Agenturen wollen l izenzeinnAhmen – und keine AbmA hnungen ... · – und RA Dr. Tobias Röhnelt...

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INTERVIEW AGENTUREN WOLLEN LIZENZEINNAHMEN – UND KEINE ABMAHNUNGEN KUNDEN , DIE STEHLEN , SIND KEINE KUNDEN „Ich sag‘s immer und immer wieder, Abmahnanwälte sind das widerliche Krebsgeschwür unserer Gesellschaft. In einen großen Sack damit und immer feste mit nem Knüppel drauf, es trifft immer den Richtigen!“ Ohne ins Detail gehen zu müssen: Da war jemand sehr wütend und suchte sich in einem juristischen Online-Forum mit diesem Leser-Kommentar zu er- leichtern. Nachfolgende Kommentatoren schlugen weitere „Strafverschär- fungen“ für diese Juristen vor. 16 PICTORIAL 5/2015 Montage: Sitz von KSP in Hamburg

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interview

Agenturen wollen lizenzeinnAhmen – und keine AbmAhnungen

KUNDEN, DIE STEHLEN, SIND KEINE KUNDEN „Ich sag‘s immer und immer wieder, Abmahnanwälte sind das widerliche Krebsgeschwür unserer Gesellschaft. In einen großen Sack damit und immer feste mit nem Knüppel drauf, es trifft immer den Richtigen!“ Ohne ins Detail gehen zu müssen: Da war jemand sehr wütend und suchte sich in einem juristischen Online-Forum mit diesem Leser-Kommentar zu er-leichtern. Nachfolgende Kommentatoren schlugen weitere „Strafverschär-fungen“ für diese Juristen vor.

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Montage: Sitz von KSP in Hamburg

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iskutiert wurde in jenem Forum über Urheberrechtsfragen. Da-mit sind wir thematisch auch in der Bilderbranche. Denn Li-

zenzen und ihr Schutz sind ein zentrales und allgegenwärtiges Thema in einer Branche, deren Kapital letztlich nur aus der Verwertung geistigen Eigentums be-steht. Und die zum Schutz ihrer Interes-sen – ähnlich wie die Musikindustrie, die Filmindustrie etc als verwandte Branchen – gerne auf das Instrument der Abmah-nung zurück greift. Es fragt sich nur: Ist das wirklich sinn-voll? Oder gibt es vielleicht doch bessere Wege, seine Interessen und die seiner Ur-heber zu schützen?KSP, die wohl größte Anwaltskanzlei Hamburgs, meint „JA“, schlägt alternati-ve Wege der Rechtssicherung vor, spricht von „imagewahrendem Rechteschutz“. Denn eines ist klar: Der Buhmann ist ja nicht nur der Abmahnanwalt, sondern auch sein Auftraggeber. Nach der De-vise: „Mahne mich einmal ab – und Du bist mich auf immer als Freund und Kun-den los!“.

Mit RA Dr. Ludwig Gehrke – Ge-schäftsführender Gesellschafter KSP – und RA Dr. Tobias Röhnelt – Fach-anwalt für Urheber- und Medienrecht – sprach Dr. Stefan Hartmann

PicTORIAL: Meine Herren, eine alte rechtsphilosophische Forderung lau-tet: Ein Rechtssystem soll und muss so ausgestaltet sein, dass die Bür-ger, die ihm unterworfen sind, es – zumindest in groben Zügen – auch verstehen können. Trifft das bei den gegenwärtigen Entwicklungen im Ur-heberrecht überhaupt noch zu? Ken-nen und verstehen Bürger da ihre Rechte und Pflichten?

Dr. Gehrke: Zu den Anfangszeiten des Internetbooms war es tatsächlich so, dass das Internet von vielen Usern als rechtsfreier Raum angesehen wurde. Die Leute waren sich nicht (immer) bewusst, dass sie „Diebstahl“ begehen, wenn sie Inhalte wie Musik, Filme oder Bilder ohne Erlaubnis in urheberrechtlich relevanter Weise genutzt haben. Diese Entwick-lung wurde, wenn auch nicht gewollt, so doch fahrlässig von den Verlagen befeu-ert, die nahezu alle kostenlos Inhalte ins Netz gestellt haben. Inzwischen ist aller-dings bekannt, dass die Nutzung geisti-gen Eigentums Dritter gewissen Regeln unterliegt und dass das Internet definitiv kein rechtsfreier Raum ist.

