Abraham, Peter - Der Affenstern

download Abraham, Peter - Der Affenstern

of 214

Transcript of Abraham, Peter - Der Affenstern

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    1/214

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    2/214

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    3/214

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    4/214

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    5/214

    Peter Abraham

    Der Affenstern

    Illustrationen von Gertrud Zucker

    Der Kinderbuchverlag Berlin

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    6/214

    ISBN 3-358-00126-1

    3. Auflage 1988 DER KINDERBUCHVERLAG BERLIN - DDR 1985Lizenz-Nr. 304-270/305/88Gesamtherstellung: Karl-Marx-Werk Pneck V 15/30LSV 7511Fr Leser von 10 Jahren anBestell-Nr. 632 242 7

    00860

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    7/214

    Um Himmels willen:

    Carola ist wieder was eingefallen!

    In der groen Pause an einem Donnerstag sagte Carola Huflat-tich zu ihren Klassenkameraden auf dem Schulhof: Ihr tut mir

    richtig leid, wegen des Diktats morgen.Und du, schreibst du etwa nicht mit? sagte Willi Neuenha-

    gen emprt.Nee, sagte sie und schttelte dabei ganz langsam den Kopf.

    Ich fliege zum Mond!Wedekind, der beste Schler der 5 b, schnaufte verchtlich

    und verkniff sich ein Lachen. Emmi Winter fragte scheinheilig:Und wann fliegst du?Heute um fnfzehn Uhr zwei. brigens, Willi Neuenhagen

    fliegt mit.Willi schreckte bei der Nennung seines verehrten Namens re-

    gelrecht zusammen. Das kann ja heiter werden, dachte er.Wer wei, was die sich wieder ausgedacht hat! Bisher war Willi

    durch Carolas Plne immer nur Schaden erwachsen. Einmalhatte ihn der Arzt sogar fr verrckt gehalten, und ein andermalhatte er von seinem Vater mrderische Dresche bekommen.Von den vielen Tagen Fernsehverbot nicht zu reden!

    Willi hatte sich wieder gefat. Er war fest entschlossen, diesesMal Carola von ihrer unsinnigen Idee abzubringen. Nachmit-tag pauken wir fr das Diktat. Ich kann dir auch einen Spickzet-tel machen.

    Obwohl Willi leise sprach, schnappte Wedekind das WortSpickzettel auf. Das melde ich Frulein Prohaska, plrrte er.

    Emmi Winter, die mit Stefan befreundet war, schmte sichfr seine Petzereien. Den Mund wirst du halten, sagte sie be-stimmt. Ich habe eine andere Idee, wie wir Carola Huflattich

    reinlegen.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    8/214

    Na, gut, murrte Wedekind. Und es war ein bichen ko-misch, wie er sich von der viel kleineren Emmi zu Gudrun Wet-terschlag zerren lie, die an einen Baum gelehnt ihren Apfelkaute und dabei in den Himmel starrte. Die drei begannen aus-

    giebig zu tuscheln und zu kichern. Carola warf neugierigeBlicke zu ihnen, aber hren konnte sie nichts.

    Am Nachmittag stellte sich Willi, wie immer, pnktlich bei Ca-rola ein, um mit ihr gemeinsam die Hausarbeiten zu erledigen.

    Huflattichs wohnten, genau wie Neuenhagens, in der Stadt-

    randsiedlung. Ihre Huser glichen sich wie Zwillinge. Mankonnte sie nur an den andersfarbig gestrichenen Fensterldenund den Blumen in den Vorgrten unterscheiden.

    Es bleibt also dabei, sagte Carola, wir starten um fnfzehnUhr zwei!

    Willi machte eine Bewegung, als mte er eine Fliege fangen,die um seinen Kopf schwirrte. Carola nahm Willi die Schulta-

    sche aus der Hand und schleuderte sie auf die Holzbank im Hof.Sie legte den Arm um Willi und fhrte ihn in den Obstgarten.

    Da ist es! sagte sie feierlich und blieb vor der alten Bade-wanne stehen. Vater Huflattich hatte diese Wanne auf einemGermpelkarren entdeckt und auf seinem Fahrrad mhsamnach Hause transportiert. Er wollte Regenwasser zum Tomaten-gieen darin sammeln. Fr diesen Zweck machte es nichts aus,da an einigen Stellen der Wanne die Emaille abgeplatzt war.

    Im Abfluloch der alten Badewanne steckte ein ausgedienterBesenstiel, darauf hatte Carola zwei Querstangen genagelt. Zwi-schen diesen Latten knisterte Silberfolie.

    Was soll das? fragte Willi und berhrte die blanke Folie.Das ist ein Sonnensegelweltraumschiff. Es fliegt mit Hilfe

    der Sonnenenergie!

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    9/214

    Willi ging nachdenklich um die Badewanne herum.Nehmen wir an, sagte er, du bekommst das Ding mit Hilfe

    der Sonnenenergie tatschlich in eine Umlaufbahn der Erde,dann wrde es bereits nach einer halben Erdumrundung abstr-zen.

    Und warum?Ganz einfach, weil auf der sonnenabgewandten Seite der

    Erde Nacht ist. Da gibt es keine Sonnenenergie.Au, Mann, sagte Carola, du hast ja keinen Schimmer von

    der Weltraumfahrt. Wenn das Ding erst mal um die Erde kreist,

    bentigt es keine Energie mehr. Dann reicht der Schwung aus!Blong, machte es. Willi und Carola sahen sich verwundert an.Schlielich nahm Willi einen kleinen Stein aus der Wanne.

    Scheint so, als ob dein Sonnensegel Klamotten anzieht,sagte er.

    Wahrscheinlich handelt es sich um kosmisches Gestein,meinte Carola.

    Blong, klang es wieder. Dieses Mal lag ein Stckchen Dach-ziegel in der Wanne. Gleichzeitig war entfernt ein Kichern zuhren.

    Das ist Emmi Winter, sagte Carola und rannte zum hinte-ren Zaun. In dem Brennesselmeer, das sich bis zum Anschlu-gleis einer Werkbahn erstreckte, war niemand zu sehen.

    Sag mal Honolulu, tuschelte Willi Carola zu. Emmi lachtsich ber solche ungewhnlichen Wrter tot.

    Honolulu, brllte Carola.Im gleichen Augenblick ertnte Emmi Winters typisches Ki-

    chern. Es hatte nun keinen Zweck mehr, sich versteckt zu hal-ten. Emmi und Stefan Wedekind tauchten auf und, einen Kau-gummi malmend, Gudrun Wetterschlag.

    Wir wollen sehen, wie ihr startet, sagte Stefan Wedekind.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    10/214

    Bei so einer Weltsensation drfen wir nicht fehlen. Mit demFotoapparat meines Vaters werde ich das Ereignis festhalten!

    Carola musterte Stefan von oben bis unten: Wedekind wolltesich ber sie lustig machen. Emmi hielt es nicht mehr aus und

    platzte laut gackernd los.Ihr werdet euch wundern! sagte Carola.Gudrun Wetterschlag sagte: Tatsache, wenn das keine

    Spinne wre, wrde ich mitfliegen. Ich kann mir einfach nichtmerken, wann man das mit einem s oder mit schreibt.

    Ihr knnt alle mitkommen, sagte Carola grozgig. Feige

    drft ihr allerdings nicht sein! Wir fliegen in ein paar tausendMetern Hhe um die Erde und dann zum Mond. Sie ffneteeinladend das Pfrtchen: Bitte, nur herein.

    Gudrun zgerte nicht lange. Bei Emmi siegte schlielich dieNeugierde. Sie zog Stefan Wedekind hinter sich her.

    Carola zeigte den Kindern das Sonnensegelweltraumschiff.Stefan Wedekind verschrnkte die Arme ber der Brust und

    schttelte den Kopf. Technisch unausgereift.Diese Redewendung hatte er von seinem Vater aufge-

    schnappt. Emmi kicherte wieder, Gudrun starrte uninteressiertin die Luft und zog den Kaugummi lang.

    Das Starten ist kein Problem, log Willi. Das haben wirdurchgerechnet. Nur die Landung ist noch nicht klar. Die alteWanne wird herunterdonnern, da wir unsere Knochen zusam-mensuchen mssen.

    Aber auch daran hatte Carola gedacht. Sie scharrte Heu zu-sammen und warf es in die Wanne. Unter dem Heu kamen dreiuralte Regenschirme zum Vorschein, die wahrscheinlich nochvon Opa und Oma stammten. An die Enden der Drahtspeichenhatte Carola viele Strippchen gebunden. Bremsfallschirme, er-

    luterte sie.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    11/214

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    12/214

    Carola waren jedoch alle sicher, da dieses Spiel nicht langedauern wrde.

    Festhalten, sagte Carola. Wir starten in wenigen Sekun-den. Sie begann zu zhlen: Neun, acht, sieben, sechs, fnf,

    vier, drei, zwei, eins, null ...Die Badewanne bewegte sich nicht vom Fleck.Auf Willis Stirn verschwanden die Sorgenfalten, und Stefan

    Wedekind sagte sehr berlegen: Schn, wie wir fliegen, nichtwahr?

    Carola schaute zum Himmel und schlug sich an die Stirn.

    Das Sonnensegelweltraumschiff konnte berhaupt nicht starten.Sie htte das vorher wissen mssen! Die Sonne hatte sich nm-lich hinter einer riesigen Wolke versteckt. Ohne Sonne keineEnergie! Carola war, gottlob, nicht auf den Kopf gefallen. Siesprang aus dem Sonnensegelweltraumschiff und rannte zumStiefmtterchenbeet. Das waren nicht etwa Allerweltsstiefmt-terchen, wie man sie in jeder Grtnerei zu kaufen bekommt. Es

    handelte sich vielmehr um die Sorte Strahlende Valencia, dieVater Huflattich aus einem auslndischen Samen mit viel Mheaufgezogen hatte. Carola grub eine der Stauden aus der Erdeund pflanzte sie in einen Blumentopf.

    Stefan Wedekind hatte es sich inzwischen in der Badewannebequem gemacht, die Augen geschlossen und war eingeschlafen.Mit offenem Mund drusselnd, sah er nicht gerade wie derschlaueste Schler der 5 b aus.

    Carola hob den Blumentopf stolz in die Hhe. Das ist unserEnergiespender!

    Na, sagte Willi. Httest lieber ein Raumschiff zum Tretenkonstruieren sollen!

    Verstehst du nicht. Diese Stiefmtterchen sammeln Sonnen-

    strahlen. Und wenn die Sonne nicht scheint, geben sie sie wie-

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    13/214

    der ab. Spter werden die Kinder das in der Schule lernen ms-sen, unter dem Namen: Huflattichs-Stiefmtterchen-Effekt!

    Spinnst ja wieder mal!Seelenruhig stieg Carola mit dem Blumentopf in das Sonnen-

    segelweltraumschiff. Sie begann wieder zu zhlen: Neun, acht,sieben, sechs, fnf, vier, drei, zwei, eins, null ...

    Willi bemerkte einen sanften Ruck. Carola schaute selbst einwenig verwirrt auf die Krone des Apfelbaumes, die sich zu n-hern schien. Tatschlich berhrte die Badewanne einen Ast undstreifte eine Handvoll giftgrner pfel ab. Ein Apfel fiel Stefan

    Wedekind auf den Kopf. Er schreckte auf und beugte sich berden Rand der Badewanne. Wir flie ... flie ... flie ... gen, stot-terte er. Ich will ru ... runter. Seine Stimme hrte sich klg-lich an.

    Emmi Winter rieb sich die Augen, kniff sich dann in dieWade, um festzustellen, ob sie trumte oder wach war. GudrunWetterschlag malmte seelenruhig den Kaugummi weiter. Sie

    nickte Carola anerkennend zu und dachte: Hauptsache, wir str-zen nicht ber der Schule ab!

    In einer Kurve lag die Badewanne schrg, und alle konntenHuflattichs Haus sehen, das klein wie ein Spielzeug wirkte. Ge-rade kam Carolas Mutter mit Netz und Einkaufstasche behan-gen von der Arbeit, doch sie blickte nicht hoch.

    Ich will a ... a ... aussteigen, jammerte Stefan.Mach lieber eine Luftaufnahme von meiner Mutter, schrie

    ihm Carola zu.Wedekind ri die Kamera hoch, klick, klick, klapperte es.

    Dann packte Stefan wieder der Schrecken. Ich will runter ...Er beugte sich ber den Badewannenrand. Willi und EmmiWinter hatten zu tun, ihn zurckzuzerren. Um ein Haar wre er

    rausgestrzt.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    14/214

    Ej, Wedekind, schrie Willi, der sich bis jetzt gergert hatte,da er wieder auf eine von Carolas Ideen hereingefallen war.bernimm du die Navigation! In welche Richtung fliegenwir?

    Stefan Wedekind wurde sofort ruhiger. Wir fliegen Sdost,sagte er.

    Seht ihr, wenn er was zu tun hat, vergit er seine Angst,triumphierte Willi.

    Die Badewanne kreiste jetzt ber der Stadt. Stefan gab stn-dig den neuen Kurs an: Sdwest, Nordwest, Nordost.

