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vorgeschlagenen

Verbraucherrechtsrichtlinie:

Kapitel I - Begriffsbestimmungen

Inhalt: In diesem Informationspapier wird untersucht, wie sich eine vollständige Harmonisierung der Begriffsbestimmungen der vorgeschlagenen Verbraucherrechtsrichtlinie auf den Binnenmarkt auswirken würde. Neben einer Analyse der in Artikel 2 aufgeführten einzelnen Begriffsbestimmungen enthält es nähere Ausführungen dazu, welche Folgen deren horizontale Anwendung für andere Richtlinien und Verordnungen hätte. IP/A/IMCO/NT/2010-10 Oktober 2010 PE 447.502 DE

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Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik __________________________________________________________________________________________

Dieses Dokument wurde vom Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments in Auftrag gegeben. VERFASSER Professor Hans Schulte-Nölke Institut für europäische Rechtswissenschaft Universität Osnabrück Süsterstraße 28 D-49074 Osnabrück E-Mail: [email protected] In Zusammenarbeit mit Anne Barutta, Shaun Charlton, Christine Heykena und Martin Werneburg. ZUSTÄNDIGE VERWALTUNGSBEAMTIN Elke BALLON Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik Europäisches Parlament B-1047 Brüssel SPRACHFASSUNGEN Original: EN Übersetzungen: [DE, FR] ANGABEN ZUM HERAUSGEBER Kontakt zur Fachabteilung oder Bestellung des monatlichen Newsletters: [email protected] Redaktionsschluss: Oktober 2010. Brüssel, © Europäisches Parlament, 2010. Dieses Dokument ist im Internet abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/activities/committees/studies.do?language=EN HAFTUNGSAUSSCHLUSS Die hier vertretenen Auffassungen geben die Meinung des Verfassers wieder und entsprechen nicht unbedingt dem Standpunkt des Europäischen Parlaments. Nachdruck und Übersetzung- außer zu kommerziellen Zwecken - mit Quellenangabe gestattet, sofern der Herausgeber vorab unterrichtet und ihm ein Exemplar übermittelt wird.

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Ad-hoc-Informationspapier zur vorgeschlagenen Verbraucherrechtsrichtlinie: Kapitel I - Begriffsbestimmungen __________________________________________________________________________________________

INHALT

INHALT .................................................................................................................................................3

ABKÜRZUNGEN ......................................................................................................................................6

ZUSAMMENFASSUNG ..............................................................................................................................8

1. VORBEMERKUNGEN.................................................................................................................9

2. AUSWIRKUNGEN DER „VOLLSTÄNDIGEN HARMONISIERUNG DER BEGRIFFSBESTIMMUNGEN" AUF DEN BINNENMARKT..........................................................................9

2.1. Die VRR bewirkt keine „vollständige Harmonisierung der Begriffsbestimmungen“ ......11

2.1.1. Der Gedanke der „vollständig harmonisierten Begriffsbestimmung“ ........................11

2.1.2. Keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die „vollständig harmonisierten Begriffsbestimmungen“ in ihren Umsetzungsgesetzen Eins zu Eins zu übernehmen.................12

2.1.3. Warum „vollständig harmonisierte Begriffsbestimmungen“ nicht möglich sind .......12

2.2. Die drei Arten von Begriffsbestimmungen ....................................................................13

2.3. Begriffsbestimmungen mit Relevanz für den Geltungsbereich ......................................16

2.3.1. Persönlicher Anwendungsbereich.............................................................................16

2.3.2. Andere Verträge oder Sachlagen, die nicht von der Richtlinie berührt werden .........16

2.3.3. Begriffsbestimmungen mit Relevanz für einen engeren Anwendungsbereich? .........17

2.4. Begriffsbestimmungen mit Relevanz für das Schutzniveau...........................................17

2.5. Begriffsbestimmungen mit Relevanz für das Standardformular ....................................18

2.6. Allgemeine Umsetzungsanforderungen beim Verbraucherrecht ...................................18

2.7. Auswirkungen auf den Binnenmarkt .............................................................................18

3. ANALYSE EINZELNER BEGRIFFSBESTIMMUNGEN ..................................................................20

3.1. Verbraucher..................................................................................................................20

3.1.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte20

3.1.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten .....................................20

3.1.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...23

3.1.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand24

3.2. Gewerbetreibender .......................................................................................................25

3.2.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte25

3.2.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten .....................................25

3.2.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...26

3.2.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand27

3.3. Kaufvertrag ..................................................................................................................27

3.3.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte28

3.3.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten .....................................28

3.3.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...30

3.3.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand30

3.4. Waren ...........................................................................................................................30

3.4.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte30

3.4.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten .....................................30

3.4.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...31

3.4.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand32

3.5. Dienstleistungsvertrag .................................................................................................32

3.5.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte32

3.5.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten .....................................32

3.5.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...33

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Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik __________________________________________________________________________________________

3.6. Fernabsatzvertrag ........................................................................................................33

3.6.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte33

3.6.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten .....................................33

3.6.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...34

3.6.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand35

3.7. Fernkommunikationsmittel...........................................................................................35

3.7.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte35

3.7.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten .....................................35

3.7.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...36

3.7.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand36

3.8. Außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag und Geschäftsräume .........36

3.8.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte37

3.8.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten .....................................37

3.8.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...38

3.8.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand38

3.9. Dauerhafter Datenträger ..............................................................................................38

3.9.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte38

3.9.2. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...38

3.9.3. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand39

3.10. Bestellformular .............................................................................................................40

3.10.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte40

3.10.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten .....................................40

3.10.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...40

3.10.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand40

3.11. Produkt und Hersteller .................................................................................................40

3.11.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte41

3.11.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten .....................................41

3.11.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...41

3.11.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand41

3.12. Finanzdienstleistung.....................................................................................................41

3.12.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte42

3.12.2. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...42

3.12.3. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand42

3.13. Berufliche Sorgfalt ........................................................................................................42

3.13.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte43

3.13.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten .....................................43

3.13.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...43

3.13.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand43

3.14. Versteigerung ...............................................................................................................43

3.14.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte43

3.14.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten .....................................44

3.14.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...45

3.14.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand45

3.15. Öffentliche Versteigerung .............................................................................................45

3.15.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte45

3.15.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten .....................................45

3.15.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...46

3.15.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand46

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Ad-hoc-Informationspapier zur vorgeschlagenen Verbraucherrechtsrichtlinie: Kapitel I - Begriffsbestimmungen __________________________________________________________________________________________

3.16. Gewerbliche Garantie ...................................................................................................46

3.16.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte46

3.16.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten .....................................46

3.16.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...47

3.16.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand47

3.17. Vermittler .....................................................................................................................47

3.17.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte48

3.17.2. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...48

3.17.3. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand48

3.18. Akzessorischer Vertrag.................................................................................................49

3.18.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte49

3.18.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten .....................................49

3.18.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien ...50

3.18.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand50

LITERATURHINWEISE............................................................................................................................54

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ABKÜRZUNGEN

Abs. Absatz

Abschn. Abschnitt

Art. Artikel

CJEU Gerichtshof der Europäischen Union

Fernabsatzrichtlinie Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des

Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei

Vertragsabschlüssen im Fernabsatz

Finanzdienstleistungen-

Fernabsatzrichtlinie

Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und

des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz

von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur

Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der

Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG

Haustürgeschäfte-richtlinie Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985

betreffend den Verbraucherschutz im Fall von außerhalb

von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen

HGB Handelsgesetzbuch

Richtlinie über

missbräuchliche

Vertragsbedingungen

Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über

mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen

Richtlinie über unlautere

Geschäftspraktiken

Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und

des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere

Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen

Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und

Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie

84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG,

98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments

und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004

des Europäischen Parlaments und des Rates

Timeshare-Richtlinie Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und

des Rates vom 14. Januar 2009 über den Schutz der

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Ad-hoc-Informationspapier zur vorgeschlagenen Verbraucherrechtsrichtlinie: Kapitel I - Begriffsbestimmungen __________________________________________________________________________________________

Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von

Teilzeitnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige

Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und

Tauschverträgen

Verbraucherkredit-

richtlinie

Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und

des Rates vom 23. April 2008 über

Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der

Richtlinie 87/102/EWG des Rates

Verbrauchsgüter-

kaufrichtlinie

Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und

des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des

Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für

Verbrauchsgüter

VGB Verbrauchergesetzbuch

Vorschlag Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments

und des Rates über Rechte der Verbraucher,

KOM(2008)614 endg.

VRR Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments

und des Rates über Rechte der Verbraucher,

KOM(2008)614 endg.

VSG Verbraucherschutzgesetz

Zahlungsdienste-richtlinie Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und

des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste

im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG,

2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur

Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG

ZGB Zivilgesetzbuch

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ZUSAMMENFASSUNG Eine „vollständige Harmonisierung der Begriffsbestimmungen“ der Verbraucherrechtsrichtlinie wird eher begrenzte Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben. Das ist hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, dass selbst eine vollständig harmonisierende Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet (vorbehaltlich geringfügiger Änderungen am landestypischen Stil ihrer Rechtsakte), die Begriffsbestimmungen Eins zu Eins zu übernehmen. Bei der Umsetzung der Richtlinie steht es den Mitgliedstaaten in der Regel frei, andere Termini zu verwenden, Begriffsbestimmungen weiter zu fassen oder gänzlich auf ihre Verwendung zu verzichten.

Wenn jedoch die Mitgliedstaaten auf die Begriffsbestimmungen der Verbraucherrechtsrichtlinie zurückgreifen (was sie oft tun werden), hängt deren Auswirkung auf ihre Gesetze davon ab, welche Rolle sie im Einzelnen in den Bestimmungen der Richtlinie spielen. Die Begriffsbestimmungen können funktionell in drei, sich teilweise überschneidende Gruppen eingeteilt werden, nämlich mit Relevanz für (1) den Geltungsbereich, (2) das Schutzniveau und (3) das Standardformular.

Bei der Verwendung der für den Anwendungsbereich relevanten Begriffsbestimmungen (die wichtigsten davon sind „Verbraucher“, „Gewerbetreibender“, „Waren“, „Fernabsatzvertrag“) bleibt es – im Prinzip – den Mitgliedstaaten überlassen, einen anderen Rechtsbegriff zu verwenden (d. h. „Unternehmen“ statt „Gewerbetreibender“) und ihn noch umfassender zu definieren als die Verbraucherrechtsrichtlinie. Allerdings darf er nicht enger gefasst werden als in der Richtlinie.

Die für das Schutzniveau relevanten Begriffsbestimmungen (wie etwa „dauerhafter Datenträger“ oder „Bestellformular“) binden die Mitgliedstaaten nicht hinsichtlich des definierten Begriffs (d. h. sie können beispielsweise von „Verbraucherschutzformularen“ sprechen), sie dürfen jedoch keine Änderung am Inhalt der Definition vornehmen, da dies Auswirkungen auf das Niveau des Verbraucherschutzes hätte.

Begriffsbestimmungen mit Relevanz für das Standardformular sind diejenigen, die im Muster-Widerrufsformular in Anhang I (B) der Richtlinie erscheinen (z. B. „Verbraucher“, „Waren“). Da dieses Formular einheitlich in ganz Europa angewendet werden soll, sind die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Formulars an den Wortlaut der Richtlinie gebunden. Um im innerstaatlichen Recht Widersprüche zu vermeiden, werden die Mitgliedstaaten aus praktischen Erwägungen heraus diese Begriffe oftmals durchgängig auch in ihren anderen Verbraucherschutzvorschriften verwenden müssen, ohne dass sie gesetzlich dazu verpflichtet sind.

Das Muster-Widerrufsformular hätte damit möglicherweise die augenfälligsten positiven Auswirkungen auf den Binnenmarkt, was die einheitliche Verwendung der Begriffsbestimmungen und der rechtlichen Terminologie anbetrifft. Es vereinfacht den Unternehmen die Abwicklung des grenzüberschreitenden Handels, da es überall in der EU angewandt werden kann. Vielleicht wäre es sogar ratsam, auf dem Formular besser kenntlich zu machen, dass es sich um ein EU-Formular handelt (es könnte z. B. als „EU-Muster-Widerrufsformular“ bezeichnet werden). Darüber hinaus dürften die für das Schutzniveau relevanten Begriffsbestimmungen wie „dauerhafter Datenträger“ oder „Bestellformular“ in der gesamten EU ziemlich einheitlich verwendet werden, obwohl den Mitgliedstaaten Abweichungen bei der Terminologie gestattet sind.

Unter dem Gesichtspunkt der internen Kohärenz des EU-Rechts könnten andere Richtlinien und Verordnungen betroffen sein, wenn Begriffsbestimmungen aus der Verbraucherrechtsrichtlinie horizontal angewendet werden, speziell die Begriffsbestimmungen zu „Verbraucher“, „Gewerbetreibender“, „Finanzdienstleistung“ oder „dauerhafter Datenträger“.

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1. VORBEMERKUNGEN Mit diesem Informationspapier sollen drei Fragen beantwortet werden:

• Wie wird sich eine vollständige Harmonisierung der Begriffsbestimmungen der Verbraucherrechtsrichtlinie auf den Binnenmarkt auswirken?

• Welchen Effekt hätte Artikel 2 der vorgeschlagenen Richtlinie in seiner derzeitigen Fassung?

• Welche anderen Richtlinien und Verordnungen könnten von einer horizontalen Anwendung dieser Begriffsbestimmungen betroffen sein?

Die erste Frage ist insofern allgemeiner Natur, als sie alle Begriffsbestimmungen der Verbraucherrechtsrichtlinie (nachstehend als „VRR“ bezeichnet) betrifft. Sie wird zuerst beantwortet werden (Punkt 2). Die beiden anderen Fragen beziehen sich auf die in der VRR enthaltenen Begriffsbestimmungen im Einzelnen und werden für jede dieser 20 Begriffsbestimmungen zusammen beantwortet (Punkt 3).

Den Verfassern dieses Dokuments ist sehr wohl bekannt, dass im Zusammenhang mit der Erörterung des Vorschlags für die VRR seit Oktober 2008 viele alternative Vorschläge zu den Begriffsbestimmungen unterbreitet worden sind. Sie fühlten sich jedoch der ihnen mit diesem Informationspapier übertragenen Aufgabe verpflichtet, sich eingehender mit den im ursprünglichen Vorschlag enthaltenen Begriffsbestimmungen zu befassen. Die dabei erzielten Ergebnisse, insbesondere die Einteilung entsprechend Funktion, sollten es jedoch leicht möglich machen, alternative Definitionsvorschläge des Rates und des Parlaments auf ihre Auswirkungen hin zu bewerten. Die Verfasser sind gerne bereit, sich auf Anfrage auch zu anderen Begriffsbestimmungen zu äußern.

2. AUSWIRKUNGEN DER „VOLLSTÄNDIGEN HARMONISIERUNG DER BEGRIFFSBESTIMMUNGEN" AUF DEN BINNENMARKTDa eine Richtlinie definitionsgemäß keinen

anderen Effekt hat, als die Mitgliedstaaten zu ihrer Umsetzung zu verpflichten, umfasst

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die Frage nach den Auswirkungen der „vollständigen Harmonisierung der Begriffsbestimmungen“ auf den Binnenmarkt eigentlich zwei Fragen, und zwar

• wie werden sich die Begriffsbestimmungen einer vollständig harmonisierenden VRR auf die Rechtsakte der Mitgliedstaaten auswirken, und

• welche Auswirkungen wird die vollständige Harmonisierung der nationalen Umsetzungsrechtsakte auf den Binnenmarkt haben.

Die zweite Frage kann und wird erst nach der ersten beantwortet werden. Diese anscheinend so einfache Frage nach den Auswirkungen der Begriffsbestimmungen der VRR auf die nationalen Rechtsakte bedarf jedoch einer recht differenzierten Antwort, und es wird dabei in fünf Schritten vorgegangen:

(1) Die VRR wird nicht zu „vollständig harmonisierten Begriffsbestimmungen“ in dem Sinne führen, dass die Mitgliedstaaten (vorbehaltlich geringfügiger Änderungen am landestypischen Stil ihrer Rechtsakte) diese Eins zu Eins übernehmen müssen. Grundsätzlich steht es den Mitgliedstaaten frei,

• die Richtlinie umzusetzen, ohne dabei überhaupt die Begriffe zu bestimmen, die in der Richtlinie verwendet werden;

• andere Definitionsverfahren anzuwenden;

• andere zu definierende Wörter oder Wendungen zu verwenden;

• eine Begriffsbestimmung für einen in der Richtlinie verwendeten Begriff zu erstellen, diesem dabei jedoch einen anderen Inhalt zu geben.

Verwenden die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der VRR Begriffsbestimmungen, so könnten sie aus rechtlichen und/oder praktischen Gründen in einigen Fällen gezwungen sein, ihre Begriffsbestimmungen denen der VRR anzupassen. Daher sind definitionsabhängig unterschiedliche Auswirkungen der VRR möglich.

(2) Ob und inwieweit eine Begriffsbestimmung der VRR die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten beeinflusst, hängt davon ab, welche Rolle sie im Einzelnen in den Bestimmungen der Richtlinie spielt. In Bezug auf ihre jeweiligen Festlegungen können die Begriffsbestimmungen funktionell in drei Gruppen eingeteilt werden:

• Begriffsbestimmungen zur Festlegung des Anwendungsbereichs der VRR oder einzelner Bestimmungen („Begriffsbestimmungen mit Relevanz für den Anwendungsbereich“)

• Begriffsbestimmungen zur Festlegung des Niveaus des Verbraucherschutzes, wie er im Rahmen der VRR geregelt wird („Begriffsbestimmungen mit Relevanz für das Schutzniveau“)

• Begriffsbestimmungen, die in dem in Anhang I (B) der VRR enthaltenen europäischen Muster-Widerrufsformular verwendet werden („Begriffsbestimmungen mit Relevanz für das Standardformular“)

(3) „Begriffsbestimmungen mit Relevanz für den Anwendungsbereich“ (die in der VRR in der Mehrzahl sind) legen den Anwendungsbereich der VRR oder einzelner ihrer Bestimmungen fest. Außerhalb ihres Anwendungsbereichs ist die VRR nicht anwendbar, was auch ihren Effekt der Vollharmonisierung betrifft. Es steht den Mitgliedstaaten damit frei, z. B. Nichtverbraucher ähnlich wie Verbraucher zu schützen oder den Verbraucherschutz durch Verträge oder in Situationen zu gewähren, die nicht durch die VRR reguliert werden. Die Mitgliedstaaten können daher – selbst im Rahmen einer Richtlinie zur Vollharmonisierung die Begriffsbestimmungen weiter fassen und beispielsweise einen Nichtverbraucher (im Sinne der VRR) in den eigenen Gesetzen als „Verbraucher“ bezeichnen (z. B. einen Unternehmensgründer) oder auch nicht unter die VRR-Definition fallende Verträge „Kaufverträge“ nennen (z. B. Verkauf von unbeweglichen Sachen). Allerdings dürfen die Mitgliedstaaten keine Begriffsbestimmungen verwenden, die enger gefasst sind als in der VRR, wenn es dadurch zu einem Umsetzungsdefizit kommt.

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(4) „Begriffsbestimmungen mit Relevanz für das Schutzniveau“ kommen in der VRR kaum vor. Sie finden sich in den Bestimmungen zur Festsetzung des Schutzniveaus, wie etwa zum Umfang der den Verbrauchern zu übermittelnden Informationen und den damit verbundenen Formvorschriften (z. B. die Begriffsbestimmungen für „Bestellformular“ oder „dauerhafter Datenträger“), oder aber in den Bestimmungen, mit denen die Folgen eines Widerrufs festgelegt werden (z. B. „akzessorischer Vertrag). Die Mitgliedstaaten dürfen keine Änderungen am Inhalt dieser Begriffsbestimmungen vornehmen, da eine Abweichung das Niveau des Verbraucherschutzes verändern würde.

