Kundenbedürfnisse zu be-
friedigen. Im Rahmen der Kampagne "Plan for your future", einer Kampagne zur Absi-
cherung im Rentenalter, wird bspw. eine Vielzahl von Bank- und Versicherungsproduk-
ten komplementär oder auch substitutiv zur Auswahl gestellt. Das Lebensphasenkonzept
stellt einen wichtigen Bestandteil der KBC-Vertriebsstrategie dar. Die "Client need cam-
paigns" werden dabei auch technisch in den Filialen unterstützt. So können die Bankan-
gestellten bspw. die Historie der jeweiligen Kundenbeziehung direkt am PC- System
einsehen und dadurch auf die Bedürfnisse der Kunden individuell reagieren.
In den Interviews mit Verantwortlichen der KBC wird deutlich, daß sich das Allfinanz-
konzept im Hause der KBC bislang primär auf den Vertrieb beschränkt, d. h. die Versor-
gung der Retail- und SME- Kunden mit Bank- und Versicherungsprodukten.
Bei den Kapitalmarktprodukten (vgl. Kapitel 2.4.2) existieren zum aktuellen Zeitpunkt
noch keine gemeinsamen Angebote. Integrierte Risikolösungen, bspw. im Bereich Finan-
cial Reinsurance wurden zwar bereits intern diskutiert, jedoch noch nicht verwirklicht.
Auch im Bereich Securitization (ABS-Transaktionen) gibt es bislang keine Nutzung von
Synergien zwischen Bank- und Versicherungsbereich. Es wird aktuell überlegt, ob inner-
halb der Gruppe gegensätzliche Zinspositionen im Asset Liability Management (ALM)
geswapt werden können, um bspw. dem Bankbereich beim Absichern langfristiger Risi-
ken im Hypothekarkreditgeschäft zu helfen. Entscheidungen hierzu stehen noch aus.
In bezug auf ihre Vertriebsstrategie sieht die KBC vor allem ihr neu etabliertes Entloh-
nungssystem als wichtigen Erfolgsfaktor an. Zu Beginn der Integrationsarbeit im Jahr
1998 gab es für die Bankangestellten eine einzelproduktbezogene Provision ("single pro-
duct") für den Versicherungsverkauf. Pro verkauftem Versicherungsprodukt wurde eine
Provision gezahlt, die den variablen Gehaltsanteil des Angestellten geringfügig beeinfluß-
te. Für den Mitarbeiter war es mit Blick auf sein Gehalt unerheblich, ob er mehr Bank-
oder Versicherungsprodukte verkaufte.
Inzwischen wurde das "single" durch ein sog. "multi product" Entlohnungssystem ersetzt.
Ziel ist es, den Verkauf von Versicherungen neben den Bankprodukten attraktiver zu
gestalten. Der variable Gehaltsanteil des Bankmitarbeiters ist seitdem abhängig von dem
211
Ergebnis seiner Filiale und wird anhand der Gewinn- und Verlust- Rechnung der Filiale
im Vergleich zum Vorjahr ermittelt. Für eine verkaufte Versicherung wird wie bisher eine
Provision an den Filialmitarbeiter gezahlt, dazu kommt eine sog. "Ausgleichs"- Kompo-
nente ("equalizer"), die von der Filiale berechnet wird und in den variablen Gehaltsanteil
einfließt. Diese "Ausgleichs"-Komponente ist eine rein interne Kennziffer, die den ange-
fallenen Gesamtertrag pro verkaufter Versicherung berücksichtigt. Auf diese Weise wird
der Verkauf einer Versicherung bei der Berechnung des variablen Gehaltsanteils stärker
als zuvor berücksichtigt - der Versicherungsverkauf wird für den einzelnen Bankmitarbei-
ter mit Blick auf sein Gesamtgehalt bedeutsamer. Neben dem Gehalt gibt es zur Forcie-
rung des Versicherungsverkaufs auch Sonderaktionen, wie z. B. Verkaufswettbewerbe,
bei denen die besten Verkäufer eine Reise gewinnen können.
Von Seiten der KBC werden Kulturunterschiede zwischen Bankangestellten und Versi-
cherungsvertretern zwar prinzipiell bestätigt, doch man stellt fest: "The banking and insu-
rance professions are more alike than they are different."610 Unterschiedliche Denkweisen
von Bankangestellten und Agenten, die das Miteinander im Vertrieb erschweren, werden
jedoch nicht verschwiegen. Die exklusiven Versicherungsvertreter der KBC seien sich
ihrer Stellung als selbständige Agenten sehr bewußt und ständen der Vorgabe von Zielen
und Verkaufsinstruktionen eher ablehnend gegenüber. Bei der Steuerung der Allfinanz-
Aktivitäten sei es also essentiell, Rücksicht auf bestehende Mentalitätsunterschiede zu
nehmen.
Die Integration der Informationstechnologie wird von den KBC-Verantwortlichen als
einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren ihres Allfinanzkonzepts bezeichnet. Seit der
Fusion im Jahr 1998 ist die Migration der unterschiedlichen IT- Systeme schrittweise in
sämtlichen Bankfilialen durchgeführt und zwischenzeitlich beendet worden. Es wurde
also mit Rücksicht auf einen reibungslosen Kundenverkehr eine langsame Integrations-
strategie verfolgt. Die Integration der Mainframe- Systeme fand zügig nach der Fusion
statt, wobei für den Bankbereich die vorhandenen Systeme der CERA Bank gewählt wur-
den, für den Versicherungsbereich die der ABB. Die "Userinterfaces" der Bank- und Ver-
sicherungseinheiten waren dagegen noch lange Zeit nach der Fusion unterschiedlich,
wurden jedoch zwischenzeitlich vereinheitlicht. In den Zweigstellen ist den Bankange-
stellten der Versicherungsbestand ihrer Kunden vollständig ersichtlich, es besteht ein
einheitliches Kundenprofil.
610 Vgl. ein Zitat von Danny de Raymaeker, general manager KBC, bei Lysaght (2004), S. 8
212
Die Integrationsarbeit in der Pre- und Post- Mergerphase der KBC wurde von der Unter-
nehmensberatung McKinsey begleitet. Nach dem "Net present value model" wurden im
Due Diligence-Prozeß die zu hebenden Synergien und Integrationskosten kalkuliert. Die
Umsetzung der Integration fand in Form von Projektarbeit unter der Leitung von sog.
"Programm- Managern" statt, die innerhalb der KBC für einzelne Integrationsbereiche
zuständig waren. Die Synergiebewertung durch McKinsey basierte auf einer Mischung
von Top down und Bottom up- Kalkulationen. In der Umsetzungsphase konnte man auch
auf Erfahrungen der KBC mit dem Bancassurance-Modell (Allfinanz bei der Krediet-
bank) zurückgreifen, um Synergieannahmen zu plausibilisieren. Eine Fusions- "Gewinn-
und Verlustrechnung" findet statt, d. h. die Erreichung der Synergieziele wird regelmäßig
überprüft.
Ein entscheidender Erfolgsfaktor aus Sicht der KBC ist das sog. "Top Management
Commitment", d. h. die Führungsrolle des obersten Managements und das Bekenntnis
zur Vision des Allfinanzkonzepts. KBC- Verantwortliche berichten, daß unmittelbar nach
der Fusion 1998 zunächst ein gegenseitiges Verständnis zwischen dem Top Management
des Bank- und Versicherungsbereichs aufgebaut werden mußte. Es galt, die "Denkweise"
des jeweils anderen Zweiges kennenzulernen und bestehende Mentalitätsunterschiede
abzubauen.
Im Jahre 2001 stellte man fest, daß die zu Beginn der Fusion gesetzten Ziele bislang nicht
erreicht worden waren. Die Organisationsstruktur wurde daraufhin auf die heute existie-
rende Allfinanz- zentrierte Form umgestellt. Zudem begann man, das sog. "Multi- Chan-
nel- Bancassurance" Konzept aktiv innerhalb der Gruppe umzusetzen. Dies bedeutete u.a.,
daß der Versicherungsverkauf über die Bankschalter genau überwacht wurde, und im Fall
von Nichteinhaltungen gesetzter Verkaufsziele Konsequenzen auf Mitarbeiterebene ge-
zogen wurden. Angesichts der starken Verbesserung der Cross-Selling-Quoten in den
letzten Jahren folgern die KBC- Manager, daß das neue "Bekenntnis" zur Allfinanz auf
Ebene des Top Managements sowie die Akzeptanz des Konzepts durch die KBC- Mitar-
beiter entscheidende Erfolgsfaktoren der Allfinanz- Strategie sind.
213
6.2.3 Erfolgsbeurteilung Ihr Erfolg gibt heute der KBC und ihrem Bancassurance- Modell recht. Die Gruppe weist
nach Meinung von Aktienanalysten den höchsten Grad der Integration zwischen Bank-
und Versicherungsgeschäft auf und entspricht damit geradezu mustergültig dem Konzept
der Allfinanz.611 Die Hebung von Ertragssynergien durch Cross-Selling stand seit Beginn
der Integration 1998 im Zentrum der Fusionsziele. Die KBC möchte möglichst viele ihrer
bestehenden Kundenbeziehungen zu sog. "stabilen" Kundenbeziehungen ausbauen. Aus
Erfahrung geht man davon aus, daß nur ein Kunde, der mindestens je drei Bank- und
Versicherungsprodukte der KBC hält, ein "stabiler", d. h. treuer Kunde ist, für den die
KBC die "erste" Bankverbindung darstellt.
Ende 1999 wurde die Zahl der gemeinsamen Kunden des Bank- und Versicherungsbe-
reichs der KBC ermittelt, um das vorhandene Cross-Selling- Potential innerhalb der
Gruppe festzustellen. Zu diesem Zeitpunkt hielten 34 % aller belgischen KBC- Retail-
Kunden sowohl ein Bank- als auch ein Versicherungsprodukt. Nur 10 % der Retail- Kun-
den waren "stabile" Kunden mit je drei Bank- und Versicherungsprodukten. Diese Kenn-
ziffern konnten im Laufe des Integrationsprozesses bis 2004 deutlich gesteigert werden.
Inzwischen halten rund 40 % der KBC- Retail- Kunden je ein Bank- und Versicherungs-
produkt und ca. 13 % sind "stabile" Kunden.
Auch bei den SME-Kunden konnten Fortschritte erzielt werden: Inzwischen halten 22 %
der Kunden hier jeweils ein Produkt (1999: 17 %) und 5 % jeweils drei Produkte des
Bank- und Versicherungsbereichs (1999: 3 %). Bei Gesamtbetrachtung der Kundenzahlen
zeigt sich, daß sowohl im Retail- als auch SME- Segment noch erhebliche Cross-Selling-
Potentiale vorliegen. Die Betrachtung einzelner Cross-Selling- Kennzahlen ist bereits
zum heutigen Zeitpunkt beeindruckend: So wird bei 48 % der Grundstücksfinanzierungen
gleichzeitig eine Feuerversicherung verkauft (2001: 11 %). Bei 67 % der Grundstücksfi-
nanzierungen und 66 % der Konsumentenkredite wird gleichzeitig eine Todesfallversi-
cherung abgesetzt.
Es ist festzustellen, daß das Wachstum im Versicherungsgeschäft der KBC zwischen 1998
und 2004 mit der Zunahme des Versicherungsvertriebs über den Bankkanal korrelierte.
611 Vgl. Credit Lyonnais Securities (2004), S. 6; ebenso WestLB Panmure (2001), S. 96
214
Das Prämienvolumen im Lebensversicherungsgeschäft verdoppelte sich seit 1998 und
wird heute zu über 80 % durch den Bankvertrieb generiert. Bereits im Jahr 2000 machte
der Bankvertrieb bei KBC 87 % des Lebensversicherungsgeschäfts aus – die Konkurrenz-
institute Fortis und ING folgten weit abgeschlagen mit 66 % bzw. 19 %.612
Die Schaden- und Unfallversicherungen der KBC werden hingegen nur zu rund 10 %
über den Bankschalter vertrieben. Allerdings lag das Wachstum des Vertriebs von Scha-
den- und Unfallversicherungen über den Bankkanal mit 33 % zwischen 1998 und 2003
wesentlich höher als das Wachstum über den Agentenkanal. Das Erreichte kann somit als
Erfolg angesehen werden, es besteht jedoch – ebenso wie bei den konkurrierenden Allfi-
nanzkonzernen - noch ein erhebliches Potential.
Durch die Zusammenführung der Kredietbank und CERA Bank wurden nach Unterneh-
mensangaben insgesamt Synergien in Höhe von rund 1,3 Mrd. Euro freigesetzt. Die Zahl
der Bankfilialen sank im Zuge der Integration von ursprünglich 1.500 auf 900, in einem
Kostensenkungsprogramm wurden Back Office- Tätigkeiten ausgelagert und die Pro-
duktpalette vereinfacht. Aktienanalysten halten angesichts der bestehenden Cross-Selling-
Potentiale bei der KBC Gewinnsteigerungen im zweistelligen Bereich in den kommenden
Jahren für möglich, wobei die KBC Gruppe bereits heute mit einer Eigenkapitalrendite
von über 20 % überdurchschnittlich profitabel ist. Zudem ist die Gruppe sehr gut kapitali-
siert (Tier-1 Bank 9,5 %, Solvenzquotient Versicherung 307 %)613, so daß die Wachs-
tumspotentiale in Zentraleuropa genutzt werden können. Die KBC "importiert" bei ihren
Akquisitionen in Zentraleuropa ihr in Belgien erprobtes Bancassurance- Modell, wobei
anfängliche Integrationsprobleme durch kulturelle Differenzen im Bank- und Versiche-
rungsgeschäft von der KBC nicht verschwiegen werden.
In Ungarn und Tschechien gehört die KBC bereits zu den Marktführern. Die Gruppe hat
in Zentraleuropa in den letzten neun Jahren rund 2,6 Mrd. Euro für Akquisitionen von
Bankanteilen sowie 0,3 Mrd. Euro in Versicherungsunternehmen investiert; sämtliche
Akquisitionen wurden in bar bezahlt.614 Der Finanzdienstleistungsmarkt in Zentraleuropa
gilt als Wachstumsmarkt, wobei die geringen Einstiegspreise laut KBC für den strate-
gisch frühen Eintritt sprechen.
612 Vgl. DSGV (2001), S. 20 613 Vgl. WestLB Panmure (2001), S. 97, Stand Mai 2001 614 Vgl. Credit Lyonnais Securities (2004), S. 6
215
6.3 Fortis Konzern
6.3.1 Entwicklung des Allfinanzkonzepts Fortis gilt als ein Vorreiter unter den grenz- und kulturüberschreitenden integrierten Fi-
nanzdienstleistern. Über mehr als zehn Jahre läßt sich die Entwicklungsgeschichte hin
zum größten Allfinanzinstitut der Benelux-Staaten zurückverfolgen. Mit einem Anteil von
15 % an den Bank Assets und 17 % an den Versicherungsprämien der Benelux-Länder ist
Fortis heute größer als ING (12 % bzw. 14 %), gefolgt von kleineren Mitbewerbern wie
KBC (7 % bzw. 3 %) und Dexia.615 Innerhalb von Europa gehört Fortis mit einer Markt-
kapitalisierung von 23,6 Mrd. Euro (Stand 30.06.2004) und weltweit mehr als 66.000
Angestellten zu den 20 größten Finanzdienstleistern.
