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Afghanistan Spielball der Supermächte

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Afghanistan Spielball der Supermächte

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Im 19. Jahrhundert war Afghanistan eine britische Kolonie, die sich erst 1919 (nach Ende des Ersten Weltkrieges) ihre Unabhängigkeit erkämpft hat. Der Preis war die Abtretung großer Gebie-te an Großbritannien, die dem späteren Nachbarland Pakistan zugeschlagen wurden. Afghanistan wurde eine konstitutionelle Monarchie, d.h. ein König, der an eine Verfassung gebunden war, stand an der Spitze des Staates.

Chronik Afghanistans

Da politische Parteien illegal waren, weil der König das Parteiengesetz nicht anerkannte, radikali-sierten sich die bestehenden Parteien: In kommunistische und islamistische Bewegungen. Viele Historiker sehen hier den Ursprung für die folgenden Kriege in Afghanistan. 1973 wurde der letzte König gestürzt und fünf Jahre später putschte sich die kommunistische Demokratische Volkspartei Afghanistans (DVPA) an die Macht. Die DVPA baute eine Schreckens-herrschaft auf und provozierte somit im ganzen Land Rebellionen und Aufstände in der Bevölker-ung. Auch innerhalb der Partei gab es Machtkämpfe und die Sowjetunion als wichtigster Bünd-nispartner betrachtete mit Sorge den sich anbahnenden Zusammenbruch des Regimes in der Hauptstadt Kabul. Um den eigenen Einfluss in Afghanistan zu sichern, besetzte die Sowjetunion Ende 1979 das Land. In den kommenden Jahren wurde Afghanistan zum wichtigsten Schlachtfeld des Kalten Krieges.

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Die sowjetischen Truppen trafen auf hartnäckigen Widerstand in der Bevölkerung. Moskau etablierte ein Marionettenregime, das zunächst von Babrak Karmal (1980-1986) und anschlie-ßend von Mohammad Najibullah (1986-1992) geführt wurde. Der Islam avancierte zum ideologi-schen Gegenpol des Kommunismus, was sich in der Ausrufung des Dschihad gegen die gottlosen Kommunisten und in der Bezeichnung der Widerstandskämpfer als Mudschahidin äußerte.

Der sowjetische Staatschef Leonid Breschnew mit Babrak Karmal

Mohammad Najibullah

Lexikon der Begriffe

Regime: einem bestimmten politi-schen System entsprechende, von ihm geprägte Regierung

Ideologie: Weltanschauung, Gesinnung, Überzeugung

Dschihad: „Heiliger Krieg“; Kampf der Muslime zur Verteidigung und Verbrei-tung des Islams

Mudschahidin: Glaubenskämpfer im „Heiligen Krieg“

Taliban (Plural von „Talib“): Koranschü-ler, ein nach Wissen Strebender. Viele Taliban-Kämpfer wurden in pakistani- schen Flüchtlingslagern geboren und in Koranschulen erzogen. Hier erhiel-ten sie auch ihre militärische Ausbil-dung. Nach Afghanistan zurückge-kehrt, versuchten sie die in den Religi-onsschulen gelernten Ideale einer isla-mischen Gesellschaft durchzusetzen.

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Die Mudschahidin widersetzten sich fanatisch den sowjetischen Besatzern. Der Krieg wütete ver- heerend in der Bevölkerung: Über eine Million Menschen fand den Tod und Millionen Afghanen flohen in den Iran und nach Pakistan. Die USA protestierten gegen den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan und verhängten ein Wei-zenembargo (staatliches Ausfuhrverbot für Weizen) gegen die Sowjetunion. Auch boykottierten sie die Olympischen Spiele 1980 in Moskau. Gleichzeitig unterstützten die USA jedoch mit ver-deckten Waffenlieferungen den afghanischen Widerstand. Auch Großbritannien und China liefer-ten über Pakistan Waffen für die Freiheitskämpfer.

Der palästinensische Theologe Abdallah Azzam warb seit Anfang der 1980er Jahre von Pakistan aus um finanzielle und personelle Unterstützung für den Kampf der Mudschahidin gegen die sowjetische Besetzung Afghanistans und lieferte auch eine ideologische Fundierung für den Dschihad in Afghanistan. Zusammen mit Osama Bin Laden eröffnete Abdallah Azzam 1984 in der pakistanischen Stadt Peschawar ein Dienstleistungsbüro, um die aus den verschiedenen arabi-schen Ländern kommenden jungen Männer aufnehmen, betreuen und organisieren zu können, die nach Afghanistan in den Dschihad gehen wollten. Unterstützung erhielten die beiden vom amerikanischen Auslandsnachrichtendienst CIA im Rahmen der Operation Cyclone und aus mit den USA befreundeten islamischen Ländern, insbesondere durch den pakistanischen Nachrich-tendienst ISI.

