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Jenas führende Hochschulzeitung Nummer 285 14. Oktober 2010 21. Jahrgang www.akruetzel.de akrÜtzel Kein Platz im Paradies Ursachen und Folgen der ewigen Wohnungsnot

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Jenas führende Hochschulzeitung

Nummer 28514. Oktober 2010

21. Jahrgangwww.akruetzel.de

akrÜtzel

Kein Platz im Paradies

Ursachen und Folgen der ewigen

Wohnungsnot

2

inhalt

TITELWohnungsnot in JenaS. 4, 5Gespräch mit einem Raum- und Stadtforscher S. 6Zwei Meinungen zur Zulassungsbeschränkung S. 7

UNI / FHKein Vorstand für den Stura S. 8Feigenblatt AdeS. 10, 11

STADT„Fest der Völker“ abgesagt S. 9Im Test: Der Pizza-AutomatS. 12Imaginata - Jenas ExperimentariumS.12

KULTURAusstellung: Louise Bourgeois S. 16„Die Hochzeit des Figaro“ am DNTS. 17

Niemand spürte den Wind, der durch die Redaktion zog, bis

Norbert entsetzt ausrief: „Das Fei-genblatt ist fort! Wir sind verloren!“ Plötzlich kam sich jeder entblößt vor. Verzweifelt griff man nach alten Akrüt-zel-Ausgaben, um sich zu bedecken. Einige junge Redakteure begannen zu kichern. Der Wind wurde stärker. Aus dem Kichern wurde ein Lachen.

EditorialHeiter erregt, erklomm Norbert den nächsten Stuhl und rief: „Wir brau-chen das Feigenblatt nicht mehr: Unser Witz hat ein neues, ein junges Gefäß gefunden!“ – „Hosianna! Ho-sianna!“, brüllte die Redaktion eksta-tisch.

Viel Spaß bei der Lektüre wünschen Jens und die Redaktion

AKRÜTZEL – gegründet 1990 und herausgegeben von den Studentenräten der FSU und FH – erscheint alle zwei Wochen während der Vorlesungszeit. Redaktionssitzungen sind öffentlich und während der Vorlesungszeit jeden Dienstag um 19 Uhr im Akrützel-Büro, UHG.Redaktionsschluss der kommenden Ausgabe: 21. Oktober 2010. Das Akrützel Nr. 286 erscheint am 28. Oktober 2010. Druck: Schöpfel, WeimarVerteilte Auflage: 6.000Adresse: AKRÜTZEL, Friedrich-Schiller-Universität, Fürstengraben 1, 07743 JenaTel.: 03641-930991, Fax: 03641-930997E-Mail: [email protected]: www.akruetzel.deChefredakteurin: Johanne Bischoff

Redaktionsmitglieder: Kay Abendroth, Matthias Benkenstein, Philipp Böhm, Anne Dünger, Marco Fieber, Chris tian Fleige, Stephanie Frank, Franzis-ka Gleiniger, Dirk Hertrampf, Daniel Hofmann, Moritz Hütten, Norbert Krause, Vera Macht, Ste-fan Montag, Franz Purucker, Hauke Rehr, Janina Rottmann, Louisa Reich stetter, Ulrike Schiefelbein, Isabel Schlegel, Katharina Schmidt, Florian Sokoll, Dana Sprunk, Alexander Strauß, Jens Thomas, Jo-hannes Wander, Isabella Weigand, Johannes Weiß, Christoph Worsch, Anna Zimmermann

Titelbild: Katharina SchmidtIllustrationen: Johannes Kretzschmar

Satz und Gestaltung: Philipp, JohanneVeranstaltungskalender: PhilippFeigenblattredaktion: Alex, Anne, Dana, Jens, Louisa, NorbertLektorat: Johannes Weiß

Anzeigenpreisliste: Nr. 7, Oktober 2008.Namentlich gekennzeichnete Artikel müssen nicht der Redaktionsmeinung entsprechen. Wenn euch ein Artikel ärgert, schreibt uns gerne einen Leserbrief. Hinweise werden auf Wunsch vertrau-lich behandelt. Für unverlangt eingesandte Ma-nuskripte besteht keine Veröffentlichungspflicht. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zu kürzen. Anonyme Einsendungen landen im Pa-pierkorb.

Impressum

Zwölf Monate rotlackierter Faschismus und Unterdrückung des freiheitlich-

liberalen Korpsgeistes sind genug. In ei-ner freien und unabhängigen Wahl stürzte die Redaktion den amtierenden General-sekretär, pardon Chefredakteur Philipp B. und setzte Johanne Bischoff an seiner statt ein. Die 22-jährige Geschichtsstudentin setzt die schon fast in Vergessenheit gera-tene Tradition der qualmenden Chefs fort und wird die Zeitung mit unbarmherziger Disziplin wieder zum Ruhm vergangener Jahre führen. Der entmachtete Chefre-dakteur a. D. weilt inzwischen in mallor-quinischem Exil, trinkt Limo und schaut Pornos.

Das Volk hat entschieden!

Bilderrätsel

Auf den Blickwinkel kommt es an, so auch dieses Mal im Bilderrätsel! Also

Augen auf und los. Weißt du, wo dieses Haus steht? Ein Tipp: Ganz in der Nähe scheint es als mache Grawp Picknick. Gefunden? Dann schick deine Antwort an [email protected] und gewinne einen von zwei Theatergutscheinen für das Theaterhaus Jena.

FOTO: KATHARINA SCHMIDT

FOTO: KATHARINA SCHMIDT

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Neuigkeiten

Mensa von acht bis acht

Wer in den letzten Tagen abends an der Mensa am Abbe-Platz vorbei-

gegangen ist, wird es schon bemerkt ha-ben. Seit dem 20. September gibt es dort bis 20 Uhr warme Mahlzeiten. Die Mit-tagsversorgung von 11 bis 14 Uhr bleibt unverändert, am Abend werden ab 17.30 Uhr nun auch warme Speisen, Desserts und Salate angeboten. Laut Küchenchef Hans-Jürgen Kirmse wurde das neue An-gebot bisher trotz vorlesungsfreier Zeit erstaunlich gut angenommen. Sollte die Nachfrage während des Probe-Semesters

gering sein, wird die Abendküche wieder geschlossen. Neue Mitarbeiter wurden wegen der längeren Öffnungszeiten je-doch nicht eingestellt. Ein Teil des „Pas-ta-Basta“-Personals wird stattdessen in der Mensa aushelfen. Das „Pasta Basta“ wird verkleinert, da hinter der INFOtake in Kürze ein Familienbüro eingerichtet werden soll. Mit den längeren Öffnungs-zeiten der Mensa soll für die Studenten auch ein Aufenthaltsraum für Lehrveran-staltungspausen geschaffen werden. (jwi)

ITheaterhaus Jena gGmbH, Schillergässchen 1, 07745 Jena Karten: (03641) 8869 - 44 [email protected] www.theaterhaus-jena.de

URAUFFÜHRUNG / SPIELZEITERÖFFNUNG: Do. 14.10. 2010, 20:00 Hauptbühne + Fr. 15.10. / Sa. 16.10. / Mi. 20.10. / Do. 21.10., 20:00

Eine Stadt sucht ihren Helden.R e g i e : M a r k u s H e i n z e l m a n n

R e b e k k a K r i c h e l d o r f

Gotham CityANZEIGE

Die Evangelische Kirche Mitteldeutsch-lands bewertet die vom Land Thü-

ringen geplante Lockerung der Residenz-pflicht als völlig unzureichend und startete deshalb Anfang September den Aufruf „Re-sidenzpflicht für Asylbewerber abschaf-fen!“. Derzeit dürfen Asylbewerber und Menschen mit einer Duldung in Thüringen den Landkreis, in dem sie untergebracht sind, nicht verlassen. Dies hindert Flücht-linge daran, unabhängige Beratungsstellen zu erreichen sowie Ärzte aufzusuchen, die auf die Behandlung von Flüchtlingen spe-zialisiert sind. Weiterhin befördert es die soziale Ausgrenzung und erschwert die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die oft ohnehin schon psychisch angespannte Situation der Flüchtlinge verschärft sich durch die Residenzpflicht zusätzlich. Die

Lockerung sieht lediglich vor, die Resi-denzpflicht auf die jeweils angrenzenden Landkreise und mindestens eine kreisfreie Stadt auszuweiten. Unterzeichner fordern die Landesregierung daher auf, die Locke-rung „deutlich großzügiger zu gestalten“ und den erlaubnisscheinfreien Aufenthalt für Asylbewerber und Menschen mit ei-ner Duldung im gesamten Freistaat Thü-ringen zu ermöglichen. Auch soll sich die Landesregierung auf Bundesebene für eine Abschaffung der Residenzpflicht einsetzen. Nach Angaben der Kirche ha-ben bisher mehr als 1.700 Personen den Aufruf unterzeichnet. Derzeit steht noch kein Termin für ein Ende fest. Der Aufruf kann beispielsweise online unterzeichnet werden: http://www.ekmd.de/aktuellpre sse/nachrichten/9454.html.

Kirche gegen ResidenzpflichtMehr als Gesundheit

Gesundheit hat nicht nur physiolo-gische Aspekte. Sie kann auch als

Lebensphilosophie verstanden werden, sagen die Jenaer Studenten Martin Preu-ßentanz und Terence Marowsky. Ihr Se-minar im Wintersemester 2010/11 wid-met sich dem Thema „Leben im Kontext von Gesundheit“ und bezieht dabei ver-schiedene wirtschaftliche, gesellschaft-liche und psychosoziale Gesichtspunkte mit ein. Theoretische Ergebnisse sollen mit der Praxis verbunden werden. Die Veranstaltung ist für alle Interessierten offen und kann für Philosophiestudenten als ein Praxismodul angerechnet werden. Weitere Informationen gibt es auf der Sei-te www.projekt-gesundheit-lebenskunst.de. Die Anmeldefrist endet am 18. Okto-ber. (kab)

Keine Angst mehr vor einem leeren Kühlschrank

FOTO: JAN-HENRIK WIEBE

Der Chefsessel des Campusradios ist neu besetzt. Der Soziologiestudent

Wieland Mikolajczyk legte ein überzeu-gendes Konzept für die Weiterführung des Senders vor und wurde für die nächsten zwei Semester von den Mitgliedern der Redaktion zum neuen Chefredakteur gewählt. Neben dem, den Fans des Ra-dios wohlbekannten, „Radiolatein“ und

der Soap „Lovely Jena“ stehen dieses Semester des Weiteren noch der achte Campusradiogeburtstag im Dezember und das „Eulenfreundefestival“ im Janu-ar an, zu dem unter anderem Acts wie Jens Friebe oder „Die Fotos“ geplant sind. Wir werden also nächstes Semester wie gewohnt Interessantes auf die Ohren be-kommen. (bra)

Neue Chefeule

(kab)

FOTO

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Titel

Klaustrophobie statt HerbstdepressionSeit Jahren herrscht in Jena ein Mangel an Wohnraum – bisher fehlt jegliches Konzep

Ich habe bei 20 WGs angefragt. Das heißt nicht, dass ich mir alle 20 an-

schauen konnte. Das wäre ja schön ge-wesen“, sagt Susann aus Plauen, die sich für Zahnmedizin beworben und erst eine Woche vor Semesterbeginn die Zulas-sung für Jena bekommen hat. Für sie wird es jetzt richtig eng.Die Stadt wirbt als studentisches Paradies, als ein Ort kurzer Wege, als Kleinstadt-idyll mit Großstadtflair. Möglicherweise hat sich Jena damit übernommen, denn es scheitert schon an Schlafplätzen. Auf Jenas Wohnungsmarkt sieht es düs-ter aus. Der Leerstand ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken und liegt nun sogar unter der Marke von einem Prozent, ab der eine Stadt als voll gilt. Jetzt noch eine Wohnung zu finden be-darf einer ausdauernden Kondition und viel Optimismus.

