Aktivierung - Herbst Bereich - Vorleserunde
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Aktivierung - Herbst
Bereich - Vorleserunde
Inhaltsverzeichnis ❖ Vorwort (Allgemein)
❖ Einleitung zur Aktivierung ❖ Gedichte - Jedes Blatt ein Gedicht ❖ Hinweise auf andere Beiträge
Vorwort
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Sammlung - Herbstgedichte
Hier finden Sie eine Sammlung an Herbstgedichten von den bekannten Dichtern der Vergangenheit
Aktivierungsmaterial für einen Literaturkreis zum Thema Herbst
Vergänglichkeit
(Nach einem alten Liede)
Sagt, wo sind die Veilchen hin? Die so freudig glänzten
Und der Blumen Königin Ihren Weg bekränzten?
Jüngling ach! Der Lenz entflieht, Diese Veilchen sind verblüht! Sagt wo sind die Rosen hin? Die wir singend pflückten, Als sich Hirt und Schäferin
Hut und Busen schmückten? Mädchen ach! Der Sommer flieht,
Jene Rosen sind verblüht! Führe denn zum Bächlein mich,
Das die Veilchen tränkte; Das mit leisem Murmeln sich
In die Thäler senkte. Luft und Sonne glühten sehr, Jenes Bächlein ist nicht mehr!
Johann Georg Jacobi (1740 - 1814)
Im Herbst
Die Sonnenblumen leuchten am Zaun, Still sitzen Kranke im Sonnenschein.
Im Acker mühn sich singend die Fraun, Die Klosterglocken läuten darein.
Die Vögel sagen dir ferne Mär,
Die Klosterglocken läuten darein. Vom Hof tönt sanft die Geige her.
Heut keltern sie den braunen Wein.
Da zeigt der Mensch sich froh und lind. Heut keltern sie den braunen Wein. Weit offen die Totenkammern sind
Und schön bemalt vom Sonnenschein.
Georg Trakl (1887 - 1914)
Der Herbst des Einsamen
Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle, Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
Ein reines Blau tritt aus verfallner Hülle; Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
Gekeltert ist der Wein, die milde Stille Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.
Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;
Im roten Wald verliert sich eine Herde. Die Wolke wandert übern Weiherspiegel; Es ruht des Landmanns ruhige Gebärde. Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel
Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.
Bald nisten Sterne in des Müden Brauen; In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden,
Und Engel treten leise aus den blauen Augen der Liebenden, die sanfter leiden.
Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen, Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.
Georg Trakl (1887 - 1914)
Herbst
Schon in's Land der Pyramiden Flohn die Störche über's Meer;
Schwalbenflug ist längst geschieden, Auch die Lerche singt nicht mehr.
Seufzend in geheimer Klage
Streift der Wind das letzte Grün; Und die süßen Sommertage,
Ach, sie sind dahin, dahin!
Nebel hat den Wald verschlungen, Der dein stillstes Glück gesehn;
Ganz in Duft und Dämmerungen Will die schöne Welt vergehn.
Nur noch einmal bricht die Sonne
Unaufhaltsam durch den Duft, Und ein Strahl der alten Wonne
Rieselt über Tal und Kluft.
Und es leuchten Wald und Heide, Daß man sicher glauben mag,
Hinter allem Winterleide Lieg' ein ferner Frühlingstag.
Die Sense rauscht, die ähre fällt,
Die Tiere räumen scheu das Feld, Der Mensch begehrt die ganze Welt.
Und sind die Blumen abgeblüht, So brecht der äpfel goldne Bälle; Hin ist die Zeit der Schwärmerei,
So schätzt nun endlich das Reelle.
Theodor Storm (1817 - 1888)
Die Mühlen
Die vielen Mühlen gehen und treiben schwer. Das Wasser fällt über die Räder her
Und die moosigen Speichen knarren im Wehr.
Und die Müller sitzen tagein, tagaus Wie Maden weiß in dem Mühlenhaus.
Und schauen oben zum Dache hinaus.
Aber die hohen Pappeln stehn ohne Wind Vor einer Sonne herbstlich und blind,
Die matt in die Himmel geschnitten sind.
Georg Heym (1887 - 1912)
Im Herbst
Durch die Wälder streif' ich munter, Wenn der Wind die Stämme rüttelt Und im Rascheln bunt und bunter Blatt auf Blatt herunterschüttelt.
Denn es träumt bei solchem Klange
Sich gar schön vom Frühlingshauche, Von der Nachtigall Gesange,
Und vom jungen Grün am Strauche.
Lustig schreit' ich durchs Gefilde, Wo verdorrte Disteln nicken, Denk' an Maienröslein milde
Mit den morgenfrischen Blicken.
