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Vorwärts und nicht vergessen: Gute Arbeit – Sicherheit – Mitbestimmung zur Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen/Betriebsorganisation in der SPD Potsdam 16. – 18. April 2010 Anträge

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Vorwärts und nicht vergessen: Gute Arbeit – Sicherheit – Mitbestimmung

zur Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaftfür Arbeitnehmerfragen/Betriebsorganisation in der SPDPotsdam 16. – 18. April 2010

Anträge

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Vorwärts und nicht vergessen: Gute Arbeit – Sicherheit – Mitbestimmung

zur Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaftfür Arbeitnehmerfragen/Betriebsorganisation in der SPDPotsdam 16. – 18. April 2010

Anträge

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Herausgeber: SPD-Parteivorstand, Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen/Betriebsorganisation Wilhelmstr. 141, 10963 Berlin

Verantwortlich: Jan Brahmst

Gesamtherstellung: braunschweig-druck GmbH, Braunschweig

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Antragsbereiche Anträge Seite

A Arbeit A 1 bis 53 5

S Sozialpolitik S 1 bis 18 55

W Wirtschafts- und Steuerpolitik W 1 bis 25 69

U Umweltpolitik U 1 bis 2 101

E Europapolitik E 1 bis 3 105

P SPD P 1 bis 7 111

So Sonstige Anträge So 1 bis 5 121

Inhaltsverzeichnis

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AfA-Bundesvorstand Hermann Hibbeler (Vorsitzender)

AfA-Bundesvorstand Annegret Hansen

AfA-Bundesvorstand Wolfgang Jägers

AfA-Bundesvorstand Martin Frey

Schleswig-Holstein Helmut Ulbrand

Mecklenburg-Vorpommern Uwe Michaelis

Hamburg Bärbel Adolphs

Weser-Ems Rainer Ziegler

Hannover Michael Biank

Braunschweig Konrad Metzing

Sachsen-Anhalt Kornelia Keune

Brandenburg Hartwig Paulsen

Berlin Gotthard Krupp

Nordrhein-Westfalen Cornelia Beverungen-Willma

Hessen-Nord Volker Zeidler

Hessen-Süd Dagmar Losert

Thüringen Klaus Schüller

Sachsen Hansjörg Kretzschmar

Saar Siegfried Müller

Rheinland-Pfalz Klaus Gewehr

Baden-Württemberg Lillo Chianta

Bayern Erich Weiß

SPD-Parteivorstand Jan Brahmst

Mitglieder der Antragskommission

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Arbeit

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AnträgeEmpfehlungen

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Antragsbereich A

Antrag 1Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bundesvorstand

Hartz IV reformieren – Existenzminimum sicherstellen– Existenz sichernde Arbeit fördern

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil die Unvereinbar-keit der geltenden Regelsätze im SGB II mit Artikel 1 Grundgesetz inVerbindung mit Art. 20 Grundgesetz festgestellt. Eine verfassungskon-forme Neuregelung ist noch in diesem Jahr notwendig.

Aber auch unabhängig von diesem Urteil besteht dringender Reform-bedarf im SGB II. Die Evaluationsergebnisse und verschiedenen Be-wertungen des SGB II fünf Jahre nach seiner Einführung (Forschungs-institute, IAB, DGB) kommen zwar zu unterschiedlichen Einschätzun-gen in der Gesamtbewertung, einige Defizite werden jedoch von allengemeinsam benannt.

– Es ist weiter ein hoher Sockel von Arbeitslosengeld II-Beziehern zuverzeichnen, denen der Ausstieg aus der Hilfebedürftigkeit nicht ge-lingt. Von den Bedarfsgemeinschaften, die im Jahr 2005 in Hartz IVwaren, sind heute immer noch 45 Prozent auf AlG II angewiesen.

– Gleichwohl ist eine hohe Fluktuation zu verzeichnen. Viele Hilfebe-dürftige nehmen eine Erwerbstätigkeit auf, die aber entweder nichtoder nicht dauerhaft bedarfsdeckend ist. Die Zahl der erwerbstätigenAufstocker ist auf über 1,3 Millionen angewachsen.

– Im Hartz IV-System dominieren kurzzeitige Maßnahmen. Ein-Euro-Jobs und Trainingsmaßnahmen sind die quantitativ bedeutendstenMaßnahmen. Aber bei keinem anderen Instrument sind die berufli-chen Eingliederungschancen schlechter als bei Arbeitsgelegenheiten.

– Individuelle Betreuung ist wichtig. Gezielte Förderung gelingt abernoch zu selten. Zu häufig kommen Ein-Euro-Jobs zum Einsatz, diegerade für jüngere Leistungsbezieher negative Wirkungen zeigen.

– Die Betreuungspraxis unterscheidet sich nach Geschlecht deutlich.Frauen werden weniger Vollzeitstellen angeboten, unabhängig vonder Zahl der Kinder.

– Kritisch ist weiter die Situation der Alleinerziehenden. Obwohl häu-fig gut qualifiziert und motiviert, haben sie die längste Verweildauerim Leistungsbezug. Hauptursache ist die mangelnde Kinderbetreu-ung.

Nicht die Sozialleistungen sind zu üppig, die Entwicklung der Löhneist katastrophal

– Leistung muss sich lohnen. Wer etwas leistet, muss die Chance zumAufstieg haben. Das sind Forderungen, die schon immer zum Kern-bestand der Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie gehörthaben.

– Weil das so ist, brauchen wir wieder Ordnung im Lohngefüge.

– Wenn mittlerweile mehr als ein Fünftel der abhängig Beschäftigtenim Niedriglohnsektor arbeitet, ist das nicht nur sozial ungerecht, son-dern auch ökonomisch kontraproduktiv. Hinzu kommen jahrelangeReallohnverluste der Arbeitnehmerschaft insgesamt. Deutschland istbei der Entwicklung der Reallöhne Schlusslicht Europas. Dies belas-tet massiv die Binnennachfrage und erschwert die konjunkturelle Er-holung.

– Die Ausweitung des Niedriglohnsektors gefährdet auch ein grundle-gendes Prinzip unserer Arbeitsgesellschaft. Leistung lohnt sich ebennicht mehr. Niedriglöhne sind nicht mehr nur ein Problem von Ge-ringqualifizierten. 80 Prozent der Niedriglöhner haben eine abge-schlossene Ausbildung. Auch wer sich anstrengt, hat kaum Möglich-keiten aufzusteigen.

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Parteivorstand

SPD-Bundestagsfraktion

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– Die steigende Zahl der Aufstocker ist Ausdruck dieses Prinzipien-bruchs. Zunehmend gehen Unternehmen dazu über, sich die Zahlungvon Armutslöhnen von der Gemeinschaft der Steuerzahler subventio-nieren zu lassen. Auch dies ist nicht nur asozial, sondern auch einBruch mit den Prinzipien fairen Wettbewerbs. Betriebe, die anstän-dige Löhne zahlen, werden benachteiligt.

1. Erste Schlussfolgerungen der AfA zum Reformbedarfim SGB II

Hilfe aus einer Hand aufrechterhalten

Kernziel der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfewar die Hilfe aus einer Hand. Die gemeinsame Betreuung der Langzeit-arbeitslosen unter einem Dach und aus einer Hand wird in der Evalua-tion positiv bewertet. Eine durch das Urteil des Bundesverfassungsge-richtes vom Dezember 2007 notwendig gewordene Neuorganisationder Job-Center muss diesem Prinzip gerecht werden. Wir halten an derZusammenarbeit von Arbeitsagentur und Kommune in gemeinsamerAufgabenwahrnehmung fest. Eine Änderung des Grundgesetzes istdazu unausweichlich. Die Evaluation hat dieser Form der Aufgaben-wahrnehmung die besseren Erfolge bei der Überwindung der Hilfebe-dürftigkeit und der Integration in bedarfsdeckende Beschäftigung be-scheinigt.

Arbeitsförderung aufwerten

Das Prinzip des Forderns und Förderns hat eine deutliche Schlagseitezugunsten des Forderns. Fordern, ohne eine Perspektive zu bieten, hilftden Menschen aber nicht. Die stärker betriebswirtschaftliche Ausrich-tung der Bundesagentur für Arbeit führte zu einer starken Segmentie-rung der Arbeitslosen. Das eigentliche Ziel, allen Langzeitarbeitslosendurch Zugang zu allen arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumenten dieReintegration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, wurde dadurch kon-terkariert.

Die Chancen auf Vermittlung steigen deutlich, wenn individuelle Be-treuung gewährleistet ist. Ein hoher Betreuungsschlüssel ist deshalbnotwendig.

Beim Einsatz der Arbeitsförderungsinstrumente dominieren kurzzei-tige Maßnahmen. Deren Erfolgsaussichten zur Reintegration in denersten Arbeitsmarkt sind gering. Insbesondere Arbeitsgelegenheiten inder Mehraufwandsvariante (Ein-Euro-Jobs) bleiben hinsichtlich derVermittlungschancen zum größten Teil wirkungslos.

Daher ist ein Paradigmenwechsel beim Einsatz der Instrumente erfor-derlich:

– Maßnahmen beruflicher Weiterbildung mit längerer Maßnahme-dauer müssen einen deutlich höheren Stellenwert bekommen.

– Als Alternative zu Ein-Euro-Jobs ist stattdessen der Ausbau zusätz-licher sozialversicherungspflichtiger öffentlich verantworteter Be-schäftigungsangebote notwendig.

– Ein besonderes Augenmerk muss auf die Situation alleinerziehenderFrauen gelegt werden. Der Ausbau von Kinderbetreuungsangebotenist Voraussetzung für höhere Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Existenzminimum sichern

– Die Regelsätze müssen das soziokulturelle Existenzminimum ge-währleisten.

– Die Regelsätze müssen entsprechend den Vorgaben des Verfassungs-gerichtes neu berechnet werden. Um eine vernünftige Berechnungs-grundlage zu haben, müssen in die Entscheidung, welche Ausgabenregelsatzrelevant sind, die Sozial- und Wohlfahrtsverbände einbezo-gen werden.

– Eigenständige Regelsätze von Kindern müssen so ermittelt werden,dass alters- und entwicklungsspezifische Bedarfe von Kindern gesi-chert sind.

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AnträgeEmpfehlungen

derAntragskommission

Gerechtigkeitsdefizite im System beseitigen

Wird Lebensleistung anerkannt?

Ein zentrales Problem der mit der Einführung der Grundsicherung fürArbeitsuchende verbundenen Abschaffung der Arbeitslosenhilfe ist,dass Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet haben, nach relativ kur-zer Zeit genauso behandelt werden, wie diejenigen, die nur kurz odernie gearbeitet und in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben.Diese Menschen fühlen sich um ihre Lebensleistung betrogen. Die Ar-beitsmarktreformen haben in weiten Teilen der ArbeitnehmerschaftFurcht vor sozialem Abstieg durch Arbeitslosigkeit ausgelöst. Darankonnte auch der im SGB II eingeführte Zuschlag für Arbeitslose beimÜbergang vom Arbeitslosengeld in das Arbeitslosengeld II nichts än-dern. Dieser Zuschlag ist auch durch die Deckelung auf 180/360 Eurowillkürlich gewählt.

Dieses Problem lässt sich nur lösen, wenn insbesondere langjährigeBeitragszahler eine zumindest zeitlich begrenzte Leistung nach demArbeitslosengeld erhalten, die sich noch am vorherigen Einkommenorientiert.

Welche Arbeit ist angemessen und zumutbar?

Die Arbeitsmarktforscher des IAB stellen seit der Einführung derGrundsicherung fest, dass Arbeitslose eher bereit sind, einen Job auchzu schlechteren Bedingungen anzunehmen. Die neue Zumutbarkeitsre-gelung des SGB II, nach der jeder Job auch zu Niedrigstlöhnen ange-nommen werden muss, hat auch zur Ausbreitung des Niedriglohnsek-tors beigetragen.

– Die Zumutbarkeitsregelung im SGB II muss so geändert werden,dass die Aufnahme einer Beschäftigung nur dann zumutbar ist, wennsie nach Tariflohn oder ortsüblichem Lohn bezahlt wird.

2. Existenz sichernde Arbeit fördern

Eine verfassungskonforme Neuberechnung der Regelsätze in denGrundsicherungssystemen, die neben der materiellen Existenzsiche-rung auch angemessene gesellschaftliche Teilhabechancen berücksich-tigt und insbesondere die Berücksichtigung des eigenständigen Bedar-fes von Kindern wird zu einer Erhöhung der Regelsätze führen.

Neoliberale Ideologen versuchen derzeit, Menschen mit geringem Ein-kommen gegen Menschen ohne Arbeit auszuspielen. Tatsache ist, dassMenschen, die erwerbstätig sind, immer mehr haben, als diejenigen, dieausschließlich auf Sozialtransfers angewiesen sind. Dies ist im SGB IIdurch den Erwerbstätigenfreibetrag gesetzlich verankert und zusätzlichdurch Instrumente wie den Kinderzuschlag und das Wohngeld gewähr-leistet.

Höhere Regelsätze werden aber zu einer steigenden Zahl von Men-schen im Niedriglohnsektor führen, die auf ergänzende Leistungennach dem SGB II angewiesen sind.

Die AfA fordert daher:

– Vorgelagerte Sicherungssysteme, wie der Kinderzuschlag und dasWohngeld müssen ausgebaut werden, damit insbesondere Familienmit Kindern nicht in Hartz IV-Abhängigkeit geraten.

– Arbeit muss sich lohnen. Wir brauchen den gesetzlichen Mindest-lohn. Der Mindestlohn muss bei Vollzeitarbeit existenzsichernd sein.Die AfA unterstützt die Forderung des DGB nach einem gesetzlichenMindestlohn von mindestens 8,50 Euro.

– Mindestlöhne alleine werden aber nicht alle Probleme lösen. Wirbrauchen wieder eine Orientierung an wesentlichen Standards, diezur Grundlage der sozialen Marktwirtschaft gehören. Dazu gehörtunabdingbar die Stärkung der Tarifbindung. Die Tarifbindung gehtseit Jahren zurück. 2008 waren noch 63 Prozent der Beschäftigten inWestdeutschland und 52 Prozent in Ostdeutschland über einen Tarif-vertrag abgesichert. Im Dienstleistungsbereich liegt die Tarifbindungoft noch weit darunter. Eine Möglichkeit dazu ist die vereinfachteAllgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen.

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Antragsbereich A

Antrag 2Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBayern

Gute Arbeit sichernDie SPD-Bundestagsfraktion und die Bundes-SPD werden aufgefor-dert, ein Programm „Gute Arbeit“ zu entwickeln und umzusetzen, dasForschungs-, Arbeits-, Bildungs- und Wirtschaftspolitik eng miteinan-der verzahnt.

Gute Arbeit heißt: Zahlung fairer Löhne, Abschaffung prekärer Be-schäftigung, Stärkung der Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer, Sicherung der Arbeitnehmerrechte. Entwicklung vonHumanisierungsstrategien zur Arbeitsplatzgestaltung, sowie eine pro-gressive und innovative Arbeitsförderung. Dies beinhaltet insbeson-dere:

– Begrenzung der Leiharbeit

– zeitliche BegrenzungLeiharbeit darf lediglich ein Mittel sein, um auf Arbeitsspitzen rea-gieren zu können

– Begrenzung der Anzahl der beschäftigten Leiharbeiter in einem Be-trieb auf maximal 5 % der Stammbelegschaft.

– Wiedereinführung des Synchronverbots (Verbot der Befristung derArbeitsverhältnisse bei der Leihfirma auf die Dauer des Einsatzesbeim Entleiher)

– gleicher Lohn für gleiche Arbeit

– Gerechter Lohn: – Unser Ziel bleibt der gesetzliche flächendeckende Mindestlohn.– Gleicher Lohn für gleiche Arbeit für Männer und Frauen– Sicherung der Tarifautonomie und der Flächentarifverträge.– Veränderung der Zumutbarkeitsregelung im SGB II. Diese ist mit ur-

sächlich für die massive Ausbreitung des Niedriglohnsektors. Zu-mutbar dürfen nur Tätigkeiten sein, die nach Tarif oder ortsüblichemLohn bezahlt werden.

– Tariftreue gesetzlich sichern – Bundestariftreuegesetz beschließen.

– Sichere Arbeitsplätze: – Abschaffung befristeter Beschäftigung ohne Sachgrund– Sozialversicherungspflicht auch für geringfügige Beschäftigung– gesetzliche Abgrenzung von Praktika zu Arbeitsverhältnissen.– Entscheidungen zu Standortverlagerungen müssen als zustimmungs-

bedürftiges Geschäft, das eine Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsraterfordert, verbindlich für alle Kapitalgesellschaften geregelt werden.

– Entwicklung und Umsetzung von Humanisierungsstandards für dieQualität der Arbeitsbedingungen

– Erhalt des gesetzlichen Kündigungsschutzes– eine alters- und alternsgerechte Arbeitsgestaltung; hierzu gehören

insbesondere die Wiedereinführung der geförderten Altersteilzeitund die Abschaffung der Rente mit 67.

– Förderung einer auf Kollegialität beruhenden Arbeitskultur

– Mehr Mitbestimmung und Stärkung der Arbeitnehmerrechte: – Entscheidungsbefugte Ausschüsse des Aufsichtsrates sollen paritä-

tisch zusammengesetzt sein.– Ausdehnung der Mitbestimmung in Deutschland auf Auslandsgesell-

schaften mit inländischem Verwaltungssitz.– Einbeziehung von im Ausland beschäftigten Belegschaften in die

Vertretung im Aufsichtsrat.– Leiharbeitnehmer müssen bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl

für die Schwellenwerte mitgezählt werden.– Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats für Leiharbeitnehmer in den

Einsatzbetrieben.– Ausbau des bestehenden Vorschlags- und Beratungsrechts zur Siche-

rung und Förderung der Beschäftigung durch ein generelles Initiativ-recht auf die Einführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen.

– Schärfere Sanktionierung der Behinderung von Betriebsräten.– Arbeitnehmerdatenschutzgesetz

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Annahme

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SPD-Parteivorstand

SPD-Bundestagsfraktion

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AnträgeEmpfehlungen

derAntragskommission

– Analog der verbindlichen Festschreibung einer Mindestvertretungbeider Geschlechter im Betriebsrat soll eine solche Mindestvertre-tung auch in den Aufsichtsräten der Unternehmen festgeschriebenwerden.

– Entwicklung der systematischen Weiterbildung als 4. Säule im Bil-dungssystem

Begründung:Für die SPD ist die Vollbeschäftigung nach wie vor oberstes Ziel. JederMensch soll immer wieder neu die Chance auf gute Arbeit und diedafür notwendige Qualifikation erhalten. Jeder, der Vollzeit arbeitet,muss von seiner Arbeit auch leben können. Arbeitnehmerinnen und Ar-beitnehmer brauchen sichere Rechte und starke Interessenvertretungengenauso wie menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutz.Die Möglichkeiten zu beruflicher Qualifikation und Aufstieg solltenallen Arbeitnehmern/ Innen offen stehen. Vor allem bei belastenden Be-rufen ist eine flexible Regelung des Übergangs in den Ruhestand be-sonders wichtig. Wenn Leiharbeit zu Tarifflucht und Lohndumpingführt, muss die Politik einschreiten

Antragsbereich A

Antrag 3Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bundesvorstand

Arbeitsschutzbehörden / VerwaltungenDie Statistik über den Vergleich der Bundesländer bei den Arbeits-schutzverwaltungen sagt aus, dass gemessen auf 10.000 Arbeitnehmerdie Anzahl der Beschäftigten in den Verwaltungen in allen Bundeslän-dern kontinuierlich abnimmt.Das hat vor allen Dingen zur Folge, dass im Außendienst dieser Verwal-tungen, die Beratungs- / Kontrolldichte abnimmt. Das hat für kleineund mittlere Betriebe die Konsequenz, dass der Arbeitsschutz nicht dieBeachtung findet, die er verdient.Die Bundesländer und der Bund sind aufgefordert, ihre Bemühungenum den Arbeitsschutz deutlich zu verstärken. Wir brauchen auch vonstaatlicher Seite Investitionen in die Arbeitsschutzverwaltungen / Au-ßendienst. Die Zahlen aus der o. a. Statistik dürfen nicht weiter nachunten gehen. Die Anzahl der Aufsichtsbeamten, muss auf mindestens 5Personen pro 10.000 Beschäftigten steigen.

Begründung:Gerade in Klein-Betrieben bleibt der Arbeitsschutz oft auf der Strecke.Hier wird Beratung durch die Verwaltung benötigt, weil es keine bzw.kaum betriebliche Strategien zum Arbeitsschutz gibt.Ohne Kontrolle bleiben Gesetze und Verordnungen Makulatur. Deshalbwird mehr staatliche Kontrolle gebraucht. Gerade die GemeinsameDeutsche Arbeitsschutzstrategie (GDA), bringt mehr Aufgaben im Ar-beitsschutz und braucht zur Umsetzung mehr Personal.

Bundesland Personal auf 10.000 gewerbl. AN

Baden-Württemberg 562 1,04Bayern 423 0,66Berlin 110 0,69Brandenburg 154 1,50Bremen 37 0,96Hamburg 79 0,72Hessen 145 0,48Mecklenburg-Vorpommern 111 1,55Niedersachsen 411 1,16NRW 572 0,68Rheinland-Pfalz 182 1,02Saarland 27 0,53Sachsen 188 0,98Sachsen-Anhalt 160 1,60Schleswig-Holstein 43 0,35Thüringen 137 1,36

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SPD-Parteivorstand

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SPD-Landtagsfraktion

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Antragsbereich A

Antrag 4Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bundesvorstand

Dokumentation gemäß GefahrstoffverordnungDie Gefahrstoffverordnung wird dahingehend ergänzt, dass Betriebemindestens 40 Jahre lang Expositionsdateien für Beschäftigte aufbe-wahren müssen. Dies gilt für Expositionen von Arbeitnehmern mit kar-zenogenen und mutations- und regenerationsschädigenden Stoffen undwird von der EU-Krebsrichtlinie verlangt. Ferner ist die Datensiche-rung auch bei Betriebsstilllegungen, Insolvenzen u. ä. zu regeln.Begründung:Im Berufskrankheitenverfahren muss von den betroffenen Beschäftig-ten unter anderem über die Exposition gegenüber Gefahrstoffen dereindeutige Nachweis geführt werden (haftungsbegründende Kausali-tät). Dies ist nur möglich, wenn die erforderlichen Belege verfügbarsind. Der Nachweis der beruflichen Verursachung wird durch die zu-nehmende Mobilität von Beschäftigten, durch Arbeitgeberwechsel undBetriebsübergänge, wie auch durch Flexibilisierung und Prekarisierungvon Arbeitsverhältnissen in steigendem Maße erschwert. Angesichtsteilweise extrem langer Latenzzeiten von Krebserkrankungen (im Fallevon Asbest z.B. bis zu 40 Jahren), beeinträchtigt es die Chancen betrof-fener Arbeitnehmer/innen und ihrer Angehörigen erheblich die Aner-kennung und auch Entschädigungsleistungen für eine Berufskrankheitzu erlangen, wenn Unterlagen über die frühere Exposition nicht (mehr)verfügbar sind.

Antragsbereich A

Antrag 5Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bundesvorstand

Sichere Arbeit bei KraftfahrernImmer wieder kommt es beim Rückwärtsfahren von Lkws, Baumaschi-nen etc. zu schweren Unfällen. Dies geschieht, weil keine Einweiser(Personen) zum Einsatz kommen.Deshalb soll in die Arbeitsschutzgesetzgebung aufgenommen werden:Ein technisches Rückraumüberwachungssystem, z. B. Kameras fürvom Steuerstand nicht einsehbare Arbeitsbereiche von Maschinen –wird Vorschrift und in die Maschinen-Richtlinie mit aufgenommen.Dass die Maschinen so ausgestattet sind, wird durch die Konfirmitäts-kennzeichnung (CE-Zeichen mit Kennnummer) nachgewiesen unddurch den Hersteller bestätigt. Begründung:Bei vielen Pkws der gehobenen Klasse, sind Rückwärtswarneinrichtun-gen längst Standard. Auch Kamerasysteme, die Rückwärtsfahrten si-cherer machen, gehören dazu. Das soll jetzt auch für Maschinen imVerkehr so sein. Wir wollen Unfälle vermeiden. Die Kombination tech-nischer Einrichtungen mit einer professionellen Gefährdungsbeurtei-lung, helfen dabei.

Antragsbereich A

Antrag 6Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bundesvorstand

WegeunfälleDer Weg von der und zur Arbeit ist mitversichert über die gesetzlicheUnfallversicherung bei den Berufsgenossenschaften / Unfallkassen.Immer wieder gibt es Bestrebungen der Arbeitgeberverbände, unter-stützt durch CDU und FDP, diese Unfälle aus der Versicherungspflichtheraus zu nehmen. Die Begründung hierfür: Der Weg zur Arbeit sei Pri-vatsache. Diese Begründung und die Bestrebungen, Wegeunfälle zu

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Annahme

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SPD-Bundestagsfraktion

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SPD-Bundestagsfraktion

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SPD-Bundestagsfraktion

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AnträgeEmpfehlungen

derAntragskommission

privaten Unglücksfällen zu erklären, lehnt die SPD ab. Das Wegerisikogehört zum Betriebsrisiko und ist dort zu versichern.Besser ist, für sichere Wege vom und zum Arbeitsplatz zu sorgen, z. B.durch den Ausbau des ÖPNV. Mehrarbeit und Zeitdruck erhöhen dasWegeunfallrisiko, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, re-duzieren den Stress und schaffen dadurch mehr Sicherheit. Die SPDsetzt sich dafür ein, Risiken zu minimieren.

Begründung:Der Transport der Arbeitskraft zum Arbeitsplatz ist durch den Arbeitge-ber veranlasst. Deshalb muss er auch das Risiko tragen. Das dies be-sonders Klein-Betriebe überfordern kann, ist eine solidarische Versi-cherung über die Berufsgenossenschaften richtig.Wir wollen nicht, dass das Betriebsrisiko immer weiter auf die Arbeit-nehmer verlagert wird.Von 1,2 Millionen Unfällen (Meldepflichtig), sind 180.000 Wegeun-fälle. Die Versicherungssummen für dieses Risiko soll, nach Willen derArbeitgeberverbände und der CDU und FDP, allein von den Arbeitneh-mern aufgebracht werden. Das lehnen wir ab.

Antragsbereich A

Antrag 7Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen –LandesorganisationHamburg

Arbeitsschutz

Die AfA-Bundeskonferenz möge beschließen:Hände weg vom Arbeitsschutz – Gleicher Arbeitsschutz für Alle.Die Bundestagsfaktion wird aufgefordert, sich gegen zu erwartendeVersuche zu wenden, den bestehenden Arbeitsschutz einzuschränken.Das jetzt bestehende Niveau ist mindestens zu erhalten. Keinesfallsdarf der Arbeitsschutz für kleine und mittlere Betriebe reduziert werdenund muss sich auch weiterhin nach dem Stand von Wissenschaft undTechnik weiter entwickeln.

Begründung:Es soll in einer sog. „Stoiber-Expertenrunde“ Überlegungen geben,nach denen die EU-Kommission aufgefordert werden soll, für kleineund mittlere Betriebe keine schriftlichen Gefährdungsbeurteilungenmehr zu fordern. Begründet wird dies mit „Bürokratieabbau“.Keine schriftlichen Gefährdungsbeurteilungen würde in Wahrheit be-deuten: Gar keine Gefährdungsbeurteilungen. Doch gerade sie sind dieBasis des Arbeitsschutzes.Der überwiegende Teil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ar-beitet in kleinen und mittleren Betrieben; sollen sie weniger sichere Ar-beitsplätze haben als die Kolleginnen und Kollegen in Großbetrieben?Es darf keinen Arbeitsschutz erster und zweiter Klasse geben!

Antragsbereich A

Antrag 8Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesorganisationHamburg

Der Drittschutz darf nicht aus dem Arbeitsschutz heraus gebrochen werden.

Begründung:Die EU fordert verstärkt die Umsetzung des Sicherheits- und Gesund-heitsschutzes.Deshalb ist die derzeit angedachte Verlagerung des GSPG in ein ande-res Ministerium aus Sicht der AfA nachteilig, weil durch die gesplitte-

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ten Kompetenzen die Ausbildung eines weiteren Expertenstabes erfor-derlich wird. Die dann erforderlichen Abstimmungsnotwendigkeitenbedeuten zusätzlichen Verwaltungsaufwand mit den entsprechendenRisiken für den/die Verbraucher.

Der in Deutschland gut integrierte Arbeitsschutz beinhaltet derzeit alseinen Zweig den Drittschutz. Die Anforderungen beider Bereiche lau-fen weitgehend parallel. Eine Ausgliederung des Drittschutzes würdeeine weitere Organisationsstruktur erfordern.

Es ist unsinnig, ein bewährtes und effizientes System, wie es inDeutschland existiert, durch ein teureres, mit risikobehafteten Schnitt-stellen auszutauschen. Die Aufgaben lassen sich effektiver, effizienterund sicherer unter einem dem Dach umsetzen.

Die AfA lehnt eine Zersplitterung der Zuständigkeiten ab.

Antragsbereich A

Antrag 9Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Unterbezirk Soest

Arbeitnehmerdatenschutz

Die AfA-Landeskonferenz NRW am 30.01.2010 möge beschließen,dass die SPD-Bundestagsfraktion beauftragt wird den Gesetzentwurfvon Olaf Scholz zum Arbeitnehmerdatenschutzgesetz unverzüglichwieder in den Bundestag einzubringen.

Begründung:

Seit Jahren fordert der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar eineigenes Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz, da das bestehende Bundes-datenschutz keinen ausreichenden Schutz für Arbeitnehmer/innen bie-tet. Die Höchststrafe bei Verstoß liegt nur bei 250.000 Euro und ist fürgroße Unternehmen bedeutend zu gering.

Weder die rotgrüne Bundesregierung noch die jetzige haben lautSchaar einschlägige Aktivitäten erkennen lassen.

Angesichts der aktuellen Missbrauchfälle bei LIDL, Edeka, Rewe, Telekom und Deutsche Bahn ist Eile geboten um die Arbeit-nehmer/innen zu schützen.

Antragsbereich A

Antrag 10Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

Zwangsverrentung von ALG II – Empfängernausschließen

Die SPD Bundestagsfraktion wird aufgefordert, sich dafür einzusetzengesetzliche Regelungen zu schaffen, die eine Zwangsverrentung vonArbeitslosengeld-II-Empfängern ausschließen.

Begründung:

Nach aktueller Gesetzeslage in der Sozialgesetzgebung werden Bezie-her von Arbeitslosengeld II gezwungen, ab dem 60. Lebensjahr einevorgezogene Altersrente zu beziehen. Dies bedeutet für den betroffenenPersonenkreis eine Reduzierung ihrer möglichen Rentenansprüche ummindestens 18 Prozent. Dies bedeutet eine dramatische Rentenkürzungfür ältere Arbeitslose und eine Verschärfung der Altersarmut für diesenPersonenkreis.

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Erledigt durch Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion BT-Drs. 17/69

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

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Antragsbereich A

Antrag 11

Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandMecklenburg Vorpommern

„Einführung einer Grundsicherung für Kinder“

Die AfA-Bundeskonferenz spricht sich für eine eigenständige Grundsi-cherung für jedes Kind bis zum 27. Lebensjahr aus. Diese soll die be-stehende Familienförderung aus Kindergeld, Sozialgeld, Kinderzu-schlag und BAföG ablösen. Die Kindergrundsicherung soll vor allemdie Chancen der 2,4 Millionen Jungen und Mädchen in Armut deutlichverbessern. Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert, umgehendInitiativen einzuleiten, die die zügige Einführung einer solchen Grund-sicherung zum Ziel hat.

Begründung:

In Deutschland haben wir ein dramatisches Anwachsen von Kinderar-mut zu verzeichnen. Armut bedeutet vor allem ein Mangel an Einkom-men, Ressourcen und Lebensperspektiven. Folgen sind kein gleichbe-rechtigter Zugang zu Bildung und Freizeitaktivitäten. Betroffene Kin-der weisen nicht selten gesundheitliche Defizite auf, werden ausge-grenzt oder stigmatisiert.Wir wollen, dass alle Kinder und Jugendliche die gleichen Chancenhaben, Gesund aufwachsen, eine gute Ausbildung genießen und am ge-sellschaftlichen Leben teilhaben können.Denn nur so gelingt ist, dem Teufelskreis von ungenügender Ausbil-dung, Arbeitslosigkeit, Minilöhnen und Abhängigkeit von staatlichenTransferleistungen auf Dauer zu entkommen und sich ein Selbstbe-stimmtes Leben aufzubauen.

Antragsbereich A

Antrag 12Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Süd

Keinen Arbeitsdienst für Erwerbslose!

Die AfA fordert „Keinen Arbeitsdienst für Erwerbslose!“ Die SPD-Mandatsträger in Bund, Ländern, Städten und Gemeinden werden auf-gefordert, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, Langzeitarbeits-lose auf ABM-Grundlage mit allen Arbeitnehmerrechten und -pflichtenzu beschäftigen, wie die KollegInnen, die in dem Bereich beschäftigtsind, in dem Langzeitarbeitslose eingesetzt werden.

Begründung:

Die Forderung des hessischen CDU-Ministerpräsidenten Koch, eineArbeitspflicht für Hartz IV-Empfänger einzuführen ist zynisch und be-leidigend. Er versucht, die Opfer von Personalabbau und Massenentlas-sungen für ihre Arbeitslosigkeit verantwortlich zu machen. Die Tatsa-che, dass jahrelang Banken und Betriebe trotz Rekordgewinne in Milli-ardenhöhe massenhaft Arbeitsplätze vernichtet haben und die Wirt-schaftskrise zunehmend auf den Arbeitsmarkt durchschlägt, wird völligignoriert. Eine uferlose Ausweitung des Niedriglohnsektors wird gna-denlos durchgesetzt. Mit einer Arbeitsdienstpflicht für Hartz IV-Emp-fänger wird kein einziger neuer Arbeitsplatz geschaffen, sondern regu-läre Arbeitsplätze durch Billig- und Ohne-Geld-Jobs ersetzt. Dies führtdazu, dass noch mehr Menschen arbeitslos werden und noch mehr Kin-der in Armut leben. Die Reichen werden so immer reicher und dieArmen immer zahlreicher.

Überweisung an:

AfA-Bundesvorstand

Erledigt bei Annahme von A 1

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Antragsbereich A

Antrag 13

Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Süd

AfA sagt NEIN zur getrennten Trägerschaft der SGB II-Behörden

Die AfA erwartet von einer sozialdemokratisch geführten Bundesregie-rung die grundlegende Überarbeitung der Hartzgesetzgebung im Inte-resse der Betroffenen. Ungeachtet dessen lehnt die AfA die von derschwarz-gelben Bundesregierung geplante getrennte Trägerschaft desSGB II-Leistungen entscheiden ab und fordert eine Änderung desGrundgesetzes, die es erlaubt ungeachtet der vielfältigen Defizite undMängel die Betreuung der Langzeitarbeitslosen optimal in gemeinsa-mer Trägerschaft zu gestalten.

Begründung:

Am 21.12.2007 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt: „Ar-beitsgemeinschaften gemäß § 44b SGB II widersprechen dem Grund-satz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung…“. Die daraus fol-genden Konsequenzen sind in der großen Koalition nicht gezogen wor-den. Die Bundesministerin für Arbeit- und Soziales schlägt jetzt vor,die Aufgaben aufzutrennen in getrennter Trägerschaft von Kommunenund Arbeitsagentur erbringen zu lassen.

1. Dies widerspricht den Interessen der Betroffenen! Ungeachtet derstrukturellen Unterfinanzierung, des bestehenden Personalmangelsund der vielfach falschen Ausrichtung der Gesetzgebung wird sichdie Situation der betroffenen Langzeitarbeitslosen weiter verschlech-tern, die Zahl der Behördengänge zu und die der möglichen Vermitt-lungen abnehmen. Das Prinzip „Helfen aus einer Hand“ definitivaufgegeben.

2. Dies widerspricht den Interessen der Kommunalbeschäftigten! Fürdie kommunalen Beschäftigten verbleibt die nachrangige Sachbear-beitung der Leistungen für Unterkunfts- und Heizkosten, wenn dieAufgaben getrennt werden Die von vielen Kolleg/inn/en in den letz-ten Jahren erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Arbeits-vermittlung, der Qualifizierung und der Beseitigung von Vermitt-lungshemmnissen würden nachträglich entwertet. Ein großer Teil deskommunalen Personals in den ARGEn würde „überflüssig“ werden,tausende befristet Beschäftigte in Arbeitslosigkeit entlassen, wennsie nicht von der BA übernommen werden; andere kommunale Ar-beitnehmerInnen und BeamtInnen würden in ihrer beruflichen Ent-wicklung abrupt gestoppt.

3. Dies widerspricht der Chance kommunaler Beschäftigungs- und Ar-beitsmarktpolitik. Für die kreisfreien Städte und Landkreise bedeutetdie getrennte Trägerschaft, dass sie den Einfluss auf die lokale Ar-beitsmarktpolitik und die Integration der Arbeitsuchenden verlierenwürden, während gleichzeitig der Verwaltungsaufwand und damitverbunden die Kosten erheblich steigen würden.

4. Dies bedeutet einen über den kommunalen Bereich hinausgehendenArbeitsplatzverlust. Die zielgenau entwickelte kommunale Land-schaft von Trägern von Eingliederungs- und Qualifizierungsmaß-nahmen ist in Gefahr (auch dort würden Arbeitsplätze verlorengehen). Die Erfahrungen zeigen, dass wenn ausschließlich die BAüber den Einkauf von Leistungen und Maßnahmen zur Eingliede-rung und Qualifizierung zu entscheiden hat, ausschließlich gewinn-orientierte Träger mit wenig qualitativer Kompetenz zum Zuge kom-men.

Erledigt bei Annahme von A 1

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Antragsbereich A

Antrag 14Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Süd

Sicherung der beruflichen, tariflichen und personalrechtlichen Rechte der Beschäftigtenin den ARGen

Die AfA erwartet von einer sozialdemokratisch geführten Bundesregie-rung die grundlegende Überarbeitung der Hartzgesetzgebung im Inte-resse der Betroffenen. Ungeachtet dessen fordert die AfA die Sicher-stellung der beruflichen, tariflichen und personalrechtlichen Rechte derBeschäftigten der ARGen.Die Schaffung von Rahmenbedingungen für gute Arbeit ist überfällig!Dazu gehören:sachgerechte Fallzahlen genauso wie eine Software, die nicht dazudient, Arbeitslosigkeit lediglich zu verwalten und Beschäftigte wie Er-werbslose zu „gläsernen Menschen“ zu machendie BeamtInnen und Angestellten der jeweiligen Träger bleiben Be-schäftigte ihrer Stammdienststelle.für alle ArbeitnehmerInnen müssen vergleichbare tarifliche Standards,mindest auf dem Niveau des TVöD (VKA), gelten,es ist sicher zu stellen, dass die SGB-II-Leistungen von Beschäftigtenerbracht werden, die eine dauerhafte Perspektive und unbefristete Ar-beitsverträge haben. Die hohe Anzahl befristeter und/oder auf Leihar-beitsbasis beschäftigter KollegInnen ist nicht weiter hinnehmbar.Jedes Organisationsmodell muss sicher stellen, dass die Beschäftigteneine gemeinsame Personalvertretung haben.Die Übergänge aus den ARGEn in eine wie auch immer geartete neueOrganisationsform bedürfen nicht nur gesetzlicher Regelungen, son-dern die Sicherheit tarifvertraglicher und personalvertretungsrechtli-cher Ausgestaltung.

Begründung:

Neben der politisch falschen Ausrichtung der Hartz-Gesetzgebung istdie Praxis der Umsetzung von Anbeginn durch handwerklich schlechtegesetzliche Grundlagen, Umsetzungsvorschriften und Planungswahn-vorstellungen, sowie der Unterausstattung mit personellen und finan-ziellen Ressourcen, geprägt. Dies geht nicht nur zu Lasten von Lang-zeitarbeitslosen, sondern auch in vielfacher Weise zu Lasten der jeweilsBeschäftigten.Diesen werden die für eine qualitativ sinnvolle Arbeit die Ressourcenvorenthalten und große Teile sind gezwungen ohne Personal- oder Be-triebsvertretung und oft in befristeten Arbeitsverhältnissen zu arbeiten.

Antragsbereich A

Antrag 15Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBayern

Transparenz bei der Einkommensanrechnungbei Leistungen des SGB II

Die Bescheide über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslosesind so zu gestalten, dass sie für die Leistungsempfänger nachvollzieh-bar sind. Insbesondere sind vom Leistungsträger im Bescheid detail-liert die Erwerbstätigenfreibeträge, die zur Erzielung des Einkommenserforderlichen Kosten und die Versicherungen aufzulisten und das hie-raus resultierende anrechenbare Einkommen anzugeben. Das für dieBerechnung der SGB II-Leistungen verwendete Computerprogrammmuss dringend dahingehend nachgebessert werden, um eine Nachvoll-ziehbarkeit der Bescheide für die Leistungsempfänger sicherzustellen.

Rücküberweisung an:

Antragssteller

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

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Begründung:

Die derzeitigen Bescheide sind für die Leistungsempfänger nicht nach-vollziehbar. Insbesondere die Zusammensetzung der vom Einkommenabzusetzenden Beträge ist nicht überprüfbar.

Antragsbereich A

Antrag 16Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBayern

Einheitliche Berechnungsgrundlage für dieKosten der Unterkunft und von Nebenkostenund Heizung für Leistungsempfänger nachSGB II und XII

Für die Berechnung der Unterkunftskosten im SGB II und SGB XIIsind einheitliche Berechnungsmethoden im Gesetz festzusetzen: Ange-messene Wohnungsgröße mal ortsüblicher Quadratmeterpreis zzgl.Heizung und Nebenkosten in tatsächlicher Höhe.Die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und privateFürsorgen werden als Verordnung in das Gesetz aufgenommen.

Begründung:

Die Kosten der Unterkunft werden im Bundesgebiet höchst unter-schiedlich berechnet. Insbesondere die Berechnungsmethoden für dieHöhe der Nebenkosten und der Heizung führen nicht selten zu unzuläs-sigen Pauschalierungen und zu Abweichungen von bis zu 20 Cent beider Berechnung der Heizkosten in 2 benachbarten Landkreisen. Diesführt zu Ungerechtigkeiten und mangelnder Transparenz.Die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und privateFürsorge ermöglichen eine Berechnung, die auch regionale Besonder-heiten berücksichtigt, aber eine einheitliche Berechnungsmodalität nor-miert.

Antragsbereich A

Antrag 17Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

Leiharbeit gesetzlich neu regeln

Die AfA-Bundeskonferenz fordert die SPD-Bundestagsfraktion aufumgehend eine Gesetzesinitiative zum Schutz von Leiharbeitnehme-rInnen zu starten.

Begründung:

Als Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen der Sozialdemokrati-schen Partei Deutschlands müssen wir uns diesen Fehlentwicklungenentgegenstellen.Leiharbeiternehmer dürfen nicht zu den großen Verlierern der aktuellenWeltwirtschaftskrise werden. Leiharbeit wurde in den letzten Jahrenmassiv zu Lohndumping und Spaltung von Belegschaften missbraucht.Wir fordern deshalb eine deutliche Korrektur der gesetzlichen Rah-menbedingungen für die Arbeitnehmerüberlassung.Zeitarbeitsfirmen haben in den letzten Jahren mit der Leiharbeit enormhohe Gewinne eingefahren. Jetzt müssen diese Firmen auch diesesGeld einsetzen, um ihre Beschäftigten zu halten. Die Verantwortlichenin der Zeitarbeitsbranche müssen nun auch in der Krise ihrer selbstbe-schworenen beschäftigungspolitischen Verantwortung stellen. Drin-gend erforderlich ist auch eine Verbesserung des Arbeitnehmerüberlas-sungsgesetzes. So muss wieder eine Höchsteinsatzfrist geregelt werdenund der Gleichbehandlungsgrundsatz gesichert werden in dem Tarif-

Überweisung an:

AfA-Bundesvorstand

Erledigt durch Beschluss des SPD-Parteivorstandes vom 18.01.2010

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verträge die Arbeitsbedingungen nur gleichwertig oder günstiger regelndürfen als in den Entleihbetrieben. In den Entleihbetrieben müssen dieMitbestimmungsrechte der Betriebsräte ausgeweitet werden. Leiharbeithat nur dann eine Berechtigung, wenn sie nicht systematisch zu unsi-cheren Arbeitsverhältnissen und einer zunehmenden Prekarisierungführt.

Deshalb muss die Gesetzesinitiative folgende Punkte berücksichtigen:

– Wir fordern die Einführung eines Mindestlohns in der Leiharbeitdurch Aufnahme der Arbeitnehmerüberlassung in das Arbeitnehmer-entsendegesetz.

– Das sogenannte Synchronisationsverbot wieder einzuführen. Dieheute zulässige Koppelung von Verleih- und Beschäftigungszeitmacht Leiharbeitnehmer zu den Verlierern der Krise.

– Die Regelungen der Kurzarbeit auch auf die Zeitarbeitnehmer anzu-wenden.

– Der Grundsatz gleiche Arbeit – gleiches Geld muss unabdingbarwerden und es muss verhindert werden, dass Leiharbeit Stammbe-schäftigung ersetzen kann.

– Den Tarifvorbehalt zu streichen und Abweichungen vom Grundsatz„equal pay“ maximal für eine Einarbeitungszeit zuzulassen.

– Die Mitbestimmung der Betriebsräte über die Zahl der Leiharbeits-verhältnisse im Betrieb gesetzlich zu verankern.

Die AfA unterstützt die Gewerkschaften bei ihren Auseinandersetzun-gen zur Verbesserung der Bedingungen und gegen den Missbrauch derLeiharbeit.

Antragsbereich A

Antrag 18Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen –LandesverbandMecklenburg Vorpommern

Novellierung der Arbeitnehmerüberlassung

Wir fordern die Bundestagsfraktion auf sich weiterhin intensiv für eineNovellierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes einzusetzen.

Schwerpunkte sind:

– Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

– Wiedereinführung des Synchronisationsverbotes

– Verbot der Gründung von konzerneigenen Leiharbeitsfirmen

– Einführung einer arbeitsplatzbezogenen Höchstüberlassungsdauer

Weiterhin fordern wir die Aufnahme der Leiharbeitsbranche in das Ar-beitnehmer-Endsendgesetz.

Begründung:

Die Leiharbeitsbranche hat in den letzten Jahren einen großen Zuwachserfahren.

Dies erfolgte aber immer mehr zu Lasten der Stammbelegschaften.

Immer mehr Unternehmen nutzen die Möglichkeit dadurch u. a. ihrePersonalkosten zu reduzieren.

Die Leiharbeiter selbst werden oft zu Löhnen beschäftigt welche nichtExistenz sichernd sind.

Die Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass Leiharbeitnehmerinnen undLeiharbeitnehmer die Ersten sind, die ihren Arbeitsplatz verlieren.

Außerdem besteht die Gefahr, dass zukünftig Arbeitsplätze mit Be-schäftigten aus der Leiharbeitsbranche besetzt werden, um weiter Kos-ten zu sparen.

Erledigt durch Beschluss des SPD-Parteivorstandes vom 18.01.2010

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Antragsbereich A

Antrag 19Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Süd

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Jede/r Leiharbeiter/in muss mindestens gleichen Lohn und gleichenTarif erhalten, wie sein, in dem ihn ausleihenden Unternehmen, fest be-schäftigter Kollege. Auf seinen Lohn sollten die Unternehmen einenfestzulegenden Aufschlag bezahlen, der dann als Provision an die Leih-arbeitsfirmen zu entrichten wäre. Diese müssen so hoch sein, dass dieLeiharbeitsfirmen in Zeiten der Nichtbeschäftigung ihren Leiharbei-tern weiter Tariflohn zahlen können und müssen. (Berliner SPD-Pro-gramm). Leiharbeit ist wieder auf ein sozialverträgliches Maß zurück-zuführen. Hierzu müssen zukünftig Leiharbeiter für die Unternehmenteurer sein als Beschäftigte die direkt dort beschäftigt sind.

Begründung:

Das jetzt breit bekannt gewordene Problem, dass der DrogeriemarktSchlecker Filialen schließt, seine Verkäuferinnen entlässt und in größe-ren Schlecker-Märkten, oft nur um die Ecke, durch eine Leiharbeits-firma zu wesentlich niedrigerem Lohn und schlechteren Sozialbedin-gungen wieder einstellt, ist schon bald nach Einführung der Änderungdes Gesetzes für Leiharbeit durch den Minister Clement zur gängigenPraxis von vielen Firmen geworden.Es gibt kaum ein Grossunternehmen, dass nicht eine Leiharbeitsfirmagegründet hat, um bei den dort Beschäftigten Niedriglöhne und Sozial-dumping durchzusetzen. Die Automobilhersteller, die großen Zuliefe-rer, die Chemie, der Maschinenbau, die meisten Dienstleister, aberauch kommunale und staatliche Einrichtungen bedienen sich der Leih-arbeit. Sie ist in Kombination mit Hartz IV zu der Keule von Arbeitge-bern geworden, Lohnniveau und das ganze Sozialsystem in Deutsch-land abzusenken. Mit der Angst vor dem Abstieg in Hartz IV wurdendie lohnabhängig Beschäftigten dazu gebracht, jede Arbeit, zu jederBedingung anzunehmen.So ist Deutschland in Europa das Land mit den geringsten Lohnsteige-rungen geworden und hat seine Sozialstandards am schärfsten nachunten verändert. Das brachte der Export- Wirtschaft zwar ständige Zu-wachsraten, aber würgte geradezu die Binnenkonjunktur ab. Mit demErgebnis, dass in den Taschen der Menschen und in den Kassen der So-zialsysteme kein Geld mehr vorhanden ist, den erreichten, allgemeinenLebensstandard unserer Gesellschaft zu halten.Im Berliner Programm der SPD stand aus gutem Grunde: Leiharbeit istzu verbieten! Das sollte wieder unser Ziel sein. Bis dahin muss jederLeih-Arbeitnehmer den gleichen Lohn und die gleichen tariflichenLeistungen erhalten, wie sein, in dem ihn ausleihendem Unternehmen,fest beschäftigter Kollege. Auf seinen Lohn sollten die Unternehmeneinen festzulegenden Aufschlag bezahlen, der dann als Provision an dieLeiharbeitsfirmen zu entrichten wäre. Diese muss so hoch sein, dassdie Leiharbeitsfirmen in Zeiten der Nichtbeschäftigung ihren Leihar-beiter weiter Tariflohn zahlen können und müssen.

Antragsbereich A

Antrag 20Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesorganisationHamburg

Leiharbeitnehmer/innen im öffentlichen Dienstund in öffentlichen Unternehmen

Die AfA-Bundeskonferenz möge beschließen, dass sich Parteivorstandund SPD-Bundestagsfraktion dafür einsetzen, dass Leiharbeitnehmer

Erledigt durch Beschluss des SPD-Parteivorstandes vom 18.01.2010

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

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im ö. D. und in öffentlichen Unternehmen nur in geringem Maße undwenn erforderlich, nur nach den geltenden tariflichen Bestimmungen(z. B. TVöD, …) beschäftigt werden.

Sollten Personaldienstleister (Zeitarbeitsfirmen) nicht bereit sein, dieVorgaben der Tarifbindung zu erfüllen, sind sie von dem Einsatz vonLeiharbeitnehmern im ö. D. oder in öffentlichen Unternehmen nichtmehr zu berücksichtigen.

Begründung:

Sollte es aufgrund von Personalengpässen oder in öffentlichen Unter-nehmen aufgrund einer Auftragslage zu einem erforderlichen Einsatzvon Leiharbeitnehmern/innen kommen, könnte man einerseits sagen,dass wir das nicht wollen. Andererseits könnte man aber auch zu demErgebnis kommen, dass dies in einem geringen Umfang unumgänglichist. Dann kann dies aber nur zu den geltenden tariflichen Bedingungenin der jeweiligen Behörde bzw. in dem öffentlichen Unternehmen pas-sieren. Dies muss dann auch Bestandteil des zwischen der jeweiligenDienststelle oder des öffentlichen Unternehmens mit dem Personal-dienstleister (Zeitarbeitsfirma) zu diesem Zwecken geschlossenen Ar-beitnehmerüberlassungsvertrages sein.

Hier gilt es Ungerechtigkeiten vorzubeugen.

Antragsbereich A

Antrag 21Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandSaar

Leiharbeit

Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert Gesetzesinitiativen zuentwickeln, um den Missbrauch bei Arbeitsverhältnissen im Rahmen(befristeter) Leiharbeit durch entsprechende gesetzliche Ergänzun-gen/Änderungen (AÜG/AEntG/TzBfG) zu unterbinden, und zwardurch Einführung einer Regelung, die gewährleistet, dass für Leihar-beitnehmer/innen nach einer Beschäftigungszeit von 3 Monaten diegleiche tarifliche / betriebsvereinbarungsgemäße Entgeltzahlung er-folgt, wie sie für die Stammbelegschaft vorgesehen ist. Außerdem Ge-währung aller weiteren betrieblichen Sonderleistungen außerhalb desGehaltes nach spätestens 12 Monaten Beschäftigungszeit. Einführungeiner Missbrauchsregelung, um zu verhindern, dass Unternehmen z. B.„Tochtergesellschaften“ zur Umgehung der Regelungen unter 1. u. 2.gründen.