Wochenlange Suche

Viele Erstsemester sind bereits vor Se-mesterbeginn teils wochenlang auf der Suche nach Wohnraum. Das Studenten-werk verzeichnete bis zum 15. Septem-ber 2.700 Bewerbungen. Wohnungssu-chende berichten davon, dass sie einer von bis zu 50 Bewerbern auf ein freies Zimmer waren. Wer Anfang Oktober ein Inserat auf „wg-gesucht.de“ einstellte, musste kaum eine Minute warten, bis der erste Interessent anrief. Selbst die Woh-nungssuche im Umland gestaltet sich zu-nehmend schwierig. Weimar kann keine weiteren Studenten aus der Saalestadt mehr aufnehmen und auch Gera meldet erste Schwierigkeiten.Die Jenaer Bündnisgrünen warnen vor einem Wohnraumkollaps. Deren Kreis-vorstand mahnt, dass die Situation noch nie so prekär gewesen sei wie vor dem nun anlaufenden neuen Studienjahr, und fordert die Entscheidungsträger der Stadt auf, endlich zu handeln.

Seit Jahren werde auf den Bevölke-rungsschwund gewartet und von einem Rückgang der Studierendenzahlen aus-gegangen. Die Realität sähe aber anders aus. Jena hätte derzeit 5.000 Einwohner mehr als prognostiziert. Es sei für den Wissenschafts- und Technologiestandort unerlässlich, dass sich die Stadt Jena mit umliegenden Städten und Gemeinden an einen Tisch setze. Studenten müssten auch nach 20 Uhr noch ihre Wohnung oder ihr Zimmer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können, so Kreissprecherin Anja Siegesmund.Ein Wohnraumproblem sehen auch der Student Wieland Rose und Steffen Kube, der in Jena ein kleines Unternehmen hat. Beide haben eine Petition gestartet, in der sie den Oberbürgermeister Dr. Albrecht Schröter auffordern, die aktuelle Woh-nungssituation in Jena als Problem anzu-erkennen und in der nächsten Stadtrats-sitzung am 27. Oktober dazu öffentlich Stellung zu nehmen. Sie verlangen eine bessere Kommunikation zwischen der Stadt und den Bürgern, die in eine breite Diskussion über das Wohnungsproblem münden soll. Kube bemängelt, er könne für sein Unternehmen nur schwer neues Personal nach Jena holen, da es keinen Wohnraum gebe. Rose ergänzt, dass Wohnungen für Studenten in Saalfeld und Gotha kein Konzept sein können, sondern vielmehr Ausdruck der Konzept-losigkeit der Stadtverwaltung seien.Auch der Stura bezeichnet die Woh-nungssituation in Jena als untragbar. Es fehle der Stadt, dem Land und auch dem Studentenwerk an Problembewusstsein. Man könne nicht darauf hoffen, dass die Studentenzahlen sinken, und das Pro-blem einfach aussitzen. Er fordert mit sei-ner Plakatkampagne den Bau bezahlbarer Wohnungen in der Stadt, damit auf länge-re Sicht ein gesunder Leerstand von zwei bis drei Prozent erreicht werden könne. Zusätzlich veranstaltet der Stura derzeit

WG-Gründungstreffen, um Suchende zu-sammenzuführen und zu informieren.Zumindest die Uni bleibt gelassen und verweist auf die ostdeutsche Bevölke-rungsentwicklung. Geburtenknick und Abwanderung nach der Wende müssen durch einen immer höheren Anteil von Studenten aus den alten Bundesländern ausgeglichen werden. Das gelang bisher besser als erwartet, die Studentenzahlen stiegen in den letzten Jahren enorm an. Die Uni fährt bereits „Überlast“, wie es Dr. Eva Schmitt-Rodermund, Dezernen-tin für akademische und studentische An-gelegenheiten, ausdrückt. Die Auslastung der Lehrräume liege theoretisch schon bei über 100 Prozent.Dennoch warnt Schmitt-Rodermund vor möglicherweise sinkenden Studenten-zahlen. Das erscheint fragwürdig, denn der große Ansturm kommt erst noch. Durch die Umstellung von 13 auf 12 Schuljahre in den meisten der alten Bun-desländer sowie in Berlin und Branden-burg droht zwischen 2011 und 2013 eine wahre Schwemme an Studenten, die dem Hochschulpakt zufolge besonders von ostdeutschen Hochschulen aufgefangen werden soll. Bisher waren es eher die fehlenden Studiengebühren und das gute Image von Stadt und Universität, die für den Zulauf aus den alten Bundesländern gesorgt haben.

Stadt ist eingekesselt

Besonders seit letztem Jahr ächzt die Stadt geradezu unter der Last der Studenten. Nach dem Aufruf „Macht die Betten frei“ durch Uni und Stadt gibt es selbst in einigen Hotels Ange-bote für Studenten.Langwierige Wohnungssuchen sind zwar auch aus anderen Universitätsstädten bekannt, in Jena ist die Situation den-noch eine andere. Da wäre zum einen die Einkesselung Jenas zwischen Bergen und Naturschutzgebieten, die ein Wach-sen der Stadt stark erschweren, und zum anderen das gern gepflegte Image als be-schauliche „Stadt der kurzen Wege“. Bei kurzen Wegen denken aber die wenigs-ten an einen Regionalexpress. Eva Schmitt-Rodermund stört das wenig, sie selbst sei als Erstsemester in Gießen auch zuerst ins Umland gezogen und dann nach einem Jahr an den eigent-lichen Studienort. Sie führt aber auch an, dass die Landesfinanzierung implizit Stu-dentenzahlen von über 20.000 verlangt.

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Titel

HerbstdepressionMangel an Wohnraum – bisher fehlt jegliches Konzept zur Lösung des Problems

Die Mittel vom Land sind zum größten Teil direkt proportional zu den Studenten-zahlen. Dass diese derzeit so hoch sind, sei notwendig, um die Fixkosten decken zu können. Kurioserweise führen die ho-hen Zahlen aber auch dazu, dass die Uni für gutes Geld Räume mieten muss: zum Beispiel im ehemaligen Uniturm, der heute als JenTower bekannt ist.Für die bereits erwähnten 2.700 Bewer-bungen um Wohnheimplätze standen ca. 580 Plätze zur Verfügung, wovon 100 auf zwei Monate begrenzt sind. „Wenn sich jemand im Januar oder Februar bewirbt, sind seine Chancen groß, dass er im Win-tersemester einen Platz im Studenten-wohnheim bekommt. Im September hat man kaum eine Chance“, sagt Siegfried Kinzel, der beim Studentenwerk für den Bereich Wohnen verantwortlich ist. Für die Vergabe ist das Posteingangsdatum alleiniges Kriterium.Das Studentenwerk hatte sich des Pro-blems angenommen und wollte neue Stu-dentenwohnheime bauen, eines davon am Friesweg. Enttäuscht schaut der Ge-schäftsführer des Studentenwerks Dr. Ralf Schmidt-Röh, wenn man ihn heute dar-auf anspricht. Er wollte dort schnell neu-en Wohnraum schaffen, wurde nach an-fänglicher Zustimmung aber im April jäh ausgebremst. Anwohner formierten sich gegen die Baupläne, weil sie Angst um ihre kostbaren Parkplätze hatten. Außer-dem solle sich das Wohnheim architekto-nisch nicht in das Gesamtbild eingefügt

haben, das vorgesehene Gebäude wäre zu groß gewesen. Mit viel Glück steht im nächsten Oktober tatsächlich ein neues Studentenwohnheim. Reichlich spät. Är-gerlich ist auch, dass das Studentenwerk die Masterstudenten anfangs quasi „über-sehen“ hat. Schuld war eine Kommunika-tionspanne zwischen der Universität und dem Studentenwerk.Im Stadtrat wird argumentiert, die Bevöl-kerungsentwicklung könne dazu führen, dass neugebaute Wohnungen am Ende leer bleiben. Dabei wird vergessen, dass man sich in dieser Hinsicht schon ein-mal geirrt hat. Die Abwanderung hat sich in Jena nicht annähernd so stark bemerkbar gemacht wie befürchtet. Die Stadt ist inzwischen an einem Punkt, an dem Grundschulen dringend ausgebaut werden müssen und sich der Abriss von Wohnungen, zum Beispiel 2004 in Lobe-da, als Fehler herausgestellt hat. Außer-dem wird nicht gesehen, dass man sich Chancen verbaut: Studenten, die sich überflüssig und ungewollt fühlen, blei-ben ganz sicher nicht in Jena. Firmen, die ihre neuen Mitarbeiter nicht unterbringen können, werden auch nicht wachsen.

Schnelle Lösung nicht in Sicht

Susann hat derweil einen Platz zum Schla-fen gefunden: in Pößneck, 35 Kilometer entfernt. Bei ihrer Suche hat sie sich sogar einen zum Wohnraum umgebauten Pfer-

destall angesehen. In naher Zukunft will sie sich nochmal in Ruhe auf die Suche nach einer Bleibe in Jena machen. Vor dem Sommersemester ist dies erfahrungsgemäß deutlich einfacher, da die meisten Studi-engänge nur zum Wintersemester anfangen.Auf eine schnel-le Änderung des grundlegenden Problems braucht man vorerst aber nicht zu hoffen. Während Jena und die FSU wachsen, fehlt es an Mut und Vertrauen, die längst fälligen R a h m e n b e -dingungen für eine Besserung der Lage zu schaf-fen. Hinzu kommen Fehleinschätzungen und Pannen und ganz schlei-chend auch die Gefahr von Prestigeverlust. Jena vergisst den eigenen Anspruch. Anstatt die derzeitige Entwicklung als eine Chance zu nutzen, sieht man taten-los dem Zusammenbruch entgegen.

Stefan Montag undFranziska Puhlmann

Der Studentenrat veranstaltet am Montag, den 18. Oktober ein WG-Gründungstref-fen in der Cafeteria Carl-Zeiss-Straße 3.

Und schon wieder eine Absage – Zim-mersuche ohne Erfolg vermasselt vie-

len den entspannten Start ins StudiumFOTO: KATHARINA SCHMIDT

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Titel

„Nicht auf Zeit setzen!“

Max Welch Guerra ist Professor für Raumforschung und Raumplanung an der Bauhaus-Universität Weimar. 1974 emigrierte er als politischer Flüchtling aus seinem Heimatland Chile in die BRD. Ein Schwerpunkt seiner Forschung ist die Entwicklung thüringischer Städte. Mit AKRÜTZEL spricht er über seine Wohn-situation als Student und erklärt, warum Leerstand nicht gleich Leerstand ist.