Nach dem Himmel schau' ich gerne, Wenn ihn Wolken schwarz bedecken;
Denk' an tausend liebe Sterne, Die dahinter sich verstecken.
Friedrich von Sallet (1812 - 1843)
In ein altes Stammbuch
Immer wieder kehrst du Melancholie, O Sanftmut der einsamen Seele. Zu Ende glüht ein goldener Tag.
Demutsvoll beugt sich dem Schmerz der Geduldige
Tönend von Wohllaut und weichem Wahnsinn. Siehe! es dämmert schon.
Wieder kehrt die Nacht und klagt ein Sterbliches
Und es leidet ein anderes mit.
Schaudernd unter herbstlichen Sternen Neigt sich jährlich tiefer das Haupt.
Georg Trakl (1887 - 1914)
Verfall
Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten, Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen, Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.
Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.
Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern. Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern, Indes wie blasser Kinder Todesreigen
Um dunkle Brunnenränder, die verwittern, Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.
Georg Trakl (1887 - 1914)
Herbst
Astern blühen schon im Garten, Schwächer trifft der Sonnenpfeil. Blumen, die den Tod erwarten Durch des Frostes Henkerbeil.
Brauner dunkelt längst die Heide,
Blätter zittern durch die Luft. Und es liegen Wald und Weide
Unbewegt in blauem Duft.
Pfirsich an der Gartenmauer, Kranich auf der Winterflucht.
Herbstes Freuden, Herbstes Trauer, Welke Rosen, reife Frucht.
Detlev von Liliencron (1844 - 1909)
Herbstliche Wege
Des Sommers weiße Wolkengrüße zieh'n stumm den Vogelschwärmen nach,
die letzte Beere gärt voll Süße, zärtliches Wort liegt wieder brach.
Und Schatten folgt den langen Wegen
aus Bäumen, die das Licht verfärbt, der Himmel wächst, in Wind und Regen stirbt Laub, verdorrt und braun gegerbt.
Der Duft der Blume ist vergessen,
Frucht birgt und Sonne nun der Wein und du trägst, was dir zugemessen,
geklärt in deinen Herbst hinein.
Joachim Ringelnatz (1883 - 1934)
Herbst
Rings ein Verstummen, ein Entfärben: Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln, Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;
Ich liebe dieses milde Sterben.
Von hinnen geht die stille Reise, Die Zeit der Liebe ist verklungen, Die Vögel haben ausgesungen, Und dürre Blätter sinken leise.
Die Vögel zogen nach dem Süden,
Aus dem Verfall des Laubes tauchen Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen,
Die Blätter fallen stets, die müden.
In dieses Waldes leisem Rauschen Ist mir als hör' ich Kunde wehen, dass alles Sterben und Vergehen
Nur heimlich still vergnügtes Tauschen.
Nikolaus Lenau (1802 - 1850)
Im Herbst
Der schöne Sommer ging von hinnen, Der Herbst, der reiche, zog ins Land.
Nun weben all die guten Spinnen So manches feine Festgewand.
Sie weben zu des Tages Feier Mit kunstgeübtem Hinterbein Ganz allerliebste Elfenschleier
Als Schmuck für Wiese, Flur und Hain.
Ja, tausend Silberfäden geben Dem Winde sie zum leichten Spiel,
Die ziehen sanft dahin und schweben Ans unbewußt bestimmte Ziel.
Sie ziehen in das Wunderländchen,
Wo Liebe scheu im Anbeginn, Und leis verknüpft ein zartes Bändchen
Den Schäfer mit der Schäferin.
Wilhelm Busch (1832 - 1908)
Novemberstimmung
Die Flur umher es kalt durchweht, wo nirgend mehr ein Blümlein steht.
Im Wald zerstiebt das welke Laub –
Die ich geliebt, sind alle Staub.
Sich frühe neigt der Sonne Lauf,
am Himmel steigt der Mond herauf.
Es füllt sich sacht das Sternenzelt. Sie sind erwacht
in jener Welt.
Martin Greif (1839 - 1911)
In trauter Verborgenheit
Ade, ihr Sommertage, Wie seid ihr so schnell enteilt,
Gar mancherlei Lust und Plage Habt ihr uns zugeteilt.
Wohl war es ein Entzücken,
Zu wandeln im Sonnenschein, Nur die verflixten Mücken
Mischten sich immer darein.
Und wenn wir auf Waldeswegen Dem Sange der Vögel gelauscht,
Dann kam natürlich ein Regen Auf uns herniedergerauscht.
Die lustigen Sänger haben
Nach Süden sich aufgemacht, Bei Tage krächzen die Raben, Die Käuze schreien bei Nacht.