(5) „Begriffsbestimmungen mit Relevanz für das Standardformular“ sind diejenigen, die im Muster-Widerrufsformular in Anhang I (B) der VRR erscheinen. Da dieses Formular einheitlich in ganz Europa angewendet werden soll, sind die Mitgliedstaaten hinsichtlich dieses Formulars bei der Umsetzung der Richtlinie an deren Wortlaut gebunden. Um im innerstaatlichen Recht Widersprüche zu vermeiden, werden die Mitgliedstaaten aus praktischen Erwägungen heraus diese Definitionen oftmals durchgängig auch in ihren anderen Verbraucherschutzvorschriften zur Umsetzung der VRR verwenden müssen, ohne dass sie gesetzlich dazu verpflichtet sind.

Anhand dieser Ergebnisse lässt sich feststellen, dass die Begriffsbestimmungen der VRR einen eher begrenzten Effekt auf den Binnenmarkt haben werden. Es handelt sich dabei, allgemein gesagt, eher um den Effekt der Bestimmungen selbst.

2.1. Die VRR bewirkt keine „vollständige Harmonisierung der Begriffsbestimmungen“ Die Fragen, die in diesem Informationspapier beantwortet werden müssen, verlangen zunächst eine Klarstellung dessen, was genau unter „vollständig harmonisierten Begriffsbestimmungen“ zu verstehen ist. Darauf lässt sich ganz einfach antworten: Es gibt nichts in der Art einer „vollständig harmonisierten Begriffsbestimmung“. Aus dem Wortlaut des Vorschlags ergeben sich keine „vollständig harmonisierten Begriffsbestimmungen“, und es erscheint höchst zweifelhaft, ob jemals irgendeine Richtlinie etwas Derartiges hervorbringen wird.

2.1.1. Der Gedanke der „vollständig harmonisierten Begriffsbestimmung“ Die „vollständige Harmonisierung der Begriffsbestimmungen“ wird in der Regel so verstanden, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, bei der Umsetzung einer Richtlinie zur Vollharmonisierung (wie der VRR) deren Begriffsbestimmungen Eins zu Eins zu übernehmen (vorbehaltlich geringfügiger Änderungen am landestypischen Stil ihrer Rechtsakte). Bei einer solchen Verpflichtung (falls sie bestünde) müssten die Mitgliedstaaten demnach die in der Richtlinie verwendeten Begriffsbestimmungen in ihren einzelstaatlichen Rechtsakten exakt wiedergeben, wobei drei Aspekte eine Rolle spielen:

(1) Erstellung der Art (logischer) Definition, wie sie in der VRR verwendet wird, also eine aristotelisch-scholastische Definition, bestehend aus dem zu definierenden Begriff (definiendum) und einer Beschreibung zur Klarstellung dessen, was unter den Begriff fällt und was nicht (definiens), wobei in den meisten Fällen so verfahren wird, dass zum nächstliegenden verständlichen Oberbegriff (genus proximum) einige weitere Merkmale hinzugefügt werden, die den betreffenden Begriff von allen anderen ebenfalls unter den Oberbegriff gefassten Begriffen exakt unterscheidet (differentia specifica).

Beispiel: „Vermittler“ (=definiendum) bedeutet einen Gewerbetreibenden (=genus proximum), der den Vertrag im Namen oder im Auftrag des Verbrauchers schließt (=differentia specifica).1

1 Die meisten Begriffsbestimmungen in Kapitel 2 folgen diesem Schema. Ausnahmen sind der „Kaufvertrag“ (Abs. 3), der kein definiens enthält, jedoch klarstellt, dass auch gemischte Verträge eingeschlossen sind, sowie „Produkt“ und „Hersteller“ (Abs. 12 und 17), bei denen lediglich eine Liste als definiens aufgeführt ist, ohne genus proximum und differentia specifica.

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(2) Als zu definierender Begriff (definiendum) wird das gleiche oder ein ihm sehr ähnliches Wort verwendet, wie es in der Richtlinie in der entsprechenden Sprache zu finden ist.

Beispiel: Verwendung des Wortes „Verbraucher“ und damit nicht „Privatkunde“, „Rechtsinhaber“, „andere Partei“ oder einfach nur „Käufer“, „Gläubiger“.

(3) Exakte Widerspiegelung des sachlichen Inhalts der Begriffsbestimmung (definiens).

Beispiel: Wenn in der Richtlinie die Begriffsbestimmung von „Verkauf“ Verträge über den Verkauf von Grundstücken nicht mit einschließt, wären die Mitgliedstaaten gezwungen, ihre Begriffsbestimmungen entsprechend anzupassen und den Verkauf von Immobilien ebenfalls aus der Begriffsbestimmung des „Kaufvertrags“ herauszunehmen.

2.1.2. Keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die „vollständig harmonisierten Begriffsbestimmungen“ in ihren Umsetzungsgesetzen Eins zu Eins zu übernehmen

Für die Mitgliedstaaten ist es oftmals angebracht, die Begriffsbestimmungen aus der Richtlinie entsprechend den drei Aspekten exakt zu übernehmen, wozu die VRR sie allerdings nicht verpflichten wird.2

Den Mitgliedstaaten wird es – grundsätzlich – freistehen,

• überhaupt keine Begriffsbestimmung vorzunehmen (also die Richtlinie umzusetzen, ohne eine in ihr verwendete Definition in die nationale Rechtsvorschrift einzubringen, d. h. es wird das Wort Verbraucher verwendet, ohne es genauer zu bestimmen);

• andere Definitionsverfahren als das aristotelische anzuwenden (z. B. eine Aufstellung von abgedeckten Fälle);

• andere zu definierende Wörter oder Wendungen zu verwenden (z. B. „Endadressat“ statt „Verbraucher“);

• eine Begriffsbestimmung für einen in der Richtlinie verwendeten Begriff zu erstellen, diesem dabei jedoch einen anderen Inhalt zu geben (z. B. Einbeziehung juristischer Personen in die Definition des „Verbrauchers“).

Dieser Autonomie der Mitgliedstaaten sind jedoch auch gewisse Grenzen gesetzt, auf die in den Punkten 2.2 bis 2.5 näher eingegangen wird.

2.1.3. Warum „vollständig harmonisierte Begriffsbestimmungen“ nicht möglich sind

Der Hauptgrund dafür, warum selbst vollständig harmonisierende Richtlinien die Mitgliedstaaten nicht verpflichten, darin enthaltene Begriffsbestimmungen gespiegelt zu übernehmen, ist der Artikel 288 Absatz 3 AEUV, in dem es heißt:

„Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“

Somit erlaubt es der AEUV den Mitgliedstaaten ausdrücklich, Wege und Möglichkeiten für die Erreichung der Ziele der Richtlinie zu finden, bei denen sie nicht auf deren Begriffsbestimmungen zurückgreifen müssen oder aber andere Begriffsbestimmungen verwenden können, unabhängig davon, ob es sich um eine Voll- oder eine Mindestrichtlinie handelt. Eine Richtlinie ist im wahrsten Sinne des Wortes eine

2 Vgl. z. B.. Wendehorst, Umsetzungskonzepte, in: Jud, Wendehorst (2009), S. 153, auf S. 179; Twigg-Flesner/Metcalfe, The proposed Consumer Rights Directive- less haste, more thought?, ERCL 2009, S. 368 (374): “But the end result will still be diverse national laws, potentially using very different language or concepts to give effect to the pCRD. ”Riehm, Vers une harmonisation totale de la terminologie?, Les Petites Affiches, N° 83 2009, S. 14: “lors de la transposition des directives, chaque État membre peut choisir sa propre terminologie, sans être tenu de reprendre la terminologie communautaire“.

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Ad-hoc-Informationspapier zur vorgeschlagenen Verbraucherrechtsrichtlinie: Kapitel I - Begriffsbestimmungen __________________________________________________________________________________________

„Richtlinie“ und kann daher die Mitgliedstaaten nicht verpflichten, die in ihr enthaltenen Begriffsbestimmungen exakt zu übernehmen.

Beispiel: Für das Niveau des Schutzes von Verbrauchern im Rahmen eines Verkaufsvertrages ist es nicht von Belang, ob der Verbraucher in den nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der VRR als „Verbraucher“ oder „Käufer“ bezeichnet wird. Das Ziel der Sicherung eines einheitlichen Verbraucherschutzniveaus in allen Mitgliedstaaten wird in beiden Fällen erreicht.

Außerdem heißt es in Artikel 4 der VRR:

„Vollständige Harmonisierung.

Die Mitgliedstaaten dürfen keine von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften aufrechterhalten oder einführen; dies gilt auch für strengere oder weniger strenge Rechtsvorschriften zur Gewährleistung eines anderen Verbraucherschutzniveaus.“

Im Einklang mit Artikel 288 Absatz 3 AEUV ist in Artikel 4 VRR lediglich eine vollständige „Harmonisierung“ vorgesehen (was also keine „Vereinheitlichung“ bedeutet). Die Regelung, dass Mitgliedstaaten „von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichende[n] innerstaatliche[n] Rechtsvorschriften“ nicht aufrechterhalten oder einführen dürfen, betrifft nur den Inhalt der Bestimmungen, nicht jedoch deren Wortlaut oder normativen Stil. Die Frage, ob ein Gesetzgeber überhaupt Begriffsbestimmungen verwendet und – wenn ja – welche Wörter er dann einsetzt, ist eigentlich nur eine Frage des Stils der Gesetzgebung. Wenn es dem nationalen Gesetzgeber gelingt, die Richtlinie inhaltlich korrekt umzusetzen, ist es unerheblich, ob er andere Begriffsbestimmungen verwendet oder gänzlich darauf verzichtet.

2.2. Die drei Arten von Begriffsbestimmungen Die Auswirkung einer Begriffsbestimmung auf die nationale Gesetzgebung hängt davon ab, welche Funktion dieser Begriffsbestimmung in dem betreffenden Mitgliedstaat zukommt. Die 20 Begriffsbestimmungen der VRR lassen sich nach drei Hauptfunktionen untergliedern:

• Begriffsbestimmungen zur Festlegung des Anwendungsbereichs der VRR oder einzelner Bestimmungen („Begriffsbestimmungen mit Relevanz für den Anwendungsbereich“)

• Begriffsbestimmungen zur Festlegung des Niveaus des Verbraucherschutzes, wie er im Rahmen der VRR geregelt wird („Begriffsbestimmungen mit Relevanz für das Schutzniveau“)

• Begriffsbestimmungen, die in dem in Anhang I (B) der VRR enthaltenen europäischen Muster-Widerrufsformular verwendet werden („Begriffsbestimmungen mit Relevanz für das Standardformular“)

Der folgenden Tabelle ist zu entnehmen, in welchen Artikeln und Kapiteln der VRR die Begriffe verwendet werden und welche Funktion sie dabei haben.

Tabelle: Verwendung und Funktion der Begriffsbestimmungen in der VRR

Begriffs-bestimmung

Artikel und Anhänge Kapitel Funktion, d. h. mit Relevanz für

Verbraucher Art. 2 (1)

Fast alle

Alle

• Anwendungsbereich

• Standardformular

Gewerbetreibend Fast alle Alle • Anwendungsber

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er Art. 2 (2)

eich

Kaufvertrag Art. 2(3)

Art. 2(5), Art. 2(8) Buchst. a, Art. 2(8) Buchst. b, Art. 3(1), Art. 5(1), Art. 5(3), Art. 16(2), Art. 17(1), Art. 19(1) Buchst. d, Art. 21(1), Art. 24(1), Art. 24(5), Anhang I Teil A und B

I (Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich) III (Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge) IV (Kaufverträge)

• Anwendungsbereich

• Standardformular3

Waren Art. 2(4)

Art. 2(3), Art. 2(4) Buchst. a, Art. 2(15), Art. 2(16), Art. 2(17), Art. 2(18), Art. 2(20), Art. 11(4), Art. 12(2), Art. 16(2), Art. 17(1), Art. 17(2), Art. 19(1) Buchst. b, Art. 19(1) Buchst. c, Art. 19(2) Buchst. a, Art. 19(2) Buchst. b, Art. 19(3) Buchst. c, Art. 21(1), Art. 21(2), Art. 21(3), Art. 21(4), Art. 22(1), Art. 23(1), Art. 23(2), Art. 24(1), Art. 24(2), Art. 24(2) Buchst. a, Art. 24(2) Buchst. c, Art. 24(2) Buchst. d, Art. 24(4) Buchst. c, Art. 24(5), Art. 26(1), Art. 26(3), Art. 26(5), Art. 28(2), Art. 28(3), Art. 28(5), Anhang I Teil A und B, Anhang II, Anhang III

I (Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich) III (Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge) IV (Kaufverträge)

• Anwendungsbereich

• Standardformular

Dienstleistungsvertrag Art. 2(5)

Art. 2(6), Art. 2(8) Buchst. a, Art. 2(8) Buchst. b, Art. 3(1), Art. 5(1), Art. 5(3), Art. 17(2), Anhang I Teil A und B

I (Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich) II (Information) III (Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge)

• Anwendungsbereich

• Standardformular4

Fernabsatzvertrag Art. 2(6)

Art. 2(20), Art. 8, Art. 9, Art. 11(1), Art. 11(2), Art. 11(4), Art. 12(1), Art. 12(2), Art. 15 Buchst. a, Art. 14(2), Art. 18(1), Art. 19(1), Art. 20(1), Art. 20(3), Anhang I Teil A.

I (Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich) III (Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge)

• Anwendungsbereich

Fernkommunikationsmittel Art. 2(7)

Art. 2(6), Art. 2(15), Art. 11(1), Art. 19(2) Buchst. a, Art. 19(2) Buchst. C

I (Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich) III (Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge)

• Anwendungsbereich

außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag Art. 2(8)

Art. 2(11), Art. 2(20), Art. 3(2), Art. 8, Art. 9, Art. 10(1), Art. 10(2), Art. 12(1), Art. 12(2), Art. 15 Buchst. a, Art. 15 Buchst. b, Art. 18(1), Art. 19(2), Art. 20(1), Art. 20(2), Anhang I Teil A.

I (Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich) III (Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge)

• Anwendungsbereich

Geschäftsräume Art. 2(9)

Art. 2(8) Buchst. a, Art. 2(8) Buchst. b, Art. 19(2) Buchst. a, Art. 20(1) Buchst. d

I (Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich) III (Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge)

• Anwendungsbereich

dauerhafter Art. 10(2), Art. 11(4), Art. 12(2), Art. I (Begriffsbestimmungen • Schutzniveau

3 „Kaufvertrag". 4 „Erbringung der folgenden Dienstleistung".

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Datenträger Art. 2(10)

14(1), Art. 29(3), Anhang I Teil A., Anhang III

und Anwendungsbereich) III (Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge) IV (Kaufverträge)

Bestellformular Art. 2(11)

Art. 10(1), Art. 10(2), Art. 12(2), Anhang I Teil A.

I (Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich) III (Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge)

• Schutzniveau

Produkt Art. 2(12)

Art. 5(1) Buchst. a, Art. 5(1) Buchst. c, Art. 11(3), Art. 32(2), Art. 45, Anhang III

I (Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich) II (Information) III (Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge) V (Vertragsklauseln)

• Anwendungsbereich

Finanzdienstleistung Art. 2(13)

Art. 3(2), Art. 20(2) Buchst. b, Anhang III I (Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich) III (Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge)

• Anwendungsbereich

• Schutzniveau?

berufliche Sorgfalt Art. 2(14)

Art. 5(1) Buchst. D I (Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich) II (Information)

• Schutzniveau

Versteigerung Art. 2(15)

Art. 2(16), Art. 19(1) Buchst. h

I (Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich) III (Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge)

• Schutzniveau?

öffentliche Versteigerung Art. 2(16)

Art. 5(2), Art. 7(3), Art. 21(4) II (Information) IV (Kaufverträge)

• Anwendungsbereich

• Schutzniveau?

Hersteller Art. 2(17)

Art. 2(18), Art. 24(2) Buchst. d

I (Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich) IV (Kaufverträge)

• Anwendungsbereich

gewerbliche Garantie Art. 2(18)

Art. 5(1) Buchst. f, Art. 29(1), Art. 29(2) Buchst. a, Art. 29(2) Buchst. b, Art. 29(2) Buchst. c, Anhang III

II (Information) IV (Kaufverträge)

• Anwendungsbereich

Vermittler Art. 2(19)

Art. 7(1), Art. 7(2) II (Information) • Anwendungsbereich

akzessorischer Vertrag Art. 2(20)

Art. 18(1) III (Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge)

• Schutzniveau

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2.3. Begriffsbestimmungen mit Relevanz für den Geltungsbereich Begriffsbestimmungen „mit Relevanz für den Anwendungsbereich“ legen den Anwendungsbereich der Richtlinie oder ihrer einzelnen Bestimmungen so fest, dass es den Mitgliedstaaten – grundsätzlich – freisteht, Fälle außerhalb des Anwendungsbereichs zu regeln, selbst wenn es sich um eine vollständig harmonisierende Richtlinie handelt. Der entsprechende Bewertungstest könnte als der Nicht-X-Test bezeichnet werden, wobei X für alle Sachlagen und Verträge steht, die unter eine Begriffsbestimmung fallen. Für jede einzelne Vorschrift muss die Frage gestellt werden, ob die VRR den Mitgliedstaaten die Regulierung des Verbraucherrechts für Nicht-X-Fälle (z. B. Nichtverbraucher) untersagt, also Fälle oder Situationen, die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

2.3.1. Persönlicher Anwendungsbereich Das bekannteste und am häufigsten diskutierte Beispiel ist das von Nichtverbrauchern, die von den Mitgliedstaaten in gleicher Weise geschützt werden wie Verbraucher im Rahmen einer Richtlinie (und in den Rechtsakten der Mitgliedstaaten auch oft als Verbraucher bezeichnet werden). Mit anderen Worten: Dürfen Mitgliedstaaten bei der Umsetzung einer vollständig harmonisierenden Richtlinie die Definition des Verbrauchers erweitern (wie es einige bereits getan haben)?

Nur wenige Autoren, die mittlerweile offenbar verstummt sind, machten (in Bezug auf die Richtlinie über den FernAbsatz von Finanzdienstleistungen) geltend, dass eine vollständig harmonisierende Richtlinie den Mitgliedstaaten verbieten würde, den durch die Richtlinie gewährten Schutz auf Nichtverbraucher auszuweiten.5 Mittlerweile überwiegt in der Rechtsliteratur die Auffassung, dass es den Mitgliedstaaten (sofern in anderen EU-Rechtsvorschriften, einschließlich den Verträgen, nichts anderes vorgesehen ist) freisteht, den Schutz auch Nichtverbrauchern zu gewähren.6 Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Auswirkungen vollständig harmonisierender Richtlinien gibt keine direkte Antwort auf die Frage, ob die Mitgliedstaaten umfassendere Definitionen in diesem Sinne verwenden dürfen, schließt dies jedoch auch nicht aus.7 Beim gegenwärtigen Stand der Debatte dürfte daher mit großer Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, eine umfassendere Definition des Verbrauchers einzuführen oder beizubehalten. Gleiches würde dann auch für eine umfassendere Definition des Gewerbetreibenden gelten (in die z. B. Vereinigungen ohne Erwerbszweck einbezogen werden könnten).