Wie haben Sie als Student gewohnt?Ich hatte das Glück, dass ich von 1976 bis 81 in Westberlin studiert habe. Ich war sehr früh alleinerziehender Vater. Damals habe ich in einer WG gewohnt, da waren wir drei Männer mit unseren Kindern. Das ging alles, weil es eine Mietpreisbindung gab und weil wir in Westberlin insgesamt preiswerte Mieten hatten. Wir haben auch dafür gekämpft und Häuser besetzt, damit alte Bauten nicht abgerissen werden. Und insofern kann ich sagen: Ich habe als Stu-dent nicht gelitten. Das lag nicht daran, dass ich viel Geld hatte, denn ich war vom BAföG abhängig. Außerdem war ich politischer Flüchtling und hatte ein Kind. Es lief, aber nicht, weil ich besonders fit war, sondern weil die Bedingungen stimmten, die das Wohnen für Bezieher kleiner Einkommen möglich machten. Und darum finde ich, dass andere auch dieses Recht haben sollten. Schließlich geht es hier nicht nur darum, dass man Geld sparen will, um mehr trinken oder kiffen zu können.

Sondern?Es geht darum, dass wir gerade in jungen Jahren die Möglichkeit haben sollten,

unser Leben zu gestalten, zum Beispiel indem wir eine WG gründen oder ein Kind haben. Letzten Endes um die Selbst-bestimmung und die Möglichkeiten zur Entfaltung des eigenen Lebens, und das ist ein hohes Gut!

Jena hat einen Wohnungsleerstand von unter einem Prozent. Wie wenig Leerstand verkraftet eine Stadt? Es ist tatsächlich so, dass kein Wohnungs-markt ohne einen minimalen Leerstand funktioniert. In der Wohnungswirtschaft spricht man oft von drei Prozent, allein schon deshalb, weil bestimmte Woh-nungen renoviert werden müssen. Diese stehen dann noch ein oder zwei Monate leer. Leerstand ist ja nur eine rechnerische Größe. Man muss das genauer betrach-ten, weil nämlich Bezieher niedriger Ein-kommen, und die meisten Studierenden gehören dazu, nichts davon haben, dass Wohnungen leer stehen, die für Bezieher hoher Einkommen angeboten werden. Es kann sein, dass es in einer Stadt viele Wohnungen gibt, die leer stehen und über 2.000 Euro kosten und die nicht für eine Achter-WG geeignet sind. Es bringt nichts, wenn der Leerstand fünf Prozent beträgt, aber das nur Wohnungen für Manager oder Professoren sind.

Wen betrifft dieser Mangel?Das ist ein generelles Problem, das gilt auch für Auszubildende, junge Arbeitslo-se, auch für alleinerziehende Männer und Frauen mit geringem Einkommen. Jede Gesellschaft, jede Stadt braucht einen Mindestanteil an preiswerten Wohnungen und daran mangelt es in vielen Städten.

In Jena ging man lange davon aus, dass die Studentenzahlen einbrechen. Dies ist bis jetzt nicht zu erkennen. Aus dieser Angst heraus hat man auch keine Maßnahmen für die Schaffung neuen Wohnraums ergriffen. War das ein Fehler?Natürlich gibt es kein Naturgesetz, das solche Zahlen stabil hält. Die Zahl thürin-gischer Studenten wird in absehbarer Zeit rapide sinken. Aber gerade die Hochschu-len in Jena und Weimar müssen sich nicht allzu große Sorgen machen, denn sie sind Standorte, zu denen viele Studierende von außerhalb ziehen. Und woanders gehen die Geburten nicht so stark zurück und dann haben wir außerdem noch die ausländischen Studierenden. Die kom-men ja auf jeden Fall. Solche Probleme

lösen sich nicht von selbst. Man muss Strategien entwickeln und aktiv sein. Man kann nicht auf Zeit setzen, das ist unver-antwortlich.

Alternativen zum Leben in Jena finden sich momentan einzig im Umland. Gerade in diesem Jahr werben Woh-nungsgesellschaften aus Kahla und Apolda bei Studenten dafür, dass di-ese sich dort niederlassen sollen. Wie sinnvoll sind solche Bemühungen? Apolda hat demografische Schwierig-keiten wie die meisten Städte in Ost-deutschland, ich würde aber nie sagen, dass Apolda dabei ist auszusterben. Dort gibt es nicht nur Probleme, Apolda ist eine attraktive Stadt. Von Weimar aus haben wir den Blick auch nach Apolda geworfen und wir versuchen sogar stu-dentische und akademische Aktivitäten dorthin auszulagern. Ich finde, es ist kei-ne Zumutung, dort zu leben. Für Apolda können diese Bemühungen durchaus ein Gewinn sein.

Geht dadurch nicht ein Teil des Stu-dentenlebens verloren?Es ist auf jeden Fall daran zu denken, wie die Leute hin und zurück kommen. Es soll nicht dazu führen, dass sie mit dem Auto fahren, das wäre furchtbar. Aber wenn die Anbindung durch öffentliche Verkehrs-mittel gut ist, dann würde ich das unter-stützen, auch wenn natürlich die meisten Studierenden möglichst nah an der Uni wohnen wollen. Meine Ansicht entspricht damit natürlich nicht der eines Studieren-den. Ich finde es aber aus der Perspekti-ve des Landes Thüringen eine gute Idee. Allerdings sollte jeder frei entscheiden können. Für Jena darf es keine Ausrede sein, dass man in einem Nachbarort le-ben könne.

Das Gespräch führte Johanne Bischoff

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Interview mit einem Weimarer Stadt- und Raumforscher

FOTO: PRIVAT

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Titel

Pro: Eine bewährte Methode

Volle Hörsäle, kaum Kontakt zum Professor und Kampf um Seminare.

Eine gute Lehre sieht anders aus. Je mehr Studenten eingeschrieben sind, desto schlechter wird die Lehre für den Ein-zelnen. Und natürlich möchte man be-sonders denjenigen die Chance auf ein gutes Studium bieten, die es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch abschließen. Also braucht man eine Methode, die die-se Wahrscheinlichkeit gut abbildet. Hier hat sich der NC bewährt.Der Numerus Clausus ist fair. Schließlich wird die Abiturnote in einem Zeitraum von zwei Jahren ermittelt. Wer bei einem Einstellungstest einen schlechten Tag hat, wird vielleicht abgelehnt, obwohl er das Studium mit links hätte schaffen können. Wer zwei Jahre lang einen schlechten

Tag hatte, wird auch im Studium stän-dig schlechte Tage haben. Zumindest in Thüringen sind die Wahlmöglichkeiten in der Oberstufe so gestaltet, dass man sich auf ein Gebiet spezialisieren und talentfreie Zonen großräumig umschif-fen kann. Gleichzeitig kommt man um Mathe, Deutsch, Geschichte, eine Na-turwissenschaft und eine Sprache nicht herum. Das ist aus folgenden Gründen fair: Erstens wird ein Physik-Leistungs-kursler nur in den seltensten Fällen später Kunstgeschichte oder Philosophie studie-ren. Die Noten sind für die konkrete Be-werbung also oftmals relevant. Zweitens kommt man um Kernkompetenzen nicht herum, die Noten sind also zu einem ge-nügend großen Anteil vergleichbar. Das Abitur hauptsächlich mit Religion und

Kunst zu bestreiten, ist hier nicht mög-lich. Außerdem weiß jedes Kind, dass die Abiturnote für die Wahl der Hochschu-le entscheidend ist. Bei Einstellungstests und Motivationsschreiben ist längst nicht klar, was gefordert wird. Besonders bei letzteren kommt eine gehörige Portion Willkür ins Spiel.Man geht davon aus, dass man im Stu-dium ähnlich fleißig, organisiert oder faul ist wie in der Schule. Deshalb ist es auch wichtig, dass man sich bereits in der Schule eine gute Selbstorganisation zulegt. Der Anreiz dafür ist vor allem die Abiturnote. Aber die ist am Ende ja auch nicht der Weisheit letzter Schluss, schließlich gibt es auch die Wartezeitlis-te.

Stefan Montag

Der gemeine Student ist ein parasi-täres Wesen. Parasitismus kann man

im weitesten Sinne auch als Schmarot-zertum bezeichnen. Denn das ist es, was Studenten machen: Sie suchen sich einen Wirt, in diesem Falle die schöne Stadt Jena und deren Universität, beißen sich in ih-rem weichen Fleisch fest und nutznießen so sämtliche Vorzüge, ohne selbst etwas beizutragen. Gleichzeitig sorgen sie dank ihres ausgeprägten Sexualtriebes auch noch dafür, dass der Platz in der Stadt langsam knapp wird. Nun können Stu-denten leider weder mit Flohspray noch mit dem Kammerjäger bekämpft werden. Da hilft nur die Zulassungsbeschränkung. Beschränken wir erst die Plätze in den beliebten Studiengängen, erledigen sich sämtliche Probleme von selbst: Überfüllte Seminarräume, kilometerlange Mensa-Warteschlangen und Revolverduelle um freie WG-Zimmer würden ab sofort der

Vergangenheit angehören. Gleichzeitig ist dieses Verfahren natürlich an Gerechtig-keit unerreicht: Die besten Abiturienten bekommen die Studienplätze und haben Aussicht auf entspanntes, weil teilneh-mermäßig überschaubares Studieren. Das alte liberale Argument: Wir haben alle die gleichen Startchancen, also auch die sel-ben Möglichkeiten, ein herausragendes Abiturzeugnis zu ergattern. Wer in der Schule pennt, kann sich hinterher auch nicht beschweren, wenn er seinen Le-bensunterhalt als Kellner bei sieben Euro Stundenlohn verdienen muss. Von Selek-tion kann da keine Rede sein. So zumin-dest der alte Tenor.Unbeachtet bleibt dabei stets, dass der Bildungsgrad eben nicht allein vom Fleiß des Schülers oder von seiner Begabung abhängt. Der soziale Hintergrund beein-flusst den schulischen Erfolg immens, was nicht an irgendwelchen seltsamen Genen

liegt, die ein Mitglied der Bundesbank gerade entdeckt haben will. Deutschland ist in dieser Hinsicht übrigens führend: In keinem anderen EU-Land entscheidet der soziale Stand der Eltern so stark über die Bildungschancen der Kinder. Fest steht: Das Bildungssystem reproduziert soziale Klassen. Das fängt nicht erst bei der Studi-enzulassung an. Dennoch bleibt die Fra-ge, ob man die Unterschiede unbedingt durch stärkere Zulassungsbeschränkungen zementieren will. Und selbst diejenigen, die Menschen nach ihrem volkswirt-schaftlichen Nutzen beurteilen wollen, sollten sich fragen: Wenn wir daran zu-rückdenken, wie viel unsere Abiturnote über unsere tatsächlichen Fähigkeiten aussagt – wollen wir Scharen von mögli-cherweise fähigen Akademikern wirklich die Chance verbauen, unsere Gesellschaft als Humankapital zu bereichern?

