Agamben, Das unsagbare Mädchen

65
Giorgio Agamben I Monica Ferrando Das unsagbare Mädchen Mythos und Mysterium der Kore Aus dem Italienischen von MichaelHack Mit Iustrati onen von Monica Ferrando S. Fischer

description

Giorgio Agamben, Das unsagbare Mädchen. Mythos und Mysterium der Kore, übers. v. Michael Hack (Frankfurt: Fischer, 2012).

Transcript of Agamben, Das unsagbare Mädchen

  • Giorgio Agamben I Monica Ferrando

    Das unsagbare Mdchen

    Mythos und Mysterium der Kore

    Aus dem Italienischen von Michael Hack

    Mit Illustrationen von Monica Ferrando

    S. Fischer

  • MIX PPMw U$ veta.ntwor b.LngSYOifa!'l Oueltn

    FSCO C083411

    Die italienische Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel La ragazza indicibile. Mito e misterio di Kore im Verlag Mondadori Eieeta Mondadori Eieeta S. p.A., Milano Fr die deutsche Ausgabe: S. Fiseber Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012 Typographie und Satz S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main Druck und Bindung CPI - Clausen & Bosse, Leck Prioted in Germany ISBN 978-3-10-000532-8

    Inhalt

    1. Das unsagbare Mdchen, von Giorgio Agamben

    2. Kore. Antike {)yellen, herausgegeben von Monica Ferrando

  • 1. Das unsagbare Mdchen

    Giorgio Agamhen

    Ein Lexikograph aus dem Alexandria des $.Jahrhunderts, Hesychius, der uns ein Versfragment des Euripides berliefert, erklrt, dass es sich bei dem unsagbaren Mdchen (arrhetos kore), das darin erscheint, um Persephone handelt. Persephone ist also, gleichsam als Umschreibung, das Mdchen (im Phaidon , 2306, werden die kleinen Puppen, die man in der Nhe eines Tempels in die Zweige hngte, korai genannt), und das Mdchen ist in sich unsagbar.

    Im Jahre 1941 verffentlichen Karl Kerenyi und Carl Gustav Jung in Amsterdam den Bmd Einfohrung in das Wesen der Mythologie. Es gengt, einen Blick in das Inhaltsverzeichnis zu werfen, um festzustellen, dass der Gegenstand des Buches nicht im Geringsten dem Titel entspricht. Es handelt sich im Wesentlichen u m zwei Aufstze Kerenyis ber die mythologischen Figuren Das gttliche Kind und Das gttliche Mdchen, verkrpert von Kore, die von zwei umfangreichen Kommentaren Jungs ber die ent-

    7

  • sprechenden psychologischen Archetypen ergnzt werden (Zur Psychologie des Kind-Archetyps, Zum psychologischen Aspekt der Korefigu?).

    Als die erste und die zweite Auflage des Buches erschienen, war Holland von den Nationalsozialisten besetzt, und die Autoren weisen im kurzen Vorwort zu ihrer zehn Jahre spter, nach Kriegsende in der Schweiz erfolgten Neuausgabe darauf hin, dass das Buch in Holland whrend des Weltkriegs ohne Datum und ohne das W issen der Besatzungsbehrden verffentlicht worden war. Es ist also mglich, dass der seris und wissenschaftlich anmutende Titel ein Vorwand war, um der Aufmerksamkeit der nationalsozialistischen Zensur zu entgehen.

    Da die Autoren selbst sich nicht in besetzten Lndern aufhielten und politisch nicht verdchtig waren, darf man davon ausgehen, dass in ihren Augen das Thema des Buches selbst der wissenschaftlichen Einkleidung bedurfte. Im Mittelpunkt der Aufstze Jungs und Kerenyis steht die Figur des Urkinds,t sowohl in ihrem mnnlichen wie in ihrem weiblichen Aspekt - vor allem aber in ihrer androgynen Unbestimmtheit. In diesem Sinne betrachtet Kerenyis Studie ber das Urkind arn Schluss die Figur des hermaphroditischen Dionysos und endet mit dem Satz: Denn das war unser Gegenstand: das Ur-Unentschiedene, das Urkind.2 Jung verweilt in seinem Kommentar lange beim Hermaphroditismus des Kindes und betont die V italitt des Archetyps der conjunctio des Mnnlichen und Weiblichen, wenn er schreibt: Das Symbol, in seiner funktionalen Bedeutung, weist nicht mehr zurck, sondern

    8

    vorwrts zu einem noch nicht erreichten Ziel. [ ... ] der Hermaphroditismus [ist] allmhlich zu einem konfliktberwindenden Heilbringer geworden3 (dass den Zensoren dieses Symbol, dem nationalsozialistischen Mann zur Seite gestellt, nicht unbedingt gefallen htte, ist daher sehr wahrscheinlich).

    Die Unbestimmtheit, die der Kore, dem gttlichen Mdchen, eignet, ist noch beunruhigender, denn sie neigt dazu, den Unterschied zwischen den zwei wesentlichen Figuren der Weiblichkeit in Frage zu stellen und aufzuheben: der Frau (die Mutter) und dem Mdchen (die Jungfrau). Wobei jungfrulich, so przisiert Kerenyi, hier nicht im anthropomorphischen Sinne zu verstehen ist. Das Urelement, um das es sich bei der Kore handelt, erscheint eher hetrenhaft als jungfrulich.4 Kerenyi zitiert im Folgenden eine Inschrift aus Delos, in der die eleusinischen Gottheiten, Demeter (die Frau) und Kore (die Tochter), paradoxerweise miteinander identifiziert werden: kai kores/ kai gynaikos, Mdchen und Frau zugleich. Erstaunlicherweise aber interpretiert er diese bereinstimmung dahingehend, dass der Mensch zwar sterben msse, aber in seinen Nachkommen weiterlebe.5 Die Unentschiedenheit von Frau und Mdchen wird auf diese Weise banalisiert und bedeutet nur mehr, >>wie es Prof. Jung fate: die Wiederkehr, die Apokatastasis der Ahnenleben, so erleben, da diese vermittels der Brcke des gegenwrtigen Einzelmenschen sich in die zuknftigen Generationen verlngern.6

    Dabei ist die Verwandlung der Figur des Kindes in ein verbotenes und daher hervorgehobenes Sexualobjekt, die

    9

  • seinerzeit die Nationalsozialisten und heute, unbewussterweise, die Moralisten und besorgten Gesetzgeber beunruhigt, ganz bestimmt nicht der Rckkehr des Ahnenlebens und noch weniger dem berleben des Menschen in seiner Nachkommenschaft zuzuschreiben; beunruhigend ist vielmehr, wie die Unbestimmtheit des Urkinds auf den Mann und diejenige der Kore-Demeter auf die Frau wirkt. Schon Clemens von Alexandria emprte sich angesichts der eleusinischen Demeter: Ich wei nicht, wie ich sie fortan nennen soll, Mutter oder Gattin (metros e gynaihos)F Kai horeslkai gynaikos: zwischen Tochter und Mutter, Jungfrau und Frau, lsst das unsagbare Mdchen eine dritte Figur erscheinen, die all das in Frage stellt, was wir durch jene von der Weiblichkeit und, noch allgemeiner, vom Unterschied zwischen Mann und Frau zu wissen glauben.

    Das griechische Wort kmi (mnnlich koros) bezieht sich nicht auf ein bestimmtes Lebensalter. Es leitet sich von einer Wurzel ab, die die Lebenskraft bezeichnet, den Antrieb, der wchst und der die Tiere und die Pflanzen wachsen lsst (koros bedeutet auch Sprling). Eine ko?'e kann daher auch alt sein, wie die Graien - graiai, mit weien Haaren, und dinaiai korai, greise Jungfrauen, genannt. Und korai heien bei Aischylos die Erinnyen, die furchterlichen Blutsrcherinnen, die greisen Mdchen mit den weien Haaren (graiai palaiai paides: Eum., vv. 68-69). Es ist sehr bezeichnend, dass die unstillbare Wut und Rache, deren sich der tragische Held der Eumeniden erwehren muss, und die Athena und Apollo mit allen Mitteln zu bndigen suchen, von Mdchen verkrpert wird.

    10

    Eines dieser ,.alten Mdchen (ein gutwilliges, dieses Mal) ist Iambe, die im Mythos der Persephone - der Kore, des Mdchens par excellence - auftaucht. Kore ist das Leben, insofern es sich nicht sagen, also am Alter, an geschlechtlichen ldentitten und familiren oder sozialen Masken festmachen lsst.

    II

    Das eleusische Mysterium war, so schreibt Rohde, eine dramatische Handlung, oder gcnauer gesagt ein religiser Pantornismus, begleitet von heiligen Gesngen und formelhaften Sprchen, eine Darstellung[ ... ] der heiligen Geschichte vom Raub der Kore, den Irren der Demeter, der Wiedervereinigung der Gttinnen.8 Drama mystikon, Mysteriendrama nennt es Clemens von Alexandria.9

    Myein, einweihen, steht etymologisch fur Schlieen - die Augen, vor allem aber den Mund. Am Anfang der heiligen Riten befahl der Herold die Stille (epitattei tin sipen).

    Giorgio Colli stellt sich in seiner Ausgabe der Eleusi11ia10 die Frage, welchen Sinn das Schweigegebot an die Eingeweihten haben konnte, wenn die Teilnahme an den eleusinischen Mysterien doch der ganzen Bevlkerung Athens offenstand. Im Gegensatz zu den bekannten etlen, dk davon berichten, dass alle (sogar die Sklaven), die kein Blutdelikt begangen hatten, Zugang zu den Mysterien hatten, geht er davon aus, dass die Familien der Euroalpiden und der Keryken, denen die Durchfuhrung oblag, eine

    11

  • strenge Auswahl vornahmen, zumindest fr die Teilnahme an den sogenannten groen Mysterien, die zur epopteia fuhrten, zum Erschauen.

    Mglicherweise aber ging es gar nicht darum, die NichtEingeweihten im Dunkeln zu belassen, mglicherweise betraf das Schweigen vor allem die Eingeweihten selbst. Sie hatten Zugang zur Erfahrug einer Nicht-Erkenntnis

    - oder genauer gesagt, einer nichtdiskursiven Erkenntnis -und sollten das, was sie gesehen und durchlebt hatten, nicht in Worte fassen.

    Der Kirchenvater Hippolyt von Rom, der selbst eingeweiht war oder von mehr oder weniger glaubwrdigen Informanten erfahren hatte, dass der Hierophant in Eleusis den Mysten eine aufgerichtete hre zeigte und dabei die Formel hye, kye aussprach (>>regne, >>mache fruchtbar), schreibt voll Hohn: >>Das sollen die geheimen Mysterien der Athener sein!11 Damit aber zeigte er, dass er jeglichen Zugang zur Bedeutung des heidnischen Unsagbaren verloren hatte. In den Mysterien lernte der antike Mensch nicht etwas - eine geheime Lehre -, ber das er fortan zu schweigen hatte, sondern machte freudig die Erfahrung eben jenes Versturomens (mega gar ti then sebas ischanei auden, >>groe Ehrfurcht vor den Gttern lsst die Stimme verstummen Hymn. Cer. V. 479.), dass also dem Menschen das unsagbare Mdchen, eine glcklich und unberschreitbar in-fantile Existenz zugnglich war.

    Aus diesem Grund War es nicht mglich, das Mysterium zu verraten, denn es gab tatschlich nichts, was man htte verraten knnen.

    12

    Es verwundert daher nicht, dass der griechische Ausdruck fur das Mysterium kundtunsie HUschen, sie schlecht nacliahmen. Darber hinaus sagt der Hymnus an Demeter von den orgia kala, dass es nicht mglich ist, sie zu erforschen (pythestai) oder zu >>Verknden (acheein) [Hymn. Cer. V. 478-479].

    Aristoteles vergleicht, in seinen verlorenen esoterischen Dialogen, zwei Mal die philosophische Erkenntnis (die theria) mit dem mystischen Erschauen. Das erste Mal, im Eudemos, schreibt er: >>diejenigen, die direkt die reine Wahrheit berhrt haben (thigontes hapls), behaupten, den letzten Begriff der Philosophie (telos echein philosophias) erlangt zu haben, wie in einer Weihe (hoion en teletei). (Aristoteles, Eudemos, fr. 10 Ross = Plutarchus, De Iside et Osiride, 382 d-eu) In seiner vollen Prgnanz aber kommt das Argument in der Schrift De philosophia zum Ausdruck. Hier betont Aristoteles, dass diejenigen, die die Weihen empfangen, nicht etwas lernen mssen (mathein ti), sondern etwas durchleben und in einen bestimmten Zustand versetzt werden (pathein kai diatethenai), natrlich wenn sie dazu bereit geworden sind (genomenous epitedeious) (Aristoteles, De philosophia, fr. 15 Ross = Michael Psellus, Scholia ad]ohannem Climacum, 6, 171.). Ein weiterer Abschnitt unterscheidet, >>was Gegenstand der Lehre (to didaktikon) und was Gegenstand der Weihe (to telestikon) ist. Das erste kommt zum Menschen durch das Gehr, das zweite kommt, wenn der Verstand selbst eine Erleuchtung erfahrt (autou pathontos tou nou ten ellampsin)

  • Fragment berliefert hat- wurde von Aristoteles als mysteris (mysterides) und den eleusinischen Weihen hnlich bezeichnet, denn derjenige, der eingeweiht wurde, empfing keine Lehre (ou didaskomenos), sondern ein Erlebnis, eine Einprgung (typoumenos) (ebd.).