Was ist das für Gesause!
Es stürmt bereits und schneit. Da bleiben wir zwei zu Hause
In trauter Verborgenheit.
Kein Wetter kann uns verdrießen. Mein Liebchen, ich und du,
Wir halten uns warm und schließen Hübsch feste die Türen zu.
Wilhelm Busch (1832 - 1908)
Herbstbild
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah! Die Luft ist still, als atmete man kaum,
und dennoch fallen raschelnd, fern und nah, die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur! Dies ist die Lese, die sie selber hält;
denn heute löst sich von den Zweigen nur, was vor dem milden Strahl der Sonne fällt.
Friedrich Hebbel (1813 - 1863)
Herbstgang
Und strahlend unter goldnem Baldachin um starre Wipfel funkelnd hingebreitet
und Kronen tragend gehn wir hin und flüsternd gleitet
dein süßer Tritt gedämpft im bunten Laub. Aus wilden schwanken lachenden Girlanden
rieselt's wie goldner Staub und webt sich fließend ein in den Gewanden
und heftet wie Juwelen schwer sich dir ins Haar und jagt vom Licht gehetzt
in grellen Wirbeln vor uns her und sinkt aufstiebend in das wirre Meer
kräuselnder Blätter die vom Abendduft genetzt wie goldgewirkte Teppiche sich spannen ...
Nun lischt im fernsten Feld der letzte Laut. Vom Feuer leis umglüht ragen die Tannen.
Ein feiner dünner Nebel staut und schlingt sich bäumend um zermürbte Reiser
und irgendwo zerfällt ein irres Rufen.
Und deiner Schleppe Goldsaum knistert leiser und atmend steigen wir auf steilen Stufen.
Weit wächst das Land von Schatten feucht umballt. Drohend aus Nebeln reckt sich Baum an Baum.
Und schwarz umfängt uns schon der große Wald. Und dunkel trägt uns schon der große Traum.
Ernst Maria Richard Stadler (1883 - 1914 (gefallen))
Herbstgefühl
Fetter grüne, du Laub, Am Rebengeländer
Hier mein Fenster herauf! Gedrängter quellet,
Zwillingsbeeren, und reifet Schneller und glänzend voller! Euch brütet der Mutter Sonne Scheideblick; euch umsäuselt
Des holden Himmels Fruchtende Fülle;
Euch kühlet des Mondes Freundlicher Zauberhauch,
Und euch betauen, ach! Aus diesen Augen
Der ewig belebenden Liebe Vollschwellende Tränen.
Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)
Ende des Herbstes
Ich sehe seit einer Zeit, Wie alles sich verwandelt.
Etwas steht auf und handelt Und tötet und tut Leid.
Von Mal zu Mal sind all
Die Gärten nicht dieselben; Von der gilbenden zu der gelben
Langsamem Verfall: Wie war der Weg mir weit.
Jetzt bin ich schon bei den leeren
Und schaue durch die Alleen. Fast bis zu den fernsten Meeren Kann ich den ernsten schweren
Verwehrenden Himmel sehn.
Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Herbst-Gefühl
Müder Glanz der Sonne! Blasses Himmelblau!
Von verklungner Wonne Träumet still die Au. An der letzten Rose
Löset lebenssatt Sich das letzte lose, Bleiche Blumenblatt! Goldenes Entfärben
Schleicht sich durch den Hain! Auch Vergeh'n und Sterben
Däucht mir süß zu sein.
Karl von Gerok (1815 - 1890)
Im Herbste
Es rauscht, die gelben Blätter fliegen, Am Himmel steht ein falber Schein;
Du schauerst leis und drückst dich fester In deines Mannes Arm hinein.
Was nun von Halm zu Halme wandelt, Was nach den letzten Blumen greift,
Hat heimlich im Vorübergehen Auch dein geliebtes Haupt gestreift.
Doch reißen auch die zarten Fäden,
Die warme Nacht auf Wiesen spann – Es ist der Sommer nur, der scheidet; Was geht denn uns der Sommer an?
Du legst die Hand an meine Stirne
Und schaust mir prüfend ins Gesicht; Aus deinen milden Frauenaugen Bricht gar zu melancholisch Licht.
Erlosch auch hier ein Duft, ein Schimmer,
Ein Rätsel, das dich einst bewegt, Daß du in meiner Hand gefangen
Die freie Mädchenhand gelegt?
O schaudre nicht! Ob auch unmerklich Der schönste Sonnenschein verrann – Es ist der Sommer nur, der scheidet; Was geht denn uns der Sommer an?