Philipp Böhm

Contra: „Fair“ sieht anders aus

FOTO:LARS HAMMAR /FLICKR.COM

Zulassungsbeschränkung gegenPlatzmangel? Zwei Meinungen

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Uni

Im Rathaus in Jena geben sich regelmä-ßig Menschen das Ja-Wort. Am 7. Okto-

ber wollte dort auch der Studierendenrat der FSU Ja-Worte geben: seinem neuen Vorstand. Bei der konstituierenden Sitzung des Gremiums der Studenten gab es aber vor allem „Neins“.Die Sitzung beginnt 16 Uhr mit kurzen Redebeiträgen der Ehrengäste. Geladen sind Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD), der Rektor der FSU Klaus Dicke und der Geschäftsführer des Stu-dierendenwerks Thüringen Ralf Schmidt-Röh. In Vertretung für den Rektor, der we-gen anderer Termine verhindert ist, kommt der Kanzler Klaus Bartholmé. „Es ist sehr, sehr wichtig, dass wir dieses Gremium haben“, sagt der Oberbürgermeister. Die Studenten seien für die Stadt schließlich auch ein großer wirtschaftlicher Faktor. Auf den „gigantischen Run auf Zimmer“,

Vorerst kopflosStura startet ohne Vorstand ins neue Semester

der sich zum Wintersemester in Jena regel-mäßig wiederhole, geht er auch kurz ein: Der Wohnungsneubau sei von 200 auf etwa 400 Wohnungen verdoppelt wor-den. Schröter wolle aber „kein Süßholz raspeln“ und betont seine Bereitschaft zum Gespräch, wenn es Probleme gäbe. Auch Schmidt-Röh redet über das Thema Wohnen und verspricht 300 neue Wohn-möglichkeiten im nächsten Jahr.Nach den einleitenden Worten der Gäste geht man zur Tagesordnung über. Unter Punkt vier wird die Wahl des neuen Stu-ra-Vorstandes geführt. In drei Wahlrunden sollen die drei für den Vorstand notwen-digen Personen ermittelt werden. Ihr Amt üben sie auf zwei Semester befristet aus. Geld gibt es zwar keines, dafür aber eine Menge Arbeit.Kandidaten für die jeweilige Wahlrunde können von allen Gremiumsmitgliedern vorgeschlagen werden. In Runde eins kommen immerhin sieben potentielle Kandidaten zusammen. Bis auf Pieter Heubach nimmt jedoch niemand seine Aufstellung an. Nach der Vorstellung und ausführlichen Befragung des Kandidaten, der sich selbst als „unpolitischen Bur-schenschafter“ bezeichnet, kommt es zur geheimen Abstimmung. Fünf mal „Ja“ und 12 mal „Nein“. Nächste Runde. Wieder werden Vorschläge gemacht. Die Anzahl

schnellt in die Höhe: 15. „Das heißt, dass heute gar nichts mehr passiert“, kommen-tiert ein Gremiumsmitglied. Satte 14 leh-nen ihre Aufstellung ab. Übrig bleibt Andre Krautz. Auch er muss sich kurz vorstellen. Auch er wird ausführlich zu Themen wie Frauenquote, Studiengebühren und Links-extremismus befragt. Schnell wird klar: Er ist pragmatisch, hat keine Erfahrung in Gremienarbeit und ist schlecht vorberei-tet. Mit 11 mal „Ja“ und sieben mal „Nein“ erlangt er nicht die notwendige Zweidrit-tel-Mehrheit der 23 anwesenden Stura-Mitglieder.Die dritte Wahlrunde wird schließlich abgebrochen. Auf einer der nächsten Sit-zungen soll es eine Debatte darüber ge-ben, ob der Vorstand von drei auf fünf Mit-glieder vergrößert wird und gleichzeitig Externe als Vorstandsmitglieder zugelassen werden. Man verspricht sich davon eine geringere Arbeitsbelastung für den Einzel-nen und damit letztlich mehr potentielle Kandidaten. Es ist nun etwa halb zehn am Abend. Auf der Tagesordnung stehen noch 11 weitere Punkte.Wenn bis zum 18. Dezember der Vorstand nicht komplett gewählt ist, muss sich der Stura selbst auflösen. Dann stünden Neu-wahlen an, die geschätzt etwa 11.000 Euro kosten würden.

Kay Abendroth

FOTO: KAY ABENDROTH

Liebe Erstis, viele von euch sind ob-dachlos. Das ist zwar nicht schön,

bietet aber auch Chancen und Möglich-keiten, solange ihr euch nicht für fünf Euro auf den Feldbetten von Burschenschaf-tern einmietet. Wir stellen euch die besten Alternativen für Wohnungsfreie vor:

Bett teilen: Asiatische Untersuchungen zeigen, dass durch geschicktes Stapeln bis zu zwölf Personen in einem 90 cm brei-ten Bett schlafen können. Tetriskenntnisse sind von Vorteil.

Partyhopping: Selbst wenn sich die Party schon seit Stunden aufgelöst hat, einfach hartnäckig in der Küche sitzen bleiben, bis die erste Vorlesung beginnt. Sollten die WG-Bewohner einen doch rausschmeißen

wollen, muss zu härteren Mitteln gegriffen werden. Stelle dich besoffen, reihere auf den Teppichboden und falle schlaff wie ein Sandsack zu Boden.

Pärchenhopping: Pärchen haben die seltsame Angewohnheit, im selben Bett zu schlafen, selbst wenn jeder sein eige-nes besitzt. Eines bleibt also leer. Welch unnützer Luxus! Freunde dich mit einem Pärchen an und schlafe immer in dem Bett, das gerade nicht gebraucht wird.

Vorlesungssaal: Mache den Tag zur Nacht und schlafe, während deine Sitz-nachbarn studieren. Wenn du einen Ort für dich allein brauchst, kannst du auch einen neuen Bildungsstreik ausrufen und Hörsäle besetzen.

Romanze mit deinem Prof: Neben einer schicken Villa mit massig Platz garantiert dir diese Schlafmöglichkeit auch noch gute Noten. Tiefgarage: Bietet Wärme und Schutz vor Meteoriteneinschlägen. Kleiner Nachteil: Möglichkeit des plötzlichen Erstickungs-todes.

Bank: In Bankfilialen ist es nachts flau-schig-warm und dank umfassender Kame-raüberwachung kannst du dich stets sicher fühlen. Ein schlechtes Gewissen ob dieses Schmarotzertums muss dich auch nicht quälen, im Laufe deines Lebens wirst du der Bank deines Vertrauens noch genug Geld schenken.

Isabel Schlegel

Not macht erfinderischRatgeber für wohnungslose Erstsemester

Titel / Uni

Die konstiuieren-de Stura Sitzung im Rathaus: wie viele Wahlrun-den braucht man wohl dieses Mal?

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Stadt

Viehmarkt wieder nazifreiDas rechtsradikale „Fest der Völker“ wurde dieses Jahr abgesagt

Es ist ein Abschied, der nicht schwer fällt: Nachdem 2009 das rechtsradi-

kale „Fest der Völker“ bereits zum vierten Mal stattgefunden hatte, wurde die Ver-anstaltung, eigentlich für den 11. Sep-tember geplant, dieses Jahr abgesagt. Das Rechtsrock-Festival existiert seit 2005 und wurde unter anderem von der Thüringer NPD unter dem Motto „Für ein Europa der Vaterländer“ organisiert. Dabei lockte es jedes Jahr Neonazis aus ganz Europa nach Thüringen. Eigentlich war von An-fang an Jena als Veranstaltungsort geplant. Dort sollte das Festival mindestens zehn Jahre lang stattfinden. 2006 fiel das „Fest der Völker“ bislang das einzige Mal ins Wasser, da die Polizei durch die Fußball-WM zu stark eingebunden war. Dieses Jahr wurde das Festival nun das erste Mal direkt von den Veranstaltern abgesagt. Dennoch ist fraglich, ob es sich bei der Absage tatsächlich um einen endgültigen Abschied handelt.

Keine Feierlaune

Luise Zimmermann vom Jenaer Aktions-netzwerk gegen Rechtsextremismus warnt davor, in Feierlaune zu geraten: „Das The-ma ist noch nicht abgehakt, obwohl es natürlich ein Fortschritt ist, dass es dieses Jahr nicht stattgefunden hat.“ Für den Aus-fall könne man sich jedoch nicht „auf die Schulter klopfen“: „Wir wissen nicht, war-um das Fest der Völker abgesagt wurde. Es gibt viele mögliche Gründe“, sagt Zim-mermann. Die in den vergangenen Jahren organisierten Proteste und Sitzblockaden seien wahrscheinlich ein Faktor gewesen, genau ließe sich das allerdings nicht sa-gen. 2007 hatten sich in Jena Tausende den Nazis in den Weg gestellt, danach wurde das Fest zunächst nach Altenburg, schließlich auf den Pößnecker Viehmarkt verlegt und zog deutlich weniger Teilneh-mer an. Eine wichtige Funktion der Ge-genaktivitäten sei, den Nazis den „Spaß zu verderben”, meint Eckart Hesse, der ebenfalls im Aktionsnetzwerk organisiert ist. „Nazis aus Schweden beispielsweise werden es sich zweimal überlegen, ob sie in den Bus steigen, wenn sie wissen, dass sie hier zahlreiche Blockaden erwarten, dass sie möglicherweise überhaupt nicht oder nur sehr verzögert zu der eigent-

lichen Veranstaltung kommen werden.“ Sehr wichtig findet er auch, durch Proteste den Veranstaltern zu zeigen, dass sie eben nicht für die „schweigende Mehrheit” sprächen, was sie sonst immer behaupte-ten. Ob letztendlich die Blockaden, inter-ne Konflikte oder schlicht zu hohe Kosten für den Ausfall sorgten – darüber kann nur gemutmaßt werden.Denn eigentlich gilt Thüringen in Nazi-kreisen nach wie vor als „Festivalland”. Gegenüber dem „Thüringentag der na-tionalen Jugend” und dem „Rock für Deutschland” hatte das „Fest der Völker” vor allem durch seinen europäischen Charakter eine Ausnahmerolle. Das ge-samte Festival stand unter dem Banner des sogenannten Ethnopluralismus. Im Gegensatz zu „älteren” Ideologien der ra-dikalen Rechten wird hierbei ein Europa aus unabhängigen starken Nationalstaa-ten beschworen. Oder knapp herunter-gebrochen: Der Nazi von heute hat kein Problem mit dem polnischen Kameraden, solange der auch in Polen bleibt. Über die wahren Gründe kann auch deshalb nur spekuliert werden, weil er-fahrungsgemäß fast keine Informationen aus der Szene kommen. Die einzige Infor-mation über das Fest war die Anmeldung der Veranstaltung durch den bekannten Thüringer Neonazi Andre Kapke. Nach-dem Kapke zu mehreren Kooperationsge-sprächen mit der Polizei nicht erschienen war, wurde das Fest Anfang September schließlich abgesagt. Mittlerweile findet sich auf der offiziellen Mobilisierungssei-te eine Erklärung der Veranstalter. Dort geben sich die Thüringer Nazis selbstbe-wusst und verkünden, der einzige Grund für den Ausfall der Veranstaltung sei der Plan gewesen, das „Fest der Völker“ im nächsten Jahr auf zwei Tage auszudehnen – dem „rechtswidrigen Verhalten“ der „Gutmenschen“ zum Trotz. Gleichzeitig scheint es so, als würden Neo-faschisten auch in Jena wieder Aufwind bekommen. Die Zunahme von Nazi-Graffiti im letzten Jahr ist ein Indiz dafür. Seien es FN-Jena-Schriftzüge, FS-Tags oder Solidaritätsbekundungen für Rudolf Heß: die Rechten haben offensichtlich die Straße bzw. die Wände als Austragungsort sozialer Konflikte wiederentdeckt. Eckart Hesse vom Aktionsnetzwerk geht jedoch

nicht von einem tatsächlichen Zuwachs der Szene aus, sondern sieht in solchen Graffiti vielmehr einen Strategiewechsel der radikalen Rechten: „2009 war Wahl-jahr. Da gab es die Hoffnung bei den Na-zis, auch parlamentarisch etwas auf die Beine zu stellen. Dazu musste das gutbür-gerliche Image rausgekehrt werden.” In diesem Jahr fiel dieses bindende Element nun weg.