Dr. Röhnelt: Die Bürger wissen heute, dass ihnen eine Sorgfaltspflicht bei der Nutzung fremder Inhalte obliegt – auch im Internet. Kurz: Die einzelnen Gesetze

Dmüssen die Bürger nicht im Detail ken-nen, aber sie müssen wissen, wie man sich im Grundsatz zu verhalten hat. Dies kann und muss von mündigen Bürgern auch erwartet werden. In der anwaltlichen Praxis von KSP sind Fallgestaltungen un-ter Beteiligung von Privatpersonen aller-dings sehr selten. In der Regel handelt es sich um gewerblich geprägte Nutzungs-handlungen. Diese unterliegen auf Nut-zerseite wie in anderen Rechtsgebieten auch zurecht höheren Sorgfältigkeitsmaß-stäben.

PicTORIAL: Von der Idee her: Ab-mahnungen dienen ja dem eigentlich sinnvollen Zweck, eine gerichtliche Auseinandersetzung zu verhindern. Statt sofort zu Gericht zu ziehen, soll derjenige, dessen Rechte verletzt wurden, den Verletzer zunächst kon-taktieren und ihm Gelegenheit ge-ben, die Sache außergerichtlich aus der Welt zu schaffen. Was soll daran falsch sein?

Dr. Röhnelt: Das Instrumentarium der Abmahnung ist in der Tat grundsätzlich nicht falsch. Insoweit stimme ich Ihnen zu. Allerdings zielt eine Abmahnung auf die Unterlassung gewisser Handlungen ab und verursacht aufgrund des regelmä-ßig hohen Unterlassungsstreitwerts auch hohe Kosten. Das ist nach unseren Erfahrungen nicht im Interesse von Fotografen, Agenturen und Verlagen, da durch eine Abmahnung keine Schadensersatzansprüche abge-golten werden, sondern nur die rechts-widrige Nutzung unterbunden wird. Unse-re Mandanten haben regelmäßig vielmehr ein Interesse daran, dass ihre Inhalte ge-nutzt werden und im Gegenzug dafür Li-zenzentgelte gezahlt werden. Es gilt also auch in Fällen rechtswidriger Nutzung in erster Linie den Mandanten die Verein-nahmung der zustehenden Lizenzentgelte zu ermöglichen. Die Abmahnung ist dafür das falsche Instrument.

PicTORIAL: Ihre Kanzlei bietet als al-ternativen Weg einen „imagewahren-den Rechteschutz“ an. Was darf ich darunter verstehen?

Dr. Gehrke: Lange Zeit waren wir be-wusst nicht im Geschäftsbereich „Ab-mahnungen“ tätig. Allerdings wurde das Problem des digitalen Datendiebstahls für Agenturen und Verlage immer drän-gender und musste gelöst werden. Auf-grund der zahlreichen Negativbeispiele der Abmahnanwälte haben wir uns dann 2010 ausdrücklich für einen anderen Weg und ein anderes Modell entschieden, das den Nutzer finanziell nicht stark belastet sowie den Urhebern ihre entgangenen Li-zenzeinnahmen sichert.

Im Kern geht es bei unserem Modell um die Durchsetzung von Schadensersatz-forderungen bei unberechtigter Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten – statt der kostenintensiven Abmahnung.

Dr. Röhnelt: In diesem Zusammenhang setzen wir auch bewusst auf den telefo-nischen Dialog mit dem Verletzer, um im Sinne unserer Mandanten eine Klärung herbeizuführen. Unsere Mandanten wol-len keine formal gewonnenen Prozesse, sondern wirtschaftlich sinnvoll gelöste Fäl-le. Dieses schlanke und kostengünstige Verfahren erhält das positive Image und die Reputation, die Agenturen und Ver-lage genießen.

Dass wir damals den richtigen Weg ein-geschlagen haben, hat uns zudem das Gesetz gegen unlautere Geschäftsprak-tiken (GguG) bestätigt, das die hohen Ko-sten der alten Abmahnmodelle unterbun-den hat.

PicTORIAL: Worauf bezieht sich das nun? Auf B2B, oder auch auf den Be-reich B2C?