2.3.2. Andere Verträge oder Sachlagen, die nicht von der Richtlinie berührt werden

Ein weiteres Kriterium für den Anwendungsbereich der VRR ist eine spezifische Art von Vertrag oder eine spezifische Sachlage. Durch die Bestimmung des Begriffs der Waren beispielsweise können Verträge über den Kauf von Grundstücken oder digitalen Produkten (z. B. Klingeltönen) aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen werden. Anhand des Nicht-X-Tests wird wiederum ermittelt, ob dies nun bedeutet, dass den Mitgliedstaaten untersagt ist, Käufern von „Nichtwaren“ wie Grundstücken oder Klingeltönen einen ähnlichen Schutz zu gewähren, wie er in Kapitel IV VRR vorgesehen ist. Auch in verschiedenen juristischen Beiträgen wurde die Frage gestellt, ob die einzelnen Bestimmungen der VRR auf eine gezielte Vollharmonisierung abzielen (und damit die Autonomie der Mitgliedstaaten außerhalb des Anwendungsbereichs gewahrt bleibt) oder aber eine umfassende Vollharmonisierung herbeiführen sollen (wodurch den

5 Hoffman (2006), Der Verbraucherbegriff des BGB, S. 262; Tacou (2009), Verbraucherschutz auf hohem Niveau oder Mogelpackung?, S. 141. 6 Wilhemsson (2008), Full Harmonisation of Consumer Contract Law?, S. 228. 7 Zur Wirkung einer „schwarzen Liste" im Anhang zur (vollständig harmonisierenden) Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken siehe verbundene Rechtssachen C-261/07 und C-299/07, VTB-VAB NV. Irreführend: Di Pinto (Minimalfall).

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Mitgliedstaaten das Schließen von Lücken untersagt ist).8 Zumindest bei den beiden Beispielen des Verkaufs von Grundstücken bzw. Klingeltönen ist ziemlich klar, dass die VRR nicht auf eine umfassende Vollharmonisierung abzielt. Diese Bereiche fallen nun einmal nicht in den Anwendungsbereich der VRR. Somit können die Mitgliedstaaten Käufer von Grundstücken oder Klingeltönen nach eigenem Ermessen schützen. Eine Möglichkeit dafür wäre, in den nationalen Rechtsvorschriften einfach eine breiter gefasste Definition von „Waren“ zu verwenden.

2.3.3. Begriffsbestimmungen mit Relevanz für einen engeren Anwendungsbereich?

Während ziemlich klar feststeht, dass die Mitgliedstaaten in ihren einzelstaatlichen Rechtsvorschriften Begriffsbestimmungen beibehalten bzw. aufnehmen können, die umfassender sind als die VRR-Begriffsbestimmungen mit Relevanz für den Anwendungsbereich, könnte andererseits angeführt werden, dass enger gefasste Begriffsbestimmungen nicht zulässig sind. Das ist zwar einleuchtend, jedoch nur teilweise richtig. Die Mitgliedstaaten dürfen eigentlich nur dann keine engeren Begriffsbestimmungen in ihren Rechtsvorschriften haben, wenn sie nicht auf andere Weise die korrekte Umsetzung der VRR gewährleisten.

Beispiel: Wenn in einem Mitgliedstaat die herkömmliche Definition des Dienstleistungsvertrags enger gefasst ist als in Artikel 2 Absatz 5 und der in einigen Mitgliedstaaten als Werkvertrag bezeichnete Vertrag ausgeschlossen wird (contract for work, contratto d'opera, contrato de obra), so könnten die Mitgliedstaaten beispielsweise ihre herkömmliche Definition beibehalten und eine „Katzen-gelten-als-Hunde-Regel“ einführen: „Im Sinne dieses Kapitels gelten Werkverträge als Dienstleistungsverträge“.

2.4. Begriffsbestimmungen mit Relevanz für das Schutzniveau Begriffsbestimmungen mit Relevanz für das Schutzniveau legen nicht den Anwendungsbereich der einzelnen Bestimmungen der VRR, sondern das Niveau ihrer einzelnen Verbraucherschutzbestimmungen fest. Ziemlich eindeutige Beispiele sind

• Bestellformular

• dauerhafter Datenträger

• akzessorischer Vertrag.

In einigen anderen Fällen, wie etwa bei der „Finanzdienstleistung“ oder der „Versteigerung“ ist die Art der Begriffsbestimmung nicht genau feststellbar. Grund dafür ist die Uneindeutigkeit einiger VRR-Bestimmungen im Hinblick auf die beabsichtigte vollständige Harmonisierung.

Ein Beispiel dafür ist die Definition des Begriffs „Finanzdienstleistung“. Er wird in der VRR an verschiedenen Stellen verwendet, oftmals eindeutig „mit Relevanz für den Anwendungsbereich“ (siehe z. B. Artikel 3 Absatz 2 VRR).

In Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe b) jedoch werden außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, die im Zusammenhang mit bestimmten „Finanzdienstleistungen“ stehen, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Gewerbetreibende keinen Einfluss hat, aus dem Anwendungsbereich der Artikel 8 bis 19 VRR ausgeschlossen, womit für sie auch nicht die spezifischen Informationspflichten und das Widerrufsrecht gelten.

Die VRR lässt unklar, ob das im Zusammenhang mit dem Grundsatz der vollständigen Harmonisierung bedeutet, dass die Mitgliedstaaten an diese Ausnahme gebunden sind, oder ob es ihnen vielmehr freisteht, z. B. ein Widerrufsrecht auch für die Verträge über „Finanzdienstleistungen“ einzuräumen. Wenn die Mitgliedstaaten daran gebunden sind,

8 Schulte-Nölke u. a. (2009), Die potenziellen Auswirkungen der Richtlinie über Verbraucherrechte auf das Vertragsrecht der Mitgliedstaaten.

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dann wurde mit der Bestimmung in solchen Fällen eine Höchstgrenze für den Verbraucherschutz festgelegt, somit wäre die Begriffsbestimmung „Finanzdienstleistungen“ für das Schutzniveau relevant. Falls die Mitgliedstaaten die Definition verwenden, dürfen sie diese nicht enger fassen oder erweitern, da die Verbraucher ansonsten einen besseren oder schlechteren Schutz erfahren als in der Richtlinie vorgesehen. Uneindeutigkeiten bei den VRR-Bestimmungen im Hinblick auf den Effekt der vollständigen Harmonisierung wirken sich auch auf die Beurteilung der Folgen aus, die die Begriffsbestimmungen möglicherweise für die Mitgliedstaaten haben.

Cum grano salis lässt sich daher sagen, dass die Mitgliedstaaten im Falle der „Begriffsbestimmungen mit Relevanz für das Schutzniveau“ stärker an die Richtlinie gebunden sind, falls diese Begriffsbestimmungen verwendet werden. Die Mitgliedstaaten können auch andere Begriffe einsetzen (z. B. „Verbraucherschutzformular“ statt „Bestellformular“), dürfen jedoch den Inhalt der Begriffsbestimmung (d. h. das „definiens“) nicht verändern.

2.5. Begriffsbestimmungen mit Relevanz für das Standardformular Einige Begriffsbestimmungen erscheinen in Anhang I Teil B der VRR, der ein Muster-Widerrufsformular für die Aushändigung an die Verbraucher enthält. Die VRR kann so verstanden werden, dass die Mitgliedstaaten Anhang I Teil B Wort für Wort umsetzen und damit durch ihre Umsetzungsgesetze regeln, dass der Händler das in Anhang I Teil B enthaltene Muster-Widerrufsformular dem Verbraucher in genau dieser Form übergibt. Aufgrund dieser Forderung nach Bereitstellung eines EU-Muster-Widerrufsformulars ist es für die Mitgliedstaaten äußerst angeraten, in ihren Rechtsvorschriften die gleichen Termini zu verwenden, wie sie im Muster-Widerrufsformular zu finden sind, um auf diese Weise Widersprüche zu vermeiden.

Beispiel: Österreich verwendet derzeit den Terminus „Rücktritt“ für „withdrawal“, während in der deutschen Fassung der VRR in Anhang I Teil B von „Widerruf“ die Rede ist. Da es verwirrend sein könnte, wenn im österreichischen Recht andere Termini verwendet werden, spricht doch vieles dafür, den Terminus „Widerruf“ einheitlich zu verwenden und „Rücktritt“ entsprechend zu ersetzen.9

2.6. Allgemeine Umsetzungsanforderungen beim Verbraucherrecht

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in mehreren Fällen entschieden, dass die Mitgliedstaaten Richtlinien so umsetzen müssen, dass die Rechtslage hinreichend klar bestimmt ist und die Begünstigten in die Lage versetzt werden, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen. Das ist besonders dann wichtig, wenn eine Richtlinie dazu bestimmt ist, Bürgern anderer Mitgliedstaaten10 Rechte zu gewähren was im Bereich des Verbraucherschutzes der Fall ist.11 Diese Tendenz der Rechtsprechung könnte in gewisser Weise die Frage beeinflussen, ob die Mitgliedstaaten zur Gewährung des Verbraucherschutzes in ihren Rechtsvorschriften statt der VRR-Definitionen auch sehr allgemeine Termini verwenden können (z. B. „Gläubiger" statt „Verbraucher").

2.7. Auswirkungen auf den Binnenmarkt Es lässt sich nur schwer eine Antwort auf die Frage finden, ob Begriffsbestimmungen (isoliert betrachtet) Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben. Diese Frage macht hauptsächlich Sinn in Bezug auf die Bestimmungen der Richtlinie, in denen natürlich die definierten Begriffe verwendet werden.

9 Beispiel von Wendehorst, Umsetzungskonzepte, in Jud/Wendehorst (2009), S. 153, auf S. 180, 182. 10 Rechtssache C-365/93 Kommission / Griechenland, Slg. 1995, I-499, Randnr. 9. 11 Rechtssache C-144/99 Kommission / Niederlande, Slg. 2001, I-3541; Rechtssache C-478/99 Kommission / Schweden, Slg. 002, I-4147; Rechtssache C-97/0 Kommission / Luxemburg, Slg. 2003, I-5797.

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Wenn es jedoch speziell um die Begriffsbestimmungen oder die einheitliche Verwendung der VRR-Terminologie durch die Mitgliedstaaten geht, könnte das Muster-Widerrufsformular die augenfälligsten positiven Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben. Es würde zu einem europaweit angewandten, standardisierten Instrument insbesondere für den FernAbsatz und den elektronischen Handel. Verbraucher mit einer regen Kauftätigkeit auf dem Binnenmarkt würden sich an das Formular gewöhnen (obwohl es in verschiedenen Sprachen vorliegt). Ein solches allgegenwärtiges Formular könnte das Vertrauen der Verbraucher im Binnenmarkt verbessern helfen, der dann – zumindest teilweise – durch die EU einheitlich reguliert erscheint. Vielleicht wäre es sogar angeraten, auf dem Formular genau kenntlich zu machen, dass es sich um ein EU-Formular handelt (man könnte es z. B. „EU-Muster-Widerrufsformular“ nennen).

Wie bereits erläutert, könnte das Formular darüber hinaus den Effekt haben, dass die Mitgliedstaaten die darin wie auch in ihren Umsetzungsgesetzen vorkommenden Termini häufiger verwenden, insbesondere „Verbraucher“ oder „Waren“ (bzw. deren Äquivalente in den anderen Sprachen).

Einige der Definitionen „mit Relevanz für das Schutzniveau“ wie etwa „dauerhafter Datenträger“ oder „Bestellformular“ werden wahrscheinlich ziemlich einheitlich angewendet werden, obwohl die Mitgliedstaaten nicht auf die VRR-Begriffe zurückgreifen müssen.

Abgesehen von diesen – mit Sicherheit positiven – Effekten für den Binnenmarkt sollte man nicht zu optimistisch sein, dass es durch die VRR bei der Verwendung von Rechtsbegriffen zu einer wesentlich stärkeren Vereinheitlichung kommt. Da es sich bei der VRR um eine Richtlinie handelt, ist es den Mitgliedstaaten nach wie vor in hohem Maße freigestellt, ihre herkömmliche Rechtsterminologie einzusetzen. Vor allem können und werden sie höchstwahrscheinlich auch ihre umfassenderen Definitionen beibehalten (die nicht von der Richtlinie berührte Personen oder Sachlagen einschließen), um den Schutz bestimmter Vertragspartner aufrechtzuerhalten. Für die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Rechtsterminologie, die sowohl in den EU-Rechtsvorschriften als auch in den einzelstaatlichen Rechtsakten Anwendung findet, wird die VRR wohl eher von begrenzter Bedeutung sein.

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3. ANALYSE EINZELNER BEGRIFFSBESTIMMUNGEN

3.1. Verbraucher Artikel 2 Absatz 1 VRR: Der Ausdruck „Verbraucher“ bezeichnet jede natürliche Person, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen zu Zwecken handelt, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit liegen.

3.1.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Die Definition des Ausdrucks „Verbraucher“ stellt eine „Begriffsbestimmung mit Relevanz für den Anwendungsbereich“ dar. Dies ergibt sich aus Artikel 1 VRR, wonach die Bestimmungen der Richtlinie für „Verträge zwischen Verbrauchern und Gewerbetreibenden“ gelten. Den Mitgliedstaaten ist gestattet, einzelstaatliche Vorschriften zur Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie auch auf „Nicht-Verbraucher“ anzuwenden, d. h. Personen, die nicht in den Anwendungsbereich der VRR fallen. Durch den Grundsatz der vollständigen Harmonisierung in der VRR werden die Mitgliedstaaten nicht daran gehindert, zum Einen Definitionen für den Ausdruck „Verbraucher“ beizubehalten, die bereits über den Verbraucherbegriff im derzeitigen Besitzstand hinausgehen, und zum Anderen ihre einzelstaatliche Definition des Ausdrucks „Verbraucher“ zu erweitern. Allerdings dürfen die Mitgliedstaaten nicht das Verbraucherschutzniveau durch den Ausschluss von Sachverhalten absenken, die von den Definitionen der VRR erfasst werden. Dies war aber auch schon unter den Mindestharmonisierungsrichtlinien der Fall.

Die Definition des Ausdrucks „Verbraucher“ hat außerdem „Relevanz für das Standardformular“, da er in Anhang I Teil B auftaucht. Die Mitgliedstaaten müssen den Begriff in ihren einzelstaatlichen Rechtsvorschriften verwenden, die zur Umsetzung des Muster-Widerrufsformulars dienen. Durch die Verpflichtung, den Begriff „Verbraucher“ wortwörtlich in das Muster-Widerrufsformular zu übernehmen, werden wahrscheinlich die meisten Mitgliedstaaten dazu angeregt, den Ausdruck „Verbraucher“ beizubehalten oder ebenfalls in ihre entsprechenden Vorschriften einzuführen.

3.1.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten

3.1.2.1. Gemischte Verträge Im Gemeinschaftsrecht wird nicht die Frage beantwortet, ob eine Person, die teilweise zu privaten und teilweise zu geschäftlichen Zwecken handelt, als Verbraucher anzusehen ist.12 Die aktuellen Lösungen in den Mitgliedstaaten reichen von ausschließlich privater und vorwiegend privater Tätigkeit bis hin zu gar keiner eindeutigen Regelung für gemischte Verträge.13 Im Gegensatz zum Entwurf für einen Gemeinsamen Referenzrahmen („Draft Common Frame of Reference" - DCFR)14 und den Grundsätzen des gemeinschaftlichen Besitzstandes („Acquis Principles" - ACQP)15 ist in der VRR nicht vorgeschrieben, dass eine Person, die hauptsächlich zu nichtgeschäftlichen Zwecken

12 Laut dem EuGH 20. Januar 2005, Johann Gruber/Bay Wa AG, Rechtssache C-464/01, Slg. 2005, I-439, Randnrn. 51 ff. kann sich eine Person nicht auf die Schutzregelung der Artikel 13 bis 15 EuGVÜ berufen, wenn sie fahrlässig den Eindruck erweckt hat, dass sie zu beruflich-gewerblichen Zwecken handelte. Unklar bleibt jedoch, inwieweit sich dieser Ansatz vom internationalen Zivilprozessrecht auf materielles Verbraucherschutzrecht übertragen lässt. 13 Siehe Schulte-Nölke u. a. (2008), EG-Verbraucherrechtskompendium, S. 463. 14 Artikel I.-1:105 DCFR: Der Ausdruck „Verbraucher" bezeichnet jede natürliche Person, die in erster Linie zu Zwecken handelt, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit liegen. 15 Artikel 1:201 ACQP: „Der Ausdruck ,Verbraucher‘ bezeichnet jede natürliche Person, die hauptsächlich zu Zwecken handelt, die außerhalb ihrer geschäftlichen Tätigkeit liegen."

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handelt, als Verbraucher einzuordnen ist. Nach Ansicht einiger Wissenschaftler legt die Definition der VRR nahe, dass eine Person bei gemischten Vertragsverhältnissen16 stets als Verbraucher zu behandeln ist, Andere wiederum vertreten den Standpunkt, dass die Einstufung als Verbraucher bei gemischten Vertragsverhältnissen generell ausgeschlossen ist.17 Aufgrund dieser doppeldeutigen Auslegung ist es unklar, welche Auswirkungen eine vollständig harmonisierte Definition des Ausdrucks „Verbraucher" auf die einzelstaatlichen Rechtsakte haben wird. Würden die europäischen Verbraucherschutzvorschriften auf jede Person, die zumindest teilweise zu privaten Zwecken handelt, Anwendung finden, dann müssten einige Mitgliedstaaten – wie DEUTSCHLAND, DÄNEMARK, FINNLAND und SCHWEDEN, wo ein vorwiegend privater Zweck erforderlich ist – ihren Verbraucherbegriff abändern, denn dieser wäre ansonsten enger gefasst als der europäische Begriff. Wenn das europäische Verbrauchervertragsrecht lediglich für Verträge gelten würde, die ausschließlich für private Zwecke abgeschlossen wurden, dann hätten die Mitgliedstaaten bei der Regelung von gemischten Verträgen völlig freie Hand.

Zur Klarstellung dieses Punktes wäre es angebracht, die Definition in der VRR neu zu verfassen.

3.1.2.2. Sachverhalte, die nicht von der VRR harmonisiert werden Einige Mitgliedstaaten grenzen den Begriff „Verbraucher“ nicht auf natürliche Personen ein, sondern dehnen den Anwendungsbereich verschiedener Verbraucherschutzvorschriften auch auf bestimmte juristische Personen aus. Obwohl der EuGH (hinsichtlich der Verbraucherdefinition in Artikel 2 der Richtlinie über missbräuchliche Vertragsbedingungen) ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass laut EU-Recht (damals EG-Recht) eine Ausweitung des Begriffs „Verbraucher" auf bestimmte juristische Personen18 nicht erforderlich ist, sind Mitgliedstaaten, in denen dies der Fall ist, nicht zur Änderung ihrer Definitionen verpflichtet. ÖSTERREICH19, BELGIEN, DIE TSCHECHISCHE REPUBLIK, DÄNEMARK, FRANKREICH20, GRIECHENLAND, DIE SLOWAKEI, SPANIEN21 UND DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH22 KÖNNEN NACH WIE VOR BESTIMMTE JURISTISCHE PERSONEN ALS VERBRAUCHER BEHANDELN.