Begründung:

Die Anzahl von Leiharbeitsverhältnissen ist in den letzten Jahren dras-tisch gestiegen. Der Sinn und Zweck der Leiharbeit – nämlich Arbeit-nehmer/innen schrittweise festen Arbeitsverhältnissen zuzuführen bzw.Auftragsspitzen der Unternehmer zu überbrücken – wird in der Praxislängst nicht mehr verfolgt. Stattdessen werden Leiharbeitnehmer/innenmit Dumpinglöhnen abgespeist und als billige Arbeitskräfte auf Zeitausgenutzt. Dabei werden die für den betreffenden Betrieb geltendenTarif- und Betriebsvereinbarungen umgangen und z. T. ganze Beleg-schaften allmählich durch Leiharbeitnehmer ersetzt. Hier hat sich mitt-lerweile eine „hire and fire-Mentalität“ entwickelt, Die zum einenLeiharbeitnehmern/innen keine reale Chance einer Festanstellung gibtund andererseits zudem reguläre Beschäftigungsverhältnisse in denStammbelegschaften vernichtet Von daher darf Leiharbeit nicht alsKostendämpfungsinstrument der Arbeitgeber missbraucht werden, son-dern eine Ausnahme darstellen, um arbeitslosen Menschen eine realePerspektive auf dem Arbeitsmarkt zu bieten. Insbesondere muss fürgleiche Arbeit (nach einer gewissen Einarbeitungszeit) auch das glei-che Entgelt gezahlt werden.

Erledigt durch Beschluss des SPD-Parteivorstandes vom 18.01.2010

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Antrag 22Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandSaar

Lohndrückerei und Dumpinglöhne nachhaltigbekämpfen – Mindestlohn auch für Leiharbeiteinführen

Verurteilung von Lohndrückerei und Tarifflucht, wie sie in den letztenMonaten insbesondere auch bei der Drogeriekette Schlecker festzustel-len war. Es ist höchste Zeit, diese Missstände dauerhaft wirksam zu un-terbinden. Es ist unerträglich, dass Leiharbeit in vielen Branchen zu-nehmend zu Lohndrückerei und Tarifflucht missbraucht wird. Um dieswirkungsvoll zu verhindern, bedarf es mehr als Appelle der neuen Bun-desarbeitsministerin Ursula von der Leyen – es bedarf klarer gesetzli-cher Schranken für Lohndrückerei und Tarifflucht.Wir fordern deshalb einen Mindestlohn auch für die Leiharbeitsbran-che. Diesen haben CDU und CSU in der Großen Koalition verhindertund sie sperren sich gemeinsam mit der FDP bis heute dagegen.Wie fordern ferner, dass der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Ar-beit“ auch in der Leiharbeit endlich durchgesetzt wird. Der Kreisver-band missbilligt, dass sich die schwarz-gelbe Bundesregierung auchhiergegen ebenso sperrt wie die schwarz-gelb-grüne Landesregierung.Wir setzen uns zudem dafür ein, die Rechte der Betriebsräte beim Ein-satz von Leiharbeit ebenso zu stärken wie ganz generell den Schutz vonArbeitnehmern durch betriebliche Mitbestimmung.Wir setzen uns zudem dafür ein, auf europäischer Ebene eine Fortent-wicklung zu einem sozialen Europa zu befördern, in dem unsozialeLeiharbeit untersagt wird.Zum Hintergrund: Schlecker verliert seit Jahren Marktanteile im hartenKonkurrenzkampf der großen Drogerieketten. Auf die Verluste rea-gierte Schlecker mit einer neuen „Unternehmensstrategie“: Die überwiegend kleineren Ladengeschäfte wurden dichtgemacht und durchgrößere „Schlecker-XL- Filialen“ ersetzt. Diese neue Geschäftsstrate-gie verbindet Schlecker mit aktiver Lohndrückerei. Schlecker XL wirdals eigenständige GmbH im Schlecker-Konzern geführt, die nicht demgeltenden Tarifvertrag unterliegt. Die bisherigen Schlecker-Beschäftig-ten, überwiegend Frauen, wurden entlassen und über die Zeitarbeits-firma „Meniar“ in den neuen XL-Filialen als Leiharbeiter wieder ange-stellt – allerdings oft nur zur Hälfte des alten Lohns. Zunehmend wurdeso die Stammbelegschaft durch Leiharbeiter ersetzt.

Antragsbereich A

Antrag 23Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandSchleswig-Holstein

Dringender Handlungsbedarf nach Postmindestlohnurteil

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht den Mindestlohn für die Post-branche aufgrund eines Formfehlers im Januar 2010 für rechtswidrigerklärt hat, zeigt dieser Fall einmal mehr, wie dringend notwendig eineinheitlicher gesetzlicher Mindestlohn ist. Dieser würde Rechtssicher-heit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeuten und denPostdienstleistern die Möglichkeit bieten, sich gegen einen unsäglichenDumpingwettbewerb zu stemmen.Der AfA-Bundeskongress fordert aufgrund dieser Sachlage einen flä-chendeckenden Mindestlohn nach europäischem Vorbild.

Erledigt durch Beschluss des SPD-Parteivorstandes vom18.01.2010

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Begründung:

Gerade im Dienstleistungsbereich ist es üblich Löhne zu zahlen, vondenen es nicht möglich ist, den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten.ArbeitnehmerInnen, die in Vollzeit arbeiten und dann noch Aufstockenmüssen, ist es nicht zu erklären, warum sich die eigenen Arbeitgebergegen einen einheitlichen Mindestlohn stemmen. Hier wird auf demRücken der Beschäftigten Lohndumping betrieben.Einige Postarbeitgeber haben bereits angekündigt, den Mindestlohnnicht mehr für ihre Beschäftigten zu zahlen. Darum bedarf es einerneuen Regelung.Das Vorgehen der Postarbeitgeber wird vom AfA-Bundeskongress ver-urteilt und verlangt, dass das Bundesarbeitsministerium den bemängel-ten Formfehler bereinigen muss. Das ist nur mittels einer neuen Verord-nung möglich und zeigt, dass das Gebot der Stunde die flächende-ckende Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns nach euro-päischem Vorbild gekommen ist.

Antragsbereich A

Antrag 24Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandSchleswig-Holstein

Einführung eines gesetzlichen, flächendecken-den Mindestlohns von mindestens 8,50 Euro

Der AfA-Bundeskongress fordert alle Gliederungen der SPD auf sichmit Nachdruck, gemeinsam mit dem DGB, für die Einführung eines ge-setzlichen Mindestlohnes in der Höhe von mindestens 8,50 Euro einzu-setzen.

Begründung:

Die schnelle Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes ist wegender ab 01.05.2011 in Kraft tretenden Arbeitnehmerfreizügigkeit in derEU erforderlich, um eine zusätzliche Ausweitung des jetzt schon beste-henden Lohndumpings zu verhindern.

Antragsbereich A

Antrag 25Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Süd

Mindestlohn

Die Delegierten der Bundeskonferenz fordern die Bundestagsfraktionder SPD auf, die immer wieder beantragte Forderung der Einführungeines bundes-weiten „existenzsichernden“ Mindestlohnes weiterhin ve-hement zu vertreten und mit Hilfe einer verstärkten öffentlichen Dis-kussion und Unterstützung von Aktionen durchzuführen.Die AfA setzt sich für Gute Arbeit ein. Wer Vollzeit arbeitet, muss mitseiner Familie menschenwürdig leben können. Die AfA fordert deshalballe AfA- und SPD-Gliederungen auf, für einen gesetzlichen Mindest-lohn von mindestens 10,00 Euro einzutreten, der jährlich angepasstwerden muss.

Begründung:

Die schwarzgelbe Koalition hat weiterhin eine ablehnende Haltung, dadie Betroffenen nicht zu ihren Klientel gehören. Schon jetzt bekommtdie Gruppe der erwerbstätig Beschäftigten im verstärkten Maße die So-zialabgaben und steuerlichen Lasten zu spüren. Prekäre Beschäfti-gungsverhältnisse der unter-schiedlichsten „Facetten“ treibt das Lohn-niveau und den damit einhergehenden Niedriglohnsektor vor sich her.

Erledigt bei Annahme von A 1

Erledigt bei Annahme von A 1

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Die damit verbundene soziale Bedrohung der Altersarmut, die überwie-gend weiblich sein wird und auch eine Generation einholen wird, dieIhr Berufsleben noch vor sich hat, birgt die latente Gefahr der Verar-mung einer Bevölkerungsgruppe die zu wesentlichen Teilen diese Ge-sellschaft durch Ihre Arbeitsleistung zu dem macht was nun einmal ist:Exportweltmeister in Folge!Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat gezeigt: Marktliberale Ideologienwie die Deregulierung und das kurzfristige Renditedenken sind ge-scheitert. Ein „Weiter so“ darf es nicht geben!Dafür ist der Preis zu hoch: Die Vernichtung von Wohlstand und derVerlust von Arbeitsplätzen verstärken die soziale Spaltung.Aufgrund der „Neuausrichtung“ und Orientierung einer Parteidebatte,die als oberstes Ziel die Rückgewinnung verlorener Wählerschichteneinfordert, fordern wir die SPD Bundestagsfraktion auf, eine arbeitneh-merorientierte Sozialpolitik umzusetzen, welche uns als „Partei der Ar-beitnehmerinteressen“ wieder sichtbar werden lässt!

Antragsbereich A

Antrag 26Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesorganisationHamburg

Feststellung der Höhe des erforderlichen Mindestlohnes und die jährliche Anpassung

Die Einführungen eines einheitlichen gesetzlichen Mindestlohnes, derdeutlich über der relativen Armutsgrenze liegt und der sicherstellt, dassdie daraus resultierenden Rentenansprüche für die Eckrente deutlichüber der Grundsicherung liegen. Zur Festlegung des Mindestlohneswird eine Kommission eingerichtet, die kontinuierlich darüber wacht,dass die o. g. Kriterien eingehalten werden. (Ggf. kann dies die Min-destlohn-Kommission übernehmen, die im September gegründetwurde).

Begründung:Die Hamburger SPD hat den einheitlichen gesetzlichen Mindestlohnesbeschlossen. Der gegenwärtig geforderte Mindestlohn von 7,50 Euroreicht inzwischen nicht mehr, darüber sind sich alle einig. Generell istes problematisch, angesichts der Inflation einen „festen Eurobetrag“ zufordern.Olaf Scholz hat eine Kommission ins Leben gerufen, die sich auch„Mindestlohn-Kommission“ nennt. Sie beschäftigt sich derzeit damit,für welche Branchen weitere Mindestlöhne vereinbart werden sollen.Diese Kommission (falls Sie weiterhin besteht) könnte zukünftig auchdie Aufgabe übernehmen, die Höhe des erforderlichen einheitlichen ge-setzlichen Mindestlohnes festzulegen und diesen jährlich anzupassen.In Großbritannien zum Beispiel wird die Anpassung des Mindestlohnesschon über viele Jahre erfolgreich durch eine Mindestlohn-Kommis-sion vorgenommen (siehe Bericht während des verdi-Bundeskongres-ses 2007).

Antragsbereich A

Antrag 27Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Unterbezirk Soest

Mindestlohn 7,50 Euro für Bund, Länder,Kommunen und ihre Auftragnehmer

Die AfA-Bundeskonferenz möge beschließen, dass gesetzlich festge-legt wird, dass der Bund, die Länder und die Kommunen verpflichtetwerden, keine Löhne mehr an ihre Beschäftigten in West und Ost unter7,50 Euro zu zahlen. Außerdem dass der Bund, die Länder und dieKommunen verpflichtet werden, keine Aufträge mehr an Unternehmen

Erledigt bei Annahme von A 1

Erledigt bei Annahme von A 1

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zu vergeben, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Beschäftigten min-destens 7,50 Euro an Lohn erhalten.

Begründung:

Der Gesetzgeber muss sich vorbildlich verhalten, wenn er die Unter-nehmen gesetzlich verpflichtet, 7,50 Euro Mindestlohn zu zahlen.

Antragsbereich A

Antrag 28Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandRheinland-Pfalz

Erhöhung der gesetzlichen Mindestlohn-forderung auf 8,50 Euro

Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen gesetzlichen Mindest-lohn von 8,50 Euro einzuführen.

Begründung:

Mindestlöhne sind ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Wer den gan-zen Tag arbeitet, muss von seinem Lohn auch leben können. Gute Ar-beit muss auch gerecht entlohnt werden. Ein anständiger Lohn ist auchein Ausdruck der Anerkennung von guter Leistung. Flächendeckendegesetzliche Mindestlöhne sind ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunftund des fairen Wettbewerbs. Die AfA tritt dafür ein, dass die Lohnun-tergrenzen nicht unterschritten werden. Von dem Gerede, dass der„Aufschwung immer mehr auch unten ankommt“, ist nicht viel zu ver-spüren.

Die seinerzeit angestrebte Lohnuntergrenze in Höhe von 7,50 Euro istnicht mehr zeitgemäß und decken die Lebenshaltungskosten nicht mehrab.

Von daher fordern wir die Bundesregierung auf, den geforderten ge-setzlichen einheitlichen Mindestlohn von 8,50 Euro einzuführen. DieAnpassung soll an den jährlichen Verbraucherindex angepasst werden.

Antragsbereich A

Antrag 29Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

Bildung von Betriebsräten

Die SPD wird zur Realisierung der gesetzlichen Bestimmungen desBetriebsverfassungsgesetzes aufgefordert, sich für ein eigenständigesRecht der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften einzusetzen, Wahl-vorstände zur Durchführung von Betriebsratswahlen zu bestimmen.

Begründung:

Druck, Einschüchterung, Bedrohung, Manipulation etc. unterlaufen diebestehenden gesetzlichen Bestimmungen unterlaufen die bestehendengesetzlichen Regelungen. Eine Verschärfung der gesetzlichen Bestim-mungen ist unabdingbar.

Erledigt bei Annahme von A 1

Überweisung an:

AfA-Bundesvorstand

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Antragsbereich A

Antrag 30Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen –LandesverbandRheinland-Pfalz

Mitbestimmung im Betriebsverfassungsgesetzausdehnen

Die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte müssen erweitert werden.Insbesondere in wirtschaftlichen und personellen Angelegenheitenbrauchen die Betriebsräte volle Mitbestimmungsrechte.

Begründung:

Nach 1945 sind alle Parteien angetreten, die Demokratisierung inDeutschland auf allen gesellschaftlichen Ebenen voranzutreiben. Dashessische Betriebsverfassungsgesetz trug diesem Anliegen Rechnungund sah die o. g. Mitbestimmungsrechte vor. Die amerikanische Besat-zungsmacht kippte das Gesetz. Die Finanzkrise, fehlerhafte Manage-mentkonzepte haben horrende Auswirkungen auf die Lage der Er-werbstätigen. Die Verlagerungen von Betrieben und Betriebsteilen wer-den meist nur kurzfristig berechnet. Betriebsräte und ihre Sachverstän-digen werden nur angehört, falls sie zu anderen, meist differenzierterenBerechnungen kommen, müssen diese nicht berücksichtigt werden.Dies hatte in der Vergangenheit negative Folgen für das Wohl des Be-triebes und insbesondere für die Arbeitsplätze. Betriebsräte haben nachdem BetrVG zwar die Aufgabe der Beschäftigungssicherung und derBeschäftigungsförderung, jedoch keine rechtliche Durchsetzungsmög-lichkeit. Im 21. Jahrhundert muss die Mitbestimmung derjenigen diedie Werte schaffen gewährleistet sein, zum Wohl des Betriebes. DiesesWohl scheint sehr oft kurzfristigen Profitinteressen von Managern zumOpfer zu fallen, siehe Mannesmann u. a.

Antragsbereich A

Antrag 31Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

Arbeitnehmerdatenschutz

Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert, ein Gesetz zum Ar-beitnehmer-Datenschutz in die Parlamentarische Beschlussfassung ein-zubringen. Es muss praxisnah die Daten und Persönlichkeiten von Ar-beitnehmern schützen.

Begründung:

Im Betrieb sind heute schon Videoüberwachungen von Anlagen undProduktionsprozessen, elektronische Schließsysteme mit Transponder,elektronische Fahrtenbücher, Internet- , Emailkommunikation und um-fangreiche Telekommunikationssysteme, elektronische Schichtenbü-cher und Chipkarten als elektronischer Arbeitnehmerausweis für alleFormen von Zeiterfassungssystemen, Zutrittsbereichen und als bar-geldloses Zahlungsmittel bestehende betriebliche Realität, von den un-terschiedlichsten elektronischen Datenerfassungen in Datenbanken fürjegliche betriebliche Fragestellung unabhängig vom großen SAP-HRModul für alle Personaldaten im Unternehmen usw. üblich.Ein eigenständiges Gesetz zum Arbeitnehmerdatenschutz ist mehr alsüberfällig. Die Ereignisfälle und Überwachungsskandale bei Lidl, Tele-com, Deutsche Bahn und Co. und den zahlreichen Datenspionagen beider Bundesagentur für Arbeit machen dieses Gesetz mehr als dringendnötig.Mit dem Bundesdatenschutzgesetz und dem Betriebsverfassungsgesetzist ein Arbeitnehmerdatenschutz bei den heutigen technischen Mög-

Erledigt bei Annahme von A 2

Erledigt durch Gesetzentwurf der SPD-BundestagsfraktionBT-Drs. 17/69

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lichkeiten nicht mehr gegeben, Missbrauch und Datenbevorratung zuerfassen, bzw. auszuschließen. Diese Gesetzeslücke muss zum Schutzvon Arbeitnehmern durch ein Gesetz zum Arbeitnehmer-Datenschutzgeschlossen werden.

Antragsbereich A

Antrag 32Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandSaar

Paragraph 613a BGB

Wir fordern die SPD-Bundestagsfraktion auf, eine Gesetzesinitiative zuerarbeiten, dass § 613 a BGB auch dann Anwendung findet, wenn einBetriebsübergang stattfindet, bei dem die Betriebsmittel des betroffe-nen Betriebes im Wesentlichen aus seinem Personal bestehen.Nachteilige Änderungen für die ArbeitnehmerInnen sind im Falle einesBetriebsüberganges auch dann auszuschließen, wenn Rechte undPflichten für die neuen Betriebsübernehmer durch Rechtsformen einenanderen Tarifvertrages oder einer anderen Betriebsvereinbarung gere-gelt werden.Im Falle einer Kündigung muss der Arbeitgeber beweisen, dass diesnicht wegen des Betriebsüberganges erfolgt.

Begründung:

Die AfA Kreiskonferenz SB- Land bemängelt, dass die ursprünglichenZiele des 1972 eingeführten und 2002 ergänzten § 613a BGB – der Er-halt bestehender Arbeitsplätze sowie die Gewährleistung der Kontinui-tät des amtierenden Betriebsrats – in der Praxis nicht hinreichend er-füllt werden.

Antragsbereich A

Antrag 33Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Unterbezirk Hagen

Verlängerung der BA-geförderten Altersteilzeit(ATZ)

Die AfA Hagen fordert die SPD-Fraktion im Bundestag und den SPD-Parteivorstand auf, sich für eine Verlängerung der BA-geförderten Al-tersteilzeit (ATZ) einzusetzen. Dabei soll die BA-Förderung an die Ein-stellung eines zusätzlichen Auszubildenden oder die Übernahme nachder Ausbildung gekoppelt werden.

Begründung:

Nur etwa jede/r fünfte Arbeitnehmer/in schafft es, bis zum regulärenRentenalter in sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit zu arbeiten.Ein flexibler Ausstieg für die älteren Arbeitnehmer/innen über die ATZsollte direkt mit der Förderung eines jungen Menschen verknüpft wer-den. Deshalb plädiert die AfA Hagen dafür, die BA-Förderung auf dieEinstellung von zusätzlichen Auszubildenden oder die Übernahmenach der Ausbildung zu konzentrieren. Genau an dieser Schnittstelledrohen junge Menschen in der derzeitigen Krise am Berufseinstieg zuscheitern.Die ATZ kann hier entgegenwirken. Von den gut 100.000 Förderfällenim Jahr 2008 entfielen 46.500 auf junge Leute, die direkt nach ihrerAusbildung übernommen wurden, und 4.600 auf neue Azubis.Diese Förderung der BA führt unmittelbar zu Minderausgaben beimArbeitslosengeld und beim ALG II. Denn Arbeitslosigkeit und Lohner-satzleistungen wären für viele alte und junge Arbeitnehmer/innen dietraurige Alternative. Auch, wenn es manche behaupten: Altersteilzeit ist

Überweisung an:

AfA-Bundesvorstand

Erledigt durch Gesetzentwurf der SPD-BundestagsfraktionBT-Drs. 17/20

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keine Subventionierung aus der Rentenkasse. Denn wer nach ATZ frü-her in die Rente wechselt, muss Abschläge hinnehmen, die für die Ren-tenkasse aufwandsneutral sind.Die AfA hält gerade vor dem Hintergrund der drohenden Rente mit 67eine Fortführung der geförderten ATZ sowie weitere flexible Alters-übergänge für notwendig. Dazu zählen Verbesserungen bei der Teil-rente und eine erleichterter Zugang zur Erwerbsminderungsrente.

Antragsbereich A

Antrag 34Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

Recht auf Ausbildung

Die AfA-Bundeskonferenz möge beschließen, dass sich der AfA-Vor-stand in allen Gremien der SPD mit Nachdruck für eine Ausbildung derSchulabgänger einsetzt.

Begründung:Junge Menschen, die nach der Schule keinen Ausbildungsplatz erhal-ten, werden in ihrer persönlichen Entwicklung nachhaltig beeinträch-tigt. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch Arbeit vermitteltihnen dagegen das Gefühl, gebraucht und in der Gemeinschaft will-kommen zu sein. Die Vermittlung von Werten im Arbeitsprozess führtzudem dazu, das Selbstbewusstsein und den Gemeinschaftssinn zu stär-ken. Unser Land kann es sich in vielfacher Hinsicht nicht leisten, Bil-dung und Ausbildung Jugendlicher weitere zu vernachlässigen.

Antragsbereich A

Antrag 35Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braun-schweig

Duale Berufsausbildung stärken und Karrierewege ebnen

Die Duale Berufsausbildung in Deutschland ist eine wesentliche Stützeder deutschen Industriegesellschaft und beruht auf dem Berufsprinzip.Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) fordert aus diesem Grund im § 1Abs. 3 „Die Berufsausbildung hat die für die Ausübung einer qualifi-zierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt not-wendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (beruf-liche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zuvermitteln. Sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfah-rungen zu ermöglichen.“ Zur Erreichung dieser gesetzlichen Vorgabensind die erforderlichen Inhalte eines Ausbildungsberufes festzulegen.Ausbildungsmodule oder -bausteine können diese Anforderungen nichterfüllen und sind somit abzulehnen. Die Ausbildungszeit muss auchden Erwerb von Berufserfahrung beinhalten. 2jährige Schmalspuraus-bildungen können dieses nicht leisten und sind abzulehnen. Negativbei-spiel ist der im Jahr 2008 verordnete Beruf des Speiseeisherstellers (fürdiese Tätigkeit war bisher eine Anlernzeit von ca. 6 Wochen erforder-lich). Für eine geordnete Berufsausbildung, die neben der Vermittlungeiner selbstbestimmten beruflichen Handlungsfähigkeit auch den Er-werb der Berufserfahrung einschließt und im Anschluss nicht nur einenPlatz in unserem Beschäftigungssystem findet, sondern auch einen be-ruflichen Aufstieg ermöglicht, müssen auch Ausbildungszeiten größerals 3 Jahre zulässig sein. Im Dualen System der Berufsausbildung müs-sen zukünftig auch Karrierewege möglich sein, die bisher den Hoch-schulen vorbehalten waren. Es ist nicht einzusehen, warum ein Abiturnach 12 Jahren Schule einen Zugang zur Hochschule ermöglicht, abereine 3jährige Berufsausbildung im Anschluss an einen Sekundarab-

Annahme

Weiterleitung an:

AfA-Bundesvorstand

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Parteivorstand

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schluss I mit insgesamt 13 Jahren Schule und Ausbildung nicht. Auchvor dem Hintergrund der Diskussion um den Deutschen Qualifikati-onsrahmen (DQR) muss die Gleichwertigkeit von allgemeiner und be-ruflicher Bildung gefordert und endlich umgesetzt werden. Für die Er-haltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft benötigenwir gut ausgebildete Fachkräfte und nicht nur Eliten. Für diese Fach-kräfte muss eine Ausbildung im dualen System der BerufsausbildungKarrierewege ermöglichen und darf nicht in betriebliche Sackgassenführen.

Antragsbereich A

Antrag 36Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Kreisverband Recklinghausen

Schutzschirm für Ausbildungsplätze

Die AfA-Bundeskonferenz möge beschließen:

Die AfA-Bundeskonferenz fordert den SPD-Bundesvorstand, die örtli-chen Bundestagsabgeordneten sowie die SPD-Bundestagsfraktion auf,einen Schutzschirm für Ausbildungsplätze zu schaffenFolgende Maßnahmen sind aus Sicht der AfA notwendig:

1. Wir fordern, dass die Wirtschaft ihrer Ausbildungsverspflichtung imInsolvenzfall nachkommt. Die Kammern und Gewerkschaften sindgefordert, mitzuwirken, damit die Auszubildenden ihre Ausbildungin einem anderen Betrieb fortsetzen können.

2. Ausbildungskapazitäten stärken – Branchenfonds einführenEntscheidend für die weitere Entwicklung des Ausbildungsmarktswird sein, wie Anreize für mehr betriebliche Ausbildungsplätze unterden schwierigen Bedingungen entwickelt werden können. Hierfürsind Vereinbarungen über solidarische Finanzierungsinstrumente (z.B. Branchenfonds) notwendig. Diese Vereinbarungen sollen ab 2010auch die Übernahmeprämie bei Insolvenz beinhalten. Das Beispielder Bauindustrie zeigt, wie ein Umlagesystem das Angebot an be-trieblichen Ausbildungsplätzen auch in Krisenzeiten sichern kann.

3. Schutzbestimmungen für Auszubildende sichernDie aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise darf nicht genutzt werden,um Schutzbestimmungen für Auszubildende abzubauen. WenigerArbeitsschutz bedeutet nicht mehr Ausbildung. Alle Betriebe müssendie Bestimmungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes, der Arbeitsstät-tenverordnung und die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsge-nossenschaften einhalten. Der Ausbildungsbetrieb ist auch zur Zah-lung der vereinbarten Ausbildungsvergütung in voller Höhe ver-pflichtet.

Begründung:

Die Wirtschaftskrise verschlechtert die Perspektiven auf Ausbildungund Arbeit. Die Jugend wird durch die Wirtschaftskrise besonders hartgetroffen. Bereits 2008 erreichte die Krise der Finanzmärkte den Aus-bildungsmarkt. Gerade in Krisenzeiten sind Perspektiven wichtig. Werjungen Menschen Ausbildungsplätze verwehrt oder sie nach der Aus-bildung direkt in die Erwerbslosigkeit entlässt, verwehrt ihnen jeglichePerspektive.Niemand kommt auf die Idee, Kindern den Schulbesuch zuverwehren. Aber danach sollen sie dann im Regen stehen!“Die Bundesregierung und die Arbeitgeberverbände verwiesen 2008noch auf Erfolge der freiwilligen Vereinbarung zur dualen Ausbildung.Dabei ging bereits im vergangenen Jahr die Zahl der Ausbildungsver-träge um 1,5 Prozent zurück. Von den rund 620.000 gemeldeten Ausbil-dungsplatzsuchenden konnte nur rund die Hälfte einen betrieblichenAusbildungsvertrag unterschreiben. Die Zahl der Altbewerber blieb soauch während dem vergangenen Wirtschaftsaufschwung nahezu kon-stant.Das Bundesinstitut für Bildung geht nach einem Bericht davon aus, dasdie Zahl angebotener Ausbildungsplätze wegen des Abschwungs auf

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Parteivorstand

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598.000 bis 559.000 sinkt. Im März 2009 suchten 372.716 junge Men-schen einen Ausbildungsplatz. Die Wirtschaft bot 319.639 betrieblicheAusbildungsplätze an. Im Vergleich zum Vormonat Februar sank dieZahl der betrieblichen Ausbildungsplätze um 18.172. Insgesamt fehlenbundesweit 53.077 betriebliche Ausbildungsplätze.Seit Jahren beklagen verschiedene Branchen einen Facharbeiterman-gel. Doch dagegen getan hat bisher noch keiner was. Wer soll dem-nächst unsere Sozialversicherungssysteme bezahlen, wenn wir jetztjungen Menschen eine Ausbildung verwehren. Die Maßnahmen sollenUnternehmen den erforderlichen Anreiz geben wieder in genügenderBreite gut auszubilden.

Antragsbereich A

Antrag 37Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesorganisationHamburg

Ausbildungsoffensive

Zur Weiterleitung an den SPD Bundesparteitag, die SPD Bundestags-fraktion.Die AfA-Bundeskonferenz möge beschließen: Eine Ausbildungsoffen-sive im öffentlichen Dienst und in öffentlichen Unternehmen. Die jet-zige Ausbildungsoffensive, die noch auf Initiative der Schröder-Regie-rung angestoßen wurde, ist weiterzuführen und auszubauen. Der ge-naue Bedarf an öffentlichen Ausbildungsplätzen ist jährlich neu zu er-mitteln und zusätzlich zur privaten Wirtschaft durch die öffentlicheVerwaltung und die öffentlichen Unternehmen sicherzustellen. Die Er-mittlung des Bedarfes hat durch die Bundesagentur für Arbeit undeinem Ausbildungspakt von Bundesregierung, Bundesagentur für Ar-beit, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften zu erfolgen.

Begründung:

Ziel in unserer Gesellschaft muss es sein, dass jeder junge Mensch zu-mindest eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen kann, umbessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Daher müssen auchin Zukunft genug Ausbildungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Esist unerlässlich, dass der öffentliche Bereich hier genügend Bedarf zurVerfügung stellt, wenn die private Wirtschaft wie so oft in der Vergan-genheit anfängt zu schwächeln.

Antragsbereich A

Antrag 38Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesorganisationHamburg

Keine Aufweichung des betrieblichen Jugendarbeitsschutzgesetzes

Das betriebliche Jugendarbeitsschutzgesetz ist das zentrale Gesetz zumSchutz minderjähriger Auszubildender und ArbeitnehmerInnen. Daherspricht sich die AfA-Bundeskonferenz gegen die im Koalitionsvertrag(zwischen CDU, CSU und FDP; 17. Legislaturperiode des Bundesta-ges) geplanten Aufweichung aus.

Begründung:Bezug S. 51 o. g. Koalitionsvertrag: „Ausbildungshemmnisse im Gast-gewerbe werden durch ein flexibles Jugendarbeitsschutzgesetz abge-baut.“

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Parteivorstand

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Parteivorstand

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Antragsbereich A

Antrag 39Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Süd

Grundrecht auf Arbeit und Ausbildung

Die AfA fordert für jede/n Arbeitnehmer/in das Grundrecht auf Arbeitund für jeden Jugendlichen das Grundrecht auf Ausbildung. Wir dürfennicht nur mehr Arbeitsplätze sondern müssen die Vollbeschäftigungfordern.

Begründung:Erwerbsarbeit entscheidet für die meisten Menschen über die Qualitätihres Lebens. Sie bedeutet Status, Existenzsicherung und gesellschaft-liche Teilhabe. Sie ist Voraussetzung für Anerkennung und Selbstwert-gefühl. Deshalb bleibt die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit un-sere zentrale Aufgabe. Denn der erzwungene Ausschluss von Erwerbs-arbeit bedeutet Desintegration, die auf die Dauer den sozialen Grund-konsens und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft gefährdet.Jugendliche ohne Ausbildung bedeutet Jugendliche in Arbeitslosigkeit,Hilfsarbeitertätigkeit, Armut! Ein Leben ohne jegliche Perspektive.

Antragsbereich A

Antrag 40Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Süd

Kündigungsschutzgesetz bzgl. fristloser bzw.außerordentlichen Kündigungen

Die Bundestagsfraktion der SPD wird aufgefordert zu prüfen, ob dasKündigungsschutzgesetz ausreicht, um ArbeitnehmerInnen davor zuschützen, dass das Arbeitsverhältnis fristlos bzw. außerordentlich ge-kündigt wird, d.h. ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Diese Artvon Kündigungen erfolgen sehr oft dann, wenn der Arbeitgeber sichvorher durch Rechtsanwälte über die Vorgehensweise gegen seine Ar-beitnehmerInnen informiert hat.Die Bundestagsfraktion sollte daher ebenfalls überprüfen, ob diejeni-gen Rechtsanwälte, die sogar Seminare für Arbeitgeber abhalten, umihnen die rechtliche Unterstützung für diese sozial ungerechtfertigtenKündigungen zu liefern, belangt werden können. In diesem Zusam-menhang muss festgestellt werden, dass die Bundesrechtsanwaltsord-nung, die die Rechte und Pflichten regelt, welche die Rechtsanwälte ge-genüber Mandanten und Dritten zu beachten haben, keinen ausreichen-den Schutz bietet, wenn Rechtsanwälte eine Beratungstätigkeit aus-üben. die mit seinem Beruf als unabhängiges Organ der Rechtspflegeweder vereinbar ist, noch das Vertrauen in seine Unabhängigkeit för-dern kann.Die Sanktionen der Bundesrechtsanwaltsordnung müssen daher ver-schärft werden, so dass die Rücknahme und der Widerruf der Zulas-sung zur Rechtsanwaltschaft auch dann erfolgen kann, sobald Rechts-anwälte diese Art der Beratungstätigkeit durchführen.Begründung:In der ARD-Sendung Panorama vom 21.01.2010 wurde auf Seminarevon Rechtsanwälten hingewiesen, die unter der Überschrift „So been-den Sie jedes Arbeitsverhältnis“ den Arbeitgebern aufzeigen, welcheMöglichkeiten bestehen, ArbeitnehmernInnen zu kündigen. Den Ar-beitgebern wird in diesen Seminaren erläutert, wie sie unter Anwen-dung unerlaubter Mittel Kündigungsgründe konstruieren können.Diese Handlungsweise ist ein Verstoß gegen die allgemeine Berufs-pflicht des Rechtsanwaltes gem. § 43 Bundesrechtsanwaltsordnung.Darin heißt es, dass ein Rechtsanwalt seinen Beruf gewissenhaft auszu-üben und dass er sich innerhalb und außerhalb seines Berufes der Ach-tung und des Vertrauens würdig zu erweisen hat.Es ist aber unbedingt notwendig, die Sanktionen für diese Art der an-waltlichen Tätigkeit zu erhöhen. Wer als Rechtsanwalt so handelt, wie

Annahme

Weiterleitung an:

AfA-Bundesvorstand

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Weiterleitung an:

AfA-Bundesvorstand

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in diesen Seminaren beschrieben, muss mit einer Rücknahmen undeines Widerrufs der Zulassung bestraft werden können. Daher ist im §14 BRAO, in dem die Zulassung als Rechtsanwalt geregelt ist, der Tat-bestand einer kriminellen Rechtsberatung aufzunehmen.

Antragsbereich A

Antrag 41Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bundesvorstand

Tariftreue

Tariftreuegesetze und Mindestentlohnung

Das Thema „Tariftreue und Mindestentlohnung“ muss zukünftig inBund und Ländern wieder eine größere Rolle spielen. Daher legt dieAfA-Bundeskonferenz mit diesem Antrag den Entwurf eines Tarif-treuegesetzes und einer Mindestentlohnung bei der öffentlichen Auf-tragsvergabe vor.Der Gesetzentwurf beinhaltet alle aktuellen Aspekte der Tariftreuedis-kussion.Alle SPD-Landesvorstände, SPD-Landtagsfraktionen und die SPD-Bundestags fraktion werden aufgefordert, derartige Gesetze auf denWeg zu bringen.

1. Ziele

Die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom11.07.2006 (1 BvL 4/00, BVerfGE 116, 202, 223) zum Berliner Verga-begesetz hervorgehobenen und verfassungsrechtlich gebilligten Zieleeines Landesvergabegesetzes, nämlich die Verhinderung eines Verdrän-gungswettbewerbes über die Lohnkosten, die Bekämpfung der Arbeits-losigkeit, der Schutz von tarifgebundener Beschäftigung, die Erhaltungvon gesellschaftlich wünschenswerten Arbeitsbedingungen und sozia-len Standards, die Entlastung der Systeme der sozialen Sicherung undder Schutz des Tarifvertragssystems, sind es wert, alle Anstrengungenzu ihrer Verwirklichung zu unternehmen. Der vorliegende Gesetzent-wurf soll einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, diese Ziele zu errei-chen.

Begründung:

Die Einhaltung von Tariflöhnen, Mindestlöhnen und Lohnuntergrenzenmuss zukünftig zum verbindlichen Standard bei der öffentlichen Auf-tragsvergabe gehören.

2. Auswirkungen des Urteils des EuGH vom 03.04.2008 – Rs. C-346/06 – Rüffert

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom03.04.2008 – Rs. C-346/06 – (Rüffert) sind Regelungen in Vergabege-setzen, die Mindestentgelt- oder Urlaubstarifverträge, die für allge-meinverbindlich erklärt oder durch Rechtsverordnung erstreckt sindund gemäß § 3 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) interna-tional zwingend sind, europarechtlich zulässig.Europarechtlich zulässig sind auch (Landes- wie Bundes-)Vergabere-gelungen, die an gesetzliche Mindestarbeitsbedingungen anknüpfenund für Arbeiten dieser Art allgemein gelten, also bei öffentlichen wieprivaten Aufgaben einzuhalten sind. Damit können auch branchenbezo-gene Mindestlöhne, die nach dem Gesetz über Mindestarbeitsbedin-gungen in der Fassung vom 22. April 2009 erlassen werden, als An-knüpfungspunkt für Vergabe- und Sanktionsentscheidungen im Bereichder Vergabe öffentlicher Aufträge herangezogen werden.Auch verbietet Art. 49 EG nach dem o. g. Urteil des EuGH nicht, dassöffentliche Auftraggeber von ihren Auftragnehmern die Einhaltung vonTarifverträgen verlangen, an welche sie ohnehin bereits gesetzlich ge-bunden sind, insbesondere aufgrund von § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 4 TVGoder den bereits erwähnten § 3 AEntG.

Weiterleitung als Material (zu A 43) an:

SPD-Parteivorstand

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Landtagsfraktionen

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Ebenfalls europarechtlich zulässig – und verfassungskonform – ist dieFestlegung einer Mindestentlohnung für alle Vergabefälle. Dabei erfülltdie Erstreckung auf alle Unternehmen mit Sitz im In- und Ausland zu-gleich eine Vorgabe europäischen Sekundärrechts. Die Verpflichtung,den bei der Erfüllung öffentlicher Aufträge eingesetzten Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmern mindestens einen Stundenlohn von 8,50Euro zu zahlen, findet ihre Begründung darin, dass nur so eine Existenzsichernde Bezahlung der Arbeitskräfte gewährleistet ist und der Staatnicht durch ansonsten erforderliche ergänzende Zahlungen an die Ar-beitskräfte indirekt die Unternehmen, die Niedriglöhne zahlen, subven-tioniert. Außerdem wird dadurch ein auf dem Rücken niedrig qualifi-zierter Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ausgetragener Niedrig-lohnwettbewerb verhindert. Darüber hinaus stärkt eine Mindestentloh-nungsvorgabe im Vergabebereich auch das Lohnniveau bei niedrig qua-lifizierter Arbeit insgesamt, ohne dabei direkt in die Autonomie der Ar-beitsvertrags- und Tarifparteien einzugreifen.

Schließlich trägt die Mindestentlohnung zur Erhaltung sozialer Min-deststandards bei und damit auch zur Entlastung der bei hoher Arbeits-losigkeit oder bei niedrigen Löhnen verstärkt in Anspruch genomme-nen Systeme der sozialen Sicherheit.

In vielen Beschäftigungsverhältnissen erreichen die Beschäftigten trotzVollzeitarbeit mit Ihrem Verdienst noch nicht einmal das Existenzmini-mum. Nach den Maßstäben der Europäischen Union für Lohnarmut –50 Prozent des durchschnittlichen Vollzeiteinkommens eines Landes –beziehen insgesamt etwa 3,4 Millionen Beschäftigte in DeutschlandArmutslöhne. Getrennt für das unterschiedliche Lohnniveau von West-und Ostdeutschland berechnet sind dies 12,1 Prozent der Vollzeitbe-schäftigten im Westen und 9,5 Prozent dieser Gruppe im Osten.

Um die so definierte Lohnarmut möglichst vollständig einzudämmen,muss der Mindeststundenlohn für eine wirksame Grundsicherung bzw.Grundversorgung ohne staatliche Transferleistungen derzeit bei 8,50Euro liegen.

Das Vergabegesetz knüpft Verstöße der Auftragnehmer bei der Auf-tragsausführung gegen die geforderte Einhaltung der statuierten Min-destarbeitsbedingungen („Tariftreue“) an bestimmte zusätzliche, ver-traglich vereinbarte Sanktionen wie beispielsweise eine befristete Auf-tragssperre oder die Verwirkung einer Vertragsstrafe. Die Tariftreue desAuftragsnehmers ist insoweit eine besondere Ausprägung der Zuverläs-sigkeit des Auftragnehmers, die nach § 97 Abs. 4 GWB Voraussetzungfür die Auftragsvergabe ist. Ein Fehlen der Zuverlässigkeit, namentlichbei nachweislicher Begehung schwerer Verfehlungen, welche die Zu-verlässigkeit als Bewerber infrage stellen, kann zum Ausschluss desUnternehmers vom Wettbewerb führen, § 8 Nr. 5c Vergabe- und Ver-tragsordnung für Bauleistungen/ VOB/A (dazu im einzelnen Glahs, inKapellmann/Messerschmidt (Hrsg.), VOB Teile A und B, 2. Aufl. 2007,§ 8 Rn. 53 mit weiteren Nachweisen).

3. Vorteil und Notwendigkeit eines Vergabegesetzes

Hinzuweisen ist darauf, dass dem Entwurf eines Gesetzes über die Ver-gabe öffentlicher Aufträge auch dort, wo die Entgeltbedingungen be-reits aufgrund der jeweiligen gesetzlichen Bestimmung (z.B. § 4 i. V. m.§ 5 Nr. 1 AEntG) international zwingend gelten, keine rein deklaratori-sche Bedeutung zukommt.

Ein Tariftreuegesetz verstärkt nämlich erheblich die Wirkung dieser ge-setzlichen Entgeltnormen und der in Bezug genommenen Tarifnormen.Das Tariftreuegesetz verpflichtet die öffentlichen Auftraggeber dazu,die Einhaltung dieser Entgeltnormen auch rein tatsächlich selbst zuüberwachen (und nicht nur auf Kontrollen der Zollbehörden zu war-ten). Gleichzeitig wird der öffentliche Auftraggeber gewissenhaft da-rauf achten, dass diese Kontrolle auch ermöglicht wird (z. B. durch dieVorlagepflicht von Unterlagen durch den Auftragnehmer und Betre-tungsrechte von Arbeitsorten für den öffentlichen Auftraggeber oderseiner Beauftragten).

Des Weiteren setzt das Tariftreuegesetz auch einen wirkungsvollen An-reiz zur Überwachung der Einhaltung seiner Normen und damit auchder gesetzlich für zwingend erklärten Arbeitsbedingungen, da der öf-fentliche Auftraggeber bei Verstößen im Wege der Geltendmachung

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einer Vertragsstrafe faktisch Kosten sparen kann. Insoweit sei an dieserStelle auf § 6 des Entwurfes des Gesetzes über die Vergabe öffentlicherAufträge hingewiesen, der zur Sicherung der Einhaltung der Verpflich-tungen gemäß §§ 1 Abs. 2 bis 5, 4, 8 Abs. 2 und 9 dieses Gesetzes dieAuftragnehmer verpflichtet, bei einem schuldhaften Verstoß eine Ver-tragsstrafe von 1 % des jeweiligen Auftragswertes, bei mehreren Ver-stößen bis zu 10 % des Auftragswertes zu zahlen.

Diese Vertragsstrafe ist zudem gegenüber den Auftragnehmern regel-mäßig auch besonders wirkungsvoll, da sie sehr schnell durch Abzugvom Werklohn noch während des laufenden Vertragsverhältnisses voll-zogen werden kann, wohingegen die Sanktionen nach § 23 AEntG inder Regel erst nach einem Gerichtsverfahren über zwei Instanzenrechtskräftig werden und häufig nicht mehr vollstreckt werden können,da der Delinquent insolvent ist oder sich im Ausland aufhält.

Ferner ist anzustreben, bei dem Nachweis der Tariftreue durch die Auf-tragnehmer zu einer Beweislastumkehr zu kommen. D. h. der Auftrag-nehmer muss nachweisen, dass er die Tarifverträge sowie Mindeststan-dards einhält.

Hinzuweisen ist insbesondere darauf, dass die Vollstreckung von Buß-geldern nach § 23 AEntG sowohl innerhalb der EU als auch erst rechtaußerhalb der EU rechtlich (und faktisch) nicht möglich ist. Daran wirdsich wohl auch in absehbarer Zeit nichts ändern. Diese Tatsache fälltzukünftig umso mehr ins Gewicht, als ab 01.05.2011 die bisherigen Be-schränkungen der Dienstleistungsfreiheit aufgrund der Beitrittsver-träge mit den neuen mittel- und osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten(u. a. Polen, Tschechien, Slowakei, Lettland, Litauen, Estland) wegfal-len werden. Ab diesem Datum können sich Unternehmen aus diesenMitgliedstaaten also auch im Baugewerbe, in der Gebäude- und Ver-kehrsmittelreinigung und im Raumausstattergewerbe unmittelbar umöffentliche Aufträge bewerben und nicht nur wie bislang als Nachunter-nehmer auf dem deutschen Markt auftreten.

Insofern lohnt es sich schon unter dem Aspekt einer wirkungsvollerenKontrolle bestehender gesetzlicher Verpflichtungen und verbesserterSanktionen von Verstößen gegen diese Verpflichtungen, auf der Ebeneeines Bundeslandes ein Tariftreuegesetz (Vergabegesetz) zu schaffenbzw. ein bestehendes Vergabegesetz an die neuen rechtlichen Rahmen-bedingungen aufgrund des Rüffert-Urteils des EuGH anzupassen.Zudem – darauf sei hier ausdrücklich hingewiesen – können gemäß §97 Abs. 4 Satz 2 GWB auch weitere soziale und umweltbezogene Ver-gabekriterien in ein Landesvergabegesetz aufgenommen werden (so-ziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte, wenn sie im sachli-chen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen).

Der nachfolgende Text enthält ein Muster eines Vergabegesetzes nebstBegründung.

Entwurf eines Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge –Mustervergabegesetz

§ 1 Tariftreue und Mindestentlohnung

(1) Aufträge unabhängig von den Schwellenwerten des § 100 des Ge-setzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der Fassung derBekanntmachung vom 15. Juli 2006 (BGBl. I S. 2114), das zuletztdurch Artikel 13 Absatz 21 des Gesetzes vom 25. Mai 2009 (BGBl. I S.1102) geändert worden ist, von allen (Landes) Vergabestellen im Sinnedes § 98 GWB werden an fachkundige, leistungsfähige, zuverlässigeund gesetzestreue Unternehmen vergeben.

(2) Für Bauleistungen und andere Dienstleistungen, die das Arbeitneh-mer-Entsendegesetz (AEntG) vom 20. April 2009 (BGBl. I S. 799) inder jeweils geltenden Fassung erfasst, dürfen öffentliche Aufträge nuran Unternehmen vergeben werden, die sich bei der Angebotsabgabeschriftlich verpflichtet haben, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mern bei der Ausführung dieser Leistungen Arbeitsbedingungen zu ge-währen, die mindestens den Vorgaben desjenigen Tarifvertrages ent-spricht, an den das Unternehmen aufgrund des AEntG gebunden ist.Satz 1 gilt entsprechend für Beiträge an eine gemeinsame Einrichtungder Tarifvertragsparteien im Sinne von § 5 Nr. 3 AEntG sowie für an-dere gesetzliche Bestimmungen über Mindestentgelte.

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(3) Bei der Vergabe von Leistungen über öffentliche Personennahver-kehrsdienste müssen die bietenden Unternehmen erklären, dass sie ihreArbeitskräfte bei der Ausführung dieser Leistungen mindestens nachden hierfür jeweils geltenden Entgelttarifen entlohnen. Der öffentlicheAuftraggeber bestimmt in der Bekanntmachung der Ausschreibung undin den Vergabeunterlagen den oder die einschlägigen Tarifverträge nachSatz 1 nach billigem Ermessen. Außerdem sind insbesondere die Rege-lungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parla-ments und des Rates vom 23.10.2007 über öffentliche Personenver-kehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verord-nungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates zu be-achten.

(4) Unbeschadet etwaiger weitergehender Anforderungen nach Absatz2 und 3 werden Aufträge an Unternehmen nur vergeben, wenn diesesich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmern bei der Ausführung der Leistung mindes-tens ein Stundenentgelt von 8,50 € zu zahlen.

(5) Wird bei einer Auftragsvergabe eine Erklärung nach den Absätzen2, 3, und 4 gefordert, muss der Anbieter sich jeweils auch dazu ver-pflichten, dass er von einem von ihm beauftragten Nachunternehmeroder von einem von ihm oder einem Nachunternehmer beauftragtenVerleiher verlangt, seinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern min-destens die Arbeitsbedingungen zu gewähren, die der Bieter selbst ein-zuhalten verspricht.Diese Verpflichtung erstreckt sich auf alle an der Auftragserfüllung be-teiligten Unternehmen und gilt für alle weitere Untervergaben. Der je-weils einen Auftrag weiter Vergebende hat die jeweilige schriftlicheÜbertragung der Verpflichtung und ihre Einhaltung durch die jeweilsbeteiligten Nachunternehmer oder Verleiher sicherzustellen und demöffentlichen Auftraggeber nachzuweisen. Bei Beschaffungen bis zueinem Auftragswert von 500,- € kann auf die Erklärungen nach denAbsätzen 2 und 4 verzichtet werden.Der Auftragnehmer darf Bau- und Dienstleistungen nur auf Nachunter-nehmer übertragen, wenn der Auftraggeber im Einzelfall schriftlich zu-gestimmt hat. Satz 1 gilt entsprechend für jeden weiteren Nachunter-nehmer. Die Bieter haben bereits bei Abgabe ihres Angebots ein Ver-zeichnis der Nachunternehmerleistungen vorzulegen. Die nachträgli-che Einschaltung oder der Wechsel eines Nachunternehmers bedarf derZustimmung des öffentlichen Auftraggebers.

(6) Für die Auftragsausführung können bei allen Aufträgen zusätzlicheAnforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere so-ziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen, wenn sie imsachlichen Zusammenhang mit dem konkreten Auftragsgegenstand ste-hen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Insbesonderekann bei personalintensiven Aufträgen, bei denen die Qualität der Leis-tungserbringung und die Qualifikation des Personals entscheidend sind,eine angemessene Bezahlung des einzusetzenden Personals, die sich anden örtlichen Tarifen orientieren soll, verlangt werden.

(7) Die Auftraggeber sind verpflichtet, kleine und mittlere Unterneh-men bei beschränkten Ausschreibungen und freihändigen Vergaben inangemessenem Umfang zur Angebotsabgabe aufzufordern. Unbescha-det der gesetzlichen Verpflichtung zur Teilung der Leistung in Fach-und Teillose nach § 97 Abs. 3 Satz 2 GWB und nach den Vergabe- undVertragsordnungen (VOB und VOL) ist das Vergabeverfahren, soweitnach Art und Umfang der anzubietenden Leistungen möglich, so zuwählen und die Verdingungsunterlagen so zu gestalten, dass kleine undmittlere Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen und beim Zuschlagberücksichtigt werden können.

§ 2 Ermächtigung

Der [zuständige Gesetzgeber] wird ermächtigt, durch Rechtsverord-nung Anpassungen der Höhe des nach § 1 Absatz 4 mindestens zu zah-lenden Entgelts vorzunehmen, soweit es wegen veränderter wirtschaft-licher und sozialer Verhältnisse notwendig ist.

§ 3 Wertung unangemessen niedriger Angebote

Bei begründeten Zweifeln an der Angemessenheit des Angebots kanndie Vergabestelle sich dazu von dem Bieter die Kalkulationsunterlagen

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vorlegen lassen. Kommt der Bieter innerhalb der von der Vergabestellefestgelegten Frist dieser Vorlagepflicht nicht nach, ist er von dem weite-ren Verfahren ausgeschlossen.

