„Gutes Design trifft mitten ins Herz“ · 2010. 8. 15. · mitten ins Herz, ist poetisch...

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14 Die Brücke 61 – Oktober 05 Denken Sie manchmal daran, dass Sie es mit Designerstücken zu tun haben, wenn Sie Ihren Staubsauger über den Teppich schieben, ins Flug- zeug steigen, mit dem Handy telefo- nierend durch die Fußgängerzone schlendern? Industrial Design ist überall präsent, wird aber selten be- wusst wahrgenommen. Dabei ist die Welt voller spannender Objekte, be- sonders wenn der Mix aus funktio- nellen und ästhetischen Kriterien ge- lungen und das Produkt clever oder innovativ ist. Auch in profanen All- tagsgegenständen kann sich bei näherem Hinsehen ein Zauber ver- bergen. Aber wer macht alle diese Dinge? Techniker? Künstler? Tüftler? Die Brücke stellt vier junge Kärntner Industrial Designer und ihre Positio- nen vor. Die Villacherin Sabrina Tanner gründete 2001 – noch während des Studiums an der Kunstuni Linz – mit zwei Partnern das Designbüro loe- sungsmittel in Wien. Der Weg in die Selbstständigkeit war hart. Die künstlerischen Aspekte werden im Studium stärker betont, als es in der Realität gefordert ist. Mit wirtschaft- lichen Fragen wird man nicht kon- frontiert. Die Kreativität liege oft im Handhaben der engen Vorgaben, meint die 34-Jährige. Man muss sich von der Idealvorstellung des genialen Gestalters verabschieden. Dass ihr genügend schöpferischer Freiraum bleibt, beweist ihre Arbeit für Smart Clothes. Das sind Kleidungsstücke, in die sich elektronische Geräte wie Handys oder mp3-Player integrieren lassen. So garantiert etwa ein Schul- terholster trotz Verwahrung der elektronischen Begleiter uneinge- schränkte Bewegungsfreiheit. Und Achillex, ein um den Knöchel tragba- res Messgerät, wird derzeit für Ree- bok realisiert. Diese Wearables sind zeitgemäß, bezahlbar und kommen beim Konsumenten gut an. An ihrer Entwicklung wird heftig geforscht, und das wird durch verschiedene Programme gefördert. Aber das Be- wusstsein für den Wirtschaftsfaktor von innovativem Design sei in Öster- reich absolut verbesserungsbedürf- tig, meint Tanner. Elger Oberwelz gibt ihr Recht. Als Nichtselbstständiger muss ich mir zwar keine Sorgen machen, aber ich seh’ auch, dass für die Akzeptanz von Design und was es bewirken kann, Aufklärungsarbeit nötig ist. Der 26- jährige Klagenfurter ging nach der Ausbildung am Joanneum Graz zum großen Designunternehmen Storz in Zell am See. Dort ist er seit 2002 u. a. an der Autoinnenausstattung für Kunden wie BMW, Peugeot, Mercedes oder Ford beteiligt. Unabhängig, mit welchem Produkt er sich befasst, wichtig ist dem Erfinder der ganz- heitliche Blick. Gutes Design trifft mitten ins Herz, ist poetisch feinfühlig und der Zeit ein bisschen voraus. Am Herzen liegt ihm auch seine Diplom- arbeit Moas (Mutter Oase), die ihm den 2. Platz des Ideenwettbewerbs Innovation Lab 2003 einbrachte. Die- ser Entwurf für einen Brutkasten be- steht aus drei Teilen: ein fix instal- Der VW-Marinemotor: eine modulare Systemlösung für einen Fünfzylinder- TDI-Schiffsmotor. Durch sie sind die Motorteile geschützt und können die Wartungselemente an der Oberseite des Motors angebracht werden. Transportation-Designer Peter Piccot- tini schätzt seine Unabhängigkeit als Freelancer. Nie mehr ohne Handy joggen: Der sportHolster von Sabrina Tanner wurde auf der ISPO 2004 mit dem Global Award für das innovativste Sportdesign ausge- zeichnet. Er ist mit patentierter Strahlen abweisender Textileinlage ausgestattet. Vier junge Kärntner Industrial Designer und ihre Positionen „Gutes Design trifft mitten ins Herz“