Der DEUTSCHE Gesetzgeber hat die verschiedenen Verbraucherdefinitionen in § 13 Bürgerliches Gesetzbuch umgesetzt, in dem es heißt: „Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.“ Eine beschäftigte Person, die außerhalb ihres Beschäftigungsverhältnisses tätig wird, aber keine selbständige berufliche Tätigkeit ausübt, wird daher als Verbraucher behandelt.23

16 Dannemann u. a., Position Paper on the Proposal for a Directive on Consumer Rights, in: Schulte-Nölke/Tichý (Hrsg.), Perspectives for European Consumer Law, 2010, S. 157-184, auf S. 169. 17 de Booys u. a., How the CFR can improve the Consumer Rights Directive, Studie für das Europäische Parlament, 22. Oktober 2009, S. 4. 18 EuGH 22. November 2001, Cape Snc. /Idealservice Srl. und Idealservice MN RE Sas. /OMAI, Verbundene Rechtssachen C-541/99 und C-542/99, Slg. 2001, I-9049, Randnr. 16. 19 § 1 Absatz 1 Ziffer 2 in Verbindung mit Absatz 2 Konsumentenschutzgesetz. 20 Das Gericht „Cour de cassation“ hat klargestellt, dass gemäß dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Idealservice der Begriff „Verbraucher“ (consommateur) nicht auf juristische Personen übertragbar ist, wohingegen der Begriff „Nicht-Gewerbetreibender“ (der im Zusammenhang mit den Artikeln über missbräuchliche Vertragsklauseln verwendet wird, siehe Artikel L 132-1 Verbrauchergesetz) laut französischem Recht auch juristische Personen umfassen kann (Cour de cassation für Zivilsachen, 15. März 2005, Nr. 02-13285). 21 Artikel 3 der Gesetzesverordnung 1/2007 (VSG): „las personas físicas o jurídicas". 22 In der Rechtsprechung wurde festgestellt, dass ein Unternehmen im Sinne des Gesetzes über missbräuchliche Vertragsklauseln „als Verbraucher tätig" werden kann (z. B. R. & B. Customs Brokers Co. Ltd./United Dominions Trust Ltd.,1988, 1 WLR 321). In anderen Verbraucherschutzinstrumenten kann lediglich eine natürliche Person als Verbraucher behandelt werden. 23 Bundesarbeitsgericht, 25. Mai 2005, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2005, 3305.

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Diskutiert wird derzeit, ob der europäische Verbraucherbegriff bereits Arbeitnehmer umfasst.24 Selbst wenn der europäische Gesetzgeber Arbeitnehmer von der Verbraucherdefinition ausnehmen würde, wäre dies kein Hindernis für Deutschland, eine beschäftigte Person - also eine Person, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit handelt - als Verbraucher zu betrachten. Dies bedeutet insbesondere, dass gemäß deutschem Recht allgemeine Geschäftsbedingungen in Arbeitsverträgen grundsätzlich der Missbräuchlichkeitsprüfung aus der Richtlinie über missbräuchliche Vertragsbedingungen unterliegen.

In GRIECHENLAND25 und UNGARN26 fallen sämtliche „Endadressaten" bzw. „Endempfänger" unter die Schutzklauseln. Im Allgemeinen bietet dieser Begriff einen größeren Schutz als die europäische Verbraucherdefinition, weil er sich auch auf bestimmte gewerbliche Geschäfte erstreckt. Daher wird der Grundsatz der vollständigen Harmonisierung kein Hindernis für die Mitgliedstaaten darstellen, die von dem Ausdruck „Endempfänger“ Gebrauch machen.

Aus der Verbraucherdefinition der VRR geht nicht eindeutig hervor, ob eine Person, die im Rahmen ihrer vorbereitenden beruflichen Tätigkeit (so genannte Gründungstätigkeit) Rechtsgeschäfte abwickelt, ebenso als „Verbraucher“ einzuordnen ist. Auf dem Gebiet des internationalen Zivilverfahrensrechts hat der EuGH geurteilt, dass der besondere Schutz nicht gerechtfertigt ist bei Verträgen, deren Zweck in einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit besteht, auch wenn diese erst für die Zukunft vorgesehen ist.27 Diese Ansicht wird durch die Richtlinie über den FernAbsatz von Finanzdienstleistungen untermauert.28 Obwohl im Gemeinschaftsrecht offenbar der Standpunkt bevorzugt wird, Gründungstätigkeiten vom Verbraucherbegriff auszuschließen, sind Mitgliedstaaten, die sich mit dieser Problematik befasst haben bzw. befassen werden, keineswegs durch das Gemeinschaftsrecht gebunden. So werden bereits bestehende Unterschiede erhalten bleiben: In ÖSTERREICH sind Rechtsgeschäfte, bei denen eine natürlich Person vor der Betriebsaufnahme die notwendigen Waren bzw. Dienstleistungen erwirbt, nicht als gewerbliche Geschäfte29 anzusehen. In DEUTSCHLAND hingegen werden Unternehmensgründer von den Gerichten nicht als Verbraucher, sondern als Gewerbetreibende betrachtet.30

24 Dafür: Faber, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (ZEuP) 1998, 854, 873 ff.; dagegen: Mohr, Archiv für die civilistische Praxis (AcP) 204 (2004), 660, 671. 25 Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe a VSG: „Verbraucher ist jede ,natürliche bzw. juristische Person‘, auf die Erzeugnisse bzw. Dienstleistungen eines Marktes abzielen und die von solchen Erzeugnissen und Dienstleistungen auch Gebrauch macht, solange diese Person den Endempfänger darstellt." 26 Artikel 2 Buchstabe i VSG. 27 EuGH 3. Juli 1997, Francesco Benincasa/Dentalkit Srl., Rechtssache C-269/95, Slg. 1997, I-3767, Randnr. 17. 28 Erwägung (29) der Richtlinie 2002/65/EG: „Diese Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, im Einklang mit den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften den Schutz dieser Richtlinie auf gemeinnützige Organisationen oder Personen auszuweiten, die Finanzdienstleistungen in Anspruch nehmen, um Unternehmer zu werden." 29 § 1 Absatz 3 Konsumentenschutzgesetz: „Geschäfte, die eine natürliche Person vor Aufnahme des Betriebes ihres Unternehmens zur Schaffung der Voraussetzungen dafür tätigt, gehören noch nicht im Sinn des Abs. 1 Z. 1 zu diesem Betrieb." 30 Bundesgerichtshof (BGH), 24. Februar 2005, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2005, S. 1273-1275.

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3.1.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

Die in Artikel 2 Absatz 1 VRR enthaltene Definition des Begriffs „Verbraucher“ ist an die entsprechenden Definitionen in den vier bestehenden Richtlinien angelehnt, die in den Anwendungsbereich der VRR fallen:

Artikel 2 der Richtlinie über Haustürgeschäfte 85/577/EWG

„Verbraucher“: eine natürliche Person, die bei den von dieser Richtlinie erfassten Geschäften zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann;

Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie über missbräuchliche Vertragsbedingungen 93/13/EWG

„Verbraucher“: eine natürliche Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann;

Artikel 2 Absatz 2 der Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG

„Verbraucher“: eine natürliche Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann;

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG

„Verbraucher“: jede natürliche Person, die im Rahmen der unter diese Richtlinie fallenden Verträge zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann;

In allen Definitionen sind zwei gemeinsame Voraussetzungen für den Begriff „Verbraucher“ festgelegt: Verbraucher ist (1) eine natürliche Person, (2) die zu bestimmten nichtgewerblichen Zwecken handelt. Alle vier Richtlinien schließen außerdem berufliche und gewerbliche Tätigkeiten aus (“business“ wurde in den anderen drei Richtlinien im Deutschen nicht extra übersetzt; „trade, business or profession“ wurden im Deutschen zur Phrase „beruflich oder gewerblich“ zusammengezogen, somit gibt es im Deutschen keinen inhaltlichen Unterschied zwischen der Haustür-Definition und den anderen Definitionen“ - Anm. des Übersetzers). Die Verbraucherdefinition der VRR beinhaltet zudem „handwerkliche Tätigkeit“ als einen Zweck, der außerhalb der Tätigkeit einer natürlichen Person liegen muss.31 Da jedoch in den meisten Fällen die handwerkliche Tätigkeit einer Person auch ihre gewerbliche oder berufliche Tätigkeit darstellt, wird durch die Einbeziehung der „handwerklichen Tätigkeit" offenbar der Begriff „Verbraucher" im Wesentlichen nicht eingeengt.

31 Ähnlich verhält es sich mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und der Timesharing-Richtlinie, in denen „handwerkliche Tätigkeiten" ebenfalls enthalten sind. Bei der Richtlinie über Zahlungsdienste und der Richtlinie über Verbraucherkreditverträge ist dies hingegen nicht der Fall.

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3.1.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

Wünschenswert wäre vielleicht, eine einheitliche Definition des Begriffs „Verbraucher“ für den gesamten Besitzstand zu schaffen, was ohne Vornahme großer Änderungen an einzelnen Definitionen realisierbar sein sollte. Eine Definition des Ausdrucks „Verbraucher“ findet sich beispielsweise in folgenden Verbraucherrichtlinien:

Artikel 2 Absatz 4 der Pauschalreiserichtlinie 90/314/EWG

„Verbraucher“: die Person, welche die Pauschalreise bucht oder zu buchen sich verpflichtet („der Hauptkontrahent“), oder jede Person, in deren Namen der Hauptkontrahent sich zur Buchung der Pauschalreise verpflichtet („die übrigen Begünstigten“), oder jede Person, der der Hauptkontrahent oder einer der übrigen Begünstigten die Pauschalreise abtritt („der Erwerber“)

Art. 2 Buchst. e der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr 2000/31/EG

„Verbraucher“: jede natürliche Person, die zu Zwecken handelt, die nicht zu ihren gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeiten gehören

Art. 2 Buchst. d der Richtlinie über den FernAbsatz von Finanzdienstleistungen 2002/65/EG

„Verbraucher“: jede natürliche Person, die bei Fernabsatzverträgen zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können

Art. 2 Buchst. a der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 2005/29/EG

„Verbraucher“: jede natürliche Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können

Artikel 4 Absatz 11 der Richtlinie über Zahlungsdienste 2007/64/EG

„Verbraucher“: eine natürliche Person, die bei den von dieser Richtlinie erfassten Zahlungsdienstverträgen zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können

Art. 3 Buchst. a der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG

„Verbraucher“: eine natürliche Person, die bei den von dieser Richtlinie erfassten Geschäften zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann

Art. 3 Buchst. Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe f der Timesharing-Richtlinie 2008/122/EG

„Verbraucher“: jede natürliche Person, die zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können

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3.2. Gewerbetreibender

Artikel 2 Absatz 2 der VRR: Der Ausdruck „Gewerbetreibender“ bezeichnet jede natürliche oder juristische Person, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen zu Zwecken handelt, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, sowie jede Person, die im Namen oder im Auftrag eines Gewerbetreibenden handelt.

3.2.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Die Definition des Begriffs „Gewerbetreibender“ stellt eine „Begriffsbestimmung mit Relevanz für den Anwendungsbereich“ dar. Dies ergibt sich aus Artikel 1 VRR, wonach die Bestimmungen der Richtlinie für „Verträge zwischen Verbrauchern und Gewerbetreibenden“ gelten. Daher steht es den Mitgliedstaaten weiterhin frei, den Begriff „Gewerbetreibender“ über den Definitionsumfang der Richtlinie hinaus auszuweiten, allerdings darf die Definition nicht enger gefasst werden (z. B. durch den Ausschluss von KMU), weil dies nicht in Einklang mit der VRR stünde. Das war aber auch schon unter den Mindestharmonisierungsrichtlinien der Fall.

3.2.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten Einige Mitgliedstaaten haben eine einheitliche Definition für den Vertragspartner des Verbrauchers eingeführt, insbesondere ÖSTERREICH32, die TSCHECHISCHE REPUBLIK33, FINNLAND34, DEUTSCHLAND35, ITALIEN36, SPANIEN37 und SLOWENIEN38. In BULGARIEN wird im Verbraucherschutzgesetz zwischen drei Arten von Verbraucherverträgen unterschieden, wobei es auf die Art des Vertragspartners des Verbrauchers ankommt (Händler, Hersteller bzw. Lieferant)39, demnach gelten in Bulgarien unterschiedliche Regeln. In LETTLAND und LITAUEN sind die Begriffe „Verkäufer" und „Dienstleister" generell für alle Arten von Verbraucherverträgen40 definiert. (40) Die SLOWAKEI hat allgemeine Definitionen für die Ausdrücke „Verkäufer" und „Lieferant"41 eingeführt. Andere Mitgliedstaaten hingegen, insbesondere Frankreich, verzichten auf ausdrückliche Definitionen und verlassen sich stattdessen auf ihre Rechtsprechung, um eine allumfassende Definition für „Gewerbetreibender“ zu entwickeln.

Die Definition des Begriffs „Gewerbetreibender“ in der VRR lässt offen, ob der Gewerbetreibende eine Gewinnabsicht verfolgen muss. Diese Frage ist in den Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt. In ÖSTERREICH findet sich in Artikel 1 Absatz 2 Konsumentenschutzgesetz folgende Beschreibung: „Unternehmen (…) ist jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein“. In DEUTSCHLAND hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erforderlich ist42. Ebenso wird in Griechenland anerkannt, dass auch gemeinnützige Organisationen bzw. Einrichtungen sowie öffentliche Körperschaften und Kommunalbehörden als Gewerbetreibende auftreten können. Auch in den NIEDERLANDEN und SCHWEDEN sind Unternehmen ohne Gewinnabsicht mit eingeschlossen.

32 Artikel 1 Absatz 2 Konsumentenschutzgesetz. 33 Artikel 52 Absatz 2 Zivilgesetzbuch. 34 Kapitel 1 Artikel 5 VSG. 35 Artikel 14 BGB. 36 Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c Verbrauchergesetz. 37 Artikel 4 VSG. 38 Artikel 1 Absatz 3 VSG. 39 Verbraucherschutzgesetz, Zusatzbestimmungen, § 13 Ziffer 2-4. 40 Artikel 1 Absatz 1 Abschnitte 4 und 5 des lettischen Verbraucherschutzgesetzes; Artikel 2 Absätze 2 und 3 des lettischen Verbraucherschutzgesetzes. 41 Art. 2 Absatz 1 Buchstaben (b) und (e). 42 BGH (DE) März 2006 VIII ZR 173/05.

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Anders sieht es in FINNLAND und SLOWENIEN aus. Gemäß Artikel 1:5 des FINNISCHEN Verbraucherschutzgesetzes muss der Gewerbetreibende „mit einer Einkommenserzielungsabsicht oder mit einem anderen wirtschaftlichen Interesse“ tätig werden. In Artikel 1 Absatz 3 des SLOWENISCHEN Verbraucherschutzgesetzes wird „Gewerbetreibender“ als juristische oder natürliche Person definiert, die „eine gewinnbringende Tätigkeit“ betreibt, wobei die Rechts- oder Eigentumsform keine Rolle spielt.

Die VRR beantwortet nicht die Frage, ob es den Mitgliedstaaten auch weiterhin frei steht, die Voraussetzung einer Gewinnerzielungsabsicht festzulegen. Idealerweise sollte diese Frage in der VRR geklärt werden.

Des Weiteren ist auch noch offen, ob öffentliche Körperschaften ebenfalls unter die Definition des Ausdrucks „Gewerbetreibender“ fallen. In einer Reihe von Mitgliedstaaten ist ausdrücklich geregelt, dass der Begriff „Unternehmen“ auch juristische Personen des öffentlichen Rechts mit einschließt. So werden in ÖSTERREICH juristische Personen des öffentlichen Rechts stets als Unternehmen betrachtet43. Auch der BULGARISCHE Gesetzgeber hat ausdrücklich festgelegt, dass die Begriffe „Händler" und „Lieferant" sämtliche juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts umfassen44. Laut ITALIENISCHEM Recht erstreckt sich die Definition des Begriffs „Verkäufer" (bei Kaufverträgen) auf sämtliche natürliche oder juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts45. In SLOWENIEN wird unter dem Begriff „Gewerbetreibender" eine juristische oder natürliche Person verstanden, „wobei es nicht auf die Rechts- oder Eigentumsform ankommt46". Die SPANISCHE Definition des Begriffs „Unternehmen" beinhaltet ebenfalls sowohl private als auch öffentliche Tätigkeiten47. In anderen Mitgliedstaaten wie DEUTSCHLAND ergibt sich aus der allgemeinen Definition des Ausdrucks „juristische Person“, dass auch öffentliche Körperschaften dazu gezählt werden.

3.2.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

Die in Artikel 2 Absatz 2 VRR enthaltene Definition des Begriffs „Gewerbetreibender“ ist an die entsprechenden Definitionen in den vier bestehenden Richtlinien angelehnt, die in den Anwendungsbereich der VRR fallen:

Artikel 2 der Richtlinie über Haustürgeschäfte 85/577/EWG

„Gewerbetreibender“: eine natürliche oder juristische Person, die beim Abschluss des betreffenden Geschäfts im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, sowie eine Person, die im Namen und für Rechnung eines Gewerbetreibenden handelt;

Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie über missbräuchliche Vertragsbedingungen 93/13/EWG

„Gewerbetreibender“: eine natürliche oder juristische Person, die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen, im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, auch wenn diese dem öffentlich-rechtlichen Bereich zuzurechnen ist;

Artikel 2 Absatz 3 der Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG

„Lieferer“: jede natürliche oder juristische Person, die beim Abschluss von Verträgen im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit

43 Artikel 1 Absatz 2 zweiter Satz Konsumentenschutzgesetz. 44 Verbraucherschutzgesetz, Zusatzbestimmungen, § 13 Ziffern 2 und 4. 45 Artikel 128 Absatz 2 Buchstabe b Verbrauchergesetz. 46 Artikel 1 Absatz 3 VSG. 47 Artikel 4 VSG.

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handelt;

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG

„Verkäufer“: jede natürliche oder juristische Person, die aufgrund eines Vertrags im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit Verbrauchsgüter verkauft;

Im Gegensatz zur Verbraucherdefinition gab es zuvor im EG-Recht keinen einheitlichen Begriff, um die andere Vertragspartei eines Verbrauchervertrags zu bezeichnen. Trotz terminologischer Unterschiede entsprechen alle erwähnten Richtlinien dem Standard, dass die andere Vertragspartei eines Verbrauchervertrags (1) entweder eine natürliche oder juristische Person sein kann, (2) die im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt.

3.2.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

In verschiedenen anderen Verbraucherrichtlinien finden sich ebenfalls entsprechende Definitionen des Begriffs „Gewerbetreibender“, die harmonisiert bzw. zusammengefasst werden könnten:

Art. 2 Buchst. b der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr 2000/31/EG

„Diensteanbieter“: jede natürliche oder juristische Person, die einen Dienst der Informationsgesellschaft anbietet;

Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie über den FernAbsatz von Finanzdienstleistungen 2002/65/EG

„Anbieter“: jede natürliche oder juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts, die im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit Dienstleistungen aufgrund von Fernabsatzverträgen erbringt;

Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 2005/29/EG

„Gewerbetreibender“: jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Sinne dieser Richtlinie im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt;

Artikel 3 Buchstabe b der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG

„Kreditgeber“: eine natürliche oder juristische Person, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit einen Kredit gewährt oder zu gewähren verspricht;

Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e der Timesharing-Richtlinie 2008/122/EG

„Gewerbetreibender“: eine natürliche oder juristische Person, die für die Zwecke ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, sowie jede Person, die im Namen oder im Auftrag eines Gewerbetreibenden handelt

3.3. Kaufvertrag

Artikel 2 Absatz 3 VRR: Der Ausdruck „Kaufvertrag“ bezeichnet jeden Vertrag über den Verkauf von Waren durch den Gewerbetreibenden an den Verbraucher unter Einschluss von gemischten Verträgen, die sowohl Waren als auch Dienstleistungen zum Gegenstand haben.

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3.3.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Die Definition des Begriffs „Kaufvertrag“ stellt eine „Begriffsbestimmung mit Relevanz für den Anwendungsbereich“ dar, weil den Mitgliedstaaten die Regelung von „Nicht-Kaufverträgen“ bzw. die Ausweitung ihrer Definition von Kaufverträgen freisteht (sofern solche Verträge nicht unter die VRR bzw. andere vollständig harmonisierte Bereiche, wie Dienstleistungsverträge, fallen).

In Artikel 3 Absatz 1 sowie Artikel 5 Absätze 1 und 3 VRR taucht der Terminus „Kaufvertrag“ in der Phrase „Kauf- und (oder) Dienstleistungsverträge“ auf, womit sämtliche von der VRR erfasste Vertragsarten gemeint sind. Den Mitgliedstaaten ist weiterhin die Regelung von Verträgen freigestellt, die nicht im Anwendungsbereich der VRR liegen (z. B. Spendenverträge oder Gesellschaftsverträge).