Hintergrundinfo

Abdallah Azzam und Osama Bin Laden. Azzam gilt als Mentor (= Förderer; Lehrer) Bin Ladens.

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Als die Sowjets erkannten, dass sie den Guerillakrieg nicht gewinnen konnten, zogen sie 1989 ihre Truppen aus Afghanistan ab. Die Frage, wer nach dem sowjetischen Abzug regieren sollte, wurde nicht beantwortet. Nach dem vollständigen Abzug der sowjetischen Truppen im Februar 1989 versank das Land im Chaos des Bürgerkriegs. Im April 1992 eroberten die Mudschahidin die Hauptstadt Kabul. Unter den Gruppen des ehemaligen afghanischen Widerstands gegen die UdSSR kam es jedoch im An-schluss zu heftigen Auseinandersetzungen. Im Herbst 1994 trat eine zweite Kämpfer-Generation auf den Plan: die Taliban. Von der Bevölker- ung wurden sie zunächst als Befreier von den chaotischen Verhältnissen unter den Mudschahidin begrüßt. Schnell stellte sich aber heraus, dass die Taliban radikalislamische Traditionen wieder-aufleben lassen wollten. Dazu gehörten drakonische Strafen bei Diebstahl und Ehebruch und die diskriminierende Behandlung von Frauen. Seit 1996 brachten die Taliban etwa 90 bis 95 Prozent des Landes unter ihre Kontrolle. Um den Vormarsch der Taliban zu stoppen, schlossen sich die ehemals rivalisierenden Gruppierungen der Mudschahidin zu einem Zweckbündnis, der sog. „Nordallianz“, zusammen. Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 änderte sich die Situation im Inneren Afgha-nistans entscheidend. Mit Unterstützung durch amerikanische Luftangriffe gelang es den Mud-schahidin, die Taliban zu vertreiben. Seitdem versucht eine durch internationale Friedenstruppen unterstützte Übergangsregierung die untereinander zerstrittenen Gruppen zu befrieden und den politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes in Gang zu bringen.

UN-Schutztruppen (ISAF) in der afghanischen Hauptstadt Kabul,

2002.

International Security Assistance Force Die Internationale Sicherheitsunterstützungs-truppe war eine Sicherheits- und Wiederaufbau-mission unter NATO-Führung im Rahmen des Krieges in Afghanistan von 2001 bis 2014.

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Der islamische fundamentalismus

Der Islam ist die vorherrschende Religion in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens. Radikale Gläubige, man nennt sie auch Fundamentalisten, fordern die Rückkehr zu den Werten des Korans und lehnen westliche Lebensformen ab. Solche Gruppierungen sind die Hisbollah im Libanon, die Hamas im Gazastreifen und al-Qaida in einigen arabischen Ländern. Es zählen auch die in jüngster Vergangenheit entstandenen Netzwerke „IS“ (Islamischer Staat) oder die Boko Haram in Nigeria dazu. Der islamische Fundamentalismus sieht in den USA und im westlichen Kulturkreis einen aggressi-ven Feind des Islams, seiner moralischen Werte und kulturellen Errungenschaften. Im Kampf ge-gen diesen Feind rufen islamische Fundamentalisten auch immer wieder zu terroristischen Aktivi-täten auf, die aus ihrer Sicht als „Heiliger Krieg“ gegen die „Feinde Allahs“ gerechtfertigt sind. Oft verüben Selbstmordattentäter Anschläge im Namen des Islam und sterben somit als Märtyrer. Sie glauben, dass der Weg ins Paradies über die Leichen der Feinde führt – und über die eigene.

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Lexikon der Begriffe

Fundamentalismus: geistige Haltung, die durch kompromissloses Festhalten an (ideologischen, religiösen) Grundsätzen gekennzeichnet ist (und das politische Handeln bestimmt)

Der 11. september 2001

Am 11. September 2001 erreichte der islamisch motivierte Terrorismus eine bis zu diesem Zeitpunkt nicht für möglich gehaltene Dimension. Innerhalb einer Stunde steuerten Selbstmordattentäter zwei von ihnen gekidnappte Passagierflugzeuge in die 110 Stockwerke hohen Türme des World Trade Centers in New York, die vollständig zusammenbra-chen und Tausende Menschen unter sich begruben. Fast zeitgleich wurde ein weiteres Passagierflugzeug in das Pentagon-Gebäude des US-Verteidigungs-ministeriums in Washington gesteuert. Eine vierte Maschine erreichte dank des beherzten Widerstands der Passagiere ihr Anschlagsziel, das Weiße Haus in Washington, nicht mehr und stürzte ab. Insgesamt rissen die Terroristen bei diesen Anschlägen etwa 3200 Menschen aus 162 Nationen mit sich in den Tod.