Die im folgenden verwendeten Informationen basieren auf einem Interview mit Christel
Dewitte, Investor Relations Managerin, und Alain Defranc aus dem Bereich „Marketing
Bancassurance“ bei Fortis in den Brüsseler Geschäftsräumen des Instituts im November
2004.
Die Geschichte von Fortis begann im Jahr 1990, als sich der holländische Versicherer
N.V. AMEV und die holländische Bank VSB zusammenschlossen. Im Laufe des Jahres
kam es zur grenzüberschreitenden Fusion mit der großen belgischen Versicherung AG
Group. Allfinanz-Aktivitäten im Sinne eines gemeinsamen Vertriebs von Bank- und Ver-
sicherungsprodukten fanden zu diesem Zeitpunkt in der neu entstandenen Fortis Gruppe
noch nicht statt.
Zwischen 1993 und 1999 erwarb die Gruppe vom belgischen Staat das Allfinanzinstitut
ASLK-CGER (ASLK) und legte damit den Grundstein für das Allfinanzgeschäft von
Fortis. Analysten schätzten die Übernahme als "strategischen Coup"616 ein. Die vormals
staatliche ASLK war seit ihrer Gründung Ende des 19. Jahrhunderts als Allfinanzanbieter
am belgischen Markt präsent. Ziel des belgischen Staates war es, der belgischen Bevölke-
rung Bank- und Versicherungsleistungen aus einer Hand zu günstigen Konditionen anzu-
bieten. Die Zusammenarbeit des Bank- und Versicherungsbereichs von ASLK im Ver-
trieb entwickelte sich im Laufe der Jahre und wurde sukzessive ausgebaut:
615 Vgl. Verwilst (2003), S. 12 616 Vgl. o.V. (1993), S. 13
216
1979 wurden in den Bankfilialen der ASLK erstmals Feuerversicherungen angeboten,
1980 folgten Lebensversicherungen und 1989 Autoversicherungen. Die belgische Kund-
schaft wurde dadurch "Schritt für Schritt" an das Allfinanzkonzept herangeführt - der
Verkauf von Versicherungen über den Bankschalter fand im Laufe der Jahre immer mehr
Akzeptanz.
Neben ihrer Expertise im Allfinanzgeschäft verfügte die ASLK 1993 mit 1.180 eigenen
Agenturen über das größte Zweigstellennetz auf dem belgischen Markt und ergänzte die
Fortis Gruppe damit ideal bei der Verfolgung ihres Wachstumskurses.
Im Jahr 1998 übernahm die Fortis Gruppe in zwei Schritten die belgische Generale Bank
und verschmolz sie im Juni 1999 mit der ASLK zur Fortis Bank.. Während Fortis bislang
primär eine Versicherungsgruppe mit „Bankanhang“ gewesen war, änderten sich hier-
durch die Größenverhältnisse zugunsten des Bankbereichs: Heute ist der Bankanteil am
operativen Ergebnis der Gruppe mehr als doppelt so hoch wie der Versicherungsbeitrag.
Das in der ASLK erprobte Allfinanzkonzept wurde auf die Generale Bank übertragen,
über deren Schalter seitdem ebenfalls Versicherungen verkauft werden. Es begann ein bis
heute andauernder Integrationsprozeß der Filialnetze von ASLK und Generale Bank, in
deren Verlauf die Zahl der Filialen von 2.124 in 1998 auf 1.200 in 2004 reduziert wur-
de.617
In Holland fusionierten im Jahr 2000 die Fortis- Tochter N.V. AMEV und die holländi-
sche Versicherung ASR und machten aus Fortis das größte Versicherungsinstitut der Be-
nelux-Region.
Im Jahr 1999 wurde die heute bestehende Organisationsstruktur eingeführt, die die Akti-
vitäten von Fortis in fünf sog. "Business lines" unterteilt. Während das Bankgeschäft
nach internationalen Geschäftsbereichen in Network Banking, Merchant Banking und
Investment Services aufgeteilt ist, trennt sich das Versicherungsgeschäft geographisch in
"Versicherung Belgien" und "Versicherung Holland" (siehe Abbildung 7).
617 Vgl. De Boeck (2003), S.22
217
Quelle: Eigene Darstellung nach Firmenangaben
In bezug auf den Versicherungsverkauf werden in den Heimatmärkten Belgien und Hol-
land getrennte Vertriebsstrategien verfolgt. In Holland, wo Fortis ASR der zweigrößte
Versicherer am Markt ist, erfolgt der Versicherungsvertrieb ausschließlich über insge-
samt rund 8.000 unabhängige Versicherungsmakler. Diese "Einkanal"- Vertriebsstrategie
wird laut Firmenangaben auch in Zukunft bestehen bleiben. Neben Versicherungsproduk-
ten vertreiben die Versicherungsmakler gleichzeitig auch Hypothekarkredite von Fortis,
damit kommt das sog. "Assurfinance"-Konzept (vgl. Kapitel 1) in beschränktem Umfang
zur Anwendung. Erkennbar ist, daß Fortis sich bei der Wahl der Vertriebsstrategien strikt
an den Marktgegebenheiten und am regionalen Kundenverhalten orientiert: In Holland
werden insgesamt nur rund 30 % aller Lebensversicherungen über den Bankschalter ver-
kauft, wesentlich weniger als in Belgien mit über 50 %. Der Maklervertrieb ist in Holland
mit einem Anteil von 50 % dagegen die langjährig dominierende Vertriebsform.618
In Belgien verfolgt Fortis im Versicherungsvertrieb parallel zwei verschiedene Strate-
gien. Zum einen gibt es über die Fortis AG einen Versicherungsvertrieb exklusiv über
unabhängige Versicherungsmakler, die sowohl Privatkunden als auch kleine und mittlere
Unternehmen mit Versicherungsprodukten versorgen. Unabhängig hiervon läuft das ei-
gentliche "Bancassurance"-Geschäft von Fortis über die Gesellschaft FB Insurance
(FBI): Diese ist organisatorisch in den Bereich Network Banking integriert (vgl. Abbil-
618 Vgl. UBS (2004), S. 93
Abb. 7: Struktur der Fortis Gruppe
Fortis Bank
Investment Services Merchant Banking - Corporate & Investment Banking Network Banking - Commercial Banking - Retail Banking
- FB Insurance (FBI)
Versicherung Belgien
Versicherung Holland
Fortis AG Fortis ASR
Versicherung International
Fortis Luxembourg Assurance Caifor (Spanien) Taiping Life (China) usw.
218
dung 7) und versorgt als "Produktfabrik" den Bereich Retail Banking mit standardisierten
Versicherungsprodukten für den Bankvertrieb.
Mit Blick auf die geographischen Ergebnisanteile der Fortis Gruppe erkennt man, daß das
belgische Bank- und Versicherungsgeschäft mit einem Anteil von rund 42 % am Vor-
steuerergebnis den größten Anteil am Gruppenergebnis ausmacht (Niederlande 27 % und
Luxemburg 8 %, Stand 2001). Der Bereich Retail Banking ist in den Benelux-Ländern
mit Einnahmen von 1.770 Mio. Euro und 3,4 Mio. aktiven Kunden marktführend, in Hol-
land mit einem Marktanteil von 6 % auf Platz vier. Der belgische Anteil am gesamten
Retail Banking von Fortis macht rund zwei Drittel aus.619 Aus diesem Grund konzentriert
sich die vorliegende Fallstudie bei der Untersuchung des Allfinanzkonzepts von Fortis
auf die Abläufe im belgischen Retail Banking.
6.3.2 Erfolgsfaktoren des Allfinanzkonzepts Das Allfinanzkonzept im Sinne eines Versicherungsverkaufs über den Bankschalter wen-
det Fortis in Belgien ausschließlich im Bereich Retail Banking an. Weder im Commercial
Banking noch im Merchant Banking werden Versicherungsprodukte im Bankvertrieb
angeboten. Der Bereich Fortis AG versorgt dagegen - unabhängig vom Bankbereich -
über seine unabhängigen Versicherungsmakler auch kleine und mittlere Unternehmen mit
Versicherungslösungen. Im Großkundenbereich gehört Fortis AG zudem zu den größten
Anbietern von betrieblichen Pensionsplänen und Krankenversicherungen.
Die Kunden im Retail Banking werden in drei Kategorien eingeteilt: Neben Retail – und
Retail „Plus“-Kunden werden die sog. „Personal Banking“-Kunden betreut, zu denen
Kunden mit höherem Ergebnisbeitrag für die Bank gehören (z. B. Selbständige und Frei-
berufler). Während die Retail-Kunden mit weitgehend standardisierten Produktlösungen
versorgt werden, wird den "Personal Banking"-Kunden eine aufwendigere Betreuung
angeboten. Im Sinne einer ganzheitlichen Beratung stehen ihnen Spezialisten, sog. Perso-
nal Advisors, in den Filialen zur Seite.
Die Organisationseinheit FB Insurance (FBI) liefert den Fortis Filialen standardisierte
Versicherungsprodukte, die an alle drei Kundengruppen des Retail Bankings verkauft
werden.
619 Vgl. De Boeck (2003), S. 3
219
Pro Filiale steht ein Spezialist für Versicherungsfragen zur Verfügung, der von den Bank-
angestellten beim Verkauf zur Hilfe gezogen werden kann. Der Verkauf der Produkte
findet prinzipiell jedoch über die Schaltermitarbeiter selbst statt.
Im Gegensatz zu KBC, wo Kunden mit speziellen Versicherungswünschen an die Versi-
cherungsvertreter der Gruppe verwiesen werden, findet eine solche Kooperation bei For-
tis nicht statt. Die Bereiche FBI und Fortis AG agieren grundsätzlich vollkommen unab-
hängig voneinander und verfolgen eigenständige Geschäftsstrategien. Allerdings wird
gemäß dem Geschäftsbericht 2003 darüber nachgedacht, durch Zusammenarbeit im Be-
reich Hypothekarkreditverwaltung und im technischen Support in Zukunft Skaleneffekte
zu heben.620
Neben dem Verkauf über den Bankschalter hat das Internet bei Fortis im Vertrieb eine
bedeutende Stellung eingenommen. Von den 3,4 Mio. Fortis-Retail-Kunden sind heute
über 600 Tsd. Nutzer des PC- Banking, laut Fortis wächst die Zahl der Nutzer exponen-
tiell. Die sog. "Automationsrate" ist bei Fortis sehr hoch: 87 % der Bargeldabhebungen
und 89 % der Geldtransfers werden heute über PC-Banking oder Selbstbedienungstermi-
nals abgewickelt.621 Neben Bankgeschäften wird das Internet auch für den Versiche-
rungsvertrieb genutzt: Zum aktuellen Zeitpunkt können Kunden über das Fortis-
Internetportal Informationen zu Versicherungsprodukten abfragen, Versicherungsprämien
kalkulieren lassen und steuerliche Ratschläge anhand von Simulationen einholen. Inner-
halb der nächsten zwei Jahre soll es für die PC-Banking-Kunden zudem möglich sein,
einfache Versicherungsverträge direkt über das Internet abzuschließen. Im Sinne eines
profitablen Kundenmanagements ist es das Ziel von Fortis, künftig die Vertriebskanäle
enger zu verzahnen: Vom bestehenden „Multi-Channel“-Vertrieb will man hin zu einem
„Cross-Channel“-Vertrieb. Durch stärkere Integration der Zugangskanäle, wie Internet,
Telefonbanking und Selbstbedienungsterminals, sollen die Prozesse automatisiert werden
und zudem durch erhöhte Kundenbequemlichkeit auch zusätzliche Erträge generiert wer-
den.622
Die Bankangestellten werden bei der Betreuung ihrer Kunden im Versicherungsverkauf
auf vielfältige Art und Weise unterstützt. Über eine Hotline werden Fragen zu Versiche-
rungsprodukten und –konditionen beantwortet.
620 Vgl. Fortis (2003b), S. 43 621 Vgl. De Boeck (2003), S. 13 622 Vgl. De Boeck (2003), S. 17
220
Zudem können über das Intranet Problemlösungen bei einem Help Desk eingeholt wer-
den. Es findet ein „geführter“ Verkauf statt - während des Verkaufsgesprächs werden
dem Mitarbeiter über den PC Produktvorschläge unterbreitet. Im sog. „Online Accepting
Process“ findet nach Auswahl eines Produkts eine direkte Bestätigung sowie der
Abschluß des Verkaufsprozesses statt. Die Versicherungspolicen werden danach sofort
am Point of Sale ausgedruckt. Aufwendige Gesundheitsprüfungen sind bei den standardi-
sierten Risikolebensversicherungen von Fortis in der Regel nicht notwendig.
Den Mitarbeitern von Fortis werden die Versicherungsprodukte der Gruppe zu günstigen
Haustarifen zur Verfügung gestellt, das "Multiplier-Konzept" wird somit umgesetzt.
Fortis will künftig verstärkt darauf hinwirken, die sog. „Client facing time“ in den Filia-
len zu steigern. Zum aktuellen Zeitpunkt verbringen die Filialmitarbeiter von Fortis rund
70 % ihrer Arbeitszeit mit internen und administrativen Aufgaben. Dem direkten Kun-
dengespräch werden dementsprechend nur 30 % der Arbeitszeit gewidmet. Ziel ist es
gemäß Fortis, durch weitere Auslagerungen von administrativen Prozessen diesen Pro-
zentsatz zu verdoppeln.
Auch in den Back Office-Abteilungen des Retail Banking soll der Anteil der produktiv
genutzten Arbeitszeit künftig gesteigert werden. Hier wird laut Unternehmensangaben
nur in 30 % der Arbeitszeit „echter“ Mehrwert für das operative Geschäft geschaffen –
die übrige Zeit wird durch Pausen, Fehler oder ineffiziente Prozesse „verschenkt“.623
Für die Betreuung der Retail-Kunden steht seit dem Jahr 2000 die Hotline „Teleclaims“
mit einem 24 Stunden-Service zur Verfügung. Über dieses Medium können Fragen zu
Versicherungsverträgen gestellt werden; zudem dient die Hotline zur Meldung und Bear-
beitung von Schadensfällen. Die Filiale selbst ist nicht in den Schadensbearbeitungspro-
zeß involviert, da sie sich auf ihr Geschäft konzentrieren soll. Die Steuerung der Abwick-
lung von Schadensfällen erfolgt zentral mit Hilfe von "Teleclaims". Im Rahmen eines
„After Sale“-Service führt Fortis über die Hotline einmal jährlich eine Zufriedenheitsstu-
die unter ihren Retail-Kunden durch. Die Befragungen werden von der Hauptzentrale in
Brüssel organisiert, die Ergebnisse dienen zur Verbesserung der Prozesse in den Ver-
triebssystemen der Gruppe.