    Es ist angebracht, die lectio facilior, nach der Aristoteles hier die theria in mystischen Nebel einhllt, durch eine sorgfaltige Analyse der beiden Fragmente zu ersetzen, nicht nur, um zu verstehen, wie er die hchste philosophische Erkenntnis fasste, sondern auch, um aus ihr einige ntzliche Einsichten in das Wesen der Mysterienweihe zu erhalten. Die Terminologie des Fragments 15 ist genuin aristotelisch. Die Paarung patbein-diatetbenai (entgegen der Meinung von Wilamowitz [Der Glaube der Hellenen, Bd. 2, S. 281], der diatethenai fr nicht-aristotelisch hlt) findet sich in einer hnlichen Weise in De anima (414all: en ti paschanti kai diatithemeni). Die direkte Abfolge der Begriffe diathesis, hexis und pathos im Begriffsverzeichnis im Buch Delta der Metaphysik besttigt diese Nhe. Die Anordnung (diathesis) wird hier als eine Form von habitus (hexis) definiert, wonach etwas gut oder schlecht disponiert ist, sowohl in Bezug auf sich, als auch auf anderes.

    Betrachtet man die zentrale Rolle, die die Begriffe pathos und bexis in der Erkenntnistheorie in De anima spielen, so erhellt sich dadurch das Verstndnis des Fragments weiter. Aristoteles unterscheidet zwei Bedeutungen des Wortes paschein13 Im ersten Falle, desjenigen, der noch lernt (dia mathises), bedeutet Erleiden Vernichtung durch das Entgegengesetzte, im zweiten Falle, desjenigen, der schon den Habitus eines Wissens hat, heit Erleiden

    14

    die Erhaltung (steria) des der Mglichkeit nach Bestehenden durch das, was der vollendeten W irklichkeit nach da ist und ihm hnlich ist. In diesem Fall wird derjenige, der ein W issen hat, Betrachtender (theroun), und das ist keine Vernderung, denn es gibt einen Zuwachs (epidosis, vermehrende Gabe) zu sich selbst und zur vollendeten Wirklichkeit. (417b2-7)

    Diese beiden Zugangsmglichkeiten zur Verwirklichung der tberia entsprechen genau den beiden Arten der Erkenntnis aus dem Fragment 15: die Lehre (didaktik.on) und die Weihe (telestikon). In einer Passage, die eine Anspielung auf De pbilosopbia zu sein scheint, bekrftigt Aristoteles das selbst vorbehaltlos: Die Hinleitung aus dem Zustande der Mglichkeit zu dem der W irklichkeit ist im Falle des Denkenden und Begreifenden nicht Belehrung (didaskalia), sondern sie trgt mit Recht eine andere Bezeichnung (beteran eponymian). (417b9-11) Diese andere Bezeichnung nun wird im esoterischen Dialog aus dem Wortschatz der Mysterien gewonnen: to telestikon, die Weihe.

    Was der Teilnehmer der Weihe in Eleusis erfuhr, war, nach dem Zeugnis von Aristoteles, keine irrationale Ekstase, sondern ein Erschauen hnlich der theria, der hchsten Erkenntnis des Ph ilosophen. In beiden Fllen war es entscheidend, dass es sich nicht mehr um ein Lernen handelte, sondern um ein Sich-Geben-zu-sich-selbst und ein Sich-Erfllen des Gedankens (Themistios glossiert den aristotelischen Begriff epidosis mit teleisis, Vollendung, demjenigen Begriff, mit dem die Christen spter die Taufweihe bezeichneten). Genau diese Erfiillung des Gedan-

    15

  • kens drckt Aristoteles an zwei entscheidenden Stellen der Metaphysik (1051 b24, fr die Erkenntnis des Einfachen, und 1072b21 fur den Verstand, der sich selbst denkt) mit dem gleichen Wort, berhren (thigein), aus, mit dem im oben angefhrten Fragment aus dem Eudemos die Erfahrung der Mysten umschrieben wird.

    Die erste dieser beiden Passagen ermglicht uns ein genaueres Verstndnis der Unsagbarkeit, um die es in den Mysterien ging. Sie bestand ebenso wenig aus einem Verbot der Weitergabe einer geheimen Lehre wie aus einer absoluten Unmglichkeit zu sprechen. Die christlichen Informanten haben uns die rituellen Formeln berliefert, die vom Mysten ausgesprochen wurden: ich habe gefastet, ich habe den Kykeon getrunken, ich habe aus der Kiste genommen, nachdem ich meine Aufgabe erfllt hatte, legte ich es in den Korb und aus dem Korb in die Kiste.14 Die Formeln des Hierophanten (regne

  • selbst diese Weihe und der Gedanke und von daher unsagbar ist-, darin besteht das Mysterium.

    111

    Das Resultat der Weihen wird von den ltesten Qyellen mit sehr allgemeinen Worten ausgedrckt: Glck und gute Hoffnungen. Selig (olbios), wer solches geschaut von den erdenbewohnenden Menschen (Hymn. Cer. 479); gesegnet ist, wer solche Dinge gesehen hat, bevor er unter die Erde geht [ ... ] er kennt die Vollendung des Lebens und den Beginn eines neuen, von Zeus gegeben (Pindar, Fr. 137); drei Mal gesegnet (trisolbioi) sind die Sterblichen, die in den Hades gehen, nachdem sie diese Mysterien geschaut haben; nur ihnen steht das Leben zu, den anderen wird es schlecht ergehen (Soph., Fr. 837). 0/bios bedeutet glcklich, glckselig, gesegnet, in jeglichem Sinne, auch in den allerprofansten (eis olbeian balle, werde glcklich!, heit ironisch gewendet Geh' ins Verderben!). Von Sen Hoffnungen sprechen Aristides und Isokrates (edious echein tas elpidas).

    Dem scheint wenig mehr als ein Wortspiel zugrunde zu liegen: wer in die Mysterien eingeweiht ist (te/ein bedeutet ebenso vollenden, beenden wie einweihen; tele, Mysterien, ist nur der Plural von telos, Ende, Ziel), hat ein vollendetes Leben; wer nicht eingeweiht ist (ateleis, die Unvollendeten), dessen Existenz ist vergeblich und ohne telos. Aus diesem Grund tragen im Fresko des Polygnotos, das die Unterwelt darstellt, die Nichteingeweihten, verkrpert von einem Alten, einem Jungen, einem Mdchen

    26

    und einer Alten, Wasser in zerbrochenen Krgen zu einem Becken, das wiederum Lcher hat.

    In diesem Zusammenhang erweist sich die Respekdosigkeit des Diogenes wieder einmal als lehrreich. Den Athenern, die ihm vorsc hlugen, er solle sich einweihen lassen (myethenai), weil den Eingeweihten im Hades eine privilegierte Stellung (proedrias, wrtlich Pltze in der ersten Reihe) zuldime, antwortete er: Das wre doch lcherlich, wenn ein Agesilaos und Epameinondas sich im Pfuhle herumtreiben, dagegen nichtige Gesellen, nur weil sie die Weihe empfingen, auf den Inseln der Seligen wohnen sollen! (Diogenes Laertius, 6, 3916)

    Der eleusinische Mythos der Demeter enthlt zweifellos komische Elemente. Whrend die Gttin, voll Schmerz um den Verlust Persephones, herumirrt, begegnet sie einer Frau namens Baubo, ihrem Ehemann Dysaules und deren Kindern Triptolemos, Eumolpos und Eubuleus. Baubo heit die Gttin feierlich willkommen und bietet ihr den Kykeon an, ein Gerstengetrnk. Die untrstliche Demeter lehnt ab. Daraufbin setzt sich Baubo mit obszn gespreizten Beinen ihr gegenber hin und zeigt ihr Geschlecht, auf dem das Gesicht des Kindes Iakchos erscheint. Die Gttin bricht in Lachen aus und nimmt das Getrnk an.

    Kerenyi erinnert, dass Iakchos, das heilige Kind von Eleusis, ein anderer Name fur Dionysos ist, und bemerkt: Es wre auch nicht leicht, genauer zu beschreiben, was Demeter im entblten Scho der Baubo erblickte. Damit wird bereits des Unaussprechliche der Mysterien ge-

    27

  • streift.Ich habe gefastet, ich habe den Kykeon getrunken. Der bswilligen Unterstellung von Clemens zum Trotz, demzufolge in den Mysterien auseiner Vergewaltigung eine Tragdie gemacht>viele Possen machen, stnde euphemistisch fur eine Art obsznen Tanz, vergleichbar mit der Geste Baubos).

    Demeter, die jede Hoffnung verloren hat, durchluft also unabweisbar eine Art komische Weihe, sieht etwas, das ilu Freude und Hoffnung zurckgibt. Die Passage des Mysterienschauspiels, aus der die Eingeweihten zufrieden und mit seren Hoffnungen hervorgingen, reproduziert also in gewissem Sinne die Weihe Demeters, in der Baubo (die Mutter des Eumolpos) und lambe (die dem Haus des Keleos angehrte, dessen Nachkommenschaft, gemeinsam mit derjenigen von Eumolpos, spter die Pflege des eleusinischen Ritus oblag) als Hierophanten und Narren fungieren.

    28

    IV

    Im Jahre 1921 verffentlicht Odo Casel, ein weitgehend unbekannter Mnch des Benediktinerklosters Maria Laach im Rheinland, den Aufsatz Die Liturgie als Mysterienfeier, eine Art Manifest dessen, was spter unter dem Namen >>Liturgische Bewegung einen groen Einfluss in der katholischen Kirche ausben sollte. Casel geht davon aus, dass man das Wesen der christlichen Liturgie nur erfassen kann, wenn man versteht, dass sie im Kern keine Lehre, sondern ein Mysterium ist und als solches eine genetische Verbindung mit den heidnischen, eleusinischen, orphischen und hermetischen Mysterien unterhlt. Schon in seiner Dissertationsschrift, die 1918 unter dem Titel De philosophorum greacorum si!entio mystico verffentlicht wurde, hatte der junge Mnch gezeigt, dass die heidnischen Mysterien keine geheime Lehre enthielten, die man in Worten htte aussprechen knnen, nicht aber enthllen drfen. Ursprnglich steht Mysterium einfach fur eine Praxis, fiir Gesten, Taten und Worte, durch die eine gttliche Handlung zur Errettung der Menschen in der Zeit und in der Welt wirkmchtig ''vurde.

    Im gleichen Sinne ist auch die christliche Liturgie ein mystisches Fest, in der das Erlsungswerk Christi in der und durch die Kirche gegenwrtig wird. Fr Casel ist der Ausdruck Mysteriengegenwart eine Tautologie, denn die Gegenwart gehrt zum Wesenskern des liturgischen Mysteriums. Was in den Mysterien prsent ist, ist nicht so sehr Christus als historisches Individuum, sondern vielmehr seine >>Heilstat, die sich unweigerlich im Sakrament

    29

  • erfiillt. Die eigentliche Kraft der katholischen Liturgie, schreibt Casel, liege darin, objektives, wirklichkeitserfulltes Mysterium der Heilstat Christi zu sein.19

    Das Wirklichkeitserfullte, von dem Casel spricht, hat die theologische Tradition in der Lehre von der Wirksamkeit ex opere operato der liturgischen Handlung beschrieben. Ihr zufolge tritt die erlsende Wirkung des Sakraments auch dann ein, wenn, als Beispiel, der Priester es einer Frau mit dem Hintergedanken erteilt, sie zu missbrauchen, wenn er betrunken ist oder von sndigen Gedanken abgelenkt wird, denn sie hngt nicht vom Durchfuhrenden ab, sondern von Christus (das heit von seiner mystischen Gegenwart). Die Wirksamkeit der christlichen Mysterien ist in jedem Fall und in jeder mglichen Situation garantiert, denn sie ist nicht das Werk der Menschen, sondern von Gott.

    Nichts ist weiter von dieser irreduziblen Wirksamkeit der Liturgie entfernt als das heidnische Mysterium. Wenn Lucius am Ende des Goldenen Esels seine Einweihung in die Mysterien der lsis beschreibt, definiert er die dort gefundene Erlsung als prekr, durch Gnade gewhrt (ad instar voluntariae mortis et precariae salutis)20 Es gibt hier keine Gewissheit, aber ein zgerliches Voranschreiten im Dunkel oder Halbdunkel, auf einem Pfad, der zwischen Gttern der Ober- und der Unterwelt gespannt ist. Diese erscheinen vor allem im Traum, und die Erlsung, die sie verschaffen, ist wesentlich prekr, denn sie geschieht in einem Bereich der Unklarheit und Unentschiedenheit zwischen dem Hohen und dem Tiefen, dem Licht und dem Schatten, dem Schlafen und dem Wachen.

    30

    Precarius heit im Lateinischen das, was man mittels einer prex erhlt, einem mndlichen Ersuchen, das unterschieden ist von der quaestio, einer Frage, die mit allen Mitteln das zu bekommen strebt, wonach sie sucht (daher wird der Begriffquaestio schlielich die Folter bezeichnen, mit der man immer das erhlt, was man will).

    Das christliche Mysterium ist auf diese Weise stets wirksam, der heidnische Eingeweihte aber bewegt sich in einer prekren - nchtlichen und abenteuerlichen -Dimension.