§ 4 Nachweise

(1) Die Vergabestellen sind verpflichtet, von dem Bieter, der den Zu-schlag erhalten soll, für den Fall, dass dieser keine gültige Bescheini-gung aus dem Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis oder dem Prä-qualifikationsverzeichnis des Vereins für die Qualifizierung von Bau-unternehmen e.V. vorlegt, durch Unterlagen, die nicht älter als sechsMonate sein dürfen, den Nachweis der vollständigen Entrichtung vonBeiträgen fordern. Die Unterlagen müssen ausgestellt sein von dem zu-ständigen in- oder ausländischen Sozialversicherungsträger sowie derzuständigen in- oder ausländischen Sozialkasse, soweit der Betrieb desBieters Bauaufträge im Sinne des § 99 Absatz 3 des Gesetzes gegenWettbewerbsbeschränkungen ausführt und von dem Geltungsbereicheines Tarifvertrages über eine gemeinsame Einrichtung der Tarifver-tragsparteien erfasst wird. Die Angaben zu Satz 1 können durch eineBescheinigung des ausländischen Staates nachgewiesen werden. Beifremdsprachigen Bescheinigungen ist eine Übersetzung in die deutscheSprache beizufügen.

(2) Soll die Ausführung eines Teils des Auftrages einem Nachunterneh-mer übertragen werden, so hat die Vergabestelle bei der Auftragsertei-lung auch die auf den Nachunternehmer lautenden Nachweise gemäßAbsatz 1 zu fordern. Satz 1 gilt entsprechend für alle weiteren Nachun-ternehmer des Nachunternehmers.

(3) Bestehen Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit des Nachweises, sohat der Auftragnehmer die entsprechende Beweislast zu tragen.

§ 5 Kontrollen

(1) Die öffentlichen Auftraggeber sind verpflichtet, Kontrollen durch-zuführen, um die Einhaltung der in § 1 Absatz 2 bis 6, § 4, § 8 Absatz 2und 3 und § 9 vorgesehenen Auflagen und Pflichten zu überprüfen. Dieöffentlichen Auftraggeber dürfen zu diesem Zweck Einblick in sämtli-che Entgeltabrechnungen der Auftragnehmer sowie sämtlicher Nach-unternehmer nehmen. Des Weiteren dürfen sie in sämtliche Unterlagenüber die Abführung von Steuern und Beiträgen sowie in die zwischenAuftragnehmer und Nachunternehmer abgeschlossenen WerkverträgeEinblick nehmen. Des Weiteren dürfen öffentliche Auftraggeber örtli-che Kontrollen durchführen.Der/die [zuständige Behörde] richtet zur Überwachung der in Abs. 1Satz 1 genannten Bestimmungen eine zentrale Kontrollgruppe ein. DieMitglieder der Kontrollgruppe sind ermächtigt, zu KontrollzweckenEinsicht in die Arbeitsverträge, Niederschriften nach § 2 des Nachweis-gesetzes und andere Geschäftsunterlagen der ausführenden Unterneh-men, insbesondere in die Entgeltabrechnungen, die Unterlagen über dieAbführung von Steuern, von Beiträgen an in- und ausländische Sozial-versicherungsträger, von Beiträgen an in- und ausländische Sozialkas-sen des Baugewerbes und in die zwischen den ausführenden Unterneh-men abgeschlossenen Verträge nehmen. Die ausführenden Unterneh-men haben ihre Beschäftigten auf die Möglichkeit solcher Kontrollenhinzuweisen und ihre schriftliche Zustimmung einzuholen. § 17 AEntGgilt entsprechend.

(2) Die ausführenden Unternehmen haben vollständige und prüffähigeUnterlagen zur Prüfung nach Absatz1 bereitzuhalten und auf Verlangendem öffentlichen Auftraggeber bzw. der zentralen Kontrollgruppe vor-zulegen.

§ 6 Sanktionen

(1) Um die Einhaltung der aus § 1 Absatz 2 bis 6, § 4, § 8 Absatz 2 und3 und § 9 resultierenden Verpflichtungen des Auftragnehmers zu si-chern, ist zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer fürjeden schuldhaften Verstoß regelmäßig eine Vertragsstrafe in Höhe von1 v. H., bei mehreren Verstößen zusammen bis zur Höhe von 10 v. H.der Auftragssumme zu vereinbaren. Der Auftragnehmer ist zur Zahlungeiner Vertragsstrafe nach Satz 1 auch für den Fall zu verpflichten, dassder Verstoß durch einen von ihm eingesetzten Nachunternehmer odereinen von diesem eingesetzten Nachunternehmer begangen wird.

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(2) Die Auftraggeber haben mit dem Auftragnehmer zu vereinbaren,dass die schuldhafte Nichterfüllung der aus § 1 Absatz 2 bis 6, § 4, § 8Absatz 2 und 3 und § 9 resultierenden Anforderungen durch den Auf-tragnehmer oder seine Nachunternehmer den Auftraggeber zur fristlo-sen Kündigung berechtigen.

(3) Von der Teilnahme an einem Wettbewerb um einen öffentlichenAuftrag sowie als Nachunternehmer für die Ausführung eines solchenAuftrages sind alle Unternehmen für eine Dauer von drei Jahren auszu-schließen, die gegen die in § 1 Absatz 2 bis 6, § 4, § 8 Absatz 2 und 3und § 9 geregelten Pflichten und Auflagen verstoßen.

§ 7 Umweltverträgliche Beschaffung

(1) Auftraggeber haben im Rahmen von Liefer-, Bau- und Dienstleis-tungsaufträgen dafür Sorge zu tragen, dass bei der Herstellung, Ver-wendung und Entsorgung von Gütern sowie durch die Ausführung derLeistung bewirkte negative Umweltauswirkungen gering gehalten wer-den. Dies umfasst das Recht, bei der Bedarfsermittlung, der Leistungs-beschreibung und der Zuschlagserteilung Anforderungen im Sinne vonSatz 1 aufzustellen und angemessen zu berücksichtigen sowie für dieAuftragsausführung ergänzende Verpflichtungen auszusprechen.

(2) Der [zuständige Gesetzgeber] wird nach Vorlage durch die für Um-welt zuständige [Behörde] in Abstimmung mit der für das Vergabewe-sen zuständigen [Behörde] ermächtigt, die Anforderungen nach Absatz1 durch Verwaltungsvorschriften für Liefer- , Bau- und Dienstleistungs-aufträgen zu konkretisieren und verbindliche Regeln aufzustellen, aufwelche Weise die Anforderungen im Rahmen der Leistungsbeschrei-bung, der Zuschlagserteilung und der ergänzenden Verpflichtungen zurAusführung zu berücksichtigen sind. Die Verwaltungsvorschriften sol-len spätestens nach fünf Jahren fortgeschrieben werden.

§ 8 Beachtung der IAO-Kernarbeitsnormen

(1) Bei der Vergabe von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen ist zwin-gend zu berücksichtigen, dass keine Waren Gegenstand der Leistungsind, die unter Missachtung der in den Kernarbeitsnormen der Interna-tionalen Arbeitsorganisation (IAO) festgelegten Mindeststandards ge-wonnen oder hergestellt worden sind. Die Mindeststandards der IAO-Kernarbeitsnormen ergeben sich aus

1. dem Übereinkommen Nr. 29 über Zwangs- oder Pflichtarbeit vom28. Juni 1930 (BGBl. 1956 II S. 641),

2. dem Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit und denSchutz des Vereinigungsrechtes vom9. Juli 1948 (BGBl. 1956 II S.2073),

3. dem Übereinkommen Nr. 98 über die Anwendung der Grundsätzedes Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungenvom 1. Juli 1949 (BGBl. 1955 II S. 1123),

4. dem Übereinkommen Nr. 100 über die Gleichheit des Entgeltsmännlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeitvom 29. Juni 1951 (BGBl. 1956 II S. 24),

5. dem Übereinkommen Nr. 105 über die Abschaffung der Zwangsar-beit vom 25. Juni 1957 (BGBl. 1959 II S. 442),

6. dem Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäf-tigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. 1961 II S. 98),

7. dem Übereinkommen Nr. 138 über das Mindestalter für die Zulas-sung zur Beschäftigung vom 26. Juni 1973(BGBl. 1976 II S. 202)und

8. dem Übereinkommen Nr. 182 über das Verbot und unverzüglicheMaßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderar-beit vom 17. Juni 1999 (BGBl. 2001 II S. 1291).

(2) Aufträge über Lieferleistungen dürfen in den Fällen nach Absatz 3nur mit einer Ergänzenden Vertragsbedingung vergeben werden, dieden Auftragnehmer verpflichtet, den Auftrag gemäß der Leistungsbe-schreibung ausschließlich mit Waren auszuführen, die nachweislich derIAO-Kernarbeitsnormen gemäß Absatz 1 gewonnen oder hergestelltworden sind. Dazu sind entsprechende Nachweise von den Bietern zuverlangen. Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Waren, die im Rah-men der Erbringung von Bau- oder Dienstleistungen verwendet wer-den.

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(3) Absatz 2 gilt nur für Waren oder Warengruppen, bei denen eine Ge-winnung oder Herstellung unter Missachtung der IAO-Kernarbeitsnor-men gemäß Absatz 1 im Einzelfall in Betracht kommt und die von der[zuständigen Behörde] in einer entsprechenden Liste aufgeführt wer-den. Unbeschadet der Erbringung anderer, gleichwertiger Nachweise,kann die [zuständige Behörde] in der Liste nach Satz 1 zusätzlich aner-kannte unabhängige Nachweise oder Zertifizierungen für eine Herstel-lung unter Beachtung der IAO-Kernarbeitsnormen benennen.

§ 9 Frauenförderung

Bei allen Auftragsvergaben ist von den bietenden Unternehmen eineErklärung zur Förderung von Frauen abzugeben.

§ 10 Bevorzugte Vergabe

Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen erhalten im Rahmen dergeltenden vergaberechtlichen Bestimmungen bei den den Regelungender §§ 1, 7 und 8 entsprechenden und sonst gleichwertigen Angebotendie Unternehmen bevorzugt den Zuschlag, die Ausbildungsplätze be-reitstellen, sich an tariflichen Umlageverfahren zur Sicherung der be-ruflichen Erstausbildung oder an Ausbildungsverbünden beteiligen. AlsNachweis ist von den Unternehmen eine Bescheinigung der für die Be-rufsausbildung zuständigen Stellen vorzulegen. Die Regelung ist denUnternehmen in den Vergabeunterlagen bekannt zu machen. Dabei istauf die Nachweispflicht hinzuweisen.

§ 11 Sicherheitsleistungen

(1) Für die vertragsgemäße Erfüllung sollen bei öffentlicher Ausschrei-bung und offenem Verfahren ab einer Auftragssumme von 250.000Euro (ohne Umsatzsteuer) Sicherheitsleistungen verlangt werden.

(2) Für die Erfüllung der Mängelansprüche sollen Sicherheitsleistun-gen in der Regel ab einer Auftragssumme oder ab einer Abrechnungs-summe von 250.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) verlangt werden.

§ 12 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am …… in Kraft.

A. Begründung:

Zu § 1

1. Abs. 1 definiert die diesem Gesetz unterworfenen Vergabestellen.Das Gesetz gilt für alle Aufträge oberhalb sowie unterhalb der EU-Schwellenwerte.

2. Abs. 2 regelt die Pflicht der Unternehmen, eine ausdrückliche Erklä-rung zur Einhaltung des Arbeitnehmerentsendegesetzes abzugeben, andie sich die in § 6 geregelten Sanktionen knüpfen, wenn die Regeln desArbeitnehmerentsendegesetzes verletzt werden.Durch Abs. 2 werden nicht nur Mindestentgelte im Sinne von § 5 Nr. 1AEntG sondern auch die Mindesturlaubsbedingungen einschließlichder zur Sicherstellung der Urlaubsvergütung tarifvertraglich zu zahlen-den Beiträge an eine Urlaubskasse (gemeinsame Einrichtung der Tarif-vertragsparteien) im Sinne von § 5 Nr. 2 sowie 3 AEntG zur Vorausset-zung einer Vergabe öffentlicher Aufträge gemacht. Da es sich um inter-national zwingende Arbeitsbedingungen nach dem AEntG handelt, isteine solche Fassung des § 1 Abs. 2 europarechtlich unproblematisch.Sie sichert wesentliche Ansprüche der Arbeitnehmer (Mindestentgelt,Urlaub und Urlaubsvergütung) und ist aus Wettbewerbsgründen aucherforderlich, da allein die Beiträge zur Urlaubs- und Lohnausgleichs-kasse der Bauwirtschaft derzeit 14,2 v. H. der Bruttolohnsumme einesBetriebes der Bauwirtschaft ausmachen.Gleichzeitig werden durch die Vorschrift auch Mindestlöhne von Bran-chen erfasst, die durch eine Rechtsverordnung gem. § 4 Abs. 3 desMindestarbeitsbedingungsgesetzes in der Fassung vom 22. April 2009(BGBl. I S. 818) in Branchen mit einer Tarifbindung von weniger als 50v. H. zwingend festgesetzt werden.Dadurch soll sichergestellt werden, dass im Rahmen von Aufträgen imLande ……. gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten, es also nicht zu

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Wettbewerbsverzerrungen auf Grund niedriger Löhne kommt. Danebendient die Regelung dem Schutz der Arbeitnehmer vor Arbeitslosigkeit,der Verhinderung von Sozial- und Lohndumping sowie der Stabilisie-rung der sozialen Sicherungssysteme.

Da ein wesentlicher Preisbestandteil die Löhne der Arbeitnehmer sind,besteht ohne die Tariftreueregelung die Gefahr, dass die bietenden Un-ternehmen sich über möglichst niedrige Löhne gegenseitig unterbieten.Die Einhaltung tariflicher Löhne erleichtert es zudem den Vergabestel-len, die Angebote schnell und zuverlässig daraufhin zu überprüfen, obsie auf einer wirtschaftlichen und angemessenen Kalkulationsgrund-lage beruhen. Dadurch werden wiederum die Risiken nicht vertragsge-rechter Auftragsausführung auf Grund von fehlender Liquidität oderInsolvenz der auftragnehmenden Unternehmen vermindert. Gleichzei-tig wird sichergestellt, dass die Arbeitnehmer nicht auf Ergänzungsleis-tungen aus öffentlichen Sozialkassen angewiesen bzw. sie nicht aufGrund von Liquiditätsschwierigkeiten ihrer Arbeitgeber von Insolvenzbedroht sind.

3. Die Vorgabe von Sozialstandards in Absatz 3 – hier Bezahlung nachden von der Vergabestelle vorzugebenden Tarifen – in Ausschreibungenvon Leistungen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ver-stößt weder gegen die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, 50 EGnoch gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EG. Aufgrundder Sonderregel des Art. 51 Abs. 1 EG und des sekundärrechtlich imSektor ÖPNV zulässigen Erfordernisses einer Niederlassung im Auf-nahmemitgliedstaat sind die Rechtsausführungen des EuGH in derSache „Rüffert“ (EuGH vom 03.04.2008 – Rs. C-346/06-) nicht aufden Sektor Verkehr übertragbar. Daher gilt weder die Dienstleistungs-freiheit gem. Art. 49, 50 EG noch die Richtlinie 96/71/EG (Entsende-richtlinie).

Eine konkrete Ermächtigung der zuständigen Behörde, den Bietern imRahmen eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens die Einhaltung be-stimmter Tarifverträge vorzuschreiben, ist in der VO 1370/2007 zwarnicht enthalten; dem Erwägungsgrund 17 der VO ist jedoch zu entneh-men, dass der europäische Gesetzgeber von der Zulässigkeit auch sol-cher sozialer Kriterien ausgeht.

Tariftreueklauseln für den ÖPNV stehen mit den Grundfreiheiten desEGV im Einklang. Zunächst findet gemäß Art. 51 EGV das Recht desfreien Dienstleistungsverkehrs gem. Art. 49, 50 EGV auf Verkehrsleis-tungen keine unmittelbare Anwendung, sondern ist im Rahmen der ge-meinsamen Verkehrspolitik auf der Grundlage des Verkehrstitelsgemäß Art. 70 ff. EGV zu gewährleisten. Auf der Grundlage des Ver-kehrstitels wurde für den Bereich des Güterverkehrs eine weitgehendeLiberalisierung erreicht. Die Personenbeförderung unterliegt demge-genüber noch weit reichenden Beschränkungen, insbesondere im Be-reich der „Kabotagebeförderung“, also der rein innerstaatlichen Beför-derung ohne Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Verkehrs-diensten.

Daher ist für den Bereich des innerstaatlichen Linienverkehrs mit Bus-sen, den gesamten Bereich der Stadt- und Vorortverkehrsdienste sowiefür den schienengebundenen innerstaatlichen Verkehr ein Niederlas-sungserfordernis mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.

Das Niederlassungserfordernis gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 PBefG undgemäß § 14 Abs. 2 und 3 AEG hat zur Folge, dass die Erbringung vonVerkehrsdienstleistungen dem Anwendungsbereich der Niederlas-sungsfreiheit unterfällt. Das Erfordernis der Einhaltung bestimmter Ta-rifverträge stellt keine Behinderung der Niederlassungsfreiheit dar, daderartige Bedingungen in Vergabeverfahren nicht die nationalen Orga-nisations- oder Ordnungsvorschriften für die Niederlassung betreffen,sondern die Modalitäten der Leistungserbringung für öffentliche Auf-traggeber.

Daher ist die Tariftreueklausel, soweit der ÖPNV betroffen ist, mit demeuropäischen Recht vereinbar.

4. Absatz 4 legt für alle Vergabefälle eine Mindestentlohnung fest.Dabei erfüllt die Erstreckung auf alle Unternehmen mit Sitz im In- undAusland zugleich eine Vorgabe europäischen Sekundärrechts. Die Ver-pflichtung, den bei der Erfüllung öffentlicher Aufträge eingesetzten Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmern mindestens einen Stundenlohn

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von 8,50 € zu zahlen, findet ihre Begründung darin, dass nur so eineExistenz sichernde Bezahlung der Arbeitskräfte gewährleistet ist undder Staat nicht durch ansonsten erforderliche ergänzende Zahlungen andie Arbeitskräfte indirekt die Unternehmen, die Niedriglöhne zahlen,subventioniert. Außerdem wird dadurch ein auf dem Rücken niedrigqualifizierter Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ausgetragenerNiedriglohnwettbewerb verhindert. Darüber hinaus stärkt eine Min-destentlohnungsvorgabe im Vergabebereich auch das Lohnniveau imBereich niedrig qualifizierter Arbeit insgesamt, ohne dabei direkt in dieAutonomie der Arbeitsvertrags- und Tarifparteien einzugreifen.Schließlich trägt die Mindestentlohnung zur Erhaltung sozialer Min-deststandards bei und damit auch zur Entlastung der bei hoher Arbeits-losigkeit oder bei niedrigen Löhnen verstärkt in Anspruch genomme-nen Systeme der sozialen Sicherheit.In vielen Beschäftigungsverhältnissen erreichen die Beschäftigten trotzVollzeitarbeit mit Ihrem Verdienst noch nicht einmal das Existenzmini-mum. Die Europäische Union zieht die „Lohnarmutsgrenze“ bei 50Prozent des durchschnittlichen Vollzeiteinkommens eines Landes. Da-nach beziehen insgesamt etwa 3,4 Millionen Beschäftigte nach einerStudie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut in derHans-Böckler-Stiftung (WSI) in Deutschland Armutslöhne, die eineexistentielle, menschenwürdige Grundsicherung nicht zulassen. Euros-tat, das Statistische Amt der Europäischen Union, zieht die Lohnar-mutsgrenze bei 50 Prozent des durchschnittlichen Vollzeiteinkommenseines Landes. Wer weniger verdient, gilt in der EU als arm trotzt Arbeit.Getrennt für das unterschiedliche Lohnniveau von West- und Ost-deutschland berechnet, kommt das WSI auf 12,1 Prozent der Vollzeit-beschäftigten im Westen und 9,5 Prozent im Osten, die so genannte Ar-mutslöhne beziehen – insgesamt etwa 3,4 Millionen Beschäftigte. Umdie so definierte Lohnarmut möglichst vollständig einzudämmen, mussder Mindeststundenlohn für eine wirksame Grundsicherung bzw.Grundversorgung nach dem WSI derzeit bei 8,50 € liegen.

5. Absatz 5 regelt, dass die Verpflichtungen aus vorstehenden Absätzenauch allen Nachunternehmen auferlegt werden. Außerdem wird eineBagatellgrenze eingeführt, bis zu der auf die Abgabe bestimmter Erklä-rungen verzichtet werden kann. Die Einbeziehung von Nachunterneh-men in die Tariftreueregelung ist zur Durchsetzung des Gesetzeszwe-ckes notwendig, da sich nur so erreichen lässt, dass einzuhaltende Ta-rife nicht durch den Einsatz von Nachunternehmen unterlaufen werden.

6. Absatz 6 greift die Grundregel auf, dass alles, was im sachlichen Zu-sammenhang mit der konkret nachgefragten Leistung steht und in derLeistungsbeschreibung niedergelegt ist, auch verlangt werden darf. DieVorschrift ist durch § 97 Abs. 4 GWB gedeckt.

7. Diese Vorschrift ist ebenfalls durch § 97 Abs. 4 GWB gedeckt undkonkretisiert Abs. 6. Kleine und mittlere Unternehmen haben ein legiti-mes Interesse daran, an dem enormen Auftragsvolumen, das die öffent-liche Hand und insbesondere die kommunalen Auftraggeber zu verge-ben haben, beteiligt zu sein. Aufgrund hoher Auftragswerte, des Um-fangs und der Größe sind die Aufträge oftmals für kleine und mittlereUnternehmen nicht geeignet. Gerade in der Bauwirtschaft ist der weit-aus größte Teil der Firmen kleinbetrieblich oder mittelständisch struk-turiert (selbst die Betriebe des Bauhauptgewerbes beschäftigen nurdurchschnittlich zehn Arbeitnehmer), so dass eine solche Vorschrift in-direkt auch der Förderung bzw. dem Erhalt von Arbeitsplätzen in derBranche dient.

Im Einzelnen zu Absätzen 4 und 5 :

A.) Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des jeweiligen Landes ist nach Art.70 inVerbindung mit Art.72 Abs. 1 GG gegeben, da die Regelungsmaterie indie konkurrierende Zuständigkeit nach Art.74 Abs. 1 Nr. 11 GG fälltund der Bund nicht abschließend von seinem Gesetzgebungsrecht Ge-brauch gemacht hat.Der Begriff „Recht der Wirtschaft“ im Sinne des Art.74 Abs. 1 Nr. 11GG ist weit zu verstehen (vgl. BVerfGE 5, 25 <28f.>; 28, 119 <146>;29, 402 <409>; 41, 344 <352>; 68, 319 <330>). Zu ihm gehören nicht

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nur diejenigen Vorschriften, die sich auf die Erzeugung, Herstellungund Verteilung von Gütern des wirtschaftlichen Bedarfs beziehen, son-dern auch alle anderen das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftli-che Betätigung als solche regelnden Normen (vgl. BVerfGE 29, 402<409>; 55, 274 <308>). Hierzu zählen Gesetze mit wirtschaftsregulie-rendem oder wirtschaftslenkendem Charakter (vgl. BVerfGE 4, 7<13>; 68, 319 <330>).Zur Regelung des Wirtschaftslebens im Sinne des Art.74 Abs. 1 Nr. 11GG gehören auch die Vorschriften über die Vergabe von öffentlichenAufträgen. Diesem Rechtsgebiet sind auch gesetzliche Regelungen da-rüber zuzuordnen, in welchem Umfang der öffentliche Auftraggeberbei der Vergabeentscheidung über die in §97 Abs. 4 GWB ausdrücklichvorgesehenen Kriterien hinaus andere oder weiter gehende Anforde-rungen an den Auftragnehmer stellen darf. Denn nach den Maßstäben,die das Bundesverfassungsgericht für die Zuordnung zu den Kompe-tenztiteln der Art.74 und 75 GG entwickelt hat, kommt es in ersterLinie auf den Regelungsgegenstand und den Gesamtzusammenhangder Regelung im jeweiligen Gesetz an (vgl. BVerfGE 4, 60 <67, 69f.>;8, 143 <148ff.>; 68, 319 <327f.>). Deshalb ist nicht für jede andereoder weiter gehende Anforderung, die ein Gesetz als Kriterium für dieAuftragsvergabe vorsieht, der auf das konkrete Kriterium bezogeneKompetenztitel – etwa der für das Arbeitsrecht gemäß Art.74 Abs. 1 Nr.12 GG – einschlägig.Mit dem Erfordernis einer Erklärung zur Zahlung des Mindeststunden-lohns wird ein Kriterium für die vergaberechtliche Auswahlentschei-dung geregelt. Unmittelbar betroffen ist die Rechtsbeziehung zwischendem öffentlichen Auftraggeber und dem Bieter, dessen Angebotsver-halten bei der Bewerbung um einen Auftrag aus wirtschafts- und sozi-alpolitischen Gründen dahingehend gesteuert werden soll, dass er sichgegenüber anderen Bewerbern keinen Vorteil durch eine Niedrigstent-lohnung seiner Arbeitskräfte verschafft. Mit der Einbeziehung einessolchen Kriteriums in die Auswahlentscheidung wird das Ziel verfolgt,die Vergabe von Aufträgen aus bestimmten wirtschafts- und sozialpoli-tischen Gründen unmittelbar zu beeinflussen. Diese Zielsetzung wirdin das Vergabeverfahren integriert. Es handelt sich um eine Sonderre-gelung für den Bereich der öffentlichen Beschaffung, mit der ein Krite-rium für die Vergabeentscheidung festgelegt wird, das mittelbar auf diearbeitsrechtlichen Beziehungen im Unternehmen der Bieter Einflussnehmen soll.Für eine Charakterisierung dieser Bestimmung als vergaberechtlicheVorschrift spricht auch der Regelungszusammenhang mit der Sankti-onsnorm. Der Verstoß eines Unternehmens gegen die Verpflichtung zurZahlung des Mindestentgeltes soll danach die spezifisch vergaberecht-liche Konsequenz haben, dass es von der Teilnahme an einem Wettbe-werb um einen Bauauftrag oder Dienstleistungsauftrag bis zu einerDauer von drei Jahren ausgeschlossen wird. Aus dieser Verknüpfungwird deutlich, dass es bei der Regelung zweckgerichtet um eine Ausge-staltung der Bedingungen für die Teilnahme am Wettbewerb um eineöffentliche Auftragsvergabe und damit um einen vergaberechtlichenRegelungsgegenstand geht.Von dem für Vergaberegelungen einschlägigen Gesetzgebungstitel desArt.74 Abs. 1 Nr. 11 GG hat der Bundesgesetzgeber nicht abschließendGebrauch gemacht.Der Vorschrift des §97 Abs. 4 2. Halbsatz GWB, nach der andere oderweiter gehende Anforderungen an Auftragnehmer nur gestellt werdendürfen, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist, istvielmehr zu entnehmen, dass auch aus Sicht des Bundesgesetzgebersdie Regelung solcher Kriterien durch den Landesgesetzgeber grund-sätzlich möglich sein soll.Mit der in §97 Abs. 4 2. Halbsatz GWB bestimmten Zulässigkeit einerlandesgesetzlichen Regelung ist ausweislich der Gesetzgebungsmate-rialien gerade auch dem Wunsch der Länder nach einer kompetenz-rechtlichen Legitimation eigener Vorschriften für den Bereich ihrerAuftragsvergabe Rechnung getragen worden.

B.) Keine Verletzung von Grundrechten

a) Durch die gesetzliche Pflicht zur Zahlung eines Mindeststunden-lohns wird der Schutzbereich des Art.9 Abs. 3 GG insbesondere nicht

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unter dem Gesichtspunkt der so genannten negativen Koalitionsfreiheitberührt, da die Verpflichtung, den bei öffentlichen Aufträgen eingesetz-ten Arbeitskräften mindestens einen Stundenlohn von 8,50 € zu zahlen,keinen Einfluss hat auf das individuelle Freiheitsrecht, Koalitionen bei-zutreten oder fernzubleiben.

b) Die Mindestentlohnungsregelung verstößt nicht gegen Art.12 Abs. 1 GG.

aa) Der Schutzgehalt der Berufsfreiheit ist berührt.

Art.12 Abs. 1 GG schützt vor staatlichen Beeinträchtigungen, die ge-rade auf die berufliche Betätigung bezogen sind. Das Grundrecht si-chert die Teilnahme am Wettbewerb im Rahmen der hierfür aufgestell-ten rechtlichen Regeln (vgl. BVerfGE 105, 252 <265>). Es gewährleis-tet den Arbeitgebern das Recht, die Arbeitsbedingungen mit ihren Ar-beitnehmern im Rahmen der Gesetze frei auszuhandeln (vgl. BVerfGE77, 84 <114>; 77, 308 <332>). Die Vertragsfreiheit wird zwar auchdurch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art.2Abs. 1 GG gewährleistet (vgl. BVerfGE 65, 196 <210>; 74, 129<151f.>). Betrifft eine gesetzliche Regelung jedoch die Vertragsfreiheitgerade im Bereich beruflicher Betätigung, die ihre spezielle Gewähr-leistung in Art.12 Abs. 1 GG gefunden hat, scheidet die gegenüber an-deren Freiheitsrechten subsidiäre allgemeine Handlungsfreiheit alsPrüfungsmaßstab aus (vgl. BVerfGE 68, 193 <223f.>; 77, 84 <118>;95, 173 <188>). Gesetzliche Vorschriften, die die Gestaltung der Ar-beitsbeziehungen betreffen und die sich deshalb für den Arbeitgeber alsBerufsausübungsregelungen darstellen, sind daher grundsätzlich anArt.12 Abs. 1 GG zu messen.

bb) Die Mindestentlohnungsregelung berührt die durch Art.12 Abs. 1GG gewährleistete Vertragsfreiheit im unternehmerischen Bereich.

Dadurch dass das Gesetz als Voraussetzung für die erfolgreiche Teil-nahme am Vergabeverfahren die Zahlung eines bestimmten Mindest-stundenlohns fordert, reguliert es nicht allgemein das Wettbewerbsver-halten der Unternehmen, sondern bewirkt eine bestimmte Ausgestal-tung der Verträge, die der Auftragnehmer mit seinen Arbeitnehmern zurDurchführung des Auftrags abschließt. Die Unternehmen sollen hin-sichtlich dieser Vertragsbedingungen nicht frei darüber entscheidendürfen, wie sie sich am Wettbewerb um den öffentlichen Auftrag betei-ligen. Sie werden bei Ablehnung der von ihnen geforderten Mindest-entlohnung von der Möglichkeit, ihre Erwerbschancen zu verwirkli-chen, ausgeschlossen, auch wenn sie sich im Übrigen an die Vergabebe-dingungen halten. Auf der Grundlage dieser Bestimmungen werden siezu einer bestimmten Gestaltung ihrer Verträge mit Dritten angehaltenund damit in ihrer unternehmerischen Vertragsfreiheit berührt.

c) Die Zweckbestimmung der Regelung rechtfertigt die Einschränkungder Berufsfreiheit.

Nach der dem Gesetz zugrunde liegenden Zweckbestimmung sollenUnternehmen im Wettbewerb mit Konkurrenten nicht deshalb benach-teiligt sein, weil sie Existenz sichernde Löhne an ihre Arbeitskräftezahlen. Die Verpflichtung zur Zahlung eines Mindeststundenlohnessoll einem Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten entgegenwir-ken. Sie dient dem Schutz der Beschäftigung solcher Arbeitskräfte, diebei Unternehmen arbeiten, die Existenz sichernde Löhne zahlen unddamit auch zur Erhaltung als wünschenswert angesehener sozialerStandards. Gleichzeitig werden die bei hoher Arbeitslosigkeit oder beiniedrigen Löhnen verstärkt in Anspruch genommenen Systeme der so-zialen Sicherheit entlastet.Das Ziel, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, hat aufgrund des Sozial-staatsprinzips (Art.20 Abs. 1 GG) Verfassungsrang. Die Verringerungvon Arbeitslosigkeit ermöglicht den zuvor Arbeitslosen, das Grund-recht aus Art.12 Abs. 1 GG zu verwirklichen (vgl. BVerfGE 4, 356<361>), sich durch Arbeit in ihrer Persönlichkeit zu entfalten und darü-ber Achtung und Selbstachtung zu erfahren. Insofern wird das gesetzli-che Ziel auch von Art.1 Abs. 1 und Art.2 Abs. 1 GG getragen (vgl.BVerfGE 100, 271 <284>; 103, 293 <307>).Darüber hinaus ist der mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einher-gehende Beitrag zur finanziellen Stabilität des Systems der sozialen Si-cherung ein Gemeinwohlbelang von hoher Bedeutung (vgl. BVerfGE70, 1 <25f., 30>; 77, 84 <107>; 82, 209 <230>; 103, 293 <307>).

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d) Die Verpflichtung der Bewerber um einen öffentlichen Auftrag zurZahlung eines Mindeststundenlohns ist ein geeignetes Mittel zur Er-reichung der mit dem Gesetz verfolgten Ziele.

aa) Ein Mittel ist bereits dann im verfassungsrechtlichen Sinne geeig-net, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werdenkann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (vgl.BVerfGE 63, 88 <115>; 67, 157 <175>; 96, 10 <23>; 103, 293 <307>).Dem Gesetzgeber kommt dabei ein Einschätzungs- und Prognosevor-rang zu. Es ist vornehmlich seine Sache, auf der Grundlage seiner wirt-schafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Zieleunter Beachtung der Gesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zuentscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls er-greifen will (vgl. BVerfGE 103, 293 <307> m. w. N.).Hieran gemessen ist die Regelung grundsätzlich geeignet, die gesetzge-berischen Ziele zu erreichen. Der Landesgesetzgeber darf im Rahmenseiner Einschätzungsprärogative annehmen, dass er den Unterbietungs-wettbewerb über die Lohnkosten begrenzen und auf diese Weise Ar-beitslosigkeit bekämpfen kann, indem er den Bewerbern um einen öf-fentlichen Auftrag die Verpflichtung zur Zahlung eines Mindeststun-denlohns auferlegt.bb) Die gesetzliche Verpflichtung zum Mindeststundenlohn ist zurZielerreichung erforderlich.Der Gesetzgeber verfügt bei der Einschätzung der Erforderlichkeitebenfalls über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum (vgl.BVerfGE 102, 197 <218>). Daher können Maßnahmen, die der Gesetz-geber zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts für erforderlichhält, verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den ihmbekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfah-rungen feststellbar ist, dass Regelungen, die als Alternativen in Be-tracht kommen, die gleiche Wirksamkeit versprechen, die Betroffenenindessen weniger belasten (vgl. BVerfGE 25, 1 <19f.>; 40, 196 <223>;77, 84 <106>).Nach diesen Maßstäben bestehen gegen die Erforderlichkeit der Rege-lung keine Bedenken. Es ist kein ebenso geeignetes, aber weniger be-lastendes Mittel erkennbar, das der Landesgesetzgeber anstelle der ge-setzlichen Verpflichtung zur Zahlung eines Mindeststundenlohns hätteergreifen können.Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Verbindung mit der Gewähr-leistung der finanziellen Stabilität des Systems der sozialen Sicherungist ein besonders wichtiges Ziel, bei dessen Verwirklichung dem Ge-setzgeber gerade unter den gegebenen schwierigen arbeitsmarktpoliti-schen Bedingungen ein relativ großer Entscheidungsspielraum zuge-standen werden muss (vgl. BVerfGE 103, 293 <309>). Dieser Gemein-wohlbelang, dem die Regelung Rechnung zu tragen versucht, besitzteine überragende Bedeutung (vgl. BVerfGE 100, 271 <288>).Bezieht man die weiteren, diesen Zweck flankierenden, schon darge-stellten Regelungsziele in die Abwägung der betroffenen, verfassungs-rechtlich geschützten Rechte und Interessen ein, so ist die vom Gesetz-geber vorgenommene Gewichtung zugunsten der Gemeinwohlbelangenicht zu beanstanden.Die Grenze der Zumutbarkeit ist für die Bewerber um einen öffentli-chen Auftrag, die sich nur in Teilbereichen ihrer unternehmerischen Be-tätigung zur Anwendung bestimmter Entgeltsätze verpflichten sollen,angesichts der überragend wichtigen Ziele der Mindeststundenlohnre-gelung keineswegs überschritten.

e) Die auf der Regelung beruhende Ungleichbehandlung der Anbieter,die keine Erklärung zur Zahlung des Mindeststundenlohns abgebenund deshalb keinen Zuschlag erhalten, im Vergleich mit den Anbietern,die die Auflage nach der Vorschrift erfüllen, verstößt nicht gegen Art.3Abs. 1 GG. Sie ist durch die dargestellten besonders wichtigen Ge-meinwohlbelange, die den Landesgesetzgeber zu der gesetzlichen Re-gelung veranlasst haben, gerechtfertigt.

C.) Keine Verletzung europäischen Rechtsa.) Absatz 4 Satz 1: Mindestentlohnungsvorgabe für inländische undausländische UnternehmenDer Festlegung einer Mindestentlohnungsverpflichtung für Unterneh-men mit Sitz im Inland in Absatz 4 Satz 1 stehen keine europarechtli-che Hindernisse entgegen.

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Mit der Erstreckung dieser Verpflichtung auch auf Unternehmen mitSitz im Ausland werden zwingende Vorgaben der Entsenderichtlinie(Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates überdie Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung vonDienstleistungen) erfüllt.

aa.) Erstreckung auf EU-ausländische Unternehmen nach Artikel 3 Ab-satz 1 der Entsende-Richtlinie

Die im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche Vorschrift der Ent-sende-Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass unabhängig von dem auf dasjeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die in Artikel 1 Absatz1 genannten Unternehmen [i. e. Unternehmen mit Sitz in einem Mit-gliedstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung vonDienstleistungen Arbeitnehmer in das Hoheitsgebiet eines anderenMitgliedstaats entsenden] den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeit-nehmern bezüglich der nachstehenden Aspekte die Arbeits- und Be-schäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in des-sen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird,

- durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften …

festgelegt sind:

c) Mindestlohnsätze einschließlich der Überstundensätze“

Artikel 3 Absatz 1 der Entsenderichtlinie schreibt mithin vor, dass dieMitgliedstaaten diejenigen Rechtsvorschriften, mit denen sie inländi-schen Unternehmen Vorgaben im Hinblick auf Mindestlohnsätze ma-chen, auch auf Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaaterstrecken müssen, auch wenn das individuelle Arbeitsverhältnis einemfremden Recht unterliegt, das die fraglichen Bedingungen nicht odernicht in gleicher Weise wie das Inland gewährt.

Dieser Verpflichtung aus der Richtlinie kommt der Landesgesetzgebermit der Aufnahme von Absatz 4 Satz 2 nach. Obgleich es sich – wieoben festgehalten – bei Absatz 4 Satz 1 nicht um eine arbeitsrechtlicheVorschrift im Sinne des grundgesetzlichen Kompetenzkataloges han-delt, enthält sie eine Rechtsvorschrift, die inländischen UnternehmenVorgaben im Hinblick auf Mindestlohnsätze macht im Sinne von Arti-kel 3 Absatz 1 der Entsenderichtlinie. Denn ohne eine entsprechendeVerpflichtung zur Zahlung des bezifferten Mindestentgeltes seitens derUnternehmen im Bieterverfahren, welche auch Bestandteil des Verga-bevertrages zwischen Vergabestelle und Auftragnehmer wird, kann keininländisches Unternehmen den Vergabezuschlag erhalten. Insofernhandelt es sich zwar um eine Vorschrift, die keine unmittelbaren ar-beitsvertraglichen Ansprüche schafft. Aber dies wird in Artikel 3 Ab-satz 1 der Entsenderichtlinie auch nicht vorausgesetzt, weder ausweis-lich des Wortlauts noch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift.

Der Wortlaut, der lediglich eine Festlegung von Mindestlohnsätzendurch Rechtsvorschriften verlangt, schließt den vergaberechtlichenModus der Festlegung von Mindestlohnsätzen nicht aus. Es handeltsich bei Absatz 4 Satz 1 als landesgesetzliche Regelung um eineRechtsvorschrift und sie enthält einen Mindestlohnsatz, nämlich 8,50EUR. Absatz 4 Satz 1 legt den Mindestlohnsatz auch fest, weil unterseiner Geltung im Bereich von Vergabestellen beauftragter Leistungenkeine Entlohnung unter 8,50 EUR mehr stattfinden wird. Dafür, dassArtikel 3 Absatz 1 der Richtlinie nur Festlegungen in Gestalt unmittel-barer arbeitsvertraglicher Ansprüche bezeichnen würde, ist aus demWortlaut nichts ersichtlich.

Eine solche einschränkende Lesart wäre auch mit dem Zweck derRichtlinie nicht zu vereinbaren. Die Richtlinie will für grenzüber-schreitende Dienstleistungen einen fairen Wettbewerb ermöglichen undzugleich die Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer garantieren (Erwä-gungsgrund 5). Mit beiden Gesichtspunkten ist die der Verabschiedungder Richtlinie offenbar zugrunde liegende Absicht des Gesetzgebersangesprochen, dass der grenzüberschreitende Dienstleistungswettbe-werb jedenfalls im Bereich niedrig qualifizierter Arbeit (deren Entloh-nung eben in den Mitgliedstaaten in der Regel vermittels Rechtsvor-schriften oder allgemeinverbindlicher Tarifverträge geschützt wird)nicht über Lohnkosten ausgetragen wird (vgl. Erwägungsgrund 14).

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Diese Intention des Gesetzgebers würde konterkariert, wenn im Verga-bebereich gleichfalls auf den Bereich niedrig qualifizierter Arbeit ab-zielenden Vorgaben zur Mindestentlohnung nur auf Unternehmen mitSitz im Inland beschränkt blieben. Denn dann erhielten ausländischeUnternehmen im Bereich niedrig qualifizierter Arbeit Vorteile im Wett-bewerb um öffentliche Aufträge, die allein aufgrund niedrigerer Lohn-kosten entstehen.

Es wäre indes unverständlich, wenn die Richtlinie die Verzerrung desWettbewerbs um öffentliche Aufträge nur deswegen erlauben würde,weil die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs in diesem Feld auchdurch vergaberechtliche Vorschriften gesetzt werden können. Es istletztlich davon auszugehen, dass es dem europäischen Gesetzgeber al-lein um die wirtschaftlichen Effekte einer Regelung und nicht um ihrerechtstechnische Gestalt ging.

bb.) Erstreckung auf alle übrigen ausländische Unternehmen nach Arti-kel 1 Absatz 4 Entsenderichtlinie

Nach Artikel 1 Absatz 4 der Entsenderichtlinie darf Unternehmen mitSitz außerhalb der Gemeinschaft keine günstigere Behandlung zuteilwerden als Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat. Darum sindauch alle übrigen ausländischen Unternehmen in die Mindestlohnver-pflichtung einzubeziehen.

cc.) Keine Prüfung von Absatz 4 Satz 2 am Maßstab der Dienstleis-tungsfreiheit, Artikel 49 EG

Der Landesgesetzgeber erfüllt mit der Aufnahme des Absatzes 4 Satz 2seine zwingende europarechtliche Verpflichtung aus Artikel 3 Absatz 1und Artikel 1 Absatz 4 der Entsenderichtlinie. Als mitgliedstaatlicheMaßnahme zur Umsetzung insoweit voll harmonisierten Rechts stehtAbsatz 4 Satz 2 nicht mehr im Anwendungsbereich der Grundfreiheitenund der vom Europäischen Gerichtshof für die Beurteilung der Recht-mäßigkeit autonomer mitgliedstaatlicher Maßnahmen entwickeltenRechtsfertigungsprüfung. Denn jene Rechtsprechung greift nur für mit-gliedstaatliche Maßnahmen außerhalb harmonisierten Rechts (grund-sätzlich: EuGH, Rs. 120/78, Cassis de Dijon, Rn. 8; aus jüngerer Zeit:EuGH, Rs. C-112/05, Volkswagen, Rn. 72 f.). Die vom EuropäischenGerichtshof letztlich wohl als obiter dictum vorgenommene Beurtei-lung vergaberechtlicher Entlohnungsvorgaben in der EntscheidungRüffert (EuGH, Rs. C-346/06, Rn. 36 ff.) allein anhand der Dienstleis-tungsfreiheit, der zu Folge eine auf den Bereich öffentlicher Vergabebeschränkte Mindestlohnvorgabe keine durch den Zweck des Arbeit-nehmerschutz gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheitdarstelle, kommt darum im Falle von Absatz 4 von vorne herein nichtzur Anwendung.

Die Entsenderichtlinie selbst ist als Maßnahme des europäischen Ge-setzgebers gleichfalls nicht der für die autonomen Maßnahmen derMitgliedstaaten entwickelten und geltenden Rechtfertigungsprüfungenfür Grundfreiheitsbeschränkungen zu unterwerfen. Das gilt auch inso-weit als Artikel 4 Absatz 1 vergaberechtliche Mindestentgeltvorgabeneinschließt, die als autonome mitgliedstaatliche Maßnahmen bei unmit-telbarer Anwendung der Grundfreiheiten nicht zu rechtfertigen wären.Jener Unterschied rührt daher, dass der europäische Gesetzgeber mitBlick auf die Ausgestaltung des Binnenmarktes und der diesen kenn-zeichnenden Grundfreiheiten (vgl. Artikel 3 Abs. 1 Buchst. c) EG) einweites Gestaltungsermessen genießt (grundlegend: EuGH, Rs. 37/83,Rewe, Rn. 20; weiterhin: EuGH, Rs. C-233/94, Deutschland gegen Par-lament und Rat; EuGH, Rs. C-168/98, Luxemburg gegen Parlamentund Rat). Die Grenzen dieses Gestaltungsermessens hat der europäi-sche Gesetzgeber mit der diskriminierungsfreien Einbeziehung auchvergaberechtlicher Mindestlohnvorgaben in die Verpflichtung der Mit-gliedstaaten aus Artikel 3 Absatz 1 der Entsenderichtlinie sicher nichtüberschritten.

Dieses politische Gestaltungsermessen ist dem europäischen Gesetzge-ber auch nicht über den Umweg einer engen und zweckwidrigen „pri-märrechtskonformen Auslegung“ von Artikel 3 Absatz 1 der Entsende-richtlinie zu nehmen.

Nach alledem würde ein Verzicht auf eine Einbeziehung EU-ausländi-scher Unternehmen in Absatz 4 eine Verletzung europäischen Rechtsdarstellen.

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Zu § 2Diese Regelung ist erforderlich, um die Mindestentlohnung des § 1Abs. 4, welche die Grundsicherung gewährleistet, den sich verändern-den wirtschaftlichen Verhältnissen ohne aufwendiges Gesetzgebungs-verfahren anpassen zu können.

Zu § 3Die Regelung steht in engem Zusammenhang mit den Regelungen des§ 1, weil ein Angebot, bei dem Zweifel an der Angemessenheit beste-hen, den Verdacht in sich trägt, nicht kostendeckend bzw. in den Perso-nalkosten unter Missachtung der tariflichen Verpflichtungen kalkuliertzu sein. Dem Bieter ist dann eine Frist zur Vorlage seiner Kalkulations-unterlagen zu setzen, um sich von der Ordnungsgemäßheit seiner Preis-berechnungen zu überzeugen. Kommt er der Vorlagepflicht nicht nach,ist sein Angebot zwingend auszuschließen, da dieser Bieter als unzu-verlässig einzustufen ist.Kann (oder will) der Bieter, dessen Angebot 10 v. H. unter dem Preisdes nächst höheren Angebots liegt, seine Kalkulation nicht offen legen,so ist er zwingend vom weiteren Verfahren auszuschließen.

Zu § 4

Die Regelung dient der Bekämpfung von Schwarzarbeit und schütztdas geltende Tarifvertragssystem. Hervorzuheben ist hierbei, dass füralle weiteren Untervergaben der Nachunternehmer ebenfalls die Vo-raussetzungen des § 4 gelten.

Zu § 5Abs. 1 und 2 führen das Recht und die Verpflichtung zu Kontrollendurch den öffentlichen Auftraggeber ein und legen den Umfang des zuKontrollierenden und von den Unternehmen Vorzulegenden fest. DieseRegelungen sind notwendig, um die sich bewerbenden Unternehmenvon dem Durchsetzungswillen des Gesetzgebers zu überzeugen und beiVerdacht auf Verstöße, den öffentlichen Stellen wie den Unternehmenzu verdeutlichen, was in welchem Umfang kontrolliert werden darf.Dabei wird [der Gesetzgeber] verpflichtet, für alle Auftragsüberprüfun-gen eine eigene Kontrollgruppe zu bilden.Diese Kontrollkommission ist für die Umsetzung des Vergabegesetzesauch unumgänglich, da die Kommunen in der Regel für wirkungsvolleKontrollen personell unzureichend ausgestattet sind und zudem einegeneralpräventive Wirkung durch die Kontrollen erzielt wird.Ohne das aktive Handeln der öffentlichen Vergabestellen im Sinneeiner effektiven Kontrolle und Sanktionierung würde das Vergabege-setz lediglich ein deklaratorisches Papier bleiben. Alle Vergabestellenmüssen deutlich daran erinnert und dazu verpflichtet werden, diesesGesetz auch umzusetzen, da nur so nachhaltig eine Verhinderung einesVerdrängungswettbewerbs über die Lohnkosten, die Bekämpfung derArbeitslosigkeit, der Schutz von tarifgebundener Beschäftigung, dieErhaltung von gesellschaftlich wünschenswerten Arbeitsbedingungenund sozialen Standards, die Entlastung der Systeme der sozialen Siche-rung und der Schutz des geltenden Tarifvertragssystems gewährleistetwerden kann.

Zu § 6Abs. 1 und 2 stellen klar, dass ein Verstoß gegen die im Gesetz nieder-gelegten Pflichten für das jeweils betroffene Unternehmen massiveStrafen nach sich zieht. So wird in Abs.1 eine Vertragsstrafe festgelegtund in Abs. 2 das sofortige fristlose Kündigungsrecht fixiert.Abs.3 regelt darüber hinaus die Dauer der Frist, bei der Unternehmenvon öffentlichen Aufträgen auszuschließen sind, die gegen ihre aus demGesetz folgenden Verpflichtungen verstoßen haben. Dabei wird durchdie gewählte Formulierung sichergestellt, dass „alle“ – also auch alleNachunternehmen, denen ein Verstoß nachgewiesen wurde, von derRegelung betroffen sind.Die obige Vertragsstrafe ist auch wirkungsvoll, da sie sehr schnelldurch Abzug vom Werklohn vollzogen werden kann und für die öffent-lichen Auftraggeber einen Anreiz bietet, die Auftragnehmer und derenNachunternehmer tatsächlich zu kontrollieren. Gleichzeitig stellt derAusschluss in Abs. 3 eine empfindliche Strafe dar und entfaltet Präven-tionswirkung.

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Zu § 7

Absatz 1 stellt klar, dass die Vergabestellen im Land ………..nur um-weltfreundlich beschaffen werden und dabei schon im Vorfeld, also beider Planung von Beschaffungen, darauf geachtet wird, dass möglichstumweltfreundliche Produktionsverfahren zur Anwendung kommen undunnötige Lieferwege vermieden werden. Die Verpflichtung zur Berück-sichtigung umweltbezogener Belange ist nach § 97 Abs. 4 GWB ge-deckt.Absatz 2 gibt die Ermächtigung, Details durch Verwaltungsvorschriftenzu regeln. Dies hat den Vorteil, dass nicht bei dem zu erwartenden Fort-schritt in der Entwicklung neuer umweltfreundlicher Produkte und Ver-fahren jedes Mal das Gesetz geändert werden muss.

Zu § 8

Gem. § 97 Abs. 4 GWB können für die Auftragsausführung zusätzlichesoziale Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, wenn sie imsachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen undsich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Die IAO- Kernarbeitsnor-men zählen zu solchen zusätzlichen Anforderungen.Die IAO-Kernarbeitsnormen werden in den in Absatz 1 genannten achtvölkerrechtlichen Übereinkommen konkret ausgestaltet und sind beider Auftragsvergabe zwingend zu berücksichtigen. Alle Mitgliedstaa-ten der Internationalen Arbeitsorganisation haben sich in der „Erklä-rung über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit“ am18. Juni 1998 zu den Kernarbeitsnormen bekannt.Die Beachtung der IAO-Kernarbeitsnormen in Abs. 2 wird im Stadiumder Vertragsausführung als ergänzende Vertragsbedingung zu einer ver-traglichen Pflicht des Auftragnehmers.Damit sollen öffentliche Auftraggeber ihrer gesellschaftlichen Verant-wortung und ihrer Vorbildfunktion auch im Hinblick auf den globalenZulieferwettbewerb besser gerecht werden.Die mögliche Verletzung der IAO-Kernarbeitsnormen in den Entwick-lungs- und Schwellenländern steht angesichts einer immer dynami-scheren Globalisierung mit zunehmender internationaler Arbeitstei-lung, wachsenden Güter- und Warentausch und verstärktem globalemWettbewerb immer mehr in engem Zusammenhang mit dem Konsum-verhalten hierzulande, insbesondere der steigenden Nachfrage nachkostengünstigen Produkten und Vorleistungen aus den sich entwickeln-den Ländern.Mit den Begriffen „Waren und Warengruppen“ in Abs. 3 können gege-benenfalls sowohl Rohstoffe wie Natursteine als auch industrielle undandere Erzeugnisse erfasst werden. Um unnötigen bürokratischen Auf-wand für Bieter und öffentliche Auftraggeber zu vermeiden, wird dieAnwendung auf in einer speziellen Liste genannte Waren und Waren-gruppen begrenzt, bei denen Erkenntnisse über mögliche Fälle vonMissachtung der IAO-Kernarbeitsnormen vorliegen.