623 Vgl. Verwilst (2003), S. 23
221
Als einen wichtigen Erfolgsfaktor bei der Umsetzung des Allfinanzkonzepts betrachten
die Verantwortlichen von Fortis die vollständige Integration der IT-Systeme. Diese er-
folgte im Jahr 2001, dabei wurden einige Applikationen von ASLK und einige von der in
1998 erworbenen Generale Bank übernommen. Der Prozeß der Integration verlief im sog.
„Big Bang“- Verfahren - im Gegensatz zu einer schrittweisen Überführung der Datenbe-
stände wie im Fall von KBC.
Die Fortis-Filialangestellten haben heute einen vollständigen Überblick über sämtliche
Produkte ihrer Kunden, neben den Beständen an Fortis-Bankprodukten werden ebenso
die FBI-Versicherungsprodukte angezeigt. Die Angestellten der Filialen werden durch
sog. „Client driven tools“ unterstützt. Durch diese ist es bspw. möglich, jederzeit einen
aktuellen Überblick über die Entwicklung des Kundenbestands sowie die Ergebnisent-
wicklung pro Mitarbeiter zu erhalten.624
Im Customer Relationship Management erlauben Data Mining-Systeme, daß die Retail-
Kunden von den Filialmitarbeitern proaktiv angesprochen werden können: Aus den ge-
speicherten Kundendaten werden zu bestimmten Terminen (sog. „Trigger“-Termine)
anlaßbezogene Aktionen generiert. So werden bspw. beim Auslaufen von Versicherungs-
kontrakten automatische Mailings an Kunden angestoßen. Zudem finden kundengruppen-
spezifische Marketingaktionen statt. Diese werden von zentralen Abteilungen bei Fortis
vorgeschlagen und organisiert - die Filialen selbst wählen aus, welche Aktionen für ihren
jeweiligen Kundenstamm geeignet sind. Nach Angaben von Claire Pletinckx, Director
und Mitglied des Executive Committees, ist die ausgefeilte Kundendatenbank einer der
Haupterfolgsfaktoren des Allfinanzkonzepts von Fortis.625
Bei der Gestaltung der Versicherungsprodukte für den Bankvertrieb befolgt Fortis das
sog. „KISS“-Prinzip.626 Die standardisierten Produkte werden dabei so konzipiert, daß sie
an die jeweiligen Kundenwünsche angepaßt werden können. Fortis folgt damit dem von
Unternehmensberatungen empfohlenen Konzept der „tailored products“ (vgl. Kapitel
5.5).
624 Vgl. De Boeck (2003), S. 8 625 Vgl. Interview bei Kern (1999), S. 87 626 KISS bedeutet „Keep it short and simple“
222
Die „maßgeschneiderten“ Produkte orientieren sich zudem an den lokalen Gegebenheiten
und Bedürfnissen der von Fortis anvisierten Märkte.627 Im Joint Venture mit der spani-
schen Sparkasse La Caixa (CaiFor) werden Kunden, die ein Girokonto eröffnen bspw.
mit einem Gratis-Versicherungsvertrag ausgestattet, um ihnen die Einfachheit des Versi-
cherungskaufs über den Bankschalter zu demonstrieren.628
Wichtig ist für Fortis bei der Produktgestaltung im Bankvertrieb die Einfachheit der Pro-
dukte: So gibt es im Bereich der Kfz-Versicherungen eine große Anzahl möglicher Ge-
staltungsoptionen. Für den Filialvertrieb in Belgien wurden von Fortis jedoch nur wenige
Vertragsvarianten ausgewählt, um den Vertrieb über den Schalter so übersichtlich wie
möglich zu gestalten.
Fortis bietet über seine Bankschalter heute sowohl „alte“ Produkte, die noch aus dem
Bestand der ASLK stammen, als auch „neue“ Produkte an, die durch Überarbeitungen
übernommener Produkte aus der Zeit vor der Fusion entstanden sind. Die Versicherungs-
produkte werden unter der Dachmarke „Fortis“ vertrieben. In den Versicherungsverträ-
gen wird die produktverantwortliche Abteilung von Fortis nur erwähnt durch den Hinweis
„FB Insurance for Fortis Bank“.
Neben Lebensversicherungen gehören ebenso Schaden- und Unfallversicherungen, wie
z. B. Auto- und Feuerversicherungen, zum Produktangebot im Bankvertrieb. Krankenver-
sicherungen werden zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht proaktiv über den Bankschalter
verkauft, da die Konzeption der Produkte in diesem Bereich noch nicht abgeschlossen
wurde.
Die FBI-Versicherungsprodukte stellen einen integralen Bestandteil des Produktpro-
gramms der Filialen dar. Eine zusätzliche Vergütung der Mitarbeiter für verkaufte Versi-
cherungen, bspw. durch Provisionen, findet daher nicht statt. Dennoch werden die Erfol-
ge der Filialen im Versicherungsverkauf regelmäßig anhand von Zielkennzahlen über-
prüft. Es existieren Übersichten pro Region mit den erfolgreichsten Filialen im Versiche-
rungsgeschäft.
627 Jozef de Mey, Mitglied des Executive Committees, beschreibt die Produktstrategie von Fortis wie folgt: “You have to take account of customer practice in each market and not try to impose insurance products on top of the large number of banking products that branch staff already have to sell (..) It`s a real challenge for branch staff to sell complex products they don`t fully understand (..)“ Vgl. o.V. (2004c), S. 7 628 Monitor Group (2002), S. 37
223
Bei der Entwicklung neuer Produkte und Produktlösungen werden die Erfahrungen der
Mitarbeiter des Bankvertriebs mit einbezogen. Ideen für neue Produkte können sowohl
von den Produktspezialisten der zentralen Abteilungen als auch von den Vertriebsmitar-
beitern selbst eingebracht werden. Daneben finden regelmäßige Treffen zwischen Ver-
trieb und Stabsabteilungen zum Erfahrungsaustausch statt.
Als entscheidenden Erfolgsfaktor von Fortis sehen Unternehmensberater sowie die inter-
viewten Fortis-Mitarbeiter die einheitliche Markenpolitik von Fortis an.629 Zwischen 1998
und 2002 wurden sämtliche Marken der in den Fortis Konzern integrierten Gesellschaften
unter der einheitlichen Marke „Fortis“ zusammengeführt. Neben dem Fortis-Logo, das
seit 1998 existiert, gilt auch der Werbeslogan „Solid partners, flexible solutions“ heute
weltweit für alle Tochtergesellschaften des Konzerns. Die Marke „Fortis“ wird entweder
als einzige Marke oder aber als Ergänzung zum bestehenden Markennamen des jeweili-
gen Tochterunternehmens verwendet – die sog. "Dachmarkenstrategie" kommt damit zur
Anwendung. Ziel ist es, durch die Stärke der Fortis-Marke das Vertrauen der Kunden in
sämtliche Unternehmen der Gruppe zu erhöhen.
Für die Mitarbeiter im Retail Banking wurde in den letzten Jahren ein umfangreiches
Schulungsprogramm durchgeführt. Ziel war zum einen die Vermittlung von Fachwissen
zur Erhöhung der Beratungskompetenz im Verkaufsgespräch. Zum anderen wurde den
Mitarbeitern in Verkaufstrainingsprogrammen eine proaktive Kundenansprache näherge-
bracht.630
Im Intranet besteht für die Filialmitarbeiter die Möglichkeit, durch Electronic Learning
Fachwissen zu Versicherungsprodukten zu erwerben. Neue Mitarbeiter werden vor ihrem
Einstieg im Filialgeschäft in einer zweitägigen Schulung im Verkauf von Versicherungs-
produkten unterrichtet.
Konsequente Kundenorientierung war gemäß Geschäftsbericht im Jahr 2003 eines der
Hauptziele von Fortis im Retail Geschäft.631 Neben der Weiterbildung von Mitarbeitern
durch Schulungen wurden in 2003 auch die Filialöffnungszeiten verlängert.
629 Vgl. bspw. bei Monitor Group (2002), S. 38 630 Vgl. De Boeck (2003), S. 10 631 Vgl. Fortis (2003b), S. 17
224
Gemäß einer von Fortis durchgeführten Studie zur Kundenzufriedenheit waren sieben von
zehn Fortis-Kunden zufrieden mit den Serviceleistungen ihrer Filiale - einer mehr als im
Jahr davor.
Die negativen Auswirkungen der umfangreichen Filialschließungen im Zuge der Integra-
tion der Gruppe zwischen 1998 und 2004 scheinen demnach größtenteils überwunden zu
sein.
In bezug auf das Miteinander unterschiedlicher Kulturen sind bei Fortis im belgischen
Retail Banking verschiedene Aspekte zu beachten. Beim Zusammenschluß von ASLK
und Generale Bank traten deutliche Differenzen in der Kundenstruktur der beiden Institu-
te zutage. Bei den Kunden des ehemals staatlichen Instituts ASLK handelte es sich vor-
wiegend um ärmere Bevölkerungsschichten, während das Klientel der Generale Bank
vorwiegend aus dem Mittelstand stammte. In den Anfängen der Integration der Institute
machte sich dieser Unterschied im Verhalten der Mitarbeiter bemerkbar - ehemalige Ge-
nerale Bank- Mitarbeiter fühlten sich gegenüber ihren neuen Kollegen „überlegen“. Im
Zeitablauf und durch das Fortschreiten der Integration wurden diese Differenzen nach
Aussage der interviewten Fortis-Verantwortlichen überwunden.
Der zweite Aspekt sind Kulturunterschiede im Bank- und Versicherungsgeschäft. Diese
kommen bei Fortis aufgrund der speziellen Organisation des Bank- und Versicherungsbe-
reichs kaum oder nur in begrenztem Ausmaß zum Tragen. ASLK war zum Zeitpunkt der
Fusion mit der Generale Bank bereits ein etablierter „Bancassurer“ - der Verkauf von
Versicherungsprodukten über den Bankschalter hatte bereits eine jahrzehntelange Tradi-
tion. Nach der Fusion in 1998 wurde dieses erprobte Konzept quasi auf die Filialen der
Generale Bank „übertragen“.632
Innerhalb des Bereichs Network Banking mit seinen Teilbereichen Retail Banking und
FB Insurance bestehen somit naturgemäß keine Potentiale für Kulturunterschiede zwi-
schen Bank- und Versicherungsgeschäft. Der Geschäftsbereich Fortis AG, der über unab-
hängige Makler Fortis-Versicherungen vertreibt, ist organisatorisch von diesem „Bancas-
surance“- Bereich getrennt. Durch diese organisatorische Trennung besteht keine direkt
wahrnehmbare Konkurrenz um Versicherungskunden zwischen Fortis-Bankangestellten
und den Versicherungsmaklern. Vielmehr hat jede Vertriebsschiene ihre „eigene“ Kun-
denzielgruppe, die sich ganz bewußt für den Versicherungskauf beim Makler oder am
632 Vgl. o.V. (2004c), S. 7
225
Bankschalter entscheidet. So bevorzugen bspw. ältere Kunden vornehmlich den Versiche-
rungsmakler als Ansprechpartner bei Versicherungsfragen.
In der Öffentlichkeit präsentiert die Fortis Gruppe sich als „Bancassurer“. Unterstützt
wird dieses Selbstverständnis durch die Dominanz des Versicherungsvertriebs über den
Bankschalter, sowohl in Belgien als auch in Spanien. Diskutiert die Finanzpresse über das
Thema Allfinanz, so wird Fortis regelmäßig als ein Erfolgsbeispiel für die Umsetzung des
Allfinanzkonzepts genannt.
Das Institut legt starken Wert auf die weltweite Positionierung der Marke „Fortis“ und die
Belegung der Marke mit einem positiven Image.633 Eine zentrale Kommunikationsabtei-
lung ist dafür zuständig, das Selbstverständnis der Mitarbeiter als Teil der Fortis Gruppe
zu fördern und die „Fortis“- Kultur nach innen und außen hin zu repräsentieren.
Für die Überwachung des Erfolgs ihrer Allfinanzstrategie verfügt Fortis über ein Mana-
gement- Informationssystem. Anhand von verschiedenen Kennzahlen, wie bspw. Prä-
mienvolumen oder Anzahl der Produkte pro Kunde, werden die Ergebnisse im Bankver-
trieb überprüft. Zudem existiert seit der Fusion von 1998 eine regelmäßige Kontrolle der
Integrationsaktivitäten: Die Erreichung der Kosten- und Ertragssynergieziele wird auf
vierteljährlicher Basis überprüft.
Mit Blick auf den Stand der Integration seit der Gründung der Fortis Gruppe ist festzu-
stellen, daß sich zum Ende der neunziger Jahre die Integrationsbemühungen erhöht ha-
ben. Nach Meinung von Unternehmensberatern war Fortis gezwungen, den hohen Preis,
der für die Übernahme der Generale Bank im Jahr 1998 gezahlt wurde, durch zusätzliche
Erträge zu rechtfertigen.634 Diese Erträge konnten primär durch die verstärkte Integration
des Bank- und Versicherungsgeschäfts in Belgien erzielt werden.
Auf institutioneller Ebene wurde die Integration des Konzerns bereits weit vorangetrie-
ben. Nach den Zusammenschlüssen der belgischen und holländischen Institute Anfang
der neunziger Jahre entschied man sich dafür, die Spitze der neu entstandenen Gruppe
zunächst mit zwei Cief Executive Officers (belgisch/holländisch) zu besetzen. Neben
einem belgischen und einem holländischen Executive Committee gab es zwei Aufsichts-
ratsvorsitzende. Ziel war es, eine organisatorische Entscheidung mit Symbolkraft für die
633 Vgl. Kern (1999), S. 86 634 Vgl. Davis (2000), S. 108
226
Mitarbeiter und Öffentlichkeit zu treffen: Die Doppelbesetzung sollte die Gleichberechti-
gung der fusionierten Institute unterstreichen sowie den Charakter des Zusammenschlus-
ses als „merger of equals“. Anton Van Rossum wurde im Jahr 2000 der erste "Allein"-
Chief Executive Officer der Gruppe. Zwischenzeitlich gibt es nur noch einen Aufsichtsrat
sowie ein Executive Committee, in dem die Mitglieder für die Geschäftsfelder der Grup-
pe verantwortlich sind. Im Executive Committee sind die Verantwortlichen aus Bank-
und Versicherungsgeschäft gleichberechtigt vertreten.