Artikel 16 Absatz 2 und Artikel 17 Absatz 1 regeln einige Besonderheiten, die es bei der Auflösung von Kaufverträgen im Widerrufsfall zu beachten gilt. Somit können die Mitgliedstaaten bei „Nicht-Kaufverträgen“ nach wie vor abweichende Bestimmungen verabschieden.

In Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe d (Ausnahme für im Vorabhandel erworbene Weine (vin en primeur)) ist die Verwendung des Begriffs „Kaufvertrag“ wahrscheinlich überflüssig; es sollte einfach „Vertrag“ heißen.

Kapitel IV VRR betrifft „sonstige Verbraucherrechte in Bezug auf Kaufverträge“. In diesem Kapitel wird in Artikel 21 Absatz 1 klargestellt, dass sich die Definition des Begriffs „Kaufvertrag“ auf den Anwendungsbereich der Richtlinie bezieht: „Dieses Kapitel gilt für Kaufverträge“. Daher steht es den Mitgliedstaaten weiterhin frei, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die über den Anwendungsbereich der Richtlinie hinausgehen. Allerdings ist es nicht möglich, die Vorschriften enger zu fassen. Die Verwendung des Terminus „Kaufvertrag“ in Artikel 24 Absätze 1 und 5 VRR ist überflüssig; es sollte einfach „Vertrag“ heißen.

Die Definition des Begriffs „Kaufvertrag“ hat außerdem „Relevanz für das Standardformular“, da dieser Ausdruck auch in Anhang I Teil B (in der Form „Vertrag über den Kauf“) vorkommt. Die Mitgliedstaaten müssen diesen Terminus Eins zu Eins in das Muster-Widerrufsformular übernehmen, das im Rahmen ihrer einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu erstellen ist.

3.3.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten Die meisten Mitgliedstaaten verfügen über eine ausdrückliche Definition des Begriffs „Kauf“ bzw. „Kaufvertrag“.48 In einigen Rechtsordnungen ergeben sich die notwendigen Merkmale eines Kaufs aus den Bestimmungen, die die allgemeinen Verpflichtungen der Parteien regeln49, andere Länder wiederum sehen gar keine rechtliche Definition vor, so dass diese Aufgabe den Rechtswissenschaftlern überlassen bleibt. In den jeweiligen Definitionen werden die Verpflichtungen genannt, die ein Kaufgeschäft auszeichnen, z. B. die allgemeinen Verpflichtungen der Vertragsparteien. Auffällig ist, dass in diesen Definitionen eine allgemeine Begriffsbestimmung des Kaufvertrags vorgenommen wird und nicht - wie in der VRR - eine spezielle Begriffsbestimmung für den Verbrauchsgüterkaufvertrag erfolgt.

48 ÖSTERREICH § 1053 ABGB; BELGIEN Artikel 1582 Absatz 1 Zivilgesetzbuch; TSCHECHISCHE REPUBLIK § 588 Zivilgesetzbuch; ENGLAND und SCHOTTLAND Teil 2 Abschnitt 1 Warenverkaufsgesetz; ESTLAND § 208 Absatz 1 SRG; FRANKREICH Artikel 1582 Absatz 1 Zivilgesetzbuch; GRIECHENLAND Artikel 513 Zivilgesetzbuch; UNGARN § 365 Absatz 1 Zivilgesetzbuch; LETTLAND Artikel 2002 Zivilgesetzbuch; LITAUEN Artikel 6.305 Zivilgesetzbuch; NIEDERLANDE Artikel 7:1 Zivilgesetzbuch; PORTUGAL Artikel 874 Zivilgesetzbuch; SPANIEN Artikel 1445 Zivilgesetzbuch. 49 DEUTSCHLAND § 433 BGB; POLEN Artikel 535 Zivilgesetzbuch; SLOWAKEI § 588 Zivilgesetzbuch und § 409 HGB; SLOWENIEN § 435 SRG.

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Darüber hinaus sind in sämtlichen Rechtsordnungen spezifische Vorschriften für den Verbrauchsgüterkauf vorhanden. Einerseits können diese Bestimmungen in einem eigenen Gesetz enthalten sein.50 So gibt es im SPANISCHEN Recht verschiedene Gesetze, die sich um den Verbrauchsgüterkauf drehen: Gesetz über den Verbrauchsgüterkauf 23/2003, Verbraucherschutzgesetz (Ley 26/1984), Einzelhandelsgesetz (Ley 7/1996) und das Gesetz über den Kauf beweglicher Güter (Ley 28/1998). Die meisten dieser Rechtsvorschriften wurden im Verbraucherschutzgesetz (Real Decreto Legislativo 1/2007) konsolidiert und damit zu einem einzigen, überarbeiteten Rechtstext zusammengefasst. Andererseits kann es in einigen Rechtsordnungen auch vorkommen, dass spezifische Bestimmungen für den Verbrauchsgüterkauf in die allgemeinen Vorschriften für Kaufgeschäfte51 eingebaut sind. Im ungarischen Recht sind beispielsweise die mangelhafte Vertragserfüllung und die sich daraus ergebende Haftung allgemein für alle gegenseitigen Verträge geregelt. Die Bestimmungen für den Verbrauchsgüterkauf tauchen daher als Sondervorschriften für Verbraucherverträge ebenfalls in den allgemeinen Bestimmungen für mangelhafte Vertragserfüllung auf.

Die Definition des Begriffs „Kaufvertrag“ in der VRR umfasst keine Bestimmungen für die Verpflichtungen der Vertragsparteien. Das wichtigste Merkmal eines Kaufvertrags ist daher im Allgemeinen die Verpflichtung einer Partei, die Ware zu übergeben bzw. das Eigentum zu übertragen. Die andere Vertragspartei ist zur Entrichtung des Kaufpreises verpflichtet. In der Definition der VRR werden diese Verpflichtungen vorausgesetzt, so dass nur Bestimmungen für den Verkauf von Waren durch den Gewerbetreibenden an den Verbraucher enthalten sind. Deshalb handelt es sich eher um einen Verbraucherkaufvertrag als um einen allgemeinen Kaufvertrag. Dies steht in Einklang mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die keine Definition des Begriffs „Kaufvertrag“ enthält, sondern einzelstaatliche Bestimmungen für Kaufverträge voraussetzt und daher nur besondere Regeln für den Verbrauchsgüterkauf umfasst.

So wirkt sich die Definition des Begriffs „Kaufvertrag“ in der VRR nicht auf die einzelstaatlichen Bestimmungen aus, die die Verpflichtungen der Vertragsparteien eines allgemeinen Kaufvertrags betreffen. Allerdings müssen die Mitgliedstaaten besondere Regeln für den Verbrauchsgüterkauf verabschieden. Diese Vorschriften können entweder Gegenstand eines eigenen Gesetzes sein oder in die allgemeinen Bestimmungen für Kaufverträge aufgenommen werden.

Durch die Einbeziehung gemischter Verträge in die Definition werden die Mitgliedstaaten in der Verabschiedung abweichender Bestimmungen beschränkt, da diese Bestimmung den Anwendungsbereich der Richtlinie betrifft. Dies war aber auch schon unter der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie der Fall, in der in Artikel 1 Absatz 4 Folgendes klargestellt ist: „Als Kaufverträge im Sinne dieser Richtlinie gelten auch Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Verbrauchsgüter“.

Die vollständige Harmonisierung zieht keine Eins-zu-Eins-Umsetzung der Definition in einzelstaatliches Recht nach sich, so dass die Definition des Begriffs „Kaufvertrag“ möglicherweise keinerlei Auswirkungen auf das einzelstaatliche Recht hat.

50 ÖSTERREICH Konsumentenschutzgesetz; FINNLAND Verbraucherschutzgesetz; FRANKREICH Verbrauchergesetz; GRIECHENLAND Verbraucherschutzgesetz; ITALIEN Verbrauchergesetz; LETTLAND Verbraucherschutzgesetz; NORWEGEN Gesetz über den Verbrauchsgüterkauf; POLEN Gesetz über den Verbrauchsgüterkauf; PORTUGAL Verbraucherschutzgesetz; SLOWENIEN Verbraucherschutzgesetz; SCHWEDEN Gesetz über den Verbrauchsgüterkauf. 51 BELGIEN Artikel 1649a-1649g Zivilgesetzbuch; Tschechische Republik §§ 52-65 und 612-627 Zivilgesetzbuch; DÄNEMARK §§ 72-86 Gesetz über den Warenverkauf; ENGLAND und SCHOTTLAND Abschnitt 48A bis 48F Gesetz über den Warenverkauf; ESTLAND §§ 208-237 SRG; DEUTSCHLAND §§ 474-479 BGB; LITAUEN Artikel 6.392-6.401 Zivilgesetzbuch; Niederlande durchgängig im Buch 7, Titel 1, Abschnitte 1-7 Zivilgesetzbuch; SLOWAKEI §§ 52-60, 588-610 und 612-627 Zivilgesetzbuch.

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3.3.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

Der Ausdruck „Kaufvertrag“ ist in den vier bestehenden Richtlinien nicht definiert. In der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie geht es zwar um bestimmte Aspekte des Verbrauchsgüterkaufs, wobei als Kaufverträge auch solche Verträge angesehen werden, die „die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Verbrauchsgüter“ betreffen, aber es findet sich keine vollständige Definition des Begriffs „Kaufvertrag“.

3.3.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

In anderen Verbraucherrichtlinien taucht keine Definition des Begriffs „Kaufvertrag“ auf.

3.4. Waren Artikel 2 Absatz 4 VRR: Der Ausdruck „Waren“ bezeichnet bewegliche körperliche Gegenstände, mit Ausnahme von: (a) Waren, die aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen

gerichtlichen Maßnahmen verkauft werden (b) Wasser und Gas, wenn sie nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer

bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden (c) Strom;

3.4.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Die Definition des Begriffs „Waren“ stellt eine „Begriffsbestimmung mit Relevanz für den Anwendungsbereich“ dar. Dies ergibt sich beispielsweise aus Kapitel IV, wo es in Artikel 21 VRR heißt: „(…) findet dieses Kapitel nur auf Waren Anwendung“. Wie in den vorstehenden Abschnitten bereits erwähnt, werden die Mitgliedstaaten durch die vollständige Harmonisierung einerseits nicht an der Verabschiedung von Bestimmungen gehindert, die über den Anwendungsbereich der Richtlinie hinausgehen. Andererseits ist es den Mitgliedstaaten nicht gestattet, das Schutzniveau durch den Ausschluss von Sachverhalten herabzusetzen, die unter die Definition der VRR fallen.

Die Definition des Begriffs „Waren“ hat außerdem „Relevanz für das Standardformular“, da dieser Ausdruck in Anhang I Teil B auftaucht. Die Mitgliedstaaten müssen diesen Terminus in das Muster-Widerrufsformular übernehmen, das im Rahmen ihrer einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu erstellen ist.

3.4.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten In einigen Mitgliedstaaten findet die gleiche Definition des Begriffs „Waren“ Anwendung, und zwar in BELGIEN, BULGARIEN, ZYPERN, FRANKREICH, UNGARN, IRLAND, LUXEMBURG, POLEN und SCHWEDEN. Die Warendefinition der VRR hat daher keinerlei Auswirkungen auf die Rechtsakte dieser Mitgliedstaaten.

Allerdings gibt es in etlichen Mitgliedstaaten abweichende Bestimmungen. Einige Mitgliedstaaten machen nicht von den Ausnahmen Gebrauch, die in Artikel 2 Absatz 4 Buchstabe b aufgeführt sind: DÄNEMARK, ESTLAND, FINNLAND, DEUTSCHLAND (wo auch durch das Versorgungsnetz geliefertes Wasser und Gas mit eingeschlossen sind), LETTLAND und MALTA („jegliche bewegliche körperliche Eigentumsgegenstände“). RUMÄNIEN verwendet den Terminus „Erzeugnis“ mit dem zusätzlichen Hinweis, dass die endgültige Bestimmung des Erzeugnisses im „individuellen bzw. gemeinsamen Verbrauch bzw. Einsatz“ bestehen muss. In SLOWENIEN wurde eine weiter gefasste Definition des Begriffs „Waren“ angenommen, so dass es keine eigenständige Definition für Verbrauchsgüter gibt. Die SPANISCHEN Bestimmungen enthalten den zusätzlichen Hinweis, dass die Waren „für den privaten Verbraucher bestimmt“ sein müssen.

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Da eine Eins-zu-Eins-Umsetzung der Definitionen in einzelstaatliches Recht nicht erforderlich ist, können auch die Termini „Erzeugnis“ bzw. „Sache“ statt „Waren“ benutzt werden. Fragwürdig ist allerdings, ob auch Einschränkungen, wie für den „individuellen bzw. gemeinsamen Verbrauch bzw. Einsatz“ oder „für den privaten Verbraucher bestimmt“, mit der VRR in Einklang stehen. Wenn dadurch bestimmte Vertragsgegenstände aus dem Umfang des Begriffs „Waren“ ausgenommen werden, dann laufen solche einzelstaatlichen Definitionen dem Grundsatz der vollständigen Harmonisierung zuwider.

In den meisten Rechtsordnungen werden Schiffe und Luftkissenboote als „Waren“ angesehen, z. B. in der TSCHECHISCHEN REPUBLIK, ENGLAND und SCHOTTLAND, ESTLAND, FINNLAND, FRANKREICH, LETTLAND, NORWEGEN, POLEN, der SLOWAKEI, SLOWENIEN, SPANIEN und SCHWEDEN. In einigen Rechtsordnungen hingegen können solche Kaufgeschäfte den Vorschriften über den Kauf von unbeweglichen Gegenständen unterliegen (DEUTSCHLAND, LITAUEN). Da dies jedoch nur sehr große Schiffe betrifft, die nur in den seltensten Fällen Gegenstand eines Verbrauchervertrags sein werden, scheint diese Ausnahme mit der VRR vereinbar zu sein.

In der Mehrzahl der Mitgliedstaaten werden Tiere im Allgemeinen ebenfalls als Ware betrachtet. Dies gilt auch für POLEN, wo Tiere zwar nicht als Ware angesehen, aber als solche behandelt werden. In DEUTSCHLAND wurden einige Fragen rund um den Kauf von Tieren gerichtlich erörtert.52 Der ÖSTERREICHISCHE Gesetzgeber hat eine spezifische Regelung für besondere Arten von Mängeln bei bestimmten Tieren festgelegt, wobei es um die Vermutung der Mangelhaftigkeit und entsprechende Fristen geht53. Im SPANISCHEN Recht beziehen sich die einzigen Sonderbestimmungen auf Rechtsmittel im Falle versteckter Mängel54.

Die Definition lässt noch offen, ob Software oder andere digitale Erzeugnisse mit einzuschließen sind. Da die Definition des Begriffs „Waren“ „Relevanz für den Anwendungsbereich“ hat, können die Mitgliedstaaten ihre Verbraucherschutzvorschriften für Kaufverträge auch auf den Kauf von digitalen Dienstleistungen ausweiten.

3.4.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

Im Gegensatz zur Definition der Begriffe „Verbraucher“ und „Gewerbetreibender“ gibt es bis auf die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie für die Warendefinition aus Artikel 2 Absatz 4 VRR keine entsprechenden Definitionen in den vier bestehenden Richtlinien.

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG

Verbrauchsgüter: bewegliche körperliche Gegenstände, mit Ausnahme von: Waren, die aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft werden Wasser und Gas, wenn sie nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden Strom.

Während die Definition des Begriffs „Waren“ aus der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie auf Verbrauchsgüter ausgerichtet ist, gilt die Definition aus der VRR allgemein für Waren. Zwischen beiden Definitionen lassen sich allerdings keine wesentlichen Unterschiede feststellen.

52 Für ein richtungweisendes Urteil siehe BGH 29. März 2006, NJW 2006, 2250 ff. 53 924 bis 927 ABGB. 54 Artikel 1491 ff. Zivilgesetzbuch.

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3.4.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

Eine Definition des Begriffs „Waren“ findet sich in keiner anderen Verbraucherrichtlinie.

3.5. Dienstleistungsvertrag Artikel 2 Absatz 5 VRR: Der Ausdruck „Dienstleistungsvertrag“ bezeichnet jeden Vertrag, der kein Kaufvertrag ist und der die Erbringung einer Dienstleistung durch den Gewerbetreibenden an den Verbraucher zum Gegenstand hat.

3.5.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Die Definition des Begriffs „Dienstleistungsvertrag“ stellt eine „Begriffsbestimmung mit Relevanz für den Anwendungsbereich“ dar. Dies ergibt sich aus Kapitel I Artikel 3 der VRR. In Artikel 3 wird Folgendes betont: „Diese Richtlinie gilt (…) für Kauf- und Dienstleistungsverträge, die zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossen werden“. Daher steht es den Mitgliedstaaten weiterhin frei, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die über den Anwendungsbereich der Richtlinie hinausgehen. Es sei jedoch darauf verwiesen, dass es sich bei der Definition des Begriffs „Dienstleistungsvertrag“ eher um eine allumfassende Definition handelt, da sämtliche Verbraucherverträge mit Ausnahme der Kaufverträge erfasst werden sollen. Erscheint die Definition in Form der Phrase „Kauf und (bzw.) Dienstleistungsverträge“, bleiben nicht viele Verträge zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher übrig, bei denen die Mitgliedstaaten Ermessensspielraum haben. Beispiele hierfür könnten Arbeits-, Spenden-, Gesellschafts- oder Trustverträge sein.

Die Definition des Begriffs „Waren“ hat außerdem „Relevanz für das Standardformular“, da dieser Ausdruck in Anhang I Teil B auftaucht. Die Mitgliedstaaten müssen diesen Terminus in das Muster-Widerrufsformular übernehmen, das im Rahmen ihrer einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu erstellen ist.

3.5.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten Eine ähnliche Auslegung des Dienstleistungsvertrags ist in ENGLAND zu finden: Die vertragsrechtlichen Bestimmungen gelten nicht nur für Dienstleistungen, bei denen es um die Lieferung bzw. Änderung beweglicher bzw. unbeweglicher Sachen geht, sondern auch für reine geistig-schöpferische Dienstleistungen. Nur wenig anders sieht es in FRANKREICH und BELGIEN aus, wo alle Dienstleistungen im Allgemeinen den Vorschriften für Werkverträge unterliegen; einzige Ausnahme bilden Vertretungsverträge (mandat) und Lagerverträge/Verwahrungsverträge (dépôt). In vielen Rechtsordnungen werden Lagerverträge/Verwahrungsverträge gesondert von anderen Dienstleistungsverträgen behandelt.55

Was die Einordnung anderer Dienstleistungen als Lager- bzw. Verwahrungsdienste anbelangt, so wird in etlichen Rechtsordnungen zwischen Werkverträgen, die die Erbringung materieller Dienstleistungen beinhalten, und reinen Dienstleistungsverträgen unterschieden, die lediglich die Erbringung geistig-schöpferischer bzw. gleichartiger Dienstleistungen betreffen. Im Gegensatz zu FRANKREICH und BELGIEN differenzieren ÖSTERREICH, DEUTSCHLAND, GRIECHENLAND, ITALIEN, die NIEDERLANDE, POLEN, PORTUGAL und SPANIEN in unterschiedlicher Weise zwischen materiellen und geistig-schöpferischen Dienstleistungen. In Österreich und Deutschland beispielsweise fallen die meisten materiellen und geistig-schöpferischen Dienstleistungen unter die Bestimmungen für Werkverträge.

55 ÖSTERREICH §§ 957 ff. ABGB und §§ 415 ff. HGB; DEUTSCHLAND §§ 688 ff. BGB und §§ 467 HGB; GRIECHENLAND Artikel 822 ff. Zivilgesetzbuch; ITALIEN Artikel 1766 ff. Zivilgesetzbuch; die NIEDERLANDE Artikel 7:600 ff. Zivilgesetzbuch; POLEN Artikel 835 ff. und 853 ff. Zivilgesetzbuch, PORTUGAL Artikel 1185 ff. Zivilgesetzbuch und Artikel 403 ff. HGB und SPANIEN Artikel 1758 ff. Zivilgesetzbuch.