    Ganz klein sahen sie die Schule. Lehrer Palisander plagtesich auf dem Schulhof mit der Arbeitsgemeinschaft Korbball.Auf dem Dachgarten eines Stadthauses lag eine Frau im Liege-stuhl.

    Sieht aus wie Frulein Prohaska, sagte Carola. Das war dieKlassenlehrerin der 5 b.

    An der Kirchturmspitze hingen zwei Mnner und deckten das

    Dach. Carola erkannte den Vater und seinen ArbeitskollegenAnton Pekune. Der blickte zu ihnen hoch und gestikulierte wildmit den Hnden. Da, sieh doch mal, rief er.

    Nun schaute auch der Vater zur fliegenden Badewanne. Ty-pisch, meine Tochter, sagte er. Die soll mal nach Hause kom-men! Die Badewanne ist nicht zum Fliegen da!

    Die Sonnenstrahlen schienen der Badewanne neuen Auftriebzu geben. Sie stieg steil in die Hhe. Die Kinder rutschten einwenig nach hinten. Wenige Sekunden spter versprten sie einleichtes Schwindelgefhl. Stefan Wedekind begann schwer zuatmen.

    Luft - ich brauche Luft! prete er zwischen den Zhnenhervor.

    Die Luft wird immer dnner. Wir mssen das Sonnensegel-

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    15/214

    Weltraumschiff abdichten! sagte Carola. Sie gab Emmi denStiefmtterchentopf und begann mit Willis Hilfe, Vater Huflat-tichs Folie auszurollen. Fr den Besenstiel mit dem Segel hattesie einen Schlitz geschnitten und einen alten Reiverschlu ein-

    geklebt. An den Rndern der Badewanne flatterte die Folie wild.Gudrun kam auf die entscheidende Idee, wie dem abzuhelfenwar. Sie spuckte den Kaugummi aus, und damit klebten dieKinder die Folie fest. Erst dann ffnete Carola eine der Luftt-ten. Es roch nach Himbeeren. Schon nach wenigen Atemzgen

    beruhigte sich Stefan Wedekind. Willi registrierte, da der uner-

    trgliche Druck in den Ohren abnahm.Emmi Winter begann zu schluchzen.Au Mann, was ist nun wieder los? rief Carola.Vielleicht - sehen - wir - unsere Stadt - nie - wieder!

    jammerte Emmi.Wenn du keine anderen Probleme hast! sagte Carola. Aber

    einen Augenblick dachte sie an den verwilderten Fuballplatz

    in der Stadtrandsiedlung. Es wre schade, den nicht wiederzu-sehen! Einen letzten Blick wollte sie noch riskieren. Da dasRaumschiff ein wenig Schlagseite hatte, konnte sie die Erde se-hen. Von der Stadtrandsiedlung war jedoch nicht die geringsteSpur zu erblicken. Statt dessen entdeckte sie eine zartblulicheFlche mit grnen und braunen Flecken. Wie groe weie Bal-lons schwebten Wolken unter dem Sonnensegelraumschiff.

    Mensch, das ist Italien, Portugal, Spanien ..., rief Wede-kind begeistert. Das ist der schnste Globus, den ich je gese-hen habe.

    Nur unser Haus ist nicht mehr da ..., jammerte Emmi.Willi Neuenhagen blickte Carola lange und vorwurfsvoll an.

    Diesmal, sagte er, wird mir mein Vater Fernsehen, Fuball-

    spielen, Lesen, Sport und berhaupt alles verbieten ...

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    16/214

    Gudrun kicherte leise vor sich hin. Verbieten, verbieten ...,sie mssen uns erst einmal erwischen! Wenn meine Eltern mer-ken, da ich verschwunden bin, werden die vielleicht sogar mit-einander telefonieren.

    Alle wuten, da Gudruns Eltern geschieden waren.Inzwischen war es dmmrig geworden. Die Erde lag wie ein

    groer schwarzer Schatten tief unten. ber den Kindern, vorihnen, hinter ihnen traten die Sterne zuerst schwach leuchtend,dann aber ganz hell hervor.

    Stefan deutete aufgeregt zu einem der Sternbilder. Leute,

    das Kreuz des Sdens! Von unserer Erdhalbkugel ist es niemalszu sehen!Und der Mond? rief Carola. Der Mond bleibt immer wei-

    ter hinter uns. Wedekind, du bist doch superschlau. Kannst dumir sagen, wo wir eigentlich hinfliegen?

    Du bist doch Kommandant!Aber du der Navigator!

    Carola wollte noch etwas hinzufgen, aber das Wort blieb ihrim Halse stecken. Stefan Wedekind schwebte!

    Emmi hrte bei diesem Anblick sofort zu schluchzen auf. Ihrcharakteristisches Lachen ertnte!

    Was kann ich dafr, da ich schwerelos bin, sagte Stefanemprt.

    Aber nicht er allein hatte die Schwerkraft verloren. Alle merk-ten, da sie sich nur mit dem kleinen Finger abzustoen

    brauchten, um zu schweben. Allerdings war das Sonnensegel-weltraumschiff zu eng. Es gab Kuddelmuddel. Alle kichertenund gackerten durcheinander und rangen schlielich nach Luft.Carola mute gleich zwei Lufttten ffnen.

    Pltzlich wurde Carola von einem Sonnenstrahl genau auf der

    Nasenspitze getroffen. Sie mute niesen. Als sie sich wieder

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    17/214

    umdrehte, sah sie die Sonne hinter der Erdkugel. Wie spt istes? fragte sie Stefan Wedekind.

    Fnfzehn Uhr drei.Deine Uhr ist stehengeblieben.

    Nein. Wir sind erst eine Minute unterwegs.Inzwischen war es ganz hell geworden.Dolles Ding, sagte Willi. Man kann Sonne, Mond und

    Erde zugleich sehen.Die Erde wurde bengstigend schnell kleiner.Vielleicht sollten wir umdrehen, sagte Emmi kleinlaut.

    Will etwa jemand morgen das Diktat schreiben? fragte Ca-rola.Alle schttelten die Kpfe.Na, also!Die Erde schien tischtennisballgro zu sein. Auch Carola

    htte gern das Sonnensegelweltraumschiff gewendet und wrezurckgeflogen. Sie wute einfach nicht, wie sie das bewerkstel-

    ligen sollte.Schlielich war die Erde nicht mehr zu sehen. Ringsum

    blinkten nur noch Sterne. Selbst der eifrige Stefan Wedekindwute nicht, wie sie hieen. Er fhlte sich wie die anderen sehrverlassen und drckte einen kleinen Hebel an seiner Digitaluhr.Ganz fein erklang eine Melodie von den Beatles, die alle kann-ten. Carola dachte an die goldbraun gebratenen Puffer der Mut-ter. Willi mute komischerweise an Schnee denken. Emmi kamdas kuschlige Eichhrnchen in den Sinn, das sie jeden Abendheimlich mit ins Bett nahm. Stefan htte gerade in diesemAugenblick gern im Konversations-Lexikon des Vaters geblt-tert. Gudrun fiel nur der Treppenabsatz ein, auf dem frher dieSchuhe der Mutter, des Vaters und des Bruders immer neben-

    einander gestanden hatten, wenn die ganze Familie daheim war.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    18/214

    Sie hatten jedoch nicht lange Zeit, traurig zu sein. Stefan wiesnach vorne. Ein Sternenhaufen schien auf sie zuzukommen.

    Genauso schnell, wie sich die Erde entfernt hatte, rckten diesePlaneten nher. Bald konnten die Kinder einzelne Planetenvoneinander unterscheiden. Merkwrdig war, da es drei Son-nen gab!

    Das Sonnensegelweltraumschiff flog auf Rauch- und Nebel-schwaden zu.

    Sieht aus, sagte Willi, als wrden wir in einen riesigen Fa-brikschornstein sausen.

    Kurz danach tauchten sie in dunkle Wolken ein. Von dendrei Sonnen war nichts mehr zu sehen. Dann wurde es pltzlichsehr hell. Das Raumschiff brannte.

    Feuer an Bord, rief Carola.Wenn das mein Vater erfhrt, macht er mich zur Brief-

    marke, sthnte Willi Neuenhagen.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    19/214

    Der einzige, der vllig ruhig blieb, war erstaunlicherweise Ste-fan Wedekind. Habt ihr nie was ber Weltraumforschung gele-sen? Wenn ein Raumschiff in die Atmosphre eintritt, brennt esinfolge der groen Reibung. Was schlieen wir also aus der Tat-sache, da unser Raumschiff brennt? Er deutete auf Willi.Bitte, Neuenhagen!

    Es gibt hier ... Luft und so ...Das ist eine gute Zwei, Neuenhagen ...Das Feuer war erloschen. Die Plastefolie hatte sich mit einer

    Ruschicht berzogen.

    In der Aufregung bemerkten die Kinder nicht, da ihre Kr-perschwere zurckgekehrt war.Festhalten, rief Carola. Wir werden gleich landen!

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    20/214

    Was ist mit den Bremsfallschirmen? fragte Willi.In diesem Augenblick polterte es. Alle flogen durcheinander

    und landeten recht schmerzhaft mit den Hinterteilen auf demBoden der Wanne. Mit einem Schlag war es im Raumschiff

    stockfinster, denn Emmi hatte den Blumentopf mit der Strah-lenden Valencia fallen lassen und beim Aufprall auf den unbe-kannten Planeten das zarte Pflnzlein breitgewalzt.

    Mein Name ist Hanibal

    Ein Weilchen sthnten alle. Dann hrte man Carolas Stimme:Scheint Nacht drauen zu sein!Doch Willi lste die Folie an einer Stelle, und fades Dmmer-

    licht drang in das Raumschiff.Gleich darauf hrten sie eine knarrige, aber freundliche

    Stimme: Willkommen, Fremde, auf dem Affenstern.Carola sprang als erste aus dem Sonnensegelweltraumschiff.

    Ein groer Affe mit langem Bart und faltigem Gesicht hockteneben einem Gestell, auf dem ein groer Magnet - in Form

    eines Hufeisens- montiert war.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    21/214

    Carola wollte guten Tag sagen, aber die Luft war so stickigund mit Rauch vermischt, da sie husten mute. Die anderenwaren ausgestiegen und umstanden den alten Affen ebenfallshustend.

    Mein Name ist Hanibal, sagte der alte Affe und erhob sich.

    Hier, nehmt erst einmal eine dieser vorzglichen Hustenpastil-

    len.

    Ein bichen mitrauisch griffen alle in das dargebotene Ds-chen. Als sie die Pillen lutschten, legte sich der Husten sofort.Der alte Affe musterte sie sichtlich vergngt. Ich habe immer

    daran geglaubt, sagte er, da es auf anderen Planeten eben-falls Affen gibt. Nun endlich ist mir der Beweis mit Hilfe mei-nes Magneten gelungen. Er hat euch angezogen.

    Wir sind eine Weiterentwicklung des Affen, sagte StefanWedekind belehrend, und dabei scho er ein Foto von dem Af-fen. Wir sind Menschen oder, falls Sie es besser verstehen,Homo sapiens.

    Hanibal lchelte gtig: Soso, eine Weiterentwicklung ...Carola buffte Wedekind rgerlich in die Seite, weil ihr sein

    superschlaues Geplapper auf die Nerven ging. Sie reichte demAffen die Hand. Mein Name ist jedenfalls Carola Huflattich,und das sind meine Freunde ... Sie unterbrach sich und be-trachtete zweifelnd Stefan, Emmi und Gudrun. Dann fuhr siefort: Wir kommen vom Planeten Erde, Klasse 5 b.

    Erde, sagte Hanibal, Klasse 5 b. Dabei verbeugte er sichleicht.

    Sie standen auf einem breiten Sandstrand. Nicht weit ent-fernt brandeten Wellen, das Meer schien sich unendlich auszu-dehnen!

    Eine Badehose mte man haben, sagte Willi. Er streifte

    seine Sandalen ab und rannte zum Wasser.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    22/214

    Halt! Halt! brllte der Affe aufgeregt, aber Willi rannte indie Wellen. Im gleichen Augenblick schrie er jedoch laut aufund sprang zurck auf den trockenen Sand. Der Affe Hanibalzog ihn vom Ufer weg und betrachtete kopfschttelnd Willis rot-angelaufene Fe. Willi jammerte laut.

    Wir mssen ihn in meine Htte tragen, entschied Hanibal.Geradeaus, dort, wo die toten Bume stehen.

    Carola nahm Willi huckepack. Willis leises Jammern machteden Kindern angst. Niemand konnte sich so recht vorstellen,was passiert war. Carola lief der Schwei ber die Stirn. Es war

    auf dem Affenstern viel heier als an den heiesten Sommerta-gen in ihrer Heimatstadt. Und es herrschte eine unangenehmefeuchte Wrme. Nach hundert Metern keuchte sie: Ich kannnicht mehr.