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Denken Sie manchmal daran, dassSie es mit Designerstücken zu tunhaben, wenn Sie Ihren Staubsaugerüber den Teppich schieben, ins Flug-zeug steigen, mit dem Handy telefo-nierend durch die Fußgängerzoneschlendern? Industrial Design istüberall präsent, wird aber selten be-wusst wahrgenommen. Dabei ist dieWelt voller spannender Objekte, be-sonders wenn der Mix aus funktio-nellen und ästhetischen Kriterien ge-lungen und das Produkt clever oderinnovativ ist. Auch in profanen All-tagsgegenständen kann sich beinäherem Hinsehen ein Zauber ver-bergen. Aber wer macht alle dieseDinge? Techniker? Künstler? Tüftler?Die Brücke stellt vier junge KärntnerIndustrial Designer und ihre Positio-nen vor.

Die Villacherin Sabrina Tannergründete 2001 – noch während desStudiums an der Kunstuni Linz – mitzwei Partnern das Designbüro loe-sungsmittel in Wien. Der Weg in dieSelbstständigkeit war hart. Die

künstlerischen Aspekte werden imStudium stärker betont, als es in derRealität gefordert ist. Mit wirtschaft-lichen Fragen wird man nicht kon-frontiert. Die Kreativität liege oft imHandhaben der engen Vorgaben,meint die 34-Jährige. Man muss sichvon der Idealvorstellung des genialenGestalters verabschieden. Dass ihrgenügend schöpferischer Freiraumbleibt, beweist ihre Arbeit für SmartClothes. Das sind Kleidungsstücke, indie sich elektronische Geräte wieHandys oder mp3-Player integrierenlassen. So garantiert etwa ein Schul-terholster trotz Verwahrung derelektronischen Begleiter uneinge-schränkte Bewegungsfreiheit. UndAchillex, ein um den Knöchel tragba-res Messgerät, wird derzeit für Ree-bok realisiert. Diese Wearables sindzeitgemäß, bezahlbar und kommenbeim Konsumenten gut an. An ihrerEntwicklung wird heftig geforscht,und das wird durch verschiedeneProgramme gefördert. Aber das Be-wusstsein für den Wirtschaftsfaktor

von innovativem Design sei in Öster-reich absolut verbesserungsbedürf-tig, meint Tanner.

Elger Oberwelz gibt ihr Recht. AlsNichtselbstständiger muss ich mirzwar keine Sorgen machen, aber ichseh’ auch, dass für die Akzeptanz vonDesign und was es bewirken kann,Aufklärungsarbeit nötig ist. Der 26-jährige Klagenfurter ging nach derAusbildung am Joanneum Graz zumgroßen Designunternehmen Storz inZell am See. Dort ist er seit 2002 u. a.an der Autoinnenausstattung fürKunden wie BMW, Peugeot, Mercedesoder Ford beteiligt. Unabhängig, mitwelchem Produkt er sich befasst,wichtig ist dem Erfinder der ganz-heitliche Blick. Gutes Design trifftmitten ins Herz, ist poetisch feinfühligund der Zeit ein bisschen voraus. AmHerzen liegt ihm auch seine Diplom-arbeit Moas (Mutter Oase), die ihmden 2. Platz des IdeenwettbewerbsInnovation Lab 2003 einbrachte. Die-ser Entwurf für einen Brutkasten be-steht aus drei Teilen: ein fix instal-

Der VW-Marinemotor: eine modulareSystemlösung für einen Fünfzylinder-TDI-Schiffsmotor. Durch sie sind dieMotorteile geschützt und können dieWartungselemente an der Oberseite desMotors angebracht werden.

Transportation-Designer Peter Piccot-tini schätzt seine Unabhängigkeit alsFreelancer.

Nie mehr ohne Handy joggen: DersportHolster von Sabrina Tanner wurdeauf der ISPO 2004 mit dem Global Awardfür das innovativste Sportdesign ausge-zeichnet.