Zu § 9

Schon in diesem grundlegenden Gesetz soll auf eine notwendige Frau-enförderung hingewiesen werden. Die Vorschrift ist durch § 97 Abs. 4GWB gedeckt.

Zu § 10

Eine Berücksichtigung sozialer Belange ist ausdrücklich durch § 97Abs. 4 GWB gedeckt. Gleichzeitig wird ein wirkungsvoller Anreiz fürUnternehmen geschaffen, berufliche Erstausbildung durchzuführen.Die Regelung in § 10 verstößt auch nicht gegen europarechtliche Be-stimmungen, da in der bereits zitierten Rüffert-Entscheidung desEuGH ausdrücklich die Berücksichtigung sozialer Belange in Landes-vergabegesetzen erlaubt wird.

Zu § 11

Die Regelung legt die Auftragssumme fest, ab der vom Auftraggebereine Sicherheitsleistung bei der Ausführung von Aufträgen verlangtwerden kann. Die Bestimmung lässt Raum für eine sachgerechte, dieUmstände des Einzelfalls berücksichtigende Anwendung.

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Zu § 12Auf eine beschränkte Geltungsdauer wird bewusst verzichtet, da nur soeine dauerhafte Verhinderung eines Verdrängungswettbewerbes überdie Lohnkosten, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der Schutz vontarifgebundener Beschäftigung, die Erhaltung von gesellschaftlichwünschenswerten Arbeitsbedingungen und sozialen Standards, die Ent-lastung der Systeme der sozialen Sicherung und der Schutz des gelten-den Tarifvertragssytems gewährleistet werden kann. Eine Beschrän-kung der Geltungsdauer würde die Akzeptanz des Gesetzes und die Be-folgungsbereitschaft der Normunterworfenen, insbesondere auch derkommunalen Auftraggeber mindern.

Antragsbereich A

Antrag 42Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandMecklenburg Vorpommern

Einführung von Landesvergabe-/Landestarif-treuegesetzen in allen Bundesländern

Die AfA-Bundeskonferenz fordert die Einführung von Landesver-gabe/Landestariftreuegesetzen in allen Bundesländern und im Bundzum jeweils frühest möglichen Zeitpunkt. Alle SPD-Abgeordneten inden jeweiligen Landesparlamenten werden aufgefordert, sich umfas-send und massiv für die Einführung dieses Gesetzes einzusetzen.

Begründung:Wir brauchen endlich tarifliche und soziale Mindeststandarts bei öf-fentlichen Aufträgen, denn zu viele Menschen können nicht von ihrereigenen Arbeit leben. Nur dann schaffen wir wesentliche Voraussetzun-gen für eine sozial gerechte Gesellschaft. Angesichts der tiefen Wirt-schafts- und Finanzkrise sind dies unabdingbare Mindestbedingungen,auf welche die Arbeitnehmer Anspruch haben.

Antragsbereich A

Antrag 43Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandRheinland-Pfalz

Keine Privatisierung der BA, Bundesagenturfür Arbeit

Begründung:Das Vermögen der Bundesagentur ist – zumindest zu 50% – das Ver-mögen der Arbeitnehmer, auch der Erwerbslosen! Alle Bestrebungenzur Privatisierung sind abzulehnen.Die Betreuung, Beratung, Vermittlung und Förderung sowie die sozialeAbsicherung von erwerbslosen Menschen kann nicht Gegenstand pri-vaten Gewinnstrebens sein.

Antragsbereich A

Antrag 44Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBayern

Anpassung des deutschen Arbeitsrechts an dieinternational geltenden Menschenrechte

Die AfA fordert die SPD-Bundestagsfraktion dazu auf, umgehend einerechtlich belastbare Gesetzesinitiative zu erarbeiten, die den Rechts-

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Parteivorstand

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Landtagsfraktionen

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Parteivorstand

Erledigt durch Gesetzentwurf der SPD-BundestagsfraktionBT-Drs. 17/648

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grundsatz „In dubio pro reo“ auch im deutschen Arbeitsrecht zum Re-gelfall macht. Außerdem ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit derMittel dabei stärker in der bundesdeutschen Arbeitsgesetzgebung zuverankern.

Begründung:

Das kürzlich durch die Medien gehende Arbeitsgerichtsurteil, bei demeine Arbeitnehmerin durch Verdachtskündigung für die Unterschla-gung von Pfandbons im Wert von 1,30 Euro verurteilt wurde, hat ge-zeigt, in welchem extremen Missverhältnis gängige Arbeitsrechtsspre-chung zur Lebensrealität bundesdeutscher ArbeitnehmerInnen des be-ginnenden 21. Jahrhunderts steht.Geltende Rechtslage ist: Nicht ein Arbeitgeber muss die Schuld einesBeschäftigten beweisen, sondern ein Arbeitnehmer im Zweifel seineUnschuld vor Gericht! Und dies in einer Zeit, in der ein 50-jähriger Ar-beitnehmer selbst mit gutem Arbeitszeugnis erhebliche Probleme hat,nach einer Kündigung wieder im Erwerbsleben Fuß zu fassen. Einederartige Kündigung bewirkt in der Regel eine vollständige wirtschaft-licher Vernichtung des Betroffenen.Im Strafrecht ist – im Gegensatz zum Arbeitsrecht – sogar jeder ver-meintliche Mörder so lange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuldzweifelsfrei erwiesen ist. Durch eine solche Arbeitsrechtssprechung istes außerdem ein Leichtes, missliebigen ArbeitnehmervertreterInnenund BetriebsrätInnen zum Beispiel ein Bagatelldelikt unterzuschieben,um diese zu kündigen.Der Grundsatz „In dubio pro reo“ – „Im Zweifel für den Angeklagten“abgeleitet aus Art. 103 II GG, Art. 6 II EMRK sowie aus § 261 StPO istim deutschen Recht gesetzlich nicht normiert, hat aber trotzdem für dasStrafrecht Verfassungsrang. Eine Kündigung im Arbeitsrechtsstreit hatfür viele ArbeitnehmerInnen allerdings schlimmere soziale Auswirkun-gen, wie sie beispielsweise eine Verurteilung auf Bewährung im Straf-recht nach sich zöge.Unabhängig davon entspricht die Entlassung einer/s Beschäftigten,der/die 30 oder 40 Jahre in einem Betrieb gearbeitet hat und schlimms-tenfalls Mundraub begangen hat, in keiner Weise modernen, ethischvertretbaren Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit in einem demokrati-schen Rechtsstaat.

Antragsbereich A

Antrag 45Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBrandenburg

Ächtung vermeidbarer Nachtarbeit!

Der AfA-Bundeskongress will, dass die politischen Rahmenbedingun-gen für Nachtarbeit verschärft werden. Hierzu zählen:

– Nachtarbeit soll nur unter klaren Bedingungen genehmigt werdendürfen und unter Aufsicht gestellt werden.

– Die gesellschaftlichen Kosten der Nachtarbeit für erhöhte Belastungder Gesundheit und Frühverrentungen von NachtarbeiterInnen sollenüber gesonderte Sozialbeiträge der Arbeitgeber betrieblich bezahltwerden.

– Nach jeder Nachtschichtphase muss es vorgeschriebene vollbezahlteErholungsschichten geben.

Der Bundesvorstand wird aufgefordert, zu dieser Fragestellung einKonzept zu entwickeln. Hierfür soll der Bundesvorstand eine Tagungbis zum nächsten Bundeskongress durchführen, wozu Gewerkschafter,Arbeitswissenschaftler, Arbeitgebervertreter und Politiker eingeladenwerden. Die Ergebnisse der Tagung und das Konzept werden demnächsten Bundeskongress vorgelegt.

Begründung:

Der Mensch ist tagaktiv. Nachtarbeit widerspricht total seiner Natur.Der Nachtschlaf ist für jeden Menschen zur Regeneration unabdingbar.Wird diese Regeneration gestört, wird die komplette Gesundheit gra-

Überweisung an:

SPD-Parteivorstand

Zukunftswerkstatt gut und sicher leben

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vierend gefährdet. Der Ausspruch „Nachtarbeit schädigt Ihre Gesund-heit und verkürzt Ihr Leben“ stimmt. Deshalb ist Nachtarbeit alsschwerst belastende Arbeit zu vermeiden.Statt dass die Nachtarbeit zurückgedrängt wird, nimmt sie zu. 2008 ar-beiteten in Deutschland 6,3 Millionen Erwerbstätigen nachts, dies sindüber 1,1 Millionen oder 22 % mehr als 1991. Ziel muss es sein, Nacht-arbeit auf das gesellschaftlich nötige Maß zurückzudrängen. Dabei istdie Sicherheit und Versorgung der Bevölkerung in der Nacht zu ge-währleisten sowie technisch notwendige Nachtarbeit zu berücksichti-gen.

Das einfachste Mittel ist, dass der Preis der Nachtarbeit die individuel-len und gesellschaftlichen Mehrkosten für Verlust von Gesundheit, Le-bensqualität und Lebensjahre berücksichtigt. Die Nachtarbeit mussrichtig teuer werden. Dabei ist auch zu prüfen, inwieweit steuerlicheVorteile durch Entgeltsteigerungen schrittweise ersetzt werden können.Nicht die Gesellschaft, sondern die Verursacher haben die Kosten derNachtarbeit zu tragen. Dies gilt auch für den Gesundheitsbereich. DieMehrkosten der Nachtarbeit, z. B. in den Krankenhäusern, könnendurch höhere Beiträge der Arbeitgeber zur gesetzlichen Krankenkasseum ein Mehrfaches ausgeglichen werden.

Der ökonomische Anreiz durch einen hohen Preis der Nachtarbeit wirdnicht ausreichen. Es geht auch um eine gesellschaftliche Ächtung dervermeidbaren Nachtarbeit. Wichtig ist, dass ins Zentrum der gesell-schaftlichen Diskussion bezüglich guter Arbeit folgende Frage rückt:„Ist die jeweilige Nachtarbeit wirklich sinnvoll und wie ist ein sozio-kulturell gerechter Ausgleich und größtmöglicher Gesundheitsschutzhierfür zu schaffen?“

Antragsbereich A

Antrag 46Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandSchleswig-Holstein

Sabbat Jahr

Die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion werden aufgefordert sichfür einen Rechtsanspruch auf ein Sabbat-Jahr einzusetzen.

Begründung:

Der Anspruch auf ein Sabbat-Jahr sollte gesetzlich geregelt werden, umeine Gleichbehandlung zwischen einerseits den Beamten und Arbeit-nehmern im öffentlichen Dienst und andererseits den Arbeitnehmern inder freien Wirtschaft zu erreichen.

Eine Regelung über Tarifverträge ist schwer zu erreichen, da immermehr Betriebe keinem Arbeitgeberverband angehören.

Ausgestaltung:

Der gesetzliche Anspruch sollte möglichst flexibel ausgestaltet werden.Als Höchstgrenze könnte ein Zeitraum von 10 Jahren gelten.

Dazu zwei Beispiele:

1. Der Arbeitnehmer erhält 4 Jahre lang 3/4 seines Gehalts. Davon ar-beitet er die ersten 3 Jahre und bleibt im 4. Jahr zu Hause.

2. Der Arbeitnehmer erhält 10 Jahre lang 9/10 seines Gehalts. Davonarbeitet er die ersten 9 Jahre und bleibt im 10. Jahr zu Hause.

Um den Arbeitnehmer abzusichern (Insolvenz/Betriebsstilllegung)wird der Differenzbetrag auf ein Sonderkonto eingezahlt, einschließ-lich der Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers.

Im Sabbat-Jahr wird dieses Sonderkonto dann nach und nach aufgelöst.Der Arbeitnehmer entrichtet dann davon auch die Sozialversicherungs-beiträge. Durch die angefallenen Zinserträge werden steigende Sozial-versicherungsbeiträge teilweise abgefedert.

Überweisung an:

SPD-Parteivorstand

Zukunftswerkstatt gut und sicher leben

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Antragsbereich A

Antrag 47Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Weser-Ems

Arbeitsmarktdienstleistungen

Wir fordern die SPD-Bundestagsfraktion auf, darauf hinzuwirken, dassbei der Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen durch die Arbeits-agenturen / ARGEn stärker der Gesichtspunkt der Qualität und dieNähe zum Arbeitsmarkt berücksichtigt wird.Bei niedrigen Angebotspreisen ist darüber hinaus zu prüfen, zu wel-chen Bedingungen das einzusetzende Bildungspersonal beim Anbieterbeschäftigt wird. Ähnlich wie bei öffentlichen Ausschreibungen z. T.gefordert sollte auch hier so etwas wie eine Tariftreue gefordert undüberprüft werden.Begründung:Zur Verbesserung der Berufsperspektiven von Arbeitslosen / Arbeitssu-chenden lassen die die Bundesagentur für Arbeit bzw. die regionalenArbeitsagenturen und ARGEn durch unterschiedliche BildungsträgerMaßnahmen durchführen. Diese reichen von ausbildungsbegleitendenHilfen über Qualifizierungs- und Trainingsmaßnahmen bis hin zu Um-schulungen und Ausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen. Beider Vergabe solcher von der Arbeitsagentur bzw. den regionalen Ein-kaufszentren der Arbeitsagentur ausgeschriebenen Maßnahmen sindneben Qualitätskriterien Kriterien der Wirtschaftlichkeit ausschlagge-bend. In den vergangenen Jahren ist jedoch vermehrt festzustellen, dassvor allem durch überregionale Anbieter die Angebotspreise auf einemsolch niedrigen Niveau liegen, dass bewährte regionale Bildungsträgermit fest angestelltem qualifiziertem Personal kaum noch Chancen aufdiesem Bildungsmarkt haben. Diese „Dumpingpreise“ einiger Bil-dungsanbieter sind nur möglich durch „Dumpinglöhne“, die den Do-zenten, Ausbildern, Sozialpädagogen etc. in derartigen Maßnahmen ge-zahlt werden. Wie schon in anderen Wirtschaftsbereichen hat dies auchauf dem Bildungsmarkt dazu geführt, dass bewährte Bildungsträgerqualifiziertes Personal in erheblichem Umfang entlassen mussten.Durch diese Entwicklung werden bewährte Strukturen zumindest teil-weise zerstört, regional verankerte Bildungsträger durch überregionaleverdrängt und reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze ver-nichtet. Dies geht letztlich auch zu Lasten der zu qualifizierenden Teil-nehmer an solchen Bildungsmaßnahmen, da regionale Träger in derRegel weit bessere Kontakte zu potentiellen Arbeitgebern vor Orthaben. Mag sein, dass diese Entwicklung unter „betriebswirtschaftli-chen“ Gesichtspunkten sinnvoll ist (Einkauf von Bildungsdienstleistun-gen zu geringeren Kosten/Preisen). Volkswirtschaftlich allerdings wirdsich dies auf längere Sicht als Bumerang erweisen- ganz abgesehen vonden sozialen Aspekten.

Antragsbereich A

Antrag 48Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Weser-Ems

Arbeitslosengeld

Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert einen Gesetzentwurf inden Bundestag einzubringen, der folgendes vorsieht: Die Bezugsdauervon Arbeitslosengeld für Arbeitslose wird in Abhängigkeit des Bei-tragszeitraumes bestimmt. Wer länger eingezahlt hat bekommt stufen-weise länger diese Leistung.

Begründung:

Arbeitnehmer bis zum Alter von 55 Jahren bekommen bei Arbeitslosig-keit 1 Jahr Arbeitslosengeld und danach nur noch Hartz IV, egal wielange sie vorher in die Arbeitslosenkasse eingezahlt haben. Dies wider-spricht jeglichem Gerechtigkeitsempfinden und kann z. B. für einen50-jährigen bedeuten, der 30 Jahre in die Kasse eingezahlt hat, genau

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Parteivorstand

Erledigt durch Beschluss der AfA-Bundeskonferenz 2006

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wie ein junger Arbeitnehmer, der vielleicht 2 Jahre eingezahlt hat, nach12 Monaten den totalen Abstieg auf Hartz IV-Niveau zu erleben. Dasmuss schnellstens korrigiert werden.

Antragsbereich A

Antrag 49Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

Verbesserung des Bildungsangebotes

Die AfA Bundeskonferenz möge beschließen, dass sich der AfA-Vor-stand in allen Gremien der SPD nachdrücklich für die Verbesserung desBildungsangebotes für alle Bevölkerungsschichten einsetzt.Begründung:Die Bundesrepublik findet sich im internationalen Bildungsvergleichnicht an der Position, die notwendig und wünschenswert für die Zu-kunft unseres Landes ist. Der Tendenz, dass Armut, die durch den Ver-lust der Arbeitsstelle entstanden ist, bildungsferne Schichten hervor-bringt, die sich durch die Generation „vererben“ muss entschieden ent-gegengewirkt werden. Es gilt, alle Menschen in den Stand zu versetzen,ihr Leben selbständig und eigenverantwortlich gestalten zu können.Hierzu müssen finanzielle Mittel bereitgestellt und sinnvoll verwendetwerden. Auf der kindlichen Frühförderung muss dabei ein neuerSchwerpunkt liegen.

Antragsbereich A

Antrag 50Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandSchleswig-Holstein

Abschaffung des Gesetzes zur zentralen Einkommensspeicherung „ELENA“

Grundlage für die Erhebung persönlicher Arbeitnehmerdaten, die seitdem 01.01.2010 von jeder erwerbstätigen Person erhoben werden, istein Gesetz vom 28. März 2009. Mit Hilfe des ELENA Verfahrensgeset-zes (Gesetz über das Verfahren des elektronischen Entgeltnachweises)soll die Zentrale Einkommensspeicherung von Arbeitnehmerdaten le-galisiert werden.Die AfA-Bundeskonferenz möge beschließen, dieses Gesetz aus Grün-den des Verfassungs- und Datenschutzrechtes abzulehnen. Die AfABundeskonferenz möge ferner beschließen, dass zur weiteren Untersu-chung des rechtlichen Hintergrundes von ELENA beim Bundesvor-stand eine zentrale Arbeitsgruppe eingerichtet wird, die Risiken undGefahren des Datenerfassungssystems erarbeitet mit dem Ziel einesStopps von ELENA.

Begründung:

Am 01.01.2010 ist deutschlandweit das ELENA (elektronischer Ent-geltnachweis) Verfahrensgesetz in Kraft getreten. Es wurde initiiert, umdurch digital bereitgestellte personenbezogene Daten die Beantragungvon Sozialleistungen zu vereinfachen. Zukünftig sind daher alle Arbeit-geber verpflichtet, monatlich für jeden ihrer Beschäftigten einen aus-führlichen Datensatz mit sensiblen persönlichen Informationen an einezentrale Speicherstelle des Bundes zu übermitteln. Diese Regelung be-trifft über 40 Millionen Menschen, unabhängig davon, ob sie jemals

Annahme

Weiterleitung an:

AfA-Bundesvorstand

Erledigt bei Annahme von A 54

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Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Die Speicherung geschiehtdamit auf Vorrat. Die Betroffenen haben kein Widerspruchsrecht. Be-reits gegen die Vorratsdatenspeicherung hat das Bundesverfassungsge-richt geurteilt. Hier wird durch die Hintertür quasi eine adäquate Vor-ratsdatenspeicherung mit anderen Vorzeichen legalisiert. Es sollen hierunter anderem auch Daten zu Fehlzeiten, Krankheitszeiten, Streikaus-fallzeiten und andere hoch sensible Daten jedes einzelnen Arbeitneh-mers gespeichert werden.

Nominell basiert ELENA auf der seinerseits eingesetzten Kommission„Moderne Dienstleistungen am Arbeitsplatz“ unter dem Vorsitz vonPeter Hartz von der rot-grünen Bundesregierung. Die Schröder-Regie-rung pries das Projekt im Jahr 2002 als Meilenstein der Entbürokrati-sierung mit dem Vorhaben „JobCard“ an. Der Bundestag stimmte demGesetz zum Elena-Verfahren am 28.03.2009 zu. Der Zentralspeichersoll schrittweise ausgebaut werden. Von 2015 an sind dort auch die Ein-künfte aus Krankengeld, Kurzarbeiter- und Arbeitslosengeld sowieRentenzahlungen registriert. Der Verwendungsbereich von Elena istausbaufähig: nicht nur Arbeitsagenturen, Kindergeld- und Wohngeld-stellen können die Informationen gebrauchen, sondern auch die Ren-tenversicherung. Das Projekt soll – so die Gesetzesbegründung – Pa-pierkram ersparen und Arbeitgeber entlasten. Diese werden von 2012an von der Pflicht entbunden, Entgeltbescheinigungen für ihre Mitar-beiter auf Papier auszudrucken. Die Arbeitnehmer erhalten dann statt-dessen eine Plastikkarte im Scheckkartenformat. In der Tat registriertder Zentralspeicher in Würzburg – er ist bei der Datenstelle der Trägerder Rentenversicherung eingerichtet – auch Informationen über Fehl-zeiten, Fehlverhalten, Abmahnungen. Erfasst wird, wer streikt und wielange er das tut – egal ob es sich um einen legalen oder einen illegalenStreik handelt. Erfasst wird auch, wer vom Arbeitgeber ausgesperrtwurde. Elena will darüber ebenso Bescheid wissen wie über die ganznormalen Beschäftigungs- und Krankheitszeiten, Kündigungsfristenund -gründe, weil diese Angaben Auswirkungen auf die Gewährungvon Arbeitslosengeld haben können. Vom Zentralcomputer erfasst wer-den aber nicht nur die Daten sozialversicherungspflichtiger Arbeitneh-mer, sondern auch die von Soldaten, Beamten und Richtern, von Perso-nen also, die kaum in die Lage geraten, Arbeitslosengeld zu beantra-gen. Wenn sie Sozialleistungen beantragen, übergeben sie die Kartedem Sachbearbeiter der Behörde zum Datenabruf. So soll die Bearbei-tung von Anträgen auf Arbeitslosengeld oder Wohngeld beschleunigtund zugleich Sozialbetrug verhindert werden.

Die Gewerkschaft ver.di hat diese Datenspeicherung heftig kritisiertund sich den Bedenken von Datenschützern angeschlossen. FrankBsirske, ver.di-Bundesvorsitzender, sprach von einer Detailversessen-heit, bei der „Missbrauch fast programmiert“ sei. Sinn mache ELENA,wenn Beschäftigte nicht mehr bei ihrem Arbeitgeber vorstellig werdenmüssen, weil sie Wohngeld beantragen wollen; das gehe den Chefnichts an. Aber die Liste der an ELENA zu meldenden Daten umfassemittlerweile 41 Seiten.

Die „Totalerfassung“ mit dem System ELENA erinnert an George Or-wells „1984“. ELENA erfasst nämlich nicht nur die Einkünfte sämtli-cher Beschäftigen in Deutschland, sondern auch sämtliche Informatio-nen, die irgendwie Einfluss auf das Einkommen haben: Krankheitstage,Fehl- und Streikzeiten. ELENA ist ein Ich-weiß-fast-alles-Computer. Jemehr Nutzer einen Zugang haben, umso gefährlicher wird die Ge-schichte. Da es zurzeit noch keine klaren Ausführungsanweisungengibt, wer was wann unter welchen Kriterien einsehen darf, ist heuteschon absehbar, dass nicht nur die Arbeitsagenturen, Kindergeld- undWohngeldstellen darauf Zugriff haben, sondern auch die Rentenversi-cherer und beispielsweise, die Gerichte – um mittels der Computerda-ten Anträge auf Prozesskostenhilfe zu überprüfen und über Klagen aufUnterhalt zu entscheiden. Und irgendwann wird auch der ArbeitgeberZugriff haben, weil er das im Datenschutz übergeordnete „berechtigteInteresse“ hat.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat zu demELENA-Verfahren eine Broschüre „Weniger Bürokratie – mehr Effi-zienz“ herausgegeben. Entbürokratisierung kann nicht der Grund sein,um eine monströse staatliche Datenerfassungsbürokratie aufzubauen.

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Antragsbereich A

Antrag 51Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

ELENA-Verfahrensgesetz

Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert, parlamentarische Ini-tiativen zu ergreifen, um das Gesetz über das Verfahren des elektroni-schen Entgeltnachweises (ELENA-Verfahrensgesetz) vom 28. März2009 wieder abzuschaffen

Begründung:Die Einführung des elektronischen Entgeltnachweises ELENA wurdeEnde 2009 durch den Beirat in eine Umsetzungsverordnung mit einer70seitigen Durchführungsbestimmung zugelassen. Diese Durchfüh-rungsbestimmung zum Gesetz wird eindeutig als verfassungswidrigmit der Datenbevorratung von ca. 40 Millionen Arbeitnehmern einge-stuft und ist rechtswidrig.Für alle Arbeitnehmer werden ab 01.01.2010 alle entgelt- und sozial-versicherungsrelevanten Daten erfasst und durch den Arbeitgeber aneine zentrale Speicherstelle der Deutschen Rentenversicherung weiter-gemeldet.Der Arbeitnehmer wird in Einzelteile zerlegt, z.B. Adresse, Steuer-klasse, Kinderfreibetrag, Einkommen, Anzahl der Arbeitsstunden, achtverschiedene Gründe für Abwesenheit (Allgemeine Abwesenheiten),Gründe für Abmahnungen und Kündigungen, freie Textfelder für Be-merkungen von Arbeitgebern usw., alles wird zentral gespeichert.Mit dem Ziel, wer zukünftig Sozialleistungen beantragt, wie z.B.Wohngeld, Arbeitslosengeld, Elterngeld muss er bei Antrag durch ein-malige Freigabeerklärung seine Daten freigeben. Danach ist der An-tragsteller nicht mehr Herr seiner Daten.Das Ziel des gläsernen Menschen scheint damit erreicht. Hiermit wirdein Datenmonster auf gesetzlicher Grundlage geschaffen, die in dieserForm abzulehnen ist. Dieses in der Öffentlichkeit kaum dargestellteGesetz wurde durch einen Petitionsantrag von über 24.000 Unterzeich-nern abgelehnt.Die Gewerkschaften und der Bundesdatenschützer sehen hier Hand-lungsbedarf zum Schutz des Arbeitnehmers bestimmte Daten nicht zuerfassen.

Antragsbereich A

Antrag 52Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandSaar

ELENA

Die Delegierten der Bundeskonferenz werden aufgefordert, gemeinsammit Verdi und DGB dafür Sorge zu tragen, dass der Elektronische Ent-geltnachweis, kurz ELENA genannt verfassungsrechtlich unbedenklichwird. Hierbei müssen die von Verdi, DGB und dem Bundesdaten-schutzbeauftragten genannten Forderungen zum bereits in Kraft getre-tenen Gesetz komplett ins Gesetz übernommen werden.Wir fordern dazu auf, engmaschig zu prüfen, ob dies geschieht , fernersind alle Gremien innerhalb der SPD über den Stand der Diskussion zuunterrichten und sollte Verdi und der DGB eine Verfassungsklage erhe-ben müssen , fordern wir die SPD-Bundestagsfraktion auf, diese aktivzu unterstützen.Elena ruft bei GewerkschaftlerInnen, DatenschützerInnen und vielenanderen gut begründete Ängste hervor. Wir finden, dass Elena nichtverfassungsgemäß ist, da Daten gesammelt werden, die die persönlicheFreiheit beschneiden, ohne dass dies durch zwingende Erwägungen ge-rechtfertigt ist. Das z. Z. Korrekturverhandlungen zu ELENA durchge-

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führt werden begrüßen wir, dennoch ist es zwingend erforderlich, dassauch wir mit dazu beitragen, das der Druck auf die Parteien und Gre-mien durch unseren Antrag erhöht wird. Denn ELENA kam aus derrot/grünen Regierung.Elena beschneidet eklatant das Recht auf informelle Selbstbestim-mung, da sensible Daten wie z. B. Gewerkschafts- oder Parteimitglied-schaft, Streikbeteiligung, Fehlzeiten bzw. Abmahnungen, sowie Krank-heitsdaten erfragt werden können. Solche Daten können auch ohneWissen der ArbeitnehmerInnen an Behördenstellen weitergeleitet wer-den. Es ist insbesondere nicht vertretbar, dass dies erfolgen kann, ohne,dass die Betroffenen Kenntnis über die weitergegebenen Daten erhal-ten, und ohne dass die betriebliche Mitbestimmung greift.Wir fordern deshalb die SPD- Bundestagsfraktion auf, eine Verfas-sungsklage gemeinsam mit Verdi und dem DGB, sofern dies nötig ist,gegen Elena zu prüfen!

Antragsbereich A

Antrag 53Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBayern

Unverzüglicher Stopp von „Elektronischer Einkommensnachweis“ ELENA

Die AfA setzt sich dafür ein, dass das Projekt „Elektronischer Einkom-mensnachweis (ELENA)“ unverzüglich gestoppt wird, um den Schutzvon Arbeitnehmerdaten vor Missbrauch sicher zu stellen.Dazu werden von der SPD politische Anstrengungen unternommen,eine gesellschaftliche Debatte über die zentrale Speicherung von Ar-beitnehmerdaten und den Arbeitnehmerdatenschutz zu initiieren. Zielist es, eine technisch moderne Datenerfassung aufzubauen, ohne dabeiArbeitnehmerrechte zu bedrohen oder zu verletzen.

Begründung:Am 01. Januar 2010 wurde der Elektronische Einkommensnachweis(ELENA) eingeführt. Im Rahmen von ELENA sollen die Arbeitgeberdetaillierten Arbeitnehmerdaten Monat für Monat elektronisch an die„Zentrale Speicherstelle“ des Bundes melden. ELENA soll die Arbeits-bescheinigungen ersetzen, die bislang in Papierform an die Sozialversi-cherungen geschickt werden mussten. Der neue Datenbogen umfasst41-Seiten. In dem Projekt „Elena“ sollen nun auch die Teilnahme anrechtmäßigen Streiks sowie Fehlzeiten am Arbeitsplatz oder Abmah-nungen von 40 Millionen Arbeitnehmern gespeichert werden. Erfasstwird auch, ob jemand vom Arbeitgeber „ausgesperrt“ wurde. Arbeitge-ber sollen Kündigungsgründe und Abmahnungen angeben oder beiEntlassungen das „vertragswidrige Verhalten“ schildern, das zur Ver-tragsauflösung geführt hat. Sachbearbeiter der Bundesagentur für Ar-beit, Sozialbehörden oder Gerichte sollen die elektronisch verschlüs-selten Daten jederzeit abrufen können.

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Parteivorstand

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Sozialpolitik

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Antragsbereich S

Antrag 1Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBaden-Württemberg

Gesetzliche Rentenversicherung

Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert, die gesetzliche Ren-tenversicherung als die tragende Säule der Lebensstandardsicherungder Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Alter und bei Erwerbs-minderung zu verteidigen und mittelfristig zu einer Erwerbstätigenver-sicherung auszubauen.

Dies bedingt kurzfristig:

1. Die Rücknahme der Heraufsetzung des Rentenzugangsalters auf 67Jahre.

2. Verbesserungen des Leistungsniveaus für Menschen, die langandau-ernd von Arbeitslosigkeit betroffen sind oder in prekärer Beschäfti-gung – insbesondere im Niedriglohnsektor – stehen.

3. Eine Erleichterung des Zugangs zur Erwerbsminderungsrente sowiedie Abschaffung der Rentenabschläge bei einem aus gesundheitli-chen Gründen erzwungenen vorzeitigen Rentenzugang.

4. Die Erhaltung der Möglichkeiten eines gleitenden Übergangs in denRuhestand für ältere Beschäftigte durch eine Fortsetzung der geför-derten Altersteilzeit über das Jahr 2009 hinaus sowie eine Verbesse-rung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Bezug einer Teil-rente.

Begleitet werden müssen diese dringend notwendigen Reformschrittevon einem grundsätzlichen Paradigmenwechsel: Die Notwendigkeitder Sicherstellung eines auskömmlichen Leistungsniveaus darf nichtlänger einem willkürlich gegriffenen Beitragssatzziel untergeordnetwerden.

Antragsbereich S

Antrag 2Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Unterbezirk Hagen

Erwerbsminderungsrente

Die AfA Hagen fordert die SPD-Fraktion im Bundestag und den SPD-Parteivorstand auf, sich für eine abschlagsfreie Rente bei voller Er-werbsminderung einzusetzen.

Begründung:Bei bestimmten medizinischen und versicherungsrechtlichen Voraus-setzungen kann man eine Erwerbsminderungsrente erhalten, bis mandie Regelaltersgrenze erreicht hat. Diese Rente wegen voller Erwerbs-minderung soll den Verdienst ersetzen, wenn man auf dem allgemeinenArbeitsmarkt für einen nicht absehbaren Zeitraum weniger als dreiStunden täglich arbeiten kann. Voll erwerbsgemindert ist man grund-sätzlich auch, wenn man in einer anerkannten Werkstatt für behinderteMenschen oder in einer anderen beschützenden Einrichtung beschäftigtist und wegen der Art und Schwere der Behinderung nicht auf dem all-gemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann. Beginnt die Rente vor dem 63.Lebensjahr, so muss der vermindert Erwerbsfähige zurzeit Rentenab-schläge in Kauf nehmen; für jeden Monat früherer Inanspruchnahme0,3 Prozent, insgesamt jedoch höchstens 10,8 Prozent. Der für die Er-werbsminderungsrente geltende Abschlag bleibt im Allgemeinen auchbei einer Folgerente (z. B. einer Alters- oder Witwen-/Witwerrente) be-stehen. Beginnt die Rente nach Vollendung des 63. Lebensjahres, ist sieabschlagsfrei.Verschärfend kommt noch hinzu, dass ab 2012 schrittweise die Alters-grenze auf das 65. Lebensjahr angehoben wird. Ab 2024 wird eine ab-schlagsfreie Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erst mit 65Jahren gezahlt.

Erledigt durch Antrag des AfA-Bundesvorstandes zum o. SPD-Bundesparteitag in Dresden 2009

Erledigt durch Antrag des AfA-Bundesvorstandeszum o. SPD-Bundesparteitag in Dresden 2009

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Deshalb muss die Abschlagsregelung abgeschafft werden. Ein Mensch,der eine schwere Behinderung durch Geburt oder einen Unfall hat, darfdafür nicht bestraft werden.

Antragsbereich S

Antrag 3Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Unterbezirk Soest

Reformierung der Altenpflege

Die AfA-Bundeskonferenz möge beschließen, dass– Einführung einer Bürgerversicherung – Keine Absenkung der Pflegefachquote – Erhalt und Ausbau der Pflegestützpunkte – Umlageverfahren für Ausbildung – Tätigkeit der Altenpflege aufwerten Die Situation in der Altenpflege ist reformbedürftig. Immer wieder gibtes Berichte über eine mangelnde Versorgung der Bewohner in Senio-reneinrichtungen. Nicht nur Demenzkranke sind schlecht versorgt. Dieambulante Pflege ist gegenüber der stationären benachteiligt. Immermehr Frauen aus Osteuropa arbeiten in deutschen Haushalten, pflegenSenioren. Oft arbeiten sie illegal – und liefern sich damit den Arbeitge-bern aus. Sie arbeiten für einen Hungerlohn 24 Stunden täglich. Aus-beutung ist die Regel, nicht nur bei den Pflegekräften aus Osteuropa.Generell wird Pflege in den kommenden Jahren mehr kosten. Das istauch eine Folge des Umstandes, dass eben immer mehr Menschen beiuns älter und auch hochbetagt werden. Aber dass wir länger leben,sollte uns zunächst mal freuen. Die Tatsache, dass wir älter werden unddass nach allen Voraussagen der Anteil der Pflegebedürftigen steigt,dieser Umstand wird dazu führen, dass wir Die Gesellschaft musszudem entscheiden, ob ihr mehr Geld brauchen. die Pflege mehr Geldwert ist. Wir meinen, die Pflege muss uns mehr wert sein. Denn jederkann täglich pflegbedürftig werden – zum Beispiel durch einen Unfall.Deshalb fordern wir die Einführung einer Bürgerversicherung in derPflege. Alle sollen von allem für alle bezahlen. Bürgerversicherungheißt damit schlicht: mehr Solidarität.Die Bundesregierung plant gerade einen Ausstieg aus der umlagefinan-zierten Pflegeversicherung hin zu einer Kapitaldeckung. Zunächst sollin der Pflegeversicherung die Umlagefinanzierung durch eine ver-pflichtende Kapitaldeckung ergänzt werden. Das bedeutet nichts ande-res als die schrittweise Einführung von Kopfpauschalen. Belastet wer-den Menschen mit geringeren Einkommen und Renten.Ferner plant die neue Bundesregierung, dass pflegerische Alltagshilfenauch von Hilfskräften erbracht werden können. Bislang sind diese Leis-tungen Pflegefachkräften vorbehalten. Damit wir die Qualität der pfle-gerischen Versorgung in Frage gestellt.Wir fordern: Behandlungspflege muss auch zukünftig von Pflegekräf-ten durchgeführt werden.Ebenfalls soll die Förderung der Pflegestützpunkte auslaufen. Siewaren 2009 eingeführt worden, um unabhängige Beratung anzubieten.Diese Funktion haben die ersten Stützpunkte auch gut erfüllt. Wir for-dern den Erhalt und Ausbau der Pflegestützpunkte.Die Arbeit in der Altenhilfe ist so belastend, dass sei auf Dauer krankmacht. Darum muss mehr Personal eingesetzt werden und dafür mussdas Geld zur Verfügung stehen. Und nur mit mehr qualifiziertem Perso-nal kann man der Verantwortung in der Altenpflege gerecht werden.Die gesellschaftliche Wertschätzung einer Arbeit drückt sich zuallererstin der Bezahlung aus. Darum muss Pflegearbeit besser bezahlt werden.Aber auch zur Sicherung einer zukünftig ausreichenden Zahl von Pfle-gekräften ist es notwendig die Tätigkeit im Bereich der Altenpflege auf-zuwerten, den Beruf der Altenpflege attraktiv zu gestalten, beruflichePerspektiven aufzuzeigen und familienfreundliche Arbeitsbedingungenzu schaffen.Die Arbeitszeiten in der Altenpflege überschreiten nicht nur die Belas-tungsgrenze er Beschäftigten – sie verletzten permanent Gesetze undtarifliche Regelungen. Das Arbeitszeitgesetz gilt auch in der Alten-pflege und ist einzuhalten.

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Parteivorstand

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AnträgeEmpfehlungen

derAntragskommission

Altenpflegeschulen brauchen in allen Bundesländern eine ausreichendeLandesfinanzierung. Für die Sicherung der Finanzierung der Ausbil-dung fordert die SPD die Landessozialminister umgehend auf, § 25 desAltenpflegegesetzes anzuwenden und per Rechtsverordnung von denEinrichtungen der Altenpflege Ausgleichsbeträge (Umlage) zur Finan-zierung der Ausbildung zu erheben.

Antragsbereich S

Antrag 4Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Süd

Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Kranken-versicherung

Der Bundesvorstand der AfA wird beauftragt initiativ zu werden, dassdie SPD zusammen mit den Gewerkschaften eine Kampagne zur Wie-dereinführung der paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Kran-kenversicherung organisiert.

Begründung:

Die paritätisch von Arbeitnehmern und Arbeitgeber finanzierte Gesetz-liche Krankenversicherung hat seit Jahrzehnten zu ihrer Stabilisierungbeigetragen. In den letzten Jahren wurde diese Regelung durch zuneh-mende Eigenbeteiligung der Versicherten unterlaufen. Ab 01.08.2005wurde ihnen einseitig ein Zusatzbeitrag von 0,9 % abverlangt. Außer-dem sollen sie Rücklagen für die Versorgungslasten der Beschäftigtenaufbauen. Werden die geplanten einseitigen Sonderbeiträge eingeführt,wie bereits angekündigt, so wird sich die Beitragsbelastungen weiter zuLasten der Versicherten verschlechtern.Es ist nicht einzusehen, warum die Arbeitgeber zu Lasten der Arbeit-nehmer finanziell begünstigt werden. Sie sind schließlich die wirt-schaftlich Stärkeren und können eher Belastungen tragen wie die Ar-beitnehmer.Es ist den Arbeitgeberverbänden gelungen durch Öffentlichkeitskam-pagnen die Legende von den „hohen Lohnnebenkosten“ zu entwickelnund den Eindruck zu suggerieren, dass die Wirtschaft notleidendwürde. Tatsächlich weisen viele Firmen trotz Wirtschaftskrise hohe Ge-winne aus und erzielen erhebliche Exportüberschüsse.Es ist daher notwendig durch eigene Kampagnen das von den Arbeitge-berverbänden manipulierte Meinungsbild zu korrigieren und der Ge-rechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen.

Antragsbereich S

Antrag 5Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandSchleswig-Holstein

Verhinderung der Kopf-Pauschale, Einführungeiner Bürgerversicherung

Die SPD soll sich mit ihren Kräften und Möglichkeiten dafür einsetzen,das die von der CDU/CSU und vor allem von der FDP geplanten Ein-führung der „Pro Kopf Pauschale“ im Gesundheitswesen und die Ab-schaffung der seit über 100 Jahren bestehenden paritätischen Finanzie-rung der Sozialversicherung zu verhindern. Dazu fordern wir alle Par-teigliederungen auf, sich aktiv an dem Kampagnenbündnis des DGB,seiner Gewerkschaften mit den Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, usw.zu beteiligen. Zu dieser, für den Sozialstaat fundamentalen Frage kön-nen auch politische Streiks nicht ausgeschlossen werden.

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Erledigt durch Gesetzentwurf der SPD-BundestagsfraktionBT-Drs. 17/879

Erledigt durch Kampagne der SPD „Nein zur Kopfpauschale“

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AnträgeEmpfehlungen

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Begründung:

Die seit 1883 schrittweise aufgebaute und paritätisch finanzierte Sozi-alversicherung (eingeführt von Bismarck) hat sich bis heute grundsätz-lich bewährt. Eine einseitige Festschreibung der Arbeitgeberanteile beigleichzeitiger Anhebung der Arbeitnehmeranteile führt unweigerlichdazu, dass alle künftig zu erwartenden Kostensteigerungen im Gesund-heitswesen von den Arbeitnehmer/ innen allein getragen werden müss-ten; zu Lasten der Nettolöhne. Mit dem von der CDU/FDP favorisier-ten Kopfpauschalen-System würde die solidarische Finanzierung desGesundheitswesens faktisch abgeschafft. Stattdessen sollten wir dasModell Bürgerversicherung weiterverfolgen.

Antragsbereich S

Antrag 6Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Unterbezirk Düsseldorf

Verteidigung von gesetzlicher Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen-, und Rentenversicherungdurch die Wiederherstellung der vollen Paritätbei den Sozialversicherungen

Die Ordentliche AfA-Bundeskonferenz möge beschließen:

Eines der Hauptprojekte der Bundesregierung ist die weitere Zerschla-gung der solidarischen, paritätisch finanzierten Sozialversicherungs-systeme.Ausgehend vom Koalitionsvertrag, flankiert durch die Hetztiraden z. B.des Vorsitzenden der Jungen Union und MdB, Mißfelder, plant Ge-sundheitsminister Rößler durch massive Eingriffe in die Kranken- undPflegeversicherung die Aushebelung letzter Reste und Ansätze der Pa-rität, eine weitere Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerdurch die weitere Privatisierung der Risiken von Krankheit und Pflege-bedürftigkeit.Die Regierungskoalition will außerdem zur Umsetzung der Beschlüsseder »Schuldenbremse« und im Namen der »Senkung der Kosten derArbeit« die anstehende Deckung der Milliardendefizite der Bundes-agentur für Arbeit allein zu Lasten der Versicherten finanzieren.Die SPD-Bundestagsfraktion wird daher aufgefordert Initiativen er-greifen, um die volle Parität bei allen Sozialversicherungen (Kranken-,Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung) wiederherzustellen.SPD- und AfA-Bundesvorstand werden aufgefordert im Schulter-schluss mit den Gewerkschaften eine diese Forderungen unterstützendeKampagne zu entwickeln und durchzuführen.

Begründung:

Alle in den letzten Jahren beschlossenen Reformen im Sozialversiche-rungssystem haben zu einer einseitigen Belastung der Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer geführt. Die damit vermeintlich angestrebte Lö-sung der Probleme dieser Systeme, wie z.B. die Unterfinanzierung,wurde nicht erreicht. Zum Teil verschlechterten sie sich sogar noch.Die Teilprivatisierung der Rentenversicherung („Riesterrente“) wurdein einer vor kurzem entstandenen Studie des Hans-Böckler-Stiftunganalysiert. Sie kritisiert, dass die Arbeitnehmer die steigenden Kostenfür die Altersversorgung allein stemmen müssen. Die derzeitige Belas-tung für Arbeitnehmer beträgt 15 %, für Arbeitgeber 11 %. Bei Beibe-haltung der solidarischen, paritätischen Rentenversicherung würde imJahre 2030 die Belastung für die Arbeitnehmer lediglich bei 12,5 % lie-gen.Heute dient die „Riester-Rente“ für den neuen GesundheitsministerRößler als Blaupause für seine Änderungsvorschläge bezogen auf diePflegeversicherung.Leider waren an den Änderungen der letzten Jahre vor allem auch sozi-aldemokratische Ministerinnen und Minister beteiligt.

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Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Parteivorstand

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AnträgeEmpfehlungen

derAntragskommission

Die Quittung für die „Reformen“ haben wir am 27.09.2009 erhalten.

Hier brauchen wir eine ehrliche Bilanz. Die Sozialversicherungssys-teme funktionieren nur, wenn sie solidarisch finanziert werden (Ge-sunde, Junge und Besserverdienende zahlen für Kranke und Alte usw.).

Dies alles gehört in die Hand derer, die keine wirtschaftlichen Interes-sen vertreten und nicht in die Hand von Versicherungsunternehmen, diedas Geld ihrer Versicherten an der Börse verjubeln.

Die CDU/FDP-Bundesregierung hat es sich auf die Fahne geschriebenKranken- und Pflegeversicherung zu Lasten der Arbeitnehmerinnen zuverändern und zu weiter zu privatisieren. Sie sehen in den Sozialversi-cherungen die Möglichkeit einer weiteren Umverteilung von Vermögenin Richtung Unternehmen und Banken.

Die SPD hat durch ihre Politik in der Regierung viel an Vertrauen ver-loren. Hier hilft nur eine ehrliche Auseinandersetzung und das Einge-ständnis Fehler begangen zu haben und natürlich die Organisation einerKampagne gegen die Pläne der jetzigen Bundesregierung.

Antragsbereich S

Antrag 7Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBayern

Umwandlung der Pflegeversicherung zu einerBürgerversicherung

Der Pflegebedürftigkeitsbegriff soll sachgerecht erweitert und die Pfle-geversicherung in eine einheitliche Bürgerversicherung für alle umge-wandelt werden.

Begründung:

Wir begrüßen den Expertenvorschlag zur sachgerechten Erweiterungdes Pflegebedürftigkeitsbegriffs und fordern schnelle politische Konse-quenzen. Der Handlungsbedarf sei schon seit Jahren offensichtlich. DieDefizite könnten mit der Überarbeitung des Pflegbedürftigkeitsbegriffsendlich beseitigt und dürften nicht noch länger verschleppt werden.

Auf keinen Fall aber dürfe das Leistungsniveau der Pflegeversicherungan anderer Stelle gesenkt werden, um die geplanten Verbesserungen zufinanzieren. Ein solches „Nullsummenspiel zu Lasten der Pflegebe-dürftigen“ wäre unakzeptabel und würde die notwendige Aufwertungder Pflegeversicherung ins Gegenteil verkehren. Auch eine Privatisie-rung oder Teilprivatisierung der Pflege sei keine Alternative zur Bür-gerversicherung.

Privatisierung können sich nur diejenigen leisten, die so viel auf derhohen Kante haben, dass sie die Pflegeversicherung ohnehin nichtbrauchen. Gerade deshalb ist der einzig sinnvolle Weg eine Bürgerver-sicherung, bei der auch Großverdiener, Politiker und Manager solida-risch für eine menschenwürdige Pflege einstehen.

Die vorgeschlagene neue Definition soll künftig eine umfassende Be-rücksichtigung aller Aspekte der Pflegebedürftigkeit ermöglichen. Erschließt auch Kommunikation und soziale Teilhabe, Bedarf an allge-meiner Betreuung, Beaufsichtigung und Anleitung mit ein und beendetdamit den nicht vertretbaren Ausschluss von Menschen mit psy-chischen oder mit demenziellen Erkrankungen von der Möglichkeit desLeistungsbezugs. Dabei ändert sich der Maßstab für die Einschätzungvon Pflegebedürftigkeit. Ausgangspunkt ist nicht mehr die Frage nachDefiziten und nach der erforderlichen Pflegezeit für Hilfen bei alltägli-chen Verrichtungen (häufig kritisierte „Minutenpflege“), sondern derGrad der Selbstständigkeit bei der Durchführung von Aktivitäten unddie Frage nach geeigneten Hilfen, um Einschränkungen der selbständi-gen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu kompensieren.

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AnträgeEmpfehlungen

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Antragsbereich S

Antrag 8Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Süd

Solidarische Bürgerversicherung

Die AfA fordert die Abschaffung der Gesundheitsfonds, Pro-Kopf-Pau-schale und aller Zusatzbeiträge. Die Arbeitgeber müssen wieder ihren50%igen Anteil zahlen. Ärzte dürfen keine unterschiedlichen Honorarefür gesetzlich und privat Krankenversicherte fordern. Die privatenKrankenversicherungsunternehmen müssen voll in den Solidaraus-gleich einbezogen werden. Für Defizite haftet der Bund. Die Gesetzesind entsprechend zu ändern.

Die AfA fordert die Solidarische Bürgerversicherung für die Kranken-und Rentenversicherung mit Rückkehr zur paritätischen Finanzierung,Einbeziehung aller Einkommensarten, Abschaffung der Beitragsbe-messungs-/Versicherungspflichtgrenze. Die maximale Rentenhöhe ori-entiert sich an der Höhe der Beitragsleistung, wird aber nach oben be-grenzt.

Begründung:

Kranken- und Rentenversicherungen sollen solidarisch finanziert, dieQualität der Versorgung erhöht und Ungerechtigkeiten beseitigt wer-den. Durch die Unterscheidung zwischen der gesetzlichen (GKV) undprivaten Krankenversicherung (PKV) entsteht eine ungerechte Zwei-Klassen-Medizin. Während PKV-Unternehmen ihre Profite erhöhenund um Gutverdienende, junge und gesunde Kunden werben, haben dieGKV mit den Folgen von steigender Arbeitslosigkeit sowie der Auswei-tung des Niedriglohnsektors zu kämpfen. Privat-Versicherte erhaltendirekt einen Arzttermin und zahlen höhere Arzthonorare, gesetzlichVersicherte müssen nicht nur lange auf einen Termin warten sondernauch volle Wartezimmer und lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Diesist ungerecht und diskriminierend!

Gesundheit darf nicht vom Geldbeutel abhängen. Gesundheit ist keineWare. Gesundheit ist ein Menschenrecht! Ein solidarisch finanziertesGesundheitswesen mit bedarfsgerechter und qualitativ hochwertigerGesundheitsversorgung für alle darf nicht durch die blinde Macht derÖkonomisierung und Marktkonkurrenz aufgerieben werden.

Antragsbereich S

Antrag 9Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Weser-Ems

Rente mit 67

Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert einen Gesetzentwurf inden Bundestag einzubringen, der folgendes vorsieht: Die Rente mit 67Jahren wird in ein differenziertes System überführt, dass die Lebens-beitragsdauer berücksichtigt.

Begründung:

Dieses Thema wird schon lange diskutiert und nahezu jeder in der Be-völkerung empfindet die Regelung als unsinnig und ungerecht. Es istdaher höchste Zeit, dass die SPD hier endlich eine sinnvolle Regelungeinfordert, die unterschiedliche Berufsgruppen und die Lebensbei-tragsdauer berücksichtigt.

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Erledigt durch Beschlusslage der SPD und der AfA

Überweisung an:

SPD-Parteivorstand

Zukunftswerkstatt gut und sicher leben

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AnträgeEmpfehlungen

derAntragskommission

Antragsbereich S

Antrag 10Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

Rentenproblematik

Die AfA Bundeskonferenz möge beschließen, dass sich der AfA-Vor-stand in allen Gremien der SPD differenziert mit der Rentenproblema-tik auseinandersetzt.