    Emmi und Gudrun verstndigten sich durch einen Blick. Sielegten die Arme so, da sich Willi raufsetzen konnte. Ein Stck-chen weiter bernahmen ihn Hanibal und Stefan. Langsam

    nherten sie sich riesigen kahlen Bumen.In halber Hhe eines der Baumriesen befand sich eine Htte,

    sie war um den Stamm gebaut.Dort hinauf? fragte Carola. Hanibal nickte. Als sie dann am

    Fue des toten Baumes standen, sahen sie, da sich Stufen hin-aufwanden. Man hatte sie in den Stamm geschlagen. Es war

    sehr schwer, Willi hinaufzuschleppen, denn es gab kein Geln-der zum Festhalten. Stefan kmpfte mit einem Schwindelge-fhl. Es schien ihm lcherlich, Angst zu haben, denn den kos-mischen Flug, der viel gefhrlicher war, hatte er doch gut ber-standen.

    Ich will ihn jetzt tragen, sagte er mhsam. Als sich Willi anseinen Rcken klammerte, sprte er nur noch die Last, die

    Angst war vergangen.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    23/214

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    24/214

    der schon in den unteren Klassen. Der Feuerflu Roter Ringelmndet im Siedemeer. Darum ist es so hei.

    Und woher kommt der Flu? wollte Stefan Wedekind sofortwissen.

    Er entspringt dem Fuego-Gebirge. Hanibal zeigte in dieFerne. Vom Fenster aus konnte man weit hinter den Wipfelnunzhliger toter Bume drei riesige flammende Kegel sehen.

    Wedekind fotografierte sofort diese seltsame Erscheinung.Doll, rief er. Das sind Farben!

    Von den Bergen stiegen schwarze Rauchwolken auf.

    Die Rauchwolken, sagte Hanibal, und der Dampf, der vomSiedemeer aufsteigt, umhllen unseren Planeten. Darum habenwir dieses feuchtwarme Klima.

    Scheint hier niemals die Sonne? wollte Carola wissen.Die Sonne! Der alte Affe lie sich das Wort auf der Zunge

    zergehen. In den alten Legenden ist viel von drei Sonnen dieRede. Ich habe mein Leben lang nicht eine erblickt.

    Aber wir haben sie gesehen, bevor wir landeten, rief Gud-run.

    Ihr glaubt nicht, wie ihr mich mit dieser Nachricht erfreut.Dann gibt es sie also noch ... Der alte Affe blickte mit Trnenin den Augen zum wolkenverhangenen Himmel.

    An dieser Stelle wurde das Gesprch durch Emmi Winters

    schrilles Lachen unterbrochen. Sie starrte auf Willis Fe undschttelte fassungslos den Kopf.Au, Mann! schrie Carola. Alle starrten auf Willis Fe. Sie

    waren mit braunem Affenpelz bedeckt.Hanibal kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Ich habe die

    Salbe fr Affen erfunden. Wie konnte ich ahnen, da sie einmalvon unbehaarten Weiterentwicklungen, von Menschen, ge-

    braucht werden wrde!

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    25/214

    Auer Willi lachten alle.Das wird mir mein Vater nie verzeihen, jammerte er.

    Einen Sohn mit Affenfen wird der nicht anerkennen!Lat mir ein wenig Zeit. Irgend etwas werde ich schon erfin-den, erklrte Hanibal. Ihr werdet gewi hungrig sein. Wie sptist es eigentlich?

    Fnfzehn Uhr fnf und dreiundzwanzig Sekunden, riefStefan. Dann stutzte er. Sollten erst drei Minuten seit ihremStart von der Erde vergangen sein? - Doch seine Uhr schien

    vollkommen in Ordnung.Also habt ihr auch die Zeit weiterentwickelt, sagte Hanibal.

    Bei uns gibt es nur zehn Stunden mit je hundert Minuten. Erblickte auf eine Art Thermometer, das an der Wand hing. Esist jetzt sechs Uhr und zweiundsiebzig.

    Denkt mal, wie lang dann die Schulstunde wre, sagte Gud-run.

    Hanibal ging einen Augenblick aus dem Zimmer und kehrtemit einer Schssel voll dampfender braungefleckter Frchte, diewie Birnen aussahen, zurck. Er stellte die Schssel in die Mittedes Zimmers und machte eine einladende Geste. Setzt euch,und lat es euch schmecken!

    Die Kinder lieen sich auf den Boden nieder. Auch Willi

    setzte sich in den Kreis. Die Fe schmerzten ihm nicht mehr.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    26/214

    Hanibal griff in die Schssel und nahm sich eine Frucht. DieKinder taten es ihm nach. Der Geschmack war seltsam, abernicht schlecht. Es gab auf der Erde nichts Vergleichbares.

    Gibt es bei euch auch Grohmchen? wollte Hanibal wissen.Sie sind das Hauptnahrungsmittel der Affensternbewohner. Inmanchen Tlern werden sie sogar faustgro.

    Nach der Mahlzeit fhlten sich alle unendlich mde. Hanibalsah es ihnen an, aber die Kinder stritten es ab. Trotzdem fhrteHanibal sie in einen Raum, der ganz und gar mit Moos bedecktwar.

    Sie legten sich nieder. Ohne Fernsehen kann ich berhauptnicht einschlafen, sagte Carola und ghnte dabei, als wollte siejemanden verschlucken. Schon kurze Zeit spter schnarchte sie.Emmi wollte sich darber lustig machen. Jedoch mitten im Ki-chern schlief sie ein.

    Durch Emmi Winters aufgeregtes Geplapper erwachten alle.

    Emmi rannte von einem Fenster zum anderen und sagte:Mensch, Mensch, Mensch, wenn das gut geht. Wenn blo derolle Baum nicht umkippt ...

    Sofort sprangen alle auf und schauten aus den Fenstern. DieBume wurden von der wogenden See umsplt. Man konntenicht allzu weit sehen, dicker Wrasen hllte die Landschaft ein.

    Unser Sonnensegelweltraumschiff, stie Carola entsetzthervor.

    Hanibal, der unbemerkt eingetreten war, sagte: Guten Mor-gen! Wir haben noch eine Stunde Zeit, dann tritt die Ebbe wie-der ein, und die See zieht sich zurck. brigens habe ich mir er-laubt, euer Sonnensegelweltraumschiff sicherzustellen. Erzeigte nach unten. Die alte Badewanne schwankte wie ein Boot

    auf den Wellen, sie war mit einem Seil am Baum vertut.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    27/214

    Leider, fuhr Hanibal fort, wird das Sonnensegelweltraum-schiff euch nicht mehr von Nutzen sein, denn kein Sonnen-strahl dringt durch die Wolkendecke.

    Du hast zwar den groen Weltraummagneten erfunden,dachte Carola, aber den Huflattich-Stiefmtterchen-Effektkennst du nicht!

    Wir werden Blumen brauchen, sagte sie laut.Blumen? Hanibals Gesicht zeigte Verstndnislosigkeit.

    Wenn ihr glaubt, Blumen knnten euch helfen, sagte erschlielich, dann mt ihr zu meinen Brdern, den Felsenaf-

    fen, gehen. Sie sind hervorragende Naturgelehrte, Grtner undPhilosophen.Und wie finden wir diese Felsenaffen?Ihr mt zuerst die Ebene der toten Bume durchwandern.Hanibal deutete die Richtung mit einer Handbewegung an.

    Etwa fnfzig Steinwrfe weit. Das kann man normalerweise in ei-ner Affensternstunde erreichen. Ihr werdet aber lnger bentigen.

    Warum? wollte Carola wissen.Die toten Bume versuchen, alles Lebendige an sich zu zie-

    hen. Sie halten mich schon viele Jahre gefangen. Ihr aber seidnoch jung und krftig. Ihr werdet es schaffen, ihnen zu entrin-nen. Er winkte alle ein Stckchen nher heran, als wollte erihnen etwas Vertrauliches erzhlen. Haltet die Augen offen.Vielleicht werdet ihr das Geheimnis des Affensterns ergrn-den.

    Welches Geheimnis? riefen die Kinder wie aus einemMund. Ihre Augen leuchteten voller Abenteuerlust. Stefan, derin Sport eine Null war, haute pltzlich mit der flachen Handdurch die Luft, als wollte er einen Karateschlag anwenden.

    Das Geheimnis, warum dieser Stern zu einem glhenden

    Ball erstarrt, auf dem alles Leben sterben wird.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    28/214

    Einen Augenblick herrschte unheimliche Stille in der Baum-htte.

    Na, sagte Gudrun Wetterschlag, ob wir das wohl knnen,wo ich nicht mal wei, wann man das mit s oder mit schreibt.

    Habt ihr nicht gesagt, ihr seid eine Weiterentwicklung desAffen?

    Darauf kannst du Gift nehmen, sagte Stefan Wedekindberheblich und klopfte Hanibal wohlwollend auf die Schulter.Ich persnlich bin Stadtsieger bei der Mathematikolympiade!

    Auf Hanibal schien das jedoch keinen groen Eindruck zu

    machen. Wie konnte ich ahnen, als ich mit meinem Magnetenim Weltenraum fischte, da mir Kinder an die Angel gehen wr-den. Bis gestern war ich fest davon berzeugt, da nur ausge-wachsene Affen fremder Planeten die Weltraumschiffahrt be-treiben.

    Pustekuchen, sagte Emmi weinerlich, und jetzt sitzen wirhier und verglhen womglich mit diesem verdammten Stern!

    Keine Angst, sagte Hanibal, es wird noch ein Weilchendauern.

    Die Flut des Siedemeeres war sichtlich gefallen. Das konntensie an den nassen Rndern der toten Bume sehen. Eine halbeStunde spter wurden die gebleichten Moose auf dem Waldbo-den sichtbar.

    Nach einem ausgiebigen Frhstck mit schmackhaftem Ku-chen aus einer feinen Sorte Grohmchen waren die Kinder auf-

    bruchbereit. Hanibal schleppte fr jeden einen kleinen Beutelvoller Grohmchen herbei. Zur Wegzehrung, murmelte er ge-dankenverloren und legte eine Schachtel Hustenpillen dazu.Irgend etwas schien er noch zu suchen. Endlich fand er es:einen Stein in Gre eines Tennisballes. Bevor die Kinder den

    Stein genauer betrachten konnten, hllte er ihn sorgsam in ein

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    29/214

    Tuch. Ihr drft ihn nur in auergewhnlichen Situationen an-sehen. Er macht bei hufigem Gebrauch dumm. Auerdem rateich euch, den Stein niemandem zu zeigen!

    Willi Neuenhagen deutete anklagend auf seine Affenfe.Und was wird damit?

    Kommt Zeit, kommt Rat, sagte Hanibal. Vielleicht sindsie dir unterwegs von Nutzen. Schuhe bentigst du jedenfallsnicht.

    Hanibal reichte zum Abschied allen die Hand. Ich wrdegern mit euch gehen, sagte er. Vielleicht steht die Htte noch

    auf den Felsen, in der ich meine Kindheit verbracht habe.Wir werden uns danach erkundigen, sagte Carola.Hanibal hob erschrocken die Hnde empor. Erwhnt meinen

    Namen nicht. Die Brder haben mich verstoen. Um allen Fra-gen vorzubeugen, fgte er hinzu: Diese Geschichte ist nichtschnell erzhlt. Und ihr mt die Zeit der Ebbe nutzen!

    Als die Kinder schon einige Meter von der Baumhtte ent-

    fernt waren, rannte ihnen Hanibal nach. Er zog aus seinem Ki-mono eine Rolle und berreichte sie Stefan Wedekind. Duscheinst am besten mit einer Landkarte umgehen zu knnen,sagte der Affe und kehrte um.

    Die Kinder breiteten die Karte auf dem Waldboden aus.Der Planet schien nicht sehr gro zu sein. Den grten Teil

    der Oberflche nahmen das Siedemeer und das Eismeer ein, diedas Festland umschlossen. stlich der Ebene der toten Bumeflo der Rote Ringel ins Siedemeer. - Westlich von ihnen lagSumpfland, und vor ihnen breitete sich die Ebene der toten

    Bume aus. Dahinter ragten die Klippen der Felsenaffen hervor.Na denn, vorwrts, Kumpels! rief Carola.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    30/214

    Die Ebene der toten Bume

    Carola fhrte die Gruppe an. Hinter ihr ging Stefan Wedekindmit der Karte. Dann folgten Emmi und Gudrun. Willi mit sei-nen Affenfen lief am Schlu. Den verhllten Stein trugen sieabwechselnd.

    Stefan hatte bemerkt, da die Baumstmme an einer Seiteeine grne Frbung aufwiesen. Das wird die Wetterseite sein,dachte er. Man braucht also immer nur darauf zu achten, dadie grne Seite der Stmme rechter Hand blieb. Auf dieseWeise wrden sie leicht die Richtung halten knnen.

    Hier liegt etwas! rief Carola nach einem Weilchen.Auf dem farblosen Waldboden leuchtete ein rotes Federb-schel - ein toter Vogel!

    Ist der schn! rief Gudrun.Er wird wohl von der Flut angesplt worden sein, meinte

    Emmi.Denken war noch nie deine Strke, sagte Carola. Der Vo-

    gel ist erst nach der letzten Flut abgestrzt, sonst htte er nichtso leuchtende Farben.