Nicht auf große Events beschränken

Das Thema Gewalt sei laut Hesse aber nie wirklich verschwunden, inzwischen orga-nisiere sich der „harte Kern” der Szene jedoch stärker, was man an den Graffiti, aber auch an einer höheren Bereitschaft zu körperlichen Übergriffen sehen könne. Das Problem beschränke sich auch nicht nur auf den vergleichsweise kleinen Kreis von Personen, der die eigentliche Szene ausmacht, sondern zeige sich vielmehr in der teilweise erschreckend hohen Über-einstimmung der Positionen mit denen der sogenannten „Mitte der Gesellschaft”. „Wir haben das immer wieder erlebt, dass Nazis Themen besetzen, die momentan die Gemüter erregen”, meint Hesses Kolle-ge Dennis Eversberg. Deshalb sei es umso wichtiger, sich nicht nur auf die großen Events zu beschränken, sondern das ge-samte „Problemfeld durch kontinuierliche Arbeit zu beackern”, also alltäglichen Vorurteilen, alltäglichem Rassismus ent-gegenzutreten, sei es durch Aufklärungs-arbeit oder durch öffentlichkeitswirksame Aktionen. Ein Vorhaben, das nicht erst seit der breiten positiven Rezeption der Sarra-zin-Thesen notwendig erscheint.

Philipp Böhm

Am Samstag, den 16. Oktober, wollen Neonazis durch Leipzig marschieren. In-formationen zu den Gegenaktionen findet man auf www.leipzig-nimmt-platz.de und 1610.blogsport.deDas nächste Plenum des Aktionsnetz-werks findet am 4. November um 20 Uhr im Hörsaal 7 in der Carl-Zeiss-Straße 3 statt. Momentan befindet sich außerdem eine Ausstellung zum Thema „Neofa-schismus“ im Foyer desselben Gebäudes.

Hässlich und ras-sistisch: Eines von zahlreichen Nazi-Graffi ti in Lobeda Ost wirbt für die

Kameradschaft „FN Jena“.

FOTO: AKTIONSNETZWERK

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schwanden, sobald es nichts mehr zu essen gab. Planungstreffen fanden an einem geheimen Ort statt. Gerüchte-weise waren diese Treffen geprägt vom Konsum alkohol- und kohlensäurehal-tiger Getränke und von ständigem Är-ger über die musikalische Beschallung. Dennoch schafften es die jungen krea-tiven Geister stets, eine Seite zu füllen. Mittlerweile sind die Geister aber weder jung noch kreativ, sodass mit dem Be-ginn des Wintersemesters das Feigen-blatt seine Produktion einstellt.Für das Akrützel bedeutet das eine Ab-nahme von mehr oder weniger geistvol-ler (wenn auch zutiefst kleinbürgerlicher) Satire und eine Zunahme von ebenso kleinbürgerlicher, dafür aber erschre-ckend langweiliger „journalistischer Arbeit“, die mit ihrer angeblichen Neu-tralität nur über eine mangelnde eigene Meinung des Autors hinwegtäuscht, der dank eines absolvierten dreiwöchigen Praktikums bei der OTZ-Lokalredaktion in Apolda selbstverständlich über das nötige Fachwissen verfügt, um selbst komplizierte institutionelle Zusammen-hänge an der altehrwürdigen Alma Ma-ter dem geneigten Leser verständlich zu machen. Für die Chefredakteurin von Jenas führender Hochschulzeitung bedeutet das Ende des Feigenblatts vor allem eine Abnahme von Leserbriefen,

oft erzürnter Art. Sie begannen meist mit den Worten „Eigentlich lese ich das Akrützel ja sehr gerne ...“,

manchmal auch „Grund-

Traueranzeigen

Es ruhe in FriedenEin Nachruf auf das Feigenblatt

Das Feigenblatt ist nicht mehr. Es wird keines mehr geben. Es kommt

nie wieder. Das heißt nicht nur, dass sich Scharen blutjunger Erstsemester in den Allerwertesten beißen werden, ob all der Späße, die sie versäumten. Es heißt auch, dass ein Redakteur einen Nachruf verfassen muss, in dem er mit einer ordentlichen Portion Pathos über den mit dem Ende der satirischen letz-ten Seite einhergehenden Verfall der Universitätskultur klagen wird. Solche Texte neigen dazu, peinlich für alle Be-teiligten zu werden. Wie es auch ange-gangen wird, am Ende liest man doch nur dasselbe heraus: Untalentierter Nachwuchsredakteur sonnt sich in der Glorie der Vergangenheit, um von der eigenen Bedeutungslosigkeit abzulen-ken. Nichtsdestotrotz muss es einer ma-chen.Angelehnt an die berüchtigte „Garten-laube“, erschien im Herbst 2005 als konservatives Pendant zum links-hetze-rischen Akrützel die „Campus-Zeitung“ und beanspruchte die letzte Seite für sich. Bereits nach einer Ausgabe wurde das Projekt jedoch in Feigenblatt umge-tauft. Die zuständigen Redakteure fielen vor allem dadurch auf, dass sie sonntags spät kamen, alle Rechner blockierten, sämtliche Süßigkeiten verdrückten und schnell wieder ver-

sätzlich ist gegen Satire nichts einzu-wenden ...“. Dann aber brach die lang aufgestaute Wut des ehrbaren Studenten heraus: Die neueste Ausgabe des Fei-genblatts schieße ja deutlich über das Ziel hinaus, Satire sei das ja ohnehin nicht mehr, witzig ebensowenig und zudem in höchstem Maße pietätlos/sexistisch/diskriminierend/undeutsch/kommunistisch (Nicht-Zutreffendes bit-te streichen, gegebenenfalls ergänzen). Gefordert wurde nun mindestens die öffentliche Steinigung der Redakteure. Sollte dies aus unerfindlichen Gründen nicht möglich sein, dann wenigstens eine offizielle Entschuldigung bei sämt-lichen Personen, die sich unter Umstän-den angegriffen gefühlt haben könnten oder deren zartes ästhetisches Empfin-den durch niederträchtige Karikaturen und Fotomontagen traumatisiert wurde. Eifrigste Schreiber waren übrigens Mit-glieder der Bundeswehr, die sich von den diversen Eskapaden des Feigen-blatts des Öfteren missverstanden fühl-ten und in langen Beschwerdebriefen der Redaktion ihre gekränkten Herzen ausschütteten. Die Autoren solcher Briefe waren im Allgemeinen natürlich nicht von vorgestern, sondern wussten stets gut Bescheid, was Satire eigentlich ist und was sie darf.Mit dem letzten Feigenblatt wird das Akrützel-Postfach nun wohl verwaisen. Fünf Jahre sorgte die letzte Seite nicht nur für Zwist und Unfriede in der Saale-stadt, sondern auch für viele vergnüg-liche Straßenbahnfahrten, und machte nebenbei als geheime Banklektüre man-che Vorlesung wesentlich erträglicher.

Philipp Böhm

ZEICHNUNG: JOHANNES KRETZSCHMAR

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Exklusiv für Erstis

7. Die Schülerzeitung heißt jetzt Akrützel. 6. Du schreibst nicht mehr von der Tafel,

sondern von der Powerpoint-Präsentation ab.5. In der Cafeteria gibt es Bier, Sekt und Glühwein!

4. Dein Wikipedia-Referat muss mit Fußnoten versehen werden.3. Es gibt weniger Amokläufe (bisher).

2. Dein Hausaufgabenheft heißt jetzt Dschungelbuch.1. Du musst dich vom SchülerVz ins StudiVz umtragen!

Die wichtigsten Unterschiede zwischen Schule und Uni

Best

Veranstaltungstipp

Seien Sie auch dieses Jahr wieder dabei, wenn es zur alljährlichen rituellen Haarwaschung der Informatiker kommt. Seien Sie dabei, wenn es wieder einmal heißt: „Defrag/Hair“! Erleben Sie dieses einmalige Schauspiel in den frühen Mor-genstunden in der Saaleaue! Das „Defrag 10“-Team erwartet Sie!

Berufe, in denen man nicht überwacht wird (I)

Angenommen Sie wären ein Frühstücks-Ei. Würden Sie lieber aufgeklopft und abgepellt oder lieber angeköpft und durch-gesägt werden?Stellen Sie sich vor, sie wären Uran. Würden Sie lieber von Menschen angereichert werden oder von Natur aus strahlen?Stellen Sie sich vor, Sie wären eine philosophische Frage. Wä-ren Sie lieber rhetorisch oder suggestiv?

1.

2.

3.

Philosophische Fragen

Islamistischer Mehrtürer

In 20 Jahren

Die Bahnprivatisierung ist abgeschlossen.

Der erste Büstenhalter war ein Marmorsockel.In Jena kann man leicht gruß-grämig werden.Handys werden aus Telefonzellen gezüchtet.Luftballons haben Platzangst.90 Prozent der Deutschen können nicht richtig integrieren.12 Prozent können dafür richtig gut zuschlagen.

1.2.3.4.5.

Wussten Sie schon?

Seine Kleinwüchsigkeit und seine hoch aufragender Haarkamm verleihen ihm ein possier-liches Aussehen. Dieser harmlose Eindruck wird von einem grauen Mao-Schlafanzugsfell, dass ihm die Evolution angelegt hat, unterstützt. Doch Vorsicht! All dies ist nur Tarnung. Wie zum Beispiel seine Plateauschuhkrallen. Durch sie wirkt er nicht nur größer, sondern stößt auch mittels geschicktem Aneinanderschlagen warnende Klacklaute aus, wenn ein fremder Diktator sein Reich betritt. Einmal in seine Fänge geraten, kann das Opfer schnell einmal Arme, Beine oder andere Glieder verlieren. Sollten diese Warnungen aber nicht ausreichen, so hat der nordkoreanische Zwergdiktator noch seine Nukleardrüsen. Die verwendet er je-doch nur in höchster Gefahr und beim Jagen. In Nordkorea wird er als fast heilig verehrt. Ihm zu Liebe hungern die Menschen nicht wie im Gebiet des creatus diktatus mohamedanus nur ein paar Wochen lang, sondern das gan-

ze Jahr über. Doch wie so viele andere seiner Art ist auch der nordkoreanische Zwergdiktator bedroht: Der sich aggressiv ausbreitende homo democraticus engt dessen natürlichen Lebensraum mit internationalen Sanktionen immer weiter ein.