    Der Roman des Apuleius ist das einzige antike Dokument, das uns eine ausfuhrliehe Beschreibung der Mysterienweihe gibt. Da sie aber Teil eines Romans war, haben die Gelehrten sie nicht immer angemessen bercksichtigt. Nun besteht aber, so hat es Gianni Carchia21 sehr richtig dargelegt, nicht nur eine wesentliche Verbindung zwischen Roman und Mysterien, sondern es ist die Form des Romans selbst, die uns zuallererst ein Verstndnis vom Sinn der Mysterien ermglicht. Denn im Roman wird das Menschliche und Irdische zum vielleicht ersten Mal, und sei es auch nur als Parodie, zum Vehikel eines gttlichen Geschehens, so dass der Furcht und den Vorbehalten, den Hoffnungen und Abschweifungen des Initiationswegs Punkt fur Punkt die Abenteuer und Irrungen des Protagonisten entsprechen. Das Netz von Ereignissen und Situationen, Beziehungen unq Umstnden, die der Roman um seine Figur spannt, ist in seiner Gesamtheit das, was sein Leben als Mysterium ausmacht, das es nicht zu erklren, sondern wie in einer Weihe zu erschauen gilt. Und wenn es uns heute an irgendeinem Ort gegeben ist, ein Echo der

    31

  • antiken Mysterien aufzuspren, dann in der mhevollen Entfaltung eines Lebens in der Romanform und nicht im wirksamen Glanz der Liturgie. Der Roman konfrontiert uns mit einem mysterion, sei es nun Lucius im Goldenen Esel oder Isabel Areher im Bildnis einer Dame von Henry James, dessen Weihe und zugleich einziger Inhalt das Leben selbst ist.

    V

    Das, was die Mysten in der eleusinischen Nacht taten, wird stets mit dem Wort schauen ausgedrckt (oppen: Hymn. Cer., V. 480; idon: Pind. Fr. 136; derchthentes: Soph. Fr. 837), und das Wort Erschauen (epopteia) bezeichnet den hchsten Grad der Einweihung. Epoptes, Eingeweihter heit auch Zuschauer, und die :Mysterien, die die Mysten betrachteten, waren eine Art >>tableau vivant

  • schauung und Gedanke zusammenfallen. Form und Inhalt stimmen nicht deswegen berein, weil der Inhalt jetzt vllig ohne Schleier erscheint, sondern weil sie, wie im Lateinischen concidere ausgedrckt, ganz wrtlich >>zusammen fallen, sich vermindern und zum Schweigen bringen. Das, was wir nun betrachten, ist eine reine Erscheinung. Das unsagbare Mdchen zeigt sich.

    Aus diesem Grund knnen wir die Erkenntnis, die in diesen Bildern stattfindet, nicht in einer Rede ausdrcken; wir knnen sie, hchstens, durch einen Titel benennen.

    Wenn es stimmt, dass die Allegorien der Renaissance dem Denken einen in jedem Sinne angemesseneren Ausdruck verschaffen als viele philosophische Abhandlungen der gleichen Zeit, dann wird dadurch nicht nur der Malerei wieder der Platz zugewiesen, der ihr gebhrt, sondern auch das Wesen des Denkens selbst erhellt. Vielleicht knnen uns die Bilder von Botticelli und Tizian, weit davon entfernt, auf die Erklrung durch die Schriften von Ficino oder Pico angewiesen zu sein, beim Verstndnis der Gedanken helfen, die jene Abhandlungen nicht angemessen ausdrcken konnten. Wie Ken!nyi schrieb: >>Botticellis Gemlde (Die Geburt der Venus) enthlt mindestens ebensoviel lebendige Mythologie wie der homerische Hymnus.23

    VVind hat gezeigt, dass die Tradition der heidnischen Mysterien, ber Proklos und Plotin, einen entscheidenden Einfluss auf die wichtigsten Vertreter des deutschen Idealismus ausgebt hat, im besonderen auf die Art, wie Hegd

    34

    und Schelling die Dialektik und den Vorgang des Denkens nach dem Modell der coincidentia oppositorum verstanden. Schelling - der diesen Prozess mit den Mysterien des Osiris vergleicht, die von der Zerteilung und Neuzusammensetzung eines Gotteskrpers handeln - zitiert (in der bersetzung Jacobis) eine Passage von Bruno, derzufolge das eigentliche und tiefste Geheimni der Kunst2A darin besteht, die uerste Entfernung zweier Gegenstze und, gleichzeitig; den Punkt ihres Zusammenfallens zu denken. Das Dritte, in dem die Gegenstze zusammenfallen, kann diesen nicht gleich sein und bedarf einer anderen Form der Darstellung, in dem die Gegenstze gleichzeitig aufgehoben und erhalten sind. Es gibt einen Inhalt, aber nichts, was ihn beinhaltet; es gibt die Form, aber es ist nicht die Form von etwas, sie stellt nur sich selbst dar.

    Die Idee einer Philosophie nach Bildern, auf die Benjamin gelegentlich anspielt, ist keine Metapher, sondern muss beim Wort genommen werden. Das Denkbild als Allegorie der Renaissance ist ein Mysterium, in dem dasjenige, was nicht diskursiv dargestellt werden kann, fur einen kurzen Moment in den Ruinen der Sprache aufscheint.

    VI

    Im Gedicht Eleusis, das er seinem Freund Hlderlin widmet, spricht der sechsundzwanzigjhrige Hegel, an Ceres (die du in Eleusis throntest) gerichtet, von des unaussprechlichen Gefuhles Tiefe

  • so selbst verbot, wird in den darauffolgenden Versen zur Aufgabe des Philosophen, der das, >>was er in heilger Nacht gesehn, gehrt, gefuhlt, in der Erinnerung bewahrt, damit es nicht zum Spielzeug und zur Ware des Sophisten werde, und dadurch, von jedem Sinn entleert, blo noch als Widerhall von fremden Zungen berlebe.25

    Zehn Jahre spter, am Beginn der Phnomenologie des Geistes, beruft Hegel sich erneut auf das eleusinische Mysterium; dieses Mal jedoch berlsst der Pathos des Unaussprechlichen einer entzauberten und fast schon ironischen Sichtweise das Feld, derzufolge die Tiere, gemeinsam mit den Eingeweihten, an der Weisheit der Mysterien teilhaben: In dieser Rcksicht kann denjenigen, welche jene Wahrheit und Gewiheit der Realitt der sinnlichen Gegenstnde behaupten, gesagt werden, da sie in die unterste Schule der Weisheit, nmlich in die alten Eleusinischen Mysterien der Ceres und des Bacchus zurckzuweisen sind und das Geheimnis des Essens des Brotes und des Trinkens des Weines zu erlernen haben; denn der in diese Geheimnisse Eingeweihte gelangt nicht nur zum Zweifel an dem Sein der sinnlichen Dinge, sondern zur Verzweiflung an ihm und vollbringt in Hmen teils selbst ihre Nichtigkeit, teils sieht er sie vollbringen. Auch die Tiere sind nicht von dieser Weisheit ausgeschlossen, sondern erweisen sich vielmehr, als am tiefsten in sie eingeweiht zu sein; denn sie bleiben nicht vor den sinnlichen Dingen als an sich seienden stehen, sondern verzweifelnd an dieser Realitt und in der vlligen Gewiheit ihrer Nichtigkeit langen sie ohne weiteres zu und zehren sie auf; und die ganze Natur feiert wie sie diese offenbaren Mysterien, welche es lehren, was die Wahrheit der sinnlichen Dinge ist.26

    36

    Fruchtbar ist die Einsicht Collis, dass der Kult der Demeter etwas mit der engen religisen Beziehung zwischen der heiligen und der tierischen Sphre27 zu tun hat. Die Figur der Demeter, die in Eleusis als'potnia, Herrin, angerufen wurde, verweist demzufolge auf den arkadischen Kult der Gttin Herrin der Tiere. Die Ursache der Unsagbarkeit wre also in einer bestimmten Beschaffenheit des zugrundeliegenden Kultes zu suchen, der die in verschiedenen Gestalten stattfindende Paarung des Gottes mit dem Tier28 behandelt: der Stier mit Pasiphae auf Kreta, Poseidon - in der Form eines Pferdes -: mit Demeter in Arkadien; Zeus, der sich in Form einer Schlange zuerst mit Rhea und dann mit Persephone paart, die aus der vorigen Vereinigung hervorgegangen war. Weiter noch: Wenn man von der Identitt von Dionysos und Minotaurus ausgeht, ist es angebracht zu sagen, dass die Tochter der arkadischen Paarung, Despoina-Kore, nachdem sie sich in der eleusinischen Paarung mit Zeus in Schlangenform vereint hatte, das gleiche Kind zur Welt bringen wird, das schon aus der ursprnglichen kretischen Paarung in der rohen Form des Gott-Tiers geboren wurde, nmlich Dionysos, den Gott >der vielen Namen

  • Tier heit im Griechischen schlicht >>Lebendes (zion), und fr einen Griechen ist der Gott zweifellos ein Lebendes (wenn seine ze auch ariste kai aidios ist, vollkommen und ewig). Im Sein treten beide >>Tiere, also Lebende, der Mensch und der Gott, in Verbindung. Daher nimmt der Gott, wenn er sich sexuell mit den Menschen verbindet, eine tierische Form an.

    Xenok.rates zufolge, lautete eines der drei Gesetze, die Triptolemos in Eleusis bermittelt hatte: tue den Tieren nichts Schlechtes (zia mi sinesthai). Rohde geht fehl, wenn er bemerkt, es ist unvorstellbar, dass man den Eingeweihten in Eleusis, nach dem orphischen Vorbild, eine bestndige Enthaltsamkeit von jeglicher Fleischnahrung auferlegt htte . . . Es ist darberhinaus mglich, dass die Regel (die tatschlich nicht klar von der Ttung von Tieren spricht) einen anderen Sinn hatte und dem Bauern empfehlen wollte ... seine Tiere sorgsam zu behandeln.31

    Die Regel muss in Zusammenhang mit einem anderen von Xenokrates erwhnten Gesetz des Triptolemos gebracht werden, das dazu rt, die Gtter mit den Frchten der Erde zu ehren (theous karpois agallein). Die konomie des Verhltnisses des Menschen mit dem Heiligen wurde in Griechenland durch das Tieropfer geregelt. Der Mensch ist ein Lebendes, das andere Lebende ttet, um sein Verhltnis zum Gott zu bestimmen. In Eleusis finden whrend der Weihen keine Opfer statt (agallein gehrt nicht zum Wortschatz des Opferns und bedeutet >>ich schmcke, ich spende Freude), denn sie handeln eben von der Schwelle, die das Tier vom Menschen (und dem

    38

    Gott), wie den Menschen (und Gott) von seiner Animalitt trennt - und ebenso eint. Das unsagbare Mdchen ist diese Schwelle. So, wie sie die scharfe Trennlinie zwischen Frau und Mdchen,Jungfrau \ind Mutter verwischt und unklar werden lsst, so auch die zwischen dem Tierischen und dem Menschlichen, dem Menschlichen und dem Gttlichen.

    In den orphischen Q1lellen ist Kore keroessa, mit Hrnern bestckt (Hymn. Orph. , 29, 11). Und Zeus, in der Form einer Schlange, vergewaltigt sie (biasamenos k.ai tauten en drakontos schimati).

    Den Griechen war das Tierische und das Heilige zugnglich, nicht aber das Menschliche als eigenstndige Sphre. Christus hat uns vom Tier ebenso wie vom Gott getrennt und zum Menschlichen verdammt.

    In den Mysterien erfuhren die Griechen die Extreme der condition humaine, die fr sie ohne diese Bezugspunkte nicht denkbar war: den Gott und das Tier. Das Lebende, das sich im Gttlichen verloren hatte, fand sich im Tierischen wieder. Das ist auch die Bedeutung des Labyrinths, in dessen Mittelpunkt der Held einen Menschen mit Stierkopf antrifft, Asterius, den Minotaurus.

    Rohde warnt vor den Interpretationen manche[r) neuere[r] Mythelogen und Religionshistoriker, denen zufolge die eleusinischen Mysterien eine Inszenierung der won ihnen entdeckte[n] griechische[n] >Naturreligion< [seien] [ . . . ] Demeter sei die Erde, Kora-Persephone, ihre

    39

  • Tochter, das Saatkorn; Raub und Wiederkehr der Kore bedeute die Versenkung des Samenkorns in die Erde und das Aufkeimen der Saat aus der Tiefe, oder, in weiterer Fassung, >den jhrlichen Untergang und die Erneuerung der Vegetation< [ . . . ], ein Vorbild des Schicksals der mensch-lichen Seele [ .. . ], die ebenfalls .verschwinde, um wieder aufzuleben.32 Diese Interpretation ist so hartnckig, dass sie, nachdem Frazer sie im Goldenen Zweig aufgegriffen hatte, in noch raffinierterer Form auch bei Kerenyi auftaucht, der im Bezug auf Kore von einem Abgrund des Kerns
  • Endnoten

    1 Im Original deutsch. 2 Kerenyi, Karl und Jung, Carl Gustav, Einfohrung in das Wesen

    der Mythologie, Arnstcrdam-Leipzig 1942 (3. Auflage, Zrich 1951), S. 104.