Seit dem Jahr 2002 gibt es nur noch eine Fortis-Aktie, zuvor war das Papier sowohl in
Brüssel als auch in Amsterdam gelistet. Es existiert ein gruppenweit einheitliches
EVA635- basiertes Reporting System - das Risikomanagement sowie die Kapitalallokation
werden zentral für die Gesamtgruppe gesteuert.
Eines der Ziele von Fortis im Bereich Integration ist die Realisierung von Skaleneffekten
durch „Cross border rationalisation“.636 Damit ist gemeint, über die Landesgrenzen hin-
weg bestimmte Abläufe in sämtlichen Tochtergesellschaften der Gruppe zu koordinieren
bzw. zusammenzulegen. So wurde das Online Banking und Call Center-System der
Gruppe in Belgien entwickelt und später von den übrigen Tochterunternehmen übernom-
men. Im Bereich der Aktien- und Anleihegeschäfte laufen aktuell verschiedene Projekte,
um die Abwicklung der Handelsgeschäfte gruppenweit zu zentralisieren. Ebenso sollen
durch die gemeinsame Abwicklung des internationalen Scheck- und Überweisungsver-
kehrs sowie von Konsumentenkrediten die Stückkosten pro Transaktion verringert wer-
den. In den Benelux-Ländern läßt sich der Erfolg dieser Strategie im Bereich der Hypo-
thekarkredite bereits nachweisen: Durch die gemeinsame Abwicklung der Hypothekar-
kredite von Fortis AG, ASR (Holland) und Fortis Bank (Belgien und Holland) ließen sich
die Kosten pro Einheit um mehr als fünfzig Prozent senken.637
Die Kundenorientierung als Leitmotiv der Fortis-Kultur wurde weltweit auf sämtliche
Gruppenunternehmen übertragen. Ebenso das in Belgien erprobte Allfinanzkonzept, das
heute auch in Spanien sehr erfolgreich angewendet wird.
635 EVA= „Economic value added“ 636 Vgl. Verwilst (2003), S. 25 637 Vgl. Verwilst (2003), S. 16
227
Im Jahr 1992 gründeten die holländische Versicherung AMEV (Fortis) und die größte
spanische Bank für Spareinlagen, La Caixa, das Joint Venture „Caifor“. Fortis und La
Caixa halten je 50 % der Anteile an Caifor - das Joint Venture zählt europaweit zu den
erfolgreichsten Beispielen im Bancassurance-Geschäft. In bezug auf die Höhe der ver-
walteten Kundengelder ist Caifor in Spanien Marktführer, das Prämienvolumen vervier-
fachte sich zwischen 1998 und 2002.638
Die gemeinsame Gesellschaft teilt sich in zwei Rechtseinheiten auf: „VidaCaixa“, einer
der größten Lebensversicherer in Spanien, und den Schaden- und Unfallversicherer „Se-
gurCaixa“. Hauptziel der Zusammenarbeit ist der Verkauf von Versicherungsprodukten
über die rund 4.500 Bankfilialen von La Caixa.
Aktuell konzentriert sich Fortis im Allfinanzgeschäft auf Portugal. Im Herbst 2004 kün-
digte Fortis die Übernahme der Allfinanz-Aktivitäten der Banco Comercial Portuges
(BCP) an. Das Management des gemeinsamen Joint Ventures „Millenium bcp Fortis
Insurance Group“ wird von Fortis übernommen. Nach Marktanteilen wird die neu ge-
schaffene Gesellschaft der größte Lebensversicherer in Portugal sein. Die Transaktion
steht im Einklang mit der erklärten Strategie von Fortis, das „Bancassurance“- Konzept
der Gruppe in ausgewählten Ländern außerhalb der Benelux-Region zu etablieren. Da
das Verhalten der portugiesischen Bankkunden dem der belgischen gleicht, werden die
Erfolgsaussichten des Versicherungsverkaufs über die Filialen der BCP als sehr gut ein-
geschätzt.639
6.3.3 Erfolgsbeurteilung Eine Frage von besonderem Interesse bei der Beurteilung von Allfinanzkonzepten ist, ob
bzw. um wieviel Prozent der Vertrieb von Versicherungsprodukten über den Bankschalter
günstiger ist als über den Agentenkanal. Die Kostenvorteile des Bankvertriebs werden
zwar allgemein anerkannt, die Finanzdienstleister legen die Distributionskosten ihres
Bankvertriebs in Relation zu anderen Vertriebskanälen in der Regel jedoch nicht offen.
Interessant sind daher die von Fortis vorgelegten Zahlen anläßlich der Präsentation des
Jahresergebnisses von 2003. Hiernach sind die sog. „New business margins“ (Post-Tax
638 Vgl. De Mey (2003), S. 9 639 Vgl. o.V. (2004c), S. 6. Portugal ist nach Spanien der am schnellsten wachsende europäische Versiche-rungsmarkt. Über 50 % der Lebensversicherungen werden in Portugal und Spanien über den Bankschalter verkauft.
228
VANB % APE640) im Bereich FB Insurance (Allfinanzvertrieb über den Bankschalter)
um rund 50 % höher als im Vertrieb über unabhängige Vermittler (Fortis AG).641 Diese
Zahl unterstützt die These einer erheblich geringeren Kostenstruktur des Bankvertriebs
im Vergleich zum Agentenvertrieb und weist gleichzeitig die Profitabilität des Allfinanz-
konzepts bei Fortis nach.
Nach Angaben der WestLB Panmure lag der Anteil des Bankvertriebs am Vertriebswe-
gemix für Lebensversicherungen bei Fortis im Jahr 2000 bei rund 66 %. Einen höheren
Anteil wies nur die KBC mit 87 % aus, ING folgte nach Fortis mit nur 19 %.642
Festzustellen ist allerdings, daß sich dieser Prozentsatz zwischen 2000 und 2002 deutlich
verringert hat – in 2002 machte der Bankvertrieb von Lebensversicherungen bei Fortis
nur noch rund 50 % am Vertriebswegemix aus. Die Marktanteile von FB Insurance
(Bankvertrieb) und Fortis AG (Agentenvertrieb) am belgischen Lebensversicherungsge-
schäft betrugen im Jahr 2002 12,4 % bzw. 11,0 % – die Höhe der generierten Prämien-
einnahmen der beiden Bereiche näherte sich an.643 Das Jahr 2003 brachte für beide Berei-
che eine deutliche Steigerung der Vertriebsleistung: Das Prämienvolumen bei FB Insu-
rance stieg um 20 % auf 2.154 Mio. Euro, bei Fortis AG um 18 % auf rund 1.800 Mio.
Euro.
Im Bereich der Schaden- und Unfallversicherungen macht der Bankvertrieb hingegen nur
einen sehr geringen Teil am Vertriebswegemix aus: Im Jahr 2002 betrug der Marktanteil
von Fortis im belgischen Schaden- und Unfallversicherungsgeschäft 12,2 % - der Bereich
Fortis AG trug hierzu 9,9 %, der Bereich FB Insurance nur 2,3 % bei.644
Zu erkennen ist somit, daß der Verkauf von Sachversicherungen im Bankvertrieb von
Fortis noch eine eher unbedeutende Rolle spielt. Insgesamt besteht im belgischen Retail
Banking noch ein erhebliches Cross-Selling Potential, das nach Angaben der Gruppe in
den nächsten Jahren gehoben werden soll.
Verschiedene veröffentlichte Cross-Selling-Kennziffern bestätigen das vorhandene Po-
tential: Das belgische Retail Banking wurde in vier sog. Domänen unterteilt: „Daily
Banking“, „Save and Invest“, „Borrow“ und „Protect“.
640 VANB= Value added by new business; hiermit wird der Barwert künftiger Gewinne abzüglich Kosten auf das eingesetzte Kapital bezeichnet. APE= Annualised Premium Equivalent. 641 Vgl. bei UBS (2004), S. 11 642 Vgl. DSGV (2001), S. 20 643 Vgl. Tabellen bei De Mey (2003), S. 17
229
Im Jahr 2003 waren von den 3,4 Mio. belgischen Retail-Kunden 43,6 % in einer dieser
Domänen aktiv, 34 % in zwei Domänen, 15 % in drei und nur 7 % in vier.645 Daraus ist zu
folgern, daß insgesamt nur rund 55 % der Retail- Kunden von Fortis in mindestens zwei
Domänen Geschäfte getätigt haben.
Das hieraus erkennbare Cross-Selling-Potential zeigt, daß noch vielfältige Möglichkeiten
bestehen, Versicherungsprodukte bei der bestehenden Retail-Kundschaft abzusetzen.
Analysten kritisieren, daß in der Fortis Gruppe zwar ein ausgewogenes Verhältnis zwi-
schen Bank- und Versicherungsgeschäft bestehe, gleichzeitig aber – abgesehen vom Ver-
trieb und dem Asset-Liability-Management - wenig Zusammenarbeit zwischen dem
Bank- und Versicherungssektor stattfinde.646 Die Bereiche Fortis AG und Fortis ASR in
Holland würden als mehr oder weniger „autonome Einheiten“ innerhalb der Gruppe ge-
führt mit wenig Interaktion zum Bankgeschäft. Hierzu ist anzumerken, daß die Gruppe
plant, in Belgien künftig Synergien zwischen FB Insurance und Fortis AG zu heben –
bspw. durch Zusammenarbeit bei der Verwaltung von Hypothekarkrediten sowie bei all-
gemeinen EDV-Aufgaben.
Insgesamt ist festzustellen, das die Fortis Gruppe seit Beginn der Integration der Generale
Bank im Jahr 1998 ihre selbst gesteckten Synergieziele deutlich übertroffen hat. Bis zum
Ende 2003 hatte die Gruppe Ertragssynergien in Höhe von 251 Mio. Euro eingeplant,
erreicht wurden bis Ende 2003 etwa 314 Mio. Euro. Diese Planübererfüllung wurde nach
Angaben von Fortis u. a. durch Cross-Selling im Retail Banking sowie eine stärker risi-
koorientierte Preissetzung erreicht.647
Im Kostenbereich hatte Fortis für Ende 2003 Synergien von rund 424 Mio. Euro einge-
plant, erreicht wurden schließlich 547 Mio. Euro. Ursache der Kosteneinsparungen waren
die Reduktion der Filialzahl in Belgien, der Mitarbeiterabbau im Bankbereich sowie die
Konsolidierung der IT-Plattformen.
Trotz der allgemein schlechten Wirtschaftslage und niedriger Aktienkurse wies Fortis in
2003 insgesamt eine positive Entwicklung im operativen Geschäft auf: Im Vergleich zu
2002 verfünffachte sich der operative Gewinn (Net operating profit) in 2003 auf
2.247 Mio. Euro, die Eigenkapitalrendite stieg von 4 % auf 19 %.
644 Vgl. Fortis (2003c), S. 28 645 Vgl. De Boeck (2003), S. 11 646 Vgl. Credit Lyonnais Securities (2004), S. 5 647 Vgl. Verwilst (2003), S. 9
230
Das Cost Income-Ratio in den Benelux-Heimatmärkten konnte mit 67,8 % leicht verbes-
sert werden. Hauptursachen für die verbesserte operative Leistung waren laut Fortis vor
allem die verbesserten Zinsmargen, hohe Verkaufserfolge im Schaden- und Unfallversi-
cherungsgeschäft sowie die erfolgreiche Kostenreduktion durch Filialschließungen.648
648 Vgl. Fortis (2003c), S. 41
231
6.4 Citibank und CiV Versicherung
6.4.1 Entwicklung des Allfinanzkonzepts
Die Citibank Privatkunden AG & Co. KGaA (Citibank) mit Hauptsitz in Düsseldorf ist
mit einer Bilanzsumme von 12,74 Mrd. Euro (Stand 2003) die größte und älteste Bank
Deutschlands, die ausschließlich im Privatkundengeschäft aktiv ist. Eingebunden ist die
Citibank in die Citigroup, den weltweit größten Finanzdienstleister, der 1998 aus der
Fusion von Citicorp und Travelers hervorging. Die Citibank entstand aus der Übernahme
der KKB Bank durch die Citicorp. Die ehemalige KKB Bank war fokussiert auf den Be-
reich des unteren Marktsegments, wurde 1991 in Citibank umbenannt und durch das An-
gebot von innovativen Dienstleistungen in eine Bank des "privaten Kunden" umgebaut.649
In Deutschland ist die Citibank mit über 300 Filialen vertreten und betreut mit rund 5.900
Mitarbeitern über drei Millionen Kunden.
Den größten Geschäftszweig bildet das Kreditgeschäft, der Marktanteil der Bank bei den
Konsumentenkrediten in Deutschland liegt bei 7 Prozent. Die Citibank ist als "Multika-
nalbank" mit sieben verschiedenen Vertriebswegen positioniert (vgl. Abbildung 8). Das
Citibanking-Konzept "7 x 24 Stunden-Banking" bedeutet für den Kunden, daß er selbst
entscheidet, wann und wo er seine Bankgeschäfte am bequemsten abwickelt. Entweder in
einer der Filialen, Investment Center und Beratungspunkte oder rund um die Uhr am Te-
lefon, an Citibank Banking Center- Automaten oder am heimischen PC per Online- Ban-
king.
Die CiV Versicherungen in Hilden blicken auf eine lange Zusammenarbeit mit der Citi-
bank zurück. Die Citibank gründete die CiV Versicherungen (damals Citi-Versicherung)
im Jahre 1985 und führte damit als eine der ersten Banken in Deutschland den aktiven
Versicherungsverkauf über den Bankschalter ein. Im Jahr 1996 wurde die Citi-
Versicherung von der Citibank an den Talanx-Konzern verkauft, im Zuge dessen wurde
der Name in CiV Versicherungen umgewandelt.650 Der Talanx-Konzern ist mit rund
15 Mrd. Euro Bruttoprämieneinnahmen die drittgrößte Versicherungsgruppe in Deutsch-
649 Vgl. Kern (1999), S. 62 650 Vgl. Geschäftsbericht der CiV Versicherungen (2003), S. 10
232
land nach Allianz und Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft. Zu ihm gehören u. a.
der HDI (Haftpflichtverband der deutschen Industrie) sowie die Hannover Rückversiche-
rung AG. Der Talanx-Konzern führt die Gruppe nach einer Mehrmarkenstrategie mit
einem dezentralen Führungsansatz, d. h. die einzelnen Marken operieren eigenständig an
unterschiedlichen Standorten im In- und Ausland. An den CiV Versicherungen (im fol-
genden "CiV"), bestehend aus der CiV Lebensversicherung AG sowie der CiV Versiche-
rung AG (Schaden- und Unfallversicherungen), hält der Talanx-Konzern seit 1996 100 %
der Anteile. Gleichzeitig besteht eine langfristig angelegte exklusive Kooperation zwi-
schen Citibank und CiV Versicherungen. Die Kooperation wird ergänzt durch ein ge-
meinsames Profit-Sharing- Abkommen.651
Quelle: Citibank (2003), S. 7
Bei der CiV handelt es sich damit um eine sog. „voll integrierte Spezialversicherung“652,
d. h. es erfolgt eine vollständige Integration des Versicherungsgeschäfts in die Citibank.