Begründung:Der demografische Wandel, der erfreulich vielen Menschen eine hoheLebensdauer beschert, macht es notwendig, den Generationenvertragneu zu formulieren. Dass es Berufe gibt, deren Arbeitsanforderungenschneller zu Erschöpfung und Verbrauchtheit führen, ist unstrittig.Andererseits können und wollen viele Menschen gern noch arbeitenund ihre Erfahrungen wird auch gebraucht. Mit einem Modell, bei demnach einer zu bestimmenden Anzahl von Jahren eine ausreichende Ren-tenanwartschaft erlangt werden und weitere Berufstätigkeit möglichsein könnte, würde unseres Erachtens der gesellschaftlichen Wirklich-keit mehr und besser Rechnung getragen, als einer einseitigen Forde-rung nach einer Herabsetzung des Rentenalters.

Antragsbereich S

Antrag 11Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braun-schweig

Abschaffung der Rente mit 67

Die AfA-Bundeskonferenz möge beschließen, dass die SPD-Bundes-tagsfraktion sich umgehend dafür einsetzt, die Rente mit 67 wieder ab-zuschaffen.

Begründung:Es ist belegt, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer/innen in den betrie-ben noch nicht einmal das frühere Rentenalter mit 65 Jahren erreichthaben.Je höher das Renteneinstiegsalter gesetzt wird, desto weniger Men-schen sind überhaupt in der Lage, es zu8 erreichen. Dadurch werdendie Abzüge an der Rente immer höher, sodass die Armut im Alter steigt.Wir fordern daher, das Rentenalter wieder auf 65 Jahre herunter zu set-zen und gleichzeitig gleitende Übergänge in die Rente zu schaffen, dieeinen früheren Ausstieg aus dem Arbeitsleben zu ermöglichen.

Antragsbereich S

Antrag 12Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandMecklenburg Vorpommern

Rente mit 65 Jahren

Der AfA-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern fordert die Auf-hebung aller Beschlüsse, die die Einführung der Rente mit 67 betreffen.Der AfA-Landesverband fordert stattdessen die Rückkehr zum altennormalen Renteneintrittsalter von 65 Jahren.

Begründung:Die Rente mit 67 war eine Erfindung der CDU, die in der letzten Bun-desregierung Bestandteil der Koalitionsvereinbarung zwischen SPDund CDU wurde.

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Erledigt durch Praxis

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

Erledigt bei Annahme von A 11

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Es wird Zeit, dass sich die SPD von dieser Altlast trennt. Die Rente mit67 ist in der Realität nicht umsetzbar und zur bloßen erneuten Renten-kürzung mutiert. Der statistische Idealrentner 2009 sollte eine Rentevon 1.224,00 Euro ausgezahlt bekommen.In Wirklichkeit erhielt der durchschnittliche männliche Rentner 2008einen Rentenbetrag von 966,76 Euro ausgezahlt. Die durchschnittlicheRentnerin 2008 erzielt eine Rente von 698,00 Euro. Die Tendenz istweiter fallend.Die Altersarmut ist ein Deutschland schon heute Realität. Das kannnicht sozialdemokratische Politik sein!

Antragsbereich S

Antrag 13Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandMecklenburg Vorpommern

„Kein Betreuungsgeld ab 2013“

Die AfA-Bundeskonferenz spricht sich gegen die seitens der CDU-/FDP-Bundesregierung beabsichtigte Einführung eines Betreuungsgel-des ab 2013 aus. Das von der CDU-/FDP-Koalition angestrebte Betreu-ungsgeld setzt falsche Akzente. Durch die Betreuung in einer Kita wer-den die soziale Intelligenz und eine individuelle Förderung, geradeauch von Kindern aus sozial schwachen Familien, ermöglicht.

Begründung:

Sozialdemokratische Familienpolitik ist darauf ausgerichtet, allenMenschen ein Selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Deshalb ist eswichtig, gerade jungen Frauen die Möglichkeit zu eröffnen, Beruf undFamilie miteinander zu vereinbaren.Deshalb ist es wichtig, mehr Geld in frühkindliche Bildung zu investie-ren anstatt die „Fernhalteprämie zu pushen“. So überrascht es nicht,wenn Familien, die jeden Cent zweimal umdrehen müssen, eher geneigtsind, mit 150,00 EUR die Haushaltskasse aufzubessern, als das Kind ineine Einrichtung zu schicken.Und das Betreuungsgeld würde jährlich zwischen einer und zwei Milli-arden EUR verschlingen. Geld, das sinnvoller in der öffentlichen Kin-derbetreuung angelegt wäre. So gesehen ist es ein teurer gesellschaftli-cher Unsinn. Und es unterläuft das Anliegen, sozial benachteiligte Kin-der frühestmöglich zu fördern.

Antragsbereich S

Antrag 14Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBayern

Bekämpfung der Armut

Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert, aktive Schritte zur Ver-ringerung der Armut in der Bundesrepublik Deutschland zu initiieren.Dabei ist auch die Bekämpfung der Armut trotz Arbeit zu verstärken.Wir fordern:

1. Die materielle Grundsicherung ist für jede/n Bürger/in zu gewähr-leisten. Eine jährliche Anpassung des Existenzminimums ist notwen-dig.

2. Existenzsichernde Mindestlohnregelungen sind vom Gesetzgeber füralle Wirtschaftsbereiche festzulegen.

3. Die gerechtere Verteilung des Volkseinkommens muss wiederGrundlage sozialdemokratischer Politik werden. Hierzu ist es not-wendig neben dem Armutsbericht einen Reichtumsbericht zu erstel-len.

63

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Parteivorstand

Erledigt durch Antrag der SPD-Bundestagsfraktion zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zuden Regelsätzen im SGB II

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Begründung:

Für ein sozial, kulturell und wirtschaftlich so hochentwickeltes und rei-ches Land wie die Bundesrepublik Deutschland ist die vorhandene, ste-tig steigende Armut ein beschämender Zustand. Diesem Missstand istdurch staatliche Maßnahmen, nicht zuletzt auch durch gerechte Vertei-lung des Volkseinkommens, entgegen zu wirken. Die Altersarmut, vorallem bei Frauen, die zunehmende Entwicklung der Kinderarmut durchdie Arbeitslosigkeit der Eltern, den damit verbundenen sozialen Ab-stieg und nicht zuletzt die größer werdende Armut trotz Beschäftigung,erfordern ein schnelles Handeln der politisch Verantwortlichen. Dieden Einzelnen, sowie Familien zerstörenden, psychischen und sozialenAuswirkungen der Armut sind für uns als SoziademokratInnen nichthinnehmbar.

Antragsbereich S

Antrag 15Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandNordrhein-Westfalen

Reform der Hinterbliebenenversorgung

Die Bundeskonferenz fordert eine Reform der Hinterbliebenenversor-gung.Wir fordern eine Rücknahme der Anhebung des Bezugsberechtigungs-alters der vollen Witwen/Witwerrente auf 47. Die volle Rente musswieder mit 45 erreicht werden können.Weiter fordern wir eine Abschaffung der Zweijahres- Bezugsbeschrän-kung von der kleinen Witwen/Witwerrente. Diese „Reformen“ führendazu, das vor allem Frauen und Familien nach dem Tod des Hauptver-dieners zu Sozialfällen werden.Des Weiteren muss die Absenkung durch Abschläge ausgeschlossenwerden. Diese Abschläge entstehen wenn der Verstorbene jünger als 60war. Die Abschläge führen dazu, das von der Witwen/Witwerrente nurnoch ein „Taschengeld“ übrig bleibt, obwohl der Verstorbene seineRentenbeiträge gezahlt hat.

Antragsbereich S

Antrag 16Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBayern

Volle Sozialversicherungspflicht für Mini-Jobs

Alle auf Dauer angelegten geringfügigen Beschäftigungen oberhalbeiner Bagatellgrenze von 100 Euro unterliegen der Sozialversiche-rungspflicht. Insbesondere ist auch der Zuverdienst zu sozialversiche-rungspflichtigen Beschäftigungen wie die Hauptbeschäftigung sozial-versichert und besteuert.

Begründung:

Diese gewährleisten zugleich eine Absicherung im sozialen Siche-rungssystem.Es würden den Sozialversicherungssystemen weitere Beträge in be-trächtlichem Umfang zugeführt.Die Aufteilung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis-sen in geringfügige Beschäftigungen wird dadurch vermieden.

Ablehnung

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Parteivorstand

2�SPD_Antrag_2010�Sozialpolitik_Layout�1��29.03.10��08:26��Seite�64

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Antragsbereich S

Antrag 17Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBayern

Zwangsgeld bei Nichtbeachtung von Paragraph54 SGB I (Auszahlungsschutz für Sozialleis-tungen)

Das SGB I soll dahingehend ergänzt werden, dass die sozialleistungs-gewährende Behörde im Falle der rechtswidrigen Verweigerung derZahlung durch die kontoführende Bank ein Zwangsgeld gegen dieseverhängen kann. Die Auszahlungsschutzfrist ist auf 14 Tage zu verlän-gern.

Begründung:§ 54 SGB I sieht vor, dass Sozialleistungen, die auf ein Konto überwie-sen werden, dem Leistungsempfänger innerhalb von sieben Tagen invollem Umfang von der Bank zur Verfügung gestellt werden müssen.Im Falle von Kontopfändungen oder Kontoüberziehungen wird dies je-doch häufig von der kontoführenden Bank verweigert. Die Anrufungdes Gerichts im Eilverfahren ist dann der einzige Weg für den Leis-tungsempfänger, das Geld, das er dringend zur Existenzsicherungbraucht, zu erhalten.Eine Zwangsgeldvorschrift zugunsten der Leistungserbringer würdeden Aufwand der Gerichte reduzieren und bei Verhängung des Zwangs-gelds die Staatskasse entlasten, die bisher auch noch für die Beratungs-hilfe aufkommen muss.

Antragsbereich S

Antrag 18Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesorganisationHamburg

Nachhaltige Sicherstellung der beitragsfinan-zierten Sozialsysteme durch Einführung desWertschöpfungsbeitrages

Die SPD richtet eine Arbeitsgruppe, bestehend aus PolitikerInnen, Ge-werkschafterInnen und WissenschaftlerInnen ein, die die in den 80’erJahren diskutierte und in den Grundsätzen erarbeitete Bruttowertschöp-fungsabgabe wieder aufgreift, entsprechend den heutigen Sozialleis-tungsstandards anpasst und unter Berücksichtigung einer Nachhaltig-keit weiter entwickelt (ggf. auch unter Berücksichtigung der von denUnternehmen gezahlten Sozialversicherung).

Begründung:In dem Positionspapier der AfA „zur Zukunft einer solidarisch abgesi-cherten Altersversorgung in Deutschland“ bleibt ein wesentlicher Be-standteil – der Bruttowertschöpfungsbeitrag – unberücksichtigt.

Erarbeitete Grundsätze:In den 1970-80er-Jahren wurde weniger über die Möglichkeiten zurEntlastung der Arbeitgeber, jedoch im Unterschied dazu über alterna-tive Erhebungsmethoden im Hinblick auf deren Beiträge zur Sozialver-sicherung diskutiert.Damals schlugen sozialdemokratische bzw. der Partei nahe stehenderPolitikerInnen, GewerkschafterInnen und WissenschaftlerInnen vor,künftig nicht mehr (nur) die Bruttolohn und -gehaltssumme, sondern(auch) die Bruttowertschöpfung eines Unternehmens als Grundlage zuwählen, weil die bis heute gültige Regelung negative Auswirkungenhinsichtlich der Beschäftigungs- und Verteilungsrelationen habe. Her-bert Ehrenberg und Anke Fuchs schrieben 1980: “Die gegenwärtigeBemessung der Arbeitgeberbeiträge nach den Lohnkosten bevorzugt

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Parteivorstand

Überweisung an:

AfA-Bundesvorstand

Zukunftswerkstatt gut und sicher leben

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kapitalintensive Unternehmen und benachteiligt personalintensive.Während die Arbeitnehmer proportional zu ihrer ökonomischen Leis-tungskraft an der Finanzierung der Sozialversicherung beteiligt werden(jedenfalls bis zur Bemessungsgrenze), ist dies beim Unternehmens-sektor nicht der Fall, denn die Unterschiede in der ökonomischen Leis-tungskraft werden in den unterschiedlich hohen Lohnsummen nicht an-gemessen widergespiegelt.“Auch Bert Rürup hielt es während der 80er-Jahre noch für richtig, dieSozialversicherung durch Erhebung der Wertschöpfungsabgabe aufeine breitere finanzielle Basis zu stellen und gleichzeitig den Einnah-mefluss zu verstetigen. Durch den oft „Maschinensteuer“ genanntenWertschöpfungsbeitrag sollte eine ausgewogene Belastung der Unter-nehmen erreicht und ein positiver Beschäftigungseffekt erzielt werden.Ziel einer Reform kann nicht die Senkung der (gesetzlichen Lohnne-benkosten) durch eine Steuerfinanzierung der sozialen Sicherung, son-dern muss deren Abkopplung von den unter Druck geratenen Löhnensein, wofür sich der Wertschöpfungsbeitrag geradezu anbietet.

Wissenschaftliche Aussagen:

– Deutschland ist ein Lohnsteuerstaat, ein Sozial- und Wohlfahrtsstaat. – Die Finanzbeiträge der Unternehmen/ Firmen machen nur ein fünftelder gesamten Staatseinnahmen aus.

– Dieser Staat leidet unter einer Finanzkrise globaler Art und eine, fürdie er selbst wegen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen verant-wortlich gemacht wird. Diese Einschätzung ist nur teilweise richtig,da der Sozialstaat unter der Krise des bestehenden kapitalistischenWirtschaftssystems und schon seit längerer Zeit weder ausreichendesWachstum noch einen hohen Beschäftigungsstand zu gewährleistenvermag.

– Zu schaffen macht ihm neben anhaltender Arbeitslosigkeit vor allemdas sinken der Lohnquoten und eine gewisse Labilität in Ostdeutsch-land.

– Bei beitragsfinanzierten Sozialsystemen werden Kostensteigerungenim Gesundheitssystem über die Lohnnebenkosten und damit alleindurch die Belastung des Faktors Arbeit finanziert.

– Nicht hohe Sozialabgaben führen also zur Massenarbeitslosigkeit,sondern umgekehrt. Viele oder steigende Zahlen von Arbeitslosenund damit verbundene Beitragsausfälle bringen den Sozialstaat in dieKrise.

– Durch eine Wertschöpfungsabgabe würden Firmen mit einer hohenLohn- und Gehaltssumme entlastet. Bisher werden gerade jene Un-ternehmen benachteiligt, die viele Mitarbeiter beschäftigen unddaher mehr Arbeitgeberbeiträge zahlen als solche, die sich stärkerauf Maschinenarbeit umgestellt oder immer mehr automatisierenund rationalisieren haben.

Sozialpolitische Fragen, sozialpolitische Gerechtigkeit:

Es stellt sich die Frage, ob eine so reiche Gesellschaft wie in Deutsch-land leere öffentliche Kassen und immer mehr Millionäre oder Multi-millionäre haben will, oder ob sie einen sozialen Ausgleich und einenachhaltige Entwicklung anstrebt. Nur die Reichen können sich einenmagersüchtigen Staat leisten. Sie schicken Ihre Kinder auf Privatschu-len und Eliteuniversitäten, kaufen alles, was Ihr Leben verschönert, undsind auf öffentliche kommunale Einrichtungen wie Schwimmbäder, Bi-bliotheken etc.- im Unterschied zu den Armen- nicht angewiesen. Alleübrigen Bevölkerungsschichten benötigen hingegen seine Leistungenund kommen ohne eine gute öffentliche Infrastruktur nicht aus. Wohl-fahrtseinrichtungen, Kunst, Kultur, Bildung, Weiterbildung, Wissen-schaft und Forschung dürfen nicht von kommerziellen Interessen oderder spendierfreudige privater Unternehmer, Mäzene und Sponsoren ab-hängig werden. Besser für die Allgemeinheit wäre es, sie in der Obhutdemokratisch legitimierter Institutionen zu belassen.Aus vielen Gründen sollte also in einem Wohlfahrtsstaat, mit einer So-lidargemeinschaft eine partnerschaftliche, paritätische Beitragsstrukturals gerechte Verteilung des globalen Wohlstandes sichergestellt werden,denn die paritätische Finanzierung ist gerechter, weil sonst die Arbeit-nehmer mit Ihrer Lohnsteuer noch zusätzlich selbst jene Summen auf-

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bringen müssten, die nötig wären, damit der Staat die Defizite der So-zialkassen ausgleichen kann. Wenn unser Wohlfahrtsstaat wieder mehrden Anforderungen an eine solidarische Gesellschaftsentwicklung ent-sprechen soll, müssen Alternativen zu den Hartz – Gesetzen und derAgenda 2010 diskutiert und entwickelt werden.

Stimmen der sozialdemokratischen Klientel:

Mit Veränderung der Alterssicherungssysteme, nämlich die ehemalsaus einer Hand erhaltenen weitgehend ausreichenden Versorgungsbe-züge aus der gesetzlichen Rente hin zur Einführung einer mehrteiligenVersorgung wie gesetzliche Rentenbezüge, Privatvorsorge, Betriebs-renten, etc. eines jeden Arbeitnehmers, führt dies in immer stärkeremMaße zu Vertrauensverlusten in allen Bevölkerungsschichten inDeutschland im Hinblick auf die Frage, welche für sich genommen einesinnvolle, und für jeden Einzelnen sich als nachhaltige Altersvorsorgedarstellt. Das bestätigt auch eine Umfrage des Deutschen Institutes fürAltersvorsorge.Eine häufig genannte Meinung ist: „Wenn ich einmal in Rente gehe,werde ich wohl nicht mehr ausreichend Geld für meinen Lebensunter-halt zur Verfügung haben.“ Und genau das können wir Sozialdemokra-ten nicht zulassen!

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Wirtschafts- und Steuerpolitik

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Antragsbereich W

Antrag 1Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBayern

Erneuerung unserer Wirtschaftspolitik

Der AfA-Bundesvorstand wird aufgefordert, in den Reihen der AfAund der SPD eine neue wirtschaftspolitische Richtungsdebatte zu eröff-nen und in geeigneter Form voranzutreiben. Ziel ist es für die AfA, biszur Bundeskonferenz 2012 eine umfassende Konzeption zu entwickeln.Die Bundeskonferenz in Potsdam 2010 betrachtet die folgenden „Bau-steine“ als mögliche Ausgangspunkte dieser Debatte.

Baustein 1: Anforderungen an eine sozialdemokratische Regierungs-Politik

Die soziale Demokratie erneuern – den Primat der Politik zurückge-winnen

Die Sozialdemokratie steht vor einer der größten Bewährungsprobenihrer jüngeren Geschichte. Angesichts einer historischen Zäsur an denWeltfinanzmärkten, dem evidenten Scheitern der sog. „Selbstheilungs-kräfte“ des Marktes vor den Augen einer alarmierten und verunsicher-ten Weltöffentlichkeit und angesichts der sozialen Spaltungstendenzenin unserer Gesellschaft, die die Bindekräfte der Volksparteien mehr undmehr schwächen, ist von Staat und Politik nichts weniger als ein neuerAnlauf zur wirksamen Zivilisierung und Bändigung der kapitalisti-schen Marktwirtschaft gefordert. Die Politik muss Wege aufzeigen, wieder Primat demokratischer Politik gegen die Dominanz des Finanzkapi-tals wiedergewonnen und der soziale Zusammenhalt auf Grundlageeiner Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums neu organisiertwerden kann. Mit dem Wahlprogramm für die Periode 2009 – 2013 hat-ten wir hierfür die ersten Weichen gestellt. Doch die inhaltliche Debattemuss fortgeführt werden. Denn nur dann, wenn die gesamte Partei sichin einem offenen demokratischen Prozess auf ihre inhaltlichen Anlie-gen verständigt und es gelingt, die langfristig gewonnenen Grundüber-zeugungen und Wertvorstellungen der sozialdemokratischen Wählerba-sis erfolgreich und glaubwürdig anzusprechen, werden wir Stimmen-und Mitgliederzuwächse verzeichnen können. Vor diesem Hintergrundformulieren wir unsere Anforderungen an eine künftige sozialdemokra-tisch geführte Bundesregierung.

Mit konsequenter und mutiger Konjunkturpolitik die Depressions-gefahr abwehren

Die Wirtschafts- und Finanzpolitik musste in Deutschland erstmals seitJahrzehnten wieder auf eine aktive Konjunktur- und Fiskalpolitik um-schalten. Denn die dramatischen Verwerfungen auf den globalen Fi-nanzmärkten und das Überspringen auf die Realwirtschaft haben Di-mensionen angenommen, die selbst die traditionell wirtschaftsliberalenFunktionseliten in Deutschland gezwungen haben, zentrale Elementeeiner keynesianischen Stabilisierungspolitik zumindest vorläufig zuakzeptieren. Mit den beiden Konjunkturprogrammen kommt dem Staatnun in einer Phase stark rückläufiger privater Nachfrage eine dominie-rende Rolle bei der Sicherung von Wachstum und Beschäftigung zu.Der Lernprozess von Neo-Klassikern und Wirtschaftsliberalen in Kabi-nett und Wirtschaftswissenschaften verlief allerdings recht schleppendund halbherzig. Denn bei frühzeitigem Gegensteuern könnten wirheute bereits die ersten Früchte einer aktiven Konjunkturpolitik ernten.Auf die Folgekosten einer zaudernden Konjunkturpolitik hat kein Ge-ringerer als der diesjährige Ökonomie-Nobelpreisträger Paul Krugmanhingewiesen. Auch das Beispiel Japan, dass in den 90er Jahren durchein zögerliches Stop-and-Go bei der Rezessionsbekämpfung in eineDepression abgerutscht ist, sollte Warnung genug sein: niedrigesWachstum und hohe Staatsschulden waren die Konsequenz einer halb-herzigen Strategie. Der Staat darf deshalb in dieser Jahrhundertkrisekeine Zweifel aufkommen lassen, dass er die aktive Rolle solange ein-zunehmen gedenkt, bis die wirtschaftliche Talsohle durchschritten ist.

Überweisung an:

AdA-Bundesvorstand

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Denn in einer Phase stagnierender Preise muss es vordringlich darumgehen, das Abgleiten in eine Depression mit beinahe allen Mitteln zuverhindern. Denn es gibt kaum ein schwierigeres und kostspieligeresUnterfangen, als eine Volkswirtschaft aus einer Depression herauszu-führen. Eine Deflation ist selbst mit Nullzinsen nicht mehr aus demSystem zu drücken und erfordert deshalb den ganzen Einsatz der staat-lichen Fiskalpolitik.

Insoweit dürfen weitere Konjunkturmaßnahmen keinesfalls apodiktischausgeschlossen werden. Vorsorglich sollte bereits heute ein drittes Kon-junkturpaket aufgelegt und ausformuliert werden. Allerdings kommt esentscheidend darauf an, die öffentlichen Mittel zur Stützung der Kon-junktur möglichst effektiv und intelligent einzusetzen. Ein drittes Kon-junkturpaket muss deshalb den Schwerpunkt auf die öffentlichen Inves-titionen in Bildung und Infrastruktur legen. Denn der zusätzlicheWachstumseffekt ist bei direkten staatlichen Investitionen weitaushöher als bei Steuer- oder Abgabensenkungen.

In die Zukunft investieren: Entscheidend für Standortqualität und Wettbewerbsfähigkeit

Zukunftsinvestitionen sind entscheidend für Standortqualität und inter-nationale Wettbewerbsfähigkeit. Besonders auffallend und für die nach-haltige Entwicklung unseres Landes besonders nachteilig ist struktu-relle Unterfinanzierung bei den Bildungs- und Forschungsausgabenund den extrem niedrigen Infrastrukturinvestitionen. Mit nur 4.3 % An-teil der öffentlichen Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt lagDeutschland im Jahre 2004 auf dem viertletzten Platz der EU-27-Län-der und bei den Infrastrukturinvestitionen mit nur 1,6 % auf dem zweit-letzten Platz. Im Vergleich zum EU-Raum liegen die deutschen Ausga-ben 1 % unter dem EU-Schnitt von 2,5 % des Bruttoinlandsprodukts.Dieser andauernde Entzug von öffentlichen Mitteln hat bereits zueinem erheblichen und schleichenden Verfall der Substanz unserer Ver-kehrsinfrastruktur, bei den öffentlichen Gebäuden und Plätzen, im Bil-dungssystem und im Gesundheitsbereich (z. B. Krankenhäuser) ge-führt, die sich eher früher als später in mangelnden Standortqualitätund einer Einbuße an internationaler Wettbewerbsfähigkeit nieder-schlagen werden.

Die vor uns liegenden Aufgaben erfordern mehr finanzielle Ressourcenfür die öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden er-fordern. Eine Absenkung der Steuerquote wäre deshalb kontraproduk-tiv. Aber auch ein Nichtangehen der vor uns liegenden drängenden Pro-bleme hieße nur, deren Vertagen zu Lasten der Umwelt, unserer Kinderund künftiger Generationen. Ein solcher Kurs wäre weder nachhaltignoch verantwortbar.

Den sozialen Zusammenhalt organisieren – Steuergerechtigkeit herstellen

Die Sozialdemokratie muss solidarische Antworten geben auf diewachsende gesellschaftliche Verunsicherung, die zunehmenden Ab-stiegsängste einer unter Druck geratenen Mittelschicht und die zuneh-mende Kluft in der Einkommens- und Vermögensverteilung inDeutschland. Der aktuelle Armuts- und Reichtumsberichts der Bundes-regierung zu den Lebenslagen in Deutschland dokumentiert diese Ent-wicklungen. Die Einkommensverteilung klafft so weit auseinander wienoch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Eine wirksame Politikder sozialen Gerechtigkeit setzt gleiche Bildungschancen für alle undeine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums voraus.

Die zunehmende Spaltung zwischen Arm und Reich zeigt sich in hoherArbeitslosigkeit und in der Verteilung der Vermögen. Rund zwei Drittelder Bevölkerung in Deutschland verfügen über kein oder nur ein sehrgeringes Vermögen. Andererseits verfügen die wohlhabendsten 10 %der Haushalte über mittlerweile fast 60 % des gesamten Vermögens. Sosteigerten allein die 300 reichsten Deutschen im letzten Jahr ihre Ver-mögen um 80 Milliarden Euro auf 475 Milliarden Euro. Lag das Ar-mutsrisiko beim 1. Armutsbericht noch bei 12,1 %, so ermittelt der 3.Bericht bereits ein Armutsrisiko 18 %. Für Kinder ist das Armutsrisikovon 15 % im Jahr 2003 auf 26 % im Jahr 2005 angestiegen. Gleichzei-tig kam es zu einer starken Spreizung der Lohneinkommen. Die Kauf-

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AnträgeEmpfehlungen

derAntragskommission

kraft sinkt oder stagniert bestenfalls; die Mittelschicht schrumpft ra-sant. Sozialdemokratische Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik stellt sichder Herausforderung, den sozialen Zusammenhalt auf neuer Grundlagezu organisieren:

Um die Abwärtsbewegung in der Lohnentwicklung zu stoppen, mussüber die Fixierung eines gesetzlichen und flächendeckenden Mindest-lohnes eine Untergrenze für die Lohnkonkurrenz eingezogen werden,die in jedem Falle „Armut trotz Arbeit“ vermeidet. Wir plädieren füreine produktivitätsorientierte Lohnpolitik, damit die Konsumnachfrageals größtes Nachfrageaggregat im Gleichschritt mit der Produktionwachsen kann.

Die Aushöhlung sozialer Standards über den gezielten Missbrauch derLeiharbeit muss unverzüglich beendet werden. Hierzu muss nach einerEinarbeitungszeit für gleiche Arbeit auch gleicher Lohn gezahlt wer-den. Grundsätzlich muss gelten: Gleiche Rechte für Leiharbeitnehmerund Stammbelegschaft. Die Höchststundenzahl im Rahmen von Mini-jobs ist auf 15 Stunden zu begrenzen. 1-Euro-Jobs sind in sozialversi-cherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umzuwandeln. Um-schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen müssen ausgeweitet wer-den; für nicht mehr vermittelbare Arbeitslose ist der öffentliche Be-schäftigungssektor auszubauen.

Durch eine sozialdemokratische Bildungsoffensive müssen die Voraus-setzungen geschaffen werden, um alle Menschen – unabhängig vonihrer sozialen Herkunft – in die Lage zu versetzen, ihre Chancen wahr-zunehmen. Dazu gehören ein flächendeckendes und gebührenfreiesAngebot von Ganztagesbetreuungsangeboten und Ganztagsschulen,die Gebührenfreiheit des Studiums und eine Stärkung der Weiterbil-dung.

Wir brauchen auch künftig einen starken Sozialstaat, um die großenLebens- und Arbeitsrisiken abzusichern. Tendenzen zu einer weiterenPrivatisierung der sozialen Sicherungssysteme müssen gestoppt wer-den. Wir setzen weiterhin auf die Einführung einer solidarischen Bür-gerversicherung im Gesundheitswesen. Wir werden dafür sorgen, dassdie gesetzliche Rente auch künftig den wesentlichen Beitrag zur Siche-rung des Lebensstandards im Alter leisten kann. Die Rentenansprücheaus einem Durchschnittsverdienst müssen auch künftig einen deutli-chen Abstand zum Sozialhilfeniveau aufweisen. Dazu wollen wir ge-zielt das Instrument der „Rente nach Mindesteinkommen“ nutzen, umdie Rentenanwartschaften von Arbeitnehmern zu aufzuwerten, die inNiedriglohnbranchen arbeiten oder längere Zeit arbeitslos waren. Denndie Rückkehr von Altersarmut werden wir in unserem reichen Landnicht dulden. Wir wollen, dass ältere Menschen länger im Arbeitslebenverbleiben können. Deshalb werden wir uns für eine altengerechte undhumane Arbeitswelt und flexible Möglichkeiten des Übergangs vomArbeitsleben in den Ruhestand einsetzen. Die Altersgrenze zur Bestim-mung der Rentenabschläge bei vorzeitigem Rentenbezug ist wieder aufdas 65. Lebensjahr abzusenken, die „Rente mit 67“ ist demzufolge wie-der zurückzunehmen. Der mit dieser Maßnahme verbundene Einspar-effekt für die gesetzliche Rentenversicherung ist viel zu minimal (einum 0,5 Prozent geringerer Beitragssatz im Jahre 2030), als dass er die-sen gravierenden Einschnitt in die Lebensplanung von Millionen vonBeschäftigten rechtfertigen würde. Für Beschäftigte, die in ihrer tägli-chen Arbeit fortdauernd starken physischen Belastungen ausgesetztsind, stellt sich die „Rente mit 67“ als (weitere) drastische Rentenkür-zung dar.

Arbeitslosigkeit ist ein gesellschaftlich verursachtes Problem, das auchgesellschaftlich gelöst werden muss. Deshalb wollen wir, dass arbeits-lose Menschen in unserer Gesellschaft menschenwürdig leben können.Wir treten deshalb für eine Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze entspre-chend der Forderung der Wohlfahrtsverbände ein. Um Kinderarmut zubegegnen, ist ein eigenständiger Regelsatz für Kinder erforderlich. DerVermögensfreibetrag für die Altersvorsorge muss deutlich angehobenwerden. Perspektivisch wollen wir die Arbeitslosenversicherung in dieArbeitsversicherung umwandeln, um Unterbrechungen in der Erwerbs-tätigkeit abzusichern.

Unverzichtbarer Bestandteil einer gerechten Steuerpolitik ist die Wie-dereinführung der ausgesetzten Vermögenssteuer, weil bereits ein Ver-mögenssteuersatz von 1 % zu Mehreinnahmen von 16 Milliarden Euro

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führen würde (bei einem Freibetrag von 500.000 Euro). Damit wollenwir die Investitionen in Bildung und Kinderbetreuung stärken. Die Erb-schaftssteuer ist künftig so auszugestalten, dass wenigstens ein Auf-kommen von 10 Mrd. Euro jährlich gewährleistet ist. Ohne eine ergie-bige Erbschaftssteuer verbleiben alle Forderungen nach Chancen-gleichheit im Stadium bloßer Lippenbekenntnisse. An diesem Maßstabgemessen muss die jüngste Erbschaftssteuerreform schlicht als ge-scheitert angesehen werden. Wir stehen zur Wiedereinführung der Ent-fernungspauschale und zur Neuorientierung des Familienlastenaus-gleichs hin zu kinderbezogenen Leistungen. Wir wollen den internatio-nalen Steuerwettbewerb durch eine europaweite Harmonisierung desUnternehmenssteuerrechts und Gewährleistung von Mindeststeuersät-zen auf europäischer Ebene begrenzen.Wir hatten die im vergangenen SPD-Wahlprogramm enthaltenen For-derungen nach einem höheren Spitzensteuersatz für Einkommen ab125.000 Euro jährlich bei gleichzeitiger Senkung des Eingangssteuer-satzes auf 10 % sowie die Forderung nach einer Wiedereinführung derBörsenumsatzsteuer begrüßt. Doch die Jahrhundertkrise an den Finanz-märkten erfordert ein viel dramatischeres Umdenken gerade in der Ver-teilungsfrage. Denn die sprunghaft angewachsenen Einkommen ausUnternehmertätigkeit und Vermögen haben primär die Spekulation imRahmen eines weltweiten Kasino-Kapitalismus befeuert. Viel zu wenigwurde in die reale Güter- und Dienstleistungsproduktion investiert. Dergesellschaftliche Nutzen einer ungebremst steigenden privaten Verfü-gungsmacht über den gesellschaftlichen Reichtum (bei gleichzeitig fal-lenden Lohnquoten) scheint offenkundig begrenzt zu sein. Eine Redi-mensionierung der Verteilungsstrukturen zwischen Markt und Staatsowie zwischen Löhnen und Gewinnen eröffnet dagegen die Chanceauf eine rationalere und ausgewogenere Entwicklung von Binnenmarktwie Exportsektoren.

Gute Arbeit: Die Zukunft der Arbeit muss human und demokratischsein

Der Kampf für menschengerechtere Arbeitsbedingungen hat trotz un-bestreitbarer Erfolge in der Vergangenheit nichts von seiner Aktualitätverloren. Im Gegenteil: der verschärfte Wettbewerbsdruck unter denBedingungen einer ungesteuerten Globalisierung, der Renditedruck derFinanzinvestoren und der Anpassungsdruck infolge hoher Arbeitslosig-keit haben einerseits den Leistungs- und Arbeitsdruck in den Betriebensignifikant erhöht und andererseits den Beschäftigten neue Arbeitsplat-zunsicherheiten aufgebürdet. Die gestiegenen Ängste und die Verunsi-cherung, die in den Unternehmen ihren Ausgangspunkt haben, strahlenletztlich auf die gesamte Gesellschaft ab. Auch das gesamte sozialeUmfeld der Arbeitnehmer leidet darunter, wenn es angesichts des Kon-kurrenzdrucks immer schwieriger wird, den verschiedenen Ansprüchenan ein ausbalanciertes Leben gerecht zu werden. Viele arbeitende Men-schen schauen heute mehr denn je mit Sorge auf die Entwicklungen derZukunft. An Stelle der alten körperlichen Belastungen sind neue For-men der psychischen Belastungen getreten. Aber die Beanspruchungbleibt. An Stelle der alten Hierarchien sind neue Formen entgrenzterArbeit getreten. Wir brauchen deshalb eine Politik, die mit dafür sorgt,dass

– Arbeit menschlicher wird und eine demokratische Arbeitskultur ent-steht,

– die Arbeitsfähigkeit jedes Einzelnen erhalten bleibt und sich weiter-entwickeln kann sowie

– die menschliche Wertschöpfung nachhaltig wird. – Wir wollen sichere Arbeitsplätze und eine gerechte Entlohnung statt

prekärer Arbeitsplätze. Deswegen brauchen wir eine neue Wertschät-zung der Arbeit und eine auf Kollegialität statt Konkurrenz beru-hende Arbeitskultur.

Die SPD wird eine Konzeption „Gute Arbeit“ entwickeln müssen, dieForschungs-, Arbeits-, Bildungs- und Wirtschaftspolitik eng miteinan-der verzahnt. Wir werden die Arbeitsforschung an den Forschungsein-richtungen und Universitäten deutlich finanziell zu verstärken und unsauf die neuen Herausforderungen einer differenzierten Dienstleistungs-und Wissensgesellschaft neu einzustellen haben. Dafür sind gemein-sam mit den Bundesländern und den Gewerkschaften neue Wege zuentwickeln und zu beschreiten.

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AnträgeEmpfehlungen

derAntragskommission

Der permanenten Leistungsverdichtung wollen wir durch eine Stär-kung der Mitbestimmung entgegenwirken. Bedürfnisse und Bewusst-sein der Arbeitnehmer sind Grundlage für eine menschengerechte Ar-beitsgestaltung. Auf betrieblicher Ebene sind soziale Benchmarks eineMöglichkeit, die Güte der Arbeitsgestaltung zu bestimmen.

Demokratische Kontrolle der Finanzmärkte: Eine neue Finanz-architektur für nachhaltiges Wachstum

Die historische Zäsur an den Finanzmärkten eröffnet eine neue Chance,um den Primat der demokratischen Politik wiederherzustellen und dieDominanz der Finanzmärkte über die Realökonomie zu brechen. Dafürbrauchen wir eine neue Architektur der Finanzmärkte und den politi-schen Mut zur demokratischen Regulierung und Zivilisierung des Fi-nanzkapitals in nationalem, europäischem und weltweitem Maßstab.

Zudem muss nach der aktuell erfolgenden Stabilisierung der Finanz-märkte sichergestellt werden, dass die Finanzwirtschaft die unglaublichhohen Lasten der Stabilisierung den öffentlichen Kassen Schritt fürSchritt zurückzahlt.

Die fundamentale Krise des Wall-Street-Kapitalismus dokumentierteindrucksvoll das Scheitern der neoliberalen Doktrin. Weder führen dieweitgehend sich selbst überlassenen Märkte zu ausgleichender Harmo-nie noch bilden die Marktpreise der Finanzprodukte die tatsächlichenRisiken oder Werte ab. Im Gegenteil: die Risiken sind komplett ver-schleiert worden. Das Finanzsystem in seiner neoliberalen, weil weitge-hend unregulierten Form, erweist sich zum wiederholten Male als au-ßerordentlich anfällig für das Entstehen von Spekulationsblasen und istdeshalb ökonomisch höchst unstabil. Mit dem Überspringen auf dieRealwirtschaft gefährdet es nachhaltiges Wachstum und die Arbeits-plätze von Millionen Beschäftigen.

Deshalb sind einzelne Korrekturen untauglich, um die Risiken einzu-dämmen. Systemische Veränderungen sind unausweichlich, damit sichnicht wiederholt, was gegenwärtig geschieht. Der Finanzsektor mussauf das für die Dienstleistungen Kredittransformation, Zahlungsver-kehr und Risikoausgleich notwendige Maß reduziert werden. Die Do-minanz von Spekulation, Kettenbrief- und Wettpraktiken muss einge-dämmt werden. (Keynes: „Spekulanten mögen als Seifenblasen aufeinem steten Strom des Unternehmertums keinen Schaden anrichten.Aber die Lage wird ernst, wenn das Unternehmertum die Seifenblaseauf einem Strudel der Spekulation wird. Wenn die Kapitalentwicklungeines Landes das Nebenerzeugnis der Tätigkeiten eines Spielkasinoswird, wird die Arbeit schlecht getan werden.“)

Erklärungsmuster, die die „Gier der Manager oder Spekulanten“ alsUrsache benennen, sind unzureichend, denn gemacht wurde, was ge-setzlich erlaubt war oder von der Aufsicht geduldet wurde.

Die SPD ist gefordert, den längst überfälligen Paradigmenwechsel wegvon einem desaströsen, weil auf kurzfristigen Profit orientierten Fi-nanzmarktkapitalismus konzeptionell zu fundieren und politisch zumDurchbruch zu verhelfen. Hier liegt eine Profilierungschance gegen-über Union und FDP. Sie darf die Fehler der staatlichen Deregulie-rungspolitik der vergangenen zwei Jahrzehnte nicht wiederholen, son-dern muss sie korrigieren.

Verschiedensten Quellen lässt sich entnehmen, dass allenfalls ein paarProzent der auf den Finanzmärkten zirkulierenden Gelder (es sind as-tronomische Zahlen!) dem realwirtschaftlichen Gefüge zugehören. Dasallermeiste ist (Spiel-)Geld in einem politisch erlaubten Casino. So-lange auf diesem Feld höhere Renditen versprochen oder ermöglichtwerden als mit Realinvestitionen, wird beständig Geld weg von Investi-tionen und Konsum gelenkt (fehlgeleitet) und eine strukturelle Nach-frageschwäche ausgebildet. Dieser Trend ist noch verstärkt wordendurch eine jahrelang aufgebaute Verteilungsschieflage (sinkende Lohn-quote, Gerechtigkeitslücke).

Zu fordern ist:

– Alle Unternehmen, die Finanzdienstleistungen anbieten, müssen derjeweiligen Kontrolle der nationalen Aufsichtsbehörde unterliegen(unabhängig vom europäischen Rahmen). Wesentlich ist, dass z. B.Hedgefonds oder Private Euqity Gesellschaften von der Bafin und

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der Bundesbank kontrolliert werden und den gleichen Bestimmun-gen unterliegen wie Banken auch (keine Sonderrolle fürErsatz/Schattenbanken oder Investmentbanken). Die Zulassung vonHedgefonds in Deutschland sollte wieder rückgängig gemacht wer-den. Steuerliche Bevorzugungen gehören auf den Prüfstand. – (natio-nale Kompetenz)

– Alle Risiken müssen aus der Bilanz erkennbar sein. Es darf keineGeschäfte mehr geben, die außerhalb der Bilanz stattfinden. Zweck-gesellschaften oder ähnliche Institute sind nicht mehr zuzulassen. –(nationale Kompetenz)

– Jedes Risiko muss entsprechend mit Eigenkapital unterlegt werden.Dass maßlose Verschuldungshebel zugelassen wurden (Leverage-Ef-fekt) erweist sich jetzt als Bumerang. Das Basel II Abkommen mussso überarbeitet werden, dass jedwede Risiken von Finanzdienstleis-tern adäquat mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. (Das Ver-hältnis von Kernkapital zu Fremdkapital ist bei deneuropäischen/deutschen Banken noch schlechter als in den USA!). –(nationale Kompetenz)

– Es ist ein „TÜV“ für Finanzdienstleistungen einzuführen. Neue„Produkte“ müssen der Bafin oder der europäischen Aufsicht ange-zeigt werden. Der Bafin ist das Recht einzuräumen, bestimmte Wert-papierformen oder -geschäfte zu verbieten (Leerverkäufe, Wetten fürdas Publikum/Zertifikate, Kettenbrief-ABS). – (nationale und/odereuropäische Kompetenz)

– Eine öffentlich-rechtliche europäische Ratingagentur ist aufzubauen.Diese sollte an die EZB angegliedert werden. Die Kriterien für dasRating sollen sich an einer nachhaltigen, langfristigen und auch so-zialen (z. B. auch Tarifvertragstreue, Arbeitgeberverband-Mitglied-schaft) Unternehmenspolitik orientieren. – (europäische Kompetenz)

– Wichtig ist, dass endlich die Steueroasen ausgetrocknet werden. Esgibt hier keinerlei Hindernisse, sondern nur Ausreden! Viele Finan-zintermediäre operieren von Steueroasen aus, Geld wird aus besteu-ernden Nationalstaaten dort hintransferiert. Deshalb: Geschäfte mitUnternehmen aus Staaten, die eine entsprechende Kontrolle und Be-steuerung ablehnen, werden untersagt! Das kann jede nationale Re-gierung für ihren Banken- oder Unternehmensbereich verfügen. So-weit es öffentlich-rechtliche Banken angeht, können es die Eigentü-mer autonom verfügen. – (nationale Kompetenz)

– Schaffung eines zusätzlichen europäischen Sicherungsfonds für Pri-vatbanken. Um künftig Zusammenbrüche (systemrelevanter) Bankenzu verhindern, sollen die europäischen Privatbanken einen angemes-sen hohen, zusätzlichen Sicherungsfonds aufbauen. Sparkassen undLandesbanken sind hiervon auszunehmen, da sie von ihren öffentli-chen Eigentümern aufgefangen würden. – (europäische Kompetenz)

– Das öffentlich-rechtliche Bankensystem in Deutschland – insbes.Sparkassensektor – hat erneut seine Bewährtheit bewiesen. DieseSäule im Bankensystem ist wieder zu stärken. Nicht nur sind endgül-tig allen Angleichungs- und Teilprivatisierungsversuchen Abfuhrenzu erteilen: Die Gewährträgerhaftung ist wieder einzuführen. – (eu-ropäische Kompetenz, ggf. als Notfallplan nationale Regelung)

– Einführung bzw. Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer (Fi-nanztransaktionssteuer, Tobin-Tax). Dieses ehedem bewährte und si-cher auch aufkommensstarke Instrument (z. B. ein halbes Prozentvom Wertpapierumsatz) trüge dazu bei, die spekulativen Kapitalum-sätze zu „verlangsamen“. Die Allgemeinheit würde am Wertpapier-handel partizipieren. Es ist auch als Gegenleistung für die massiveStützungsleistung der öffentlichen Hand zu sehen. (Für jedes StückBrot muss der Bürger Umsatzsteuer zahlen, nur Wertpapierhandelund Spekulation sind in dieser Hinsicht steuerfrei!) – (nationaleKompetenz, auch: europäische Regelung wünschenswert)

– Garantie für die Betriebsrenten und kapitalgedeckten Altersrenten ineinem europäischen Sicherungsfonds, in den die Finanzinstitute an-gemessen einzahlen. Die Politik der Schaffung von Fonds für Pensio-nen oder Teilersatz für umlagefinanzierte Rente ist zu überprüfen,denn nichts ist sicherer als eine umlagefinanzierte (!) Rente oderPension. – (europäische und nationale Kompetenz)

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AnträgeEmpfehlungen

derAntragskommission

– Stopp von Privatisierung von Bahn und Post und der Verschleude-rung öffentlichen Eigentums. Auch die Förderung von ÖPP bzw. Pri-vate Public Partnership gilt es zu überdenken. – (nationale Kompe-tenz)

– Eine Begrenzung von Boni und Managergehältern ist bereits in derDiskussion. Der Bundesbank-Chef bekommt als „oberster Banker“Deutschlands 370 Tsd. Euro. Warum sollte ein normaler Bankmana-ger mehr bekommen? – (nationale Kompetenz)

– Bei der Frage der Länderbeteiligung am Rettungsfonds ist die Zu-stimmung an die klare Zusicherung zum Erhalt der Erbschaftsteuermindestens im gegenwärtigen Umfang zu knüpfen. Die Vermögen-steuer ist hier ins Spiel zu bringen. ErbschSt und VSt mögen Instru-mente der sozialen Gerechtigkeit sein, genau so wichtig ist: in öko-nomischer Hinsicht sind sie das Abschöpfen funktionslosen Geldesaus den Finanzmärkten und deren Zuführen zum investiven und kon-sumtiven Wirtschaftskreislauf. – (Landeskompetenz)

– Währungsmärkte und Währungsspekulation bilden einen erhebli-chen Bereich der Finanzmärkte und binden ebenfalls funktionslosesGeld. Spekulative Währungsbewegungen können sich bald als neuerUnruheherd auf den Finanzmärkten zeigen. Deshalb muss auch hierdie Schließung des Kasinos politisches Ziel werden, wie von vielenschon lange angemahnt (Nobelpreisträger Paul Krugman u. a.) Aufinternationaler Ebene ist eine neues „Bretton-Woods“ anzustreben,das die wichtigsten Währungen in ein Regulierungssystem einbindet.– (internationale Regelung)

Kein staatlicher Vollkasko bei der Bankenkur

Die Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten halten Wirt-schaft und Politik weiter in Atem. Der Internationale Währungsfonds(IWF) schätzt den verbleibenden Abschreibungsbedarf weltweit alleinbei Finanzprodukten auf bis zu 4,1 Billionen US-$. Die deswegen not-wendig werdenden Eigenkapitalerhöhungen bei Banken in Europa undin den USA werden nach Einschätzung des IWF weitere staatliche Hil-fen erfordern. Der Interbankenhandel stockt weiterhin. Als ein Auswegwird diskutiert, die Banken über die Einrichtung einer oder mehrererinstitutsbezogener Bad Banks zu entlasten. Auf diesem Wege sollenfaule Finanzpapiere aus den Bankbilanzen, zumindest temporär, he-rausgelöst werden. Nach Presseberichten sollen insofern bei pessimisti-scher Schätzung mehr als 800 Mrd. Euro in den Bilanzen hiesiger Ban-ken. Das Risiko für den Steuerzahler, das im Zusammenhang mit derEinrichtung sog. Bad Banks in Deutschland angenommen wird, wirdauf 100 bis 300 Mrd. Euro beziffert (FTD vom 23.04.2009).

Für die Steuerzahler besteht jedoch kein Grund, sich auf eine bloße So-zialisierung der eingetretenen Verluste einzulassen. Forderungen ausdem Bankensektor, die über das Konstrukt einer Bad Bank auf eineAusgliederung der faulen Papiere zum Nulltarif hinauslaufen, müssenentschieden abgewehrt werden. Die Lösung über eine zentrale BadBank wurde daher völlig zu Recht verworfen. Sie würde das Risiko ausdem bisherigen Kasino-Kapitalismus allein auf den Steuerzahler verla-gern. Das Gegenteil ist vielmehr sicherzustellen: Der Steuerzahlermuss eine Gegenleistung für „sein“ Engagement in der Krise bekom-men. Aus demselben Grund kommt auch lediglich eine differenzierteÜbernahme von Risiken bzw. Risikopapieren durch den Staat in Be-tracht. Stattdessen müssen im Interesse der Allgemeinheit für die staat-lichen Stützungsprogramme auch entsprechende Gegenleistungen derFinanzbranche eingefordert werden. Das ist mit der gefundenen Lö-sung über die dezentralen Bad Banks im Grunde auch gelungen. Dochwird die weitere Entwicklung kritisch zu verfolgen sein. Denn erstdann, wenn das Vertrauen zwischen den Banken zurückgekehrt und dasInterbanken- und das Kreditgeschäft sichtbar wieder in Schwung ge-kommen ist, haben wir die Talsohle durchschritten.

Die Finanzmarktkrise stellt eine ökonomische Zäsur dar. Sie ist keinbloßer Betriebsunfall, der sich durch Einzelmaßnahmen lösen ließe.Dementsprechend muss jede weitere Rettung der Banken Hand inHand gehen mit einer weiteren Regulierung der Finanzmärkte. Ansons-ten kann sich die Konjunktur nicht stabilisieren. Ferner würde ein un-differenzierter Aufkauf von Wertpapieren durch den Staat jeglichenAnreiz der privaten Finanzmarktakteure untergraben, sich an der Regu-lierung zu beteiligen: Würden sie vorrangig aus Steuermitteln von den

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Risiken ihrer Wertpapiergeschäfte befreit, würden nicht mehr die nöti-gen Konsequenzen gezogen, sondern Strukturen und Verhaltensweisenerhalten bleiben, die zu der Krise geführt haben. Daher ist bei der wei-teren Konsolidierung des Bankensektors ein Gesamtpaket aus kurzfris-tig wirksamen und langfristig in ersten Teilen konkret anzulegendenMaßnahmen zu schnüren, das Zug um Zug umgesetzt wird. Dabei mussdie langfristige Neuordnung des Finanzmarktes dessen Regulierung soausrichten, dass Rendite und Wachstum im Finanzsektor längerfristignicht über denen der realwirtschaftlichen Sektoren liegen. Die Exzessean den Finanzmärkten, die Mentalität des Kasino-Kapitalismus habendie ganze Welt in wirtschaftliches Elend gestürzt. Wenigstens die durchStaatshilfe zur Überwindung der Krise entstandenen und entstehendenKosten sind mit Hilfe geeigneter Maßnahmen durch die Finanzbrancheselbst auszugleichen und dieser gegenüber abzufordern. Dies ist zügigkonkreter festzulegen.