Im Reich der wilden Diktatoren (I)

Heute: Der nordkoreanische Zwergdiktator

Eine gute Frage, um mit Erstis ins Gespräch zu kommen, ist: „Wieso bist du im ersten Semester?“

Der Feigenblatt-Flirt-Tipp

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of

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Stadt

Pizza à la Roborto

Jenas Experimentarium: die „Imaginata“

Trendige Hipster aus München, Leipzig oder Ahrensfelde werden Jena bald

massenhaft mit ihrer Anwesenheit beglü-cken. Denn die Stadt kann seit ein paar Wochen mit der größten technischen Er-rungenschaft seit Erfindung des „Eis am Stiel“ aufwarten: Deutschlands erstem für die Öffentlichkeit frei zugänglichem Piz-zaautomaten! Mit bis zu 330 Grad wird die Fertigpizza in dem Hightechgerät erhitzt und soll so in weniger als zwei Minuten bissfertig sein. Das Ergebnis schmecke „frisch gebacken wie aus dem Stein ofen“, verspricht Ke-vin Büttner, Besitzer des Prunkstückes. Er kennt solche Geräte aus dem Mutterland kulinarischen Hochgenusses, den USA. Tausende von automatisierten Pizzabä-ckern sollen dort hungrige Kunden zufrie-denstellen, und so dachte Kevin Büttner, das „muss auch auf dem deutschen Markt klappen“. Ursprünglich hätte die Maschi-ne mit dem vielversprechenden Namen „Wonder Pizza Italy“ den Unicampus oder die FH mit ihrer Präsenz beehren sol-len. Nach Protesten des Studentenwerkes steht sie nun jedoch idyllisch gelegen am Alten Paradiesbahnhof, zwischen Gleisen

und Camburger Straße. Die „Wunderpiz-zen“ werden in Italien hergestellt. Dort werden sie fertig gebacken, schockgefro-ren, vakuumverpackt und nach Jena oder in die Welt geliefert. Auch ich verzehre mich nach der Neu-heit und ziehe mir für vier Euro eine Pizza. Die Bedienung ist idiotensicher, mit einem einzigen Knopfdruck kann zwischen den Sorten 5-Käse, Salami und Schinken-Champignons gewählt werden. Der Rest ist warten. Es rattert angenehm aus dem knallroten Automaten, der Ge-ruch zerschmolzenen Käses kitzelt in der Nase. Freudig öffne ich nach kurzer Zeit die babyklappenartige Vorrichtung und ziehe mein kleines „Wonder“ hervor: So ganz ausgewachsen scheint die Delikates-se mit ihrem Durchmesser von niedlichen 22,5 cm nicht. Und auch sonst sieht das, was da auf einem Stück Pappe liegt, eher enttäuschend aus. Der Rand ist schwarz-verbrannt, Champignons und Tomatenso-ße wirken vertrocknet. Dafür ist der Käse perfekt gebräunt und die Pizza dampft vor Hitze. Trotzdem: Das Geschmackser-lebnis wird durch das penetrante Gefühl getrübt, der verkohlte Rand könne krebs-

erregend sein. Und der Teig schmeckt, als wäre er nicht ganz durch. Begeistern konnte mich die Fast-Food-Revolution nicht, aber mit Anschaffungs-kosten von 25.000 Euro hätte der Pizza-automat sowieso mein Budget gesprengt. Tausende von Pizzen wird Kevin Büttner verkaufen müssen, damit sich sein Traum einer Pizza, die 24/7 gemampft werden kann, finanziell auszahlt. Immerhin, Sozialabgaben und Rentenkas-senbeiträge müssen für einen Pizzaauto-maten bisher nicht gezahlt werden. Und auch die Gefahr eines Streikes für bessere Arbeitsbedingungen wird von Experten als eher gering eingeschätzt.

Isabel Schlegel

Am Hintereingang der Goethe-Gale-rie trug sich dieser Tage etwas Wun-

derbares zu. Zwei Mädchen, noch keine Teenager, taten etwas, was der Redakteur nicht auf Anhieb verstand: Sie warfen eine Jacke nach einem Stück orangenen Papier, das hoch droben an den Scheiben des spärlich besuchten Bistros B 12 klebte. Und erst das Wegschlagen des Zettels vom kalten Glas durch das fliegende Kleidungs-stück ließ den Redakteur verstehen, denn das Blatt stieg gleich einem Ballon empor, statt tumb gen Boden zu taumeln. Dort in der Abenddämmerung trieben die jungen Damen ein physikalisches Spiel mit der warmen, aufstrebenden Abluft, die den Kellerräumen entwich und das Papier in die Höhe trug.Ein ganzer Spielplatz für solch naturwis-senschaftliche Phänomene versteckt sich seit 1999 im Gewerbegebiet Nord: die Imaginata. Der gleichnamige Verein hat auf dem Gelände des ehemaligen Um-

spannwerkes ein „Experimentarium für die Sinne“ geschaffen, in dessen Zentrum ein Stationenpark mit mannigfaltigen physikalischen Experimenten und Wahr-nehmungsphänomenen zum Selberma-chen steht.Da kann sich der tapfere Radfahrer unter den Besuchern dann auf ein gespanntes Hochseil wagen und für einige wenige Minuten Anschluss an die furchtlose Ar-tistenfamilie Traber finden – gesichert mit einem Gegengewicht, versteht sich. Eine andere Station, die Tastatur, ist eine verwinkelte Gangkonstruktion, deren In-nenleben pechschwarz und mit Teppich verkleidet ist. Der mutige Gast erblindet für die Zeit des hilflosen Vorantastens und im Stockdunklen wird er auf seine haptische und auditive Wahrnehmung zu-rückgeworfen – eine düstere Perspektive. Mitmachen ist an allen Stationen Pflicht, das Entdecken verschiedenster physika-lischer Zusammenhänge garantiert. Doch

die Freude an der Sache ist nicht nur den Heranwachsenden vorbehalten, auch der Ältere kann sich an dieser kindlich anmu-tenden Entdeckungstour erfreuen. Oben-drein ist er nicht allein auf die kindlich Perspektive reduziert: Wer beispielsweise die Station Camera obscura, eine große begehbare Lochkamera, als Ausgangs-punkt nimmt, der kann schnell in die philosophische Vergangenheit reisen und bei Descartes oder Locke angelangen. Die Camera obscura, in deren Innerem durch ein kleines Loch einfallendes Licht dafür sorgt, dass die davor liegende Außenwelt kopfüber auf die gegenüberliegende Wand projiziert wird, wurde von beiden genutzt, um über die menschliche Wahrnehmung zu philosophieren. Ein Muss sind diese Gedanken nicht. Das Nicht-Kennen des archimedischen Prinzips hat den beiden Mädchen von der Goethe-Galerie ja auch nicht den Spaß am Spiel geraubt.

Christian Fleige

Pizza 24/7 in zwei Minuten – Akrützel hat getestet

Ein Blick ins Kaleidoskop in der Imaginata.FOTO: CHRISTIAN FLEIGE

Wie von Sinnen

FOTO: CHROSTOPH WORSCH

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Seit längerem ist bekannt, dass die Woh-nungssituation in den Hochschul-

städten immer schlechter wird. Gera-de zu Semesterbeginn ist es für Stu-dierende oft kaum möglich angemes-senen und bezahlbaren Wohnraum zufinden. Die Studierendenvertretungen aus Marburg, Jena und Greifswald wollen da-her bis Ende November mit mehreren tausend Plakaten auf dieses ungelös-

Fensterdemo für mehr studentischen und sozialen Wohnungsbau

Der Studierendenrat der Uni sucht neue unterstützende Köpfe und

Hände für die weitere kontinuierliche Arbeit an den vielen studentischen Pro-jekten und Veranstaltungen. Gebraucht werden ein(e) Menschen-rechtsreferentIn, ReferentIn für Öffent-lichkeitsarbeit, für Technik und eine(n) neuen KTS-Delegierte(n). Bewerbungen sind bis zum 15. November an [email protected] zu schicken. Nähere Informationen zur Referatsarbeit gibt es auf unserer Homepage und im neuen Dschungelbuch. Natürlich können auch alle anderen Interessierten einfach zu den Referats-sitzungen kommen, um auch ohne ge-wählt zu sein, mitarbeiten zu können.

Verstärkung gesucht

Du hast noch kein WG-Zimmer? Du hast eine große Wohnung in

Aussicht aber keine MitbewohnerInnen oder andersherum? Dann komm vorbei und finde nette Mit-bewohnerInnen, eine Wohnung und jede Menge Infos rund ums Wohnen in Jena und Umgebung! Das Treffen findet am 18. Oktober um 16 Uhr in der Cafeteria, Carl-Zeiss-Stra-ße 3, statt. Der StuRa und das Studie-rendenwerk stehen dir mit Rat und Tat zur Seite!

Gründungstreffen

Hol dir dein Dschun-gelbuch!

Folge mit dem Gut-schein in der Hand

einfach den Fuss-spuren im Unigebäu-de Carl-Zeiss-Straße

3 und hol dir den besten Studienführer

des Jahres.

te Problem in ihren Städten hinwei-sen. Sie rufen alle Studierenden undauch die Einwohner_innen auf, ihrem Unmut über eine KommunalpolitikAusdruck zu verleihen, die zwar gern mehr junge Menschen in die Städtelocken will, aber sich zugleich um die Schaffung der Voraussetzungendrückt. Nach den Vorstellungen der Vertretungen sollen an Fenstern von

Wohnungen in der ganzen Stadt Pla-kate zu finden sein, die eine Tür unddas Schild „überbelegt“ zeigen. Er-gänzt wird es um die Forderung „Fürmehr sozialen/studentischen Woh-nungsbau!“ Holt euch die Plakate bei uns im Stu-Ra ab und zeigt euren Frust und den Wunsch nach Veränderung in euren Fenstern!

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... FÜR DEN INHALT DIESER SEITE IST DER FH-STURA VERANTWORTLICH, NICHT DAS AKRÜTZEL ...

Allen Studierenden der FH, die in dieser Woche im hauseigenen Copyshop

Skripte ausdrucken wollten, erlebten eine nette Überraschung. In kuschligem Limonengrün präsentierte sich der Druckpunkt den Studierenden. Aber nicht nur die Farbe ist neu. Ein stimmigeres Raumkonzept und die Überarbeitung des Serviceangebots sollen dazu beitragen, dass „an der FH kopieren“ wieder Spaß macht. So bietet der Copyshop nun auch Buchbindungen mit Hardcover und Metallbindung für einen sensationell

günstigen Preis von nur 7,50� an. Des Weiteren gibt es in diesem Semester zum ersten Mal den Scriptservice. Dieser kümmert sich um die Entgegennahme, Vervielfältigung und Verteilung von Vorlesungsscripten, damit auch jeder Student zu Semesterbeginn die passenden Unterlagen parat hat. Unter anderem erfolgt die Scriptarchivierung jetzt digital, sodass kein Qualitätsverlust mehr beim Kopieren auftritt. Natürlich können die Dokumente auch wie gewohnt mittels USB-Stick in die Druckerwarteschlange

Da ist die Farbe noch längst nicht ab!

wandern. Wem die Skripte zu grau sind, dem kann auch geholfen werden. Ein neues Multifunktionsgerät sorgt für verbesserte Farbdrucke sowohl in A4 als auch in A3. Anders als bisher gibt es jetzt auch Kopierkarten für den kleinen Geldbeutel, sodass der kurzen Kopie zwischendurch nichts mehr im Wege steht. Wir hoffen auch dich demnächst als neuen Kunden im Druckpunkt begrüßen zu können. Bis dahin, viel Spaß im neuen Semester und viel Erfolg im Studium. Euer Copyshop-Team.