    3 Ebd., S. 138. 4 Ebd., S. 215. 5 Ebd., S. 255. 6 Ebd. 7 Clemens von Alexandria, 7he Exhortation to the Greeks (Mahn

    rede an die Heiden), ed. G.W. Butterworth, >The Loeb Classical Library, Cambridge-London 1948, S. 34.

    8 Rohde, Erwin, Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Gl'iechen, Freiburg i. B. und Leipzig 1894, S. 266.

    9 Clemens, loc. cit. S. 30. 10 Colli, Giorgio, La sapienza greca, Vol. 1, Mailand 1977. 11 Hippolytus von Rom, Widerlegung aller Hresien (Refotatio om

    nium haeresium), V, 7, 34. 12 Die Nummerierung bezieht sich auf die Ausgabe der Oxford

    Classical Texts: Aristote/is Fragmenta Se/ecta, ed. W.D. Ross. [A. d. .]

    13 Paschein wird hier, der Tradition gem, mit Erleiden bersetzt. Das ist aUerdings nicht im emotionalen Sinne zu verstehen, sondern bezeichnet vor allem die Passivitt dessen, auf den etwas wirkt. Es besteht also auch eine Verwandtschaft zum Erfahren. Der entsprechende italienische Begriff patire wird daher an anderer Stelle, wenn von der Erfahrung der Mysten die Rede ist, auch mit durchleben wiedergegeben. [A. d. .]

    14 Vgl. Clemens, Mahnrede an die Heiden (Protrepticus), II, 21, 2. [A. d. .]

    15 Hippolyt von Rom, Widerlegung aller Hresien (Rejutatio omnium haeresimn), V, 8, 4D.

    16 Aus Lebm und Meinungen berhmter Philosophen, hier Meiner, Hamburg. [A. d. .]

    42

    17 Kerenyi, Kar!, Die Mythologie der Griechen, Rhein-Verlag, Zrich 1951, S. 237.

    18 Clemens, op. cit., S. 36. 19 Casel, Odo, Mysteriengegenwart, in: Zeitungfo Liturgiewissen-

    schaft, Bd. 8, 1928, S. 200. 20 Apuleius, Lurim oder Der Goldene Esel, 11, 21. 21 Carchia, Gianni, Dall'apparenza al mistero, Mailand 1983. 22 Wind, Edgar, Pagan Mysteries in the Renaissance, Harmonds

    worth 1967,S. 15 f. 23 Kerenyi, Einfohrung, S. 152. 24 Schelling, Friedrich, Bruno, oder ber das gttliche u1td natiir

    liche Prinzip der Dinge, in Werke, Bd. 2, Leipzig 1907, S. 533. [A. d. .]

    25 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Frhe Schriften, in: Werke in zwanzig Bnden, auf der Grundlage der Werke von 1832-1845 neu edierte Ausgabe von Eva Moldenhauer und Markus Michel, Bd. 1, Frankfurt 1986, S. 231-233.

    26 I-legel, Phnomenologie des Geistes, in: T#rke, op. cit., Bd. 3, S. 91. 27 Colli, op. cit., S. 382. 28 Loc. cit., S. 383. 29 Ebd. 30 Loc. cit., S. 15. 31 Rohde, op. cit., S. 302. 32 Ebd., S. 267 f. 33 Aristoteles, De philosophia, fr. 14 Ross = Plutarchus, De Tran

    quillitate animi, 477 c.

    43

  • 2. Kore. Antike Qyellen Herausgegeben von Monica Ferrando

    Du machest michs gedenk, in welchen tnzen Proserpina sich schwang, da ihr entrcket die mut ter ward, und sie verlor den lenzen! Dante, Die Gttliche Komdie, Purgatorium XXVIII, 49-51 (tra.d. Rudo!f Borchardt)

  • Hinweis

    Die hier versammelten Qyellen sind im Wesentlichen griechisch; von den lateinischen Quellen wurden diejenigen ausgewhlt, die zustzliche Elemente oder Varianten enthalten. Die italienischen bersetzungen der Originalausgabe stammen von Monica Ferrando, mit Ausnahme derjenigen des Homerischen Hymnus in Cererem, die von Filippo Cassola, derjenigen des Cratylus, die von Emidio Martin, und derjenigen von De raptu proserpinae, die von Franeo Serpa stammt.

    Der erste Band von Giorgio Collis La Sapienza Greca war ftir die Arbeit an der Zusammenstellung eine unersetzliche Referenz.

    Die Qyellen sind nach Themen angeordnet und folgen nur innerhalb jedes einzelnen Themas einer chronologischen Ordnung.

    Der deutsche Text orientiert sich, wo vorhanden, an den gngigen bersetzungen, die jeweils vermerkt sind. Sie "''urden den Auslegungen Monica Ferrandos angepasst.

    60

    Proserpina, Persephone, Pherrephafta, Pherepapha, Kore: Das unsagbare Mdchen

    Euripides, Fr. 63 (Nauck) (Hesychtus 1, 289: he persephone) das unsagbare Mdchen

    arretos kore

    Euripides;Helena 1036-7 von der verschollenen I unsagbares Mdchen

    tas apoichomanas / arretou kouras

    Carcinos, in Diodoros, V 5, 1 das unsagbare Mdchen der Demeter

    Demetros arreton koren

    Platon, Kratylos 404 Was aber Pherrephatta (Pherrephatta) anlangt, so haben viele auch vor diesem Namen Furcht, ebenso vor dem Apollon (Apollo), offenbar aus Unkenntnis der richtigen Deutung der Namen. Denn sie denken an den durch Vernderung entstandenen Namen Persephone (Phersephone), die berbringerin des Todes, und es berkommt sie ein Grauen. Tatschlich aber weist der Name auf ihre Weisheit hin. Denn weil die Dinge (pheromenai), also >>in Bewegung sind, so ist die Fahigkeit Sie anzufassen (ephaptomenon) und >>Zu befhlen (epaphon) und ihnen nachzugehen nichts anderes als Weisheit. Im Hinblick aufihre Weisheit und die Befhlung des in Bewegung Befindlichen (dia ten epaphen tou pheromenou) wrde Pherepapha der richtige Name der Gttin sein oder eine hnliche

    61

  • Bezeichnung. So kommt es denn, dass Hades, der Weise, mit ihr in Gemeinschaft lebt, eben wegen der Gleichartigkeit. Jetzt aber verdreht man ihren Namen, indem man mehr Gewicht legt auf die flssige Aussprache als auf die Wahrheit, und so nennt man sie denn Pherrephatta

    Porphyrius, De abstinentia IV, 16 Die meisten Theologen sagen, dass der Name Pherrephatta (Pherrcphattes) sich von Ernhrerin der Tauben herleitet, denn die Taube ist heilig. Deswegen widmen (consacrano) die Priesterinnen der Maia sie ihr. Maia ist darber hinaus identisch mit Persephone, denn man sagt, dass Maia fur Ernhrerin steht. Sie ist in der Tat eine chronische Gttin und identisch mit Demeter. Und dieser opfern sie den Hahn

    Hades

    Platon, Kratylos 403 SoKRATES Was aber den Namen Pluton (Ploutonos) an

    langt, so stammt er her von seiner Beziehung auf die Spendung des Reichtums (tou pioutou dosin), denn der Reichtum kommt aus derTiefe der Erde empor. Was aber den Hades (Haides) anlangt, so sind die meisten der Ansicht, mit diesem Namen werde das Unsichtbare (to aeides) bezeichnet, und aus Furcht vor diesem Namen nennen sie ihn (lieber) Pluton.

    HERMOGENES Und wie denkst du darber, Sokrates? So Mir will es scheinen, als bewegten sich die Menschen

    hinsichtlich der Macht dieses Gottes in mancherlei Irrtum und als furchteten sie ihn ohne Grund. Denn

    62

    weil, wer von uns einmal gestorben ist, fur immer in diesem Jenseits ist, so sind sie voll Angst vor ihm, und weil die Seele, des Leibes ledig, zu ihm enteilt, so wird auch dies ein Grund zur Angst. Mir aber scheint alles, die Herrschermacht des Gottes ebenso wje sein Name, gcnau auf dieses nmliche Ziel hinauszuweisen.

    HE Nun, inwiefern denn? So Ich will dir meine Ansicht mitteilen. Sage mir denn:

    was von beiden ist fur jedes Geschpf ein strkeres Band, irgendwo zu verweilen, der Zwang oder das eigene Begehren (der eigene Wunsch)?

    HE Ungleich mehr, mein Sokrates, der eigene Wunsch. So Wrden sich nun nicht viele dem Hades durch

    Flucht entziehen, wenn er die dahin Versammel-ten nicht durch das strkste Band fesselte? Meinst du nicht?

    HE Offenbar. So Also durch ihren eigenen Wunsch bindet er sie, wie

    es scheint, wenn anders er sie mit dem strksten Band fesselt, nicht aber durch Zwang.

    HE Offenbar. So Gibt es nun der Wnsche nicht mancherlei? HE Ja. So Mit der strksten aller Begierden fesselt er sie also,

    wenn anders er sie mit dem wirksamsten Bande festhalten will.

    HE Ja. So Gibt es nun einen hheren Wunsch, als wenn einer

    im stndigen Zusammensein mit einem anderen durch diesen eine sittliche Besserung fur sich erhofft?

    HE Ganz undenkbar, beim Zeus! mein Sokrates.

    63

  • So Darum als - so drfen wir sagen - mein Hermogenes, will keiner der dortigen hierher zurckkehren, selbst die Sirenen nicht (oude autas tas Seirenas), sondern wie alle anderen sind auch sie von einem Zauber berckt. So fesselnde Reden, scheint es, wei Hades ihnen vorzutragen; kurz, der Gott ist, nach unserer Darstellung wenigsten, ein vollendeter Sophist und groer Wohltter der Seinigen, wie er denn auch den hiesigen Menschen so groe Gter aus der Tiefe spendet. Viele sind die, die er dort bei sich hat, wovon er denn den Namen Pluton erhielt (kai ton Ploutona apo touto esche to onoma). Und dass er anderseits das Zusammensein mit den Menschen meidet, solange sie noch ihren Leib haben, vielmehr erst dann mit ih-nen zusammen sein will, wenn die Seele frei ist von allen krperlichen beln und Begierden, scheint dir das nicht ein Zeugnis zu sein, dass er ein wirklicher Philosoph ist, der wohl bedacht hat, dass er durch dieses Mittel sie festhalten knne, durch diese Fesse die in dem Wunsche nach Tugend liegt, whrend diejenigen, die noch im Banne der krperlichen Leidenschaft und Raserei stehen, selbst K.ronos, sein Vater, nicht festhalten knnte mit den ihm eigenen Fesseln, die ihm die Sage beilegt?

    HE Das scheint mir aller Beachtung wert, mein Sokrates. So Und was den Namen Hades (Haides) anlangt, mein

    Hermogenes, so geht man vllig fehl, wenn man ihn auf das Unsichtbare (aeidous) zurckfuhrt, vielmehr ist es das Wissen alles Schnen (alla polu mallon apo tou panta ta kala eidenai), wovon Hades (Haides) durch den Gesetzgeber seine Benennung erhielt

    64

    Demeter

    Horn er, Hymnus in Cererem 1-2, nach Anton Weiher Preisen werd ich Demeter Schnhaar, sie, die erhabne Gttin selbst (Demeter eukomon semnen theon archom' aeidein) I und die Tochter mit hohen Kncheln (auten ede thugatra tanisphyron)

    Platon, Kra'tylos 403 Sokrates: Demeter (Demetra) hat, wie es scheint, ihren Namen empfangen im Hinblick auf die Gabe dr Nahrung, die sie wie eine l\1utter austeilt (didousa os meter Demeter keklesthai)

    Papyrus Berollnensis 44, saec II a. Chr. n. (F 49 K) (F. Bcheler, W. Schubart, H. Diels, Paraphrase eines Gedichtes ber den Raub der Persephone, in Berliner Klassikertexte V, I, Berlln 1905) Die Gttin Demeter I . . . von Demeter I . . . Feind von dieser

    Nach Orpheus berlieferung ist sie die Schwester von Zeus,/ anderen zufolge dagegen die Mutter; keine von diesen/wird von den Frommen erinnert / [ . . . ] /Ich bin Demeter, die die Jahreszeiten bringt, die glnzende I Gaben verteilt. Welcher Gott des Himmels oder welcher Sterbliche I raubte Persephone und betrog ihr gutes Herz? (legbei gar: eimi de Demeter orephotos aglaodoros; this theos uranios ee thneton anthroponl erpase Phersephonen kaiheon philon epaphe thymon?)

    65

  • Apollodor, Bibliotheca I, 5, 1, nach Paul Drger darauf kam sie zu Keleos, dem damaligen Knig der Eleusinier [ . . . ]. Da die Frau des Keleos, Metaneira, ein Shnchen hatte, bernahm Demeter dessen Aufzucht. Weil sie es aber unsterblich machen wollte, legte sie das Kind die Nchte ber ins Feuer und entfernte so sein sterbliches Fleisch. Als aber Demophon (denn diesen Namen hatte der Sohn) von Tag zu Tag unwahrscheinlich stark wuchs, legte sich Metari.eira auf die Lauer, und nachdem sie wahrgenommen hatte, dass er im Feuer verborgen war, schrie sie auf. Deswegen wurde das Kind vom Feuer verzehrt, die Gttin aber zeigte sich offen.