    Emmi war beleidigt. Besonders rgerte sie, da Stefan Carolazustimmte.

    Leider blieb es nicht der einzige tote Vogel, den sie fanden.Das Gefieder der Vgel leuchtete in den schnsten Farben, wieman sie auf der Erde nicht kannte. Es war ein trauriger Anblick,der die Kinder sehr bedrckte.

    Auf einmal hrten sie jmmerliches Schreien ber sich. Einmarineblauer Vogel hockte auf einem kahlen Ast und versuchtewegzufliegen, aber immer wenn er sich aufreckte, die Flgelspreizte, schien er von einer unsichtbaren Kraft zurckgehaltenzu werden.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    31/214

    Carola hielt den Anblick des sich qulenden Vogels nicht aus.Sie sprang in gewohnter Art den Stamm an, um hinaufzuklet-tern. Ihre Fe ruderten verzweifelt in der Luft. Sie fand keinenHalt und rutschte ab, doch sie gab nicht auf. Immer wieder und

    immer wtender versuchte sie, den Stamm zu erklimmen. Aufder Erde gab es keinen Baum, den sie nicht erklettert htte.

    Na, la mal Onkel Willi machen, sagte Willi. Und merk-wrdig, obwohl Willi nie gut im Klettern gewesen war, bezwanger den Stamm im Handumdrehen.

    Na, mit Affenfen ist das natrlich kein Kunststck, mur-

    melte Carola.Willi tastete sich auf dem Ast zu dem Vogel hin. Er nahm an,der Vogel htte sich in einer Spalte des Astes verfangen. Das er-wies sich als Irrtum. Es war nicht zu erkennen, warum der Vo-gel, der Willi hoffnungsvoll anblickte und zu schreien aufgehrthatte, nicht fortflog. Willi versuchte vorsichtig die Fe vom Astzu lsen. Er wollte den Vogel nicht verletzen. Einen Augenblick

    hielt er das Tier triumphierend hoch, dann erhob sich der mari-neblaue Vogel jubelnd in die Lfte.

    Carola, Stefan, Emmi und Gudrun riefen: Bravo! undklatschten Beifall.

    Willi war das Hochgefhl schnell vergangen, nun klebtenseine Hnde an dem Ast. Auch die anderen sahen es jetzt. DieWorte Hanibals kamen ihnen wieder in den Sinn: Die totenBume versuchen alles Lebendige festzuhalten. Carola begannzu ahnen, warum es so viele tote Vgel gab!

    Armer, armer Willi! jammerte Emmi.Mund halten! schrie Carola. Irgendwie bekommen wir

    Willi wieder frei!Nur wie ist die Frage, sagte Gudrun nachdenklich. Ich

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    32/214

    habe eine Idee. Wir sollten uns ausziehen und aus den Kleiderneine Art Seil knpfen. Das werfen wir ihm zu und ziehen.

    Er wird sich die Knochen brechen, wenn er endlich los-kommt, sagte Carola. Es ist ganz schn hoch.

    Macht schon, sthnte Willi. Ich habe doch jetzt Affen-sprungbeine.

    Carola begann sich zu entkleiden. Gudrun schlo sich ihr an.Emmi zgerte einen Moment, dann beeilte sie sich um so mehr.

    Nur Stefan trat verlegen auf der Stelle.Hab dich nicht so, schrie Carola. Oder denkst du, wir guc-

    ken dir was ab. Sie begann, ihre Kleidungsstcke kunstvollmiteinander zu verknoten. Emmis und Gudruns Kleider erga-ben eine beachtliche Lnge Seil, aber dieses Seil war immernoch zu kurz. Sehr zgernd begann sich Stefan WedekindHemd und Jeans auszuziehen. Los, das Unterhemd! forderteCarola. Stefan zog auch das Unterhemd noch aus und versuchtean den nackten Mdchen vorbeizusehen.

    Die Badehose geb ich nicht her, sagte er klglich.Die Schwierigkeit bestand darin, wie jemand, dessen Hnde

    festgehalten werden, ein Seil zu fassen bekommt. Ungefhrbeim zwanzigsten Mal erwischte Willi das Seil mit dem Mundund bi sich darin fest.

    Hol weg! kommandierte Carola. Hol weg!Die Mdchen zogen mit aller Kraft, whrend Stefan Wede-

    kind schamhaft abseits stand.Pltzlich lste sich Willi von dem Ast und sauste in die Tiefe.

    Die Affenfe federten geschickt den Aufprall ab, und auer-dem gelang es ihm, eine Rolle vorwrts zu drehen.

    Alles klar, Willi? fragte Carola. Wir mssen weiter!Alles klar, sagte Willi frstelnd. Mir war, als wrde der

    Baum meinem Krper alle Wrme entziehen. Schrecklich!

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    33/214

    Nach kurzer Zeit war die Gruppe abmarschbereit. Sie wander-ten weiter. Und wieder lagen auf ihrem Weg viele tote Vgel.Pltzlich hielt Carola an.

    Seht euch diesen Vogel an, sagte sie. Alle starrten auf dasrote Bndel. Ohne Zweifel war es der Vogel, den sie zuerst ge-funden hatten. Sogar der Ast, mit dem Carola ihn berhrt hatte,lag noch da.

    Unmglich, da wir im Kreis gelaufen sind, sagte Stefan.Ich habe mich an der Farbe der Bume orientiert!

    Verdammt, hier ist aber auch alles anders als auf unserer gu-

    ten alten Erde, sagte Carola.Wei brigens jemand, wann die Flut wiederkommt? fragteGudrun.

    Niemand beantwortete Gudruns Frage, aber alle wuten, daihr Leben davon abhing.

    Pltzlich tauchte der marineblaue Vogel ber ihnen auf. Erflog so niedrig, da sie den Luftzug, den sein Flgelschlag verur-

    sachte, sprten. Immer wieder flog der Vogel hin und her.Gudrun hielt einladend die Hand empor: Setz dich, Vogel!

    Doch der ging nicht darauf ein.Vielleicht will er uns den Weg zeigen, sagte Emmi.Sie beobachteten den Vogel aufmerksam. Sein Flug schien in

    eine bestimmte Richtung zu deuten.Es bleibt uns nichts anderes brig, als ihm zu vertrauen,

    sagte Gudrun. Ohne lange zu berlegen, ging sie los, und dieanderen folgten ihr.

    Nachdem sie eine lngere Strecke zurckgelegt hatten, schrieCarola pltzlich: Halt! Sie ri Gudrun zurck. Im gleichenAugenblick strzte krachend ein dicker Ast nieder.

    Jetzt bernahm Carola die Fhrung. Der Vogel zeigte ihnen

    eindeutig den Weg.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    34/214

    Willi, der am Schlu lief, rief: Schneller, Leute, schneller!Als sie sich umschauten, sahen sie, wie sich eine dichte Nebel-wand heranschob. Sollte das schon die Flut sein?

    Wie spt ist es, Stefan? wollte Carola wissen.Fnfzehn Uhr sieben. Aber immer noch der gleiche Tag, an

    dem wir abgeflogen sind!Merkwrdig, japste Emmi, dann wren wir erst fnf Minu-

    ten von zu Hause weg.Hinter sich hrten sie ein gewaltiges Rauschen, als wrden

    die toten Bume in Erwartung der Flut aufsthnen. Emmi, die

    gerade den verhllten Stein tragen mute, warf ihn pltzlichfort, um schneller laufen zu knnen.Erst wenige Schritte weiter begriff Willi, was sie getan hatte.

    Ohne ein Wort zu sagen, kehrte er um und nahm den Stein auf.Ohne Grund hat ihn Hanibal uns nicht mitgegeben, dachte er.

    Der Wald hrte auf, und das Gelnde stieg sanft an.Wir sind gerettet, stie Emmi hervor.

    Die siedende Flut wallte heran.Wo ist unser marineblauer Vogel? fragte Emmi.Vergeblich hielten sie Ausschau. Willi allein wute, wo er ab-

    geblieben war. Er hatte ihn in die siedende Flut strzen sehen.Aber er wollte den anderen nicht die Freude verderben.

    Der Knig der blinden Vgel

    Die Dmmerung war hereingebrochen. Gudrun Wetterschlagwarf sich buchlings in das Moos. Ich habe Hunger, da mir derKopf wackelt, sagte sie und begann, ihren Beutel auszupacken.Merkwrdigerweise hatten sich die Grohmchen schwarz verfrbt.

    Eilig ffneten auch die anderen ihre Proviantbeutel. Die

    Grohmchen luden nicht gerade zum Essen ein.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    35/214

    Wie sie aussehen, ist schlielich unwichtig, sagte Willi undbi in eines hinein. Doch er spuckte sofort alles aus. Pfui, Teu-fel, rief er. Der Geschmack dieser Dinger erinnert mich ver-dammt an das Gefhl, das ich hatte, als ich an dem Ast des Bau-mes hing!

    Na, nun hre mal, Neuenhagen, sagte Stefan Wedekind.Ein Geschmack ist noch immer etwas anderes als ein Gefhl!Er bi in eines der Grohmchen, spuckte aber auch. Kleinlautsagte er: Tatschlich, es ist, als wrde man erfrieren ...

    Carola schttete den Inhalt ihres Proviantbeutels aus. Los,

    alles wegschtten, sonst vergiftet sich noch einer!In der Zwischenzeit war es Nacht geworden. Nur die Flam-men des fernen Fuego-Gebirges erleuchteten die Ebene.

    Wir mssen versuchen, sehr schnell zu den Felsenaffen zugelangen. Dort werden wir auch was zum Essen bekommen.

    Stefan hielt Hanibals Karte so, da er sie im fahlen Licht le-sen konnte. Die Klippen, auf denen die Felsenaffen lebten, wa-

    ren noch einige Kilometer entfernt.Sthnend und chzend erhoben sich alle.Einen richtigen Weg gab es nicht. Sie muten quer ber die

    bemooste Ebene gehen. Sie waren etwa eine halbe Stunde gelau-fen, als Carola der Lnge nach hinfiel. Sie wollte wieder auf-springen, doch irgend jemand drckte sie ins Moos. Zuerstnahm sie an, Willi erlaubte sich einen Spa mit ihr. Sie wollteschon wtend werden; doch einen Moment war es ihr gelungen,den Kopf seitwrts zu wenden, und sie sah, wie riesige AffenWilli, Stefan, Emmi und Gudrun am Genick packten. Sie be-griff, sie waren Gefangene.

    Da sind uns ja eklig kleine ffchen in die Fnge gekom-men, hrte sie eine rauhe Stimme sagen. Die haben nicht ein-

    mal Fell!

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    36/214

    Meiner hat behaarte Fe! sagte eine andere Stimme.Carola wurde wieder auf die Fe gestellt und bekam einen

    Schubs.Vorwrts, sagte die rauhe Stimme.

    Emmi wollte losplrren, wie so oft auf dem Schulhof. Carolazischte ihr jedoch ein gebieterisches Ruhe zu, was sofort seineWirkung tat.

    Was trgst du da fr einen Stein? wollte jemand wissen.Das ist ein Stein zum Fuballspielen, sagte Willi mglichst

    gleichmtig.

    Schn dumm, einen Stein zu schleppen, sagte der Affe.Carola atmete erleichtert auf. Hanibals Stein schien zunchsteinmal gerettet.

    Wohin fhrt ihr uns?Mund halten, ihr Glattaffen!Hren Sie mal, lie sich Stefan Wedekinds emprte

    Stimme vernehmen. Wir sind Menschen! Sozusagen eine Wei-

    terentwicklung der Affen!Hrt euch das an, rief der eine. Dabei besitzen sie nicht

    mal ein Fell! Die Affen fielen in sein schallendes Gelchterein.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    37/214

    In einer Senke befand sich ihr Lager. Links und rechts der La-gerstrae standen lange Gestelle. Im Schein der Lagerfeuer er-kannten die Kinder, da darauf angekettete Vgel mit verbun-denen Augen hockten, die von den Affen gefttert wurden. DieKinder warfen begehrliche Blicke auf die Grohmchen.

    Endlich, vor einem groen Zelt, machten die Affen halt. Sielieen die Kinder frei. Der Anfhrer rief: Oh, Knig der blin-den Vgel, wir bringen dir die Glattaffen!

    Ich habe Ihnen bereits gesagt ..., wollte Stefan protestieren,aber sein Bewacher hielt ihm einfach den Mund zu, so da Ste-

    fans Stimme gurgelnd erstarb.Aus dem Zelt trat ein Affe, der eine Krone trug und einen

    weiten Mantel, schwarze Vgel waren darauf abgebildet. SeinGesicht wirkte bse.

    Wisset, Fremde, sagte der Knig, ihr seid meine Gefange-nen!

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    38/214

    Wer gibt Ihnen das Recht ..., rief Carola.Dieses Gebiet hier ist von mir zu >keinem Gebiet< erklrt

    worden, sagte der Knig. Ihr aber seid durch dieses Gebiet ge-gangen.