Statt Schuldenbremse: die Haushalte sozial gerecht konsolidierenDie im SPD-Wahlprogramm vorgesehene Schuldenbremse droht dieGestaltungsmöglichkeiten einer aktiv gestaltenden Politik zukünftigdrastisch zu beschneiden. Wir plädieren deshalb dafür, die Schulden-bremse durch eine sozialorientierte und zugleich wachstumsförderndeKonsolidierungsstrategie zu ersetzen.Nach einer Übergangsphase, die 2011 beginnt, sollen ab 2020 dieHaushalte der Bundesländer in „normalen“ Konjunkturzeiten keineSchulden mehr machen dürfen. Für die Übergangszeit von 2011 bis2020 plant man die Neuverschuldungen stufenweise zurückzuführen.Dem Bund erlaubt man zukünftig noch eine maximale Neuverschul-dung bis 0,35 % bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt pro Jahr. Diessind nach heutigem Stand etwa rund 8,5 Mrd. €. Ein solch niedrigerWert wurde in den letzten 18 Jahren seit der Wiedervereinigung in kei-nem Jahr auch nur annähernd erreicht. Lediglich im Abschwung darfder Bund noch einen Kredit aufnehmen, der aber im nächsten Auf-schwung sofort zurückzuzahlen ist. Ausnahmen sind nur noch für Na-turkatastrophen und schwere Wirtschaftskrisen, wie beispielsweise inder gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise vorgesehen.Mit diesen starren und fixen Vorgaben läuft die Wirtschaftspolitik Ge-fahr, sich quasi selbst zu fesseln. Denn die Geldpolitik wurde mit demEuro bereits nationalstaatlicher Kontrolle entzogen. Jetzt soll nun auchnoch die den Euroländern einzig verbliebene Fiskalpolitik signifikan-ten Einschränkungen unterworfen werden. Denn mit der geplanten„Schuldenbremse“ – sinnvoller wäre nach Peter Bofinger eine „Steuer-senkungsbremse“ – ist in Zukunft eine seriöse und rationale antizykli-sche Fiskalpolitik nur mehr unter erschwerten Bedingungen möglich.Ein Verschuldungsspielraum von lediglich 0,35 % gefährdet sogar dievolle Wirksamkeit der sog. automatischen Konjunkturstabilisatoren.Hier verzichtet bekanntlich der Staat bei einem Wachstumseinbruch da-rauf, die wegbrechenden Steuereinnahmen durch entsprechende Staats-ausgabensenkungen zu kompensieren. Kein anderes EU-Land verhältsich wirtschaftspolitisch mit einer „Schuldenbremse“ derart riskant.Selbst der im neoliberalen Geist entstandene Stabilitätspakt der EU er-laubt eine Neuverschuldung in Höhe von 3 % des Bruttoinlandspro-dukts.Das immer wieder vorgebrachte „Generationsargument“, wir würdenmit Staatsverschuldung auf Kosten zukünftiger Generationen leben,greift ökonomisch übrigens nur dann, wenn die zusätzlichen Staats-schulden für rein konsumtive Zwecke genutzt würde. Völlig anders ver-hält es sich, wenn mit neuen Schulden durch Investitionen auch neuesVolksvermögen aufgebaut wird. Es ist dann gerade auch generations-übergreifend höchst sinnvoll, die Schuldenaufnahme an das Ausmaßder öffentlichen Investitionen zu binden. Solange dann künftige Gene-rationen Nutznießer der heute getätigten öffentlichen Investitionensind, etwa zugunsten der Umwelt, der Bildung oder öffentlichen Infra-struktur, bietet nur die Staatsverschuldung die Möglichkeit, diese ander Finanzierung zu beteiligen. Hier gilt das richtige Prinzip „pay asyou use“.

Eine alternative Strategie der KonsolidierungMittel- bis langfristig ist es freilich sinnvoll, die öffentlichen Haushaltezu konsolidieren. Denn eine stets ansteigende Verschuldung der öffent-lichen Hand ist sowohl verteilungspolitisch, als auch durch die Auswir-

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kungen auf das Zinsniveau auf Dauer kontraproduktiv. Die Zinszahlun-gen führen einerseits zu einer Umverteilung von unten nach oben, weilder Staat sich in der Regel bei vermögenden Staatsbürgern verschuldet,fällige Zinsen aber aus dem allgemeinen Steueraufkommen begleicht.Andererseits schränkt eine kumulative Verschuldung die politischenHandlungsspielräume des Staates ein, wenn ein immer größerer Anteilder Steuereinnahmen für den Schuldendienst aufgewendet werdenmuss.

Eine Konsolidierungspolitik, die jedoch auf die strikte Einhaltung star-rer Defizitziele setzt, verschenkt Wachstumsmöglichkeiten und ver-fehlt auf diesem Wege auch die Defizitziele. Statt inflexibler Defizit-ziele sollte ein Ausgabenpfad festgelegt werden, der sich am Trend-wachstum orientiert. Auf diese Weise kann die Fiskalpolitik mit derKonjunktur atmen, ohne auf die Konsolidierung perspektivisch ver-zichten zu müssen. Um die Schuldenstandsquote der öffentlichenHaushalte zu senken und mit ihr die Belastungen durch den Schulden-dienst, sollte die Neuverschuldung vom realistisch erwartbaren nomi-nalen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts abhängig gemacht werden:die Defizitquote muss hinter dieser Wachstumsrate zurückbleiben (ver-änderbare Ausgabenobergrenze statt starrer Defizitquote). Eine ver-nünftige Strategie der Konsolidierung versucht also nicht, sich in Re-zessionsphasen aus einer Verschuldungssituation herauszusparen. Viel-mehr kommt es darauf an, aus dem Defizit herauszuwachsen. Die Aus-richtung des Ausgabenpfades auf eine Wachstumsrate unterhalb desnominalen BIP-Wachstumspfades ermöglicht eine einnahmeseitigeKonsolidierung der Haushalte. In der Rezession steigt das Haushaltsde-fizit wegen gesunkener Einnahmen bzw. steigender Ausgaben an, wäh-rend im Aufschwung wegen der Ausgabenobergrenze umgekehrt Haus-haltsüberschüsse realisiert werden, die zur Konsolidierung verwendetwerden. Der Haushalt kann mit der Konjunktur atmen.

Strukturelle – überzyklische – Staatsverschuldung kann zusätzlichauch mit adäquaten Steuererhebungen und durch staatliche Abgabenzurückgeführt werden. Allerdings muss eine sozial orientierte Konsoli-dierungspolitik darauf achten, dass hierbei vor allem spekulative Ge-winne und große Vermögen zur Finanzierung herangezogen werden.In diesem Sinne müsste auch ein reformierter Europäischer Stabilitäts-pakt von der unflexiblen 3-Prozent-Grenze Abschied nehmen undwohldefinierte länder-spezifische Ausgabenpfade festlegen und dieEinhaltung der Ausgabenpfade überwachen. Der „Budget EnforcementAct“, der 1990 in den USA unter Bill Clinton in Kraft getreten ist, kannals Beispiel gelten, wie durch die Fixierung von Ausgabenobergrenzenstatt von Defizitgrenzen eine Konsolidierung der öffentlichen Haus-halte gelingen kann. Es wird dann nämlich eine Größe angesteuert, dieder Staat viel besser kontrollieren kann als den Budgetsaldo, der letzt-lich von der konjunkturellen Entwicklung abhängig ist. Und damit wirdauch klar, dass der Staat seriöserweise überhaupt keinen fixen Zeit-punkt für eine erfolgreiche Konsolidierung benennen kann. Denn derKonsolidierungserfolg ist letztlich von der gesamtwirtschaftlichen Ent-wicklung abhängig. Eine solche Konsolidierungspolitik erweist sichschon deshalb als die überlegene Strategie, weil sie mit deutlich gerin-geren politischen und sozialen Kosten einhergeht.

Baustein 2: Eine wirtschaftspolitische Strategie für qualitatives Wachs-tum und mehr Beschäftigung

Warum eine zeitgemäße Wirtschaftspolitik weder auf Keynes noch aufStrukturreformen verzichten kann

Angesichts der dramatischen Verwerfungen auf den Weltfinanzmärktensowie der schwersten Rezession seit Jahrzehnten fordern nun selbstkonservative Wirtschaftsforschungsinstitute, der Sachverständigenratund neoliberale Wirtschaftsjournalisten ein aktive Rolle des Staates beider Stabilisierung von Kreditversorgung und Konjunktur ein. Noch bisvor einem guten Jahr etwa galten staatliche Investitions- und Konjunk-turprogramme in diesen Kreisen als eher schädliche Instrumente ausdem Arsenal eines längst überholten keynesianischen Denkens. Dochdie Erkenntnisgewinne der neueren wirtschaftswissenschaftlichen undkeynesianischen Forschung vor allem in den USA zeigen, dass die Po-litik sehr wohl über Handlungsspielräume verfügt, um die Konjunkturdurch gezielte Maßnahmen zu stützen und Arbeitslosigkeit zu vermei-den. In vielen Fragen einer konjunkturstützenden Geld- und Fiskalpoli-

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tik gibt es heute in den Wirtschaftswissenschaften weitgehend konsen-suale Sichtweisen, in deren Rahmen neu-keynesianische Ansätze einezentrale Rolle spielen. Eine zeitgemäße Wirtschaftspolitik muss sichauf diese Ansätze stützen, wenn sie mehr qualitatives Wachstum undmehr Beschäftigung generieren will.

Makro-ökonomischer Politik-Mix

Die eigentliche Reformaufgabe deutscher wie europäischer Wirt-schaftspolitik besteht in der Schaffung einer modernen makro-ökono-mischen Regierung, damit eine wachstums- und stabilitätsorientierteAbstimmung der großen makro-ökonomischen Politikbereiche (Geld-,Finanz- und Lohnpolitik) ermöglicht wird. Die Politik muss stets in derLage sein, konjunkturelle Ausschläge zu glätten und in Rezessionen ex-pansive Impulse freizusetzen. Eine bewusste politische Koordinierungder Wirtschaftspolitik erlaubt eine insgesamt stärker auf Wachstum undBeschäftigung ausgerichtete Strategie im Euro-Raum. Die gegenwärti-gen institutionellen Rahmenbedingungen des Maastricht-Vertrages unddes Stabilitätspakts bewirken de facto einen zu restriktiv angelegten Po-litik-Mix. So begünstigt der Stabilitätspakt mit seinen relativ starrenDefizitkriterien angesichts bereits existierender Schuldenstände eineprozyklische Fiskalpolitik. Doch alle Versuche in der Vergangenheit, inAbschwungphasen eine Haushaltskonsolidierung einzuleiten, sind ge-scheitert. Gleichzeitig ist die Konstruktion der Euro-Zentralbank imGegensatz zur Federal Reserve Board in den USA einseitig auf die Ein-haltung der Preisniveaustabilität verpflichtet. Sie folgt zwar einemprinzipiell richtigen „inflation targeting“, dass jedoch mit maximalzwei Prozent äußerst konservativ ausgerichtet ist und deshalb im Zwei-fel Wachstumschancen ungenutzt lässt. Eine Neuausrichtung der Wirt-schaftspolitik im Euro-Raum ist deshalb geboten. Das Ziel eines hohenBeschäftigungsstandes muss dem Ziel der Preisstabilität gleichrangigsein. Der im Rahmen des Europäischen Beschäftigungspaktes einge-setzte Makroökonomische Dialog kann dabei als Forum für eine koor-dinierte Wirtschaftspolitik fungieren, der die maßgeblichen Akteure derGeld-, Fiskal- und Lohnpolitik zusammenführt.

Die Realität unvollkommener Märkte und die Notwendigkeit der StabilisierungIn der wirtschaftspolitischen Realität ist letztlich immer davon auszu-gehen, dass bestehende Rigiditäten auf den Märkten kurz- bis mittel-fristig keynesianische Phänomene hervorbringen. Auch wenn die öko-nometrischen Modelle der Neo-Klassik elegant und in sich schlüssigsind: sie werden regelmäßig gebrochen an den real existierenden Mark-tunvollkommenheiten, an unvollständiger Information und den Kostender Informationsbeschaffung, an zeitverzögerter Reaktion von Markt-teilnehmern, an langfristigen Verträgen u. a. Auch die Unsicherheitspielt eine markante Rolle für wirtschaftliche Entscheidungen. Jederealistisch angelegte Wirtschaftspolitik muss daher von der unvollkom-menen Flexibilität der Lohn- und Preisbildung ausgehen. Damit wird esimmer wieder zu wirtschaftlichen Ungleichgewichten und zu unge-räumten Märkten kommen. Ein solcher Zustand kann auch über län-gere Zeit andauern, wenn die Wirtschaftspolitik untätig bleibt.

Konjunkturstabilisierung ist deshalb ein unverzichtbares Element einerwirtschaftspolitischen Strategie für mehr Wachstum und Beschäfti-gung. Dies belegen die Erfahrungen in den USA oder Großbritannien,die seit den 90er Jahren immer wieder mithilfe eines makroökonomi-schen Policy-Mix wachstums- und beschäftigungsfördernde Marktkon-stellationen hergestellt haben. Die Erkenntnisgewinne der neueren key-nesianischen Forschung zeigen, dass die Politik über Handlungsspiel-räume verfügt, um kurz- bis mittelfristig das wirtschaftliche Aktivitäts-niveau zu fördern. Dabei geht es nicht um eine Rückkehr zum wirt-schaftspolitischen Steuerungsoptimismus der 60er Jahre, dem die Illu-sion zugrunde lag, es gäbe auch langfristig einen trade-off zwischen In-flation und Arbeitslosigkeit. Wohl aber muss es um die aktive Stabili-sierung und politische Gestaltung in Phasen stagnierenden oder garrückläufigen Wachstums gehen. Auf eine aktive Stabilisierungspolitikkann deshalb nicht verzichtet werden. Sie kann Schocks mildern. Sowurden etwa in den USA die Geldmarktzinsen von 6,5 Prozent im Jahr2001 auf den historischen Tiefstand von 1 Prozent Anfang 2004 abge-senkt. Damit reagierte die amerikanische Notenbank wesentlich früherund mit weitaus größeren Zinssenkungsschritten auf die Krise 2001 als

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etwa die Euro-Zentralbank. Doch nicht nur die Geldpolitik, auch die Fi-nanzpolitik wurde eingesetzt: so wurde aus dem unter Bill Clinton er-wirtschafteten Budgetüberschuss von 2,5 % des BIP bis zum Jahr 2004ein Defizit von 4 Prozent. Durch diesen enormen expansiven Impulskonnte die Rezession schnell überwunden werden; es war überhauptdie kürzeste Rezession der US-Nachkriegsgeschichte. Auch die Be-kämpfung der Rezession 1991/92 erfolgte durch die mehrmalige Sen-kung der Leitzinsen und eine entsprechende Geldmengenausweitungdurch die Federal Reserve Board. Gerade die geldpolitischen Instru-mente wurden von der amerikanischen Zentralbank außerordentlichkonsequent eingesetzt: als es kurz nach Überwindung der RezessionAnzeichen eines erneuten Einbruchs gab, veranlasste die US-Noten-bank unverzüglich weitere Zinssenkungen. Das Zinsniveau wurde dannsogar auf ein historisches Tief herabgesenkt. Von der Lohnentwicklungging in den USA kein Inflationsdruck aus. Dies war eine der Vorausset-zungen für das expansive Agieren der US-Zentral-bank. Die Zentral-bank hat diesen Spielraum dann aber auch konsequent genutzt, ummehr Wachstum und Beschäftigung zu ermöglichen.

Wenn aktive Stabilisierung unterbleibt drohen sog. „Hysterese-Ef-fekte“. Die Ökonomie bleibt dann länger als nötig in der Talsohle undverfestigt die konjunkturbedingte Arbeitslosigkeit zur strukturellen Ar-beitslosigkeit. Dies zeitigt fatale Konsequenzen. Denn die Bekämpfungstruktureller Arbeitslosigkeit ist teuer und kann zudem unter den Be-dingungen fiskalischer Restriktion nur bedingt erfolgreich sein.

Moderne Wirtschaftspolitik

Grundsätzlich muss eine moderne Wirtschaftspolitik jedoch zweiseitigausgerichtet sein. Einerseits wie ausgeführt auf eine funktionierendeKoordination der Geld-, Finanz- und Lohnpolitik. Andererseits geht esum den Abbau struktureller Wachstumsbarrieren sowie um die Förde-rung von Forschung und Innovation. Hierzu gehört auch ein flexiblerArbeitsmarkt, der dazu in der Lage ist, ökonomische Schocks besser alsin der Vergangenheit zu verarbeiten und der die Matching-Prozesse aufden einzelnen Teilarbeitsmärkten effizienter gestaltet. Allerdings exis-tiert eine manifeste Barriere für die geforderte Arbeitsmarktflexibilität.Denn die menschliche Arbeitskraft ist keine Ware wie jede andere.Wenn Flexibilität auf inhumane Arbeitsbedingungen, stets sich ver-schärfenden Leistungs- und Konkurrenzdruck, moderne Formen vonPrekarität und Tagelöhnerei sowie auf Lohndumping hinausläuft, unter-gräbt sie die Menschenwürde und den erreichten Stand der Zivilisie-rung des Kapitals. Für die Sozialdemokratie kommt es daher ganz ent-scheidend darauf an, die erforderliche Arbeitsmarktflexibilität in denRahmen einer grundlegend humanisierten und demokratisierten Ar-beitswelt einzupassen. Dazu muss der Arbeitsmarkt reguliert werden.Um dies am Beispiel der Leiharbeit zu konkretisieren: Leiharbeit alsInstrument zur Überbrückung saisonaler Auftragsspitzen oder des zeit-weiligen Ausfalls von Mitarbeitern kann den Arbeitsmarkt flexiblermachen. Doch sobald dieses Instrument missbraucht wird, um im gro-ßen Stile tarifliche Entlohnungsstandards zu unterlaufen, wird sie fürdie betroffenen Arbeitnehmer und für die Allgemeinheit kontraproduk-tiv. Der Staat muss also Vorkehrungen treffen, damit genau dies nichtlänger passiert. Dazu gehört etwa der Grundsatz „Gleicher Lohn fürgleichwertige Arbeit“. Nach einer gewissen Einarbeitungszeit muss derLeiharbeitnehmer den gleichen Lohn erhalten wie die Arbeitnehmerder Stammbelegschaft im entleihenden Betrieb. Ein flexibler Arbeits-markt kann insoweit auch mit Mitteln erreicht werden, die den Zielenhumaner und mitbestimmter Arbeit gerecht werden. Bildung und Wei-terbildung sind dafür die zentralen Ansatzpunkte.

Mittel- bis langfristig führt auch kein Weg an der Haushaltskonsolidie-rung vorbei. Denn eine stets ansteigende Verschuldung der öffentlichenHand ist sowohl verteilungspolitisch, als auch durch die Auswirkungenauf das Zinsniveau auf Dauer kontraproduktiv. Vor allem aber schränkteine kumulative Verschuldung die politischen Handlungsspielräumedes Staates ein, wenn ein immer größerer Anteil der Steuereinnahmenfür den Schuldendienst aufgewendet werden muss.

Eine Konsolidierungspolitik, die jedoch auf die strikte Einhaltung star-rer Defizitziele setzt, verschenkt Wachstumsmöglichkeiten und ver-fehlt auf diesem Wege auch die Defizitziele. Statt inflexibler Defizit-ziele sollte ein Ausgabenpfad festgelegt werden, der sich am Trend-

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wachstum orientiert. Auf diese Weise kann die Fiskalpolitik mit derKonjunktur atmen, ohne auf die Konsolidierung perspektivisch ver-zichten zu müssen.

Fazit: Ein Steuerungsoptimismus alt-keynesianischer Prägung vernach-lässigt die Strukturprobleme, während monetaristischer Marktfetischis-mus Wachstumspotentiale verschenkt.

Koordinierung der einzelnen Politikbereiche: Geld-, Fiskal- und Lohn-politik

Geldpolitik für Stabilität und Beschäftigung

Die Geldpolitik beeinflusst die Volkswirtschaft durch die Veränderungder Zinssätze und durch die Beeinflussung der aggregierten Nachfrage.Ein Anstieg des Geldangebots reduziert den Zinssatz, erhöht die Inves-titionsausgaben sowie die Nachfrage und steigert somit den Gleichge-wichtsoutput.

Im Gegensatz zu monetaristischen Annahmen kann die Geldpolitiksehr wohl Wachstums- und Beschäftigungseffekte auslösen. Zwar gibtes in der modernen Makroökonomik den Konsens, dass ein Anstieg derGeldmenge langfristig keine realen Effekte zeitigt, sondern nur diePreise beeinflusst (Neutralität des Geldes). Im klassischen Fall führteine monetäre Expansion unverzüglich zu einer entsprechenden Preis-steigerung, ohne dass jemals eine reale Produktionsausweitung stattfin-det. Da sich die Löhne und Preise in der Realität jedoch nur langsamanpassen (längerfristige Verträge), hat eine Geldmengenausweitungkurz- bis mittelfristig durchaus Auswirkungen auf das Investitions- undKonsumverhalten der Wirtschaftssubjekte. Kurz- bis mittelfristig istdas Geld eben nicht neutral. Eine Geldmengenausweitung kann daherzu einer realen Expansion führen und zur Stabilisierung eingesetzt wer-den.

Zentralbankpolitik

Die Zentralbankpolitik muss klar und glaubwürdig sein, damit sich dieWirtschaftssubjekte daran orientieren können. Entscheidend ist, dassdie Zentralbank den richtigen Auftrag erhält, nicht einseitig nur Stabili-tätsziele zu verfolgen, sondern – wenn diese erreicht wurden – ebensoauf die Förderung von Wachstum und Beschäftigung zu setzen. Poli-tisch muss es darum gehen, eine Zentralbankverfassung anzustreben,die vorhandene geldpolitische Spielräume konsequent auch zur Förde-rung von Wachstum und Beschäftigung nutzt. Grundvoraussetzungdafür ist freilich eine koordinierte Makropolitik, denn ohne Einbindungder Lohnpolitik können geldpolitische Spielräume nicht zuverlässig er-öffnet werden.

Die Zentralbank sollte dabei im Prinzip einer sog. Taylor-Regel folgen.Demnach ist ein Zinsanstieg durch die Zentralbank immer dann gebo-ten, wenn die tatsächliche Inflationsrate über dem Inflationsziel liegtund die reale Wachstumsrate der Wirtschaft über dem Trendwachstumliegt. Und natürlich umgekehrt: ein niedrigerer Nominalzins wirktwachstumsstimulierend, weil bei gegebener Inflation auch der Realzinssinkt. Mit dieser Regel hat Taylor verdeutlicht, dass letztlich alle Zen-tralbanken sowohl auf die Inflation als auch auf die konjunkturelle Ent-wicklung achten (müssen). Allerdings gewichten die einzelnen Noten-banken Inflationsbekämpfung und Konjunkturstabilisierung durchausunterschiedlich und legen auch unterschiedliche Zielinflationsratenfest. Die Euro-Zentralbank verfolgt dabei eine äußerst konservativeLinie mit einer Zielinflationsrate von höchstens zwei Prozent. DieBank of England lässt 2,5 Prozent zu (wobei Abweichungen nach untengenauso wenig toleriert werden wie Abweichungen nach oben); dieamerikanische Zentralbank verfolgt ein implizites Inflationsziel vonetwa drei Prozent. Bei einem zu niedrig angesetzten Inflationsziel hatdie Zentralbank einen zu geringen Spielraum, um ökonomischenSchocks entgegenwirken zu können; gleichzeitig drohen Aufschwüngewegen der damit verbundenen Nachfrageinflation zu früh abgewürgt zuwerden. Längere Aufschwünge in OECD-Ländern gingen so stets mitInflationsraten von mehr als zwei Prozent einher. Auch der „Stabilitäts-weltmeister“ Deutschland wies in der Vergangenheit langfristig einehöhere Inflationsrate als zwei Prozent auf. Die EZB definiert Preissta-bilität daher äußerst restriktiv. In der Tendenz sind die Zinsen niedrig zuhalten, um Investitionen anzuregen.

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Beispielgebend für eine deutlich wachstumsfreundliche Geldpolitik istsicherlich die geldpolitische Strategie der US-amerikanischen FEDunter dem ehemaligen Notenbankchef Alan Greenspan, der immer andie expansive Grenze ging: im Zweifel lieber eine geringere oder keineZinserhöhung bzw. eine Zinssenkung. Während schon bei ersten Anzei-chen einer Konjunktureintrübung auf Expansion geschaltet wurde undmit großen Zinssenkungsschritten innerhalb kurzer Zeit ein „soft lan-ding“ versucht wurde, zögerte die Zentralbank in Aufschwungphasensehr lange, bis sie sich zu Zinserhöhungen durchrang.

Ein Vorschlag bestünde darin, ein symmetrisch anzusteuerndes Inflati-onsziel von mindestens 2,5 Prozent zu implementieren. Symmetrischbedeutet, dass die Zentralbank Abweichungen vom Inflationsziel nachoben wie aber auch nach unten gleichermaßen bekämpft. RestriktiveGeldpolitik sollte erst möglich sein, wenn tatsächlich inflationäre Ge-fahren existieren. Der EG-Vertrag sollte langfristig so verändert wer-den, dass neben der Preisniveaustabilität Wachstum und Beschäftigungals gleichrangige Ziele der Geldpolitik fixiert werden.

Fiskalpolitik im Spannungsfeld zwischen Konsolidierung und Wachs-tumsförderung

Auch die staatliche Fiskalpolitik kann in der kurzen bis mittleren Fristexogene ökonomische Schocks abfedern. Eine in diesem Sinne funktio-nale Fiskalpolitik hat die Aufgabe, bei konjunkturellen Einbrüchen dieNachfrage zu stabilisieren. Damit kann sie auch den langfristigenWachstumstrend der Volkswirtschaft zumindest positiv beeinflussen. InAufschwungphasen kann sie dagegen bremsend auf die Konjunktureinwirken und eine allzu restriktive Geldpolitik vermeiden helfen.Nicht hingenommen werden kann dagegen eine Fiskalpolitik, die aufeinen langfristigen Anstieg der öffentlichen Verschuldung am Inlands-produkt hinausläuft.

Viele empirische Studien zeigen, dass die fiskalischen Anreize Wir-kung zeigen, auch wenn die Multiplikatoreffekte geringer sind als frü-her unterstellt. In jedem Falle muss die Fiskalpolitik die automatischenStabilisatoren zur Geltung kommen lassen. Denn nur dann können kon-junkturelle Schwächephasen abgemildert werden. Das Ansparen gegenkonjunkturbedingte Einnahmeausfälle wirkt verheerend auf die Real-ökonomie zurück. Unter diesen Bedingungen kann der Staat seineSparziele nicht erreichen. Dies belegen auch die Erfahrungen aus denletzten Jahren. So ist die Haushaltskonsolidierung trotz stagnierenderoder sogar rückläufiger Ausgaben kaum vorangekommen, weil diesemZiel vor allem die hartnäckige wirtschaftliche Stagnation entgegenge-standen hat. Die öffentlichen Haushalte sind eben nicht nur Reflex derwirtschaftlichen Entwicklung, sondern beeinflussen diese auch: die ne-gativen Rückwirkungen der Sparpolitik gefährden letztlich das Konso-lidierungsziel. Überdies besteht die Gefahr, dass mittel- und langfris-tige Wachstumspotentiale gar nicht erst aufgebaut werden, wenn solcheAusgaben nicht getätigt werden, deren „Social Rate of Return“ überden Finanzierungskosten liegt: also die Ausgaben in den Verkehr, dieBildung, die Forschung oder auch in die soziale Infrastruktur. Der Be-darf an diesen Zukunftsinvestitionen ist gewaltig, wie auch internatio-nale Vergleiche belegen. Die öffentlichen Investitionen liegen inzwi-schen weit unter dem internationalen Durchschnitt. Zusätzlich zur Wir-kung der automatischen Stabilisatoren muss die Fiskalpolitik in Zeitenökonomischer Stagnation expansive Impulse freisetzen.

in zentrales Gegenargument gegen die wachstumsfördernden Effekteder Fiskalpolitik steht auf der Grundlage der sog. Ricardo-Äquivalenz.Jede kreditfinanzierte Steuersenkung bringe demnach eine gleich hoheSteuerbelastung in der Zukunft mit sich, die von den Wirtschaftssub-jekten antizipiert werde: sie bilden private Ersparnisse in Höhe derstaatlichen Kreditaufnahme. Damit verpuffe der mögliche Nachfrage-effekt. Das Argument ist modelltheoretisch kaum angreifbar, setzt aberWirtschaftssubjekte mit sehr langem Zeithorizont voraus. Zudem un-terliegen die Haushalte Liquiditätsbeschränkungen, sodass sie häufiggar nicht in der Lage sind, eine höhere zukünftige Steuerbelastung zuantizipieren. Ein weiteres Argument gegen den Einsatz der Fiskalpoli-tik zielt auf die Beanspruchung des privaten Kapitalmarkts durch denStaat, der das Zinsniveau nach oben treibe und somit private Investitio-nen verdränge. Dies ist nicht grundsätzlich falsch, zu berücksichtigenist jedoch, dass der Kapitalmarktzins in hohem Umfang von den globa-

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len Kapitalmärkten mitbestimmt wird. Aus diesen Gründen ist der zins-senkende Effekt einer Rückführung der öffentlichen Kreditnachfragebegrenzt.

Die Probleme einer aktiven Nachfragepolitik liegen in den Zeitverzö-gerungen (time-lags) und in der unterbliebenen Konsolidierung inBoomphasen. Um ein konjunkturgerechtes Investitionsverhalten derverschiedenen öffentlichen Haushalte zu bewirken bzw. anzureizen, istauf den Vorschlag eines Konjunkturstabilisierungsfonds zurückzugrei-fen, der auf ein anti-zyklisches Ausgabenverhalten der kommunalenHaushalte abzielt.

Eine vernünftige Strategie der Konsolidierung

Um die Schuldenstandsquote der öffentlichen Haushalte zu senken undmit ihr die Belastungen durch den Schuldendienst, müssen im Durch-schnitt der Jahre trotz aktiver Stabilisierungspolitik dennoch Grenzender Neuverschuldung akzeptiert werden. Deren absolute Höhe darf je-doch nicht fixiert werden, sondern muss vom realistisch erwartbarennominalen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts abhängig gemachtwerden: die Defizitquote muss hinter dieser Wachstumsrate zurückblei-ben (Ausgabenobergrenze). Je weiter sie zurückbleibt, desto niedrigerist der auf lange Sicht zu erwartende Schuldenstand. Eine vernünftigeStrategie der Konsolidierung versucht nicht, sich in Rezessionsphasenaus einer Verschuldungssituation herauszusparen. Vielmehr kommt esdarauf an, aus dem Defizit herauszuwachsen. Die Ausrichtung des Aus-gabenpfades auf eine Wachstumsrate unterhalb des nominalen BIP-Wachstumspfades ermöglicht eine einnahmeseitige Konsolidierung derHaushalte. In de Rezession steigt das Haushaltsdefizit wegen gesunke-ner Einnahmen bzw. steigender Ausgaben an, während im Aufschwungwegen der Ausgabenobergrenze umgekehrt Haushaltsüberschüsse rea-lisiert werden, die zur Konsolidierung verwendet werden. Der Haushaltkann mit der Konjunktur atmen. Ein reformierter Stabilitätspakt müsstedie Einhaltung der vorgelegten länderspezifischen Ausgabenpfadeüberwachen und ggf. sanktionieren. Der „Budget Enforcement Act“,der 1990 in den USA in Kraft getreten ist, kann als Beispiel gelten, wiedurch die Fixierung von Ausgabenobergrenzen statt von Defizitgren-zen eine nachhaltige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte gelin-gen kann. Es wird eine Größe angesteuert, die der Staat viel besser kon-trollieren kann als den Budgetsaldo, der letztlich von der konjunkturel-len Entwicklung abhängig und damit als endogene Größe angesehenwerden muss. Eine solche Konsolidierungspolitik erweist sich schondeshalb als die überlegene Strategie, weil sie mit geringeren politischenund sozialen Kosten einhergeht.

Produktivitätsorientierte Lohnpolitik

Eine stabilitätsgerechte Lohnpolitik verlangt im Normalfall, dass derAnstieg der Stundenlöhne sich am trendmäßigen Produktivitätswachs-tum und an der Inflationsrate orientiert. In diesem Fall geht von derLohnpolitik weder ein inflatorischer noch ein deflatorischer Impulsaus. Im Rahmen einer koordinierten Makropolitik fungiert die Lohnpo-litik deshalb als Stabilitätsanker für das Preisniveau. Sie entlastet dieGeldpolitik bei der Inflationseindämmung und ermöglicht der Zentral-bank, einen höheren Beschäftigungsgrad zu tolerieren, ohne das Inflati-onsziel zu verfehlen. Auf der anderen Seite kann die Konsumnachfrageals größtes Nachfrageaggregat im Gleichschritt mit der Produktionwachsen. Nicht funktional wäre dagegen eine umverteilungsorientierteLohnpolitik, die zu Lohn-Preis-Spiralen führt und die Zentralbank he-rausfordert. Allerdings ist es für die Gewerkschaften ohnehin kaummöglich, die Höhe der Reallöhne direkt anzusteuern (diese ergebensich erst als Folge der unternehmerischen Preissetzung). Eine effektiveKoordinierung der Wirtschaftspolitik setzt verhandlungs- und strategie-fähige Gewerkschaften voraus, die in der Lage sind, gesamtwirtschaft-lich orientierte Vereinbarungen zu treffen. Eine Flächentarifvertrags-struktur kann diesem Erfordernis wesentlich besser entsprechen alseine Dezentralisierung von Tarifverhandlungen. Zudem müssen die be-stehenden Ansätze einer europaweiten Koordinierung gewerkschaftli-cher Lohn- und Tarifpolitik forciert werden, da die Lohnfindungspro-zesse in Europa national bzw. sektoral organisiert sind. In der Erklä-rung von Doorn haben sich die Gewerkschaftsbünde der BRD und derBenelux-Staaten 1998 auf eine Lohnpolitik verständigt, die sich an dereinzelstaatlichen Trendproduktivität plus Inflationsrate orientiert. Pro-

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duktivitätsorientierung stellt aus Sicht der organisierten Arbeitnehmerden Versuch dar, einen gemeinsamen Boden gegen Lohndumping inEuropa einzuziehen. Wenn die einzelnen Gewerkschaften eine derar-tige Regelbindung akzeptieren, muss die Lohnmoderation jedoch durcheine expansivere Ausrichtung der Wirtschaftspolitik, insbesondere aberder Geldpolitik honoriert werden.

Dem Lohndumping ein Ende setzen

In den vergangenen Jahren hat die Tarifpolitik in Deutschland den ver-teilungsneutralen Verteilungsspielraum nicht ausschöpfen können.Dies hat einerseits die preisliche Wettbewerbsfähigkeit deutscher Un-ternehmen auf den Weltmärkten verbessert, so dass die schwache Bin-nennachfrage durch Exporterfolge teilweise ausgeglichen wurde. DieLohnsteigerungen in den meisten Ländern des Euroraums sind in denletzten Jahren höher ausgefallen als in Deutschland. Die Strategie derLohnmoderation hat jedoch auch eine bedeutende Schattenseite. Denndie Löhne sind nicht nur für die Kostenentwicklung relevant, sondernauch für die Entwicklung des inländischen Konsums. Seit Jahren sin-ken die preisbereinigten Effektivverdienste in Deutschland (negativeLohndrift). Die Kaufkraft der Masseneinkommen erlahmt zusehends.Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit steht ohne Zweifel in unmittelba-rem Zusammenhang mit der anhaltenden Schwäche des privaten Ver-brauchs. Steigende Unternehmensgewinne infolge sinkender Arbeits-kosten werden deshalb auch zu wenig in eine Erweiterung der Produk-tionskapazitäten investiert. Die Entwicklung der Inlandsnachfrage lässtunter den gegebenen Bedingungen stagnierender Einkommen keine hö-heren Absätze erwarten. Dies erklärt auch die lange Zeit gespalteneKonjunktur in Deutschland: auf der einen Seite eine dynamische undrobuste Exportwirtschaft auf Basis wettbewerbsfähiger Produkte undPreise, auf der anderen Seite jedoch eine lahmende Binnenwirtschaftauf Basis eines stagnierenden privaten und öffentlichen Verbrauchs.

Die Ankurbelung der Nachfrage ist keineswegs als ein Allheilmittel zurRevitalisierung der Wirtschaft zu sehen. Doch erst wenn die Tarifpar-teien zu einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik zurückkehren,kann eine wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung auf Basis verbesserterAngebotsbedingungen nachfrageseitig abgestützt werden. Bei einemAnstieg der Arbeitsproduktivität um 1 % und der Kerninflationsrate umrund 1,5 % sind damit gesamtwirtschaftliche Lohnsteigerungen bis zu2,5 % möglich. Damit könnten bei gleichbleibender Beschäftigung dierealen Arbeitseinkommen wieder steigen, was der Binnennachfrage zu-gute käme, ohne dabei die erreichte preisliche Wettbewerbsfähigkeit zugefährden.

Um die Abwärtsbewegung in der Lohnentwicklung zu stoppen, kom-men jedoch auch auf den Staat neue Aufgaben zu. Denn einerseitsschwindet die Organisations- und Durchsetzungskraft der Gewerk-schaften, die in immer mehr Tarifbereichen massive Abstriche hinneh-men müssen und in einigen Fällen auch Niedrigstlöhne vereinbarenmussten. Zudem nimmt die Tarifbindung kontinuierlich ab. Damit mussüber die Fixierung eines gesetzlichen Mindestlohnes eine Untergrenzefür die Lohnkonkurrenz eingezogen werden, die in jedem Falle „Armuttrotz Arbeit“ vermeidet und den privaten Konsum stützt.

Steuerquote erhöhen – Sozialbeiträge senken: Durch Umfinanzierungzu steigender Beschäftigung und mehr Verteilungsgerechtigkeit

Die Beschäftigungseffekte einer koordinierten wirtschaftspolitischenStrategie können noch gesteigert werden, wenn diese durch eine sozial-verträgliche Senkung der Beitragssätze in den gesetzlichen Sozialversi-cherungen flankiert wird. Es besteht ein breiter Konsens innerhalb derWirtschaftswissenschaft, dass die Sozialbeiträge, also die Lohnneben-kosten wie eine zusätzliche Steuer auf den Arbeitseinsatz wirken unddie Beschäftigung etwa in der Größenordnung von etwa 50.000 bis gutüber 100.000 Arbeitsplätzen pro zusätzlichem Beitragssatzpunkt in derSozialversicherung vermindern. Angesichts dieser Größenordnungenwird klar, dass die Senkung der Lohnnebenkosten bei über 4 Mio. Ar-beitslosen nicht den Königsweg aus der Beschäftigungskrise darstellenkann. Eine Strategie der Umfinanzierung kann jedoch einen wichtigenBeitrag zum Abbau der Unterbeschäftigung leisten. Die Beschäfti-gungseffekte sind dabei vor allem auch von der Art der Gegenfinanzie-rung abhängig.

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Für die Reduzierung der Sozialbeiträge ist es dabei keineswegs erfor-derlich, das Sozialleistungsniveau abzusenken, wie dies vor allem vonden Wirtschaftsverbänden immer wieder vorgetragen wird. Dies würdevor dem Hintergrund des Rückbaus sozialer Leistungsansprüche in denletzten Jahrzehnten bei gleichzeitig auseinanderdriftenden Wohlstands-niveaus nur zu einer weiteren Verschärfung sozial-kultureller Ausgren-zungsprozesse führen und daher gesellschaftspolitisch in eine höchstgefährliche Sackgasse münden. Eine sozial akzeptable Senkung derBeiträge muss daher mindestens auf eine Beibehaltung des bestehen-den Leistungsniveaus der sozialen Sicherung und darüber hinaus aufein Mehr an Verteilungsgerechtigkeit bedacht sein. Um eine gerechtereVerteilung des sozialen Lastenausgleichs zu erreichen, ist die Finanzie-rung der sozialen Sicherung auf eine erheblich breitere Basis zu stellen.Eine Steuerfinanzierung sozialer Transferleistungen umfasst dabei alleSteuerzahler und sorgt somit für die breitestmögliche Basis überhaupt.Eine Steuerfinanzierung stößt vor allem nicht an die Versicherungs-pflicht- und Beitragsbemessungsgrenzen, die zu einer tendenziellenEntlastung von hohen und sehr hohen Einkommen führen. Auch folgendie Steuern einem progressiven Tarifverlauf, der höhere Einkommennicht nur proportional, sondern auch prozentual einer höheren Belas-tung unterwirft. Die Sozialbeiträge folgen dagegen ab einem Einkom-men von 800 Euro monatlich (Ende der sog. Gleitzone) einem propor-tionalen Tarifverlauf. Schon gemessen an der bestehenden Steuerlast-verteilung würde eine Umfinanzierung daher und wegen des begrenz-ten Versicherungskreises bzw. der Beitragsbemessungsgrenzen zu einerhöheren Verteilungsgerechtigkeit führen. Denn die obersten acht Pro-zent der Einkommensbezieher tragen ca. 44 Prozent aller Steuereinnah-men. Die steuerliche Umfinanzierung ist jedoch so auszugestalten,dass – auch gemessen an der jetzigen Steuerlastverteilung – eine hö-here Verteilungsgerechtigkeit erreicht werden kann. Eine Gegenfinan-zierung darf sich deshalb nicht alleine auf die indirekten Steuern(Mehrwertsteuer) stützen, sondern muss vorrangig durch direkte Steu-ern erfolgen (Kombination aus höherer Einkommensteuer und revitali-sierter Vermögenssteuer). Eine Gegenfinanzierung über eine Senkungder Staatsausgaben ist dagegen abzulehnen, zumal bei dieser Art vonFinanzierung kurz- bis mittelfristig negative Beschäftigungswirkungenauftreten können Die Senkung der Beiträge für Arbeitgeber und Arbeit-nehmer muss demzufolge ohne Leistungskürzungen über die Erhöhungder Steuern finanziert werden. Der Steueranteil am nominalen Sozial-produkt muss ansteigen, damit der Anteil der Sozialabgaben sinkenkann. Die Abgabenstruktur in Deutschland würde sich auf diese Weisedem „Standardmodell“ europäischer Sozialstaatsfinanzierung annä-hern, das stärker als hierzulande durch eine Steuerfinanzierung sozialerLeistungen geprägt ist. Gleichzeitig würden damit Fehlentwicklungenim Steuer- und Transferbereich korrigiert, die durch die falsche Finan-zierung der Deutschen Einheit entstanden sind: denn die vereinigungs-bedingten Kosten wurden statt über Steuererhöhungen vor allem übersteigende Beiträge (und Schulden) finanziert. Die Lasten wurden damitvor allem den sozialversicherten Arbeitnehmern aufgebürdet; gleich-zeitig wurden binnen weniger Jahre die gesetzlichen Lohnnebenkostenmassiv in die Höhe getrieben. Dies hat nach dem Auslaufen der vereini-gungsbedingten Sonderkonjunktur zum Beschäftigungsabbau inDeutschland beigetragen.

Beschäftigungseffekte der Steuerfinanzierung

Makroökonomische Berechnungen belegen nennenswerte Beschäfti-gungs- und Wachstumseffekte einer Steuerfinanzierung von Leistungs-anteilen der sozialen Sicherung. Das Deutsche Institut für Wirtschafts-forschung beziffert in einer aktuellen Studie für den DGB den dauer-haften Beschäftigungseffekt einer aufkommensneutralen und symme-trischen Senkung der Beitragssätze in Höhe von 50 Mrd. Euro auf etwaeine halbe Million zusätzlicher Vollzeitbeschäftigter. In allen Modelleneiner Steuerfinanzierung ergeben sich dabei positive zusätzliche Ef-fekte auf das reale Bruttoinlandsprodukt und die Beschäftigung. Jenach Ausgestaltung der Gegenfinanzierung (alleine über indirekte oderdirekte Steuern oder als Kombination von beiden) ergeben sich jedochunterschiedliche hohe Effekte. Eine Kombination aus aufkommensneu-traler Mehrwertsteuererhöhung und der Anhebung direkter Steuern er-weist sich dabei als die effizienteste Lösung: denn in diesem Szenarioliegt das Wirtschaftswachstum mittelfristig um knapp 1,5 Prozent

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höher, die Beschäftigung steigt um beinahe zwei Prozent und die ver-fügbaren Einkommen steigen um gut eineinhalb Punkte. Die positivenEffekte ergeben sich dadurch, dass in dieser Variante die jeweiligenNachteile der einzelnen Komponenten (insb. Preiseffekte der Mehr-wertsteueranhebung) nicht so stark zu Geltung kommen können unddurch die positiven Effekte der gesunkenen Beiträge (höhere Netto-löhne und sinkende Arbeitskosten bzw. preissenkende Wirkung sinken-der Kosten) überkompensiert werden.

Die beschäftigungsfördernden Impulse ergeben sich nach den Ergeb-nissen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung demnach ei-nerseits durch die erhöhte preisliche Wettbewerbsfähigkeit deutscherExporteure infolge gesunkener Arbeitskosten. Zum anderen kommt esbinnenwirtschaftlich anders als bei einer Lohnzurückhaltung nicht zueinem Nachfrageausfall, da die sozialen Transfers weiterhin unge-schmälert gezahlt würden und die Nettoeinkommen der meisten Be-schäftigten anstiegen. Das DIW weist darauf hin, dass in Absetzungetwa zu neoliberalen Annahmen „eine höhere Beschäftigung nicht not-wendigerweise mit einer Umverteilung zu Lasten der Arbeitseinkom-men einhergehen muss.“ Eine zusätzliche Belastung ergäbe sich nur fürjene Beschäftigten, die nicht zum Kreis der Beitragszahler gehören unddurch erhöhte Steuern nun an der Finanzierung beteiligt wären.

Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ermit-telt – abhängig von der gewählten Finanzierungsart – nennenswerte Be-schäftigungseffekte auf gesamtwirtschaftlicher Ebene. Eine lineareSenkung der Beitragssätze um einen Prozentpunkt kann dabei eine zu-sätzliche Beschäftigung zwischen 88.000 Erwerbstätigen (IAB/IN-FORGE-Modell bei endogenen Löhnen und Anhebung der Mehrwert-steuer) und 129.000 Erwerbstätigen (bei exogenen Löhnen) generieren.Das IAB verwendet dabei mit dem IAB/INFORGE-Modell einemakro-ökonometrische Modellierung, die ihren Ursprung in der keyne-sianischen Makrotheorie hat und selbstverständlich die gesamtwirt-schaftlichen Kreislaufzusammenhänge berücksichtigt.

Gegenfinanzierung

Eine mögliche Lösung sieht etwa die Umfinanzierung aller versiche-rungsfremden Leistungen in den verschiedenen Zweigen der Sozialver-sicherung vor. Unter versicherungsfremden Leistungen werden dabeisolche Leistungsbestandteile der Sozialversicherung verstanden, fürdie keine Beiträge entrichtet worden sind (z. B. Anrechnungszeitenoder Fremdrentengesetz in der Rentenversicherung). Da bei diesenLeistungsanteilen keine Äquivalenz zwischen Beitragszahlung undLeistung besteht, handelt es sich de facto um gesellschaftlich notwen-dige oder gewünschte soziale Ausgleichsleistungen. Damit werden derSozialversicherung jedoch Aufgaben übertragen, die allgemein staatli-cher Natur sind. Diese Leistungsanteile sollten dann jedoch konsequen-terweise nicht nur von den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten,sondern von allen Steuerzahlern finanziert werden. Dabei errechnetdas DIW einen Umfinanzierungsspielraum von netto 83,7 Mrd. Euroan versicherungsfremden Leistungen in allen Sozialversicherungen(nach Abzug der Bundeszuschüsse an die Rentenversicherung), waseiner Beitragssatzsenkung von etwa 9 Punkten entspräche. Statt einerFinanzierung über die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebernwürden diese Leistungsanteile künftig über ein spürbar erhöhtes Steu-eraufkommen getragen.

Die Probleme dieses Gegenfinanzierungsmodells liegen in der Defini-tion versicherungsfremder Leistungen. So geht das DIW von einer äu-ßerst restriktiven Definition versicherungsfremder Leistungen aus. Soist es z. B. mehr als zweifelhaft, etwa die Hinterbliebenenrenten in dergesetzlichen Rentenversicherung (31,6 Mrd. Euro in 2002) als „versi-cherungsfremd“ einzustufen, werden sie doch aus letztlich äquivalentaus der Anzahl und der Höhe der Beiträge der verstorbenen Versicher-ten berechnet. Eine engere Definition versicherungsfremder Leistun-gen ergäbe lediglich einen Betrag von 35,3 Mrd. Euro, der heute nochzur steuerlichen Umfinanzierung verwendet werden könnte. Dieswären dann vor allem die beitragsfreie Familienmitversicherung in derGKV, die aktive Arbeitsmarktpolitik der Bundesagentur für Arbeit undim Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung vor allem die Kriegs-folgelasten (Fremdrentengesetz) und die Anrechnungszeiten.

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Mögliche Einwände

Die Forderung nach einer Umfinanzierung sozialer Leistungen siehtsich mit zwei bedenkenswerten Einwänden konfrontiert. Zum einenwird auf den eigentumsähnlichen Charakter der durch Beiträge erwor-benen Anwartschaften verwiesen, der es für den Gesetzgeber ungleichschwerer mache, Leistungskürzungen vorzunehmen. Zum anderenwird auf die historisch gewachsene und tief verwurzelte gesellschaftli-che Akzeptanz des paritätischen Finanzierungsmodells verwiesen.Diese Akzeptanz stabilisiere den umverteilenden Sozialstaat.

Das paritätische Modell und die Steuerfinanzierung

Die grundlegende gesellschaftliche Akzeptanz der gesetzlichen Sozial-versicherungen basiert in Deutschland unter anderem auf zwei Momen-ten: auf der paritätischen (hälftigen) Finanzierung der Sozialversiche-rungen durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer und auf dem Äquivalenz-prinzip, wonach die erwartbare Sozialleistung der vorherigen Arbeits-leistung entspricht (Anzahl der Arbeitsjahre und/oder Höhe der einge-zahlten Beiträge bestimmen die Höhe der Leistung). Diese beiden Ele-mente werden von einer überwältigenden Mehrheit als sozial gerechtempfunden und sind wesentliche Charakteristika des deutschen Sozial-staatsverständnisses, wie es sich historisch entwickelt hat. Eine Umfi-nanzierung muss an diesen historisch und kulturell gewachsenen Vor-stellungen von sozialer Gerechtigkeit anknüpfen. Sie ist daher auch imRahmen des paritätischen Finanzierungsmodells zu organisieren. Fürdie echten Versicherungsleistungen muss es in jedem Falle bei der hälf-tigen Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbleiben.Das betrifft damit die beitragsfinanzierten Rentenanteile, das Arbeits-losengeld I sowie das Krankengeld. Ein grundlegender Systemwechselist abzulehnen. Die Leistungsansprüche auf die echten, also beitragsfi-nanzierten Versicherungsleistungen könnten sich in diesem Rahmensogar wieder stärker nach dem Äquivalenzprinzip bzw. dem Versiche-rungsprinzip richten. Dies würde die gesellschaftliche Akzeptanz dergesetzlichen Sozialversicherungen steigern.

Beitragsfinanzierung und Sozialabbau

Dem eigentumsähnlichen Charakter der beitragsfinanzierten Ansprü-che auf soziale Sicherungsleistungen wird oft die Eigenschaft zuge-schrieben, gegen eine Sozialpolitik nach Kassenlage besonders ge-schützt zu sein. Weil nach höchstrichterlicher Rechtsprechung den ein-gezahlten Beiträgen auch eine garantierte Leistung entsprechen muss,sei es für den Gesetzgeber nicht so einfach möglich, soziale Leistungs-ansprüche zu kürzen. Der Zugriff auf steuerfinanzierte Leistungen seidemgegenüber wesentlich einfacher und im Falle stagnierender oderzurückgehender Staatseinnahmen sogar wahrscheinlich.

Der Rekurs auf den Eigentumscharakter der eingezahlten Beiträge unddie daraus resultierende größere rechtliche Sicherheit der Ansprüche isttheoretisch durchaus korrekt. Dem Gesetzgeber werden dadurch recht-liche Grenzen gesetzt. Der Kern der Leistungsansprüche in den einzel-nen Systemen ist daher weiterhin über Beiträge zu finanzieren. (v. a.die Rentenansprüche abzüglich versicherungsfremder Leistungen, dasArbeitslosengeld I, das Krankengeld und die medizinisch notwendigenLeistungen). Dem steht die Steuerfinanzierung anderer Leistungsan-teile in das soziale Sicherungssystem allerdings nicht entgegen.