Die Strategie der CiV entspricht in allen Belangen der Strategie der Citibank. Die Pro-
dukte der CiV werden ausschließlich für und in enger Zusammenarbeit mit der Bank
entwickelt und sind gleichberechtigt in das Produkt-Portfolio der Citibank integriert.
651 Zu hinterfragen ist, warum die Citibank die von ihr selbst gegründete CiV an den Talanx- Konzern verkaufte, statt die Versicherungstochter im „eigenen Haus“ zu behalten. Gemäß Warth entspricht diese Politik dem Zeital-ter „virtueller Unternehmensstrukturen“: Banken und Versicherungen positionieren sich als „schlanke“, speziali-sierte Unternehmen, die Teile der Produktion an andere Hersteller und Servicegesellschaften auslagern. Hier-durch können sie im „virtuellen Zeitalter“, das durch Schnelligkeit und Innovation gekennzeichnet ist, ihre Flexi-bilität aufrechterhalten. Vgl. Warth (1999), S. 146. 652 Vgl. Kern (1999), S. 67
Abb. 8: Citibank als Multikanalbank
7 x 24
300 Filialen in 200 Städten
Citibank Invest-ment Center
Citibank Finanz-
shop/ TV
Citibank Online
CitiPhone Banking & Brokerage
Citibank Banking Center
Mobile Kunden-berater / Bera-tungspunkte
233
Organisatorisch ist die CiV in eine Management- und Verwaltungsgemeinschaft einge-
bunden, die ProAKTIV Gemeinschaft, in der auch die PB Versicherungen (die Versiche-
rungspartner der Postbank, bzw. der Deutsche Post AG) und die Magyar Posta Versiche-
rung (der Versicherungspartner der ungarischen Post) angesiedelt sind. Ziel der Gemein-
schaft ist die Nutzung von Synergien unter Erhalt der Identitäten der einzelnen Gesell-
schaften.653 Während Marketing und Vertrieb jeweils in der Hand der Einzelunternehmen
liegen, konzentriert sich die Zusammenarbeit im gemeinsamen Unternehmenssitz in Hil-
den auf Bereiche wie Personal, Informationstechnologie, Controlling, Rechnungswesen,
Kundenservice und Unternehmenskommunikation. Auch das Asset Management wird
gemeinschaftlich betrieben, in der Talanx- "Ampeger".
Diese und die folgenden Angaben zu den Erfolgsfaktoren der Zusammenarbeit von Citi-
bank und CiV Versicherungen basieren neben den angegebenen Literaturquellen auf ei-
nem Interview mit der PR- und Kommunikationsmitarbeiterin Sabine Kiencke im Hause
der CiV Versicherungen in Hilden im September 2004.
6.4.2 Erfolgsfaktoren des Allfinanzkonzepts Die Vertriebsstrategie der Citibank sieht vor, daß Versicherungen auf allen Vertriebska-
nälen der Bank verkauft werden. Wichtigster Vertriebsweg sind die rund 300 Citibank-
Filialen in etwa 200 Städten, wo die Kunden neben klassischen Bankprodukten auch CiV-
Versicherungen angeboten bekommen. Daneben wird heute verstärkt auf den mobilen
Vertrieb gesetzt. Die Bank will mit ihren mobilen Beratern vor allem Kunden außerhalb
der großen Städte erreichen, es wurde hierfür eine eigene Gesellschaft mit Namen Citi
Finanzberatungs GmbH gegründet. Schwerpunkt ist der Verkauf von Finanzierungs- und
Vorsorgeprodukten, darunter auch alle Produkte der CiV Versicherungen. Aktuell sind
160 mobile Berater im Einsatz, die die Kunden der Bank auch außerhalb der Filial-
Öffnungszeiten besuchen. Ihre Zahl soll bis Ende 2004 auf 200 gesteigert werden.654 In
einigen Städten, wo die Citibank bislang keine Filialen unterhält, sind die mobilen Bera-
ter auch mit festen Büros, sog. "Beratungspunkten" vertreten. Etwa die Hälfte der mobi-
len Vertreter arbeiten als Festangestellte mit einem variablen Gehaltsanteil, die übrigen
auf Provisionsbasis. Neben Filialen und Beratungspunkten wurden deutschlandweit fünf-
zehn sog. "Investment Center" speziell für Kunden mit erhöhtem Beratungsbedarf ge-
gründet
653 Vgl. ProAKTIV (2004), S. 7 654 Vgl. Kort (2004), S. 22
234
Das Internet wird von der Citibank als Vertriebsweg sehr intensiv genutzt und weiter
ausgebaut. Das Citibank- Online Banking erlaubt neben der Abwicklung von Zahlungs-
verkehrstransaktionen die Abgabe von Wertpapierorders, Baufinanzierungsberechnungen
und das Ausfüllen von Kreditanträgen. Nach Angaben der Citibank werden heute mehr
als 70 % aller Überweisungen ihrer Kunden über die Citibank-Automaten sowie das In-
ternet abgegeben.655 Im Bereich Versicherungen ist es neben der Informationseinholung
über die Produkte der CiV auch möglich, im Internet Schadensmeldungen online auf-
zugeben, telefonische Call-Backs anzufordern und bestimmte Versicherungsverträge
online abzuschließen. Aktuell plant die Bank eine persönliche Kundenbetreuung via In-
ternet, d. h. der Kunde soll von seinem PC zu Hause aus mit seinem Kundenbetreuer
kommunizieren können.
Das CitiPhone Banking ist für die Erledigung nahezu aller Bank- und Finanzdienstleis-
tungen, unabhängig von Filialöffnungszeiten, per Telefon zuständig. Es gibt einen 24-
Stunden-Service mit persönlicher Betreuung und Spezialberatung. Im Jahr 1998 wurde
das Telefon-Banking der Bank bereits von 90 % aller Girokonten-Inhaber der Bank ge-
nutzt. Der jüngste Vertriebskanal der Citibank ist der sog. Citibank Finanzshop, ein Bera-
tungs- und Vertriebsservice für Finanzprodukte im Fernsehen.656
Seit 1996 ist die technische Infrastruktur der CiV in die Systeme der Citibank integriert.
Der Kundenberater der Bank wird beim Versicherungsvertrieb durch das von der CiV
entwickelte Beratungs- und Verkaufsprogramm "VERS" unterstützt. Dieses bietet ihm
Hilfestellungen im Verkaufsgespräch und stellt eine zentrale Vernetzung zwischen Point
of Sale und dem Back-Office der CiV Versicherungen dar. Die Kundendaten gelangen
auf diesem Wege sofort in das Rechenzentrum der CiV im ProAKTIV-Haus, wo die indi-
viduellen, auf den Kundenbedarf zugeschnittenen Berechnungen erfolgen. Der Ausdruck
der Versicherungspolicen erfolgt direkt am Point of Sale in der Bank. Zudem erlaubt das
System Direct-Mailing an potentielle Versicherungskunden. Laut Verantwortlichen der
CiV ermöglicht die direkte Vernetzung zwischen Bank und Versicherung eine schnelle
Bearbeitung von Kunden- und Partneranfragen und schafft darüber hinaus mehr Zeit für
persönliche Beratung und Service am Bankschalter.
655 Vgl. Citibank (2003), S. 6 656 Seit Februar 2003 läuft eine einstündige Sendung mehrmals monatlich auf dem Kanal RTL-Shop. Die Citi-bank ist damit die erste Bank, die einen überregionalen Beratungsservice im deutschen Fernsehen anbietet. Vgl. Buschbeck (2003), S. 473
235
Innerhalb der Citibank wird besonders viel Wert auf die Entlastung der Vertriebsmitar-
beiter von administrativen Arbeiten gelegt. Während laut einer Studie von Mummert
Consulting die Kundenberater deutscher Banken im Durchschnitt nur 20 % ihrer Arbeits-
zeit für die Beratung nutzen, verbringen Citibank-Berater nach Firmenangaben über 50 %
ihrer Arbeitszeit im Kundengespräch.657 Das in Duisburg angesiedelte Dienstleistungs-
zentrum dient hierbei als technologisches Rückrat: Hier laufen Überweisungen, Wertpa-
pierorder und sonstige Kundenaufträge zusammen und werden von 1.700 Mitarbeitern
weiterbearbeitet, so daß in den Filialen in vielen Bereichen die Idee des "papierlosen Bü-
ros" verwirklicht werden konnte. Ein Beispiel hierfür ist die Vertriebskontrolle: Die
Durchsicht neuer Verträge erledigen - anstelle der Filialleiter - die Mitarbeiter im Dienst-
leistungszentrum am Bildschirm und entlasten die Filialen somit von zeitaufwendigen,
administrativen Tätigkeiten.
Einen weiteren Erfolgsfaktor bei der Zusammenarbeit Citibank/CiV stellt das Service-
Center der CiV Versicherungen dar. Das sog. "ProACTIV Communication Center" in
Hilden gewährleistet sowohl für den Endkunden als auch für den Schaltermitarbeiter der
Citibank (und Postbank) eine telefonische Beratung weit über die üblichen Geschäftszei-
ten hinaus.658 Unter einer weltweit einheitlichen Telefonnummer werden durch qualifi-
zierte Mitarbeiter Kundenanfragen beantwortet und die Schaltermitarbeiter in Beratungs-
situationen bei Versicherungsfragen unterstützt. Die Schaltermitarbeiter erhalten zudem
"Ansprachehilfen" in schriftlicher Form, die ihnen die "Highlights" der CiV-
Versicherungsprodukte näherbringen. Als Mitarbeiter der Citibank erhalten sie die CiV-
Versicherungen zudem zu besonders günstigen Haustarifen und können vor Kunden und
in ihrem privaten Umfeld als "Multiplier" auftreten (vgl. Kapitel 5.6).
Sowohl Citibank als auch die CiV Versicherungen nennen ihre hohen Service-Standards
als wichtige Erfolgsfaktoren im Wettbewerb um den Kunden an. Gemäß einer Untersu-
chung des Analysehauses Droege & Company aus dem Jahre 2003 ist die Citibank von
dreißig untersuchten deutschen Banken die "Benchmark für Servicequalität".659 So wer-
den bei der Citibank bspw. rund 80 % der Laufkundschaft innerhalb von fünf Minuten
bedient und Kundenbeschwerden zu 75 % am gleichen Tag bearbeitet.660
657 Vgl. Citibank (2003), S. 7 658 Wochentags 8.00-20.00 Uhr, samstags 9.00 bis 14.00 Uhr, vgl. ProAKTIV (2004), S. 27 659 Vgl. Citibank (2003), S. 3 660 Vgl. Kern (1999), S. 70, Stand 1998
236
In der Produktpolitik zeichnet sich die CiV durch einen hohen Grad an Standardisierung
aus. Die Produktentwicklung erfolgt in enger Zusammenarbeit zwischen Bank und Versi-
cherung und unter Berücksichtigung von Produktvorschlägen von Seiten der Bankmitar-
beiter. Die Namensgebung der CiV-Versicherungen findet dabei vollständig unter der
Marke der Citibank statt; ebenso ist der Marketingauftritt der Versicherung in den der
Bank integriert und orientiert sich an der Citibank-Zielkundschaft. Die CiV Versicherun-
gen finden in den Versicherungspolicen nur als Produktgeber Erwähnung. Argument für
diese Vorgehensweise ist die Tatsache, daß die CiV sich als Teil der Citibank versteht
und von der Bekanntheit der Marke "Citibank", die für Kundenorientierung und innovati-
ve Produkte steht, profitieren kann. Zudem können sich die Mitarbeiter der Citibank
durch den Namen gut mit den Versicherungsprodukten identifizieren.
Aktuell befinden sich 13 verschiedene Versicherungsprodukte im Programm der Citi-
bank, die den Kunden lebenszyklusorientiert angeboten werden. Beispiele für Produkte
sind die "Citi Privat Rente" (klassische Rentenversicherung), "Citi Unfall" und "Citi Vor-
sorge für Kids". Besonders innovativ sind die neuen Produkte für Senioren: Bspw. "Citi
Leben Vital", eine Lebensversicherung für Senioren, die ohne Gesundheitsprüfung abge-
schlossen werden kann.661 Daneben wird die "Citi Unfall Vital" angeboten, eine Senioren-
Unfallversicherung, die sich durch Extra-Leistungen in Zusammenarbeit mit der Johanni-
ter-Unfall-Hilfe auszeichnet. In den Bereichen Haftpflichtversicherung und Krankenver-
sicherung arbeitet die Citibank mit der HDI bzw. der Barmenia Krankenversicherung als
Produktgeber zusammen.
Die Citibank geht in ihrer Produktpolitik nach dem Prinzip der "Open architecture" vor.
Nach Angaben der Citibank-Vorstandsvorsitzenden Sue Harnett ergeben Studien im Auf-
trag der Bank, daß 90 % der Kunden die unabhängige Beratung ganz oben auf ihrer
Wunschliste nennen. Daher werde die Bank auch künftig die Beratung als Wachstumsfeld
in den Mittelpunkt stellen.662 Während das Produkt Kredit selbst entwickelt wird, bietet
die Bank in anderen Bereichen Leistungen anderer ausgewählter Finanzdienstleister an.
So können die Kunden zwischen 1.400 Fondsangeboten von 33 verschiedenen Invest-
ment-Gesellschaften auswählen. Weniger als 10 % der verkauften Fondsanteile kommen
aus dem Citigroup Konzern.
661 Zielgruppe sind Kunden zwischen 55 und 80 Jahren. Die Versicherung bietet Sicherheit ab dem ersten Tag, hohe Flexibilität, kleine monatliche Beiträge und Versicherungsschutz bis 25.000 Euro. Vgl. CiV Versicherungen (2003), S. 12 662 Kort (2004a), S. 22, Rede von Sue Harnett anläßlich der Handelsblatt-Tagung "Banken im Umbruch"
237
Der Erfolg gibt der Bank recht: Während der Markt stagnierte, wuchs das von der Citi-
bank verwaltete Fondsvolumen zwischen 2000 und 2003 von 2,2 auf 3,2 Mrd. Euro.663
Peter Buschbeck, im Vorstand der Citibank verantwortlich für den Vertrieb, nennt die
Strategie der Citibank im Produktbereich ein sog. „fokussiertes Geschäftsmodell“: Die
Bank konzentriert sich auf die Geschäftsbereiche, die sie am besten beherrscht – Beratung
und Vertrieb – und greift dabei auf eine Kombination von eigenen Produkten und Produk-
ten von Partnern zurück.664 In Deutschland war die Citibank die erste Filialbank, die im
Jahr 2000 den Vertrieb von Fonds fremder Anbieter aufnahm.