Dr. Gehrke: Grundsätzlich bezieht sich das auf beide. Rechtlich ist es unerheb-lich, ob es sich um eine Privatperson oder einen gewerblichen Betrieb handelt. Wir empfehlen aber unseren Mandanten im Regelfall nur gegen gewerbliche oder ge-

Dr. Ludwig Gehrke

Dr. Tobias Röhnelt

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werblich geprägte Anbieter, also Seitenan-bieter deren Ziel die Erzielung von Erlösen ist, vorzugehen. Das ist z.B. regelmä-ßig gegeben, wenn eine vermeintlich pri-vate Website einen Webshop integriert hat oder auf der Seite Bannerwerbung von Drittunternehmen geschaltet ist.

PicTORIAL: Der Ruf der Abmahnan-wälte kommt ja nicht nur von den Ab-mahnungen selbst her, sondern auch von den sattsam bekannten Fällen „ungerechtfertigter Abmahnungen“. Das heißt, es werden Fälle abge-mahnt, bei denen der Abmahnende gar nicht das Recht zur Abmahnung hatte. Weil er – beispielsweise – die entsprechenden Rechte gar nicht ein-deutig besitzt. Cum grano salis trifft das ja auch auf jeden Fall des juristi-schen Anschreibens zu. Wie sichert sich Ihre Kanzlei gegen solche Even-tual-Fälle ab?

Dr. Röhnelt: Wir werden nur tätig, soweit die ausschließlichen Nutzungsrechte für urheberrechtlich geschützte Inhalte nach-weislich bei unseren Mandanten liegen oder diese selbst Urheber sind. Die Fra-ge, wie unsere Mandanten Rechteinha-

ber geworden sind, ist wiederum abhän-gig vom Geschäftsprozess. Nehmen wir zum Beispiel eine Agentur, die mit fest An-gestellten oder freien Fotografen arbeitet: Hier kommt es auf die vertraglichen Ver-einbarungen zwischen der Agentur und dem Fotografen an. Nur wenn im Rah-men dieser Vereinbarung das ausschließ-liche Nutzungsrecht für die nach Aktenlage maßgebliche urheberrechtliche Nutzungs-art der Agentur eingeräumt wurde, wer-den wir tätig.

PicTORIAL: Wollen wir vergleichen? In der Film- und Musik-Branche sind die Rechte meist klar, ein bestimmter Hollywood-Film ist eindeutig einer be-stimmten Filmgesellschaft zuzuord-nen. Aber bei Bildern? Heutzutage? Vor zwei Jahrzehnten war es noch üb-lich, dass ein Fotograf bei einer Bild-agentur exklusiv war. Und dass in-ternationale Agenturen jeweils einen deutschen, nationalen Exklusiv-Part-ner hatten. Heute aber hat eine, sa-gen wir mal schwedische Agentur, vier oder fünf non-exklusive Partner in

Deutschland – und man bekommt ein und dasselbe Bild dann noch direkt auf verschiedenen Portalen. Wie kann das System des Forderungsmanage-ments, das ja auf Zuordnung basiert, vor diesem Hintergrund überhaupt noch funktionieren?

Dr. Röhnelt: Sie haben Recht. Problema-tisch wird es, wenn ein Fotograf mehreren Agenturen oder Unternehmen Nutzungs-rechte einräumt, also Doppelübertra-gungen vorliegen. In diesen Fällen ist es oftmals nicht möglich, eine konsistente Rechtekette nachzuweisen. Aus diesem Grund bearbeiten wir diese Fälle im Regel-fall nicht. In der Praxis stoßen wir zudem noch auf ein ganz anderes Problem: Fotografen wissen oftmals schlichtweg nicht, wem und auch wann sie ausschließliche Nut-zungsrechte eingeräumt haben. So kommt es vereinzelt zu Konstellationen, dass zwei Agenturen der Auffassung sind, Inhaber der Nutzungsrechte zu sein. In diesen Fäl-len gilt es rechtssicher festzustellen, wel-che der Einräumungen letztendlich wirk-sam ist.

Dr. Gehrke: Um noch einmal auf Ihre Fra-ge zurückzukommen, die ureigenste Auf-gabe von Rechtsanwälten ist es, die Sach-verhalte umfänglich zu prüfen. Unklare Rechtsverhältnisse muss der Anwalt auf-klären. Ist eine Klärung nicht möglich, kön-nen vermeintliche Rechtsverletzungen auch von uns nicht verfolgt werden.