Denn so theoretisch richtig die obige Argumentationslinie auch seinmag: sie stößt sich dennoch an der Realität eines seit Jahren anhalten-den Rückbaus beitragsfinanzierter Sozialleistungsansprüche. In allenbeitragsfinanzierten Systemen ist es spätestens seit den 80er Jahren zuteils gravierenden Kürzungen des Leistungsspektrums, wie aber auchder Leistungshöhe gekommen. Die Kürzungen standen und stehendabei primär im Zusammenhang mit den Kosten der anhaltenden Mas-senarbeitslosigkeit und den immer wieder entstehenden Finanzierungs-lücken in den einzelnen Sozialversicherungszweigen. Es ist kaum einJahr vergangen, in dem die Politik nicht durch Leistungskürzungen aufdiese Lücken reagiert hat (oder reagieren musste). Statt mithilfe vonStrukturreformen wie etwa einer solidarischen Bürgerversicherung dieSysteme zukunftsfest zu machen und auf eine breitere Grundlage zustellen, wurden oftmals herbe soziale Einschnitte vorgenommen oderdie Finanzierungslast einseitig auf Arbeitnehmer, Rentner oder Patien-

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ten verlagert. Unter den Bedingungen von Massenarbeitslosigkeit undstagnierendem Wachstum bestimmt letztlich auch in beitragsfinanzier-ten Systemen die Haushaltslage die Sozialpolitik. Im Bereich der ge-setzlichen Rentenversicherung gingen die Kürzungen sogar soweit,dass Versicherte mit unterdurchschnittlichen Verdiensten in den nächs-ten Jahrzehnten nur noch Rentenansprüche auf dem Niveau der sozia-len Grundsicherung erwerben können – trotz 35- oder 40jähriger Bei-tragszahlung und trotz des „eigentumsähnlichen Charakters“ der einge-zahlten Beiträge. Viele der Kürzungen wurden dabei im Leistungsrechtder einzelnen Sozialversicherungen vorgenommen. Die grundsätzlicheProblematik besteht dabei darin, dass das Leistungsrecht viele einzelneRegelungen enthält, die äußerst komplex und daher für den Normalbür-ger intransparent ausgestaltet sind. Kürzungen in diesem Bereich ent-gehen oftmals der öffentlichen Aufmerksamkeit und damit einer mögli-chen demokratischen Kontrolle. Wegen der Komplexität der Materieentgehen die Änderungen im Leistungsrecht oftmals sogar den direktBetroffenen. Solche Regelungen beziehen sich etwa auf die Anrech-nung von bestimmten Zeiten in der Rentenversicherung (so wird etwaSchul- und Hochschulausbildung in der gesetzlichen Rente künftignicht mehr anerkannt, früher: bis zu 7 Jahren), auf die Bewertung be-stimmter Zeiten in der Rentenberechnung (z. B. Kürzung der Bewer-tung von Berufsausbildungszeiten) oder auf die Bemessungsentgelte,die bestimmten Zeiten rentenwirksam zugrunde gelegt werden. In die-sem Bereich war es für den Gesetzgeber immer schon relativ einfachmöglich, Kürzungen durchzusetzen. Trotz erfolgreicher Sozialgerichts-klagen in einigen Fällen, konnten auf diese Weise dennoch häufig dras-tische Kürzungen durchgesetzt werden

.

Antragsbereich W

Antrag 2Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBaden-Württemberg

Folgen der Finanzkrise für abhängig Beschäftige mildern!

Progressionsvorbehalt für Beschäftigte in Kurzarbeit aussetzen!

Die AfA spricht sich für die Aussetzung des Progressionsvorbehaltnach § 32 b Absatz 1 Einkommenssteuergesetz für die Jahre 2009 und2010 aus.

Die Wirtschaftskrise hinterlässt ihre Auswirkungen auf dem Arbeits-markt. Immer mehr Beschäftigte sind von Kurzarbeit betroffen. Kurzar-beit ist eine richtige Antwort auf Auftragsrückgänge, um Beschäftigtein den Betrieben zu halten und Betriebe von Kosten zu entlasten, umdamit bei wieder zunehmendem Auftragseingang sofort lieferfähig seinzu können. Für Beschäftigte bietet Kurzarbeit die Chance, im Betriebzu bleiben und damit von Arbeitslosigkeit verschont zu werden.

Kurzarbeit bedeutet für die Beschäftigten jedoch auch einen hohen fi-nanziellen Verlust gegenüber der bisherigen Einkommenssituation. DieBeschäftigten in Kurzarbeit tragen damit in einem hohen Maß die fi-nanziellen Lasten der Krise. Einer Krise, die von den Vertretern einerneoliberalen Politik verursacht wurde.

Die Beschäftigten sind jedoch nicht nur von Arbeitslosigkeit bedrohtund haben während der Kurzarbeitsphasen deutlich weniger Einkom-men zur Verfügung, sie sind darüber hinaus am Jahresende bei ihrerEinkommenssteuererklärung auch noch von dem sogenannten Pro-gressionsvorbehalt bedroht. Dieses führt im Regelfall bei ausge-dehn-ter Kurzarbeit zu erheblichen Steuernachzahlungen für die Beschäftig-ten.

Überweisung an:

AfA-Bundesvorstand

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Antragsbereich W

Antrag 3Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

Verursacher der Krise müssen zahlen!

Es sind unverzüglich parlamentarische Initiativen zur Einführung einerinternationalen Finanztransaktionssteuer zu ergreifen.

Begründung:Wir befinden uns derzeit in einer der schwersten Wirtschaftskrisen seitMenschengedenken. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit sinddurch hemmungslose Finanzinvestoren und gierige Banker die Finanz-und Wirtschaftssysteme in eine katastrophale Lage geraten.Durch diesen Zusammenbruch sind und werden Menschen unverschul-det in Elend geraten.Diese Krise muss dazu führen, dass die Verursacher dieser katastropha-len Situation auch für die Verantwortung zur Beseitigung der gewalti-gen Lasten herangezogen werden.Deshalb ist die Einführung eine Finanztransaktionssteuer ein absolutnotwendiger Schritt.Schon eine geringe Mehrwertsteuer auf Finanzmarktprodukte würdedem deutschen Staat große Mehreinnahmen von mehreren MilliardenEuro bescheren

Antragsbereich W

Antrag 4Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

Eigenständiges Klagerecht der Gewerkschaften

Die SPD wird aufgefordert, alle juristischen und politischen Schritte indie Wege zu leiten, um ein eigenständiges Klagerecht der Gewerkschaf-ten zur Schaffung und Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen um-fassend einzuführen. Zum Beispiel:– Klagen gegen sittenwidrige Entlohnung – Klage gegen Tarifverstöße bei Entlohnungs- und Arbeitsbedingun-

gen – Klagen gegen Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen (z. B. Ar-

beitszeit, Arbeitsschutz, AGG)

Begründung:Die SPD wird aufgefordert, alle juristischen und politischen Schrittedazu in die Wege zu leiten.

Antragsbereich W

Antrag 5Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bundesvorstand

Bundesweites Korruptionsregister schaffen undKorruption konsequent bekämpfen

Korruption führt in unserer Gesellschaft zu großen materiellen Schä-den und zu einem Vertrauensverlust der Bürgerinnen und Bürger in dieöffentliche Verwaltung, in Politik und in die Wirtschaft. Darüber hinausbeeinträchtigt Korruption den fairen Wettbewerb bei der öffentlichenAuftragsvergabe.Die Bekämpfung von Korruption steht vor besonderen Schwierigkei-ten, weil es oftmals keine direkt betroffenen individuellen Opfer gibt.Notwendig ist daher ein Höchstmaß an effektiver präventiver Kontrolle.

Erledigt durch Antrag der SPD-Bundestagsfraktion

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Parteivorstand

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Parteivorstand

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Dazu gehört ein starkes Netz von Mitteilungs- und Anzeigepflichten.Ganz wesentlich ist die Ausweitung der Kontroll mechanismen im Rah-men des Vergabeverfahrens, um korruptionsanfällige Situatio nen zuverhindern. Gleichzeitig ist dafür Sorge zu tragen, dass vorteilsgewäh-rende Unternehmen nachhaltig von einer Marktteilnahme ausgeschlos-sen werden, damit korruptes Verhalten nicht nur strafrechtlich verfolgtwird, sondern auch um Profit daraus unmöglich zu machen.Ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Korruption durch Präven-tion und durch Profitverhinderung ist die Einrichtung eines Korrupti-onsregisters, in dem Unternehmen sowie natürliche und juristische Per-sonen geführt werden, die aufgrund bestimmter Gesetzesverstöße nichtmehr an der Vergabe öffentlicher Aufträge beteiligt werden sollen. DaKorruptionstaten länderübergreifend verübt werden, ist ein Korrupti-ons register auf Bundesebene zur effektiven Korruptionsbekämpfungunerlässlich.Gefordert wird die Einrichtung eines Bundesweiten Korruptionsregis-ters, das folgende Anforderungen erfüllt:

– Voraussetzung für einen Eintrag eines Unternehmens, einer natürli-chen oder juristischen Person in das Korruptionsregister ist der hin-reichende Nachweis korruptions relevanter oder sonstiger Rechtsver-stöße im Geschäftsverkehr oder mit Bezug zum Geschäftsverkehr,die in einem Katalog von Straftaten und Ordnungswid rigkeiten auf-geführt werden. Dazu gehören z.B. Bestechung, Subventionsbetrug,Geldwäsche und die Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermö-genswerte, illegale Beschäfti gung, Steuerunehrlichkeit, wettbe-werbswidrige Absprachen und sonstige Verstöße wie Betrug oderUntreue, die zu dem Zweck unternommen wurden, den freien Wett-bewerb zu unterlaufen.

– Zwischen der einzurichtenden zentralen Informationsstelle und denStrafverfolgungsbehörden und den Behörden der Verfolgung derOrdnungs widrigkeiten sowie den öffentlichen Auftraggebern sindumfangreiche Mittei lungspflichten zu etablieren.

– Betroffene Unternehmen und Personen erhalten in den entsprechen-den Verfahren rechtliches Gehör.

– Öffentliche Auftraggeber werden verpflichtet, vor Entscheidungenüber die Vergabe öffentlicher Aufträge ab einem zu bestimmendenWert Eintragungen bei der lnformationsstelle abzufragen.

– Die lnformationsstelle hat unter gesetzlich zu regelnden Vor -aussetzungen Auskunft über Eintragungen im Korruptionsregister angenau bezeichnete öffentliche Stellen, wie die mit Vergabeentschei-dungen befassten öffentli chen Stellen des Bundes und der Ländersowie an Gerichte und Staatsanwaltschaften zu erteilen.

– Die Tilgung von Daten im Register muss nach gesetzlich detailliertzu bestimmenden Regelungen erfolgen.

Ferner wird gefordert, die Konvention der Vereinten Nationen, die Ab-geordnetenbestechung in Deutschland als Straftatbestand einführt, end-lich zu ratifizieren und konsequent umzusetzen.

Antragsbereich W

Antrag 6Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBaden-Württemberg

Umsatzsteuerrecht

Jährlich werden in Deutschland und Europa Milliarden an Umsatz-steuer hinterzogen. Auf europäischer Ebene sind vor allem Karussell-Geschäfte dafür verantwortlich. Auf nationaler Ebene werden durchScheinrechnungen/Abdeckrechnung Milliarden an Umsatzsteuer hin-terzogen.Dem könnte man Abhilfe schaffen, durch Änderung des Umsatzsteuer-rechts auf nationaler und europäischer Ebene, in dem die Vorsteuer erstdann erstattet werden kann, wenn die Umsatzsteuer durch den Käuferentrichtet wurde.Die jetzige Regelung, dass allein die Rechnung für die Vorsteuer aus-reicht, öffnet der Umsatzsteuerhinterziehung Tür und Tor.

Überweisung an:

SPD-Bundestagsfraktion

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Antragsbereich W

Antrag 7Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

Keine Amnestieregelung mehr für Steuer-hinterziehung

Zukünftig darf es keine Amnestieregelung mehr für Steuerhinterzie-hung geben. Die SPD Bundestagsfraktion wird aufgefordert, hierzueine Gesetzesinitiative vorbereiten und in die parlamentarische Bera-tung und Beschlussfassung einbringen.

Begründung:Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Sie muss konsequent ver-folgt werden. Die Steuerflüchtigen dürfen deswegen künftig nicht mehrgenerell straffrei davonkommen.Speziell die illegalen Kapitaltransfers ins Ausland dürfen zukünftignicht mehr straffrei bleiben. Durch die derzeit bestehende Amnestiere-gelung werden leider viele steuerpflichtige Bürger geradezu ermuntert,eine illegale Kapitalanlagemöglichkeit im Ausland anzustreben.Durch eine konsequente Strafverfolgung dieser Vergehen wird dieser„kriminelle Anreiz“ definitiv unterbunden und es wird auch wiedermehr Steuergerechtigkeit in Deutschland hergestellt.

Antragsbereich W

Antrag 8Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Nord

Solidarbeitrag Besserverdienender

Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert, ein Konzept zu erar-beiten, um gut verdienende BürgerInnen durch höhere Solidarbeiträgeverstärkt zur Finanzierung der Haushalte heranzuziehen. Dazu kom-men neben der Wiedereinführung der Vermögenssteuer, der Erhöhungdes Spitzensteuersatzes und entsprechender Modifizierung des neuenErbschaftssteuerrechts auch eine Luxussteuer oder ein (nicht rückzahl-barer) Solidarbeitrag in Frage.

Begründung:Die gegenwärtige Krise trifft längst nicht alle Bevölkerungsgruppen.Während Hartz-IV-Empfänger oft nicht wissen, wie sie ihren Kindernetwas zu Weihnachten kaufen sollen, gibt es Menschen, die im Gegen-teil von der Entwicklung noch profitieren. Sozialdemokratische Politikmuss auf Solidarität pochen und nicht wie die FDP Besserverdienendennoch Steuergeschenke anbieten. Von Killerphrasen wie „Neiddebatte“sollten sich Politiker, die das Wohl der Allgemeinheit im Sinn haben,nicht beeindrucken lassen.

Antragsbereich W

Antrag 9Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Süd

Sicherung der Arbeits- und Ausbildungsplätzein der Wirtschaftskrise –Verursacher zurKasse!

Die Verursacher/innen müssen für die Wirtschaftskrise zahlen, nicht dieArbeitnehmer/innen! Das muss von der SPD politisch durchgesetztwerden!

Begründung:Zentrale Aufgabe der Politik und des Staates in der Wirtschaftskrise istdie Sicherung der Arbeits- und Ausbildungsplätze. Bevor Steuermittel

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Parteivorstand

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

Erledigt durch Antrag der SPD-Bundestagsfraktion

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eingesetzt werden, müssen jedoch zunächst die Aktionär/innen und Ei-gentümer/innen ihre eigenen finanziellen Mittel mobilisieren. Es kannnicht hingenommen werden, dass jahrelang hohe Gewinne klaglos ein-gesteckt werden, die Verluste aber bei den Arbeitnehmer/innen unddem Staat, also den Steuerzahler/innen, abgeladen werden.Steuergelder müssen an konkrete Bedingungen geknüpft werden. Be-triebe, die staatliche Gelder erhalten, müssen sich zur Tariftreue undzur Standort- und Beschäftigungssicherung verpflichten. Der Staatmuss in diesen Betrieben zum Schutz der Arbeits- und Ausbildungs-plätze robuste Mitentscheidungs- und Kontrollrechte erhalten und auchausüben. In diesen Betrieben muss zudem die betriebliche und Unter-nehmensmitbestimmung gestärkt und ausgebaut werden.Es muss außerdem sichergestellt werden, dass die Banken, die für dieFinanz-markt- und Wirtschaftskrise maßgebliche Verantwortung tra-gen, Kredite an Unternehmen nicht an die Forderung nach Stellenab-bau und Arbeitsplatzvernichtung knüpfen.

Antragsbereich W

Antrag 10Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandNordrhein-Westfalen

Resolution zur Situation in der Telekommunikation

Die AfA fordert– die SPD-Bundestagsabgeordneten auf,

– sich dafür einzusetzen, dass künftige Frequenzversteigerungen (z.B. für LTE (Long Term Evolution) auf jeden Fall arbeitsmarktpoli-tische Auflagen (Mindestlöhne, Arbeitsplätze in der Fläche) bein-halten müssen,

– die Interconnection-Tarife zwischen den Wettbewerbern als Inves-titionsgarantie für einen Zeitraum festgeschrieben werden,

– der Bund als Mitglied im Aufsichtsrat der DTAG durchsetzt, dassder Betrag der auszuzahlenden Dividende die Gewinne nicht über-steigt sowie

– die Bundesbeamten im Telekomkonzern auch nach dem Aufbauder neuen Netze NGN (Next Generation Network) und dem damitzu erwartenden Stellenabbau der Telekommunikationsunterneh-men bei Telekom/Bund eine adäquate Beschäftigung erhalten bzw.der Bund die Telekom entsprechend bei Zahlungen an die Beamtenentlastet.

– die SPD-Landtagsfraktion auf, sicherzustellen, – dass alle Telekommunikationsunternehmen in NRW – auch wenn

sie unter ausländischer Kontrolle sind – dauerhaft hochwertige Ar-beitsplätze (z. B. in der Entwicklung) in NRW garantieren (nichtnur in Ballungsgebieten),

– dass die Institutionen ihre Telekommunikationsleistungen unter ar-beitsplatzpolitischen Aspekten einkaufen (nicht das billigste An-gebot, sondern dass für NRW volkswirtschaftlich beste Angebot)sowie

– dass die Medienpolitik die Medienvielfalt incl. der Zugangsmög-lichkeiten sicherstellt und Mono- oder Duopole (auch länderüber-greifend) verhindert.

Begründung:Nachdem in NRW durch die Pleiten von Opel, Arcandor (Quelle) unddie Verlagerung von Nokia nach Rumänien mehre Tausend Arbeits-plätze verloren gegangen sind, ist nun auch bei der Deutschen Telekomeine große Entlassungswelle zu befürchten.Bereits ist angekündigt, dass im Bereich Netzbetrieb durch die Einfüh-rung des NGN (Next Generation Network) bis zu 15.000 Stellen entfal-len können. Durch die Zusammenlegung von T-Mobile mit T-Homesind weitere „Skaleneffekte“ zu erwarten, die als eine Umschreibungfür zusätzlichen Stellenabbau zu interpretieren sind.

Annahme des ersten Spiegelstriches

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

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Durch die geplante Versteigerung der neuen Frequenzen, die für diekünftige Mobilfunkgeneration LTE genutzt werden soll, erwartet derBund wieder große Einnahmen. Allerdings wird ein hohes Einnahmen-plus des Bundes zu einem Verlust von Arbeitsplätzen führen, da denUnternehmen Geld für die notwendigen Investitionen fehlen. Zusätzli-che Versteigerungsauflagen wie z. B. Ausbauvorgaben in ländlichenwerden zu Lasten des Personals gehen. Vielmehr sollten vorgeschrie-bene, Arbeitsplatzgarantien sowie garantierte Mindestlöhne gefordertwerden. Regulierte Tarife für Endkunden müssen auch für Großkundenund Wettbewerber gelten.Die Sparwellen der DTAG (Save for Growth, Save for Service) habenneben dem erheblichen Personalabbau zu erheblichen Rücknahmen dergeplanten Investitionen geführt, so dass T-Mobile nach mehren Jahrenals Gewinner des besten Netzes so deutlich hinter vodafone zurückge-fallen ist, dass die Zeitung connect weniger als 50 % der Punkte für T-Mobile vergab. In ländlichen Gebieten wird sogar O2 besser bewertet.Somit haben die Auflagen zum Netzausbau beim ehemaligen Markt-führer eindeutig nicht die gewünschten Ziele erreicht.Solange die billigsten Unternehmen beim Einkauf berücksichtigt wer-den, werden die geringeren Einnahmen mit Einsparungen bei den Löh-nen z. B. durch Verlagerung ist Ausland kompensiert. Außerdem wirdeine Standortkonzentration gefördert, die den Mitarbeitern längere An-fahrten zumutet und umweltpolisch nicht gewollt sein kann. LändlicheGebiete werden benachteiligt.

Antragsbereich W

Antrag 11Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Nord

Einfluss der Lobbyverbände

Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert, dem ausufernden Ein-fluss von Lobbyverbänden auf die bundesdeutsche Gesetzgebungdurch ein Verbot der Entgegennahme geldwerter Vorteile durch Abge-ordnete zu begegnen und die Beschäftigung von Verbandsvertretern inden Ministerien durch entsprechende Regelungen in einem Antikorrup-tionsgesetz zu verbieten.

Begründung:

Angesichts enormer Machtungleichgewichte und oft problematischerMethoden ist der Lobbyismus an vielen Punkten demokratieschädlichund mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Bei anhaltend hoher Arbeits-losigkeit haben Gewerkschaften und Sozialverbände nicht die ihnen zu-kommende Stärke im Gegensatz zu Unternehmern und deren Lobbyis-ten. Die Macht ist ungleich verteilt, es sind die finanzstarken und gutorganisierten Interessen, die sich besser Gehör verschaffen. Das kön-nen PolitikerInnen, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind, nicht hin-nehmen.

Antragsbereich W

Antrag 12Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Landesverband Berlin

Rücknahme der Bahn“reform“ von 1994

Die Delegierten des AfA-Bundeskongresses fordern die Rücknahmealler Schritte der Auslieferung der Bahn an den Wettbewerb des freienMarktes und der Vorbereitung auf den Börsengang durch

– Lohn- und Personalabbau, – Ausgliederung von Ausbildungen und zahlreicher Leistungen, Kür-

zungen von Investitionen für Netze und Infrastruktur, für Fahrzeuge, – Schließung von Werkstätten.

Überweisung an:

AfA-Bundesvorstand

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Parteivorstand

Zentralausschuss Sozialdemokratischer Eisenbahnerinnenund Eisenbahner

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Die Bahn muss wieder als staatlicher Monopolbetrieb unter die vollepolitische und finanzielle Verantwortung des Staates geführt werden.Die Delegierten lehnen auch die Ausschreibung und damit die Auslie-ferung der Berliner S-Bahn, des größten S-Bahn-Betriebs in Deutsch-land, an den verschärften Wettbewerb, ab.Die AfA wendet sich über eine Delegation des Kongresses an die SPD-Bundestagsabgeordneten, mit der Aufforderung sofort eine entspre-chende Initiative im Bundestag zu ergreifen.Die AfA nimmt Gespräche mit dem DGB und den DGB-Gewerkschaf-ten auf, um eine gemeinsame öffentliche Kampagne für diese Forde-rungen zu organisieren.

Begründung:Das staatliche Monopol, die staatlich vom Bund garantierte und finan-zierte Bahn, wie der von Bund und Land garantierte und finanzierteÖPNV, war eine große Errungenschaft der Öffentlichen Daseinsvor-sorge, erkämpft durch die Arbeiterbewegung, für die Erfüllung desRechtes auf Mobilität für die breite Bevölkerung.Die Regierung der Großen Koalition hat am 08.09.2009 auf eine An-frage geantwortet: „Die Deutsche Bahn AG ist seit der am 01.01.1994in Kraft getretene Bahnreform ein privatrechtlich Form geführtes, ge-winnorientiertes Wirtschaftsunternehmen... Neben der Einführung vonMarktprinzipien und unternehmerischer Eigenverantwortung war es einwesentliches Ziel ... die Bahn von Weisungen und Vorgaben der Politikunabhängig zu machen...“Ganz in diesem Sinne sagte der Bahn-Personenverkehrsvorstand UlrichHomburg vor den Berliner Abgeordneten: ein Bahnunternehmen hat„rein formal keinen Auftrag zur gesellschaftlichen Daseinsvorsorge.“Mit dieser „Reform“ wurde die Bahn dem kapitalistischen Marktwett-bewerb, dem allumfassenden Diktat von wettbewerbsfähigen Kostenund Gewinn unterworfen. Sie hat sie „befreit“ von dem staatlichen Auf-trag der Garantie der Öffentlichen Daseinsvorsorge und der dafür not-wendigen Finanzierung und Ausstattung unter staatlicher Verantwor-tung. Die Folge war eine unverantwortliche Demontage der Bahn,deren nur noch kriminell zu nennenden Folgen sich an dem Beispiel derBerliner S-Bahn, die im aktuellen skandalösen Quasi-Zusammenbruchendet, zeigen.Die Erfahrung zeigt: Marktwettbewerb heißt verschärfte Kostensen-kung durch Lohnkürzungen, Leistungsverdichtungen, Verschlechte-rung der Arbeitsbedingungen und der Leistungsqualität und Stellenab-bau. Verbunden ist dies mit einem Abbau und Verschlechterung derQualität der öffentlichen Dienstleistung bis zur Unfähigkeit, das Rechtder Bevölkerung auf Mobilität zu erfüllen.

Antragsbereich W

Antrag 13Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Süd

Werke und Arbeitsplätze von Opel müssenunter staatlichen Schutz gestellt werden

Werke und Arbeitsplätze von Opel müssen dafür unter staatlichenSchutz gestellt werden, um die Arbeitsplätze, Tarifverträge und Besitz-stände der Arbeitnehmer und ihrer Familien zu schützen. Dabei sollenLeiharbeitsplätze und Projektverträge, vor allem in ausgegründeten Be-triebsteilen in reguläre Beschäftigungsverhältnisse im Stammwerk zu-rückgeführt werden

Begründung:Für den Erhalt von Opel und damit ihrer Zulieferer und Händler hatsich die AfA Hessen-Süd seit Anfang 2009 stark gemacht. Auf ihrerBezirkskonferenz am 28. März 2009 in Rüsselsheim mit Klaus Franz,Thorsten Schäfer-Gümbel und Gerold Reichenbach hat sie die Forde-rungen der Kolleginnen und Kollegen: Erhalt aller Werke, Erhalt allerArbeitsplätze, Erhalt der Besitzstände unterstützt. Danach gab es Initia-tiven an die SPD-Minister in der Bundesregierung entsprechend aktivzu werden.

Überweisung an:

AfA-Bundesvorstand

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Allein im Jahr 2008 wurden bei GM /Opel in Belgien, Deutschland,Frankreich, Großbritannien, Österreich, Polen, Schweden, Spanien undUngarn acht Prozent aller Arbeitsplätze zerstört – insgesamt 4.500.Weitere 2.500 sind 2009 hinzugekommen. In Europa gibt es derzeitnoch 48.000. Alle Zugeständnisse für den Erhalt der Werke, die den Be-legschaften in den letzten Jahren abgepresst wurden, haben keinen Ar-beitsplatz gerettet.Von Opel ist die gesamte Region abhängig. Wenn es nicht gelingt, dieArbeitsplätze bei Opel zu erhalten, wie sollen die anderen Industriear-beitsplätze der Region erhalten werden?Deshalb hat die AfA sich auch für den Erhalt der Arbeitsplätze beiEDS, Federal Mogul etc. eingesetzt.Die IG Metall hat Alarm geschlagen: 750.000 Arbeitsplätze in der Me-tallindustrie sind in Gefahr und fordert vom Staat zu helfen die Arbeits-platzvernichtung zu verhindern. Der Arbeitsplatz ist die Existenz-grundlage der Arbeitnehmer und ihrer Familien.Es ist die Aufgabe der SPD gemäß ihrem politischen Programm, dieExistenz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verteidigen.Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise sind neue politische Ant-worten notwendig. Die Ausweitung der Kurzarbeit ist nur ein Aufschie-ben der Katastrophe. Die Arbeitnehmerinnen brauchen einen politi-schen Schutzschirm zum Erhalt ihrer Existenzgrundlagen, ihrer Ein-kommen und erkämpften Sozialversicherungen.Deshalb vertritt die AfA in der SPD, sich für den staatlichen Schutzaller Arbeitsplätze einzusetzen und eine öffentliche Kampagne gemein-sam mit den Gewerkschaften dazu zu führen.

Antragsbereich W

Antrag 14Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Unterbezirk Potsdam/Potsdam-Mittelmark

Staatsfinanzen sichern für eine soziale und demokratische Politik!

Der AfA-Bundeskongress fordert den Vorstand der SPD auf, ein lang-fristiges Konzept zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben vorzulegen.Es sollte die notwendigen Staatsaufgaben, wie beispielsweise Bildung,Gesundheit, Soziales und Umwelt definieren und Möglichkeiten dersozialgerechten Finanzierung entwickeln. Dabei soll das Konzept Wegevorschlagen, der die Kommunen, die Länder und den Bund wiederhandlungsfähig im Sinne einer sozial gerechten, nachhaltigen Politikfür die BürgerInnen machen.Dieses Konzept sollte, für das das Präsidium zuständig ist, breit mit denParteigliederungen und den BürgerInnen erörtert werden. Hierzu sindbeteiligungsorientierte Veranstaltungsformen zu finden. Dieser Prozesssollte mindestens ein Jahr vor den nächsten Bundestagswahlen kon-krete Ergebnisse erzielen, damit es eine Basis des nächsten Bundes-tagswahlkampfes werden kann.

Begründung:

Die Staatsfinanzen sind ein Kernthema sozialer demokratischer Politik.BürgerInnen wollen hier ernst genommen und nicht mehr verschaukeltwerden. Wenn wir bei den BürgerInnen Vertrauen in dieser Frage ge-winnen wollen, sollten wir mit Ihnen reden und nachfragen, was Siewollen, welche Ideen sie haben, wir sollten sie ernst nehmen und ihnennicht das x“te fertige Programm vorsetzen. Eine breite Diskussion kannunsere Positionen bekannt machen und verbessern. Ein breiter Beteili-gungsprozess sollte dazu führen, dass unser Programm auch das Pro-gramm möglichst vieler BürgerInnen wird. Glaubhafte Politik darfdabei nicht nur Versprechungen machen, sondern muss auch die Mach-barkeit bzw. Finanzierbarkeit beweisen.

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Parteivorstand

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Antragsbereich W

Antrag 15Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandRheinland-Pfalz

Keine zusätzliche Steuern für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die ungerechte Steuerpolitik,die sich durch Steuersenkungen für Reiche und Lobbyisten und Steuer-erhöhungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auszeichnet, zubeenden.

Die AfA stellt hierzu fest:

– Hart erarbeitete Zuschläge dürfen nicht zusätzlich zu Löhnen undGehälter besteuert werden.

– Die Anerkennung flexibler Arbeitszeit- und Schichtarbeitsmodelleist ein wichtiger Gerechtigkeitsfaktor in unserem Steuersystem.

Begründung:

Wir befinden uns gegenwärtig in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmer leisten in der vordersten Reihe derwirtschaftlichen Wertschöpfungskette einen essentiellen Beitrag. Den-noch denkt die Bundesregierung in der derzeitigen wirtschaftlich unsi-cheren Lage intensiv über eine Steuer für Sonn- und Feiertags- sowieder Nachtarbeitszuschläge nach und nicht darüber, wie jene entlastetwerden können, welche die Wirtschaft am Laufen halten.

Antragsbereich W

Antrag 16Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Unterbezirk Soest

Absetzbarkeit von Handwerksleistungen

Die AfA-Bundeskonferenz möge beschließen, dass zur Erhöhung derBeschäftigung und zur Verringerung der Schwarzarbeit die Steuerer-mäßigung bei Handwerkerleistungen für haushaltsnahe Dienstleistun-gen von derzeit 20 % auf 50 % der aktuellen Höchstgrenze erhöht wird.

Begründung:

Dies würde dazu führen, dass mehr ArbeitnehmerInnen einen Hand-werker/in mit haushaltsnahen Dienstleistungen beauftragen würdenund keinen Schwarzarbeiter.

Antragsbereich W

Antrag 17Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Unterbezirk Soest

Aufwandsentschädigungen für ehrenamtlicheRichter und Schöffen erhöhen

Die AfA-Bundeskonferenz möge beschließen, dass der Bund, die Län-der und die Kommunen verpflichtet werden, die Aufwandsentschädi-gungen für ehrenamtliche Richter und Schöffen von derzeit 6,00 Euroauf 8,50 Euro zu erhöhen.

Begründung:

Der Gesetzgeber muss sich vorbildlich verhalten, wenn er die Unter-nehmen gesetzlich verpflichtet 8,50 Euro Mindestlohn zu zahlen.

Erledigt bei Annahme von W 21

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Parteivorstand

Überweisung an:

SPD-Bundestagsfraktion

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Antragsbereich W

Antrag 18Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Süd

Die Lebensgrundlagen der Menschen sichern –Kommunen als leistungsfähige Garanten derDaseinsvorsorge und -gestaltung entwickeln!

Die Gemeinde ist das ursprüngliche Feld des Lebens, der sozialen undökonomischen Existenz und der politischen Betätigung von Bürgerin-nen und Bürgern. Um den Menschen in diesem Sinne die Existenz zusichern, fordert die AfA zur Sicherung und Zukunftsfähigkeit der kom-munalen Daseinsvorsorge:1. Die vollständige Entschuldung der Kommunen durch Zusammenfas-

sung der Schulden in einem Sondervermögen des Bundes, das vondiesem Langfristig zu tilgen ist (Analog zum Prinzip der Badbank).Damit verbunden

2. die Einführung einer neuen Finanzierungsgrundlage der Kommunendurch eine Steuerreform*, die den Kommunen garantiert das sie kon-junkturunabhängig und angemessen für die Erreichung der formu-lierten Ziele ausgestattet sind.

3. Im Übergang bis dahin ist die grundgesetzlich eingeführte sog.„Schuldenbremse“ abzuschaffen mindestens aber auszusetzen.

Begründung:Die im Wesentlichen politisch herbeigeführte Finanznot der Kommu-nen droht diese in den nächsten Monaten in den absoluten Ruin zu trei-ben, mit allen absehbaren Folgen für die kommunale Daseinsvorsorgeund -gestaltung. D.h. diese droht unter dem Eindruck angeblicher Spar-zwänge qualitativ und quantitativ unter alle Standards und Erforder-nisse zurückgefahren werden.Damit gehen einher der Zerfall von sozialer Infrastruktur, öffentlicherBeschäftigung und es entsteht tendenziell eine Gefährdung von Demo-kratie durch Legitimationsverlust, Zunahme sozialer Spannungen,Schuldzuweisungen an Minderheiten, Neigung zu Obrigkeitsstaatli-chen Lösungen und Einschränkungen der Partizipationsmöglichkeitender BürgerInnnen. Dieser Entwicklung ist zunächst durch die Herstel-lung einer materiellen Basis für die Kommunen entgegenzutreten.

Antragsbereich W

Antrag 19Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Unterbezirk Soest

Mehr Steuerprüfer

Die AfA-Bundeskonferenz möge beschließen,– dass die Länder verpflichtet werden die Zahl der Steuerprüfer und

Steuerfahnder zu erhöhen – dass die Kontrolldichte bundesweit auf ein gleiches, hohes Niveau

angehoben wird – dass der Bund verpflichtet wird zu prüfen, ob eine Bundesfinanzver-

waltung eingerichtet werden kann.

Begründung:Auch der Bundesrechnungshof kritisiert, dass zu wenig geprüft wird.Nur jeder 6. Einkommensmillionär wird derzeit überprüft, obwohl jedeKontrolle zu einer Nachzahlung von durchschnittlich 135.000 Euroführte. Betriebe müssen nur wenig damit rechnen, dass ihre Bücherüberprüft werden.Laut Finanzverwaltung fehlen bundesweit ca. 3.000 Betriebsprüfer und500 Steuerfahnder. Im Durchschnitt nimmt ein Steuerfahnder pro Jahr700.000 Euro ein. Seine Gehaltskosten liegen aber nur bei 80.000 Eurojährlich. Der Staat verzichtet somit auf die ihm laut Gesetz zustehendenEinnahmen.

Überweisung an:

SPD-Parteivorstand

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Parteivorstand

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Antragsbereich W

Antrag 20Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Unterbezirk Warendorf

Steuergesetz

Die AfA-Bundeskonferenz fordert, das Steuergesetz dahingehend zuändern, dass künftig Kurzarbeitergeld nicht dem Progressionvorbehaltunterliegt

Begründung:Dieser Progressionsvorbehalt bewirkt, dass die Lohnersatzleistungzwar steuerfrei bleibt, dass sie jedoch die Steuer auf die Einkünfte desKurzarbeitergeld deshalb erhöht, weil die Lohnersatzleistung bei derBerechnung des Steuersatzes für dieübrigen steuerpflichtigen Ein-künfte berücksichtigt wird.

Antragsbereich W

Antrag 21Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandSchleswig-Holstein

Erhalt der steuerfreien Sonn-, Feiertags- undNachtarbeitszuschläge

Die AfA fordert den Erhalt der steuerfreien Sonn-, Feiertags- undNachtarbeitszuschläge (SFN-Zuschläge). Weder eine stufenweise nocheine Besteuerung „auf einen Schlag“ ist für die AfA akzeptabel. EineBesteuerung wäre sozial ungerecht und liegt nicht im gesamtgesell-schaftlichen und wirtschaftspolitischen Interesse.

Begründung:Hunderttausende Beschäftigte arbeiten dann, wenn andere schlafen,feiern oder sich um ihre Familie kümmern. Sie arbeiten bei Not- undRettungsdiensten, in Krankenhäusern, in Alten- und Pflegeheimen, beider Feuerwehr oder der Polizei, bei Ordnungskräften, auf Großmärkten,in vielen Betrieben, Geschäften und in der Industrie an 365 Tagen imJahr und rund um die Uhr. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer imSchichtdienst haben unbestritten besondere gesundheitliche, gesell-schaftliche und familiäre Belastungen zu ertragen. Sonn-, Feiertags-und Nachtschichtarbeit ist in bestimmten Bereichen gesellschaftlich er-wünscht und notwendig, in der Industriewirtschaft zwingend notwen-dig, um Produktionsprozesse nicht zu unterbrechen. Gerade diejenigen,die oft jahrzehntelang im Schichtdienst tätig sind, leisten einen unver-zichtbaren Einsatz für Gesellschaft und Wirtschaft.Ein Bruttoausgleich der Besteuerung ist utopisch und würde zu einererheblichen Belastung der Lohnnebenkosten in den Betrieben und Un-ternehmen führen, da die Arbeitgeber die entstehende Sozialversiche-rungspflicht zu 50 % zu tragen hätten. Gleichzeitig führt die Besteue-rung der SFN-Zuschläge zu Kaufkraftverlusten bei den Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmern. Die Wertschöpfung und somit das Bruttoin-landsprodukt (BIP) wird geschwächt.

Antragsbereich W

Antrag 22Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBayern

Wuchertatbestand konkretisieren

Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert, sich für klare Regelun-gen bezüglich des Wuchertatbestandes nach zivil- und strafrechtlichenVorschriften einzusetzen. Insbesondere sollten Definitionen rechtlich

Überweisung an:

AfA-Bundesvorstand

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Parteivorstand

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

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festgelegt werden über die zulässigen Zinsen und Kosten in Relationzur eigentlichen Forderung.Der Verzugsschaden sollte zumindest fürBeträge unter einer definierten Bagatellgrenze auf den gesetzlichenZinssatz beschränkt werden.

Begründung:Immer häufiger ist es Kreditnehmern und Schuldnern nicht mehr mög-lich, ihre Verbindlichkeiten abzubezahlen. Oft ist es sogar so, dass ge-rade diejenigen, die versuchen, mit (geringen) Raten die Forderungenabzuzahlen, schlechter gestellt sind, als diejenigen, die keine Zahlun-gen leisten. Grund für diese Tatsache ist, dass viele Kreditinstitute undandere Gläubiger Kosten in beträchtlicher Höhe (Inkassokosten,Rechtsanwaltsgebühren) zusätzlich zu den Forderungen verlangen undzusätzlich zu diesen noch einen Verzugsschaden in Form von Zinsen.Da Zahlungen zunächst auf die Kosten verrechnet werden, erreichenKlein- und Kleinstraten meist überhaupt nicht die Hauptforderung, daimmer weitere Kosten berechnet werden.Nicht selten kommt es zum Beispiel vor, dass Telekommunikationskos-ten im einstelligen Bereich, die bei call-by-call-Anbietern entstandensind, mit Inkassokosten und Rechtsanwaltsgebühren von 50,00 € bis100,00 € geltend gemacht werden.Auch Doppelberechnungen vonRechtsanwaltskosten und Inkassokosten sind, obwohl von der Rechts-sprechung anders entschieden, üblich.Da anders als in anderen europäischen Ländern der Wuchertatbestandnicht exakt gesetzlich definiert ist, sondern über gerichtliche Einzel-fallentscheidungen festgestellt wird, werden mit Kosten und Zinsengute Geschäfte gemacht. Wird die Hauptforderung mit den Zahlungennicht erreicht, kann man aus ihr über Jahre Kapital schlagen.

Antragsbereich W

Antrag 23Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBayern

Keine Kapitalprivatisierung der Bahn

Der SPD-Parteivorstand wird aufgefordert, einer Privatisierung undTeilprivatisierung der Deutschen Bahn AG ein klares Nein entgegenzu-setzen.

Begründung:Erfolgt mündlich

Antragsbereich W

Antrag 24Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen –Landesverband Saar

Ladenschluss

Wir fordern die Verantwortlichen auf Bundes- und Landesebene auf,die bestehenden Ladenschlusszeiten nicht zum Nachteil der Arbeitneh-merInnen zu ändern und insbesondere die Sonn- und Feiertage als Ru-hetage zu erhalten.Die Bundesregierung wird aufgefordert auf Europaebene auf Über-nahme einer entsprechenden Formulierung in der neuen EU-Arbeits-richtlinie zu drängen.Wir begrüßen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Laden-schluss in Berlin als bedeutendes Signal gegen eine Kommerzialisie-rung des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Insbesondere das unbe-grenzte Kommerzdenken großer Warenhäuser und Discounter ist mitdiesem Urteil in die notwendigen Grenzen verwiesen worden. Es ist einUrteil im Sinne der vielen Beschäftigten, insbesondere der Frauen undihrer Familien, die bislang an Sonn- und Feiertagen arbeiten müssen.Wir unterstreichen die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts,dass die typische „werktägliche Geschäftigkeit“ an Sonn- und Feierta-gen grundsätzlich zu ruhen hat. Denn die Gewährleistung der Arbeits-

Erledigt bei Annahme von W 12

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Parteivorstand

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ruhe sichert eine wesentliche Grundlage für die Möglichkeiten desMenschen zur Erholung und damit für eine menschenwürdige Beschäf-tigung. Zugleich ist diese Arbeitsruhe für ein soziales Zusammenlebensowie die Erhaltung der Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer unverzichtbar.Wir lehnen alle Bestrebungen in den Bundesländern zur Ausweitungder Ladenschluss- und Öffnungszeiten an Sonntagen ab. Blinde Dere-gulierung muss auch beim Thema Ladenschluss ein Ende haben. Dennes ist seit langem bekannt, dass eine Ausweitung der Ladenöffnungszei-ten nicht zu nennenswert höheren Umsätzen führt. Vielmehr werdenvielfach aufgrund steigender Betriebskosten sozialversicherungspflich-tige Arbeitsverhältnisse durch prekäre Beschäftigung ersetzt. Solcheprekären Beschäftigungsverhältnisse unterhöhlen nicht nur die Glaub-würdigkeit sozialer Marktwirtschaft. Auch der Verbraucherschutz wirddurch diese Entwicklung erheblich verschlechtert.Wir erklären uns deshalb solidarisch mit Gewerkschaften und Kirchen,welche sich für den Erhalt dieser Ruhezeiten einsetzen.

Antragsbereich W

Antrag 25Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Unterbezirk Peine

Progressionsvorbehalt gemäß Paragraph 32 b Abs. 1 Einkommensteuergesetz abschaffenBegründung:Die Wirtschaftskrise hinterlässt ihre Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt.Immer mehr Beschäftigte sind in hohem Maße von Kurzarbeit betroffen.Kurzarbeit ist eine richtige Antwort auf Auftragsrückgänge, um Beschäf-tigte in den Betrieben zu halten und Betriebe von Kosten zu entlasten, umdamit bei zukünftig wieder zunehmendem Auftragseingang sofort liefer-fähig sein zu können. Für Beschäftigte bietet Kurzarbeit die Chance, imBetrieb zu bleiben und damit von Arbeitslosigkeit verschont zu werden.Kurzarbeit für die Beschäftigten bedeutet jedoch auch einen hohen fi-nanziellen Verlust gegenüber der bisherigen Einkommenssituation. DieBeschäftigten in Kurzarbeit tragen damit in einem hohen Maße die fi-nanziellen Lasten der Krise.Die Beschäftigten sind jedoch nicht nur von Arbeitslosigkeit bedrohtund haben während der Kurzarbeitsphasen deutlich weniger Einkom-men zur Verfügung, sie sind darüber hinaus am Jahresende bei ihrerEinkommenssteuererklärung auch noch von dem sogenannten Progres-sionsvorbehalt bedroht. Dieses führt im Regelfall bei ausgedehnterKurzarbeit zu erheblichen Steuernachzahlungen für die Beschäftigten.Hier wird erst richtig deutlich, was der Progressionsvorbehalt beim Be-ziehen von Lohnersatzleistung bedeutet.Ein Progressionsvorbehalt wird u. a. bei den sogenannten Lohnersatz-leistungen, wie beispielsweise dem Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld,Arbeitslosenhilfe, Übergangsgeld, Eingliederungshilfe und Überbrü-ckungsgeld berücksichtigt (§ 32 b Abs. 1 EStG). Der Progressionsvor-behalt bewirkt, dass die Lohnersatzleistung zwar steuerfrei bleibt, dasssie jedoch die Steuer auf die übrigen Einkünfte deshalb erhöht, weil dieLohnersatzleistung bei der Berechnung des Steuersatzes für die übrigensteuerpflichtigen Einkünfte berücksichtigt wird. Das deutsche Einkom-mensteuergesetz sieht für einige Einnahmen des Steuerpflichtigen eineSteuerbefreiung vor. So auch für Kurzarbeitergeld. Diese erhaltenenGelder muss der Steuerpflichtige zwar in seiner Steuererklärung ange-ben, sie werden jedoch nicht so behandelt wie andere steuerpflichtigeEinkünfte. Die steuerfreien Einnahmen können allerdings den persönli-chen Steuersatz des Steuerpflichtigen erhöhen, also indirekt doch derBesteuerung unterworfen werden. Die Konsequenzen sind erheblicheSteuernachzahlungen.Damit werden die Beschäftigten neben den Einkommensverlustenwährend der Kurzarbeit ein weiteres Mal zur Finanzierung der Wirt-schaftskrise zur Kasse gebeten.Dies ist nicht hinnehmbar. Wir fordern deshalb alle Parteien und Bun-destagsabgeordneten auf sich dafür einzusetzen, dass der Progressions-vorbehalt für Beschäftigte gemäß § 32 b Abs. 1 Einkommensteuerge-setz abgeschafft wird.

Überweisung an:

AfA-Bundesvorstand

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Page 102: afa.spd.de - Anträge...1 SPD_Aag_2010 Abei_La 1 29.03.10 13:04 Seie 3 AfA-Bundesvorstand Hermann Hibbeler (Vorsitzender) AfA-Bundesvorstand Annegret Hansen

Umweltpolitik

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Antrag 1Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

AKW Laufzeiten Ausstieg aus der Atomkraft

Die AfA-Bundeskonferenz setzt sich weiter für den Ausstieg aus derAtomkraft ein und unterstützt mit Nachdruck den verstärkten Einstiegin erneuerbare Energien, da auf diesem Sektor viele neue Arbeitsplätzeentstanden sind und entstehen werden. Die AfA-Bundeskonferenz ruftzu der Teilnahme an der Aktions- und Menschenkette am 24. April2010 zwischen den AKWen Krümmel und Brunsbüttel auf.

Begründung:Der AfA-Bezirk Braunschweig kritisiert die Pläne von Union und FDP,im Koalitionsvertrag eine Verlängerung von Laufzeiten für Atomkraft-werke festzulegen.Eine völlige Freigabe der AKW-Laufzeiten in Deutschland hat nichtsmit der von Union und FDP angeblich gewollten Brückentechnologiezu Erneuerbaren Energien zu tun. Sie wird den Stromkonzernenenorme Zusatzgewinne bescheren und den Ausbau der Erneuerbarenbehindern.Die Entsorgungsfrage des Atommülls ist weiterhin ungeklärt. Das Zwi-schenlager Asse ist hier ein katastrophales Beispiel. Die Grundwasser-ströme reichen vom Harz bis Hoch in die Lüneburger Heide. Sollte derAssemüll in das Grundwasser einfließen, ist das Trinkwasser im ganzenBraunschweiger Land gefährdet.Mit dieser Entscheidung stellt sich die künftige Koalition gegen dieMehrheit in der Bevölkerung. Zwei Drittel der Deutschen wollen nichtlänger den unbeherrschbaren Risiken der Atomenergie ausgeliefertsein.Die Ankündigung, dass es Laufzeitverlängerungen nur nach einerstrengen Sicherheitsüberprüfung geben soll, ist skeptisch zu sehen.Atomkraftwerke ließen sich niemals gegen Terrorattacken und Flug-zeugabstürze hundertprozentig sichern.Weitgehend unerforscht und schwer beherrschbar seien auch die Risi-ken durch Alterungsprozesse.In der Vergangenheit seien Risse, Materialermüdungen oder Verände-rungen elektrischer und anderer physikalischer Eigenschaften nur zu-fällig entdeckt worden, obwohl sie schon seit längerem existiert hätten.Zu Kritisieren ist auch die Ankündigung, das Moratorium zur Erkun-dung des Salzstockes in Gorleben aufzuheben. Dadurch droht die Fest-legung auf einen ungeeigneten Endlagerstandort. Wenn das geschehe,wird es auch in den nächsten Jahrzehnten keine Lösung für den hochra-dioaktiven Müll geben. Die Asse wurde nicht als Endlager konzipiert!

Antragsbereich U

Antrag 2Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesorganisationHamburg

Atomausstieg

Die SPD möge ein Forum installieren, das sich zum Ziel setzt, den vonder rot-grünen Koalition beförderten und vom Bundestag beschlosse-nen Atomausstieg weiter zu verfolgen und vor allem intensive Öffent-lichkeitsarbeit zur Vorbereitung einer großangelegten deutschlandwei-ten Kampagne zu betreiben.

Begründung:In den Medien wird derzeit kaum wahrgenommen, dass die SPD denAtomausstieg beschlossen hat und nach wie vor dazu steht. Dass diesder Öffentlichkeit bewusst wird ist genauso wichtig, wie das Festhaltenan dem Ziel.Der von der schwarz-gelben Koalition geplante Ausstieg aus dem Aus-

Annahme in der Fassung der Antragskommission

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SPD-Parteivorstand

Erledigt bei Annahme von U 1

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stieg aus der Atomkraft bzw. die Laufzeitverlängerung der Atomkraft-werke betrifft auch ganz wesentlich die Belange der Arbeitnehmer undArbeitnehmerinnen.

Die Zukunft besteht in der Förderung von erneuerbaren Energien. Diesist ein Zukunftsmarkt, in dem noch viele Arbeitsplätze entstehen kön-nen. Schon jetzt ist es so, dass die Anbieter von erneuerbaren Energiennicht immer in die Netze einspeisen können, da die Stromnetze bereitsjetzt zeitweise mit sogenanntem Grundlaststrom überlastet sind. Blei-ben die Atommeiler weiter in Betrieb, drohen massive Arbeitsplatzver-luste im Bereich der erneuerbaren Energien.

Die Ankündigung der schwarz-gelben Koalition, dass Anteile der Milli-ardengewinne, die die großen Stromanbieter (RWE, eon, Vattenfalletc.) wegen der längeren Laufzeit der AKW`s erwarten dürfen, für dieFörderung der regenerativen Energien eingesetzt werden sollen, haltenviele Fachleute für nicht oder nur schwer umsetzbar. Auch fehlen dafürkonkrete Festlegungen im Koalitionsvertrag. Unabhängig davon sinddie Fragen bezüglich einer geeigneten Endlagerung für den schon jetztexistierenden Atommüll nicht geklärt

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Europapolitik

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Antragsbereich E

Antrag 1Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBaden-Württemberg

Soziale Demokratie – in Deutschland und in Europa

Europa hat den größten Binnenmarkt der Welt geschaffen und eine ein-heitliche Währung eingeführt. Jetzt gilt es, die soziale Dimension derEU zu stärken –sie ist der zentrale Teil unseres europäischen Gesell-schaftsmodells. Deshalb wollen Sozialdemokratinnen und Sozialdemo-kraten das Wettbewerbsprinzip der sozialen Dimension nachordnen. ImMittelpunkt müssen die Menschen stehen – nicht die Märkte. Die in derEuropäischen Grundrechtecharta festgelegten sozialen Grundrechtemüssen Wirklichkeit werden.Grundlegend für alle Sozialstaaten in Europa sind ein entwickelter undleistungsfähiger Staat, Sozialsysteme zur Absicherung elementarer Le-bensrisiken, öffentliche Daseinsvorsorge, geregelte Arbeitsbedingun-gen sowie Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer.Diese Stärken Europas wollen wir weiter entwickeln. Wir wollen Sozi-alsysteme nicht vereinheitlichen, aber gemeinsame Mindeststandardsdurchsetzen, durch Kooperation für alle Europäerinnen und Europäernutzbar machen und durch den Austausch über beste Praxis verbessern.Wir können dabei viel voneinander lernen und uns gemeinsam neueWege aus der Krise öffnen. Zudem werden damit faire Wettbewerbsbe-dingungen zwischen den Staaten festgelegt, um Sozialdumping zu ver-hindern.Wir wollen eine starke Europäische Union, die von den Menschen soli-darisch und aus Überzeugung getragen wird. Deshalb sind wir für mehrTransparenz und Mitsprache auf allen europäischen Ebenen und einestärkere Vernetzung zwischen der europäischen und den nationalstaatli-chen Ebenen.Nur mittels eines handlungsfähigen Staates ist soziale Demokratie inEuropa, im Bund, im Land und in den Kommunen möglich. Nur einleistungsfähiger Staat besitzt die notwendige Gestaltungsfreiheit undkann zum Nutzen der Menschen wirken. Nur ein vernünftiges Verhält-nis von staatlichen Einnahmen und Ausgaben, nur eine ausgewogeneBilanz von langfristigen Zukunftsinvestitionen und rentierlicher Ver-schuldung sichert die Gegenwart und sorgt vor für zukünftige Genera-tionen.Wir wollen, dass dem Staat, dem Bund, den Ländern und den Kommu-nen die erforderlichen Einnahmen durch die notwendigen Steuern gesi-chert werden. Einen armen Staat können sich nur die Reichen leisten.Die Schere zwischen arm und reich ist in den letzten Jahren zu Gunstender ganz Reichen und damit auch zu Lasten des Staates stark auseinan-dergegangen. Noch nie waren in einem Aufschwung die Realeinkom-men der Arbeitnehmerhaushalte gesunken. Die Früchte des letztenKonjunkturaufschwungs ernteten allein die Unternehmen, die hohenEinkommensbezieher und großen Vermögensbesitzer, die diese vorallem für Finanzmarktinvestitionen anstelle realwirtschaftlicher Inves-titionen nutzten.Wir brauchen deshalb einen Richtungswechsel, der dafür sorgt, dassder geschaffene Wohlstand allen zu Gute kommt. Es kann nicht sein,dass sich nur ein ganz kleiner Bruchteil sorgenfrei fühlt und die über-große Mehrheit, Angst vor den Folgen der Krise und einem Absturzhaben muss.