Als wichtigen Erfolgsfaktor im Vertrieb nennt Buschbeck die Innovationskraft der Citi-
bank bei Produkten und Kundenservice. Um auf Kundenwünsche mit passenden Produkt-
lösungen reagieren zu können, betreibe die Citibank eine intensive Marktforschung. Zu-
dem gelte es, neue Produktideen nicht „zu Tode zu prüfen“, sondern zeitnah am Markt
umzusetzen – nur so entstehe langfristig eine „Kultur der Innovation“ im Unternehmen.665
In der Kundenberatung geht die Citibank seit dem dritten Quartal 2004 mit einem ganz-
heitlichen Beratungs- und Betreuungsprozeß neue Wege. Zukünftig kommt im Vertrieb
ein neu entwickeltes Finanzplanungstool zum Einsatz, das allen Kunden der Citibank -
unabhängig von ihrem Vermögen - eine erweiterte Finanzberatung zugänglich macht.
Hierbei sollen alle Bestandteile einer Kundenbedarfsanalyse, -beratung und -betreuung
systematisch miteinander verknüpft werden, so daß die drei "Beratungssäulen" Liquidi-
täts-, Vorsorge- und Vermögensmanagement abgedeckt werden.666
Vor Einführung dieses neuen Vertriebssteuerungssystems wurde die Erfassung von Kun-
dendaten und den daraus abgeleiteten Verkaufsanlässen händisch gehandhabt und war
von der Strategie des jeweiligen Citibank-Beraters abhängig. Entscheidendes Defizit in
vielen Beratungssituationen war, daß der Berater nach einem ersten Produktverkauf den
Kunden aus den Augen verlor und auf diese Weise eine Vielzahl von Verkaufschancen
vergab.667
Künftig wird im Erstgespräch gemeinsam mit dem Kunden mit Hilfe des intranet-
basierten Finanzplanungstools ein virtuelles Beratungsmodell am Bildschirm durchlau-
663 Vgl. Citibank (2003), S. 14 664 Vgl. Buschbeck (2003), S. 474 665 Vgl. Buschbeck (2003), S. 476 666 Vgl. CiV Versicherungen (2003), S. 9, Citibank (2003), S. 2 667 Vgl. Krah (2004), S. 37
238
fen. Dieser Vorgang nimmt ungefähr ein bis eineinhalb Stunden in Anspruch. Jeder Bera-
tungsschritt während des Kundengesprächs kann vom Berater auf Grundlage des Tools
weiterentwickelt werden. Abhängig von den Angaben des Kunden werden flexible Anla-
ge-, Vorsorge- oder Finanzierungsmöglichkeiten entsprechend der Lebenssituation aufge-
zeigt. Durch diese kontinuierliche Finanzplanung werden die "Beratungssäulen" mitein-
ander verknüpft, d. h. es ergeben sich Chancen für Geschäftsabschlüsse in allen Berei-
chen, vom Kreditgeschäft über Vorsorgeprodukte, Vermögensaufbau und Versicherun-
gen.
Die Citibank will auf diese Weise vom opportunistischen, "aktionistischen"668 Produkt-
verkauf zu einer systematischen, aktiven Kundenberatung übergehen. Mit Hilfe des Tools
können Beratungsanlässe, die sich aus der Erstberatung des Kunden ergeben, zu späteren
Zeitpunkten nach Plan generiert werden. Typische Anlässe sind zum Beispiel Auszah-
lungen von Versicherungsleistungen, der Auslauf von Festgeldern, Änderungen des An-
lagehorizonts oder der Kauf einer Immobilie. Diese Kontaktanlässe werden durch das
System mit Benachrichtigungsfunktionen versehen, so daß der Kunde zu gegebener Zeit
über verschiedene Vertriebskanäle, bspw. per E-Mail, kontaktiert werden kann. Zudem
erhält der Kunde zum Abschluß des Gesprächs einen schriftlichen Bericht über die erar-
beitete Finanzstrategie inklusive Lösungsvorschlägen.
Das Finanzplanungstool hilft also, den Kontakt mit dem Kunden besser zu steuern. Ziel
ist es, im Sinne des Cross-Selling die Finanz- und Versicherungsbedürfnisse des Kunden
optimal abzudecken und damit die Gesamterträge pro Kunde zu erhöhen. Bei der Analyse
der Kundenbedürfnisse wird laut Citibank mit Hilfe des Tools eine höhere Präzision er-
reicht, wobei die Effektivität des Tools zudem zu einer Zeitersparnis für den Berater
führt. Parallel zur Einführung des Finanzplanungstools baut die Citibank ihre Vertriebs-
mannschaften aus, wobei neben der Einstellung neuer mobiler Vertriebsmitarbeiter auch
die Zahl der Investment Center für Kunden mit komplexerem Beratungsbedarf erhöht
wurde.
Sowohl Citibank als auch die CiV Versicherungen sind Institute, die sich durch eine hohe
Mitarbeiterzufriedenheit und ein gutes Arbeitsklima auszeichnen.669 Gemäß internen Be-
fragungen der Citibank empfinden 72 % der Mitarbeiter, daß ihre Leistungen gewürdigt
werden, 96 % geben an, ihren Verantwortungsbereich genau zu kennen - laut Citibank
zwei zentrale Voraussetzungen für Mitarbeiterzufriedenheit und gute Leistungen. Auch
668 Vgl. Krah (2004), S. 36, es wird Tobias Griess, Direktor Produkt Management bei der Citibank, zitiert. 669 Die freiwillige Fluktuation der Mitarbeiter liegt bei unter 5 %, ein sehr guter Wert im Branchendurchschnitt.
239
die CiV Versicherungen weisen auf den hohen Identifikationsgrad ihrer Mitarbeiter mit
dem Unternehmen hin: Laut Mitarbeiterbefragungen schätzen die CiV-Angestellten vor
allem die Zukunftsorientierung und das gute Betriebsklima des Hauses.670
Wie die Citibank in ihrem Geschäftsbericht titelt, entsteht Leistung "aus guter Kommuni-
kation."671 Drei Leitregeln identifiziert die Bank als Voraussetzung für die Motivation
ihrer Mitarbeiter:
1) Den Mitarbeitern werden klare Zielvorgaben gesetzt, jeder einzelne soll seinen Beitrag
zum Firmenergebnis kennen. Zwischen Führungskraft und Mitarbeiter herrscht ein in-
tensiver und offener Dialog. Für den Verkauf von Versicherungsprodukten der CiV be-
stehen Zielvorgaben, die vierteljährlich auf ihre Erfüllbarkeit überprüft werden. Die
Regionen konkurrieren gegeneinander durch Verkaufswettbewerbe, bei denen beson-
ders erfolgreiche Mitarbeiter mit Anreizen, wie z. B. Urlaubsreisen, belohnt werden.
2) Den Mitarbeitern werden ihre Aufstiegschancen innerhalb der Citibank und mögliche
Karrierepfade aufgezeigt. In regelmäßigen Weiterbildungsmaßnahmen wird die Lern-
bereitschaft des einzelnen gefordert und gefördert.672
3) Mitarbeiter der Citibank erhalten von ihren Vorgesetzten regelmäßig Feedbacks zu
ihren Leistungen, ebenso werden Führungskräfte von ihren Teamkollegen beurteilt.
Auch zwischen den Vertriebsmitarbeitern der Citibank und den CiV Versicherungen
besteht ein permanentes Feedback- System. Erfahrungen und Verbesserungsvorschläge
der Citibank-Mitarbeiter in bezug auf Produkte oder EDV-Anwendungen werden an die
Versicherung weitergegeben, wobei die sog. Vertriebs-Coaches der CiV Versicherun-
gen als "Sprachrohr" der Filialmitarbeiter eine wichtige Rolle spielen. Aktuell sind
achtzehn Vertriebs-Coaches auf die Regionen aufgeteilt und gewährleisten eine Ver-
triebsunterstützung in den Filialen, indem sie motivieren und im Versicherungsverkauf
schulen. Die CiV Versicherungen sind in das Mitarbeitertraining der Citibank voll in-
tegriert. Die Inhalte der Citibank- Schulungen sind neben der Produktlehre auf die
Vermittlung von kundenorientiertem Service- und Verkaufsverhalten fokussiert. Zu-
sätzlich gestaltet die CiV auch eigene Workshops im Hause der CiV Versicherungen.
670 Vgl. CiV Versicherungen (2003), S. 16 671 Vgl. Citibank (2003), S. 8 672 Mitarbeiter der Citibank verbringen im Durchschnitt vier Tage pro Jahr in Weiterbildungsmaßnahmen, vgl. Citibank (2003), S. 9
240
Pro Jahr finden etwa fünfzehn Workshops statt, zu denen ausgewählte Mitarbeiter der
Citibank-Filialen (sog. "CiV-Beauftragte") geladen werden, die das erworbene Wissen
an ihre Teamkollegen weitervermitteln sollen. Gleichzeitig wird in den Filialen "Elec-
tronic Learning" am PC angeboten, um allen Mitarbeitern das notwendige Produktwis-
sen zu vermitteln.
In bezug auf die unterschiedlichen Vertriebsmentalitäten bei Banken und Versicherungen
sieht der Vorstandsvorsitzende der CiV, Norbert Kox, kein Konfliktpotential bei der Zu-
sammenarbeit mit der Citibank.673 Da die Versicherungsprodukte speziell auf die Citi-
bank und den Bedarf der Citibank-Kunden zugeschnitten seien, glichen sich auch die
Verkaufstechniken bei Bank- und Versicherungsprodukten an. Die Citibank-
Vertriebsmitarbeiter erhalten keine zusätzliche Provision beim Verkauf von Versiche-
rungsprodukten, der Vertrieb soll generell am Kundenbedarf orientiert erfolgen.674
6.4.3 Erfolgsbeurteilung Sowohl die Citibank als auch die CiV Versicherungen wiesen in den letzten Jahren einen
sehr erfolgreichen Geschäftsverlauf auf.
Im schwierigen Bankenjahr 2002, in dem kaum ein deutsches Kreditinstitut Gewinn er-
wirtschaftete, meldete die Citibank ungeachtet der Branchensituation das dritte Rekord-
jahr in Folge mit einem Anstieg des Vorsteuergewinns um rund 13 %.
Auch in 2003 konnte das Jahresergebnis des Institutes weiter gesteigert werden - um rund
50 % von 342 auf 513 Mio. Euro. Die Eigenkapitalrendite betrug 54 % (Vorjahr 42 %).675
Die Bank arbeitet sehr effizient: Das Aufwands-Ertrags-Verhältnis liegt mit 43 % weit
unter dem Durchschnitt deutscher Banken.
673 Vgl. Kern (1999), S. 73 674 Zu hinterfragen ist, ob der Vertrieb über die mobilen Berater der Bank nicht automatisch einen "aggressiven" Verkaufsstil mit sich bringt. Da bei provisionsbasierter Vergütung primär Produkte verkauft werden, die hohe Provisionen versprechen, erfolgt die Beratung unter Umständen nicht bedarfsorientiert. Verbraucherschützer konstatieren in der Presse generell eine Zunahme von Beschwerden wegen Falschberatungen - vor allem beim mobilen Vertrieb. Vgl. Kort (2004), S. 22 675 Vgl. Angaben aus dem Geschäftsbericht der Citibank (2003), S. 2
241
Die CiV Versicherungen entwickelten sich in Kooperation mit der Citibank zum erfolg-
reichsten Bankversicherer in Deutschland - die jährlichen Beitragseinnahmen (gebuchte
Bruttobeiträge) wurden in den letzten fünf Jahren fast verdreifacht und betragen heute
mehr als 700 Mio. Euro. Im Bereich Kreditversicherungen sind die CiV Versicherungen
mit der Citibank in Deutschland Marktführer.
Angesichts dieser Erfolgsgeschichte ist das Allfinanzmodell der beiden Institute eindeutig
als Erfolgsmodell zu qualifizieren und wird zu Recht von Unternehmensberatern als
Benchmark im Allfinanzgeschäft bezeichnet. Beide Partner profitieren von der Koopera-
tion: Die CiV Versicherungen weisen aufgrund der Vertriebsstärke der Bank eine seit
Jahren steigende Geschäftsentwicklung auf, die Citibank generiert gute Provisionserträge
aus der Vermittlung von CiV- Versicherungen. Im Jahr 2003 steigerte die Citibank ihren
Provisionsüberschuß aus dem Versicherungsgeschäft von 147 auf 215 Mio. Euro.676
Mit Blick auf die Zahl verkaufter Erstversicherungsverträge pro Schaltermitarbeiter im
Finanzdienstleistungsbereich zeigt sich, daß die Citibank in Deutschland die höchste
Produktivität im Versicherungsvertrieb aufweist. Während im Jahre 1991 nur 11 Versi-
cherungsverträge pro Schaltermitarbeiter verkauft wurden, konnte diese Zahl im Jahr
2003 auf beeindruckende 103 Stück gesteigert werden.677 Nach Angaben der CiV Versi-
cherungen verkauften die übrigen deutschen Banken im Jahr 2003 im Durchschnitt nur 16
Verträge pro Schaltermitarbeiter.678 Als Grund für die Erfolgssteigerung innerhalb des
letzten Jahrzehnts nennen die Verantwortlichen der CiV die konsequente Ausrichtung der
CiV auf die Citibank, bspw. durch die Integration der Versicherungssoftware.
Die Citibank selbst hat sich zum Ziel gesetzt, ihre Cross-Selling- Raten679 weiter zu erhö-
hen. Als wichtigstes Hilfsmittel betrachtet man hierfür das neu eingeführte Finanzpla-
nungstool. Nach Auskunft der Bank konnte der Ertrag mit den Kunden, die mit Hilfe
dieses Tools betreut wurden, bereits auf das 2,5 fache gesteigert werden.
Nach Angaben des Vertriebsvorstands der Citibank, Peter Buschbeck, lassen sich die
Erfolgsfaktoren der Kooperation von Citibank und CiV Versicherungen in zwei Punkten
zusammenfassen: Zum einen die konsequente Ausrichtung der Versicherung auf den
676 Vgl. Citibank (2003), S. 1 677 Vgl. CiV Versicherung (2003), S. 10 678 Powerpoint Präsentation der CiV Versicherungen zur Erfolgsgeschichte der Kooperation 679 Aktuell werden pro Citibank- Kunde im Durchschnitt zwei Produkte verkauft, vgl. Krah (2004), S. 36
242
Bankpartner mit maßgeschneiderten, innovativen Produkten; zum anderen die hohe Ver-
triebsstärke der Bank, die die Versicherungsprodukte aktiv in ihre Kundenberatung ein-
bindet.680 Von Seiten der CiV Versicherungen werden die Erfolgsfaktoren der Koopera-
tion unter den Schlagworten "Integration, Partizipation und Know-how-Transfer" sub-
sumiert. Hiermit sind die Integration der Versicherung in die Bank, die beidseitige Parti-
zipation am Ertrag der Vertriebsgemeinschaft sowie der Wissens-Transfer in bezug auf
Produktkenntnisse und Vertriebsmanagement gemeint.