Theodor Storm (1817 - 1888)
Nebeltag
Vorbei nun ist es mit den blauen Tagen, es senkt der Herbst die graue Schlußgardine; vom Garten, der einst Rosenpracht getragen,
dringt Grabesduft verblühter Balsamine.
Ein letztes Ideal ward mir zerschlagen, Brief zuckt auf Brief verflammend im Kamine;
indessen Schauer überm Parke jagen, pfeift hell der Sturm die Abschiedskavatine.
Mir ahnt es trüb: wer um das Glück der Erden sein Herzblut gab, den trösten nur hinferne noch Arbeitslämpchen und Kamingefunkel.
Denn alle Wonnen, die begehret werden,
die Welt, der Ruhm, die Frauen und die Sterne, sie wärmen nicht und sind im Grunde dunkel.
Prinz Emil von Schoenaich-Carolath-Schilden
(1852 - 1908)
Spätherbst
Fahlgrau verdämmert der Tag… Nebel in flatternden Stücken, will mir die Brust bedrücken,
Furcht regt sich im Föhrenschlag.
Und schon nahet der Sturm, Herbst beugt die greisen Bäume, –
in meine dumpfen Träume zittern die Glocken vom Turm.
Schall und verworrener Klang aus dem Häusergewimmel;
Dampf quillt zum nächtlichen Himmel in aufstrebendem Drang.
Dunkel schleicht mir ins Herz, Wolken ballen sich dichter –
Aber drüben die Lichter winken mir heimatwärts.
Wilhelm Popp (1870 - 1938)
Oktober
Wie in Gold die Wälder prangen, Rosen gleich die Bäum' erblühn!
Erde will wie Himmel glühn, Eh sie starr liegt und vergangen.
Der verklärten Erden Wonne
Füllt mit Licht auch meine Brust, Und das Herz hüpft auf in Lust, Wie ein Vöglein in der Sonne.
Solche Lust, Herz, währt nicht lange,
Herz, das ist nur ein Erglühn Vor dem gänzlichen Verblühn Unterm Hügel kalt und bange.
Justinus Kerner (1786 - 1862)
Verklärter Herbst
Gewaltig endet so das Jahr Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
Rund schweigen Wälder wunderbar Und sind des Einsamen Gefährten.
Da sagt der Landmann: Es ist gut. Ihr Abendglocken lang und leise Gebt noch zum Ende frohen Mut. Ein Vogelzug grüßt auf der Reise
Es ist der Liebe milde Zeit
Im Kahn den blauen Fluß hinunter Wie schön sich Bild an Bildchen reiht
Das geht in Ruh und Schweigen unter.
Georg Trakl (1887 - 1914)
Der Herbst
Das Glänzen der Natur ist höheres Erscheinen, Wo sich der Tag mit vielen Freuden endet,
Es ist das Jahr, das sich mit Pracht vollendet, Wo Früchte sich mit frohem Glanz vereinen.
Das Erdenrund ist so geschmückt, und selten lärmet
Der Schall durchs offne Feld, die Sonne wärmet Den Tag des Herbstes mild, die Felder stehen
Als eine Aussicht weit, die Lüfte wehen
Die Zweig' und Äste durch mit frohem Rauschen Wenn schon mit Leere sich die Felder dann
vertauschen, Der ganze Sinn des hellen Bildes lebt
Als wie ein Bild, das goldne Pracht umschwebet.
Friedrich Hölderlin (1770 - 1843)
Der scheidende Sommer
Das gelbe Laub erzittert, Es fallen die Blätter herab;
Ach, alles was hold und lieblich, Verwelkt und sinkt ins Grab.
Die Gipfel des Waldes umflimmert Ein schmerzlicher Sonnenschein;
Das mögen die letzten Küsse des scheidenden Sommers sein.
Mir ist, als müßt ich weinen Aus tiefstem Herzensgrund;
Dies Bild erinnert mich wieder An unsere Abschiedsstund'.
Ich mußte von dir scheiden,
Und wußte, du stürbest bald; Ich war der scheidende Sommer,
Du warst der sterbende Wald.
Heinrich Heine (1797 - 1856)
Im Herbste
Auf des Gartens Mauerzinne bebt noch eine einz'ge Ranke:
Also bebt in meinem Sinne schmerzlich nur noch ein Gedanke.
Kaum vermag ich ihn zu fassen, aber dennoch von mir lassen
will er, ach, zu keiner Frist; und so denk ich ihn und trage
alle Nächte, alle Tage mit mir fort die dumpfe Klage,
daß du mir verloren bist.
Emanuel Geibel (1815 - 1884)
Herbstlied
Der Herbstwind weht; die dürren Blätter fallen Ins Wintergrab;
Der Raben dumpfen Klaglaut hör' ich schallen Vom Thurm herab.