    Stefan Wedekind schttelte den Kopf. Wenn das hier >keinGebiet< ist, dann knnen wir es nicht betreten haben!

    Ihr seid aber durch das Gebiet gegangen, das >kein Gebietkein Gebiet< nicht ge-hen? fragte sie mit einer Freundlichkeit, die ihr die Situationempfahl.

    Hier ist bungsgebiet fr blinde Vgel, sagte der Knig et-was milder. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, allen blindenVgeln des Planeten das Fliegen beizubringen.

    Das ist wirklich nett! sagte Emmi Winter. Vielleicht knn-ten Sie sich auch zur Aufgabe stellen, halbverhungerten Men-schenkindern etwas Ebares anzubieten!

    Kasagranda, gebot der Knig einem seiner Diener, bringden Fremden ein paar Grohmchen. Aber von den guten!

    Kasagranda starrte seinen Herrn begriffsstutzig an. Ichdenke, es sind Spione. Der Knig gab ihm statt der Antworteinen Tritt, so da er sich in Bewegung setzte. Er wandte sichhflich an die Kinder: Wo seid ihr her, Fremde?

    Wir sind von der Erde, sagte Stefan Wedekind mit Stolz.

    Das ist ein Planet, der sehr weit von hier entfernt ist.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    39/214

    Ho, sagte der Knig, dann werden euch die Fe weh tunvom Marsch. Nehmt Platz und et mit mir!

    Kasagranda kam mit einer groen Schssel Grohmchen ausdem Zelt. Die Kinder griffen eifrig zu. Willi empfand das Ge-sicht des Knigs jetzt nicht mehr so bse.

    Gibt es auf der Erde auch so kstliche Grohmchen? wollteder Knig wissen.

    Grohmchen gibt es nicht. Dafr aber Brot, sagte Carola.Man schmiert Butter und Wurst darauf.

    Die Erdenbewohner nhren sich sehr unterschiedlich, be-

    lehrte Stefan. In einigen Gebieten werden Brot, Kartoffeln alsHauptnahrungsmittel gegessen, in anderen Reis, Mais oder Fla-den aus verschiedenen Getreidesorten.

    Der Knig schaute Stefan offenen Mundes an. Carola httedem Affen beinahe geraten, sich eine Prothese anfertigen zu las-sen, denn in seinem Gebi fehlten viele Zhne. Dazu kam sienicht, weil Emmi als Hauptnahrungsmittel auch Speiseeis

    nannte und Gudrun auf den Vitamingehalt von Kaugummi hin-wies. Der Knig tippte an seine Krone. Gibt es auf der ErdeKnige?

    Kaum, sagte Carola. Sie sind ein bichen aus der Modegekommen.

    Sehr schade, sagte der Knig. Und wie steht es mit Spee-ren?

    Ich kenne einen Speerwerfer, sagte Willi, der war vor einpaar Jahren sogar olympiaverdchtig.

    Der Knig schien Willis Worte ebensowenig zu verstehen wiedie der anderen. Ich meine, sagte er, womit kmpft man beieuch im Krieg?

    Man hat Bomben und Granaten erfunden, die ganze Stdte

    vernichten knnen, sagte Stefan.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    40/214

    Das ist ja betrchtlich, nickte der Knig. Wre einer voneuch in der Lage, so ein kleines Bmbchen zu basteln?

    Bomben, wir? Nee! sagte Willi heftig. Wir sind froh, wennkeine fallen.

    Der Knig nickte. Es interessiert mich nur. Ich selbst habemein Leben einem guten Werk verschrieben. Und auch ihrscheint friedliche Affen zu sein. Ich will also von einer Bestra-fung absehen.

    Nun wurde Willi doch leichter ums Herz.Ein wenig spter wollte der Knig wissen, wohin die Kinder

    gingen. Carola erklrte ihm, da sie hofften, bei den Felsenaffeneine Blume zu bekommen.Die Felsenaffen sind auerordentlich liebe und fleiige Af-

    fen, das seht ihr an mir, sagte der Knig. Heute werdet ihrhier im Zelt bernachten. Morgen frh knnt ihr dann gehen.Ich gebe euch ein Geschenk fr die Brder mit!

    Die Kinder legten sich auf das Moos des Zeltbodens nieder.

    Carola lag neben Willi. Was hltst du von diesem Knig? tu-schelte sie ihm zu.

    Der sieht nur ein bichen bse aus. Wahrscheinlich ist erganz in Ordnung.

    Na, sagte Carola, ich glaube, er ist ein ganz falsches Aas!Sie verstndigten sich untereinander und wollten der Reihe

    nach wach bleiben, um beobachten zu knnen, wenn etwas Ver-dchtiges geschah. Carola bernahm die erste Wache. Sie solltedann Willi wecken. Der Knig legte sich ebenfalls schlafen. Er

    begann sofort so rhythmisch zu schnarchen, da Carola aucheinschlief. Darum konnte sie Willi nicht wecken. Und Willikonnte demzufolge Gudrun nicht ... na, und so weiter.

    Sie wachten alle zusammen am anderen Morgen auf. Der K-

    nig war schon auf den Beinen. Sie hrten, als sie aus dem Zelt

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    41/214

    traten, wie er einem Zug Greifvgel Kommandos zurief, der inder Luft mit verbundenen Augen bte.

    Der Diener Kasagranda bat sie mit einer einladenden GestePlatz zu nehmen. Eine Schssel mit gebratenen Grohmchen warschon aufgetragen.

    Na, siehst du, wir leben noch! sagte Willi zu Carola.Sie nickte, schaute aber zwei Affen nach, die eine Stange mit

    angeketteten Greifvgeln zum Flugfeld trugen.Warum sind die Vgel angekettet? fragte Carola Kasa-

    granda.

    Sie knnten sonst herunterfallen - die armen blinden Ge-schpfe, sagte er. Carola schien es, als wrde er ein Grienenunterdrcken.

    Nach dem Frhstck kam der Knig zu ihnen, um sich zuverabschieden. Er winkte Kasagranda, der mit einem kleinenKrug abseits stand.

    In diesem Krug befindet sich eine Flssigkeit, sagte der K-

    nig, die unverwundbar macht, wenn man sich damit einreibt.berreicht ihn den Felsenaffen als Geschenk von mir.

    Carola nahm den Krug vorsichtig.Bring den Brdern die besten Gre von Thilo.Wer ist Thilo? wollte Willi wissen.Thilo bin ich, sagte der Knig. Aber erwhnt den Felsenaf-

    fen gegenber nichts von meiner Knigswrde. Das wrde sienur wtend machen. Sie sind ein wenig eigenartig. Ihr werdet esselbst merken. Ach, bevor ich's vergesse, auch ber die Vgelsagt nichts. Sie mgen sie nicht!

    Wahrscheinlich, weil sie die Kirschen von den Bumen pic-ken, sagte Emmi.

    Mein Onkel stellt wegen der Stare immer eine Vogelscheu-

    che auf, sagte Carola.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    42/214

    Der Stamm der Vogelscheuchen ist mir so unbekannt wieKirschen. Doch mit guten Vorschlgen knnt ihr das Vertrauender Felsenaffen gewinnen, sagte der Knig. Sie sind sehr mi-trauisch. Wenn ihr euch ihnen nhert, ist es am besten, so zutun, als wrdet ihr sie nicht sehen, sonst rennen sie weg. Wennihr sie begren wollt, dann tut so, als wrdet ihr vor euch hinsprechen. Ich sagte ja, sie sind sehr eigenartig. Falls ihr etwasseht, das euch interessiert, lat es nicht merken. Sie sind stndigin Angst, da ihnen jemand ihre Geheimnisse stiehlt.

    Die Kinder bedankten sich beim Knig der blinden Vgel.

    Gestattest du, Knig der blinden Vgel, da ich ein Fotovon dir schiee? fragte Stefan ehrerbietig.Auf der Stirn des Knigs zeigte sich eine tiefe Zornesfalte.

    Das ist also der Dank fr meine Gastfreundschaft! rief er. Erwill auf mich schieen!

    Kasagranda ri Stefan den Fotoapparat aus der Hand. Dichwerden wir damit erschieen, sagte er. Dabei richtete er das

    Objektiv auf Stefan und drckte ab. Stefan lchelte, weil er im-mer lchelte, wenn ihn jemand fotografierte.

    Es scheint nicht weh zu tun, sagte der Knig. Vielmehrsieht es so aus, als wre es angenehm.

    Stefan nahm Kasagranda den Fotoapparat wieder aus derHand und richtete das Objektiv auf den Knig.

    Ich befrchtete schon, ihr wolltet Unfrieden auf unseremPlaneten stiften. Nun aber bin ich beruhigt. Geht in Frieden da-hin!

    Die Kinder machten sich auf den Weg.Du warst zu mitrauisch, sagte Willi zu Carola. Es sind

    gutmtige Affen. - Nur ein wenig dumm.Hoffentlich, antwortete Carola.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    43/214

    Carola sagt: W-a-h-n-sinn!

    Als die Kinder die Bodensenke hinter sich lieen, sahen sie inder Ferne steil aufragende Felsen, die unterschiedlich hoch wa-ren und sich nach oben hin verbreiterten.

    Als sie nher herankamen, konnte man Einzelheiten erken-nen. Manche Felsen waren von niedrig gewachsenen Bumenbedeckt. Auf anderen waren steinerne Gebude mit Trmen er-richtet und einzelne Klippen durch waghalsig anmutende Brc-ken verbunden. Nirgends jedoch war eine Aufstiegsmglichkeitzu erkennen.

    Wahrscheinlich knnen die Felsenaffen fliegen, sagte Ca-rola. Ich kann es jedenfalls nicht!Abwarten, Onkel Willi findet schon irgendeine Treppe!Mich kriegen da keine zehn Pferde rauf, sagte Emmi.Zehn Pferde, sagte Gudrun. Ich habe hier noch kein einzi-

    ges Pferd gesehen, sonst wre ich lngst wieder zu Hanibal ga-loppiert!

    Und wie willst du jemals zur Erde zurckkommen? wollteStefan wissen.

    berhaupt nicht, solange sich meine Eltern nicht wieder ver-tragen!

    Seht mal da! rief Willi pltzlich.Nicht weit von ihnen entfernt arbeitete eine Gruppe Affen.

    Mit Schaufel und Spaten schippten sie irgend etwas in hlzerneMulden.

    Emmi begann zu winken und wollte die Affen anrufen, alsCarola den Finger auf die Lippen legte und warnend zischte:Denk daran, was Thilo ber die Felsenaffen gesagt hat!

    Willi schaute auf das Moos zu seinen Fen. Ach, sagte erlaut, ich htte Lust, irgend jemandem einen schnen Tag zu

    wnschen.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    44/214

    Nicht nur einen schnen Tag, sagte Carola, die ebenfallsvermied, zu den Affen zu schauen. Ich wnschte auch Gesund-heit und Wohlergehen!

    Und viele Geschenke zu Weihnachten ..., rief Emmi.... und ein hervorragendes Schulzeugnis, so eines wie

    meins, ergnzte Stefan.Carola beobachtete aus den Augenwinkeln, wie die Felsenaf-

    fen weiterarbeiteten. Aber ihre Mienen lieen erkennen, da siedie Gre gehrt hatten.

    Wenn mich einer freundlich gren wrde, sagte einer der

    Affen, wrde ich freundlich zurckgren.Zum Beispiel knnte man demjenigen guten Tag wn-schen.

    Warum nicht auch Gesundheit!Man knnte den fremden Affen alles Schne und Gute wn-

    schen, wenn sie nur recht schnell vorbergingen, sagte eine Af-fenmutter, die ihr Kind auf dem Rcken trug.

    Verdammt, die wollen uns abwimmeln, dachte Carola. Aberwer eine Huflattich abwimmeln will, der mu frher aufstehen!Sie tat so, als wrde sie stolpern, und schrie dabei laut: Au,

    jetzt habe ich mir den Fu verknackst! Sie lie sich mitschmerzverzerrtem Gesicht auf einen Felsbrocken sinken. Dieanderen umringten sie sofort.

    Willi sagte besorgt zu Carola: Du wirst mir doch keinenKummer machen!Carola kniff verschmitzt ein Auge zu. Die legen wir rein,

    flsterte sie. Gleich darauf schrie sie wie am Spie: Auuuuaah,Auuuuuaaah! Ist das ein furchtbarer Schmerz!

    Die Felsenaffen lieen ihre Schaufeln fallen und eilten her-bei. Sie umstanden die jammernde Carola. Ein Affe beugte sich

    ber ihren Fu. Vielleicht helfen kalte Umschlge, meinte er.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    45/214

    Nein, sagte die Affenmutter, sie mu zum Arzt!Ho, ho, wenn das man kein Trick ist, um bei uns auf den

    Felsen was abzugucken! meinte einer der Affen. Er tastete Ca-rolas Knchel ab und schttelte den Kopf. Nichts zu spren!

    berhaupt, was geht es uns an! sagte ein anderer.Es sah so aus, als wrden sich die Affen abwenden, um wieder

    ihrer Arbeit nachzugehen.Willi berlegte krampfhaft, wie er die Felsenaffen zurckhal-

    ten konnte. Zufllig fiel sein Blick auf den Krug, den Carola ne-ben sich gestellt hatte. Wenn wir schon hier sind, sagte er,

    sollten wir wenigstens Thilos Geschenk berreichen!Carola hrte mit dem Gejammere auf. Ja, wir mten einenVerantwortlichen finden.