    Fr Triptalernos aber, den lteren der Shne der Metaneira, richtete sie ein Zweigespann von geflgelten Schlangen her und gab ihm den Weizen, mit dem er die ganze bewohnte (Erde), hoch durch den Himmel fahrend, beste. Panyasis aber nennt Triptalernos einen Sohn des Eleusis; denn er behauptet, Demeter sei zu ihm gekommen

    Kore des Kosmos

    Nonnos, Dionysiaca VI, 101-102, nach Thassilo von Scheffer denn ber das Los der Kinder des Mdchens I hlt die Jungfrau Astraia (Parthenos astraie) die hrentragende Hand

    Johannes Stobaios, Eclogae Physicae et Ethicae I, 3-12 Aus dem heiligen Buch des Hermes Trismegistos, von derjenigen, die sie Kore vom Kosmos nennen (epikaloumenes Kore cosmou)

    66

    Mit dem Namen Kore des Kosmos scheint sich die Figur der Kore mit derjenigen der Isis und dem Bild der Pupille zu verbinden, die im Griechischen kore heit (vgl. R. Reitzenstein, Poimandres. Studien zurgriech isch-gyptischen und frhchristlichen Literatur, Stuttgart 1966, S. 145 ff.)

    Herrin der Unterwelt

    Demeter und Kore wurden Herrinnen (Potniai) genannt; das verweist auf den kretischen Ursprung ihres Kultes, der dann nach Arkadien kam, wo die Verehrung dr Despoina verbreitet war, der Tochter von Poseidon und Demeter, die sich in der Gestalt von Pferden vereint hatten. Der Kult der Herrin der Tiere kommt aus Kreta nach Arkadien, wo er zur Potnia 1beron als Attribut der Artemide abgemildert wurde, deren Unnennbarkeit in Arkadien auf diejenige der Kore-Persephone in Eleusis verweist. Das Element, das in diesem Mythos Kreta, Arkadien und Eleusis verbindet, scheint die in verschiedenen Gestalten stattfindende Paarung des Gottes mit dem Tier: Stier-Pasiphae auf Kreta, Poseidon-Demeter in Arkadien, Zeus-Kore in Eleusis

    Pindar, Olympica XIV, 21 zum schwarzwandigen Haus Persephones geh nun, Echo

    melanteichea nun domon Phersephonas elth' Achoi

    Pindar, Fr. 133 Snell, nach Ludwig Wolde Von welchen aber Persephone fr Missetaten von ehemals annimmt die Bue, da gibt sie im neunten Jahr die Seelen zurck dem Licht der Sonne (oisi da Persefona poinan palaiou pentheos dexetai, es ton hyperthen halion keinon enatoi

    67

  • etei andidoi psychas pa/in). Aus ihnen werden erlauchte Knige und Mnner, bebende und stark, und Mchtige durch Weisheit; und heilige Heroen heien fr alle Zeiten sie unter den Menschen

    Lamella Thurs reperta (F47 K), saec. IV-III a. Chr. n. (Archologisches Nationalmuseum, Neapel) Protogonos und Metis. Der Mutter von allem sagte I Kore, aus dem Stamm der Kybele, Tochter der Demetei I [ . . . ] o Zeus . . . o Sonne, Feuer, durch I alle Stdte . . . wirst du gehen . . . Viktoria/Und ebenso Fortuna, kommt, Fanes, Moire, die I ihr Euch alle erinnert . . . du, herrlicher D-mon . . . I und alles kann unterjocht werden, alles I . . . im Ge-genzug zu Erdulden I . . . das Feuer nicht der Luft . . . Mut-ter . . . gehrt Dir [ . . . ] I Sieben Tage habe ich gefastet oder nach dem Tag . . . I Sieben Tage fastet ich, o Zeus I Stets im allessehenden Olymp . . . Mutter, erhre I mein Gebet . . . und dazu meine schne] I . . . Demeter, Zeus das Feuer und die I Unterirdische . . . I an der Brust der Mutter . . . I . . . an der Brust der Mutter

    Euripides, Phoniciae 679 Ich rufe, rufe mit der Stimme des Barbaren I mit Gebeten der Barbaren: I Komm, o komm in dieses Land, I das deine Enkel auch dem Gtterpaar doppelten Namens weihten, Persephone und der geliebten Gttin Demeter (kai dionymoi theai,/Phersephassa kai phila Damater thea), das alles beherrscht, das alles ernhrt - entsende die beiden im Glanz ihrer Fackeln, rette dieses Land; alles wiegt den Gttern leicht

    68

    Sophokles, Oedipus Coloneus 1050 dies ist die Strae, die Hermes und die unterirdische Gttin anzeigen

    Lame/la Thuriis reperta (F32 d-e K), saec. lV-III a. Chr. n. (Archologisches Nationaluseum, Neapel) Ich komme als Reine von den Reinen, o Herrin der Unterwelt,! [Eucles und Eubuleos und ihr anderen unsterblichen Gtter, auch ich zhle mich zu Eurem Stamm; I und ich habe die Strafe fur unrechte Taten gezahlt, I Moira, das Schicksal, strafte mich oder Donner und Blitzschlag.] I Jetzt kommeich bittend zur edlen Persephone,l auf dass sie mich zur Heimstatt der Reinen schicken mge (nun d'hiketis iko par'agnen Phersephoneian).!Ich komme als Reine von den Reinen, o Herrin der Unterwelt,/ Eucles und Eubuleos und ihr anderen unsterblichen Gtter, auch ich zhle mich zu Eurem Stamm; I und ich habe die Strafe fr unrechte Taten gezahlt,/Moira, das Schicksal, strafte mich oder Donner und Blitzschlag .I Jetzt komme ich bittend zu Persephone,/ auf dass sie mich zur Heimstatt der Reinen schicken mge (nun de iketis eko para Phersephoneian).

    Platon, Leges 796 b bei uns Mdchen und Herrin

    e de au par'emin kore kai despoina

    Diodoros, IV, 25, 2-4 (Dindorf-Vogel) nach Otto Veh Da wir Orpheus erwhnt haben, so erscheint es nicht unpassend, in einer Abschweifung kurz von ihm zu berichten [ . . . ]. Er beteiligte sich berdies am Argonautenzug und wagte aus Liebe zu seiner Frau mit unglaublichem Mut

    69

  • den Abstieg in den Hades; dort aber bestrickte er durch seinen lieblichen Sang Persephone und konnte sie bestimmen, seine Wnsche zu untersttzen und ihm zu erlauben, dass er seine tote Frau aus dem Hades herauffiihrte, hierin dem Dionysos sehr hnlich

    Vergil, Georgica IV, 486-487, nach johannes und Maria Gtte auch Eurydike stieg erlst empor zu des Tages I Lften, hinter ihm drein, - so wollte Proserpinas Vorschrift -redditaque Eurydice superas veniebat ad auras I Pone sequensnamque hanc dederat Prompina legem

    Vergil,Aeneis VI, 136-143, nach]ohannes undMaria Gtte an schattigem Baume/birgt sich, golden an Blttern und biegsamem Schafte, ein Zweig, der IJuno des Abgrunds heilig genannt; ihn schtzt und umhllt der I ganze Hain, im dunklen Tal umschlieen ihn Schatten./ Keinem ist aber der Weg zur Erdentiefe gestattet, eh er den goldumlaubten Zweig vom Baum gepflckt hat./Ihn bestimmt Proserpina sich, die schne, zu eigner I Gabe

    Latet mbore opacal Aureus et foliis et Iento vimine ramus, I /uoni infemae dictus sacer: hunc tegit omnis I Lucus et obscuri c/audunt conva/libus umbrae. l Sed non ante datur telluris operta subire I Auricomos quam qui decerpserit arbore fetus.l Hoc sibi Proserpina munus llnstitutit

    Horaz, Satirae II, 5, 109-110, nach Hans Frber Doch meine Knigin Proserpina ruft mich zurck

    sed me I imperiosa trahit Proserpina

    70

    Apollodor, Bibliotheca I, 3, 1, nach Paul Drger Zeus aber heiratet Hera und zeugt als Kinder Hebe, Eileithyia, Ares; er vereinigt sich aber mit vielen sterblichen und unsterblichen Frauen. Mit Themis nun, der Tochter des Uranos, zeugt er als Tchter die Horen: Eirene, Eunomia, Dike; die Moiren: Klotho, Lachesis, Atropos; mit Dione: Aphrodite; mit Eurynome, der Tochter des Okeanos, die Chariten: Aglaia, Euphrosyne, Thaleia; mit Styx: Persephone (eil de Stygos Persefone), mit Mnemosyne die Musen: als erste Kalliope, daraufK.leio, Melpomene, Euterpe, Erato, Terpsichore, Urania, Thaleia, Polhymnia

    Claudian, De raptu proserpinae, I, 3, nach Anne Friedrichs undAnna Katharina Frings von dem dsteren Brautbett der Juno der Unterwelt in khnem Gesang zu knden

    profondaellunon is talamo audaci promere cantu

    Die himmlische Weberin

    Porphyrius, De antro nympharum 14 ( 66, 13-19 N auck) Und fur die Seele ist der Krper, den sie um sich hat, eine Bekleidung . . . so wird auch von Orpheus die Kore . . . als Weberio berliefert, und die Alten sagen, dass auch der Himmel ein Umhang ist, als Bekleidung der himmlischen Gtter

    kai chiton gehe to soma tei psychei ho emphiestai . . . houtou kai para toi 01-phei e Kore . . . istourgousa paradedotai, ton palaion kai ton auranon peplon eirekoton oion theon ouTq,nion periblema

    71

  • Claudian, De raptu proserpinae 246-270, nach Anne Friedrichs undAnna Katharina Frings Proserpina selbst erfullte das Haus mit zartem Gesang und webte vergeblich ein Geschenk fr die Rckkehr der Mutter. Darin kennzeichnete sie die Abfolge der Elemente und ihres Vaters Wohnsitz mit einer Nadel: nach welchem Gesetz Mutter Natur das Ur-Chaos ordnete und die Ursprnge der Dinge ihren je vorgesehenen Platz einnahmen: alles, was leicht war, wurde nach oben gehoben, das Schwerere fiel in die Mitte; der ther erglnzte; Feuer setzte den Himmel in Bewegung; das Meer strmte; die Erde hing schwebend. Auch gab es nicht nur einen Farbton: Sterne lie sie in Gold aufleuchten, Wasser in Purpur flieen. Ksten hob sie mit Edelsteinen hervor, und Fden, welche gleich tuschend echte Wogen formten, schwollen durch ihre Kunstfertigkeit an.

    lpsa domum tenero mulcens Proserpina cantullrrita fexebat rediturae munera matri. I Hic eiementarum seriem sedesque paternas I lnsignibat acu, veterem qua lege tumultuml Discrevit Natura parens et semina iussis I Discessere locis: quid quid leve, Jertur in altum; I In medium graviora cadunt; incanduit aer; I Legit flamma polum; fluxit mare; terra pependit. I Nec color unus erat: stellas accendit in auroiOstro fundit aquas. Attollit litora gemmis I Filaque mentitos iamiam caelantia fluctus I Arte Iumen

    Proklos, In Platonis Timaeum 41 b-c (li I 223, 3-9 Diehl) Und daher sagt Orpheus,dass die Ursache, die die teilbaren Gegenstnde lebendig macht, in der Hhe bleibt und die Ordnung des Himmels webt, es ist eine unberhrte Magd, die in ihrem Hause bleibt, auch wenn sie mit Zeus verhei-

    72

    ratet ist, und wenn sie ihr Haus einmal verlassen hat, weil sie gewaltsam entrissen wird, bleibt das Tuch unvollendet; gewaltsam wird sie entrissen und verheiratet; einmal verheiratet, gebiert sie

    kai dia tauta ara Orpheus ten ton meriston zor;poion aiticm ano menousan kai yphainousan ton diakosmon ton uranion nymphen te heinai phesin os achranton kai tauta toi Dii synaphtheisan kai menein en oikeios ethesi, proelthousan da apo ton heautes oikori atenai te kataleipein tous istous kai armazesthai kai anmpastheisan gameisthai kai gamestheisan ghennan

    Proklos, In P/atonis Timaeum 23 d (I 134, 26-29 Diehl) der Umhang . . . den die Gttin gemeinsam mit dem Vater webte

    o peplos . . . hon e theos yphainei meta tou patros

    Proklos, In Platonis Cratylum 387 e (22, 2-3 Pasquali) da Kore und ihre ganze tanzende Schar in der Hhe bleibt, sagt man, dass sie die kosmische Ordnung des Lebens weben

    kaigar baute kai pas hautes ho choros ano menouses yphainein legontai to diakosmon tes zoes

    Damaskios, De principiis 339 (II 200, 14 Ruelle) wenn man vielleicht, nach Orpheus, von der berkosLnischen Weberei des Umhangs als Werk von Kore ausgeht

    Nonnos, Dionysiaca VI, 128-154 nach 1bassilo von Scheffer Dort, wo hufig der Fluss die Jungfrau Kyane umsplte/Und ihr in quellendem Strudel das Hochzeits-