Verwelkt und dürr hängt noch an Gartenmauern Der Blumen Rest;
Und flugesmüde Vögel bange kauern Im engen Nest.
Denn wo geschwebt auf maienhaften Bahnen Der Rose Duft,
Weht traurig wie ein unheimliches Ahnen Oktoberluft.
Und wenn der Sturm die grauen Nebel dränget Das Meer entlang,
Und wenn mit Weheruf die Möve hänget Am Felsenhang:
Dann denk' ich deiner, mit betrübten Sinnen, Vergänglichkeit,
Dann scheint so klein mir in der Brust tiefinnen So Freud', wie Leid.
Der Herbstwind weht; die dürren Blätter fallen: Was weinest du?
Getrost! Auch dir wird einst nach kurzem Wallen Die lange Ruh'.
Ernst Ziel (1841 - 1921)
Herbst
Um die Großstadt sinkt die Welt in Schlaf. Felder gilben, Wälder ächzen überall. Wie Blätter fallen draußen alle Tage,
Vom Zeitwind weggeweht.
Ob Ebene und Wald in welkes Sterben fallen, Ob draußen tost Vergänglichkeit,
Im Stadtberg brüllen Straßen, Hämmer hallen: Die Stadt dampft heiß in Unrast ohne Zeit.
Gerrit Engelke (1890 - 1918)
Spaziergang am Herbstabend
Wenn ich abends einsam gehe Und die Blätter fallen sehe, Finsternisse niederwallen,
Ferne, fromme Glocken hallen: Ach, wie viele sanfte Bilder, Immer inniger und milder,
Schatten längst vergangner Zeiten, Seh ich dann vorübergleiten.
Was ich in den fernsten Stunden, Oft nur halb bewußt, empfunden, Dämmert auf in Seel' und Sinnen, Mich noch einmal zu umspinnen.
Und im inneren Zerfließen Mein ich's wieder zu genießen,
Was mich vormals glücklich machte, Oder mir Vergessen brachte.
Doch, dann frag ich mich mit Beben:
Ist so ganz verarmt dein Leben? Was du jetzt ersehnst mit Schmerzen, Sprich, was war es einst dem Herzen?
Völlig dunkel ist's geworden, Schärfer bläst der Wind aus Norden,
Und dies Blatt, dies kalt benetzte, Ist vielleicht vom Baum das letzte.
Friedrich Hebbel (1813 - 1863)
Herbst
Und nun: der Wind geht hohl und schwer, in weißen Wogen schäumt das Meer –
nun ist der Herbst gekommen und hat vom Feld den Morgentau und hat das letzte Stückchen Blau
vom Himmel weggenommen.
Und nun fahr hin! – Es rauscht und zieht durch dunkle Luft ein dunkles Lied; ich mag nicht ruhn und träumen. Ich liege wach die ganze Nacht
und horche auf die heiße Schlacht, das Stöhnen in den Bäumen.
Und nun fahr hin. Das war ein Jahr,
so früchtereif, so freudenklar . . . nun laß die Blätter treiben.
Fahr hin! Die Saat von deiner Hand, die Ernte, die in Halmen stand, muß doch mein eigen bleiben.
Clara Müller-Jahnke (1860 - 1905)
O trübe diese Tage nicht
O trübe diese Tage nicht, Sie sind der letzte Sonnenschein, Wie lange, und es lischt das Licht, Und unser Winter bricht herein.
Dies ist die Zeit, wo jeder Tag Viel Tage gilt in seinem Wert,
Weil man's nicht mehr erhoffen mag, Daß so die Stunde wiederkehrt.
Die Flut des Lebens ist dahin,
Es ebbt in seinem Stolz und Reiz, Und sieh, es schleicht in unsern Sinn
Ein banger, nie gekannter Geiz;
Ein süßer Geiz, der Stunden zählt Und jede prüft auf ihren Glanz, O sorge, daß uns keine fehlt,
Und gönn uns jede Stunde ganz.
Theodor Fontane (1819 - 1898)
Herbstgold
Wie war's im Walde heut wunderhold -
die Wipfel alle von rotem Gold!
Goldender Boden, golden der Duft, fallende Blätter
von Gold aus der Luft.
Und es leuchtet aus Tod und Vergeh'n golden die Hoffnung
aufs Aufersteh'n.
Ferdinand Avenarius (1856 - 1923)
Herbstlied
Bunt sind schon die Wälder,
Gelb die Stoppelfelder, Und der Herbst beginnt.
Rote Blätter fallen, Graue Nebel wallen,
Kühler weht der Wind.