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Eine andere Rechtsauffassung herrscht in den Niederlanden, Portugal, Spanien und Italien vor, wo bei reinen geistig-schöpferischen und materiellen Dienstleistungen (außer Lagerdienste) eine andere Einordnung erfolgt. In den Niederlanden beispielsweise finden die allgemeinen Bestimmungen der Artikel 7:400 ff. BGB (opdracht) auf geistig-schöpferische Dienstleistungen Anwendung. Dienstleistungen, bei denen es um die Lieferung bzw. Änderung einer beweglichen bzw. unbeweglichen Sache geht, werden hingegen von den Bestimmungen der Artikel 7:750 ff. BGB (aanneming van werk) erfasst. In Spanien wird in Artikel 1544 BGB zwischen Werkverträgen (contratos de obra) und reinen geistig-schöpferischen Dienstleistungsverträgen (contratos de servicio) unterschieden.

Mit Ausnahme von FINNLAND und SCHWEDEN hat kein Mitgliedstaat besondere Rechtsvorschriften für Verbraucherdienstleistungsverträge erlassen (Finnland siehe Kapitel 8 Verbraucherschutzgesetz zu bestimmten Verbraucherdienstleistungsverträgen, Schweden siehe Verbraucherdienstleistungsgesetz).

Anders als bei den Kaufverträgen sind in den Bestimmungen der VRR zu den Dienstleistungsverträgen nicht die Rechtsmittel der Verbraucher für mangelhafte Dienstleistungen geregelt, so dass die herkömmlichen Unterscheidungen in den einzelstaatlichen Rechtsakten von der VRR wahrscheinlich nicht berührt werden.

3.5.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

Der Begriff „Dienstleistungsvertrag“ wird in den vier bestehenden Richtlinien nicht definiert.

3.5.4 Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien In keiner anderen Verbraucherrichtlinie findet sich eine Definition des Begriffs „Dienstleistungsvertrag“.

3.6. Fernabsatzvertrag Artikel 2 Absatz 6 VRR: Der Ausdruck „Fernabsatzvertrag“ bezeichnet jeden Kauf- oder Dienstleistungsvertrag, bei dessen Abschluss der Gewerbetreibende ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet.

3.6.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Die Definition des Begriffs „Fernabsatzvertrag“ stellt eine „Begriffsbestimmung mit Relevanz für den Anwendungsbereich“ dar. Bestimmungen zu Fernabsatzverträgen sind lediglich in Kapitel III VRR enthalten, in dem es um die „Information der Verbraucher und (das) Widerrufsrecht“ geht. In der ersten Bestimmung dieses Kapitels – in Artikel 8 – wird klargestellt, dass sich die Definition des Begriffs „Fernabsatzvertrag“ auf den Anwendungsbereich der Richtlinie bezieht: „Dieses Kapitel gilt für Verträge, die im FernAbsatz (…) geschlossen werden.“ Daher ist keine Eins-zu-Eins-Umsetzung der Definition erforderlich, sondern die Mitgliedstaaten dürfen Begriffsbestimmungen verabschieden, die weiter gefasst sind und über die Schutzbereiche der VRR hinausgehen.

3.6.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten In den meisten einzelstaatlichen Rechtsakten ist die Definition des Ausdrucks „Fernabsatzvertrag“ eng an die Begriffsbestimmung in der Fernabsatzrichtlinie angelehnt. Daher besteht ein geringeres Schutzniveau, als laut der VRR zulässig ist.

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Diese Mitgliedstaaten, darunter ÖSTERREICH56, BELGIEN, ZYPERN, DÄNEMARK, FRANKREICH57, DEUTSCHLAND58, IRLAND, ITALIEN, LUXEMBURG, MALTA, PORTUGAL, SLOWENIEN und das VEREINIGTE KÖNIGREICH59 werden ihre Definitionen des Begriffs „Fernabsatzvertrag" ändern müssen, indem sie die einschränkende Voraussetzung fallen lassen, dass der Vertrag im Rahmen eines organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems geschlossen werden muss. Die TSCHECHISCHE REPUBLIK60, UNGARN, LETTLAND, LITAUEN61 und die SLOWAKEI62 haben bereits den Anwendungsbereich ihrer Fernabsatzgesetze auf Verträge ausgedehnt, die außerhalb eines solchen Rahmens geschlossen wurden; somit können sie ihre Definitionen beibehalten.

Wahrscheinlich besteht keine Notwendigkeit, andere geringfügige Abweichungen in den Definitionen der Mitgliedstaaten zu überarbeiten. Dies gilt beispielsweise für die Präzisierung in den Rechtsakten TSCHECHIENS, DÄNEMARKS, ESTLANDS, GRIECHENLANDS und POLENS, wonach kein Fernabsatzvertrag zustande kommt, wenn der Gewerbetreibende und der Verbraucher bei Vertragsabschluss am gleichen Ort anwesend sind.63 Obwohl gemäß der Definition in dem Richtlinienvorschlag solche Fälle nicht explizit ausgeschlossen sind, lässt sich aus dem Erfordernis der „ausschließlichen Verwendung" ableiten, dass bei Anwesenheit zum gleichen Zeitpunkt die Bestimmungen der Fernabsatzrichtlinie außen vor bleiben.

3.6.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

Die Definition des Begriffs „Fernabsatzvertrag“ aus Artikel 2 Absatz 6 VRR ist in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie enthalten:

Artikel 2 Absatz 1 Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG

„Vertragsabschluß im Fernabsatz“: jeden zwischen einem Lieferer und einem Verbraucher geschlossenen, eine Ware oder eine Dienstleistung betreffenden Vertrag, der im Rahmen eines für den FernAbsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems des Lieferers geschlossen wird, wobei dieser für den Vertrag bis zu dessen Abschluss einschließlich des Vertragsabschlusses selbst ausschließlich eine oder mehrere Fernkommunikationstechniken verwendet

Der größte Unterschied zwischen der bestehenden Definition und der vorgeschlagenen Definition liegt darin, dass der Vertrag laut letzterer nicht „im Rahmen eines für den FernAbsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems“ geschlossen werden muss. Diese Änderung bedeutet, dass Fälle, in denen der Gewerbetreibende ausnahmsweise auf Fernkommunikationsmittel zurückgreift, ebenfalls von der neuen Definition erfasst werden. 64

56 § 5a Absatz 1 Konsumentenschutzgesetz. 57 Artikel L. 121-16 Code de la Consommation (Verbrauchergesetz). 58 § 312b Absatz 1 BGB. 59 Kapitel 3 Artikel 1 Verbraucherschutzverordnung (Fernabsatzverordnung) aus dem Jahr 2000. 60 Artikel 53 Absatz 1 Zivilgesetzbuch. 61 Artikel 6.366 Absatz 1 Zivilgesetzbuch. 62 § 2 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 108/2000 über den Verbraucherschutz bei Haustür- und Fernabsatzgeschäften. 63 Siehe H Schulte-Nölke u. a., EG-Verbraucherrechtskompendium (2008), S. 318. 64 Für diese Änderung: M. Schauer „Fernabsatzverträge" in Jud und Wendehorst (Hrsg.) Neuordnung des Verbraucherprivatrechts in Europa? (2009), S. 99, auf S. 104; etwas kritischer: H. Schulte-Nölke „Scope and

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3.6.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

Eine Definition des Ausdrucks „Fernabsatzvertrag“ ist außerdem in der Richtlinie über den FernAbsatz von Finanzdienstleistungen 2002/65/EG enthalten. Diese Definition stimmt mit der Definition in der Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG überein.

Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie über den FernAbsatz von Finanzdienstleistungen 2002/65/EG

Fernabsatzvertrag: jeder zwischen einem Anbieter und einem Verbraucher geschlossener, Finanzdienstleistungen betreffender Vertrag, der im Rahmen eines für den FernAbsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems des Anbieters geschlossen wird, wobei dieser für den Vertrag bis zu und einschließlich dessen Abschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet

3.7. Fernkommunikationsmittel

Artikel 2 Absatz 7 des Vorschlags: Der Ausdruck „Fernkommunikationsmittel“ bezeichnet jedes Kommunikationsmittel, das ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Gewerbetreibenden und des Verbrauchers für den Abschluss eines Vertrags zwischen diesen Parteien eingesetzt werden kann.

3.7.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Die Definition des Begriffs „Fernkommunikationsmittel“ stellt eine „Begriffsbestimmung mit Relevanz für den Anwendungsbereich“ dar. Daher steht es den Mitgliedstaaten weiterhin frei, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die über den Anwendungsbereich der Richtlinie hinausgehen.

3.7.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten Da es keine Abweichungen zwischen der Definition aus dem Besitzstand und der Begriffsbestimmung aus der VRR gibt – außer dass die indikative Liste in der VRR weglassen wurde -, müssen die Mitgliedstaaten, die die Definition der Richtlinie vollständig umgesetzt haben, keine Änderungen zur Umsetzung der im Vorschlag enthaltenen Definition vornehmen. In der großen Mehrheit der Mitgliedstaaten ist eine ordnungsgemäße Umsetzung zu verzeichnen.65

Die Mitgliedstaaten, die die beispielhafte Liste übernommen haben - dies gilt für rund die Hälfte der Mitgliedstaaten66 -, müssen die Liste nicht abschaffen, da es sich nicht um eine erschöpfende Liste handelt. Solange die Definition ordnungsgemäß umgesetzt wird, stellen zusätzliche Beispiele für Fernkommunikationsmittel keinen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar.

role of the Horizontal Directive and its relationship to the DCFR“ in Howells und Schulze (Hrsg.) Consumer contract law (2009) S. 29, auf S. 36. 65 Siehe H. Schulte-Nölke u. a. (Hrsg.), EG-Verbraucherrechtskompendium (2008), S. 319. 66 Überblick in H. Schulte-Nölke u. a. (Hrsg.), EG-Verbraucherrechtskompendium (2008), S. 310.

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3.7.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

Die Definition des Begriffs „Fernkommunikationsmittel“ aus Artikel 2 Absatz 7 VRR taucht in der Fernabsatzrichtlinie auf:

Artikel 2 Absatz 4 der Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG

„Fernkommunikationstechnik“: jedes Kommunikationsmittel, das zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Lieferer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden kann. Eine beispielhafte Liste der Techniken im Sinne dieser Richtlinie ist in Anhang I enthalten;

Im Gegensatz zur Fernabsatzrichtlinie wird in der Definition der VRR nicht auf eine beispielhafte Liste für Fernkommunikationsmittel Bezug genommen, da in der VRR keine solche Liste enthalten ist.

3.7.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

Eine Definition des Begriffs „Fernkommunikationsmittel“ ist zusätzlich in der Richtlinie über den FernAbsatz von Finanzdienstleistungen 2002/65/EG zu finden:

Artikel 2 Buchstabe e der Richtlinie über den FernAbsatz von Finanzdienstleistungen 2002/65/EG

Fernkommunikationsmittel: jedes Kommunikationsmittel, das ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Anbieters und des Verbrauchers für den FernAbsatz einer Dienstleistung zwischen diesen Parteien eingesetzt werden kann;.

Ähnlich wie in der Definition aus dem Richtlinienvorschlag ist in der Richtlinie über den FernAbsatz von Finanzdienstleistungen keine beispielhafte Liste für Fernkommunikationsmittel vorgesehen.

3.8. Außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag und Geschäftsräume

Artikel 2 Absatz 8 VRR: Der Ausdruck „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ bezeichnet:

(a) jeden Kauf- oder Dienstleistungsvertrag, der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wird und bei dessen Abschluss der Gewerbetreibende und der Verbraucher gleichzeitig körperlich anwesend sind, oder jeden Kauf- oder Dienstleistungsvertrag, für den der Verbraucher unter denselben Umständen ein Angebot gemacht hat, oder

(b) jeden Kauf- oder Dienstleistungsvertrag, der in Geschäftsräumen abgeschlossen wird, jedoch bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Gewerbetreibenden und des Verbrauchers außerhalb von Geschäftsräumen verhandelt wurde.

Artikel 2 Absatz 9 VRR: Der Ausdruck „Geschäftsräume“ bezeichnet:

(a) unbewegliche oder bewegliche Verkaufsstätten einschließlich saisonal betriebener Verkaufsstätten, in denen der Gewerbetreibende seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, oder

(b) Markt- und Messestände, an denen der Gewerbetreibende seine Tätigkeit regelmäßig oder vorübergehend ausübt;

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3.8.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Die Definition des Begriffs „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ betrifft den Anwendungsbereich der Bestimmungen der VRR. Das Gleiche gilt für die Definition des Begriffs „Geschäftsräume“. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass Bestimmungen zu außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen lediglich in Kapitel III VRR zu finden sind, in dem es um die „Information der Verbraucher und (das) Widerrufsrecht“ geht. In Artikel 8 dieses Kapitels wird klargestellt, dass sich die Definition des Begriffs „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ auf den Anwendungsbereich der Richtlinie bezieht: „Dieses Kapitel gilt für Verträge, die im FernAbsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden.“ Daher ist keine Eins-zu-Eins-Umsetzung der Definition erforderlich, sondern die Mitgliedstaaten dürfen Begriffsbestimmungen verabschieden, die weiter gefasst sind und über die Schutzbereiche der VRR hinausgehen.

3.8.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten Im Rahmen der Richtlinie über Haustürgeschäfte haben die meisten Mitgliedstaaten die Liste der Sachverhalte erweitert, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. In DEUTSCHLAND67 gilt das einzelstaatliche Umsetzungsgesetz für Verträge, die im Anschluss an ein überraschendes Ansprechen in Verkehrsmitteln oder im Bereich öffentlich zugänglicher Verkehrsflächen geschlossen wurden. In RUMÄNIEN68 und ITALIEN ist das Umsetzungsgesetz auf Verträge anwendbar, die in Übergangssituationen zustande kamen, z. B. befristete Arbeitsverhältnisse, Studium, medizinische Behandlung bzw. öffentliche Bereiche. In LITAUEN69 greift das einzelstaatliche Umsetzungsgesetz bei Verträgen, die während des Besuchs einer Bildungseinrichtung (z. B. Schule, Hochschule) oder einer ähnlichen Institution abgeschlossen wurden. Laut dem DÄNISCHEN70 Umsetzungsgesetz genießen auch all jene Verträge Schutz, die außerhalb der Geschäftsräume des Gewerbetreibenden zustande kamen, z. B. auf Straßen, Plätzen, in Restaurants, auf Eisenbahnstationen oder in anderen öffentlichen Räumen sowie per Telefon. Da diese Bestimmungen über den Anwendungsbereich der Richtlinie hinausgehen, werden die Mitgliedstaaten durch die vollständige Harmonisierung nicht daran gehindert, diese Sachverhalte in ihre einzelstaatlichen Rechtsvorschriften aufzunehmen.

Die Definition des Begriffs „Geschäftsräume“ aus dem Vorschlag umfasst auch Markt- und Messestände, an denen der Gewerbetreibende seine Tätigkeit regelmäßig oder vorübergehend ausübt. Daher könnte die Definition aus dem Vorschlag die Umsetzungskonzepte einiger Mitgliedstaaten insofern berühren, als dass Fälle, die bisher für den Begriff „außerhalb von Geschäftsräumen“ standen - wie Vertragsabschlüsse auf der Straße, auf öffentlichen Plätzen, auf dem Markt oder auf der Messe -, nicht mehr in den Anwendungsbereich einiger einzelstaatlicher Umsetzungsgesetze fallen. Denn diese Fälle könnten nunmehr auf einen Vertragsabschluss in Geschäftsräumen hinauslaufen, wenn der Gewerbetreibende seine Tätigkeit auf Markt- und Messeständen regelmäßig oder vorübergehend ausübt.

67 § 312 Absatz 1 Satz 1 Gedankenstrich 3 BGB. 68 Artikel 3 Buchstabe c der Verordnung über außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verbraucherverträge 106/30.8.99. 69 Artikel 14 Absatz 1 des Verbraucherschutzgesetzes, Artikel 6.357 Zivilgesetzbuch. 70 Artikel 3 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 451 vom 9. Juni 2004 über bestimmte Verbraucherverträge.

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3.8.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

In den vier bestehenden Richtlinien ist keine Definition für die Termini „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag“ und „Geschäftsraum“ enthalten. Ausdrückliche Erwähnung findet der Begriff „Geschäftsräume“ im vollständigen Titel der Richtlinie über Haustürgeschäfte – „Richtlinie des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen – sowie im Erwägungsgrund und in Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 Gedankenstrich 1 der gleichen Richtlinie. Der Ausdruck „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag“ (contracts negotiated away from business premises) scheint gleichbedeutend mit dem Begriff „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ (off-premises contract) zu sein.

3.8.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

Da weder der Ausdruck „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ noch der Begriff „Geschäftsraum“ in einer anderen Verbraucherrichtlinie definiert wird, hat die Definition keinerlei Auswirkungen auf andere Richtlinien.

3.9. Dauerhafter Datenträger Artikel 2 Absatz 10 VRR: Der Ausdruck „dauerhafter Datenträger“ bezeichnet jedes Instrument, das es dem Verbraucher oder dem Gewerbetreibenden gestattet, an ihn persönlich gerichtete Informationen derart zu speichern, dass er sie in der Folge für eine für die Zwecke der Informationen angemessene Dauer einsehen kann, und das die unveränderte Wiedergabe der gespeicherten Informationen ermöglicht.

3.9.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Die Definition des Begriffs „dauerhafter Datenträger“ stellt eine „Begriffsbestimmung mit Relevanz für das Schutzniveau“ dar. Deshalb dürfen die Mitgliedstaaten keine abweichenden Bestimmungen verabschieden oder beibehalten. Wie aus dem Erwägungsgrund der VRR hervorgeht, sollten unter die Begriffsbestimmung des dauerhaften Datenträgers insbesondere bestimmte Unterlagen auf Papier, USB-Sticks, CD-ROM, DVD, Speicherkarten und das Festplattenlaufwerk des Computers, auf dem E-Mails oder PDF-Dateien gespeichert werden, fallen. Unklar ist, ob dies auch Websites einschließt. Erfasst werden sollten jedoch Websites, die die Kriterien aus der Definition des Begriffs „dauerhafter Datenträger“ erfüllen. Im Allgemeinen sind Websites ausgeschlossen, es sei denn die Information auf der Website wurde für eine angemessene Dauer gespeichert und kann von der Person, die die Information ins Netz gestellt hat, nicht verändert werden.

3.9.2. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

In den vier bestehenden Richtlinien findet sich keine Definition des Begriffs „dauerhafter Datenträger“.