    73

  • geschenk darbot,/ um sie endlich ohne den Schleier erblicken zu knnen,/ sah die Gttin in der Nhe eine Bucht wie eine Behausung,/ rings im Kranz bedeckt mit einem steinernen Dache,/ wo die Natur ein Tor durch strzende Felsen gemauert/und einen steinernen Webstuhl gefugt in der Obhut der Nymphen./Und die Gttin Demeter, durchwandernd die finstre Behausung,/ .verbarg i n fe lsiger Hhle nun wohlversiegelt die Tochter.! Ihre Drachen lste sie ab vom beflgelten Wagen,/ stellte den einen neben den rechten Absturz der Pforte I und den anderen links an des Tores steinernen Riegel/ heide als Wchter der unschaubaren Persephone./ Kalligeneia lie sie, die kinderliebende Amme,/ dort zurck mit Krben und allem, was weiblichen Wesen I Pallas, die handgeschickte, zum Schwei des Spinnens erteilte./ Mit ihren Sohlen durchschritt sie die Lfte und gab dann in Obhut/ einsamhausender Nymphen der Felsen den bogigen Wagen ./Und das Mdchen bemhte sich um die eisernen, scharfen I Zhne des Striegels und krempelte rings um den Wollkamm die Wolle,/ wickelte sie auf die Spindel, und rasch in drehendem Schwunge/ hpfte diese und rollte und wand sich tanzend in Sprngen,/ kreisend durch die Ziehung der langgesponnenen Fden./ Eilenden Fues lief von Rand zu Rand dje Jungfrau I und begann das Gewebe; den eben befestigten Aufzug I wand um den Webebaum sie und spann sodann mit dem Schiffchen,/ zog den gespulten Faden heraus und rief bei der Arbeit/ Athene, ihre Schwester an, fr die der Stoffbestimmt war

    74

    Anthologhein oder das Blumenpflcken

    Homer, Hymnus in Gererem 5-16 Als sie ihr Spiel trieb mit Okeanos ppigen Tchtern und pflcktel Blumen (anthea ainymenen), Rosen, Krokus und schne Veilchen (hroda kai krokon ed'ia kala) I im weichen Polster der Wiese (feimon am'malachon); und auch Iris und Hyazinthen (kai agallidas ed' hyak.inthon); I und Narzissen, dk die Erde als Falle dem Mdchen mit blumigem Antlitz gestellt hatte (nark.isson th' hon physe dolon kalykopidikoure ); I Gunst doch erwies sie dem Wirt der V ielen, weil Zeus es beschlo ssen; / wunderbar prunkte die leuchtende Blume, dass alle unsterblichen Gtter,/ alle sterblichen Menschen betroffen staunten beim Anblick. I Sprossten doch dort gleich hundert Bltenkpfchen aus einer I Wurzel (tou kai apo rithes hekaton kara exepephykei); lieblichste Dfte erfllten das lachende Weltall,/ droben den breiten Himmel, die Erde, die schwellende Salzflut./ Zauberumsponnen will sie mit beiden Hnden/ das schne Spielzeug raffen (he d' ara thambesas' orexato chersin ham' ampho/ kalon athyrma fabein)

    Papyrus Berolinensis 44, saec I I a. Chr. n. (F 49 K) (F. Bcheler, W. Schubart, H. Diels, Paraphrase eines Gedichtes ber den Raub der Persephone, in Berliner Klassikertexte V, I, Berlin 1905) von diesen Dingen ist keine I fur die Erinnerung der Frommen bestimmt; es beginnt I mit der Tochter von Zeus und Demeter, Persephone,/ die Veilchen zusammenflechtet, in Gegenwart/ der Tochter des Okeanos, deren Namen/ gem der Gedichte des Orpheus lauten

    75

  • (echei gare Dios kai Demetros thugatros archenl Phersephone iaplekouses sumparousonlton Okeanou thugateron): Leukippe (heiter) I Phaino (erleuchtend) und Ianthe (Veilchen des Meers) /Melobosis (musikalische Strophen) und Tyche (schicksalshaft) und Okyrhoe (schnell rennend) mit blumigem Antlitz/ Chryseis (golden) und Ianeira (die heilt) und Akaste und Admete (ungezhmt) I und Rhodope (rosig) und Pluton (Reichtum) und die liebenswerte Kalypso (versteckt) und Styx (Frost) Urania (himmlisch) und Galaxaure ( Quelle des Wassers, das wei ist wie die Milch) I liebenswert /Tochter I der Narzisse, auf die Kore sich begeistert I strzte; und whrend sie diese mit den Hnden ausreien wollte . . .

    [ . . .

    ] im ersehnten Stirnband fugen wir zusammen/ die

    leuchtenden Kelche des Krokus und der Hyazinthe (tattomen erastheni d'en tainiai kroku ed'yakinthu a kalykas euphengeias),l denn neben diese muss man mit den Hnden die verfhrerischcn iBlten der Narzisse einflechten (epen plekteon cheiress' eroenta pros autois narkissu anthen) - die die Erde, so berichtet Polydektes,/ aufVVunsch von Zeus, dem Gnadenspender, aufblhen lie fur das Mdchen mit dem Antlitz einer aufgehenden Blume (ha physe kalykopidi kuren)./Und daraufhin ein ehrwrdiges Wunder, das alle sehen konnten, die unsterblichen Gtter und die sterblichen I Menschen, und aus der Wurzel der Narzisse waren hundert Blumen entsprossen (thaumaston ganoonta, debas tote pasin idesthai athanatois te theosis ede thentoisl anthropois, tu kai apo rizes hekaton kara exepephykei)

    76

    Diodoros, V, 3, 1-4, nach Otto Veh Der Platz, in Stadtnhe gelegen, ist wegen der Veilchen und vielfaltigen anderen Blten bezaubernd schn und einer Gttin wrdig. Den Mythen zUfolge sollen Athene und Artemis, welche die gleiche Jungfrulichkeit wie Kore erbeten hatten _und mit ihr gemeinsam aufwuchsen, im Verein mit der Genannten Blumen gesammelt und daraus fur ihren Vater Zeus ein Gewand gefertigt haben

    Ovid, Metamorphosen V, 391-394, nach Gerbard Fillk ein ewiger Frhling herrscht hier. Whrend in diesem Hain Proserpina spielt und entweder Veilchen oder weie Lilien pflckt, whrend sie in jugendlichem Eifer geflochtene Krbchen und das geschrzte Gewand fullt und ihre Gespielinnen beim Pflcken noch bertreffen mchte

    Perpetuum ver est. Quo dum Proserpina lucoiLudit et aut violas aut candida lilias carpit, I dumque puellari studio calathosque sinumque I impfet et aequales certat superare legendo

    Plutarch, Moralia: Naturales Quaestio1tes XXIII Deswegen geht in Sizilien, so sagen sie, niemand in der Nhe des Etna jagen, denn das ganze Jahr ber wchst und blht eine groe Zahl von Bergveilchen auf den Wiesen, und der Duft, den der Ort stets hat, berlagert die Gerche, die die Tiere ausstoen. Aber es gibt auch die berlieferte Erzhlung, wonach der Etna der Ort war, an dem Kore entfhrt wurde, whrend sie Blumen sammelte (os ten Koren ekeithen anthologosan), und aus diesem Grund ehren und respektieren die Menschen diesen Ort wie eine heilige Sttte und greifen die Tiere, die hier leben, nicht an

    77

  • Scholia in Sophocles Oedipum Coloneum 681 Man sagt nicht, dass die Narzisse eine Krone von Demeter und Kore ist, denn diese sind mit hren gekrnt . . . es ist aber mglich, dass Sophokles gesagt hat, dass die Narzisse eine antike Krone der groen Gttinnen war, also von Kore . . . denn bevor sie von Pluton geraubt wurde, fand sie daran Gefallen, man sagt, sie sei entfuhrt worden, als sie diese Blume pflckte, und aus diesem Grund war diese Blume lange ihr Attribut, so als ob ihr die Blume als Krone gefallen htte, bevor sie entfhrt v.rurde. Man sagt, dass die Gttinnen daraufhin ohne Blumenkronen ausgekommen seien, und auch den Frauen, die die Thesmophorien feiern, ist der Gebrauch von Blumenkronen verboten. Istro sagt, dass Demeters Girlande aus Myrte und Eibe besteht

    Atheneos, Deipnosophistae XII, 553-554, nach Claus Friedrich Klearchos aus Soloi stellt in den Liebesgeschichten (Erotikois) folgende Betrachtung an: Weswegen tragen wir in unseren Hnden Blumen, pfel und Derartiges? Etwa deswegen, weil die Natur durch unsere Wertschtzung dieser Erzeugnisse diejenigen kennzeichnet, die ein Verlangen nach Jugendfrische und Schnheit haben? Ist das also der Grund - wie eine Art Zeichen der Natur - weshalb einige Leute das, was frisch erblht und gereift ist, in den Hnden halten und sich darber freuen? [ . . . ] Denn es ist etwas ganz Natrliches, dass diejenigen, die schn und reif ftir die Liebe zu sein glauben, auch frische Blten sammeln (physikon gar de ti to tous ousmenous einai kalos kai ophairous anthologein).

    So sagt man auch von den Mdchen im Umkreis der

    92

    Persephone, dass sie Blten gesammelt haben, und Sappho erklrt, sie sehe >ein ganz zartes Mdchen Blumen pflcken< ( othen hai peri ten Phersephonen anthologein legontai kai Sappho phesin idein anthe amergousan paid agan hapalan)

    Raub und Abstieg

    Homer, Hymnus in Gererem 2-3 die Tochter mit hohen Kncheln, die Hades I raubte (enAidoneus heraxen) - dem Zeus sie, der weitumblickende Donnerer, schenkte,/ Demeter, die mit dem goldenen Schwert (Demetros chrusarou), mit Frchten Geschmckte (aglaokarpou), ablenkend -/ whrend sie ihr Spiel mit Okeanos ppigen Tchtern trieb (paizousan kouresi syn Okeanos bathykolpois)

    Homer, Hymnus in Gererem 15-39 Zauberumsponnen will sie mit beiden Hnden das schne Spielzeug I raffen: Da barst die von breiten Straen durchzogene Erde/ pltzlich in Nysas Gefild (chane de chthuon euryguia I Nysion am'pedion); hochauf mit unsterblichen Rossen/ strmte der Herrscher, der Wirt der Vielen, der vielfach Benannte,/ Sohn des Kronos. Er raubte das Mdchen trotzJammers und Strubens,/ ftihrte sie weg auf goldenem Gespann. Ihr schrilles Ge kreische I rief den Kroniden, den Hchsten, den Besten, den Vater./ Aber kein Sterblicher hrte es und kein unsterblicher Gott,/ Auch kein lbaum prangend von Frchten. Nur Hekate, Perses' /Tochter, vernahm es in ihrer Grotte, die kindlich Gesirmte,/ zart Umschleierte; auch der strahlende Sohn Hy-

    93

  • perions,/ der heilige Hellos hrte das Mdchen schreien: Kronide,/ Vater! Doch dieser sa weit ab von den Gttern in seinem/Tempel bei betenden Scharen und nahm dort von sterblichen Menschen I schne Opfer entgegen. Doch jene entfhrte, weil Zeus es I so befohlen, trotz allen Strubens, sein leiblicher Bruder I mit den unsterblichen Rossen; er, der groe Gebieter,/ Sohn des Kronos, Wirt der Vielen, der vielfach Benannte./ Whrend ihr Blick die Erde noch traf, den Himmel, die Sterne,/ auch das brandende Meer voller Fische, die strahlende Sonne; I whrend die Gttin noch hoffte, sie werde der treffliehen Mutter,/werde den Scharen der ewigen Gtter wieder begegnen, I lie sie ihr leidendes, groes Gemt von Hoffnung bercken. I Doch die unsterbliche Stimme durchhallte die Gipfel der Berge,/ drang in die Tiefe der See, sie hrt die waltende Mutter

    Hesiod, 1beogonie 912-914 Dann bestieg er der nahrungspendenden Demeter Lager,/ die ihm Persephone gebar, mit den weien Armen (he theke Phersephonen leukolenon);/ Hades raubte der Mutter das Mdchen, was Zeus ihm gewhrte

    MarmQr Pariunt (T221 K), 239 A 14 Jacoby (FgrHist li B 995, 5-8) Zu dieser Zeit offenbarte Orpheus, Sohn von Oiagros und Kalliope, seine eigene Dichtung, vom Raub der Kore und dem Suchen der Demeter und der heiligen Leidenschaft derjenigen, die die Gabe der Saat empfangen hatten (ten eautou poesin exetheke. Kores te arpaghen kai Demetros), im Jahr 1135, als Erechtheus Knig von Athen war

    94

    Papyrus Berolinensis 44, saec li a. Chr. n. (F 49 K) (F. Bcheler, W. Schubart, H. Diels, Paraphrase eines Gedichtes ber den Raub der Persephone, in Berliner Klassikertexte V, I, Berlin 1905) auf die Narzisse, die sie mit Bewunderung erfllt hatte, strzte I sie sich; und sie wollte sie mit den Hnden I ausreien, in diesem Moment, sagt man, dass die Erde/ sich ffnete und aus der Erde kam Hades nach oben I auf den Wagen und' auf die Pferde nahm er I die Kore und fhrte sie weg (narkissu, eph'an e Kore thambesasa epedramen;/kai de tautes tais chersin bulomenes / anaspasasthaj auton, tote leghetai ten gehen/ chanein kai ek ghes ton Aidonea anabanta/ eph'harmatos kai eph' hippon sunarpasanta/ ten Koren apagaghein); I und dass Zeus mit Donner I und Blitz schwarze Pferde kommen lie I die sich wie die Wolken von Artemis anordneten I . . . von Athena . . . von einem Schwein./ Als dies beendet war, wurde als Schiedsrichterirr bestimmt I Dysaules; Kore aber schrie wegen dessen, was vorgefallen war I Und . . . ausgelacht werden von denen, die mit ihr spielten; nachdem I sie den Schrei der Demeter gehrt hatte I zog sie, von Sizilien gekommen, herum,/ als sie in die Nhe der Stadt herabgestiegen war, machte sie sich unsichtbar (e de Kore epiachen epi tei tuchei, / me . . . n . . . nos . . . kai ton sunpaizuson kataghelasteie; epei/ de de ekuses te ghegonuias e Demeter, / ek Sikelias exelthusa eplanato, kata / basa de peri ton polin aphanes ghegonen) auf der Ebene von Nisa, wo der Herr, der viele aufnimmt, mit den unsterblichen Stuten hineilte, I der Sohn von Kronos mit den vielen Namen. I Dann, solange sie noch die Erde und den Himmel/voller Sterne sah, die Gttin, und das starkdurchstmte und von Fischen und Son-

    95

  • neustrahlen bevlkerte Meer, I hoffte sie noch, die geliebte Mutter zu sehen und den Stamm der Gtter,/ der Immerlebenden./Weiter sagte Demeter, als sie I von Hekate befragt wurde . . .