Märtyrer: jemand, der sich für seine Überzeugung opfert oder Verfolgun-gen auf sich nimmt

Islamismus: dem islamischen Funda-mentalismus zugrunde liegende Ideo-logie

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Der weltweite Schock über die Terroranschläge vom 11. September 2001 saß tief. Die USA führten schon bald darauf einen militärischen Gegenschlag gegen die in Afghanistan vermuteten Hinter-männer – als Drahtzieher war der ehemals von der CIA unterstützte Osama Bin Laden im Ge-spräch. Bin Laden hatte bis zum 11. September bereits mehrere Terroranschläge in Verbindung mit al-Qaida auf seinem Konto:

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Von den meisten Staaten des ehemaligen Westens und Ostens unterstützt, vertiefte diese Ver-geltungspolitik in Form eines Krieges in Afghanistan (und später im Irak 2003) aber die Kluft zwi-schen der islamischen und der westlichen Welt. Die weltpolitischen Konsequenzen sind noch nicht ganz abzusehen, doch scheinen für das 21. Jahrhundert bereits neue Fronten zwischen den fundamental-islamischen Staaten des Nahen und Fernen Ostens und dem Rest der Welt gezogen zu werden.

Nüchterne Analysen und die Suche nach tieferen Ursachen des Terroranschlags vom 11. Septem-ber 2001 führen jedoch zur Erkenntnis, dass die Weltreligion Islam nicht mit den Formen und Strömungen des „Islamismus“ gleichgesetzt werden darf. Dieser wird als Teil eines religiösen Fundamentalismus gesehen, der die Einstellung eines Gläubigen beschreibt, für den die Religion als etwas Absolutes existiert. Religiöser Fundamentalismus kommt in allen Weltreligionen vor und ist meist verbunden mit einer weltablehnenden Haltung, die sich z.B. in „Weltflucht“ oder „Weltbeherrschung“ äußern kann.

Hintergrundinfos zu Osama Bin Laden und zu seinem Tod siehe nächste Seite

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Hintergrund-info

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Afghanistan heute

Seit der Verabschiedung der heute gültigen Verfassung im Jahr 2004 ist Afghanistan eine Islami-sche Republik mit einem präsidialem Regierungssystem. Ein präsidentielles Regierungssystem oder Präsidialsystem, auch Präsidialregime nach US-amerikanischem Vorbild, ist ein Regierungs-system, bei dem ein Präsident (lat. Vorsitzender) die Funktionen des Staatsoberhauptes, des Re-gierungschefs und des militärischen Befehlshabers innehat. Die Verfassung gilt als eine der demokratischsten der islamischen Welt und sieht die Gleichbe-rechtigung der Angehörigen aller Religionen und ethnischen Gruppen sowie der Geschlechter vor.

Politisches System

Von 2004 bis 2014 war Hamid Karzai Präsident Afghanistans. Nach der Präsidentschaftswahl 2014 wurde Aschraf Ghani zum Sieger erklärt und am 29. September 2014 als neues Staatsober-haupt vereidigt.

Sprachen

In Afghanistan werden etwa 49 Sprachen und über 200 verschiedene Dialekte gesprochen. Von diesen wurden 1964 durch die große Ratsversammlung Loja Dschirga Persisch („Dari“) und Paschtu als offizielle Landes- und Regierungssprachen (Amtssprachen) im Rahmen der Bestätigung einer neuen Verfassung festgelegt.

Hamid Karzai, der oft als „Marionette“ der USA angesehen wurde

Aschraf Ghani, derzeitiger Präsident Afghanistans

Religion

Über 99,9 % der Bevölkerung sind Muslime, davon etwa vier Fünftel meist Sunniten und ein Fünf-tel Schiiten. Daneben gibt es noch höchstens 15.000 HIndus, einige wenige hundert Sikhs. Über die Zahl der Christen ist wenig bekannt.

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Ethnien

Die Bevölkerung des Landes fühlt sich einer Vielzahl ethnischer Gruppen und Stämme zugehörig, wobei sich aus historischen Gründen die Paschtunen häufig als staatstragendes Volk ansehen. Oftmals leben mehrere Volksgruppen gemischt innerhalb von Siedlungsgebieten, deren Einwoh-nerzahlen nur geschätzt werden konnten. Die Kategorisierung in ethnische Gruppen ist zudem nicht eindeutig, da sich Selbstidentifikation und Fremdzuschreibung häufig unterscheiden.