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Regentanz im JuliEindrücke von der 19. Kulturarena

Das Publikum war überfordert. Mit dem Shibusa Shirazu Orchestra ka-

men gefühlt noch tausend andere Per-sonen auf die Bühne: ein bestrohhuteter Maler, der auf einer großen Leinwand malte, zwei Gogotänzerinnen, die über die Bühne stolzierten, eine Dame, die mit zwei überdimensionalen Bananen tanzte, und diverse Butoh-Tänzer, die eine Mi-schung aus Pantomime und Tanz darstell-ten. Das japanische Kollektiv spielte eine absurde Mischung aus Balkanrhythmus, Freejazz und Ska. Solch ein Auftritt war aber nicht der Nor-malfall bei der diesjährigen, nunmehr 19. Kulturarena, die vom 7. Juli bis 22. August Musikfreunde auf eine musikalische Reise entlang der Nordostpassage mitnahm. Ne-ben den damit gesetzten Schwerpunkten auf Skandinavien und Asien konnten na-türlich auch Klängen aus anderen Teilen der Welt gelauscht werden.

Skeptisches Publikum

Im Gegensatz zum Shibusa Shirazu Or-chestra waren die beiden asiatischen Sän-gerinnen Vienna Teng und Sa Dingding eher poppig. Während die erste auf ihrem Klavier klimperte, schwebte die andere in einem Paradiesvogelkostüm über die Büh-ne und bemühte sich, das Publikum durch ihre Sopranstimme zu bezirzen. Leider war das Jenaer Publikum nicht so leicht zu beeindrucken. So musste die Mongo-lin, die in China große Hallen füllt, in Jena Schwerstarbeit leisten, um die 1.000 Zu-schauer zu überzeugen.Ähnlich schwer war es auch für das ehe-malige Blumfeld-Mitglied Jochen Dis-telmeyer: Der schüchterne Sänger kämpfte sich vor einem noch schüchterneren Pu-blikum durch sein Programm. Dagegen konnte Max Herre als Solokünstler mehr überzeugen und das Publikum von Anfang an für sich einnehmen. Die neuen Töne, die er mit seinem Soloalbum anstimmte, wurden nicht als störend empfunden, son-dern eher als Erweiterung seines musika-lischen Spektrums. Weder das Publikum noch Herre konnten am Ende voneinan-der lassen, sodass die gegebene Zeit bis zur letzten Minute ausgekostet wurde. Aus Skandinavien waren vor allem Frauen gekommen: Marit Larsen schaffte es, ihr Publikum in eine bauschige Wattewolke zu hüllen und es in eine facettenreiche Welt der Liebe zu entführen. Katzen-jammer hatten es dagegen schwerer, ihr Publikum zu animieren. Die vier Norwe-

gerinnen spielten mit voller Freude ihre eigene Version von Polkapop und Wes-ternmusik und wechselten dabei gekonnt die unterschiedlichsten Instrumente. Schlussendlich war der Großteil des Pu-blikums von den Qualitäten der vier über-zeugt – nur einige wenige Stimmen ließen sich nicht klein kriegen und meinten, der Bandname sei Programm.

Nicht nur Konzerte gut besucht

Darüber hinaus beeindruckte der altehr-würdige Fred Wesley mit seiner Posaune und einem wundervollen Funkabend. Jan Josef Liefers bewies, dass er nicht nur vor der Kamera eine gute Figur macht, sondern auch hinter dem Mikrofon. Ebenso konn-ten Los De Abajo mit ihrem Latin-Ska die Jenaer Kulturarena zum Kochen bringen. Zudem wies das Programm einige Popgrö-ßen auf, die es zu sehen lohnte: 2raumwo-hung, Milow, The Hooters (bekannt ist das Lied „All you zombies“).Wie in jedem Jahr gab es auch in diesem Jahr ein Theaterspektakel, das – neben den Ouvertürenkonzerten – die Kultura-rena eröffnete. Markus Heinzelmann, der künstlerische Leiter des Theaterhauses, inszenierte „Die Nibelungen“ und zeigte Jena wieder einmal, was er unter einem Spektakel versteht. Das komplette En-semble, Gastschauspieler, unendlich viele Statisten und noch mehr optische Reize sorgten für ein Übermaß an Geschehen. Dass dies nicht immer etwas mit hoher Kunst zu tun hat, liegt in der Sache selbst. So konnte das Stück auch nicht jeden Zu-schauer begeistern.Viele Jenaer ließen sich auch von der Film-arena anziehen, so war unter anderem „Berlin Calling“ ausverkauft. Die Kurz-filmnacht war ebenso heiß begehrt und zeigte in diesem Jahr neben Filmen vom back_up aus Weimar und vom Filmfest aus Dresden zum ersten Mal auch Filme vom Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm.Insgesamt sind die Veranstalter mit dem gesamten Programm und seiner Qualität zufrieden, genauso wie mit den Besucher-zahlen. 15 Termine waren ausverkauft, keine Veranstaltung ist ausgefallen. Trotz des sehr gewöhnungsbedürftigen Wetters, das zwischen Regen und Hitze schwank-te, brachte die Kulturarena wie in den ver-gangenen Jahren etwas Farbe und Leben in die sommerlich leergefegte Saalestadt.

Franziska Gleiniger

Von oben nach unten: Füße von Brass Banda, Marit Larsen, Publikum im Regen und Jan Joseph Liefers in Ekstase. FOTOS: KATHARINA SCHMIDT UND LOUISA REICHSTETTER

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Mit meiner Skulptur sage ich in der Ge-

genwart, was ich in der Vergangenheit nicht her-ausfinden konnte. Durch

eine Skulptur kann ich die Vergangenheit noch einmal erleben.“ Einen Teil dieser Vergangenheit der Künst-lerin Louise Bourgeois lässt sich noch bis zum 21. No-vember im Stadtmuseum

Jena nacherleben. Die Ausstellung zeigt 114 Skulpturen, Zeichnungen und Druckgrafiken einer der bedeutendsten Künstlerinnen aus der Wendezeit zwischen 20. und 21. Jahrhundert, die im Mai dieses Jahres verstor-ben ist. Erst spät gelangte Louise Bourgeois zu Ruhm, nämlich als das Museum of Modern Art in New York ihr

Anfang der 80er Jahre eine Retrospektive widmete. Es folgten Ausstellungen in den wichtigsten Museen der Welt

wie etwa der Tate Gallery of Modern Art in London. Große Bekanntheit erlangte Louise Bourgeois durch ihre riesigen Spinnenskulpturen, den „Maman“, die heute beispielsweise vor dem Guggen-heim Museum in Bilbao zu finden sind. Die aktuelle Ausstellung in Jena ist die erste nach ihrem Tod. Den Höhepunkt stellen die sogenannten „Personnages“ dar. Diese stelenartigen Objekte, die zu-meist aus Holz gefertigt wurden, stam-men aus dem Frühwerk der Künstlerin um 1950. In dieser großen Anzahl wa-ren sie selten in einer Schau zu sehen. Dominiert von den Farben Schwarz und Weiß stehen die Figuren wie Menschen direkt auf dem Boden. Kein Podest oder Sockel erhöht die Skulpturen. Ihr menschlicher Charakter wird trotz ihrer abstrakten und einfach gehaltenen Form durch eine erkennbare Dreiteilung in Kopf-, Rumpf- und Beinpartie unter-strichen. Den Grund hierfür nennt die Künstlerin selbst: „Die Personen, die ich damals kannte, sind die Erklärung für die Skulpturen. Sie handeln von Men-schen [...], an die ich mich erinnere.“ Von Menschen, die sie mit ihrem Um-

zug von Paris nach New York 1938 zu-rücklassen musste. Der zweite Teil der Ausstellung zeigt eine andere Louise Bourgeois. Eine Frau, die in ihren Grafi-ken und Zeichnungen mit der Sexualität spielt und bewusst die Farbe rot einsetzt. Auf einem Bild erschafft sie mit Wasser-farbe Wellen aus roten, gelben und ro-safarbenen weiblichen Brüsten, die vor einem blauen Hintergrund nach rechts und links zu wippen scheinen. In einem anderen Werk wiederum versucht sie die Grenzen zwischen männlicher und weiblicher Sexualität zu verwischen und den Menschen als männlich-weib-lich darzustellen. Die Einfachheit der Werke von Loui-se Bourgeois lässt den Besucher nicht auf Anhieb erkennen, welche Intention die Künstlerin mit ihren Plastiken und Zeichnungen verfolgt. Erst die Beschäf-tigung mit ihrer Biographie versetzt den Betrachter in die Lage, mehr als nur die scheinbar primitiven Objekte zu sehen und die Geschichte, die hinter diesen steckt, zu verstehen.

Christoph Worsch

Stadtmuseum zeigt Werke von Louise Bourgeois

Die einsame Läuferin

FOTO: GALERIE GREVE ST. MO-RITZ

„Ohne Titel“ – eine Skulp-tur aus Stoff und Stahl.

Kultur

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Voreheliche Versteckspiele

Wie uns die Erfahrung lehrt, brechen die ungemütlichen Zeiten norma-

lerweise erst nach der Eheschließung an. Nicht so in Mozarts Oper „Le nozze di Figaro“: Dort ereignen sich sämtliche Streitereien, Eifersüchteleien und Intri-gen bereits vor dem Ja-Wort. Die Ende September im Nationaltheater Weimar angelaufene Inszenierung Susanne Gau-chels gibt sich große Mühe, genau diese Turbulenzen am Hochzeitstag der Titelfi-gur entsprechend turbulent auf die Bühne zu bringen. In nicht geringem Maße trägt dazu die von Thomas Schuster entwor-fene Kulisse bei: Der Zuschauer hat Ein-blick in die verschiedenen Zimmer des gräflichen Schlosses, die je nach Bedarf zusammengeschoben, dann wieder ge-trennt und im Raum verteilt werden kön-nen. Dies erlaubt den flexiblen Umgang mit einer Handlung, in der Versteckak-tionen, Fluchten ins Nebenzimmer und Sprünge aus dem Fenster schon fast zum guten Ton gehören.