    Ich bin der Leiter des Bodentransportes! sagte einer der Af-fen. Wenn ihr es mir bergebt, werde ich es dem weisen Jangoaushndigen.

    Thilo hat uns aufgetragen, dem weisen Jango selbst den

    Krug zu berreichen, log Carola.Die Felsenaffen sahen sich ratlos an. Fremde, sagte der Lei-

    ter des Bodentransportes, wir leben seit vielen Generationenim Frieden und widmen uns den Wissenschaften. Der Friedenist uns nur erhalten geblieben, weil wir auf diesen unbezwingba-ren Felsen leben und jeden Umgang mit anderen Affen ableh-nen. Wir halten uns aus allem heraus. Mgen sich die Lang-schwanz- und die Kurzschwanzaffen gegenseitig die Kpfe ein-schlagen, wir nehmen es nicht zur Kenntnis. Aber immer wiederschicken sie Spher, um bei uns etwas herauszufinden, was demeinen oder dem anderen im Kriege irgendeinen Vorteil ver-schafft. Darum mt ihr verstehen, Glattaffen, da wir aucheuch nicht erlauben knnen, unsere Felsen zu betreten. Behal-

    tet also das Geschenk des guten Thilo und zieht weiter!

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    46/214

    Emmi fing pltzlich laut zu heulen an. Dann werden wir un-sere Erde niemals wiedersehen.

    Dumme Gans, brummte Carola. Laut sagte sie: AchtenSie nicht auf ihr Geplapper. Sie wei nicht, was sie redet.

    Der Leiter des Bodentransportes sagte: Erde? Erde? Ist dasnicht ein ferner Planet? Wir erhielten schon hufig Radiosignalevon dort. Selbstverstndlich haben wir bisher jeden Kontakt ver-mieden.

    Sollten wir nicht, ich meine, knnten wir nicht ..., stam-melte ein Felsenaffe mit einem gewaltigen Schnurrbart. ... es

    wre eine Bereicherung fr die Wissenschaft ... Dort auf derErde leben Glattaffen, die behaupten, keine Affen zu sein, son-dern Mnschen.

    Was heit hier behaupten, emprte sich Stefan. Undauerdem heit es Menschen!

    Es wre zu bedenken, ob ein direkter Kontakt mit den Glatt-affen unserer Wissenschaft ntzlich sein knnte, sagte der Lei-

    ter des Bodentransportes. Andererseits habe ich einige Bildergesehen, die von der Erde gesendet wurden. Das waren lauterAlbernheiten. Offensichtlich vertreibt man sich auf der Erde da-mit die Zeit, da dauernd Geschichten in Bildern erzhlt wer-den, in denen sich die Glattaffen gegenseitig mit allerlei Gert-schaften umbringen. Einige gewitzte Kerlchen mssen dannherausbringen, wer wen umgebracht hat. Merkwrdiger Zeitver-treib!

    Ach, Sie meinen die Fernsehkrimis, rief Carola erfreut.Dolles Ding, da man bei Ihnen unser Fernsehen empfangenkann!

    Gudrun legte Hanibals Stein vorsichtig ins Moos.Was ist das? wollte der Leiter des Bodentransportes wissen.

    Ein Stein - von Hanibal, sagte Gudrun arglos.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    47/214

    Hanibal! riefen die Felsenaffen wie aus einem Munde undrckten von den Kindern ab.

    Mchte blo wissen, was die gegen Hanibal haben, sagteGudrun emprt.

    Er ist ein Abtrnniger, antwortete der Leiter des Boden-transportes. Er ist fortgezogen, um sein Wissen unter den Affendes Planeten zu verbreiten. Allerdings konnte er diese teuflischeAbsicht nicht verwirklichen, weil ihn der Wald der toten Bumegefangenhlt.

    Und das ist gut so, murmelten einige Affen.

    Die Affenmutter mischte sich ins Gesprch: Immerhin ist ereiner von uns. Und er ist der Bruder des weisen Jango. Bevor wirdie Glattaffen wegschicken, sollten wir uns mit Jango beraten.

    Die Affen nickten. Daraufhin ging der Leiter des Bodentrans-portes abseits und begann, auf einer Flte zu spielen. Als Ant-wort ertnte von oben ebenfalls eine Melodie.

    Sieh an, dachte Carola, sie haben hier so etwas wie Telefon.

    Nach einem Weilchen trat er wieder in den Kreis: Die Wei-sung lautet: Den Fremden die Augen verbinden und sie durchden Felsen Maradar hinaufbegleiten. Die Fremden brauchenauerdem nicht die ganze Pflicht zu erfllen!

    Die Kinder schauten sich verstndnislos an.Die Pflicht lautet, da jeder, der die Felsen erklimmt, eine

    Mulde voll Boden hinauftrgt. Ihr mt nur die Hlfte tragen!Auch noch schleppen! emprte sich Emmi. Warum denn

    das?

    Der Leiter des Bodentransportes sagte: Es ist eine unsererLebensaufgaben, Boden hinaufzutragen, damit oben etwas ge-deiht.

    Mal mt ihr doch genug davon haben! warf Willi ein.

    Die Affen machten betrbte Gesichter. Einer sagte: Wenn es

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    48/214

    regnet, wird ein Teil des Bodens wieder hinuntergeschwemmt.Darum haben wir immer zu tun.

    W-a-h-n-sinn, stie Carola hervor und dachte an diese Rie-senarbeit, gegen die das Unkrautzupfen in Papas Garten einKinderspiel war.

    W-a-h-n-sinn, sagte sie noch einmal. Doch das verstandendie Felsenaffen offensichtlich nicht.

    Die Sprache der Tne

    Der Felsenaffe mit dem Schnurrbart verband ihnen die Augen.Gudrun nahm Hanibals Stein und den Krug mit der Flssigkeit.Die anderen trugen zwei halbgefllte Mulden.

    Der Leiter des Bodentransportes sagte: Hermes wird euchfhren. Guten Aufstieg!

    Hermes hie der Affe mit dem Schnurrbart. Carola war froh,da man ihn zum Fhrer auserwhlt hatte. Er erschien ihr sehr

    sympathisch.Geradeaus! befahl Hermes. Und nach einem Weilchen:

    Halb links! Rechts! Geradeaus!Carola hatte das Gefhl, als liefen sie im Kreise. Sie ver-

    suchte allerlei Fratzen zu schneiden, damit sich das Tuch ver-schob. Das war mhsamer als das Tragen der Mulde. Schlielichschaffte sie es und konnte durch einen winzigen Spalt schielen.

    Sie gingen auf einem schmalen Weg zwischen einer Felswandund einem Bach, der sich wenig spter zu einem kleinen knst-lichen Teich erweiterte.

    Halt, kommandierte Hermes. Heimlich beobachtete Ca-rola, wie der Affe ein Tau aus dem Wasser fischte, das Ende umeinen Stock wand und angestrengt daran zerrte. Pltzlich gab es

    einen Ruck, und Hermes fiel auf den Allerwertesten. Carola

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    49/214

    konnte mhsam ein Kichern unterdrcken. Im Teich bildetesich ein Strudel, und der Wasserspiegel sank von Minute zu Mi-nute. Carola begriff, da Hermes einen gewaltigen Stpsel ausdem Teichgrund gezogen haben mute. Das Wasser flo ab.Wahrscheinlich hatte der Affe vorher, ohne da es Carola sehenkonnte, den Zuflu gesperrt. Sie schaute sich unauffllig um.Tatschlich, sie entdeckte ein Wehr. Als das Wasser gurgelndverschwunden war, sagte Hermes: Vorsichtig geradeaus. Ihrwerdet jetzt zehn Stufen abwrts steigen. Die Stufen sind glit-schig!

    Ich denke, wir wollen auf die Felsen, maulte Emmi. Nie-mand antwortete ihr. Alle waren damit beschftigt, die Muldenzu schleppen.

    Hermes geleitete die Karawane ber den felsigen Grund desTeiches zu einem Stollen. Der Weg stieg wieder an. Als sie un-gefhr die Hhe des Uferweges erreicht hatten, rief Hermes:Setzt die Mulden ab! Ihr drft auch die Tcher abnehmen!

    Sie hatten ihre Last noch nicht abgesetzt, als sie ein Rau-schen und Gurgeln vernahmen. Carola begriff: Hermes lie wie-der Wasser in den Teich.

    Als sie sich umwandte, sah sie: Der Durchgang stand unterWasser. Von dort kam auch das mattdmmrige Licht, das denStollen kmmerlich erleuchtete.

    Hermes ergriff eine der zahlreichen Laternen, die auf Bretternan der Wand standen. Aus einem Gef entnahm er einen Steinund schlug ihn heftig gegen die Felswand. Der Stein begann zubrennen und ein rotgelbes Licht zu verbreiten. Hermes warf ihnin die Laterne.

    Nehmt euch auch eine Lampe. Ihr knnt sie auf die Muldenstellen.

    Stefan betrachtete interessiert die Steine in dem Behlter.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    50/214

    Es sind einfache Feuersteine, sagte Hermes erklrend. Dergrte Teil unseres Planeten besteht daraus.

    Das ist aber gefhrlich, sagte Stefan.Der Affe mit dem Schnurrbart nickte nachdrcklich. Ihr

    habt doch gewi das Fuego-Gebirge gesehen? Es brennt. Unddas Feuer breitet sich allmhlich ber den ganzen Planeten aus.Der Rote Ringel, ein Flu, der in den Fuego-Bergen entspringt,hat das Land weiter nrdlich von hier in Flammensmpfe ver-wandelt. Jedes Jahr nimmt sich das Feuer mehr!

    Welcher Strolch hat das Feuer angezndet? fragte Carola.

    Es gibt Geschichten, aus denen hervorgeht, wer es angeblichgetan hat. Aber darber mchte ich schweigen. Es ist unseroberster Grundsatz: Wir Felsenaffen schweigen und mischenuns nicht ein.

    Haben Sie nicht Angst, da Ihre Felsen mal abbrennen?wollte Emmi wissen.

    Hermes schttelte langsam lchelnd den Kopf. Der Fels

    brennt nicht! Aber, bitte, lat uns jetzt weitergehen!Sie nahmen die Mulden auf und folgten dem Gang durch den

    Fels, der sanft, aber stetig anstieg. brigens schien es allen, alswrde die Last immer schwerer. Emmi blieb unvermittelt ste-hen.

    Warum soll ich immer das Schwere tragen, whrend sie sicheinen schnen Tag macht! Anklagend blickte sie zu Gudrun.Du solltest mit mir tauschen!

    Meinetwegen, sagte Gudrun und bergab Emmi den Steinund das Gef. Willig packte sie mit Stefan Wedekind dieMulde.

    Nach einem Weilchen begann Emmi wieder zu jammern:Das ist ja noch schwerer! Du hast es gewut, Gudrun! So was

    will meine Freundin sein!

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    51/214

    Also gut! sagte Gudrun. Tauschen wir wieder.Die Felsenaffen sind doch schlaue Leute, sagte Emmi.

    Warum habt ihr keinen Fahrstuhl gebaut? Sie setzte die Lastso unverhofft ab, da Stefan die Mulde beinahe fallen lie.

    Hermes blieb stehen. Er lchelte. Vielleicht gibt es einensolchen Fahrstuhl!

    Na, das ist ein Ding, rief Carola. Warum lassen Sie unshier rackern?

    Der Fahrstuhl ist auer Betrieb!Bei uns im Hochhaus geht der Fahrstuhl auch dauernd ka-

    putt, sagte Stefan Wedekind.Wir haben den Fahrstuhl selbst auer Betrieb gesetzt, sagteHermes. Ein jeder soll spren, wie schwer das Leben ist! Er l-chelte hintergrndig.

    Ich will kein schweres Leben, erwiderte Emmi. Ich will einschnes Leben.

    Nur ein schweres Leben ist schn, sagte Hermes. Wenn al-

    les immer nur leicht ist, werden die Affen schnell unzufrieden.Sie verlieren ihren Stolz, weil sie nichts getan haben, was stolzmacht.

    Willi dachte darber nach. Er gab dem Affen innerlich recht.Einmal hatte er die Aufgaben fr die Mathearbeit schon einenTag vorher im Lehrerzimmer liegen sehen. Er hatte sich die L-sungen und die Lsungswege aufgeschrieben. Natrlich hatte ereine Eins bekommen. Die hatte ihn aber nicht richtig froh ge-macht.

    Als der Fahrstuhl noch in Gang war, sagte Hermes, wur-den die Felsenaffen von Tag zu Tag dicker. Wir muten einTrainingsgert erfinden, das genausoviel Kraft erforderte wiedas Hinauftragen des Bodens.

    In der Ferne erklang Musik.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    52/214

    Hrt ihr das? fragte Hermes. Das ist Angela. Sie ist Profes-sor fr Musik.