680 Vgl. Krah (2004), S. 37
243
6.5 Commerzbank und AMB Generali
6.5.1 Entwicklung des Allfinanzkonzepts
Die Commerzbank AG gehört zu den drei Frankfurter Großbanken und betreut rund sechs
Millionen Privat- und Firmenkunden in allen Bereichen des Bankgeschäfts. International
konzentriert die Bank ihre Aktivitäten überwiegend auf Europa sowie einige ausgewählte
Märkte wie die USA. Die Wachstumsstrategie des Instituts basiert in Europa auf der Idee
eines länderübergreifenden Finanzverbunds; es bestehen sog. "Wahlverwandtschaften"
mit großen Banken in Italien, Österreich und Spanien, die teilweise durch gegenseitige
Kapitalverflechtungen unterlegt sind. Das Geschäft der Commerzbank ist in die zentralen
Unternehmensbereiche Private Kunden und Asset Management sowie Corporate and
Investment Banking gegliedert.
Im Geschäftsfeld Private Kunden greift die Bank auf ein dichtes Netz von Geschäftsstel-
len zurück, von wo aus rund 3,9 Millionen Kunden betreut werden. Wie alle deutschen
Großbanken steht die Commerzbank dem Problem gegenüber, im Retailgeschäft, d. h. im
Massen-Privatkundengeschäft, eine rentable Größenordnung zu erreichen. Mit einem
Marktanteil von nur 2,5 % gelingt es bei Unterhaltung eines dichten Zweigstellennetzes
inklusive umfangreichen Produktangebots nicht, die Kapitalkosten im Privatkundenge-
schäft zu verdienen.681 Seit 2001 wurde das Filialnetz grundlegend restrukturiert, wobei
die Differenzierung der Filialstandorte nach Beratungszentren, Ser-vicestellen und Im-
mobiliencentern im Mittelpunkt stand. Nach Angaben des Instituts ist das Filialnetz heute
effizient und deckt alle wichtigen Regionen und Zielgruppen des Privatkundengeschäfts
ab.682
Neben der Straffung des Netzes stand die Standardisierung von Produkten und Prozessen
an erster Stelle. Um Kundenzufriedenheit und Beratungsqualität zu erhöhen, wurde im
Jahr 2001 im Sinne des sog. "Open architecture"- Prinzips das Produktangebot um In-
vestmentfonds anderer Institute erweitert. Mittlerweile stammen nur noch die Hälfte der
zum Kauf angebotenen Fonds aus der eigenen Produktion. 683
681 Stand 2002, vgl. bei Nicole Water (2002), S. B1 682 Vgl. Deutsche Postbank (2004), basierend auf Firmeninformationen der Commerzbank. 683 Vgl. Lagebericht 2003 der Commerzbank AG, Abschnitt "Private Kunden"
244
Die AMB Generali ist eine Tochter des italienischen Generali- Konzerns und ist mit ihren
Instituten Aachen Münchener Leben, Volksfürsorge, Cosmos und Thuringia Generali die
drittgrößte Erstversicherung in Deutschland.
Das Unternehmen entstand aus der im Jahr 1825 gegründeten Aachener Feuer-
Versicherungs-Gesellschaft.684 Nach mehreren Akquisitionen in den Folgejahren wurde
Ende der 70er Jahre das Fundament der heute geltenden Konzernstruktur gelegt: Es er-
folgte eine Umbenennung in "AMB Aachener und Münchener Beteiligungs-AG" (AMB),
wobei die AMB zunächst als "compagnie financiere", später als strategische Holding, die
Leitung der neu gegliederten Gruppe ausübte.
Im Jahr 1998 übernahm die Generali Gruppe, die drittgrößte Versicherung Europas, von
der AGF und anderen Aktionären eine Mehrheitsbeteiligung an der AMB - die AMB
wurde damit Teil der Generali Gruppe. Um die Zugehörigkeit zum Mutterkonzern zu
unterstreichen, erfolgte im Jahr 2001 eine Umbenennung in "AMB Generali Holding
AG" (AMB Gernali). Die AMB-Aktie ist als eigenständige Aktie im MDax enthalten,
wofür der Großaktionär Generali seinen Anteil von 67,3 % auf 64,9 % verringert hat.685
Die Konzernstrategie sieht eine klare Ausrichtung auf den Altersvorsorge- und Privat-
kundenmarkt vor. Im Bereich der fondsgebundenen Lebensversicherungen ist die AMB
Generali Marktführer in Deutschland und auch im Verkauf von Riester-Renten ist die
Gruppe mit einem Marktanteil von 20 % in führender Position.686
In Deutschland gilt die AMB Generali als einer der "Pioneere" im Allfinanzgeschäft. Im
Jahr 1987 hatte die AMB die Mehrheit an der Bank für Gemeinwirtschaft (BfG) über-
nommen. In der Folgezeit wurden Versicherungen der AMB über die Schalter der BfG-
Filialen verkauft. Im Jahr 1999 trennte die AMB sich endgültig von der BfG und veräu-
ßerte ihre restlichen Anteile an die schwedische SE-Bank. Es herrscht die Einschätzung
vor, daß die AMB mit dieser Fusion die von ihr angestrebten Ziele nicht erreichen konnte
- die Umsetzung des Allfinanzkonzepts hier somit scheiterte.687
684 Vgl. Firmeninformationen der AMB Generali auf www.amb.de 685 o.V. (2001a), S. 40 686 o.V. (2002a), S. 35 687 Schulte-Noelle (1998), S. 325. Im Rückblick wird das Scheitern der Fusion mit der Überforderung der Be-legschaft bei der Organisation des gemeinsamen Produktvertriebs erklärt. Neben organisatorischen Schwierig-keiten erwies sich die Integration der unterschiedlichen IT-Welten als Hauptproblem. Vgl. o.V. (2001d), S. 22
245
Die Kooperation der AMB Generali mit der Commerzbank im Allfinanzgeschäft begann
im Jahr 1999. Zuvor hatte die Commerzbank im Versicherungsbereich mit der DBV-
Winterthur kooperiert. Als die DBV-Winterthur im Jahr 1997 von der Credit Suisse über-
nommen wurde, endete diese Kooperation und es kam zu einer Neuausrichtung der Allfi-
nanzstrategie der Commerzbank. Seitdem arbeitet die Bank mit dem Generali- Konzern
(AMB Generali) zusammen. An die Stelle der DBV trat insbesondere die Volksfürsorge
als Versicherungspartner. Der neue Bausparpartner wurde die Badenia (zuvor Leonberger
Bausparkasse).
Es fällt auf, daß die Commerzbank das Allfinanzkonzept in den 80er Jahren noch in Form
von vielfältigen, relativ losen Kooperationsabkommen688 ausübte, im Laufe der Jahre
jedoch einen immer fokussierteren Ansatz mit weniger Partnerinstituten übernahm. Of-
fenbar wurden die Vorteile einer stärker formalisierten und integrierten Zusammenarbeit
erkannt.
6.5.2 Erfolgsfaktoren des Allfinanzkonzepts
Die seit Anfang 2000 bestehende Zusammenarbeit zwischen Commerzbank und AMB
Generali wurde 2001 mit der Gründung des Joint Ventures „Commerz Partner Beratungs-
gesellschaft für Vorsorge und Finanzprodukte mbH“ („Commerz Partner“) intensi-
viert.689 An dieser Tochtergesellschaft sind Commerzbank und AMB Generali zu je fünf-
zig Prozent beteiligt. Die exklusive Bindung zwischen den beiden Instituten wurde durch
einen Zehn-Jahres-Vertrag abgesichert.
Da eine Fusion als Kooperationsform nicht in Frage kam, entschied man sich für die
Gründung des Joint Ventures. Eine reine Vertriebskooperation (Distribution Agreement)
läßt nach Meinung des interviewten Commerzbank-Verantwortlichen nicht genügend
Unterstützung vom Produktgeber, d. h. der beteiligten Versicherung, erwarten.
Der Untermauerung der engen Kooperation diente die Aufstockung der Beteiligung der
Generali Gruppe an der Commerzbank auf knapp 10 %. Aus Sicht der AMB Generali
erwachsen die Marktchancen des Joint Ventures aus der Kombination guter Kundenbe-
688 Das Institut soll zeitweise Kooperationen mit bis zu 24 Versicherungsunternehmen unterhalten haben. Vgl. Baxmann (2002), S. 14 689 Diese und die folgenden Informationen stützen sich auf ein Interview im Oktober 2004 mit Uwe Salokat, Direktor im Geschäftsfeld Private Kunden der Commerzbank. Er ist gleichzeitig als Geschäftsführer von Com-merz Partner tätig.
246
ziehungen der Commerzbank und der hochqualifizierten Beratung durch Spezialisten von
Commerz Partner.690
Das Vertriebskonzept der Kooperation sieht vor, daß die Bankangestellten in den Filialen
der Commerzbank neben Bankprodukten einige standardisierte Versicherungsprodukte
der AMB Generali anbieten. Hierbei handelt es sich um Lebensversicherungen sowie
einfache Sachversicherungen, wie z. B. Auslandsreiseversicherungen. Es werden in erster
Linie Produkte der AMB-Tochter Volksfürsorge angeboten. Sofern der Versicherungsbe-
darf hiermit nicht abdeckbar ist, werden Produkte der übrigen AMB-Töchter hinzugezo-
gen. In den Filialen sind die sog. Vorsorgeexperten von Commerz Partner (im September
2004 deutschlandweit etwa 350 Berater) anwesend, die für komplexere Versicherungsan-
fragen der Kunden zuständig sind. Die Vorsorgeexperten sind als mobile Berater auch
außerhalb der Öffnungszeiten erreichbar, d. h. sie können bei Bedarf auch an den Wo-
chenenden Kundenbesuche absolvieren. Es handelt sich um selbständige Handelsvertre-
ter, die im Gegensatz zu den Bankangestellten, die Festgehälter mit geringen Erfolgsprä-
mien erhalten, provisionsbasiert bezahlt werden. Die Gründung einer eigenen Gesell-
schaft (Commerz Partner) erschien sinnvoll, da auf diese Weise Tarifarbeitszeiten und
Bankentarif nicht angewandt werden müssen.691
Jeder mobile Vorsorgeexperte von Commerz Partner ist für die Betreuung von drei bis
vier Commerzbankfilialen zuständig. Die Mitarbeiter werden aus unterschiedlichen Be-
reichen rekrutiert, Einstellungsvoraussetzung ist eine Ausbildung im Versicherungsge-
schäft oder langjährige Erfahrungen im Bankvertrieb. Den mobilen Beratern wird vor
ihrem Einsatz in Schulungen die Beratungsphilosophie der Bank nähergebracht.692
In geringem Umfang findet auch auf Seiten der AMB Generali ein Allfinanzvertrieb statt:
Seit 1999 verkaufen die Versicherungsagenten der Gruppe bei Kundenanfrage einige
standardisierte Bankprodukte der Commerzbank. Nach Durchführung eines Testprojekts
sah man allerdings davon ab, zur Unterstützung zusätzlich Berater der Commerzbank in
die Agenturen zu entsenden.
690 Vgl. Firmeninformationen der AMB unter www.amb.de 691 Vgl. Kort (2004), S. 22 692 Unternehmensberater weisen auf die Gefahr hin, daß der Ruf einer Bank durch ein zu aggressives Ver-kaufsverhalten ihrer mobilen Berater schaden nimmt. Dieser Gefahr will die Commerzbank durch derartige Schulungen vorbeugen.
247
Für den Versicherungsverkauf stellt die Commerzbank auch auf ihrer Internetseite Infor-
mationsmöglichkeiten zur Verfügung. Unter dem Link "Versicherungen" können Pro-
duktbeschreibungen zu den im Verbund mit der AMB angebotenen Versicherungen ein-
geholt werden. Es besteht die Möglichkeit zum Download von Versicherungsformularen
sowie der Hinweis auf eine Hotline bei weitergehendem Informationsbedarf. Der
Abschluß einer Versicherung über das Internet ist nicht möglich.
Im Sinne des Lebenszykluskonzepts weist die Internetpräsenz der Commerzbank den Link
"Geld & Leben" auf, unter dem der Kunde entsprechend seiner persönlichen Lebensphase
(z. B. Ausbildung, Single, 60 plus) Informationsangebote zu Finanzfragen (Sparen, Bauen
und Versichern) erhält.
Im Beratungsgespräch mit dem Kunden soll der Versicherungsverkauf nach Angaben der
Commerzbank bedarfsorientiert stattfinden. Je nach der persönlichen Lebenssituation ist
der Versicherungsbedarf des einzelnen Kunden zu ermitteln. Ein Finanzplanungstool
(wie bspw. bei MLP und Citibank) kommt allerdings nicht zur Anwendung.
Beim Versicherungsverkauf wird eine Beratungs-Software der AMB Gernali eingesetzt,
eine Integration der Datenbestände wurde nicht durchgeführt. Die Bankangestellten ha-
ben keinen Einblick in den Kundenbestand der AMB Generali.
Ein sog. "geführter" Verkauf durch ein Software-System am PC findet in den Filialen
nicht statt. Der Ausdruck von Versicherungspolicen am Point of Sale ist aufgrund der
fehlenden Datenintegration bislang nicht möglich, die Versicherungspolicen werden dem
Kunden von der Volksfürsorge zugesandt.
Zur Unterstützung der Bankangestellten beim Versicherungsverkauf wurde eine Hotline
("VU-Direkt") eingerichtet, die in Verkaufsgesprächen für Hilfestellungen angerufen
werden kann. Auch der Versicherungskunde kann sich bei Fragen zum Vertrag und im
Schadensfall an eine Hotline wenden. Diese ist bei der Volksfürsorge eingerichtet, wo
eine Mitarbeitergruppe als separierte Einheit für die Betreuung von Versicherungskunden
der Commerzbank zuständig ist.
Die über den Bankschalter angebotenen Versicherungsprodukte werden unter der Marke
Commerzbank geführt (bspw. "Commerzbank Vorsorgekonzept"). Nach Angaben der
Bank haben bankinterne Erfolgsstudien ergeben, daß der Verkauf unter dem Namen der
Bank sinnvoll ist. Im Bereich der Riester- Rentenprodukte, in dem die AMB Generali in
Deutschland mit 20 % Marktanteil eine führende Position einnimmt, sieht man von einem
Verkauf über den Bankschalter ab. Aufgrund der hohen Beratungsintensität beim Verkauf
248
von Riester- Produkten sei ein Vertrieb über die Bank nicht sinnvoll.693 Standardisierung
und geringe Komplexität sind nach Meinung von Commerzbank-Verantwortlichen die
wichtigsten Erfolgsfaktoren für Versicherungsprodukte im Bankvertrieb.