    Ovid, Metamorphoses V, 395-401, nach Fink als Pluton sie sieht, begehrt und entfuhrt er sie fast im selben Augenblick. So rasch ergriff ihn die Leidenschaft. Die Gttin erschrickt und ruft mit klglicher StiiJlfile ihre Mutter und ihre Gefhrtinnen, doch fter die Mutter. Sobald sie aber vom oberen Saum an ihr Gewand zerriss und losLe, entfielen ihr die gesammelten Blumen, und - so schLcht und empfindsam war sie in ihrem jugendlichen Alter - selbst dieser Verlust tat dem Mdchen weh

    paene simul visa est dilectaque I Usque adeo es properatus amor. Dea territa maesto I Et matrem et comites, sed matrem saepius, ore I Clamat, et, ut summa vestem laniarat ab ora, I coniecti jlores tunicis cecidere remiss is; I tantaque simplicitas puerilibus adfuit annis: I haec quoque virgineum movit iactura do/orem

    Pausanias, I, 38, 5, nach ]ohamt Heinrich Christian Schubart Es fliet bei Eleusis ein Strom, der mchtiger ist als der Kephisos, von dem oben die Rede war. Einen Ort in seiner Nhe nennen sie [Eleusinicr und Athener, M. F.] Erineos, und sagen von ihm, Pluton sei dort in die Unterwelt hinabgestiegen, als er das Mdchen geraubt hatte (kai pa'auto kalousin Erineon, legontes ton Ploutona hote herpase ten Koren katabenai taute)

    Im Dialog 7heaitetos 143b verortet Platon die Begegnung von Sokrates und Theaitetos in Erineos. Es ist mg-

    96

    lieh, dass er auf diese Weise das Thema des Dialogs mit der Entfuhrung der Kore in Verbindung bringen wollte. (V gl. Preller, Ludwlg, Griechische Mythologie, Berlin 1894, S. 759)

    Diodor, V, 3, 2-4, nach Otto Veh So fand, wie die Mythen erzhlen, der Raub der Kore auf den Wiesen bei Enna statt. Der Platz, in Stadtnhe gelegen, ist wegen der Veilchen und vielfltigen anderen Blten bezaubernd schn und der Gttinnen wrdig. Ja man erzhlt sich sogar, dass jagdgewohnte Hunde infolge des Duftes der hjer wachsenden Blumen nicht imstande seien, einer Fhrte zu folgen, da ihr natrlicher Geruchssinn gestrt wird. Die erwhnte Wiese ist in ihrer Mitte eben und sehr wohlbewssert, am ueren Rand aber steigt sie hoch an und fllt auf allen Seiten in steilen Klippen ab. Anscheinend liegt sie im Mittelpunkt der ganzen Insel, und so wird sie von einigen auch der Nabel Siziliens genannt. In ihrer Nhe liegen auch heilige Haine und um diese herum feuchte Stellen, dazu kommt eine riesige Hhle mit einem unterirdischen Spalt, der zum Kern der Erde fuhrt und sich gegen Norden zu neigt. Durch diesen soll Pluton, wie uns die Mythen berichten, mit seinem Wagen herangekommen sein, um den Raub der Kore zu vollfuhren (ten arpaghen tes Kares)

    Diodor, V, 4, 1-2, nach Otto Veh eine starke

  • Wagen weggebracht habe, und dass er selbst mit der geraubten Braut in den Hades hinabstieg, nachdem er die Erde wieder verschlossen hatte, so dass dort eine Qyelle namens Kyane hervorsprudelt

    Diodor, V, 5, 1-4, nach Otto Veh Dass der Raub der Kore auf die von uns zuvor geschilderte Art und Weise geschah, haben viele alte Geschichtsschreiber und Dichter besttigt. Der Tragdienschreibe-r Karkinos zum Beispiel, der sich wiederholt in Syrakus aufhielt und Zeuge des Eifers war, den die Einwohner bei den Opfern und festlichen Versammlungen zu Ehren der Demeter und der Kore an den Tag legen, hat in seine Dichtungen folgende Verse aufgenommen: Man sagt, Pluton habe einst Demeters unsagbares Mdchen (Demetros pot'arreto11 koren) durch heimliche Anschlge entfuhrt und sei mit ihr an den dstersten Winkel der Erde hinabgetaucht.

    Apollodor, Bibliotheca I, 5, 1, nach Paul Drger Pluton verliebte sich in Persephone und raubte sie unter der Mitwirkung des Zeus heimlich

    Plouton de Persefones erastheis Dios sunergountos erase auten krufa

    Proklos, In Platonis Cratylum 402 d (85, 22-23 Pasquall) deshalb sagen sie, Kore sei von Zeus vergewaltigt und von Pluton entfuhrt worden

    dio kai prasi ten Koren ypo men tou Dios Bazesthai, hypo de tou Ploutonos arpazesthai

    98

    Nonnos, Dionysiaca VI , 90-101 nach Thassilo von Scheffer Tochterliebende Deo, wenn vom schattigen Kegel I Selene der Strahl ihres Lichts geraubt sein wird I hte dich vor einem Freier und Ruber Persephoneias,/ einem heimlichen Dieb der unverletzbaren Tochter,/ wenn der Leinenfaden der Parzen sich fugen wird. Doch wider Erwarten I Schaust vor der Hochzeit du einen falschen, heimlichen Buhlen,lhalb ein Untier voll Tcke, dieweil ich wo die Sonne untergeht/ neben Paphia sehe den ehebrechenden Ares I und den Drachen gewahre im Aufgang der beiden zur Seite./ Seligste nenne ich dich. Du wirst dem vierfachen Weltall I Frchtebringeein sein; du wirst ja Frchte der wsten/ Erde schenken

    Scholia in Luciani Dialogos meretricios 2, 1 (S. 275 Rabe) die Thesmophorien sind ein griechisches Fest, das auch Mysterien umfasst, und es wird auch Skirophorien genannt. Es wurde auf der Grundlage einer mythischen Erzhlung gefeiert, derzufolge, als Kore von Jupiter geraubt vvurde, whrend sie Blumen pflckte, am gleichen Ort und zur gleichen Zeit ein Schweinehirt namens Eubuleos seine Schweine ausfuhrte, mit denen er vom Erdspalt der Demeter und der Kore verschlungen wurde; um also Eubuleos zu ehren, wirft man kleine Schweinchen in den Erdspalt der Demeter und der Kore

    Pseudo-Clemens, Homiliae 6, 9, 5 Sie betrachten . . . Demeter auch als die Erde, Kore als die Samen (Koren eis spermata)

    99

  • Claudian, De raptu proserpinae 11, 204-5, nachAnne Friedrichs undAnna Katharina Frings Die Nymphen stoben auseinander. Proserpina wurde im Wagen davongerissen und flehte die Gttinnen um Hilfe an

    Diffugiunt Nymphae: rapitur Proserpina curru/Imploratque deas

    Die Suche nach Demeter

    Homer, Hymnus in Cererem 40-74 Scharf wie ein Stachel traf sie das Leid ins Herz; ihre lieben I Hnde zerfetzten den Schleier auf ihren ambrosischen Haaren,/beide Schultern behing sie sich dann mit dunkler Umhllung, / raste fort bers Feste und Nasse, wie Vgel es knnen, I immer suchend. Doch wollte ihr niemand Treffendes sagen,/ weder einer der Gtter, noch einer der sterblichen Menschen, I auch von den Vgeln kam keiner zu ihr mit treffender Botschaft./ Neun lange Tage durchstreifte das Land die waltende Deo,/ brennende Fackeln trug sie in Hnden, in leidvoller Stimmung I wies sie ambrosische Speise zurck, verschmhte des Nektars I Honigses Getrnk und badete niemals den Krper. I Erst als die leuchtende Eos zum zehnten Male heraufzog,/ traf sie auf Hekate, die sie suchte mit Licht in den Hnden; I Kunde wollte sie geben und lie die Worte vernehmen: I Waltende Mutter des Jahrs, umstrahlt von Gaben, Demeter, I wer von den himmlischen Gttern, wer wars von den sterblichen Menschen, I der dir Persephone raubte? das liebende Herz dir betrbte? /Wohl vernahm ich ein Rufen, doch konnt ich selber nicht sehen,/ wer es

    100

    wohl war; doch dir sag ich alles eilig und. ehrlich. I Hekate sprachs, doch der lockigen Rheia Tochter gab keine Antwort./ Eilig strmte sie weiter mit ihr nun zusammen,/ brennende Fackeln in Hndeh. Zu Helios kamen sie beide, I alles erspht er, was vorgeht bei Gttern und Menschen. Sie traten I vor sein Rossegespann. Da fragte die himmlische Gttin:/ Helios, Ehrfurcht hast auch du vor mir, einer Gttin! /Wenn ich wirklich je mit Wort oder Taten das Herz dir,/ Je das Gemt erwrmt: Meine Tochter, die ich geboren,/ stattlich von Aussehn, mein ses Geschpf . . . ihre Stimme vernahm ich I aut im rastlos wogenden ther, man tat ihr Gewalt an,/ doch sehen konnt ich sie nicht, doch du strahlst ber die Meere,/ ber das ganze Land herunter vom gttlichen ther: I Sag mir die Wahrheit, hast du mein liebes Kind wo gesehen? /Wer hat die Strubende als ich nicht nah war gepackt und gentigt? /Wer von den Gttern, den sterblichen Menschen, und ist nun verschwunden? I So rief sie

    Homer, Hymnus in Cererem 7 4-90 der Sohn Hyperions gab ihr zur Antwort: I Herrin Demeter, Tochter der lockigen Rheia, du sollst es/wissen. Gro ist wirklich mein Mitleid, gro meine Ehrfurcht I vor deinem Leid um die Tochter mit hohen Kncheln. Doch ist kein/ andrer Unsterblicher schuld als Zeus, der Wolkenversammler,/ der sie dem Hades gab, dass sie blhende Gattin ihm heie,/ seinem Bruder. Der zog sie hinab ins dmmernde Dunkel,/ fhrte sie weg auf seinem Gespann, so sehr sie auch kreischte. I Doch, meine Gttin, stille dein heftiges Jammern! Es steht dir I doch nicht wohl an dieser endlose Zorn! Aidoneus I ist kein verchtlicher Schwie-

    101

  • gersohn, der groe Gebieter I sehr vieler Menschen, dein echter, leiblicher Bruder. Und Ehre I hat er erlast, als die Teilung zu dritt sie vollzogen; er ist jetzt I Herrscher und Hausherr jener, die ihm die Losung vermachte. I Sprachs und rief seinen Rossen; die folgten dem Zuruf und zogen I eilig wie schwingenspreizende Vgel das schnelle Gefahrte./ lhr aber ward das Gemt .noch weher vom grausigen Elend

    Euripides, Helena 1301-1352, nach Ernst Buschor Vom Gebirge mit eilendem Fu, lief einst die Mutter der Gtter hinab zu den waldigen Tlern, zu den Fluten der Strme, zur donnernden Brandung des Meers, in Aufn1hr, weil sie ihre Tochter verloren hatte, das unsagbare Mdchen

    Oreia pote dromadi kolo mater theon esubel an ulanta nape I potamion te cheum.' udaton/ barubromon te k.um' alion / potho tas apoichomenas / arretou kouros

    Die lrmenden Klappern schrillten und sthnten als zur Hilfe der Gttin, deren Wagen von Tieren der Wildnis gezogen wurde, die Tochter wiederzufinden, die pltzlich aus dem Reigen der Mdchen geraubt wurde, zwei Gttinnen schneller als der Wind herbeieilten, Artemis mit ihrem Bogen und Gorgo mit ihrer Lanze. Zeus nahm es wahr, hoch von den himmlischen Sitzen, doch fUgte der Mchtige anderen Schicksalslauf. Als die Mutter den irrenden Lauf, die lange Mhe beendet, die endlose Suche der Tochter, die durch List ihr geraubt war, stieg sie auf zu der schneereichen Wacht, zu den Sitzen der Nymphen des lda und wand sich voll Schmerzen im Gestein und im Schnee und im Dickicht. Kein Halm mehr ergrnte im

    102

    trockenen Feld, kein Pflgen trug Frchte, es darbten die Vlker der Erde. Den Herden entschwanden die Bltter und Ranken. Den Stdten versiegte das Leben. Kein Opfer wurde dargebracht, an Altren entfiammte kein Feuer mehr. Auch die Quellen reinen Wassers lie die Gttin versiegen im ausweglosen Schmerz um die geraubte Tochter.