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3.9.3. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

Eine ähnliche Definition findet sich in einigen anderen Verbraucherrichtlinien:

Artikel 2 Buchstabe f der Richtlinie über den FernAbsatz von Finanzdienstleistungen 2002/65/EG

„dauerhafter Datenträger“: jedes Medium, das es dem Verbraucher gestattet, an ihn persönlich gerichtete Informationen derart zu speichern, dass er sie in der Folge für eine für die Zwecke der Informationen angemessene Dauer einsehen kann, und das die unveränderte Wiedergabe der gespeicherten Informationen ermöglicht;

Artikel 4 Absatz 25 der Richtlinie über Zahlungsdienste 2007/64/EG

„dauerhafter Datenträger“: jedes Medium, das es dem Zahlungsdienstnutzer gestattet, an ihn persönlich gerichtete Informationen derart zu speichern, dass er sie in der Folge für eine für die Zwecke der Informationen angemessene Dauer einsehen kann und das die unveränderte Wiedergabe gespeicherter Informationen ermöglicht;

Artikel 3 Buchstabe m der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG

„dauerhafter Datenträger“: jedes Medium, das es dem Verbraucher gestattet, an ihn persönlich gerichtete Informationen derart zu speichern, dass er sie in der Folge für eine für die Zwecke der Informationen angemessene Dauer einsehen kann, und das die unveränderte Wiedergabe der gespeicherten Informationen ermöglicht;

Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe h der Timesharing-Richtlinie 2008/122/EG

„dauerhafter Datenträger“: jedes Medium, das dem Verbraucher oder dem Gewerbetreibenden gestattet, an ihn persönlich gerichtete Informationen derart zu speichern, dass er sie in der Folge für eine für die Zwecke der Informationen angemessene Dauer abrufen kann, und das die unveränderte Wiedergabe der gespeicherten Informationen ermöglicht;

In keiner dieser Richtlinien ist der Gewerbetreibende zur Speicherung der Informationen befugt; dies ist nur dem Verbraucher gestattet.

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3.10. Bestellformular Artikel 2 Absatz 11 VRR: Der Ausdruck „Bestellformular“ bezeichnet jedes Instrument, in dem die Vertragsbedingungen festgehalten sind und das vom Verbraucher im Hinblick auf den Abschluss eines Vertrags außerhalb von Geschäftsräumen zu unterzeichnen ist.

3.10.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Die Definition des Ausdrucks „Bestellformular“ bezieht sich auf das Schutzniveau, das durch die Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie erreicht werden soll. Der Begriff taucht in Artikel 10 VRR auf, in dem es um Formvorschriften für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge geht. Laut Artikel 10 Absätze 1 und 2 ist ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag nur gültig, wenn der Verbraucher ein Bestellformular unterzeichnet, das das Standard-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B enthalten muss. Die Mitgliedstaaten können daher keine abweichenden Bestimmungen festlegen oder beibehalten. Sie dürfen auch keine zusätzlichen Formvorschriften einführen.

3.10.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten Im derzeitigen Besitzstand gibt es keine Definition für den Begriff „Bestellformular“, und der Ausdruck wird in keiner Verbraucherschutzrichtlinie verwendet. Die Mitgliedstaaten waren daher nicht verpflichtet, das Konzept des „Bestellformulars“ in ihre einzelstaatlichen Rechtsvorschriften aufzunehmen.

Was die Information des Verbrauchers über das Widerrufsrecht anbelangt, so wurde mit Artikel 4 der Richtlinie über Haustürgeschäfte die Auflage eingeführt, dass der Verbraucher „schriftlich (über sein Widerrufsrecht) zu belehren“ ist. Das Erfordernis einer schriftlichen Belehrung wurde von allen Mitgliedstaaten eingeführt.71 In Verbindung mit Artikel 12 VRR ist die Definition des Begriffs „Bestellformular" wesentlich enger gefasst als die Anforderung der schriftlichen Belehrung, die in der Richtlinie über Haustürgeschäfte enthalten ist und in den Rechtsakten sämtlicher Mitgliedstaaten festgeschrieben wurde. Alle Mitgliedstaaten werden daher verpflichtet sein, den Begriff der schriftlichen Belehrung fallen zu lassen und stattdessen die Definition des Ausdrucks „Bestellformular“ zu verwenden.

3.10.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

In den vier bestehenden Richtlinien ist keine Definition für den Begriff „Bestellformular“ vorhanden. Stattdessen wurde mit Artikel 4 der Richtlinie über Haustürgeschäfte das Konzept der schriftlichen Belehrung eingeführt.

3.10.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

Eine Definition findet sich in keiner anderen Verbraucherrichtlinie des Besitzstandes.

3.11. Produkt und Hersteller Artikel 2 Absatz 12 VRR: Der Ausdruck „Produkt“ bezeichnet jede Ware oder Dienstleistung unter Einschluss von Immobilien, Rechten und Verpflichtungen. Artikel 2 Absatz 17 VRR: Der Ausdruck „Hersteller“ bezeichnet den Hersteller von Waren, deren Importeur für das Gebiet der Gemeinschaft oder jede andere Person, die sich dadurch, dass sie ihren Namen, ihre Marke oder ein anderes Kennzeichen an den Waren anbringt, als Hersteller bezeichnet.

71 Siehe H. Schulte-Nölke u. a. (Hrsg.), EG-Verbraucherrechtskompendium (2008), S. 95.

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3.11.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Beide Definitionen beziehen sich auf den Anwendungsbereich der Bestimmungen der Richtlinie. Der Begriff „Hersteller“ taucht lediglich in Artikel 24 Absatz 2 Buchstabe d VRR auf, worin die Vermutung der Vertragsmäßigkeit geregelt ist.

3.11.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten Die meisten Mitgliedstaaten haben die Definition des Begriffs „Hersteller“ aus der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ordnungsgemäß umgesetzt und werden diese Definition nicht ändern müssen, weil sie mit der Begriffsbestimmung in der VRR übereinstimmt. ÖSTERREICH hingegen hat zwar auf eine Definition des Begriffs „Hersteller“ verzichtet, greift jedoch bei der Regelung der Vertragsmäßigkeit auf diesen Ausdruck zurück.72 Das Gleiche gilt für DÄNEMARK, FINNLAND und POLEN, die ebenfalls über keine Definition verfügen. In RUMÄNIEN wiederum gibt es eine ausführliche Definition für den Begriff „Hersteller“, der beispielsweise auch den Händler eines Produktes umfasst.73

3.11.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

In den vier bestehenden Richtlinien ist keine Definition für den Begriff „Produkt“ vorhanden. Eine Begriffsbestimmung findet sich in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Diese Begriffsbestimmung stimmt mit der in der VRR überein.

Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe d der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG

„Hersteller“: Dieser Ausdruck bezeichnet den Hersteller von Verbrauchsgütern, deren Importeur für das Gebiet der Gemeinschaft oder jede andere Person, die sich dadurch, dass sie ihren Namen, ihre Marke oder ein anderes Kennzeichen an den Verbrauchsgütern anbringt;

3.11.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

Eine Definition des Begriffs „Produkt“ ist in der Richtlinie über den FernAbsatz von Finanzdienstleistungen aufgeführt. Diese Definition stimmt mit der Begriffsbestimmung in der VRR überein.

Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie über den FernAbsatz von Finanzdienstleistungen 2002/65/EG

„Produkt“: jede Ware oder Dienstleistung, einschließlich Immobilien, Rechte und Verpflichtungen;

3.12. Finanzdienstleistung

Artikel 2 Absatz 13 des Vorschlags: Der Ausdruck „Finanzdienstleistung“ bezeichnet jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung.

72 § 922 Absatz 2 ABGB. 73 Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe d des Gesetzes Nr. 449/2003 über den Verkauf von Produkten und damit verbundenen Gewährleistungsansprüchen.

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3.12.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Der Ausdruck „Finanzdienstleistung“ taucht an mehreren Stellen in der VRR auf, wobei er oftmals die Funktion einer „Begriffsbestimmung mit Relevanz für den Anwendungsbereich“ innehat (siehe beispielsweise Artikel 3 Absatz 2 VRR). In Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe b) jedoch werden außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, die im Zusammenhang mit bestimmten „Finanzdienstleistungen“ stehen, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Gewerbetreibende keinen Einfluss hat, aus dem Anwendungsbereich der Artikel 8 bis 19 VRR ausgeschlossen, womit für sie auch nicht die spezifischen Informationspflichten und das Widerrufsrecht gelten.

Die VRR lässt offen, ob dies in Verbindung mit dem Grundsatz der vollständigen Harmonisierung bedeutet, dass die Mitgliedstaaten an diese Ausnahmeregelung gebunden sind oder – im Gegenteil – dass es ihnen freisteht, für solche Verträge über „Finanzdienstleistungen“ beispielsweise ebenfalls ein Widerrufsrecht zu gewähren. Wenn die Mitgliedstaaten daran gebunden sind, dann wurde mit der Bestimmung in solchen Fällen eine Höchstgrenze für den Verbraucherschutz festgelegt, somit wäre die Begriffsbestimmung „Finanzdienstleistungen“ für das Schutzniveau relevant. Falls die Mitgliedstaaten die Definition verwenden, dürfen sie diese nicht enger fassen oder erweitern, da die Verbraucher ansonsten einen besseren oder schlechteren Schutz erfahren als in der Richtlinie vorgesehen. Uneindeutigkeiten bei den VRR-Bestimmungen im Hinblick auf den Effekt der vollständigen Harmonisierung wirken sich auch auf die Beurteilung der Folgen aus, die die Begriffsbestimmungen möglicherweise für die Mitgliedstaaten haben.

3.12.2. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

In den vier Richtlinien, die in den Anwendungsbereich der VRR fallen, wird der Begriff „Finanzdienstleistungen“ nicht erwähnt.

3.12.3. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

In der Richtlinie über den FernAbsatz von Finanzdienstleistungen ist eine Definition zu finden, die vollkommen mit der Begriffsbestimmung aus dem Richtlinienvorschlag übereinstimmt:

Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie über den FernAbsatz von Finanzdienstleistungen 2002/65/EG

„Finanzdienstleistung“: jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung;

3.13. Berufliche Sorgfalt

Artikel 2 Absatz 14 VRR: „Berufliche Sorgfalt“ bezeichnet den Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise erwartet werden kann, dass der Gewerbetreibende ihn gegenüber dem Verbraucher gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten und/oder dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich anwendet.

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Ad-hoc-Informationspapier zur vorgeschlagenen Verbraucherrechtsrichtlinie: Kapitel I - Begriffsbestimmungen __________________________________________________________________________________________

3.13.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Die Begriffsbestimmung von „beruflicher Sorgfalt“ bezieht sich auf das Schutzniveau bei der Anwendung der Richtlinie. Die Mitgliedstaaten können daher keine abweichenden Bestimmungen festlegen oder beibehalten.

3.13.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten Nachdem auch die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken eine übereinstimmende Begriffsbestimmung von „beruflicher Sorgfalt“ enthält, haben die Mitgliedstaaten eine ähnliche Definition in ihre Rechtsvorschriften zum unlauteren Wettbewerb aufgenommen. Sowohl die Begriffsbestimmung in der VRR als auch die in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken definieren einen objektiven und normativen Standard der beruflichen Sorgfalt.

3.13.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

Der Begriff „berufliche Sorgfalt“ kommt in keiner der vier Richtlinien vor, die in die VRR einfließen sollen.

3.13.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

Eine Begriffsbestimmung ist in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken enthalten:

Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, Artikel 2 Buchstabe h

„berufliche Sorgfalt“ bezeichnet den Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise erwartet werden kann, dass der Gewerbetreibende ihn gegenüber dem Verbraucher gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten und/oder dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich anwendet;

Diese Begriffsbestimmung stimmt vollständig mit der in der VRR überein.

3.14. Versteigerung

Artikel 2 Absatz 15 des Vorschlags: „Versteigerung“ bezeichnet eine Verkaufsmethode, bei der Waren oder Dienstleistungen vom Gewerbetreibenden in einem auf konkurrierenden Geboten basierenden Verfahren angeboten werden, das den Rückgriff auf Fernkommunikationsmittel einschließen kann und bei dem derjenige, der das höchste Gebot abgibt, zum Erwerb der Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist;. kommt ein Rechtsgeschäft auf der Grundlage eines Festpreisangebots zustande, so handelt es sich nicht um eine Versteigerung, auch wenn dem Verbraucher die Möglichkeit eingeräumt wird, das Rechtsgeschäft in einem Bietverfahren abzuschließen.

3.14.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Der Begriff „Versteigerung“ taucht in der VRR nur in Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe h) auf (abgesehen von der „öffentlichen Versteigerung“, worauf unter 3.15 näher eingegangen wird).

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Laut dieser Bestimmung sind auf einer Versteigerung geschlossene Verträge vom Widerrufsrecht ausgenommen. Ob die entsprechende Definition Relevanz für den Anwendungsbereich oder für das Schutzniveau hat, hängt von der Auslegung von Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe h VRR ab. Unklar ist jedoch, ob die Bestimmung eine umfassende vollständige Harmonisierung regelt (und damit den Mitgliedstaaten untersagt, für die auf einer Versteigerung geschlossenen Verträge das Widerrufsrecht zu gewähren) oder nur eine gezielte vollständige Harmonisierung vorsieht (und damit die Gewährung des Widerrufsrechts den Mitgliedstaaten freistellt). Im Moment lässt sich diese Frage nicht klären, die Expertenmeinungen gehen auseinander.74

Der EU-Gesetzgeber muss hier unverzüglich eine Klärung herbeiführen, da die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Regelung und der Begriffsbestimmung von „Versteigerung“ wissen müssen, welchen Spielraum sie haben.

3.14.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten Obwohl in Artikel 3 Absatz 1 der Fernabsatzrichtlinie festgelegt ist, dass diese Richtlinie nicht für die bei einer Versteigerung geschlossenen Verträge gilt, enthält sie keine Begriffsbestimmung einer Versteigerung. Das hat zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit und zu Unterschieden in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten geführt75. In FRANKREICH und LUXEMBURG beispielsweise können Verbraucher, die über Online-Auktionsseiten kaufen, ein Widerspruchsrecht in Anspruch nehmen, da nur öffentliche Versteigerungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sind. In BELGIEN und GRIECHENLAND gelten auch für eBay-Auktionen die Fernabsatzbestimmungen. In diesen Ländern erfolgte generell kein Ausschluss von bei Versteigerungen abgeschlossenen Verträgen. Auch in DEUTSCHLAND ist der Verbraucherschutz nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs gewährleistet. Er hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass eine eBay-„Auktion" keine Versteigerung im Sinne der Bestimmung76 darstellt, womit auf die herkömmliche Definition der Versteigerung in Paragraph 156 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches verwiesen wird. Für eBay-Auktionen gelten folglich in Deutschland die Fernabsatzvorschriften. In ESTLAND wurden Versteigerungen ebenfalls in den Anwendungsbereich der Vorschriften über Fernabsatzgeschäfte einbezogen, jedoch besteht bei Online-Versteigerungen kein Widerrufsrecht. Das Vereinigte Königreich, Malta und Irland haben den Ausschluss in ihren Fernabsatzregimes umgesetzt, aber keine verbindliche Definition der „Versteigerung“ in Kraft gesetzt.

Mit der Formulierung „das den Rückgriff auf Fernkommunikationsmittel einschließen kann“ wird in der in Artikel 2 Absatz 15 VRR enthaltenen Begriffsbestimmung von „Versteigerung“ klargestellt, dass unter dem Begriff Versteigerung sowohl herkömmliche als auch Internet-Versteigerungen verstanden werden. Internet-Versteigerungen würden demnach unter die Ausschlussregelung fallen. Die Richtlinie würde z. B. im Falle Deutschlands das Urteil des Bundesgerichtshofs außer Kraft setzen. Werden die bei Internet-Versteigerungen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern geschlossenen Verträge nicht den Verträgen zugerechnet, für die die Fernabsatzbestimmungen gelten, so schadet das in einigen Mitgliedstaaten dem Verbraucherschutz. Ob die Interessen der Gewerbetreibenden höher gewichtet werden als die der Verbraucher ist eine politische Entscheidung. In Anbetracht der Tatsache jedoch, dass der Verkauf von Verbrauchern an Verbraucher, der beispielsweise einen Teil der über eBay abgewickelten Geschäfte ausmacht, in keinem Falle von den Fernabsatzbestimmungen beeinträchtigt wird, dürfte die Verringerung des Verbraucherschutzes gerechtfertigt oder weniger relevant sein. Auch ist es wichtig festzustellen, dass sich herkömmliche Versteigerungen und Internet-Versteigerungen in einem ganz wichtigen Punkt unterscheiden:

74 Vgl. Riefa, Christine, A Dangerous Erosion of Consumer Rights: The Absence of a Right to Withdraw from Online Auctions (29. März 29, 2009). MODERNISING AND HARMONISING CONSUMER CONTRACT LAW, Geraint Howells und Reiner Schultze, Hrsg., Sellier European Law Publishers, S. 177-188, 2009. Verfügbar im Internet bei SSRN: http://ssrn.com/abstract=1374063. 75 Hans Schulte-Nölke und Andreas Börger, Verbraucherrechtskompendium, Rechtsvergleichende Studie, E. Fernabsatzrichtlinie, (97/7), S. 500. 76 Urteil vom 3. November 2004, VIII ZR 375/03, NJW 2004, 53-56.

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Bei den herkömmlichen Versteigerungen wird der Vertrag dann abgeschlossen, wenn kein höheres Gebot abgegeben wird, während der Vertragsabschluss bei einer Internet-Versteigerung zeitverzögert erfolgt. Es ist daher fraglich, ob beide Versteigerungsarten gleich behandelt werden sollten.

3.14.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

Der Begriff „Versteigerung“ wird in den vier bestehenden Richtlinien nicht definiert.

3.14.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

Es ist in keiner anderen verbraucherrechtlichen Richtlinie eine Definition enthalten.

3.15. Öffentliche Versteigerung

Artikel 2 Absatz 16 VRR: „Öffentliche Versteigerung“ bezeichnet eine Verkaufsmethode, bei der ein Gewerbetreibender Verbrauchern, die der Versteigerung persönlich beiwohnen oder denen diese Möglichkeit gewährt wird, Waren anbietet, und zwar in einem vom Versteigerer durchgeführten, auf konkurrierenden Geboten basierenden Verfahren, bei dem derjenige, der das höchste Gebot abgibt, zum Kauf der Waren verpflichtet ist.

3.15.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Der Begriff erscheint in Artikel 5 Absatz 2, Artikel 7 Absatz 3 und Artikel 21 Absatz 4 VRR. In Artikel 5 Absatz 2 hat er eindeutig eine „Relevanz für das Schutzniveau“, da hier die in Artikel 5 geregelten vollständig harmonisierten allgemeinen Informationspflichten für öffentliche Versteigerungen geringfügig abgewandelt werden.

In Artikel 7 Absatz 3 VRR, wonach im Falle von öffentlichen Versteigerungen Vermittler von den speziellen Informationspflichten ausgenommen sind, wird nicht klargestellt, ob die Mitgliedstaaten an diese Ausnahme gebunden sind oder in einem solchen Fall nach eigenem Ermessen regulieren können, da dies nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt. Die Auslegungsvariante scheint hier vorteilhafter zu sein, da es den Mitgliedstaaten ansonsten untersagt wäre, Vermittler bei öffentlichen Versteigerungen zur Aufklärung über das Verbraucherschutzniveau zu verpflichten – was höchstwahrscheinlich nicht beabsichtigt ist. Die Begriffsbestimmung hat hier folglich „Relevanz für den Anwendungsbereich“.

Artikel 21 Absatz 4 VRR ist zweifelsfrei von „Relevanz für den Anwendungsbereich“, da den Mitgliedstaaten ausdrücklich freigestellt wird, Kapitel IV der VRR nicht auf den Verkauf von gebrauchten Waren in öffentlichen Versteigerungen anzuwenden.

3.15.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten Da Artikel 21 Absatz 4 VRR von Artikel 1 Absatz 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie hergeleitet wurde, haben mehrere Mitgliedstaaten von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, wobei sie den Begriff „öffentliche Versteigerung“ ohne Begriffsbestimmung verwenden.

IN SPANIEN WURDE EINE BESCHRÄNKTERE AUSNAHME VORGESEHEN, DER ZUFOLGE ALLEIN „BEHÖRDLICH ANGEORDNETE VERSTEIGERUNGEN“ AUSGEKLAMMERT SIND. Im Vereinigten Königreich wurde von der Möglichkeit nicht durch eine Änderung der Definition der „Waren“ Gebrauch gemacht, sondern durch die Modifikation der Definition des „als Verbraucher handelnd“, so dass eine natürliche Person in einer öffentlichen Versteigerung nicht als Verbraucher angesehen wird. Weitere Länder, die von dieser Ausnahmemöglichkeit

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Gebrauch gemacht haben, sind BULGARIEN, FINNLAND, FRANKEICH, DEUTSCHLAND, GRIECHENLAND, UNGARN und RUMÄNIEN. Diese Ausnahmen würden von der VRR nicht berührt.