Dazu braucht der Staat die entsprechenden Mittel.

1. Die starken Schultern müssen hierbei deutlich mehr tragen als dieSchwachen. Wir unterstützen die Forderung nach einer substantiellenReichensteuer und nach der konsequenten Schließung aller Steuer-schlupflöcher und Steueroasen. Wir halten die Einführung einer Ver-mögenssteuer zur Sicherung der Landesfinanzen genauso für not-wendig, wie die Anhebung der Erbschaftssteuer auf große Vermö-gen. Mit einer höheren Erbschaftssteuer können wir die dringendnotwendige Bildungsoffensive finanzieren, die die Zukunft unseres

Annahme

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SPD-Parteivorstand

SPD-Gruppe im EP

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Landes sichert. Die Börsenumsatzsteuer ist überfällig, als ein Mittelder Regulation gegen das schnelle Rad im Spielcasino des Finanzka-pitalismus und zur finanziellen Stärkung des öffentlichen Banken-sektors. Eine Finanztransaktionssteuer kann, im Rahmen der G 20Staaten eingeführt, eine erneute Ausuferung des Finanzkapitalismusverhindern.

2. Die nachhaltige Verbesserung der Einnahmen des Landes muss miteiner nachhaltigen Begrenzung der Ausgaben einhergehen, wenn wiraus der Schuldenspirale und der drohenden Handlungsunfähigkeitdes Landes herauskommen wollen. Allerdings sprechen wir uns mitdieser Handlungsanleitung jedoch strikt gegen die kontraproduktiveSchuldenbremse aus, wie sie mit der Föderalismus-Reformkommis-sion II zwischen Bund und Ländern vereinbart wurde. Die im Grund-gesetz festgeschriebene Verpflichtung ab dem Jahr 2020 Haushalteohne neue Kredite aufzustellen, nimmt dem Staat die notwendigeHandlungsfreiheit auf aktuelle Gegebenheiten adäquat reagieren zukönnen.

3. Wir brauchen strukturelle Veränderungen in der Verwaltung, Aufga-benabbau und einen effektiveren Einsatz des Verwaltungspersonals.Hierzu ist ein Höchstmaß an Mitwirkung der Beschäftigten nötig.Dabei dürfen die Beschäftigten nicht die Verlierer der Konsolidie-rung werden, haben sie doch mit Arbeitszeitverlängerung, Arbeits-verdichtung, Lohnzurückhaltung und teilweise Kürzungen sehr vielgeleistet. Sie haben einen Anspruch auf eine faire und verlässlicheBehandlung. Das heißt auch, dass es mit uns betriebsbedingte Kündi-gungen nicht geben wird, Personalabbau kann für uns nur das letzteMittel sein, um entstehende Überkapazitäten abzubauen. Vorhermüssen Möglichkeiten, wie die Reduzierung der Wochenarbeitszeit,ausgeschöpft werden.

4. Bei den Entscheidungen um die Zukunft des Föderalismus inDeutschland haben wir erleben müssen, dass die konservativ regier-ten Bundesländer ihr Heil in einem Konkurrenz-Föderalismus su-chen. Wir plädieren und kämpfen stattdessen für mehr Zusammenar-beit in der Sache bei Bund, Länder und Kommunen – auch in Rich-tung Europa. Wir fordern für die Chancengleichheit aller Kinder inDeutschland die Übertragung der Kompetenzen für Bildung aufBundesebene – ein Kind darf nicht schon aufgrund seiner Herkunftaus bestimmten Bundesländern benachteiligt werden.

5. Wir sprechen uns ausdrücklich für eine umlagefinanzierte, Lebens-standard sichernde Altersrente aus. Die Geschichte hat uns gezeigt,dass nur eine umlagefinanzierte Rente Krisen ohne größere Pro-bleme überstehen kann. Damit eine solche Altersrente zukunftsfähigsein kann fordern wir die Abschaffung der Beitragsbemessungs-grenze und die Ausweitung der Sozialversicherungspflicht für alleEinkommensarten.

Antragsbereich E

Antrag 2Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

Europäische Sozialkonferenz

Regelmäßig ist eine Sozialkonferenz der sozialdemokratischen Par-teien in Europa einzuberufen.

Begründung:Bislang hat nur eine Sozialkonferenz der sozialdemokratischen Par-teien in Europa stattgefunden. Dabei erhielt das Bild von Europa alsSozialunion erste Konturen. Leider ist es bei einer Konferenz geblie-ben. Angesichts der inzwischen stark gewachsenen EuropäischenUnion und dem Zerfall mehrerer Staaten in neue, kleinere Staaten istvor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Veränderungen und Heraus-forderungen, die kein Staat alleine lösen kann, eine Abstimmung derZiele und Politikinhalte auf europäischer Ebene dringend erforderlich.Die Sozialkonferenz kann bei ernsthafter Betreibung dazu beitragen,diese Abstimmung zu erreichen. Dafür ist es erforderlich, durch regel-

Annahme

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SPD-Parteivorstand

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AnträgeEmpfehlungen

derAntragskommission

mäßige und ergebnisorientierte Konferenzen für Nachhaltigkeit zu sor-gen. Zugleich wird mit der Sozialkonferenz die soziale Kompetenz so-zialdemokratischer Parteien betont und der europäischen Bevölkerungvermittelt.

Antragsbereich E

Antrag 3Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Düsseldorf

Dienstleistungsrichtlinie

Die Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion im europäischenParlament werden aufgefordert, die Initiative zu ergreifen, die Ent-sende- und die Dienstleistungsrichtlinie dahingehend zu ändern, dassdie Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestärkt werden.Insbesondere müssen dabei die Grundlagen für nachhaltige Tariftreue-regelungen geschaffen werden.

Begründung:

Die Bilanz, die die AfA im Lichte ihrer Beschlüsse zur Dienstleistungs-bzw. »Bolkestein«-Richtlinie und zu den Urteilen des EuropäischenGerichtshofes (EuGH) in den Fällen »Viking-Line«, »Laval« und»Rüffert« während der Bundes-Konferenzen 2006 und 2008 in Kasselziehen muss, lautet: Die Beschlüsse haben nach wie vor ihre volle Be-rechtigung. Die sozialen Sicherungssysteme (vor allem Kranken- undRentenversicherung), öffentliche Dienste/Daseinsvorsorge (Bahn, Post,Telekom, Energie, Ver- und Entsorgung, Wasser/ Abwasser, ÖPNVetc.) und die Arbeitnehmerrechte (Tarifverträge, Streikrecht) geratendurch den Wettbewerb und den »freien Markt« der EU immer massiverunter Druck. Deregulierung und Privatisierung der öffentlichen Infra-struktur (v. a. bei Strom, Gas, Telefon, Post, Bahn) bescherten der Pri-vatwirtschaft Rekord- und Spekulationsprofite, aber den breiten Bevöl-kerungsschichten, die auf sie angewiesen sind, Verschlechterungen derQualität, Preissteigerungen und den Beschäftigten dieser Bereiche eineVerschlechterung von Arbeits- und Tarifbedingungen. HunderttausendeKolleginnen und Kollegen haben diesen Kurs mit dem Verlust ihres Ar-beitsplatzes und Erwerbslosigkeit bezahlt.Der Widerstand, der sich mit Unterstützung der AfA gegen »Bolke-stein« richtete, ist nach wie vor und wiederum mit unserer Unterstüt-zung gefordert: Aus der EU-Dienstleistungsrichtlinie wurden nicht alleöffentlichen Dienstleistungen ausgenommen. Mit dem Dritten Eisen-bahnpaket und der Nahverkehrsverordnung wird der öffentliche Ver-kehr weiter dereguliert und privatisiert. Nicht anders ist die Situationim Energiesektor. Deregulierung und Privatisierung von Pflege, sozia-len und Gesundheitsdiensten wird eröffnet. Die der Wasserversorgungsteht nach wie vor zur Disposition.

Die „neue“ Dienstleistungsrichtlinie:

Das bolkesteinsche Herkunftslandprinzip ist nicht abgeschafft, sondernangepasst worden. Grenzüberschreitend tätige Dienstleistungserbringerhaben die Vorgaben des Gastlandes in den Bereichen der öffentlichenOrdnung, Sicherheit und der öffentlichen Gesundheit sowie zumSchutz der Umwelt zu befolgen. Beim Schutz der Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer gilt das von uns allen bekämpfte Herkunftslandprin-zip!Obwohl die EU keine Regelungskompetenz für das Arbeitskampf- undTarifvertragsrecht besitzt, führt die Dienstleistungsrichtlinie die Koali-tionsfreiheit und das Streikrecht in die Abhängigkeit von der Wahrungdes »Grundfreiheiten« des Binnenmarktes der EU, wie es in den Verträ-gen (zuletzt Lissabon) und den Urteilen des EuGH (s. o. und ebenso zuberücksichtigen: der Fall »Luxemburg«) definiert wurde und durch diedie Freiheit des Waren- und Kapitalverkehrs, die Dienstleistungs- undNiederlassungsfreiheit über die sozialen und gewerkschaftlichenRechte gestellt wird. Das EuGH-Urteil im Fall »Laval« (Vaxholm) be-tont den Vorrang europäischen Rechts gegenüber nationalem Recht. Es

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greift unmittelbar in national definiertes Recht, v. a. in das Tarif- undArbeitskampfrecht, ein und sichert, entgegen der Ideologie der „ent-schärften Fassung“ der Bolkesteinrichtlinie, eben das umstrittene Her-kunftslandprinzip.

Alle sozialdemokratischen Abgeordneten, von den kommunalen Rätenbis zum Bundestag, sind aufgefordert, bei jeder anstehenden Entschei-dung infolge der Dienstleistungsrichtlinie für den Schutz der verfas-sungsmäßigen Rechte der Arbeitnehmerschaft und ihrer Gewerkschaf-ten, insbesondere für die Rechte und den Respekt der Koalitionsfreiheitund des Abschlusses von Tarifverträgen einzutreten und keiner Rege-lung zuzustimmen, die diese Rechte angreifen.

Die Dienstleistungsrichtlinie führt zur Erosion der Rechte entsandterund im Gastland tätiger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unddamit zur Erosion der Rechte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer. Die Entsenderichtlinie (in Deutschland das Arbeitnehmerentsen-degesetz), die entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer z.B. vorLohn- und Sozialdumping schützen soll und die der EuGH als Maxi-malstandard versteht, ist begrenzt. Sie hat erhebliche Defizite im Be-reich der Kontrolle der Einhaltung von Schutzvorgaben. Nach Auffas-sung des EuGH ist es den EU-Staaten erlaubt, gesetzliche Mindest-löhne auf entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auszudeh-nen, nicht aber die Tariflöhne der Branchentarifverträge. Auf dieseWeise wird der Mindestlohn zur direkten Konkurrenz des Tarifvertra-ges und der tarifvertraglich erkämpften Löhne, die die Gewerkschaftengarantieren. Das Urteil des EuGH im Fall »Rüffert« bedeutet de factodie unmittelbare Abschaffung der Tariftreuegesetze, da nur Mindest-löhne und für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge respektiertwerden.

Dagegen setzen Sozialdemokraten die Verteidigung der Tarifautonomieund des Tarifvertrages, einschließlich der erwiesenermaßen verfas-sungskonformen Tariftreuegesetze, in den Bundesländern etc. um.Denn: „Der einzige Weg ist, dem EuGH nicht zu folgen“ (Fritz Scharpfin »Mitbestimmung« 7+8/2008)

Die Dienstleistungsrichtlinie nimmt sgn. Gesundheitsdienstleistungenaus dem Geltungsbereich, nicht allerdings Pflegedienste, die somit vonder Richtlinie erfasst werden und seit geraumer Zeit Schauplatz ent-würdigender Dumpingbedingungen extremer Art sind. Unscharf sinddie (nicht-wirtschaftlichen) Dienstleistungen von allgemeinem Inte-resse (DAI) definiert. Mit der Folge, dass das Bildungswesen (Weiter-bildungsangebote etc.) oder soziale Dienstleistungen (z.B. Leistungender Jugendhilfe) nicht generell vom Anwendungsbereich der Dienst-leistungsrichtlinie ausgenommen sind. Die Dienstleistungen von allge-meinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI), z.B. Energie, Ver- undEntsorgung, Post etc. unterliegen keinerlei Einschränkung der Nieder-lassungsfreiheit, allerdings massiven Einschränkung hinsichtlich derKontrollen durch die Behörden der Mitgliedstaaten. Die mit diesemProzess – die Dienstleistungsrichtlinie macht vor den öffentlichenDienstleistungen nicht halt – verbundende zunehmende Privatisierungin den Bundesländern und den Kommunen führt zur automatischen An-wendung des EU-Wettbewerbsrechts und der »Grundfreiheiten«, vorallem der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. Standards derQualitätskontrolle, die wie z.B. im Heimrecht die der Heimaufsichtennur in Deutschland gelten, stehen in unversöhnlichem Widerspruch zuden EU-Vorgaben. Gleiches gilt für sozialpolitisch begründete Maß-nahmen wie z.B. die Auftragsvergabe an Werkstätten für Menschen mitBehinderungen etc., da sie mit dem EU-Wettbewerbsrecht nicht verein-bar sind.

Sozialdemokraten kämpfen angesichts dieser Vorschriften gegen jedeweitere Privatisierung staatlicher Bereiche und der öffentlichen Da-seinsvorsorge. Sie verhindern sie auf allen Ebenen, von der Kommunebis zum Bund und treten gleichfalls für die Rekommunalisierung undWiederverstaatlichung bereits privatisierter Bereiche ein.

Die Dienstleistungsrichtlinie trat am 28.12.2006 in Kraft. Bis zum28.12.2009 hatten die EU-Mitgliedstaaten Zeit, im nationalen RahmenMaßnahmen zur Umsetzung zu ergreifen. Aufgrund der Erfahrungen,die wie als Gewerkschaftsmitglieder und Sozialdemokrat/-innen mitdieser Richtlinie machen, kann es nur eine Antwort geben: Wir lehnendie Dienstleistungsrichtlinie ab und treten für ihre Abschaffung ein.

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Antragsbereich P

Antrag 1Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

„Zurück zu den ursozialdemokratischen Wurzeln“ Die SPD nach der Bundestagswahl2009 – Die Krise als Chance begreifen

Unsere Partei hat die schwerste Niederlage in ihrer Geschichte bei einerBundestagswahl hinnehmen müssen. Nur noch 23 Prozent der Wählerin der Bundesrepublik haben der SPD ihre Stimme gegeben.Die SPD hat damit das schlechteste Bundestagswahlergebnis seit Be-stehen der Bundesrepublik erhalten. In den letzten 10 Jahren sind derSPD mehr als 10 Millionen Wählen verloren gegangen. Haben 1998noch 20,2 Millionen Wähler der SPD ihre Stimme gegeben, so warenes 2009 nur noch knapp 10 Millionen Wähler.

Schonungslose Analyse des katastrophalen Zustandes

Die Ursachen dieses katastrophalen Wahlergebnisses sind sicherlichvon vielen Faktoren abhängig. Eine der Hauptgründe ist aber Verlust anGlaubwürdigkeit in den vergangenen Jahren. So führte in der Vergan-genheit der von der Parteiführung initiierte Agenda 2010 – Reformpro-zess zu einer Zerreißprobe innerhalb unserer Partei. Mit dem viel zuschnell eingeführten Arbeitsmarktreformen verlor unsere Partei zumTeil ihre sozialdemokratische Identität. Viele unserer Mitglieder habenseitdem die Partei verlassen. Bei der Arbeitnehmerschaft haben wir zudem seit 2005 mit der unter Arbeitsminister Franz Müntefering einge-führten Rente mit 67 zusätzlich viel Vertrauen verloren. Hinzu kamnoch die nach der Bundestagswahl 2005 um 3 Prozentpunkte erhöhteMehrwertsteuer, die noch von der SPD im Bundestagswahl ganz klarim Wahlkampf (Merkelsteuer) abgelehnt wurde.Neben diesen Punkten kam es leider noch vor Landtags- und Bundes-tagswahlen zu unnötigen vorzeitigen Koalitionsfestlegungen bzw. zuklaren Ausgrenzungen. Gerade die Ausgrenzungen gegenüber derLinkspartei hat die SPD mehrfach in eine Falle gebracht, die letztend-lich zu einem weiteren Glaubwürdigkeitsverlust geführt hat.Unsere Partei muss sehr schnell eine schonungslose Analyse des jetzi-gen Zustandes vornehmen. Es darf bei dieser Analyse keine Tabus,weder personell noch inhaltlich, geben. Die Parteibasis muss bei derAnalyse aktiv mit eingebunden werden, wie z.B. auf Regionalkonferen-zen.

Unsere Partei braucht einen radikalen Neustart

Nach der Analyse muss zwangsläufig eine inhaltliche Debatte geführtwerden. Unsere Partei muss die notwendigen Kurskorrekturen in derArbeitsmarkt und Sozialpolitik vornehmen Hierzu ist ein radikalerNeustart speziell auf der inhaltlichen Ebene notwendig.Ernsthafte Beteiligung der Parteibasis an EntscheidungsprozessenHierbei kann jedoch nicht der Grundsatz gelten, alle Reformen in denvergangenen 10 Jahren wieder rückgängig zu machen, sondern an die-ser Stelle müssen über einen ehrlichen Beteiligungsprozess alle Mit-glieder unserer Partei die Möglichkeit der Einflussnahme bekommen.Nach diesem inhaltlichen Beteiligungsprozess muss die Erkenntnis ste-hen, dass die Richtung unserer Partei wieder beeinflusst wird durch dieursozialdemokratischen Tugenden, wie Solidarität und Gerechtigkeit.

Personelle Weichenstellungen

Neben den inhaltlichen Weichenstellungen ist auch eine personelleNeuausrichtung unserer Partei dringend notwendig.Gerade die Personen, die in der Vergangenheit viele Fehlentwicklungenunserer Partei mitverantwortet haben, dürfen in einer neuen, nach demtraditionellen sozialdemokratischen Werten, ausgerichteten SPD alsVolkspartei, keine führenden Positionen mehr ausüben Deshalb musses zwingend einen personellen Neuanfang unserer Partei geben, deralle Richtungen unserer Partei mit abdeckt.

Erledigt bei Annahme von P 3

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Verlorene Mitglieder zurückgewinnen, Vertrauen zu den Gewerk-schaften und Betriebsräten wieder herstellenNachdem unsere Partei einen neuen, solidarischen und gerechten Wegmit einer neuen vertrauenswürdigen Führung eingeschlagen hat, müs-sen wir es wieder schaffen, die Mitglieder zurück zu gewinnen, die unsin der Vergangenheit verlassen haben. Wir müssen dann dringend denDraht zu den Gewerkschaften und Betriebs- und Personalräten wiederherstellen. Gerade diese Verbindung der SPD zu den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern ist aus der Sicht der AfA unerlässlich und istdie Kernaufgabe der zukünftigen SPD. Gerade an dieser Stelle muss inder SPD Parteiorganisation, der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmer-fragen eine aktive Schlüsselrolle zugedacht werden, um den Erneue-rungsprozess unserer SPD mit zu begleiten.

Antragsbereich P

Antrag 2Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandNordrhein-Westfalen

„Die neue Chance der SPD“

Zu den Ergebnissen des Dresdner ParteitagesZu diesem vom Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel beschworenen Neu-anfang der SPD hat die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen(AfA) in der SPD wichtige inhaltliche Beiträge geleistet.Jetzt müssen unverzüglich und insbesondere dort, wo die SPD diegrößten Verluste erlitten hat, strategische Schritte eingeleitet werden,um wieder Vertrauen bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmernaufzubauen.1. Die AfA fordert deshalb, dass die SPD ihrer Verantwortung als poli-tische Kraft, sei es in Regierungsverantwortung, sei es in der Opposi-tion, wirksamer gerecht werden muss. Dabei muss sie sich ihrer ge-schichtlichen Identität als Partei der Arbeiterbewegung und der so-zialen Gerechtigkeit bewusst bleiben und unverwechselbar danachhandeln.

2. Der Auftrag des Dresdner Parteitages, sozialdemokratische Politikinsbesondere an den Interessen der breiten Arbeitnehmerschichtenauszurichten, muss sie als Auftrag begreifen, den sie nur gemeinsammit der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen umsetzen kann.

3. Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) wird derPartei bei diesem Auftrag helfen, indem sie die betrieblichen und so-zialen Interessen der Arbeitnehmer aufgreift und in die politischeWillensbildung einbringt, soziale Beziehungen zu den Arbeitneh-mern, Gewerkschaften und sonstigen nahestehenden Organisationenaufrechterhält bzw. neu herstellt und die Partei darin unterstützt, inder arbeitenden Bevölkerung und in der Arbeitswelt durch Vertrau-ensarbeit verankert zu sein. Dazu erhält sie von der Partei die erfor-derlichen Mittel.

4. Die SPD hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die Bürgerinnen undBürger haben uns trotz eines engagierten Wahlkampfs die richtigenInhalte des Regierungsprogramms nicht abgenommen. Einer derHauptgründe des dramatisch schlechten Wahlergebnisses ist die Poli-tik der Agenda 2010. Fast zweidrittel der angestammten SPD Wähle-rinnen und Wähler sagen, die SPD habe mit Hartz IV und der Rentemit 67 ihre Prinzipien aufgegeben. Abgesehen von den politischenUrsachen des Wahldebakels ist es auch durch die Pluralisierung desParteienspektrums für die SPD zweifellos schwieriger geworden,ihre politischen Ziele und Vorstellungen mit ihren bisherigen Veran-staltungs- und Organisationsformen überzeugend zu repräsentieren.Deshalb müssen im beginnenden Reformprozess neue Formen derpolitischen Ansprache und des gesellschaftlichen Dialogs erprobtund durchgeführt werden.

5. Mit Blick auf den Arbeitnehmerbereich bietet es sich an, in Zusam-menarbeit mit der AfA, einmal im Jahr große, öffentlichkeitswirk-same Arbeitnehmerforen sowohl auf Bundesebene, wie auch in denLandesverbänden mit Vertretern der Gewerkschaften, betrieblichen

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derAntragskommission

Arbeitnehmervertretungen, Sozialorganisationen, der Wirtschaft, derWissenschaft, kirchlichen Arbeitnehmerorganisationen usw. durch-zuführen. und sie institutionell zu verankern. Als Beispiel sei ge-nannt das Forum „Arbeit und Umwelt“ im Frühjahr 1985 in der Dort-munder Westfalenhalle, das gemeinsam vom Parteivorstand und derAfA mit großem Erfolg veranstaltet wurde. Zu behandelnde Schwer-punkt-Themen könnten alternativ sein: Wirtschafts- und Beschäfti-gungspolitik unter den Bedingungen der Globalisierung und der eu-ropäischen Entwicklung, Veränderung der Arbeitsgesellschaft (pre-käre und atypische Arbeit), Humanisierung der Arbeitswelt, Mitbe-stimmung, Innovation und Arbeit, Sicherung des Sozialstaates.

6. Untersuchungen über die demokratische Verfasstheit der Gesell-schaft weisen auf ein deutliches Partizipationsdefizit in den Parteienhin. Das gesellschaftliche Potential an sozialer Kompetenz liegt dem-zufolge weitgehend brach. Soll die Arbeits- und Lebenssituation derarbeitenden Bevölkerung verbessert werden, so setzt dies ihre Betei-ligung und Mitbestimmung im politischen Prozess voraus. Es sinddaher neue Formen der politischen Beteiligung und Mitbestimmungzu entwickeln, damit Arbeitnehmer, Betriebs- und Personalräte, Ge-werkschafter und Vertrauensleute vor allem dort in der politischenWillensbildung mitwirken können, wo sie ihre Erfahrungen undKompetenz einbringen können: In der Wirtschafts- und Arbeits-marktpolitik, der Mitbestimmung, bei der Humanisierung der Ar-beitswelt, bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung und auch inder Umweltpolitik.

7. Auf dem Wege zu mehr innerparteilicher Demokratie gibt es gravie-rende Strukturprobleme. Das erste Problem ist die „Erfahrungsver-dünnung“ in den politischen Parteien. Das Problem ist die Abschir-mung der Binnenkommunikation der Parteien von der Gesellschaft.Parteien und Parlamente sind heutzutage einseitig zusammengesetztund relativ geschlossene Kommunikationszirkel. Dominiert werdensie von Angehörigen einzelner Berufe, während die Mehrheit der Ar-beitnehmer, vor allem der gewerblichen Wirtschaft und des privatenDienstleistungsbereiches, zu einer verschwindenden Minderheit ge-worden sind. Die Rituale und Prozeduren der Parteien bei der Auf-stellung von Kandidaten begünstigen bestimmte Berufe und benach-teiligen andere soziale Schichten. Um in der Arbeitnehmerschaftglaubwürdig zu sein, muss SPD bestrebt sein, nicht nur in der Zu-sammensetzung ihrer Mitglieder, sondern auch im Hinblick auf ihreMandatsträger und Parteitagsdelegierten eine Partei der Arbeitneh-mer zu sein. Das setzt eine Abkehr vom bisherigen Verfahren bei Lis-tenaufstellungen und Delegiertenwahlen durch entsprechende Vorga-ben und Änderung der Wahlbestimmungen voraus, um mehr Trans-parenz und Chancengleichheit erreichen. Die Erfahrungen zeigen,dass Appelle allein zu keinem Erfolg führen.

8. Die Verwurzelung der Partei in der Gesellschaft gehörte in der Ver-gangenheit zu den unbestrittenen Aufgaben und Zielen der Sozialde-mokratie (Olof Palme nannte das „Graswurzeldemokratie“). Für dieBeziehungen zur Arbeitnehmerschaft bedeutete das, die Partei sonahe wie möglich an den Betrieb und den Arbeitsplatz durch Be-triebsgruppen und Vertrauensleute heranzuführen, die betrieblichenInteressen der Arbeitnehmer aufzugreifen und sie in der politischenWillensbildung der Partei zu berücksichtigen. Helmut Schmidt hat inseinem Grußwort zum 50-jährigen Bestehen der Hamburger Be-triebsorganisation eindrucksvoll dargelegt, dass der politische Auf-stieg der Hamburger SPD nach dem zweiten Weltkrieg ohne die Ar-beit der Betriebsorganisation als zweites Standbein, neben der Wohn-ortorganisation, nicht möglich gewesen wäre. Seitdem haben sich dieBedingungen für die betriebliche Arbeit der Partei grundlegend ver-ändert. Will die Partei aber auf ihre Verankerung in der Arbeitsweltgrundsätzlich nicht verzichten, so müssen neue Formen und Mög-lichkeiten betrieblicher Vertrauensarbeit entwickelt werden, die denheutigen Bedingungen in der Arbeitswelt und Arbeitsgesellschaftentsprechen. Es war ein Versäumnis von großer politischer Trag-weite, die betriebliche Vertrauensarbeit in den vergangenen Jahrendurch die Partei zu vernachlässigen und durch ihre Politik anderenpolitischen Parteien in der Arbeitnehmerschaft Raum zu geben.

9. Eine der Hauptursachen für Demokratiedistanz und Politikverdros-senheit liegt in der Art und Weise begründet, wie Politik heute ver-

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mittelt wird. Durch die zunehmende Komplexität der Welt, die He-rausforderungen durch die wirtschaftliche Globalisierung, die Euro-päisierung und die Pluralität in der Gesellschaft ist das keine leichteAufgabe. Die politische Bildungsarbeit kann dazu einen wichtigenBeitrag leisten. Ihr stellt sich die Aufgabe, schwierige und komplexepolitische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und soziale Zusammen-hänge zu verdeutlichen und zu diskutieren. Die politische Bildungs-arbeit für Arbeitnehmer hat in der Vergangenheit entscheidende Bei-träge geleistet, Grundlagen und Leistungen sozialdemokratischer Po-litik gegenüber den Arbeitnehmern zu vermitteln und ihre Überzeu-gungskraft zu stärken. Die AfA wird einen Vorschlag erarbeiten, wiedie politische Bildungsarbeit für Arbeitnehmer wieder gestärkt wer-den kann.

10.Auch in den Gewerkschaften hat die Partei stark an Vertrauen verlo-ren. Durch eine an den Interessen der Arbeitnehmer orientierte Poli-tik, Unterstützung der Gewerkschaften bei ihrem Kampf um bessereArbeits- und Lebensbedingungen, Sicherung der Tarifautonomie,Kampf um gesetzlichen Mindestlohn, Unterstützung bei der Wahlvon Betriebsräten und durch eine solidarische Alterssicherungspoli-tik kann die SPD verloren gegangenes Vertrauen bei den Gewerk-schaften wiedergewinnen. Unabdingbar dabei ist eine enge und ver-trauensvolle Zusammenarbeit mit ihnen auf den verschiedenen Ebe-nen der Partei durch Gewerkschaftsräte, deren politischer Einflussgestärkt werden muss.

Eine Politik, die sich vorrangig an den Interessen der breiten Arbeitneh-merschichten orientiert, öffentlichkeitswirksame Veranstaltungendurchführt, politische Mitbestimmung praktiziert, die Stärkung der Ar-beitnehmervertretung in Parlamenten und Partei und die betrieblicheVerankerung fördert, engagiert politische Bildungsarbeit betreibt undeng mit den Gewerkschaften zusammen arbeitet, wird die „Deutungs-hoheit“ in der Gesellschaft erlangen. Dann wird die SPD wieder inte-ressant für die Mehrheit.

Antragsbereich P

Antrag 3Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Nord

Die neue Chance der SPD – Arbeitnehmer-interessen in den Vordergrund rücken

Zu dem vom Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel beschworenen Neuan-fang der SPD hat die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen(AfA) in der SPD wichtige inhaltliche Beiträge geleistet.Jetzt müssen unverzüglich und insbesondere dort, wo die SPD diegrößten Verluste erlitten hat, strategische Schritte eingeleitet werden,um wieder Vertrauen bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmernaufzubauen.1. Die AfA fordert deshalb, dass die SPD ihrer Verantwortung als poli-tische Kraft, sei es in Regierungsverantwortung, sei es in der Opposi-tion, wirksamer gerecht werden muss. Dabei muss sie sich ihrer ge-schichtlichen Identität als Partei der Arbeiterbewegung und der so-zialen Gerechtigkeit bewusst bleiben und unverwechselbar danachhandeln.

2. Der Auftrag des Dresdner Parteitages, sozialdemokratische Politikinsbesondere an den Interessen der breiten Arbeitnehmerschichtenauszurichten, muss sie als Auftrag begreifen, den sie nur gemeinsammit der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen umsetzen kann.

3. Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) wird derPartei bei diesem Auftrag helfen, indem sie die betrieblichen und so-zialen Interessen der Arbeitnehmer aufgreift und in die politischeWillensbildung einbringt, soziale Beziehungen zu den Arbeitneh-mern, Gewerkschaften und sonstigen nahestehenden Organisationenaufrechterhält bzw. neu herstellt und die Partei darin unterstützt, inder arbeitenden Bevölkerung und in der Arbeitswelt durch Vertrau-ensarbeit verankert zu sein. Dazu erhält sie von der Partei die erfor-derlichen Mittel.

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Erledigt bei Annahme von P 3

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derAntragskommission

4. Mit Blick auf das Bundestagswahlergebnis analysierte Franz Münte-fering auf dem Parteitag: „ Wir waren für die Wählerinnen und Wäh-ler kein Feindbild. Aber wir waren auch nicht interessant.“ Abgese-hen von den politischen Ursachen des Wahldebakels ist es auchdurch die Pluralisierung des Parteienspektrums für die SPD zweifel-los schwieriger geworden, ihre politischen Ziele und Vorstellungenmit ihren bisherigen Veranstaltungs- und Organisationsformen über-zeugend zu repräsentieren. Deshalb müssen im beginnenden Re-formprozess neue Formen der politischen Ansprache und des gesell-schaftlichen Dialogs erprobt und durchgeführt werden.

5. Mit Blick auf den Arbeitnehmerbereich bietet es sich an, in Zusam-menarbeit mit der AfA, einmal im Jahr große, öffentlichkeitswirk-same Arbeitnehmerforen sowohl auf Bundesebene, wie auch in denLandesverbänden mit Vertretern der Gewerkschaften, betrieblichenArbeitnehmervertretungen, Sozialorganisationen, der Wirtschaft, derWissenschaft, kirchlichen Arbeitnehmerorganisationen usw. durch-zuführen. und sie institutionell zu verankern. Als Beispiel sei ge-nannt das Forum „Arbeit und Umwelt“ im Frühjahr 1985 in der Dort-munder Westfalenhalle, das gemeinsam vom Parteivorstand und derAfA mit großem Erfolg veranstaltet wurde. Zu behandelnde Schwer-punkt-Themen könnten alternativ sein: Wirtschafts- und Beschäfti-gungspolitik unter den Bedingungen der Globalisierung und der eu-ropäischen Entwicklung, Veränderung der Arbeitsgesellschaft (pre-käre und atypische Arbeit), Humanisierung der Arbeitswelt, Mitbe-stimmung, Innovation und Arbeit, Sicherung des Sozialstaates, sozi-alökologischer Umbau, Wirtschaftsdemokratie.

6. Untersuchungen über die demokratische Verfasstheit der Gesell-schaft weisen auf ein deutliches Partizipationsdefizit in den Parteienhin. Das gesellschaftliche Potential an sozialer Kompetenz liegt dem-zufolge weitgehend brach. Soll die Arbeits- und Lebenssituation derarbeitenden Bevölkerung verbessert werden, so setzt dies ihre Betei-ligung und Mitbestimmung im politischen Prozess voraus. Es sinddaher neue Formen der politischen Beteiligung und Mitbestimmungzu entwickeln, damit Arbeitnehmer, Betriebs- und Personalräte, Ge-werkschafter und Vertrauensleute vor allem dort in der politischenWillensbildung mitwirken können, wo sie ihre Erfahrungen undKompetenz einbringen können: In der Wirtschafts- und Arbeits-marktpolitik, der Mitbestimmung, bei der Humanisierung der Ar-beitswelt, bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung und auch inder Umweltpolitik.

7. Auf dem Wege zu mehr innerparteilicher Demokratie gibt es gravie-rende Strukturprobleme. Das erste Problem ist die „Erfahrungsver-dünnung“ in den politischen Parteien. Das Problem ist die Abschir-mung der Binnenkommunikation der Parteien von der Gesellschaft.Parteien und Parlamente sind heutzutage einseitig zusammengesetztund relativ geschlossene Kommunikationszirkel. Dominiert werdensie von Angehörigen einzelner Berufe, während die Mehrheit der Ar-beitnehmer, vor allem der gewerblichen Wirtschaft und des privatenDienstleistungsbereiches, kaum noch vertreten ist. Die Rituale undProzeduren der Parteien bei der Aufstellung von Kandidaten begüns-tigen bestimmte Berufe und benachteiligen andere soziale Schichten.Um in der Arbeitnehmerschaft glaubwürdig zu sein, muss SPD be-strebt sein, nicht nur in der Zusammensetzung ihrer Mitglieder, son-dern auch im Hinblick auf ihre Mandatsträger und Parteitagsdele-gierten eine Partei der Arbeitnehmer zu sein. Das setzt eine Abkehrvom bisherigen Verfahren bei Listenaufstellungen und Delegierten-wahlen durch entsprechende Vorgaben und Änderung der Wahlbe-stimmungen voraus, um mehr Transparenz und Chancengleichheiterreichen. Die Erfahrungen zeigen, dass Appelle allein zu keinemErfolg führen.

8. Die Verwurzelung der Partei in der Gesellschaft gehörte in der Ver-gangenheit zu den unbestrittenen Aufgaben und Zielen der Sozialde-mokratie (Olof Palme nannte das „Graswurzeldemokratie“). Für dieBeziehungen zur Arbeitnehmerschaft bedeutete das, die Partei sonahe wie möglich an den Betrieb und den Arbeitsplatz durch Be-triebsgruppen und Vertrauensleute heranzuführen, die betrieblichenInteressen der Arbeitnehmer aufzugreifen und sie in der politischenWillensbildung der Partei zu berücksichtigen. Helmut Schmidt hat in

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seinem Grußwort zum 50-jährigen Bestehen der Hamburger Be-triebsorganisation eindrucksvoll dargelegt, dass der politische Auf-stieg der Hamburger SPD nach dem zweiten Weltkrieg ohne die Ar-beit der Betriebsorganisation als zweites Standbein, neben derWohnortorganisation, nicht möglich gewesen wäre. Seitdem habensich die Bedingungen für die betriebliche Arbeit der Partei grundle-gend verändert. Will die Partei aber auf ihre Verankerung in der Ar-beitswelt grundsätzlich nicht verzichten, so müssen neue Formenund Möglichkeiten betrieblicher Vertrauensarbeit entwickelt wer-den, die den heutigen Bedingungen in der Arbeitswelt und Arbeits-gesellschaft entsprechen. Es war ein Versäumnis von großer politi-scher Tragweite, die betriebliche Vertrauensarbeit in den vergange-nen Jahren durch die Partei zu vernachlässigen und durch ihre Poli-tik anderen politischen Parteien in der Arbeitnehmerschaft Raum zugeben.

9. Eine der Hauptursachen für Demokratiedistanz und Politikverdros-senheit liegt in der Art und Weise begründet, wie Politik heute ver-mittelt wird. Durch die zunehmende Komplexität der Welt, die He-rausforderungen durch die wirtschaftliche Globalisierung, die Euro-päisierung und die Pluralität in der Gesellschaft ist das keine leichteAufgabe. Die politische Bildungsarbeit kann dazu einen wichtigenBeitrag leisten. Ihr stellt sich die Aufgabe, schwierige und komplexepolitische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und soziale Zusam-menhänge zu verdeutlichen und zu diskutieren. Die politische Bil-dungsarbeit für Arbeitnehmer hat in der Vergangenheit entschei-dende Beiträge geleistet, Grundlagen und Leistungen sozialdemo-kratischer Politik gegenüber den Arbeitnehmern zu vermitteln undihre Überzeugungskraft zu stärken. Die AfA wird einen Vorschlagerarbeiten, wie die politische Bildungsarbeit für Arbeitnehmer wie-der gestärkt werden kann.

10.Auch in den Gewerkschaften hat die Partei stark an Vertrauen verlo-ren. Durch eine an den Interessen der Arbeitnehmer orientierte Poli-tik, Unterstützung der Gewerkschaften bei ihrem Kampf um bessereArbeits- und Lebensbedingungen, Sicherung der Tarifautonomie,Kampf um gesetzlichen Mindestlohn, Unterstützung bei der Wahlvon Betriebsräten und durch eine solidarische Alterssicherungspoli-tik kann die SPD verloren gegangenes Vertrauen bei den Gewerk-schaften wiedergewinnen. Unabdingbar dabei ist eine enge und ver-trauensvolle Zusammenarbeit mit ihnen auf den verschiedenen Ebe-nen der Partei durch Gewerkschaftsräte, deren politischer Einflussgestärkt werden muss.

Eine Politik, die sich vorrangig an den Interessen der breiten Arbeitneh-merschichten orientiert, öffentlichkeitswirksame Veranstaltungendurchführt, politische Mitbestimmung praktiziert, die Stärkung der Ar-beitnehmervertretung in Parlamenten und Partei und die betrieblicheVerankerung fördert, engagiert politische Bildungsarbeit betreibt undeng mit den Gewerkschaften zusammen arbeitet, wird die „Deutungs-hoheit“ in der Gesellschaft erlangen. Dann wird die SPD wieder inte-ressant für die Mehrheit.

Antragsbereich P

Antrag 4Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

Verlorene Mitglieder zurückgewinnen, Vertrauen zu den Gewerkschaften und Betriebsräten wieder herstellen

Unsere Partei braucht einen radikalen Neustart und eine schonungsloseAnalyse ihres katastrophalen Zustandes. Dazu bedarf es einer ernsthaf-ten Beteiligung der Parteibasis an den Entscheidungsprozessen und dennotwendigen personellen Weichenstellungen.

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Erledigt bei Annahme von P 3

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derAntragskommission

Begründung:

Nachdem unsere Partei einen neuen, solidarisch und gerechten Weg miteiner neuen vertrauenswürdigen Führung eingeschlagen hat, müssenwir es wieder schaffen, die Mitglieder zurückzugewinnen, die uns inder Vergangenheit verlassen haben. Wir müssen dringend den Draht zuden Gewerkschaften und Betriebs- und Personalräten aufbauen. Geradediese Verbindung der SPD zu den Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mern ist aus der Sicht der AfA unerlässlich und ist die Kernaufgabe derzukünftigen SPD. Gerade an dieser Stelle muss in der SPD-Parteiorga-nisation, der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen eine aktiveSchlüsselrolle zugedacht werden, um den Erneuerungsprozess unsererSPD mit zu begleiten.

Antragsbereich P

Antrag 5Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandBerlin

Informationen der AfA

Der Bundesvorstand der AfA wird beauftragt, die Arbeit der AfA da-hingehend zu stärken, dass Beschlüsse, Veranstaltungen aller Gliede-rungen (Landes- und Bezirksebene) und Informationen in der Formeines Newsletters allen AfA- Gliederungen zur Verfügung gestellt wer-den. Die Gliederungen der AfA müssen dazu die entsprechenden Infor-mationen unaufgefordert dem AfA-Referat im Willy-Brandt-Haus zurVerfügung stellen. Der SPD-Parteivorstand wird aufgefordert, die nöti-gen personellen Ressourcen zu gewährleisten.

Begründung:

Die AfA muss auf allen politischen Ebenen handlungsfähig sein. Dabeiist es wichtig, dass alle Ebenen auf dem gleichen Informationsstandsind.

Antragsbereich P

Antrag 6Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

Änderung der SPD Satzung

Der Parteivorsitzende wird durch eine Urwahl in der SPD gewählt.

Begründung:

Vielfach hat sich die SPD in den letzten Jahren in Machtkämpfe ver-strickt, die von wenigen einflussreichen Personen in Hinterzimmernausgetragen wurden.Die einzelnen Mitglieder wurden lediglich dazu gebraucht, die dort ge-troffenen Entscheidungen auf dem Parteitag abzunicken.Dabei zeigt sich, dass die getroffenen Entscheidungen oft nicht demWillen der Mitglieder entsprachen.Das repräsentative System durch Delegierte hat sich in Bezug auf diesePersonalfrage offensichtlich nicht ausreichend bewährt.So kann gewährleistet werden, dass alle Mitglieder in den Entschei-dungsprozess für ihren Parteivorsitzenden eingebunden werden undaktiv an der Programmatik ihrer Partei mitarbeiten können.

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Annahme in der Fassung der Antragskommission

Weiterleitung an:

SPD-Parteivorstand

Überweisung an:

SPD-Parteivorstand

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Antragsbereich P

Antrag 7Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandSchleswig-Holstein

Bessere Darstellung der AfA-Gliederungen im Internet

Nur durch eine bessere Präsenz der AfA auf allen politischen Ebenenkönnen wir unsere Politik auch besser in der SPD darstellen. Dazu sollmindestens auf den Ebenen Land und Bund die Einrichtung von Web-Seiten sichergestellt werden. Außerdem soll dann in den jeweiligenVorstandsgremien dieser Ebenen ein Internetbeauftragter (Web-Mas-ter) gewählt werden.

Begründung:

Durch die mangelnde Resonanz von Presseerklärungen in den Medienwird die gute Politik der AfA in der Öffentlichkeit und in der SPD zuwenig wahrgenommen. Durch eine eigene Webseite hat jede AfA-Glie-derung die Möglichkeit, ihre Aktivitäten innerhalb der SPD bekannt zumachen. Außerdem können dort auch Fotos von Veranstaltungen veröf-fentlicht werden. Zusätzlich besteht im Internet eine sehr gute Möglich-keit, sich untereinander zu vernetzen. (meine SPD + facebook) unddort für AfA-Veranstaltungen zu werben.

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Annahme

Weiterleitung an:

AfA-Bundesvorstand

AfA-Landesvorstände

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Sonstige Anträge

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Antragsbereich So

Antrag 1Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bundesvorstand

Für die Übernahme des Tarifergebnisses desöffentlichen Dienstes

Die Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag wird aufgefordert, sichfür eine umgehende zeit- und inhaltsgleiche Übernahme des Tarifer-gebnisses für den öffentlichen Dienst (Potsdam 2010) auf die Besol-dung der Beamtinnen und Beamten des Bundes, einge schlossen die beiden Nachfolgeunternehmen der früheren Bundespost und der Bundes-bahn beschäftigten Beamtinnen und Beamten, einzusetzen und die not -wendigen parlamentarischen Schritte einzuleiten.

Begründung

Die Beamtinnen und Beamten des Bundes sind seit Jahren von der all-gemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt. Die Beamtinnen undBeamten haben einen erheblichen Anteil an der Konsolidierung desBundeshaushalts geleistet. Jetzt muss aber, wie es auch die Gewerk-schaft ver.di fordert, der vereinbarte Tarifabschluss unverzüglich undohne Abstriche auch auf diese Arbeitnehmerinnen und Ar beitnehmerübertragen werden

Antragsbereich So

Antrag 2Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Braunschweig

Bürgerentscheid

Der Bürgerentscheid soll das Wissen und die Bereitschaft der Bürgerzur Beteiligung an der Kommunalpolitik nutzen.

Begründung:

Nicht immer finden die gewählten Vertreter den objektiv richtigenWeg, auch mit ungeliebten oder gar Widerspruch herausfordernden Lö-sungen zu Sparzwängen umzugehen.Wir tun zu Wenig diesen Bürger in Entscheidungen einzubinden.Ein aktives Begleiten der Bürger stützt und fördert basisdemokratischesDenken, wirkt der allgemeinen Politikverdrossenheit entgegen. Ein-sparvorschläge – von der allgemeinen Mehrheit der Bürger getragen –führen zu deutlich besserer Akzeptanz auch einschneidender Maßnah-men.Es spricht nichts dagegen, Bürger durch Mehrheitsabstimmungen anProjekten zu beteiligen, die in ihrer Sache umstritten sind. Aktiv inte-ressierte Bürger stärker in Entscheidungsprozesse einzubinden, auchunliebsame Mehrheitsmeinungen zu akzeptieren ist – wie auch im Falleder Bürgerbeteiligung zu sehen – ein besseres Signal für alle Bürgerdafür, dass Ihre Meinung gefragt ist.

Antragsbereich So

Antrag 3Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandMecklenburg Vorpommern

Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan

Wir fordern den SPD-Bundesvorstand und die SPD-Bundestagsfrak-tion auf, bei ihren Entscheidungen die Meinung der Parteibasis und derBevölkerungsmehrheit stärker als bisher einzubeziehen.

.Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

Überweisung an:

SPD-Parteivorstand

Zukunftswerkstatt Demokratie und Freiheit

Erledigt bei Annahme von So 5

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– Weitere Truppenaufstockungen sowie die Ausweitung des militäri-schen Handlungsspielraums sind abzulehnen.

– Eine Abzugsstrategie ist für einen überschaubaren Zeitraum festzule-gen.

– Die finanziellen Aufwendungen sind vom militärischen Einsatz aufden zivilen Aufbau umzuleiten.

Begründung:Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan findet nicht die Unterstüt-zung der Bevölkerungsmehrheit. Das muss in den Entscheidungen desBundestages zum Ausdruck kommen. Auch der angekündigte Strate-giewechsel der Bundesregierung macht die dadurch erhofften Erfolgenicht wahrscheinlicher. Die Strategie wird auch weiterhin durch dieUSA dominiert. Deutschlands Rolle sollte darin bestehen, indem es dienoch in der afghanischen Bevölkerung vorhandene Vertrauensbasisnutzt, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern und eine in-nere Versöhnung im Lande zu unterstützen

Antragsbereich So

Antrag 4

Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – Bezirk Hessen-Süd

Bundeswehr in Afghanistan

Statt Aufstockung der deutschen Soldaten: Schneller Rückzug der Bun-deswehr aus Afghanistan.

Stopp dem Krieg in Afghanistan

Begründung:Alle Versuche der schwarz-gelben Bundesregierung zum Trotz, denBundeswehreinsatz in Afghanistan als nicht-internationalen bewaffne-ten Konflikt herunter zu spielen – Es wird Krieg in Afghanistan ge-führt.Die Bilanz der neun Jahre militärischen Besatzung Afghanistans habenkeine Stabilisierung der Region gebracht – im Gegenteil, die Anschlägeauf die Bundeswehr nehmen zu. 35 deutsche Soldaten haben in Afgha-nistan ihr Leben lassen müssen. Unzählige Afghanen sind umgekom-men.Der nicht aufgeklärte, von der Bundeswehr befehligte Bombenangriffauf die beiden Tanklastzüge und die „Aufständigen“ am 04.09.2009 amFluss Kundus hat gezeigt, dass Deutschland – entgegen dem Parla-mentsauftrag an die Bundeswehr, in Afghanistan Aufbauhilfe zu leisten– immer weiter in den Krieg hineingezogen wird. Anfangs hatten diedeutschen Soldaten das Renommee der Helfer, heute sind sie fremdeBesatzungstruppen.Der Angriff auf die „Aufständigen“ widerspricht Artikel 26 des Grund-gesetzes, der den Angriffskrieg verbietet. Für diesen (Kriegs-) Fall aber,ist die Kanzlerin zuständig – sie müsste zurücktreten! Ex-Minister Jungwar ein Bauernopfer, um Merkel im Wahlkampf zu retten.Afghanistan ist das ärmste Land außerhalb Afrikas. Das afghanischeVolk braucht die internationale Unterstützung beim Wiederaufbau. DieAnwesenheit der Besatzungstruppen aber gefährdet die Entwicklungs-hilfe. Abgesehen davon verschlingen die Militärausgaben 80 % derMittel. Von den auf der Afghanistan-Konferenz 2001 zugesagten Mittelhat die Bundesregierung knapp die Hälfte zur Verfügung gestellt.Die notwendige Unterstützung beim Wiederaufbau würde auch demmilitanten Teil der Taliban ihre Attraktion in dem armen Land nehmen.Nicht der Abzug der ausländischen Truppen führt den Mittleren Ostenins Chaos, sondern der Militäreinsatz und jetzt noch beabsichtigte ver-stärkte Krieg ist der Grund für das Chaos und verstärkt es noch.In mehreren Ländern wird der Rückzug der Truppen gefordert. US La-bour against War, die 50 % der organisierten Gewerkschaftsmitgliederin den USA repräsentiert, hat sich an Präsident Obama gewandt undfordert die Einhaltung des Wählerauftrag, das Töten von US-Soldatenund Afghanis zu beenden.

Annahme

Weiterleitung an:

SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Parteivorstand

7 SPD_Antrag_2010 sonstigeAnträge.pdf_Layout 1 29.03.10 08:42 Seite 123

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AnträgeEmpfehlungen

derAntragskommission

Antragsbereich So

Antrag 5Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen – LandesverbandRheinland-Pfalz

Verbot der NPD

Die NPD ist mitsamt ihren Gliederungen, Unter-, und Nebenorganisa-tionen zu verbieten.

Begründung:

Die NPD, 1964 gegründet, ist eine Nachfolgepartei der faschistischenNSDAP. So rühmte sich das ehemalige NSDAP Mitglied, verantwort-lich für etliche Todesurteile im Faschismus und nach 1945 in die NPDeingetreten, noch 1977, er würde diese Todesurteile heute wieder unterdiesen Umständen beantragen. (Vergl. Klein, Stefan in Benz (Hrsg.):Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, S. 110)In der Partei sind gewaltbereite Skinheads ebenso zu finden, wie ältereAnhänger einer faschistischen Ideologie. Eine der Forderungen derNPD ist die „Wiederherstellung des deutschen Reiches“. Da das Ver-botsverfahren im Jahre 2000, ist aus verfahrensrechtlichen Gründennicht weiter betrieben worden ist, wäre ein neuer Verbotsantrag gebo-ten. Die NPD ist aufgrund ihrer rassistischen, fremden- und demokra-tiefeindlichen Positionen auch gegen die Arbeitnehmer und ihre Inte-ressenvertretungen gerichtet. Der Schwur von Buchenwald ist auch im21. Jahrhundert ein Vermächtnis für alle Demokraten: „Die Vernich-tung des Nazismus mit seinen Wurzeln (…). Der Aufbau einer neuenWelt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Ein Verbot würdezudem Städte und Gemeinden entlasten, die keine NPD Kundgebungenund Aufmärsche genehmigen wollen.

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Annahme

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SPD-Bundestagsfraktion

SPD-Parteivorstand

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