Es bestehen keine Preisunterschiede zwischen gleichen Versicherungsprodukten in den
unterschiedlichen Vertriebskanälen. Die Gefahr von Produktkannibalismus beim gleich-
zeitigen Verkauf von Bank- und Versicherungsprodukten wird von Commerzbank-
Verantwortlichen nicht als gravierend erachtet. Es wird angeführt, daß laut Studien ein
zusätzlicher Versicherungsverkauf über die Filiale nicht zu einem rückläufigen Verkauf
von Bankprodukten führe.
Außerhalb des Privatkundengeschäfts, das im Fokus der Allfinanzkooperation steht, fin-
det eine Zusammenarbeit zwischen Commerzbank und AMB Generali nur noch im Be-
reich der betrieblichen Altersvorsorge statt.
Die Integration von Commerzbank und AMB ist damit auf den gemeinsamen Vertriebs-
ansatz beschränkt. Es sollen ausschließlich Ertragssynergien durch Cross-Selling im Pri-
vatkundengeschäft gehoben werden. Es findet keine Zusammenarbeit im Asset Manage-
ment statt. Hier stehen sich das Asset Management der Commerzbank (Cominvest/ Adig)
und die im Jahr 2000 gegründete AM Gernerali Invest gegenüber. Die Wiederanlage fäl-
liger Lebensversicherungspolicen erfolgt in den jeweiligen konzerneigenen Investment-
fonds.
Bei der Frage nach kulturellen Konflikten zwischen Bank- und Versicherungsberatern
wird von Seiten der Commerzbank vor allem auf das im Versicherungsvertrieb stark aus-
geprägte "Einzelkämpfer"- Denken hingewiesen, das einer Bereitschaft zur Kooperation
häufig im Wege stehe.
Die Kundenbetreuer der Bank werden für den Verkauf der Standardversicherungen über
den Schalter nicht gesondert entlohnt, es existiert keine Provision für die verkauften Ver-
sicherungen. Dennoch bestehen Zielvorgaben, die jährlich überprüft werden. Zwischen
den Regionen finden Vertriebswettbewerbe statt.
Die Kommunikation der Vorteile durch die Zusammenarbeit im Bank- und Versiche-
rungsgeschäft an die Vertriebsmitarbeiter wird von der Commerzbank als wichtiger Er-
folgsfaktor angesehen. Die Mitarbeiter von Commerz Partner werden auf ihre Arbeit mit
den Filialen in Schulungen vorbereitet.
693 Vgl. o.V. (2002a), S. 35. Bei der Zusammenarbeit von Allianz/Dresdner Bank findet der Riester-Verkauf hingegen auch über die Bankfilialen statt.
249
6.5.3 Erfolgsbeurteilung
Bezüglich des bisherigen Erfolgs ihrer Allfinanzkooperation mit der AMB Generali wer-
den von der Commerzbank keine Kennziffern preisgegeben. Aufgrund der Kürze der Zeit
sei eine Erfolgsbeurteilung noch nicht möglich, Cross-Selling-Kennzahlen daher noch
nicht aussagekräftig.
Für die AMB Generali stellte ihre 8 %ige Beteiligung an der Commerzbank im Jahr 2002
eine Belastung für das Konzernergebnis dar. Die Beteiligung mußte aufgrund eines anhal-
tenden Kursverlustes der Commerzbank-Aktie um 700 Mio. Euro abgeschrieben werden
und brachte die AMB Generali in die roten Zahlen.694 Dennoch will der drittgrößte deut-
sche Erstversicherer an der Kooperation mit der Commerzbank festhalten. Auch die Kon-
zernmutter Generali äußert sich im Jahr 2003 über die Vertriebspartnerschaft positiv,
auch wenn diese in Zukunft weiter verbessert werden könne.695 In den Startjahren der
Zusammenarbeit 2001 und 2002 wurden Lebensversicherungen mit einer Beitragssumme
(über die gesamte Laufzeit der Policen) von jeweils rund 500 Mio. Euro von Commerz-
bank-Beratern verkauft. Damit lag der Bankvertrieb unter den Planvorgaben, die auf rund
700 Mio. Euro pro Jahr festgelegt worden waren.696
Eine klare Absage erteilt die Generali jeder Form von Allfinanzkonzepten, die auf Zu-
sammenschlüssen von Banken und Versicherungen beruhen. Zukäufe von Geschäftsban-
ken und Vermögensverwaltern sind nicht Ziel der Konzernstrategie.697 Als die Generali
im Jahr 2001 ihren Anteil an der Commerzbank auf 10 % erhöhte (2 % Generali, 8 %
AMB Generali), wurden Übernahmegerüchte geschürt. Diese wurden in der Folgezeit
dementiert. Deutschland wird dennoch weiterhin als wichtiger Auslandsmarkt der Gene-
rali betrachtet.
Die Tatsache, daß die Generali Gruppe die Beteiligung an der Commerzbank nicht über
die bestehenden 10 % hinaus erhöhen will, zeigt, daß eine Konsolidierung von Bankrisi-
ken nicht gewünscht wird. Gleichzeitig verzichtet man auch auf mögliche Synergien zwi-
schen Bank- und Versicherungsgeschäft, bspw. in der Kundenverwaltung oder im Asset
Management.
694 Vgl. Alich (2003), S. 22 695 Vgl. o.V. (2003a), S. 23 696 Vgl. Alich (2003), S. 22 697 o.V. (2003a), S. 23
250
Die Commerzbank stellt in ihrem Lagebericht 2003 für den Bereich "Private Kunden"
fest, daß die in 2002 begonnenen Konsolidierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen
weitgehend abgeschlossen wurden und mit einer operativen Eigenkapitalrendite von
14,3 % (im Jahr 2002 unter 10 %) in 2003 die Ertragswende herbeigeführt wurde. Fest-
zuhalten ist jedoch auch, daß das Institut in diesem Bereich noch nicht die Kapitalkosten
verdient. Über die Partnerschaft mit der AMB äußert die Commerzbank sich positiv: Im
Allfinanzvertrieb (vor allem durch die mobilen Berater von Commerz Partner) konnte in
2003 die Beitragssumme der verkauften Lebensversicherungen um rund 50 % auf
760 Mio. Euro gesteigert werden. Noch positiver war der Anstieg beim Bausparvolumen
mit einem Plus von 70 % auf 660 Mio. Euro.698
Insgesamt zeigt die Analyse in Kapitel 6.5.2, daß die Zusammenarbeit von Commerzbank
und AMB Generali eine geringe Integrationstiefe aufweist. So wurde bspw. auf eine In-
tegration der Datenbestände verzichtet. Angesichts des Fehlens eines Finanzplanungs-
tools (vgl. bspw. Citibank) in der Kundenbetreuung erscheint eine systematische, kun-
denbedarfsorientierte Finanzberatung schwierig.
Eine von der European Business School (ebs) durchgeführte Studie zur Beratungsqualität
deutscher Finanzdienstleister weist auf deutliche Schwächen der Commerzbank bei einer
umfassenden Finanzplanung für ihre Privatkunden hin. Im Rahmen der Studie führten
Testpersonen im Sinne des "Mystery Shopping" Beratungsgespräche bei verschiedenen
Finanzdienstleistern durch. Bei den Gesprächen mit Commerzbank-Betreuern mangelte
es an einer systematischen Erfassung der Kundenbedürfnisse sowie an Fachkenntnissen
zu Vorsorge- und Versicherungsprodukten.699
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt der von der M&Oh Research Services im Jahr 2004
durchgeführte "Beratertest" bei deutschen Finanzdienstleistungsinstituten.700 Im Rahmen
der Studie wurde die Qualität der Privatkundenberatung mit Hilfe von Testpersonen un-
tersucht. Die zur Bewertung aufgestellten Beratungskriterien umfaßten die Erhebung der
Kundendaten, die Qualität der Lösungskonzepte sowie den Gesprächsablauf (bspw. Wis-
sensstand des Kundenberaters). Insgesamt zeigt der Beratertest deutliche Schwächen der
deutschen Finanzdienstleistungsbranche bei der Kundenberatung auf - die aufgestellten
Anforderungen an eine ganzheitliche Beratung wurden im Durchschnitt zu weniger als
698 Vgl. Deutsche Postbank (2004) 699 Vgl. Marlow (2005), S. 122. Die Commerzbank belegte von acht untersuchten Instituten den vorletzten Rang. Testsieger bei einer umfassenden Finanzberatung waren MLP und die Dresdner Bank. 700 Vgl. M&Oh Research Services (2004), S. 1, 101,108
251
40 % erfüllt. Der Testsieger des Beratertests war die Deutsche Bank mit 48 % der zu er-
reichenden Punkten, gefolgt von AWD mit 47 % und der Dresdner Bank mit 46 %. Die
Commerzbank erreichte einen schwachen siebten Platz - nur 39 % der Beratungskriterien
konnten in den Testgesprächen erfüllt werden.
Eine endgültige Beurteilung der Vertriebskooperation zwischen Commerzbank und AMB
Generali steht noch aus. Sie wird erst möglich sein, wenn aussagekräftige Cross-Selling-
Kennziffern vorliegen, die mit den konkurrierenden Allfinanzkooperationen am deut-
schen Markt verglichen werden können.
252
6.6 Zusammenfassung und Fazit
Zusammenfassend ist zu konstatieren, daß von den fünf untersuchten Partnerschaften zum
heutigen Zeitpunkt drei als eindeutige Erfolgsbeispiele für die Anwendung des Allfi-
nanzkonzepts qualifiziert werden können: Die beiden Benelux-Konzerne KBC und Fortis
sowie die deutsche Kooperation von Citibank und CiV.
Die drei Allfinanzkonzepte zeichnen sich durch einen erfolgreichen Geschäftsverlauf der
beteiligten Institute sowie hohe Cross-Selling-Kennzahlen aus. Besonders beeindrucken-
de Verkaufsergebnisse kann die Citibank zusammen mit der CiV aufweisen. Bei der CiV
handelt es sich um den „Spezialfall“ eines integrierten Bankversicherers, der seine Stra-
tegie vollständig auf die Citibank ausrichtet.
Die Zusammenarbeit von Allianz/Dresdner Bank ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht
abschließend zu beurteilen, da die Integrationsarbeiten andauern. Die Kooperation von
Commerzbank und AMB Generali weist von den untersuchten Fallstudien den ver-
gleichsweise geringsten Integrationsgrad auf. Eine abschließende Beurteilung ist hier
aufgrund fehlender Kennzahlen ebenfalls nicht möglich.
Insgesamt zeigen die Fallstudien, daß eine tiefe Integration und eine weitgehende Ver-
zahnung der Geschäftsprozesse von Bank- und Versicherungspartner den Erfolg der
Zusammenarbeit positiv beeinflussen.
Die Verantwortlichen der Benelux-Konzerne KBC und Fortis betrachten ihre vollständig
integrierten Kundendatenbanken als Haupterfolgsfaktor des Allfinanzkonzepts: Eine
funktionsfähige Kundendatenbank ist Voraussetzung und Grundlage einer umfassenden
Kundensegmentierung. Die Kundenbetreuer der Bank und die Agenten der Versicherung
sollten Einblick in ein einheitliches Kundenprofil haben, um Cross-Selling-Möglichkeiten
optimal ausnutzen zu können.
Die Fallstudien machen deutlich, daß durch den Einsatz eines Finanzplanungstools die
Ergebnisse in der Kundenberatung gesteigert werden können. Erfolgsbeispiel ist die Citi-
bank, die seit 2004 ein ganzheitliches Beratungstool bei der Betreuung sämtlicher Retail-
kunden einsetzt. Die Erträge mit den so betreuten Kunden haben sich bereits deutlich
erhöht. Zu beobachten ist auch, daß sich eine starke PC-Unterstützung der Kundenbe-
treuer im Verkaufsprozeß („geführter Verkauf“) positiv auf die Beratungsqualität und
253
den Verkaufserfolg auswirkt. Die Entlastung der Kundenbetreuer durch Auslagerung
administrativer Tätigkeiten wird zudem von allen interviewten Allfinanz-Verant-
wortlichen als wichtige organisatorische Maßnahme genannt.
In bezug auf die Produktgestaltung zeichnen sich die erfolgreichen Bancassurer durch ein
einfaches und standardisiertes Produktprogramm aus. Die Produkte sind für den Vertrieb
über den Bankschalter leicht verständlich strukturiert. Wichtig ist die eigenständige
Abschlußfähigkeit der Kundenbetreuer in den Banken. Die gleichzeitige Anwesenheit
eines Versicherungs- Spezialisten in den Filialen wird als sinnvoll betrachtet, um vor Ort
auch bei komplizierteren Versicherungsfragen sofort Auskunft geben zu können.
Die Allfinanzkonzerne KBC und Fortis verfolgen in bezug auf ihre Produktpolitik eine
starke Dachmarkenstrategie: Bank- und Versicherungsprodukte werden einheitlich unter
der jeweiligen Konzernmarke vertrieben. Die Allianz setzt die sog. „Zwei-Marken-
strategie“ um und vertreibt über die Dresdner Bank Versicherungen der bekannten Marke
„Allianz“. Citibank und Commerzbank hingegen sind Vertreter der von Unternehmensbe-
ratern empfohlenen „Ein-Markenstrategie“: Sie nutzen für die Versicherungsprodukte
ihrer Kooperationspartner die Marke der Bank. Als Argument für diese Vorgehensweise
wird die höhere Identifikation der Bankmitarbeiter mit „ihrer“ Bankmarke genannt.
In bezug auf das Anreizsystem im Bankvertrieb ist ein Trend zur indirekten Provisionie-
rung erkennbar: Anstelle der Zahlung einzelproduktbezogener Provisionen für den Versi-
cherungsverkauf wird der Erfolg auf Teamebene betrachet. Ziel sollte es sein, den Ver-
trieb von Bank- und Versicherungsprodukten gleichberechtigt in den variablen Gehalts-
bestandteil der Kundenbetreuer einfließen zu lassen.
Auffällig ist, daß unter den Fallbeispielen die Allianz das einzige Institut ist, das auch das
Modell des „Assurbanking“ (Assurfinance) konsequent umsetzt. Im Jahr 2005 konnten
die Allianz-Agenturen bereits rund 360.000 Dresdner Bank-Neukunden unter ihren Ver-
sicherungskunden gewinnen. In den kommenden fünf Jahren will der Konzern bis zu
5.000 Agenturen mit Geldautomaten ausrüsten und damit verstärkt um Bankkunden wer-
ben. Die Allianz nimmt im Bereich des Assurbanking damit eine Pioneerstellung ein.
Fortis und AMB Generali verkaufen nur in sehr begrenztem Umfang Bankprodukte über
ihre Versicherungsagenten, KBC sieht nach einer wenig erfolgreichen Testphase ganz
vom Konzept des Assurbanking ab.
254
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