    Diese Musik hatte wenig mit der Musik, wie man sie auf derErde kannte, gemeinsam. Trotzdem klang sie den Kindern nichtunangenehm in den Ohren.

    Pltzlich brach sie ab. Man hrte Fe schurren.Die Vorlesung ist beendet, sagte Hermes. Die Studenten

    gehen nach Hause.Bald darauf erreichten die Kinder einen groen Saal, der in

    den Fels gehauen war. Eine Wand wurde vom Tageslicht erhellt.

    Stefan erkannte als erster, da diese Wand aus durchsichtigenQuarzen bestand. Die Landschaft drauen konnte man nur ver-schwommen erkennen.

    Setzt eure Lasten ab, sagte Hermes. Schaut euch um! Vorder durchsichtigen Wand stand ein Gestell mit Tasten, hnlicheinem Klavier. An der Stirnfront des Saales ergo sich ein Was-serfall und verursachte glockenhnliche Tne.

    Was ist das? fragte Stefan und wies auf ein umstndlichesSystem von Hunderten kleiner Rhrchen, die an fast unsicht-

    baren Fden in unmittelbarer Nhe des Wasserfalles aufgehngtwaren.

    Eine Affenfrau in dunklem Gewande trat in den Saal.Dies sind Glattaffen von der Erde, stellte Hermes die Kin-

    der vor.Stefan Wedekind wollte widersprechen, aber er sprte recht-

    zeitig, wie sinnlos das war.Die Affenfrau musterte sie kurz mit einem freundlichen L-

    cheln. In welchem Studienjahr seid ihr?Wir sind aus der 5 b, sagten alle wie aus einem Mund.Die Professorin konnte offensichtlich nicht viel mit ihrer Ant-

    wort beginnen. Sie ging zu dem klavierhnlichen Instrument

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    53/214

    und schlug einige Tasten an. Es erklang wieder jene Musik, diesie schon aus der Ferne gehrt hatten.

    Willi stie Stefan Wedekind an und deutete auf den Wasser-fall. Tolle Idee, hauchte er.

    Stefan begriff: Wenn man eine der Tasten anschlug, wurdeWasser durch ein bestimmtes Rhrchen geleitet und ergo sichauf eine steinerne Sule, die einen Ton von sich gab.

    Die Professorin schlug krftige Akkorde an. Die Kinder sa-hen, wie das Wasser aus vielen Rhrchen hervorscho und dieSteine zum Singen brachte.

    Hermes berhrte die Professorin leicht am rmel. Angela,vielleicht bittest du die Glattaffen, etwas fr uns zu spielen.

    Die Professorin machte eine einladende Geste. Carola, dieam nchsten stand, schlug die Tasten mit einem Finger an. Eserklang der weltbekannte Hit: Hnschen klein, ging allein, in

    die weite Welt hinein ...

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    54/214

    Angela sagte lchelnd: Ich verstehe diese Botschaft nicht!Was fr eine Botschaft? fragte Carola.Nun, jede Musik berbringt doch irgendeine Weisheit oder

    nicht? Angela spielte eine kurze, sehr einprgsame Melodie.

    Verstehst du nicht? fragte sie. Es bedeutet - wenn a klei-ner ist als b, dann ist b grer als a.

    Gudrun drngelte sich nach vorn. Knnen Sie auch die Re-geln fr die Rechtschreibung darauf spielen? - Zum Beispiel,wann man das mit s und wann mit schreibt ...

    Die Professorin Angela schlug spielerisch ein paar Tne an.

    So einfach ist das ...Aha, sagte Gudrun, obwohl sie die Tne nicht verstandenhatte.

    Stefan, der schon eine Weile ungeduldig herumzappelte,setzte sich auf den Schemel und fing an zu spielen.

    Obwohl Carola und Willi oft ber ihn gespottet hatten, weiler dreimal in der Woche zur Klavierstunde ging, waren sie

    jetzt stolz auf ihn, weil er sozusagen die Ehre der Glattaffenrettete.

    Die Professorin und Hermes hrten intensiv zu. Als er ge-endet hatte, klatschten sie in die Hnde. Ist dir diese Melodieallein eingefallen? wollte Angela wissen.

    Stefan Wedekind wurde verlegen. Nein, das ist doch ein Im-promptu von Schubert.

    Impromptu ..., emprte sich Carola, die Stefans Art, klugzu schwtzen, nicht ausstehen konnte.

    Was kann ich dafr, wenn es so heit ...Die Professorin beachtete den Streit der beiden nicht. Nach-

    denklich sagte sie: Die Botschaft dieser Melodie ist schwer inWorte zu fassen. Der Erfinder dieser Melodie scheint sagen zu

    wollen, das Leben der Glattaffen ...

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    55/214

    ... Menschen ..., korrigierte Stefan.Das Leben der Menschen ist traurig und gleichzeitig lu-

    stig ..., es ist ganz ernst und sehr heiter ...Das ist doch richtig, rief Emmi. Ich kann traurig und lu-

    stig zugleich sein ... Als wollte sie ihre Worte beweisen, be-gann sie, auf ihre Art zu kichern.

    Mssen alle Felsenaffen dieses Wasserfallklavier spielenknnen? fragte Willi.

    Ja, natrlich! Sonst wrden sie doch die Mathematik, Physikund Grammatik nicht verstehen.

    Besser als Diktate schreiben, sagte Carola.Hermes verbeugte sich vor Angela. Die Gste von der Erdedanken fr deine Erklrungen ...

    Ja, ja, ja ..., stammelten die Kinder.Hermes bat sie, die Lasten wieder aufzuehmen.Schade, da man Tne nicht fotografieren kann, sagte Ste-

    fan.

    Whrend sie den Felsensaal verlieen und in einem der Stol-len untertauchten, spielte Angela wieder eine Melodie.

    Stefan sthnte: Mir ist so, als wrde ich in der nchsten Se-kunde begreifen, was sie uns sagen will, aber dann ist es wieweggeblasen.

    Emmi summte die Melodie mit. Pltzlich unterbrach sie sich:

    Ich verstehe immer: Prfe, ob klein a klein a ist, ob gro Agro A ist ...Hermes lchelte Emmi zu: Du bist wirklich sehr musika-

    lisch. Du hast es ganz richtig gedeutet.Aber ist das nicht sinnlos?Nein, es ist eine Weisheit, sagte Hermes.Alle dachten nach, ohne den Sinn der Weisheit entschlsseln

    zu knnen.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    56/214

    Und Carola dachte: Wenn die hier so weise sind, mssen siedoch stndig Kopfschmerzen haben.

    Nach einem steilen Anstieg wurde es im Stollen langsam hel-ler. Sie nherten sich einem Durchla, der ins Freie fhrte.berrascht standen sie auf einer der steinernen Brcken, diezwei Felsen miteinander verbanden.

    Stefan schauderte, als er in den Abgrund blickte. Er zogEmmi eilig auf den gegenberliegenden Felsen. Erst dortkonnte er sich die Landschaft in aller Ruhe ansehen.

    Gespenstisch ragten die ste der kahlen Bume in den grau-

    verhangenen Himmel.Wenn man sich anstrengte, konnte man auch auf einem derBume in Richtung des Siedemeeres einen dunklen Punkt er-kennen: Hanibals Baumhtte.

    In anderer Richtung lag das Fuego-Gebirge. Carola hielt un-willkrlich nach dem Knig der blinden Vgel Ausschau. We-der ihn noch seine Vgel entdeckte sie.

    Zum ersten Mal sahen die Kinder riesige rote Felder in derFerne. Das wird Heidekraut sein, sagte Stefan.

    Hermes schttelte bedauernd den Kopf. Es sind die Flam-mensmpfe. Wenn ihr ganz genau hinseht, knnt ihr ThilosHaus sehen.

    Willi machte eine Htte in weiter Ferne aus. Sie war armselig

    und hatte berhaupt nichts von einem Schlo an sich. Warummochte Thilo, der Knig der blinden Vgel, in solch einer elen-den Htte hausen?

    Auch Thilo ist einer unserer Brder, sagte Hermes. Er istder krftigste Felsenaffe, den man je gesehen hat. Mit einemMale kann er drei Lasten Boden hinauftragen. Leider ist ernicht sehr klug. Er verlie uns, weil er unseren Reden und unse-

    ren Melodien nicht folgen wollte. Er verriet aber keines unserer

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    57/214

    Geheimnisse, denn er besitzt einen festen Charakter.Wer hat ihm beigebracht, blinden Vgeln das Fliegen zu leh-

    ren? platzte Emmi heraus.Carola fate sich an die Stirn. Emmi begriff, da sie sich ver-

    plappert hatte.Hermes runzelte die Stirn: Er bringt blinden Vgeln ...Nein, nein, rief Carola dazwischen. Er sprach nur einmal

    von blinkenden Vgeln, die manchmal vorberfliegen.Blinkende Vgel, wiederholte Hermes. Wer htte schon

    einmal blinkende Vgel gesehen! Nun, ich sagte es ja, unser

    Thilo war nie der Schlaueste!Sie nahmen die Lasten wieder auf und gingen weiter. Schonnach kurzer Zeit erreichten sie Felsenaffen, die mit Harken denBoden gleichmig auf einem Felsen ausbreiteten. Hermesgrte die Affen mit einer Handbewegung. Die Kinder nickten.Doch die Felsenaffen beachteten sie nicht.

    Man kann den Boden hierherschtten, sagte einer der Af-

    fen wie zu sich selbst und deutete auf eine Stelle. Whrend dieKinder die Mulden entleerten, fragte Hermes den Affen: Wassoll hier gepflanzt werden?

    Wenn es nach mir ginge, Sonnenblumen ...Hermes lachte. Kann ich mir vorstellen. Aber sie sind ja, so-

    lange ich denken kann, nicht mehr gewachsen.

    Der andere Affe nickte trbsinnig. Darum sen wir Grohm-chen.Willi und Carola tauschten Blicke. Hoffentlich wuchsen auf

    diesem lausigen Planeten berhaupt Blumen!Von den Lasten befreit, schlenderten sie in Richtung der Ge-

    bude. Carola hatte den Krug und Willi den Stein genommen.Irre, sagte Carola, als sie bemerkte, da Hermes auf einen

    seltsamen Bau zusteuerte. Es war ein dicker Turm, der nach

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    58/214

    oben hin spitz auslief. Man konnte auf den Gedanken kommen,ein auf den Kopf gestellter Rettich htte Modell gestanden. DerTurm bestand aus weiem Gestein, mit unsymmetrisch einge-setzten Glasscheiben. Auch die anderen Bauten in der Umge-

    bung zeigten keine einzige gerade Linie. Zum Teil waren sie ku-gelfrmig, zum Teil glichen sie in der Form Birnen oder Pilzen.Offenbar liebten die Felsenaffen das Licht, berall, wo es nurmglich war, hatte man Glasscheiben eingesetzt.

    Hermes fhrte die Kinder durch das geffnete Tor in denTurm. Der Raum wirkte leer. Nur ein Mooslager und ein

    Schreibpult, hinter dem ein Affe mit schwarzen rmelschonernstand, entdeckten sie.Guten Tag, Jango, sagte Carola. Der Affe mit den rmel-

    schonern legte den Finger auf den Mund. Leise, ihr Glattaf-fen, sagte er. Jango denkt gerade ber ein Problem nach. Ichbin sein Sekretr Oswaldo.

    Aha, sagte Carola, gr dich, Oswaldo! Aber wo ist er?

    In diesem Moment hrten sie ber sich Fltenspiel. Sieschauten empor. Auf einer Schaukel, die mit Stricken in derKuppel des Turmes befestigt war, schwang sich ein Affe hin undher.

    Oswaldo ritzte eifrig die Melodie in die Wachsplatte. Das Fl-tenspiel brach unmittelbar ab. Und der Affe auf der Stange

    sttzte nachdenklich den Kopf.ber welches Problem denkt der Jango nach? fragte StefanWedekind. Im Nachdenken bin ich nicht gnzlich ungebt.Ich habe bei der Matheolympia ...

    Pst, machte Oswaldo, da gerade in diesem Augenblick dieFlte wieder erklang. Als sie verstummte, sagte der Sekretr:Das heutige Thema lautet: Ist Feuer gefhrlich?

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    59/214

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    60/214

    Na und? wollte Emmi Winter wissen.Oswaldo zuckte die Achseln. Ich glaube, er wird die Antwort

    sogleich finden.Jango setzte die Flte an die Lippen.Emmi versuchte, die Melodie mitzusummen. Feuer ist ge-

    fhrlich, sagte sie.Oswaldo lchelte ihr ermunternd zu. Das war nur der An-

    fang der Melodie ... aber immerhin, dafr, da du nur einGlattaffenmdchen bist ...

    Emmi wurde vor Stolz mindestens zehn Zentimeter grer.

    Oswaldo erluterte die Fortsetzung der Melodie: Der weiseJango meint: Feuer sei nur gefhrlich fr den, der sich in derNhe des Feuers befindet. Darum merket, Affen: Geht nicht zunahe ans Feuer!