Wie die volle Traube Aus dem Rebenlaube Purpurfarbig strahlt! Am Geländer reifen Pfirsiche mit Streifen Rot und weiß bemalt.
Sieh! Wie hier die Dirne Emsig Pflaum und Birne
In ihr Körbchen legt, Dort mit leichten Schritten
Jene goldnen Quitten In den Landhof trägt!
Flinke Träger springen,
Und die Mädchen singen, Alles jubelt froh!
Bunte Bänder schweben Zwischen hohen Reben Auf dem Hut von Stroh.
Geige tönt und Flöte Bei der Abendröte
Und im Mondenglanz; Junge Winzerinnen
Winken und beginnen Deutschen Ringeltanz
Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762 -
1834)
Herbst
Eine trübe, kaltfeuchte Wagenspur: Das ist die herbstliche Natur.
Sie hat geleuchtet, geduftet und trug Ihre Früchte. – Nun ausgeglichen,
Hat sie vom Kämpfen und Wachsen genug. - Scheint's nicht, als wäre alles Betrug
Gewesen, was ihr entwichen?
Das Händesinken in den Schoß, Das Unbunte und Leise,
Das ist so schön, daß es wiederjung Beginnen kann, wenn Erinnerung
Es nicht klein macht, sondern weise.
Ein Nebel blaut über das Blätterbraun, Das zwischen den Bäumen den Boden bedeckt.
Wenn ihr euren Herbst entdeckt:
Dann seid darüber nicht traurig, ihr Fraun.
Joachim Ringelnatz (1883 - 1934)
Herbstlied
Das Laub fällt von den Bäumen, Das zarte Sommerlaub!
Das Leben mit seinen Träumen Zerfällt in Asch und Staub!
Die Vöglein im Walde sagen,
Wie schweigt der Wald jetzt still! Die Lieb ist fortgegangen, Kein Vöglein singen will;
Die Liebe kehrt wohl wieder
Im künftgen lieben Jahr, Und alles tönt dann wieder, Was hier verklungen war.
Der Winter sei willkommen, Sein Kleid ist rein und neu!
Den Schmuck hat er genommen, Den Keim bewahrt er treu!
Siegfried August Mahlmann (1771 - 1826)
Nebeltag
Nun weicht er nicht mehr von der Erde, Der graue Nebel, unbewegt;
Er deckt das Feld und deckt die Herde, Den Wald und was im Wald sich regt.
Er fällt des Nachts in schweren Tropfen Durchs welke Laub von Baum zu Baum,
Als wollten Elfengeister klopfen Den Sommer wach aus seinem Traum.
Der aber schläft, von kühlen Schauern
Tief eingehüllt, im Totenkleid. O welch ein stilles, sanftes Trauern Beschleicht das Herz in dieser Zeit!
Im Grund der Seele winkt es leise,
Und vom dahingeschwundnen Glück Beschwört in ihrem Zauberkreise Erinnrung uns den Traum zurück.
Hermann Ritter von Lingg (1820 - 1905)
Herbstmorgen
Die Wolken ziehn, wie Trauergäste, Den Mond still – abwärts zu geleiten; Der Wind durchfegt die starren Äste,
Und sucht ein Blatt aus beßren Zeiten.
Schon flattern in der Luft die Raben, Des Winters unheilvolle Boten;
Bald wird er tief in Schnee begraben Die Erde, seinen großen Toten.
Ein Bach läuft hastig mir zur Seite, Es bangt ihn vor des Eises Ketten;
Drum stürzt er fort und sucht das Weite, Als könnt' ihm Flucht das Leben retten.
Da mocht' ich länger nicht inmitten
So todesnaher Öde weilen; Es trieb mich fort, mit hast'gen Schritten
Dem flücht'gen Bache nachzueilen.
Theodor Fontane (1819 - 1898)
Herbst des Leidens
Durch manchen Herbst des Leidens mußt du, Herz,
eh dich die letzte goldne Sichel mäht. Schon späht
ihr blankes Erz nach deinem dunklen Blut.
Wie bald, so ruht, verströmend Gold,
es, Abendröten gleich in jenem Reich
des Ewigen Abends, welcher Friede heißt!
O süßer Geist der Nächte, sei mir hold!
Christian Morgenstern (1871 - 1914)
Herbstgefühl
Wie ferne Tritte hörst du's schallen, Doch weit umher ist nichts zu sehn, Als wie die Blätter träumend fallen
Und rauschend mit dem Wind verwehn.
Es dringt hervor wie leise Klagen, Die immer neuem Schmerz entstehn,
Wie Wehruf aus entschwundnen Tagen, Wie stetes Kommen und Vergehn.