3.15.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

Wie schon der Begriff „Versteigerung“ wird auch der Begriff „öffentliche Versteigerung“ in den vier bestehenden Richtlinien nicht definiert.

3.15.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

Es ist in keiner anderen verbraucherrechtlichen Richtlinie eine Definition enthalten.

3.16. Gewerbliche Garantie

Artikel 2 Absatz 18 VRR: „Gewerbliche Garantie“ bezeichnet jede dem Verbraucher gegenüber eingegangene Verpflichtung des Gewerbetreibenden oder Herstellers (Garantiegebers), den Kaufpreis zu erstatten oder Waren zu ersetzen, nachzubessern oder Kundendienstleistungen für sie zu erbringen, falls sie nicht die Eigenschaften aufweisen sollten, die in der Garantieerklärung oder der einschlägigen Werbung, wie sie bei oder vor dem Abschluss des Vertrags verfügbar war, beschrieben sind.

3.16.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Die Begriffsbestimmung von „gewerbliche Garantie“ hat „Relevanz für den Anwendungsbereich“. Außer in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe f, der die Informationspflichten regelt, findet sich dieser Terminus lediglich in Artikel 29 VRR zu gewerblichen Garantien. Dieser Artikel enthält speziell Bestimmungen zu gewerblichen Garantien. So muss beispielsweise gemäß Absatz 2 dieses Artikels die Garantieerklärung in klarer und verständlicher Sprache abgefasst sein. Alle in Artikel 29 enthaltenen Bestimmungen sind nur dann anwendbar, wenn die betreffende Erklärung als „gewerbliche Garantie“ im Sinne der Begriffsbestimmung in Artikel 2 Absatz 18 gilt. Die Begriffsbestimmung von „gewerbliche Garantie“ bezieht sich folglich auf den Anwendungsbereich einer bestimmten Regelung der VRR. Sie legt keinen Schutzstandard bzw. kein Schutzniveau fest. Die Mitgliedstaaten können folglich ohne Beschränkungen eine Erweiterung der Definition vornehmen.

3.16.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist nur auf Garantien anwendbar, die dem Verbraucher ohne Aufpreis gewährt werden. Mitgliedstaaten wie FINNLAND, ITALIEN77 und POLEN78, die sich für diese Lösung entschieden haben, werden nach Annahme der vorgeschlagenen Richtlinie ihre Rechtsvorschriften ändern müssen. Mitgliedstaaten, in denen diese Frage nicht gesetzlich geregelt ist, müssen keine Änderung der Begriffsbestimmung vornehmen. Das trifft auf die meisten Mitgliedstaaten zu. Wenn ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, dass Garantien gegen Entgelt ausgegeben werden, wie etwa in der TSCHECHISCHEN REPUBLIK79 oder den NIEDERLANDEN80 wird ebenfalls keine Änderung des Garantiebegriffs erforderlich sein.

77 Artikel 128 Absatz 2 Buchstabe c Verbraucherschutzgesetz. 78 Artikel 13 Absatz 1 des Gesetzes über den Verbrauchsgüterkauf. 79 Paragraph 620 Absatz 5 Zivilgesetzbuch. 80 Artikel 7:6a Zivilgesetzbuch.

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3.16.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

Die in Artikel 2 Absatz 18 des Vorschlags festgelegte Begriffsbestimmung von „gewerbliche Garantie“ geht auf die in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie enthaltene „Garantie“-Definition zurück:

Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (Richtlinie 1999/44/EG), Artikel 1, Absatz 2, Buchstabe e

„Garantie“ bezeichnet jede von einem Verkäufer oder Hersteller gegenüber dem Verbraucher ohne Aufpreis eingegangene Verpflichtung, den Kaufpreis zu erstatten, das Verbrauchsgut zu ersetzen oder nachzubessern oder in sonstiger Weise Abhilfe zu schaffen, wenn das Verbrauchsgut nicht den in der Garantieerklärung oder in der einschlägigen Werbung genannten Eigenschaften entspricht;

Die Begriffsbestimmungen der VRR und der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie unterscheiden sich in zweierlei Hinsicht: (1) Während in der Richtlinie festgelegt ist, dass die Garantie ohne Aufpreis zu gewähren ist, wird in der VRR-Begriffsbestimmung die „gewerbliche Garantie“ nicht auf unentgeltliche Garantien beschränkt. Die VRR folgt damit der Definition von „Verbrauchsgütergarantie“ im Gemeinsamen Referenzrahmen (DCFR).81Das bedeutet, dass die Garantiebestimmungen nicht mehr durch die Einführung einer Schutzgebühr für Garantien umgangen werden können.82(2) In der VRR-Definition wird festgelegt, dass sich die Garantie im Falle damit verbundener Werbung nur auf die Eigenschaften bezieht, die bei Abschluss des Vertrages verfügbar waren. Dabei scheint es sich einfach nur um eine Klarstellung zu handeln, da auch in der Richtlinie der Garantiegeber nicht zur Haftung für Werbeaussagen verpflichtet wird, die nach Vertragsabschluss getroffen werden.

3.16.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

Gewerbliche Garantie wird in keiner anderen Verbraucherschutzrichtlinie definiert.

3.17. Vermittler

Artikel 2 Absatz 19 VRR: „Vermittler“ bezeichnet einen Gewerbetreibenden, der den Vertrag im Namen oder im Auftrag des Verbrauchers schließt.

81 Artikel IV A 6:101 DCFR: Definition der Garantie für Verbrauchsgüter. (1) Eine Garantie für Verbrauchsgüter bezeichnet jede der folgenden Arten einer dem Verbraucher gegenüber eingegangenen Verpflichtung im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag über den Verkauf von Waren: (a) durch einen Hersteller oder eine auf einer späteren Stufe der Betriebskette angesiedelte Person; oder (b) durch den Verkäufer zusätzlich zu dessen Verpflichtungen als Verkäufer der Ware. (2) Die Verpflichtung kann darin bestehen, dass (a) die Waren, ausgenommen im Fall fehlerhafter oder missbräuchlicher Verwendung oder bei einem Unfall, über einen festgelegten Zeitraum ihren ordnungsgemäßen Zweck erfüllen; (b) die Waren die Eigenschaften aufweisen, die in der Garantieerklärung oder der einschlägigen Werbung beschrieben sind; oder (c) vorbehaltlich der in der Garantieerklärung enthaltenen Bedingungen (i) die Waren nachgebessert oder ersetzt werden, (ii) der für die Waren entrichtete Preis ganz oder teilweise erstattet wird, oder (iii) Abhilfe in anderer Form geleistet wird. 82 C Twigg-Flessner, „Consumer goods guarantees in the DCFR" 2009, European Review of Private Law S. 641, auf S. 643.

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3.17.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Die Begriffsbestimmung des Vermittlers ist von „Relevanz für den Anwendungsbereich“. Daher steht es den Mitgliedstaaten weiterhin frei, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die über den Anwendungsbereich der Richtlinie hinausgehen.

Es können zwei Feststellungen getroffen werden. Erstens ist „Vermittler“ ein Sammelbegriff. Dadurch entsteht faktisch eine Restkategorie. Somit können die Mitgliedstaaten in ihren Rechtssystemen beispielsweise im Analogieverfahren die Pflichten auf Personen ausweiten, die wegen möglicher Besonderheiten in der von den Mitgliedstaaten verwendeten Begriffsbestimmung von „Verkäufer“ ausgeschlossen wären. Zweitens lässt sich daraus ableitend feststellen, dass der Begriff „Vermittler“ nicht auf den Fall beschränkt ist, in dem ein Gewerbetreibender im Auftrag eines Verbrauchers mit einem anderen Verbraucher einen Vertrag schließt. Nach der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie wäre der Begriff „Vermittler“ ebenso auf einen Gewerbetreibenden anwendbar, der im Auftrag eines anderen Gewerbetreibenden handelt, was im Rahmen des grenzüberschreitenden Handels wohl eher der Fall ist. Sollte jedoch der „Vermittler“ grundsätzlich als ein Gewerbetreibender definiert werden, der zwischen zwei Verbrauchern agiert, hätte das möglicherweise unbeabsichtigt zur Folge, dass der Letztverkäufer, der bereits gegenüber einem Verbraucher in der Pflicht ist, nicht wegen einer Handlung oder Unterlassung Regressansprüche stellen kann, die auf einen im Auftrag eines Gewerbetreibenden handelnden Vermittler zurückgeht. Das wäre normalerweise nicht problematisch, da die Handlung oder Unterlassung dem „Auftraggeber“ oder Gewerbetreibenden zuzuschreiben wäre, in dessen Auftrag der Vermittler handelte, wobei allerdings im Falle einer Insolvenz des Auftraggebers der Letztverkäufer keine Regressmöglichkeiten mehr hätte.

3.17.2. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

Der Begriff „Vermittler“ wird in den vier bestehenden Richtlinien nicht definiert. Er wird in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie genannt.

3.17.3. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

Der Begriff „Vermittler“ wird in weiteren verbraucherrechtlichen Richtlinien angewendet. Hier steht er für einen Dritten, der den Vertrag im Auftrag eines Gewerbetreibenden abschließt.

Verbraucherkreditrichtlinie (Richtlinie 2008/48/EG), Artikel 3, Buchstabe f

„Kreditvermittler“ bezeichnet eine natürliche oder juristische Person, die nicht als Kreditgeber handelt und die in Ausübung ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit gegen ein Entgelt, das aus einer Geldzahlung oder einem sonstigen vereinbarten wirtschaftlichen Vorteil bestehen kann:

(iii) für den Kreditgeber Kreditverträge mit den Verbrauchern abschließt;

Zahlungsdiensterichtlinie (Richtlinie 2007/64/EG), Erwägung (6) (zur Erläuterung der Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 77 Absatz 1)

Dieser Rechtsrahmen sollte jedoch in den Fällen gelten, in denen der Betreiber ausschließlich als zwischengeschaltete Stelle fungiert, die lediglich die Zahlung an einen Waren oder Dienstleistungen liefernden Dritten vornimmt.

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In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass in den anderen Richtlinien der Vermittler eher einen Gewerbetreibenden bezeichnet, der im Auftrag und im Namen eines anderen Gewerbetreibenden einen Vertrag mit einem Verbraucher abschließt, und weniger der Fall gemeint ist, dass ein Vermittler zwischen zwei Verbrauchern handelt.

Die vorgeschlagene Begriffsbestimmung engt erstens einen bereits bestehenden Begriff im Verbraucherrecht ein, und macht aus einem bislang nichtjuristischen Begriff, der für mehrere unterschiedliche Beziehungen verwendet werden konnte, einen Terminus technicus. Was den ersten Punkt anbetrifft, so ist dadurch die Begriffsbestimmung im gesamten Bereich des Verbrauchervertragsrechts nicht mehr anwendbar.83 Sollte mit einer späteren Richtlinie versucht werden, alle vorangegangenen verbraucherrechtlichen Richtlinien umzuformulieren oder in einer Richtlinie zusammenzufassen, müsste die vorgeschlagene Begriffsbestimmung neu festgelegt werden. Da jedoch die Begriffsbestimmung nur speziell auf einen Artikel in der vorgeschlagenen Richtlinie anwendbar ist, gibt es zwei Lösungen. Entweder sie wird spezifischer formuliert, wie beispielsweise „Verbrauchervermittler“,. oder aber sie wird mit Blick auf eine spätere vollständige Kodifizierung aller verbraucherrechtlichen Richtlinien komplett weggelassen und der entsprechende Artikel bezieht sich direkt auf die beabsichtigte Sachlage.

Im Übrigen werden durch die Einbeziehung des Begriffs „Gewerbetreibender“ in die Vermittler-Definition die Widersprüche zum Ausdruck gebracht, die bereits zwischen den Mitgliedstaaten bestehen dürften (d. h. muss der Vermittler zwischen zwei Verbrauchern die Vermittlung im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausüben?).84

3.18. Akzessorischer Vertrag

Artikel 2 Absatz 20 VRR: „Akzessorischer Vertrag“ bezeichnet einen Vertrag, mit dem der Verbraucher Waren oder Dienstleistungen erwirbt, die im Zusammenhang mit einem Fernabsatzvertrag oder einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag stehen, und bei dem diese Waren oder Dienstleistungen von einem Gewerbetreibenden oder einem Dritten auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen diesem Dritten und dem Gewerbetreibenden geliefert werden.

3.18.1. Art der Begriffsbestimmung und Auswirkungen auf die einzelstaatlichen Rechtsakte

Die Definition des Begriffs „akzessorischer Vertrag“ bezieht sich auf das Schutzniveau der VRR-Bestimmungen. Der Begriff wird lediglich in Artikel 18 Absatz 1 verwendet, in dem es heißt, dass im Falle des Widerrufs eines im FernAbsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags auch alle akzessorischen Verträge automatisch beendet werden.

3.18.2. Definitionsbeispiele aus den einzelstaatlichen Rechtsakten Gemäß Artikel 6 Absatz 4 der Fernabsatzrichtlinie haben die Mitgliedstaaten Vorschriften für verbundene Kreditverträge in Kraft gesetzt. Einige Mitgliedstaaten wie ÖSTERREICH85, ESTLAND86 und DEUTSCHLAND87 verlangen, dass der Kreditvertrag wirtschaftlich mit dem Fernabsatzvertrag verbunden ist. Bei der Anwendung der VRR-Begriffsbestimmung von „akzessorischer Vertrag“ dürfen diese Mitgliedstaaten nicht den Begriff „wirtschaftliche Einheit“ verwenden, da er enger gefasst ist als die Begriffsbestimmung der VRR.

83 Vgl. Aufgabenstellung im „Methodischen Ansatz", „Begriffsbestimmungen festzulegen, die im gesamten Bereich des Verbrauchervertragsrechts angewendet werden können". 84 Siehe Punkt 3.2, Definition des Gewerbetreibenden. 85 § 5(h) Konsumentenschutzgesetz. 86 § 52 Schuldrechtsgesetz. 87 § 358(3) BGB.

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3.18.3. Entsprechende Definitionen in den vier in Überarbeitung befindlichen Richtlinien

Die Fernabsatzrichtlinie kennt den Begriff „akzessorischer Vertrag“ nicht, regelt jedoch die Auflösung eines damit verbundenen Kreditvertrags:

Fernabsatzrichtlinie (Richtlinie 1997/7/EG), Artikel 6, Absatz 4

Die Mitgliedstaaten sehen in ihren Rechtsvorschriften folgendes vor: - Wenn der Preis einer Ware oder einer Dienstleistung vollständig oder zum Teil durch einen vom Lieferer gewährten Kredit finanziert wird, oder- wenn dieser Preis vollständig oder zum Teil durch einen Kredit finanziert wird, der dem Verbraucher von einem Dritten aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Dritten und dem Lieferer gewährt wird, wird der Kreditvertrag entschädigungsfrei aufgelöst, falls der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht gemäß Absatz 1 Gebrauch macht. Die Mitgliedstaaten legen die Einzelheiten der Auflösung des Kreditvertrags fest.

Die Definition in der VRR ist nicht auf Kreditverträge beschränkt, sondern bezieht sich auf jeden Vertrag im Zusammenhang mit einem Fernabsatzvertrag oder einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag. Damit bestehen erweiterte Möglichkeiten für die Auflösung von verbundenen Verträgen.

3.18.4. Auswirkungen auf andere Verbraucherrichtlinien im gemeinschaftlichen Besitzstand

Der Begriff „akzessorischer Vertrag“ wird in der neuen Timesharing-Richtlinie verwendet.

Timesharing-Richtlinie (Richtlinie 2008/122/EG), Artikel 2, Absatz 1, Buchstabe g

„akzessorischer Vertrag“ bezeichnet einen Vertrag, mit dem der Verbraucher Leistungen im Zusammenhang mit einem Teilzeitnutzungsvertrag oder einem Vertrag über ein langfristiges Urlaubsprodukt erwirbt, die von dem Gewerbetreibenden oder einem Dritten auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen diesem Dritten und dem Gewerbetreibenden erbracht werden

Diese Begriffsbestimmung stimmt mit der in der VRR überein. Eine ähnliche, jedoch nicht kongruente Begriffsbestimmung ist in der Verbraucherkreditrichtlinie von 2008 enthalten:

Verbraucherkreditrichtlinie 2008, Artikel 3 Buchstabe n

„verbundener Kreditvertrag“ bezeichnet einen Kreditvertrag, bei dem (i) der betreffende Kredit ausschließlich der Finanzierung eines Vertrags über Lieferung bestimmter Waren oder die Erbringung einer bestimmten Dienstleistung dient und (ii) diese beiden Verträge objektiv betrachtet eine wirtschaftliche Einheit bilden; von einer wirtschaftlichen Einheit ist auszugehen, wenn der Warenlieferant oder der

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Dienstleistungserbringer den Kredit zugunsten des Verbrauchers finanziert oder wenn sich der Kreditgeber im Falle der Finanzierung durch einen Dritten bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Kreditvertrags der Mitwirkung des Warenlieferanten oder des Dienstleistungserbringers bedient oder wenn im Kreditvertrag ausdrücklich die spezifischen Waren oder die Erbringung einer spezifischen Dienstleistung angegeben sind.

Diese Begriffsbestimmung ist enger gefasst als die in der VRR, da hier der Begriff der „wirtschaftlichen Einheit“ verwendet wird. Nur teilweise wird die Beziehung zwischen dem Gewerbetreibenden und einem Dritten beschrieben, wobei in diesem Falle ein Vertrag zwischen diesem Dritten und dem Gewerbetreibenden bestehen muss. In der einzigen Bestimmung der VRR, in der von einem „akzessorischen Vertrag“ die Rede ist (Artikel 18 Absatz 1) heißt es, dass die Beendigung eines „akzessorischen Vertrags“ unbeschadet der Festlegungen zu verbundenen Kreditverträgen in der Verbraucherkreditrichtlinie zu erfolgen hat.

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Tabelle: Entsprechende Begriffsbestimmungen in anderen Richtlinien und Verordnungen im gemeinschaftlichen Besitzstand

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Bestellfor mular

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88 Richtl. 2003/31/EG: Art. 2 Buchst. b: „Diensteanbieter“: jede natürliche oder juristische Person, die einen Dienst der Informationsgesellschaft anbietet; Art. 2 Buchst. c: „niedergelassener Diensteanbieter“: ein Anbieter, der mittels einer festen Einrichtung auf unbestimmte Zeit eine Wirtschaftstätigkeit tatsächlich ausübt; Vorhandensein und Nutzung technischer Mittel und Technologien, die zum Anbieten des Dienstes erforderlich sind, begründen allein keine Niederlassung des Anbieters; Richtl. 2002/65/EG: Art. 2 Buchst. c: „Anbietender“ bezeichnet jede natürliche oder juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts, die im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit Dienstleistungen aufgrund von Fernabsatzverträgen erbringt; Richtl. 2008/48/EG: Art. 3 Buchst. b: „Kreditgeber“ bezeichnet eine natürliche oder juristische Person, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit einen Kredit gewährt oder zu gewähren verspricht; Verord. EG Nr. 593/2001: Art. 6 Abs. 1: Unbeschadet der Artikel 5 und 7 unterliegt ein Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann („Verbraucher“), mit einer anderen Person geschlossen hat, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt („Unternehmer“), dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer.

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Hers teller

Gewerbliche Ga rantie

Akzessorischer Vertrag X

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LITERATURHINWEISE • de Booys, Hesselink, Mak (2009), How the CFR Can Improve the Consumer Rights

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