Spätes Familientreffen

Um nur einen kurzen Einblick in das zu geben, was den nichts Böses ahnenden Besucher erwartet: Graf Almaviva (Uwe Schenker-Primus) hat ein Auge auf die Kammerzofe Susanna (Elisabeth Wim-mer) geworfen und versucht deren Heirat mit seinem Diener Figaro (Philipp Mei-erhöfer) um jeden Preis zu verhindern. Die beiden Verlobten wiederum bringen gemeinsam mit der von solcher Untreue wenig begeisterten Gräfin (Larissa Krokhi-na) einen fingierten Liebesbrief in Umlauf, der den eifersüchtigen Grafen zumindest eine Zeitlang ablenken soll. Dies funktio-niert jedoch leider viel zu gut, sodass sich schließlich der zwischen die Fronten ge-ratene Page Cherubino (Carolina Krogius) nur mit Mühe vor gräflichem Zorn und Revolver in Sicherheit bringen kann.Unterdessen erhebt die Hofdame Marcel-lina (Christine Hansmann) aufgrund alter Verträge Anspruch auf Figaros Hand, un-terstützt von ihrem Anwalt Bartolo (Re-migiusz Lukomski) und Musiklehrer Ba-silio (Frieder Aurich). Doch auch dieses Problem löst sich zu aller Überraschung in nichts auf: Marcellina entpuppt sich – Achtung Spoiler – als Figaros Mutter, Bartolo als dessen Vater. Mit verzücktem Gesang und einer Spielzeuglokomotive holen die drei ihre verlorenen Familien-jahre nach, bevor das aufregende Finale naht: Der Graf wird vor versammeltem

Hofstaat bloßgestellt, als er seiner als Su-sanna verkleideten Gemahlin nachstellt. Diese zeigt sich jedoch nachsichtig und vergibt ihm – nach dreieinhalb Stunden muss die Oper schließlich auch mal ein Ende haben. Nach dreieinhalb unterhalt-samen Stunden, wohlgemerkt.Dabei lässt sich keineswegs leugnen, dass Gauchels Inszenierung durchaus auch Angriffsfläche für Kritik bietet. So manchem Zuschauer könnte sie zu we-nig ambitioniert, zu wenig akzentuiert erscheinen. Nur wenige Bilder bleiben dauerhaft im Gedächtnis, etwa wenn Fi-garo beim Rasieren seines Herrn diesem plötzlich unsanft an die Kehle geht – und wenn der sich wiederum revanchiert, in-dem er am Ende des zweiten Aktes seinen Untergebenen am Kragen packt und über den Zimmerrand wie über einen Abgrund hält. Oft erweisen sich zudem gerade die markanteren Szenen als schwer zugäng-lich: Beispielsweise stehen im letzten Akt verschiedene Personen des Stücks bewe-gungslos auf der Drehbühne und lassen sich wie Karussellfiguren im Kreis herum-fahren; dies bildet zwar – gemeinsam mit immer wieder eingestreuten zeitlupenar-tigen Auftritten – einen verlangsamenden Gegenpol zur temporeichen Handlung, dennoch rätselt man weiterhin über die Hintergründe.

Flottes Treiben

Andererseits zeigt sich gerade am Stich-wort „Tempo“, warum der Weimarer „Fi-garo“ den Möglichkeiten des Werks doch in sehenswerter Weise gerecht wird. Die Inszenierung schafft es, den Witz und die Dynamik dieser „Opera buffa“ rei-bungslos auf die Bühne zu bringen und teilweise sogar bis zur Ironisierung wei-terzutreiben. Das fortwährende Versteck- und Verkleidungsspiel führt sich selbst ad absurdum, wenn etwa der beleibte Graf sich allen Ernstes ungesehen hinter einer geöffneten Türe verbirgt oder der andro-gyne Cherubino, der als Sopranrolle tra-ditionell von Frauen gesungen wird und im Handlungsgeschehen mehrfach in Frauenkleider schlüpft, am Ende genauso wie seine Geliebte Barbarina (Malwina Makala) im 20er-Jahre-Anzug tanzt.Alles in allem lohnt sich die Fahrt nach Weimar, gerade auch für Opern-Neulinge: Die von Stefan Solyom und der Staatska-pelle Weimar zu Gehör gebrachte Musik besticht durch Mozartsche Eingängigkeit und auf der Bühne ist sowieso immer et-

was los. Dank des harmonischen‚,Happy Ends’ müssen nicht einmal Frischver-mählte einen Besuch scheuen.

Johannes Weiß

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„Die Hochzeit des Figaro“ am Nationaltheater Weimar

Kultur

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Veranstaltungen

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Donnerstag, 14.10.19:00 Kassablanca: „Es reicht – von der Krise in den heißen Herbst...“ (Vortrag und Diskussion)19:30 Glashaus: „Ken Park“ (Film)20:00 Theaterhaus: „Gotham City I – das Stück. Eine Stadt sucht ihren Helden“ (Premiere)20:00 Rosenkeller: Bernd Begemann & Dirk Darmstaedter (live)20:00 Volkshaus: Philharmoniekon- zert „Gitarre und Sinfonik“: Werke von Igor Strawins- ky, Antonio Vivaldi, Heitor Villa-Lobos und Joacuín Turina21:00 Café Wagner: Wagner‘s corner (open stage)22:00 Kassablanca: Downbeat spezial mit dem „Pullup orchestra“

Freitag, 15.10.20:00 Rosenkeller: „Fall of serenity“, „Rogash“, „Stolen pleasure“ und

„Kali-Yuga“ (live)20:00 F-Haus: „Betontod“, „Tox pack“ und „9mm“ (live)20:00 Kunsthof, Ballhaus- gasse 3: Performance „Butter+Beuys“ von Benedikt Braun mit „Bier, Bauch, (selbstver- ständlich) Bräuten und auch Boys“21:00 Café Wagner: „Pink monkey stuff“ (live)23:00 Kassablanca: Ueberschall mit „angel dust“, „ra- coon“, „real“ und „phowa“

Samstag, 16.10.22:00 Café Wagner: Yeahna City Soul Club mit „The Floorettes“ (live)23:00 Kassablanca: Musikkrausesause mit „Acid Pauli“, „Hometrainer“ und dem „Krause Duo“

Sonntag, 17.10.20:00 Kulturbahnhof: „Ernst Thälmann – Sohn seiner Klas-

gasse 3: FrischFleisch- Lounge: „Aus der Nische gegen die Krise“ (Live-Feuilleton)20:00 Kassablanca: Queerloungeclub im Turm und Nachwuchsband- wettbewerb des Ju- gendamts Jena mit „Carpe Noctem“, „Hercules Propa- ganda“, „Almost Naked“, „Amok- drang“, „Grand- father“ und „Scoville“ (live contest)

Mittwoch, 20.10.18:00 Kassablanca: Kingpong‘s öffent- lich-wöchentlicher Wettstreit im Tisch- tennis20:00 Café Wagner: „Casablanca“ (Film)20:00 DNT Weimar: „Schutt“ von Den- nis Kelly (Premiere)22:00 F-Haus: Semesteranfangs- party23:00 Kassablanca: Schöne Freiheit mit

se“ (Film)21:00 Kassablanca: „The teenagers“ (live)21:00 Café Wagner: K.C. McKenzie und Anka Gnoth (live)

Montag, 18.10.20:00 Kassablanca: Nachwuchsband- wettbewerb des Jugendamts Jena mit „Lictor“, „Heardrops“, „Binswankers“, „Copyriot“, „Soulcreep“ und „The Fryology The- atre“ (live contest)20:00 Rosenkeller: „Beat!Beat!Beat!“ und „My new zoo“ (live)21:00 Café Wagner: „Alin Coen Band“ (live) Dienstag, 19.10.16:15 Aula, UHG: „Bildung als soziale Frage“ (Vortrag von Christoph Mat- schie, Thüringer Minister für Bil- dung, Wissenschaft und Kultur)20:00 Kunsthof, Ballhaus-

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Thalia Lesung: André Kudernatsch

Das Beste an Erfurt ist die Autobahn nach Jena„Nur empfindlich sollte man nicht sein, denn jeder kriegt sein Fett weg. (…) Gerade noch ist man selbst, spätestens im nächsten Absatz

aber schon der Nachbar Zielscheibe des Spotts. Außerdem erfährt der Leser, was der Sandmann, der in Erfurt an der Krämerbrücke

sitzt, in seinem Sack hat, warum Harry Potter eine blitzförmige Narbe auf der Stirn trägt, warum Behördengänge in der Landes-

hauptstadt immer etwas länger dauern und vieles mehr – in geschliffener Sprache und ohne Besserwissereien oder alte Kalauer.“

Veit Malolepsy, MDR 1 RADIO THÜRINGEN, 15. Juli 2010

Treffpunkt Thalia !Do | 28. Oktober | 20.15 Uhr | Eintritt frei

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Jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat, 18.30 Uhr auf JenaTV

mo-fr von 8-11

Veranstaltungen

„légères“ und „ilja gabler“ Donnerstag, 21.10.19:00 Stadtmuseum: „Mein Krieg“ (Film)19:30 Volkshaus: „Weltgeschichte – Versuch einer Kulturgeschichte der Menschheit“ (Vortrag)19:30 Glashaus: „Die Klavierspiele- rin“ (Film)20:00 Kassablanca: Nachwuchsband- wettbewerb des Jugendamts Jena mit „Big Cheese“, „Flaming Shots“, „Headless“, „Durchfall“, „Lie- sense“ und „Phoe- nix Crossing“ (live contest)21:00 Rosenkeller: Bio-Semester- auftaktparty21:00 Café Wagner: „Oirtrio Gratkow- ski-Gramss-Nakata- ni“ (live)22:00 F-Haus: Semesteranfangs- party Freitag, 22.10.20:00 Volksbad: Jonas Anderhub und Christof Wol- fisberg: „Ohne Rolf – Blattrand“ (Le- sung)20:00 Kunsthof, Ballhaus- gasse 3: Vernissage der Ausstellung „mus- tergültig“20:00 Kassablanca: Nachwuchsband- wettbewerb des Jugendamts Jena mit „CGP“, „Par-

kInSun“, „Sirene“, „Lariva“, „Deepwa- ter Horizon“ und „Junksound“ (live contest)20:00 Volkshaus: Philharmoniekon- zert „Metaphy- sischer Zeitraum“21:00 Fiddler‘s green: „ONE – a tribute to U2“ (live)21:00 Marktmühle: Mathew James White (live)22:00 Café Wagner: GOAwabohu22:00 Rosenkeller: Dancehall nice again – 3rd birth day bash

Samstag, 23.10.19:30 Schillers Garten- haus: „Seine Liebe sei mein Leben... – Goethe und Ma- rianne von Wille- mer“ (Vortrag)20:00 Kassablanca: Nachwuchsband- wettbewerb des Jugendamts Jena: Endausscheidung (live contest)20:00 Volkshaus: „Klaus Lenz Big Band“ (live)

20:00 F-Haus: „Phillip Boa & the Voodooclub“ (live)20:00 Rosenkeller: „Dukes of Wind sor“ (live)

Sonntag, 24.10.18:27 KuBus: „The wind that shakes the barley“ (Film)19:00 Kulturbahnhof: „Evolution“ (Perfor- mance mit Holzstö- cken)20:00 Kassablanca: Hörspielnacht mit dem Summerfugl- Hörspielwettbe- werb20:00 Kunsthof, Ballhaus- gasse 3: Lautschrift (Lesung)21:00 Café Wagner: Spieleabend21:00 KuBus: „Flaxmill“ (live)21:00 Fiddler‘s green: 18. Geburtstag des Irish Pub mit Kieran Halping und Jogi Jockusch (live) Montag, 25.10.19:30 Thüringer Archiv für Zeitgeschichte, Camsdorfer Ufer 17:

„Die DDR an der Schule“ (Vortrag) Dienstag, 26.10.19:00 F-Haus: Max Goldt: „Gattin aus Holzabfällen“ (Lesung)20:30 Kassablanca: „Z – Anatomie eines politischen Mordes“(Film)

Mittwoch, 27.10.16:00 Aula, UHG: „Tulipomania: ver- rückt nach Hol- lands Blumen“ (Vortrag)19:30 KuBus: „Arm im Alter – eine Frage poli- tischer Entschei- dungen?“ (Vortrag)20:00 Kassablanca: „Tocotronic“ (live)20:00 Café Wagner: „Projekt Arthur – die Gewaltfrage – 1968“ (Film)

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Vielleicht gerade weil sie beim Bundes-Vision-Song-Contest den letzten Platz belegten – ein hörenswertes Duo: Am 14.Oktober spielen Bernd Begemann und Dirk Darmstädter in der Rose.FOTO: STEFAN DÜRR

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Das

ist weg!