Du hörst, wie durch der Bäume Gipfel
Die Stunden unaufhaltsam gehn, Der Nebel regnet in die Wipfel,
Du weinst, und kannst es nicht verstehn.
Martin Greif (1839 - 1911)
Herbst
Nun ist es Herbst, die Blätter fallen, Den Wald durchbraust des Scheidens Weh;
Den Lenz und seine Nachtigallen Versäumt ich auf der wüsten See.
Der Himmel schien so mild, so helle,
Verloren ging sein warmes Licht; Es blühte nicht die Meereswelle, Die rohen Winde sangen nicht.
Und mir verging die Jugend traurig,
Des Frühlings Wonne blieb versäumt; Der Herbst durchweht mich trennungschaurig,
Mein Herz dem Tod entgegenträumt.
Nikolaus Lenau (1802 - 1850)
Spätherbst
Schon mischt sich Rot in der Blätter Grün, Reseden und Astern sind im Verblühn,
Die Trauben geschnitten, der Hafer gemäht, Der Herbst ist da, das Jahr wird spät.
Und doch (ob Herbst auch) die Sonne glüht, –
Weg drum mit der Schwermut aus deinem Gemüt! Banne die Sorge, genieße, was frommt,
Eh' Stille, Schnee und Winter kommt.
Theodor Fontane (1819 - 1898)
Herbstgang
Die Bäume stehn der Frucht entladen, Und gelbes Laub verweht ins Tal;
Das Stoppelfeld in Schimmerfaden Erglänzt am niedern Mittagsstrahl.
Es kreist der Vögel Schwarm und ziehet, Das Vieh verlangt zum Stall und fliehet
Die magern Aun, vom Reife fahl.
O geh am sanften Scheidetage Des Jahrs zu guter Letzt hinaus
Und nenn ihn Sommertag und trage Den letzten, schwer gefundnen Strauß.
Bald steigt Gewölk und schwarz dahinter Der Sturm und sein Genoß, der Winter,
Und hüllt in Flocken Feld und Haus.
Ein weiser Mann, ihr Lieben, haschet Die Freuden im Vorüberfliehn,
Empfängt, was kommt, unüberraschet, Und pflückt die Blumen, weil sie blühn;
Und sind die Blumen auch verschwunden, So steht am Winterherd umwunden
Sein Festpokal mit Immergrün.
Noch trocken führt durch Tal und Hügel Der längstvertraute Sommerpfad.
Nur rötlich hängt am Wasserspiegel Der Baum, den grün ihr neulich saht.
Doch grünt der Kamp von Winterkorne; Doch grünt beim Rot der Hagedorne
Und Spillbeern unsre Lagerstatt!
So still an warmer Sonne liegend, Sehn wir das bunte Feld hinan
Und dort, auf schwarzer Brache pflügend, Mit Luftgepfeif, den Ackermann;
Die Krähn in frischer Furche schwärmen Dem Pfluge nach und schrein und lärmen,
Und dampfend zieht das Gaulgespann.
Natur, wie schön in jedem Kleide! Auch noch im Sterbekleid wie schön! Sie mischt in Wehmut sanfte Freude, Und lächelt tränend noch im Gehen. Du, welkes Laub, das niederschauert, Du Blümchen, lispelst: Nicht getrauert!
Wir werden schöner auferstehn!
Johann Heinrich Voß (1751 - 1826)
Herbstnächtliche Wolken
Herbstnächtliche Wolken, sie wanken und ziehn Gleich fieberisch träumenden Kranken dahin: Auf Bergwald und Seele die Düsternis ruht,
Ob kalt sie auch Luft und Gedanken durchfliehn. Klarstrahlend jedoch tritt hervor nun der Mond, Und weithin die Wolken entschwanken um ihn. Geh auf auch im Herzen mir, lieblicher Stern, Dem immer die Schatten noch sanken dahin!
Gottfried Keller (1819 - 1890)
Herbststurm
Dich hat der Sturm begnadet, erfasst hat dich sein Hauch –
da nun zum Tanz er ladet: dich lud er auch!
Fliege! Schwebst du auch nieder
auf braunen Wintergrund – singe, o singe die Lieder,
so froh – so wund! –
Dich hat der Sturm begnadet, erfasst hat dich sein Hauch –
da nun zum Tanz er ladet: dich lud er auch!
Otto Erich Hartleben (1864 - 1905)
Der Herbst
Dies ist der Herbst: der – bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort! Die Sonne schleicht zum Berg
Und steigt und steigt Und ruht bei jedem Schritt.
Was ward die Welt so welk!