Er ist mit patentierter Strahlenabweisender Textileinlage ausgestattet.

Vier junge Kärntner Industrial Designer und ihre Positionen

„ G u t e s D e s i g n t r i f f t m i t t e n i n s H e r z “

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s p u r e n . s u c h eE

liertes Inkubatorsystem, in dem dasFrühchen in einer Art Schale liegt,die in ihrer Form dem Mutterleibnachempfunden ist. Wenn die Schaleherausgenommen wird, halten Ak-kumulatoren das Mikroklima unddie medizinische Überwachung dreiStunden aufrecht. Mit einer Neo-prenjacke kann sich die Mutter ihrKind samt Brutkastenschale wie imTragesack umschnallen. Visuell mu-tet das Ganze futuristisch an, aberauch sehr zart und man spürt die In-tention dahinter, den psychischenSchock zu mildern. Technisch ist esmachbar, so Oberwelz.

Ebenfalls der Fachhochschule desJoanneum Graz entstammt der 1968in Griffen geborene Harald Auer –nach Umwegen über Chemiestu-dium, Möbelkolleg und Jobs in Archi-tekturbüros. Als er sich mit 26 Jahrenzum Industrial-Design-Studium ent-schloss, hatte er zum ersten Mal dasGefühl das Richtige am richtigen Ortzu tun. Nach fünf Jahren Praxis mitklassischem Produktdesign für das

Büro Spirit Design stellte sich aber-mals die Sinnfrage. Inwiefern könnteman den Designbegriff hinterfragenund erweitern? Es passte dann ganzgut, dass ich eine Assistentenstelle ander Kunstuni Linz bekam und michwieder mit den Anfängen der Wahr-nehmung auseinander setzen konnte.

Der in Linz und am Art Center Colle-ge in Pasadena ausgebildete PeterPiccottini arbeitet als Freelancer vonVillach aus vor allem für dieFahrzeugindustrie. Man sucht neueLösungen, sagt der 35-Jährige, deshalbrückt innovatives Design ins Zentrumökonomischer und ökologischer Pla-nung. Es sei heute nicht mehr mög-lich, Autos zu entwerfen, ohne überUmweltprobleme und Ressourcen-knappheit im Spannungsfeld zuÄsthetik und Hightech nachzuden-ken. Diese Überzeugung hat er auchbei einem seiner Lieblingsstücke,dem Interieur des VW Lupo, ein-gebracht. Statt Aluminium wurdedas wesentlich umweltfreundlichereMagnesium verarbeitet. Ein Schäu-

mungsverfahren verleiht dem Mate-rial eine Struktur, die zur Reduktiondes Gewichts und in weiterer Folgedes Treibstoffverbrauchs auf drei Li-ter führt. Der Designer nennt zahlrei-che Patente sein Eigen, etwa für dieMotorkapsel des VW-Marinemotors,die sich zur Wartung auf hoher Seewie eine Rose öffnet und einenArbeitstisch bildet. Ich glaube, dassIndustrial Design nicht nur mit Form-gebung zu tun hat, sondern auch mitqualitativer Nachhaltigkeit und Inno-vation.

Das ästhetische Empfinden liegtwohl allen Designern im Blut. Einigsind sich jedoch alle, dass ohne tech-nisches Know-how und fundierteAusbildung nichts geht. Dazu die Ge-duld für jahrelange Entwicklungs-prozesse, ein wacher Blick undBegeisterungsfähigkeit – so ausge-stattet arbeiten sie an der Optimie-rung der Produktwelt. Die Dinge sol-len dem Menschen dienen und nichtumgekehrt, bringt es Peter Piccottiniauf den Punkt. Uschi Sorz

Moas: Durch ein ausgeklügeltes Brutka-stensystem kann das Frühchen Geruchund Herzschlag der Mutter wahrnehmen.

Elger Oberwelz bei der Verleihung desInnovationspreises Lab 2003.

Für Harald Auer stellt sich die Frage,ob er Produkte machen, Ideen liefern,Ideen visualisieren oder alles gleich-zeitig machen soll.