    So wie den Menschen, nahm sie auch den Gttern ihre Feste und Opfer. Da sr!ftigte Zeus der Mutter wilden Zorn und sprach: Auf, stolze Chariten, ziehet hin mit den Musen, lscht Deo die Trnen, die sie dem Kind vergiet, stimmt an die Lieder der Reigen! Und als erste schwang Kypris, der Himmlischen schnste, des Erzes schallenden Klang und drhnende Felle, da lachte die Gttin und streckte die Hand nach den Tonen der Flte und freute sich an ihrem Schall

    Carcinus, in Diodor, V, 5, 1, nach Otto Veh die Mutter aber in ihrer Sehnsucht nach dem verschwundenen Mdchen I durchsphte und besuchte ringsum alle Lnder./Und in Siziliens Land, an den Felsklippen des tna,/ erfullt von Feuerstrmen, die sich ihren Weg bahnten I bis in die schwierigsten Orte,/ verzehrte sich das Menschengeschlecht in Trauer ber die Jungfrau,/ ohne Korn, aber dem Zeus treu./ Seitdem ehren sie diese Gttinnen, bis auf den heutigen Tag

    Kallimachos, Fr. 466 Pfeiffer (SchoLAmbros. Theocrit. 2, 12) Kallimachos sagt wrtlich folgendes: Nachdem er sich mit Demeter vereint hat, zeugt Zeus Hekate, die sich vor

    103

  • den Gttern durch Strke und Gestalt auszeichnet.(( Er sagt, dass diese vom Vater unter die Erde geschickt wurde, um Persephone zu finden (en ypo ghen pempthenai ypo tu patros pros Persephones zetesin phesin), deshalb wird sie auch heute Artemis genannt und Beschtzerin und Fackeltrgeein und Trgerio von Licht und Chtonia

    Ovid, Fasti IV 577-579, nach F1anz Bmer Sterne aus Parrhasien - denn ihr knnt alles wissen,/ da ihr niemals in den Meeresfluten untergeht-,/ enthllt der unglcklichen Mutter das Schicksal der Tochter Perscphone!

    Parrhasides stellae (namque omnia nosse potestis, l aequoras numquam cum subeatis aquas),l Persephonen natam miserae monstrafe parenti!

    Diodor, V, 4, 3, nach Otto Veh Nach dem Raub der Kore - so geht die Sage - konnte Demeter ihre Tochter nirgendwo aufspren; sie zndete daher Fackeln an den Kratern des ma an und suchte viele Teile der bewohnten Erde auf, wobei sie den gastfreundlichen Menschen Wohltaten erwies und ihnen als Gegengabe die Frucht des Weizens schenkte

    Apollodor, Bibliotheca I, 5, 1, nach Paul Drger Demeter aber ging mit Fackeln nachts und tags suchend ber die ganze Erde. Nachdem sie aber von den Hermionern erfahren hatte, dass Pluton sie geraubt habe, verlie sie, den Gttern grollend, den Himmel, glich sich einer Sterblichen an und kam so nach Eleusis. Und zuerst setzte sie sich auf den nach ihrer Stimmung genannten

    104

    Agelastos (Aghelaston) am Brunnen namens Kaliicheros (Kallichoron)

    Eleusis: die Mdchen an der Quelle

    Horn er, Hymnus in Gererem 91-178 Dem dunkel umwlkten Kroniden I grollte sie, mied dann der Gtter Verein und den weiten Olympos,l ging in die Stdte der Menschen, zu ihren fetten Gefilden,/ schndete selbst fur lange ihr Aussehn. Wer sie erblickte,/ kannte sie nicht, kein Mann, nicht tiefgegrtete Frauen,/ bis sie endlich ins Haus des klugen Keleos eintrat. I Herrscher war er damals im dufterfullten Eleusis./Nahe am Wege, am Parthenosbrunnen lie sie sich nieder; /Traurig ward ihr zumut. Ein lbaumwldchen erhob sich/ drber; die Brger holten am schattigen Platz dort ihr Wasser./ Uralt sah sie aus, wie ein Weib, das nichts von Gebren I wei, an Geschenken der gern sich bekrnzenden Aphrodite I darbt, wie die Ammen der Knige sind, der Wahrer des Rechtes/Wrterinnen von Kindern in Husern mit hallenden Rumen./ Sie nun sahen des Eleusiners Keleos Tchter,/ als sie kamen, das quellende Wasser in ehernen Krgen I aufzufangen fiirs liebe Haus ihres Vaters. Es waren I vier: Kallidike und Kleisidike, Demo voll Anmut I und als lteste aller Kallirhoe. Mdchenhaft blhend I sahen sie aus wie Gttinnen. Aber es gab kein Erkennen: I Schwer nur lassen sich Gtter von Menschen erschauen. [ . . . ] So sprach sie. Die Gttin nickte ihr zu mit dem Haupt. Doch die Mdchen I fullten mit Wasser die blinkenden Krge und trugen in stolzer I Haltung sie weg, waren hurtig im groen Hause des Va-

    105

  • ters,/ sagten in Eile der Mutter, was dort sie gehrt und gesehen./ Diese befahl ihnen eiligst zu gehen, zu rufen, zu bieten I unermessliche Lhnung. \i'Vie wenn im Lenz auf der Wiese/Hirsche und Klber springen und satt sich fressen am Futter,! grad so durchstrmten die Mdchen die ausgefahrene Strae,/ hielten die weiten Falten der reizenden Kleider zusammen,/ whrend die Haare wie Krokusblten die Schultern umdrngten

    Papyrus Berolinensis 44, saec li a. Chr. n. (F 49 K) (F. Bcheler, W. Schubart, H. Diels, Paraphrase eines Gedichtes ber den Raub der Persephone, in Berliner Klassikertexte V, I, Berlin 1905) tiefbetrbt klagte sie ber I die Tochter. Aber Kalliope und Kleisidike I und Damonassa, die zusammen mit der Krugin gekommen waren,/ um Wasser zu schpfen, fragten sich, wer Demeter sei, wie bei einer gewhnlichen Sterblichen, whrend diese I zu ihnen trat: so sagt es Musaios in seinem Gedicht. In der Rede gilt es, einen Grund zu .finden,/ um von den Gttern einen Gefallen zu bekommen (En tois logois dei ten aitian aitein met'euerghesian theon)

    Eleusis: lambe oder Baubo

    Homer, Hymnus in Cererem 197-205 Darauf lie jene sich nieder,/ hielt mit den Hnden das Kopftuch sich vor die Augen und sa so I voller Betrbnis lang auf dem Sitz und lie nichts verlauten./ Keinen begrte sie, weder mit Worten noch mit Gebrden;/ ohne zu lcheln, ohne zu essen, ohne zu trinken. / Voller Sehnsucht und Harm um die tief gegrtete Tochter I sitzt

    106

    sie, bis endlich die trefflich erfahrene lambe mit Scherzen, I oft auch mit leisem Spott die Waltende, Heilige stimmte,/ endlich zu lcheln, zu lachen, ihr gtiges Herz zu erschlieen./ Spter noch mochte'sie Iambe ob ihres lebendigen Treibens

    Philikos, 680, 54-62, nach Alfred Krte Halimus aber sandte zufallig die Alte, die ganz (unverbildet) in den 'Sitten der Berge, aber doch zur guten Stunde kam [. , .] auch bei ernsten Dingen ist also scherzhafte Rede ntzlich. Sie stellte sich nmlich hin und riefgleich dreist und laut: >>Werft kein Ziegenfutter, das ist kein Heilmittel fur eine hungernde Gottheit [ . . . ] sondern Ambrosia ist eine Strkung fur den zarten Bauch

    Papyrus Berolinensis 44, saec li a. Chr. n. (F 49 K) (F. Bcheler, \V. Schubart, H. Diels, Paraphrase eines Gedichtes ber den Raub der Persephone, in Berliner Klassikertexte V, I, Berlin 1905) Und Baubo gibt ihr das Kind zum Aufziehen I und bittet sie ins Haus. Demeter, die versprochen hatte,/ mit dem Kind im Haus zu wohnen, zog es auf,/ wie eine Amme es tut, und als sie das Kind mit Ambrosia gesalbt hatte,/ legte sie es die ganze Nacht ins Feuer, und frh am I Morgen I nahm sie es wieder heraus, ohne dass die Eltern es merkten, Und das Kind wollte nicht saugen und auch keine andere Nahrung zu sich nehmen,! und war doch schn und wohlgenhrt: erstaunt I ber die blhende Verfassung des Kindes, ersphte Baubo des nachts,/ durch die Tr, dass jene auf sorglose Weise I das Kind in die Flammen legte, und nahm an,/ dass sich geheime Riten abspielten

    107

  • Apollodor, Bibliotheca I, 5, 1, nach Paul Drger daraufkam sie zu Keleos, dem damaligen Knig der Eleusinier; da Frauen im Haus waren und sagten, sie solle sich zu ihnen setzen, bewirkte eine Greisin, Iambe, durch obszne Gesten, dass die Gttin lchelte. Deswegen, so sagt man, machen die Frauen whrend derThesmophorien obszne Gesten

    Clemens Alexandrinus, Protrepticon 2, 2o-21 (I 15,23 -16,17 Staehlin), nach Otto Staehlin Deo irrt nmlich auf der Suche nach ihrer Tochter Kore umher, wird in der Nhe von Eleusis - das ist ein Ort in Attika - mde und setzt sich, von Kummer erfullt, an einen Bnmnen. Dies zu tun wird noch jetzt den Mysten verboten, um den Schein zu vermeiden, als wollten die Eingeweihten die Trauernde nachahmen. Es wohnten aber damals in Eleusis die Ureinwohner: ihre Namen sind Baubo, Dysaules und Triptolemos, auerdem Eumolpos und Eubuleus. Triptolemos war Rinderhirte, Schafhirte Eumolpos und Schweinehirt Eubuleus. Von ihnen leitete das bekannte blhende athenische Priestergeschlecht der Eumolpiden und Keryken seine Herkunft ab. Und da nimmt die Baubo - denn ich will die Sache wirklich erzhlen - die Deo gastfreundlich bei sich auf und bietet ihr den Kykeon an. Deo aber weigert sich, ihn zu nehmen und will nicht trinken, denn sie war voll Trauer. Da wird Baubo, die in der Weigerung ein Zeichen von Geringschtzung sah, sehr rgerlich, deckt ihre Scham auf und zeigt sie der Gttin. Deo aber freut sich an dem Anblick und nimmt jetzt endlich doch, erfreut durch den Anblick, den Trank an. Das sind die geheimen Mysterien der Athener. Von

    108

    ihnen erzhlt auch Orpheus; ich will dir aber die Worte des Orpheus selbst hersetzen, damit du den Begrnder der Mysterien als Zeugen der Schamlosigkeit hast

    Sprach's und raffte empor die Gewnder und zeigte die ganze I Bildung des Leibs und schmte sich nicht. Und der kleine Iakchos /lachte und schwang sich mit der Hand in den Scho der Baubo./Wie nun die Gttin dies merkte, da lchelte gleich sie von Herzen/ und nahm dann das blanke Gef, in dem ihr der Kykeon gereicht wurde

    Johannes Tzetzes, lnAristophanis Plutum 1013, col. b. die Frauen Athens beleidigten sich gegenseitig, whrend sie auf den Wagen zur Feier der Mysterien unterwegs waren, und diese wurden die Beleidigungen des Wagens genannt. Sie beleidigten sich gegenseitig, weil man glaubte, dass, als Demeter, voll Furcht, auf der Suche nach Kore zum ersten Mal nach Eleusis kam, Iambe, die Dienerio Keleos und Metaneiras, sie zum Lachen brachte, indem sie sie mit Schmhungen bedeckte, und auch, indem sie das Essen mit ihr teilte, den K ykeon, also fein gemahlenes Mehl, das mit Wasser vermengt und gekocht wurde

    Eleusis: Der Ritus

    Homer, Hymnus in Cererem 207-211 doch die Gttin verneinte und sagte,/ roten Wein zu trinken sei nicht ihr gestattet, sie solle I Gerste und Wasser mit zarter Minze ihr mischen zum Schlrfen./ Diese rhrt wie befohlen den Kykeon (he de kykeo teuxasa) und gab ihn der Gttin./ Demeter, die verehrte, nahm ihn und begrndete damit den heiligen Brauch (dexamene d'osies)

    109

  • Homer, Hymnus in Cererem 268-274 Ich aber bin Demeter, die Ehrenvolle, zur grten I Freude und Hilfe fur Gtter und Menschen geschaffen. Wohlan denn/ Euer ganzes Volk soll mir einen mchtigen Tempel/bauen, den Altar darin, nahe der Stadt, eine steile I Mauer werde erstellt auf Kallichoros ragendem Hgel./Weihen aber will selber ich stiften, damit ihr in Zukunft I schuldlo