PicTORIAL: Gerade Fotografen oder das Gros der kleineren Bildagenturen scheuen jeden juristischen Kontakt mit ihren Kunden. Und sind eher be-reit, Lizenzverstöße zu tolerieren als auf die „Schwarze Liste“ eines Kun-den zu geraten, diesen eventuell ganz zu verlieren. Was würden Sie in einer solchen Situation raten?

Dr. Gehrke: Das sehe ich sehr pragma-tisch. Kunden, die meine Produkte „steh-len“, sind keine Kunden! Mit Kunden, die nicht zahlen, kann man und sollte keine Geschäfte machen. Daher sind „Schwar-ze Listen“ eher eine Legende und haben nach unserer Erfahrung keine praktische Bedeutung.

PicTORIAL: Mich würde auch inte-ressieren: Wie funktioniert die Spar-te Urheber- und Medienrecht vor dem Hintergrund Ihrer doch sehr groß-en Kanzlei mit rund 500 Mitarbeitern? Wie viele arbeiten da speziell auf dem Gebiet „Medien“?

Dr. Gehrke: Unsere Kanzlei ist nach Bran-chen organisiert. So sichern wir die not-wendigen Fachkenntnisse, die sich ja nicht

nur auf Rechtsfragen, sondern auch auf Produkt- und Branchenwissen beziehen müssen. Aktuell sind ungefähr 10 Prozent unserer Mitarbeiter für unsere Medienabtei-lung tätig. Das Tätigkeitsspektrum umfasst natürlich wesentlich mehr als nur die Ver-folgung von Urheberrechtsverletzungen, sondern auch die Bereiche der klassischen vertraglichen Lizenzmodelle sowie die Ver-tretung von Verlagen im Abonnement- und Anzeigengeschäft. Weiterhin arbeiten wir auch für Abrechnungsdienstleister von Me-dienunternehmen.

PicTORIAL: Ist das Vertreten von Fo-tografen und Bildagenturen nicht ein mühsames, eher kleinteiliges Ge-schäft? Die wirklich großen Streit-werte und Summen werden im Medi-enbereich ja im Persönlichkeitsrecht, zwischen Promis und Verlagen, er-stritten. Reizt Sie das nicht mehr?

Dr. Röhnelt: Die Medienwelt ist so vielfäl-tig, so dass wir uns nicht allein auf die Ver-tretung von Fotografen und Agenturen beschränken. Dementsprechend sind wir auch im Bereich der Persönlichkeits-rechte/der öffentlichen Wort- und Bildbe-richterstattung tätig. Das sind aber i.d.R. „spektakuläre“ Einzelfälle. In erster Linie erwarten unsere Mandanten von uns im Bereich des Urheber- und Me-dienrechts Lösungen eines Massenphä-nomens. Hier sehen wir daher auch un-seren Schwerpunkt. Die Bearbeitung der Fälle erfolgt im Übrigen unabhängig vom Streitwert mit hoher Qualität. Es gilt die Angelegenheit unabhängig von der Streit-wert- und Gebührenhöhe zur Zufrieden-heit des Mandanten zu lösen.

PicTORIAL: Anwälte haben doch Phantasie! Stellen Sie sich vor, ich sei Bundesjustizminister Heiko Maas. Und Sie hätten einen Wunsch frei. Was wäre aus Ihrer Erfahrung he-raus die drängendste Frage, die im Bereich des Urheber- und Medien-rechtes endlich zu klären oder zu be-reinigen wäre?

Dr. Gehrke: Eine drängendste singuläre Frage sehe ich derzeit nicht. Auffällig ist, dass insbesondere im Medienbereich der Gesetzgeber den technischen Möglich-keiten und der Entwicklung hinterher hinkt. Das führt leider dazu, dass die Gerichte mit ihrer Rechtsprechung faktisch die Auf-gabe des Gesetzgebers übernehmen. Hier stellt sich die Frage, ob der Gesetz-geber sich das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen möchte. Ich würde mir wünschen, dass die Politik hier aktiver und vor allem schneller wäre.

PicTORIAL: Vielen Dank, meine Herren, für das Gespräch.

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