    Da sollte der weise Jango mal unseren FeuerwehrhauptmannMhrmann hren, emprte sich Willi. Der behauptet nm-lich, das Feuer rennt wie ein Fuchs auf der Rennbahn ... von

    Haus zu Haus!Diesen Aspekt wird Jango bedacht haben, ihm aber keine

    Bedeutung beimessen, sagte Oswaldo wrdig.Er schwang mehrmals kunstvoll eine Klingel. Dann schaute

    er zur Schaukel.Ich habe verstanden, sagte Jango. Die Affen von der Erde

    sind da. Seid gegrt ... Er gab sich einen neuen Schwungund sauste durch die Turmkuppel.Das kann ja eine Unterhaltung werden, dachte Carola. Am

    Ende werden wir uns den Hals verrenkt haben.Wir haben ein Geschenk von Thilo mitgebracht, rief sie.

    In dem Gef befindet sich eine Flssigkeit, die unverwundbarmacht.

    Stellt es neben Oswaldos Schreibpult! rief Jango.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    61/214

    Wir sollten es persnlich abgeben, sagte Willi in der Hoff-nung, den Weisen vom Schaukeln abzuhalten.

    Dieses Zeug ist sowieso unntig, rief Jango. Wer sollte unsauf den Klippen angreifen?

    Wieder sauste er ber ihre Kpfe hinweg.Wir htten noch eine Bitte, sagte Carola. Knntest du

    bitte nicht einen Augenblick mit dem Schaukeln aufhren!Tragt die Bitte Oswaldo vor. Ich mu schweben - nur wenn

    man sich frei durch den Raum bewegt, kann man wirklich weisesein.

    Oswaldo schellte wieder. Darauf trat ein hnlich aussehenderAffe, ebenfalls mit rmelschonern bekleidet, ein. Oswaldostellte ihn vor: Mein Zwillingsbruder Alberto! Dann nahm erCarola den Krug aus der Hand, stellte ihn neben das Pult und

    bat sie, ihm zu folgen. Vor der Tr des Turmes fanden sie Her-mes wieder.

    Ich nehme an, Oswaldo, sagte der, unsere Gste haben

    Hunger. Wir wollen ihnen etwas anbieten.Bestimmt wieder Grohmchen, sagte Emmi resignierend.

    Was sind Glitzersteine?

    Bei dem Wort Grohmchen verzogen die Kinder das Gesicht. Sieschmeckten nicht schlecht, aber sie waren doch eine recht eint-nige Nahrung.

    Dort drben ist das Speisehaus, sagte Hermes und wies aufein langgestrecktes Gebude.

    Ich glaube, wir sollten uns nicht erst aufhalten, sagte Ste-fan. Was wir am dringendsten bentigen, ist eine Blume!

    Eine Blume? Oswaldo zog die Augenbrauen erstaunt em-

    por.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    62/214

    Kennt ihr etwa hier keine Blumen? fragte Willi besorgt.O doch, natrlich. Wir fhren sogar Blumen in unserem

    Stammeswappen. Er zeigte auf den Turm, den sie gerade ver-lassen hatten. ber dem Eingang prangte ein Wappen, Blumen

    waren darauf abgebildet.Die Kinder atmeten erleichtert auf.Wozu, meine jungen Freunde, bentigt ihr eine Blume?Die Blume ist der Energiespender fr unser Raumschiff,

    wenn wir diesen Planeten wieder verlassen wollen.Ich verstehe, sagte Oswaldo und warf Hermes einen ratlo-

    sen Blick zu.Gehen wir doch erst einmal ins Speisehaus, rief Hermespltzlich bertrieben eilig und ging voran. Widerstrebendfolgten ihm die Kinder.

    Der Saal war schmucklos. berall auf dem moosberwucher-ten Fuboden saen Felsenaffen, die Gesichter hielten sie hin-ter farbenprchtigen Fchern verborgen.

    Zusammen mit den unvermeidlichen Grohmchen erhieltendie Kinder ebenfalls einen Fcher.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    63/214

    Carola begann, sich Luft zuzufcheln.Die Fcher sind dazu da, belehrte sie Hermes, um das Ge-

    sicht beim Essen zu verdecken. Die anderen knnten sich ge-strt fhlen.

    Merkwrdiger Brauch, sagte Willi. Ist ja fast, als mteman sich des Hungers schmen.

    Sehr richtig, sagte Hermes hinter seinem Fcher. Essen istetwas Dummes, Geistloses. Der weise Jango denkt hufig dar-ber nach, wie man es abschaffen knnte.

    Na, bei den Grohmchen ist das auch kein Wunder, lie

    sich Emmi hinter ihrem Fcher hren. Spaghetti mit Tomaten-soe ist was anderes ...Einen Moment dachten alle an ihre Lieblingsspeisen: Willi

    an Salzhering mit Pellkartoffeln und Leinl, Carola an Kartof-felpuffer. Stefan a am liebsten gebratene Ente, und Gudrunmochte Linseneintopf fr ihr Leben gern.

    Ob sie wohl jemals wieder ihre Lieblingsspeise essen wrden?

    Unwillkrlich sthnten alle.Der Sekretr Oswaldo hockte ohne Fcher und ohne zu essen

    dabei. Ich bin streng erzogen, erluterte er. Meine Familieit nur im Dunklen.

    Auer Gudrun aen alle schnell, beinahe hastig. Whrend dieanderen lngst ihren Fcher zur Seite gelegt hatten, blieb Gud-run noch lange dahinter verborgen. Willi ri schlielich derGeduldsfaden.

    He, bist du eingeschlafen, Gudrun Wetterschlag?Gudrun tauchte mit dem unschuldigsten Gesicht auf. Nur

    wer langsam it, lebt lange, sagte meine Oma immer!Willi sprang auf. Die anderen hatten sich schon halb erhoben.

    Da fragte Gudrun: Wer hat eigentlich das Fuego-Gebirge ange-

    steckt?

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    64/214

    Das ist eine etwas lngere Geschichte, sagte Oswaldo undlie sich ins Moos zurckplumpsen.

    Ma-a-a-ann! prete Carola zwischen den Zhnen hervor.Aber auch ihr blieb nichts brig, als sich wieder zu setzen.

    Oswaldo begann, gemchlich zu erzhlen: Frher waren alleAffen auf dem Affenstern sehr freundlich zueinander, mt ihrwissen. Jeder ging irgendeiner Arbeit nach. Die einen bettigtensich auf den Hirsefeldern, die anderen zogen Blumen. Die Wie-sen waren grn, und vierbeinige Tiere mit Hrnern weidetendarauf. Man konnte sie melken und bekam Milch, aus der man

    Butter und Kse herstellte.Schrien diese Tiere vielleicht zufllig manchmal? fragte Ca-

    rola gereizt.O ja! Sogar sehr laut.Hrte sich das zufllig so an - mmmmmmmuh!Ganz genau! rief Oswaldo erfreut. Wir haben die Stimme

    der letzten Kuh, so hieen diese Tiere hier auf dem Affenstern,

    im Museum gespeichert. - Aber zurck zu meiner Geschichte:Wenn also ein Affe Butter haben wollte, dann ging er einfach zueinem anderen, der eine Kuh besa und tauschte Hirse gegenButter. Die Butter konnte man nur kurze Zeit aufbewahren,dann wurde sie ranzig, und Getreide zu lagern lohnte sich auchnicht sonderlich. Es kamen kleine vierbeinige Tiere mit langen

    Schwnzen, die man Muse nannte, sie fraen alles weg. Darumbesa jeder gerade soviel, wie er zum Leben bentigte. - EinesTages aber fand irgend jemand im Gebirge, an entlegener Stelle,Glitzersteine.

    Glitzersteine?Nun ja, Glitzersteine. Sie sind beinahe durchsichtig und

    sehr schn. Im Grunde bestehen sie nur aus Kohlenstoff..

    Stefan rief wie aus der Pistole geschossen: Diamanten.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    65/214

    Oswaldo zuckte die Achseln. Vielleicht heien sie auf derErde Diamanten. Hier nennt man sie Glitzersteine! Sie sindsehr selten. Einige Affen kamen auf die dumme Idee, anstattButter gegen Hirse oder umgekehrt Butter oder Hirse gegendiese Glitzersteine einzutauschen. Die konnte man lange aufbe-wahren. Sie wurden niemals ranzig, und die Muse fanden auchkeinen Geschmack daran.

    Sozusagen Geld, nickte Stefan. Die Affen erfanden so et-was wie Geld!

    Vielleicht nennt man die Glitzersteine auf der Erde Geld.

    Hier heien sie Glitzersteine! Und sie waren sehr begehrt, ob-wohl sie keinen richtigen Nutzen haben. Manche Affen, dieviele Glitzersteine im Gebirge gesammelt hatten, verliehen siermeren und verlangten ein oder zwei Steinchen mehr zurck,als sie einst gegeben hatten. Und einer der gierigsten war derKnig der Langschwanzaffen. Er begann, mit seinen Kriegerndie Kurzschwanzaffen zu berfallen und auszurauben. Als ihm

    die erbeuteten Glitzersteine immer noch nicht ausreichten, kamer auf eine unsinnige Idee. Er glaubte, man mte das Fuego-Gebirge anznden, dann wrde es sich in einen riesigen Glitzer-stein verwandeln. Seit dieser Zeit brennt das Gebirge.

    Und hat es sich in einen Glitzerstein verwandelt? fragteGudrun.

    Oswaldo schttelte den Kopf: Nein, in graue Asche.Schne Schweinerei! rief Carola.Und die Felsenaffen, wollte Stefan wissen, tauschen die

    auch mit Glitzersteinen?Nein, lachte Oswaldo. Wir sind nicht so dumm!Und womit tauscht ihr?Wir tauschen berhaupt nicht. Wir arbeiten gemeinsam,

    und jeder bekommt, was er braucht. So einfach ist das!

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    66/214

    Aber vielleicht gibt es bei euch doch Felsenaffen, die heim-lich tauschen, sagte Gudrun. Ich wrde meinen Kamm gerngegen den Fcher hier vertauschen!

    Du darfst den Fcher behalten, sagte Hermes. Und ihr an-deren auch! Wir Felsenaffen sind nur an geistigem Reichtum in-teressiert. Und den kann man nicht eintauschen!

    Carola Huflattich wandte sich ab, sie kannte solche Worte ausden Reden des Schuldirektors, die alle darauf hinausliefen, daman wie ein Teufel lernen sollte. Wir sollten endlich aufbre-chen! sagte sie.

    Ein Meer von Blumen

    Drauen war es schwl und rauchig. Der Wind hatte gedrehtund trieb die Rauchwolken vom Fuego-Gebirge auf die Klippenzu. Um den Hustenreiz niederzukmpfen, bot Carola HanibalsHustenpillen an. Auch die beiden Felsenaffen griffen zu. Sie

    prften die Pillen eingehend.Hanibal, sagten Hermes und Oswaldo zugleich, und es

    klang nicht gerade freundlich.Sie gingen einen Weg, der etwas unterhalb des Gipfels der

    Felsen lag. An den Wnden klebten die Behausungen wieSchwalbennester. Affenkinder tummelten sich vor den Htten.Ihre Spiele glichen denen der Kinder auf der Erde. Einige Af-fenmdchen hatten mit Kreide Striche auf den Fels gezeichnetund hpften auf einem Bein herum. Andere spielten Versteck.Emmi schielte sehnschtig zu ihnen.

    Hermes zeigte auf einen groen Felsen, von dem gewaltigeAntennen emporragten. Die Klippe Lago! Die Antennen stam-men vom Institut zur Erforschung der Affen auf anderen Plane-

    ten.

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    67/214

    Wohnte dort nicht Hanibal?Hermes nickte. In der letzten Htte. Er arbeitete im Insti-

    tut.Bis zu dem Tage, sagte Oswaldo, da er eigenmchtig und

    gegen alle Verbote eine Nachricht zum Planeten Erde ab-

    sandte.Ist sie angekommen? fragte Carola.Nein, sagte Oswaldo, wir haben sie noch im Weltraum zer-

    stren knnen.Ach! Die Kinder blieben berrascht stehen.Was war das fr eine Nachricht? wollte Stefan wissen.Oswaldo winkte geringschtzig ab. Nichts von Bedeutung.

    Hanibal hatte von irgendeiner Gefahr gefaselt, die dem Affen-stern angeblich drohe, und um Rat gebeten. Dabei htte er denGlattaffen verraten, da es uns hier gibt.

    Carola zwinkerte Willi zu. Der verstand aber nicht, was siewollte. Als er nher an sie herantrat, zischte sie aus Angst, Os-waldo und Hermes knnten ihre Worte verstehen: Ich sag's dir

    spter!

  • 8/11/2019 Abraham, Peter - Der Affenstern

    68/214

    Pltzlich endete der Weg. Carola glaubte schon, die beidenAffen htten sie absichtlich in die Irre gefhrt, da deutete Her-mes auf lange Seile, die vom Gipfel der Klippe Lago herabhin-gen. Hermes hngte sich an eines der Seile, li