Auf müd gespannten Fäden spielt Der Wind sein Lied. Die Hoffnung floh –
Er klagt ihr nach.
Dies ist der Herbst: der – bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort! O Frucht des Baums,
Du zitterst, fällst? Welch ein Geheimnis lehrte dich
Die Nacht, Daß eisiger Schauder deine Wange,
Die Purpur-Wange deckt? –
Du schweigst, antwortest nicht?
Wer redet noch? – –
Dies ist der Herbst: der – bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort! Ich bin nicht schön
– so spricht die Sternenblume –, Doch Menschen lieb ich
Und Menschen tröst ich –
Sie sollen jetzt noch Blumen sehn, Nach mir sich bücken
Ach! und mich brechen – In ihrem Auge glänzet dann
Erinnerung auf, "Erinnerung an Schöneres als ich: –
– ich seh's – und sterbe so." –
Dies ist der Herbst: der – bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort!
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
Wir schreiten
Wir schreiten auf und ab im reichen flitter Des buchenganges beinah bis zum tore Und sehen außen in dem feld vom gitter
Den mandelbaum zum zweitenmal im flore.
Wir suchen nach den schattenfreien bänken Dort wo uns niemals fremde stimmen scheuchten,
In träumen unsre arme sich verschränken, Wir laben uns am langen milden leuchten.
Wir fühlen dankbar wie zu leisem brausen
Von wipfeln strahlenspuren auf uns tropfen Und blicken nur und horchen wenn in pausen
Die reifen früchte auf den boden klopfen.
Stefan George (1868 - 1933)
Komm in den totgesagten Park
Komm in den totgesagten park und schau: Der schimmer ferner lächelnder gestade,
Der reinen wolken unverhofftes blau Erhellt die weiher und die bunten pfade.
Dort nimm das zart gelb, das weiche grau Von birken und von buchs, der wind ist lau, Die späten rosen welkten noch nicht ganz,
Erlese, küsse sie und flicht den kranz.
Vergiß auch diese letzten astern nicht, Den purpur um die ranken wilder reben
Und auch was übrig blieb vom grünen leben Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.
Stefan George (1868 - 1933)
Wohin ich trete
Wohin ich trete, dürres Laub, Des Herbstes hingeworfner Raub –
Nicht nahm er's mit, ihm ward's zuviel: Nun treibt damit der Wind sein Spiel.
Doch bald hat's auch vor diesem Ruh',
Es kommt der Schnee und deckt es zu; – Wer nur das End' erwarten mag,
Der findet seinen Ruhetag.
Charles Edouard Duboc (1822 - 1910)
Herbst
Der du die Wälder färbst, Sonniger, milder Herbst, Schöner als Rosenblühn
Dünkt mir dein sanftes Glühn.
Nimmermehr Sturm und Drang, Nimmermehr Sehnsuchtsklang;
Leise nur atmest du Tiefer Erfüllung Ruh.
Aber vernehmbar auch
Klaget ein scheuer Hauch, Der durch die Blätter weht,
Daß es zu Ende geht.
Ferdinand von Saar (1833 - 1906)
Baum im Herbste
Was habt ihr plumpen Tölpel mich gerüttelt Als ich in seliger Blindheit stand:
Nie hat ein Schreck grausamer mich geschüttelt — Mein Traum‚ mein goldner Traum entschwand!
Nashörner ihr mit Elefanten-Rüsseln
Macht man nicht höflich erst: Klopf! Klopf? Vor Schrecken warf ich euch die Schüsseln
Goldreifer Früchte — an den Kopf.
Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844 - 1900)
Jetzt reifen schon die roten Berberitzen
Jetzt reifen schon die roten Berberitzen, alternde Astern atmen schwach im Beet.
Wer jetzt nicht reich ist, da der Sommer geht, wird immer warten und sich nie besitzen.
Wer jetzt nicht seine Augen schließen kann,
gewiß, daß eine Fülle von Gesichten in ihm nur wartet, bis die Nacht begann, um sich in seinem Dunkel aufzurichten: –
der ist vergangen wie ein alter Mann.
Dem kommt nichts mehr, dem stößt kein Tag mehr zu, und alles lügt ihn an, was ihm geschieht;
auch du, mein Gott. Und wie ein Stein bist du, welcher ihn täglich in die Tiefe zieht.
Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Unnütz
Was der Frühling säte, kommt im Herbst zur Mahd –
Es ist spät geworden, und die Ernte naht.
Ich auch hör' am Wege, wegmüd' und verstaubt, Sang und Sichelschläge
über meinem Haupt.
Mähst du auch der Heide unnütz Kraut und Strauch, Herr der Ernte, schneide
dann mich auch…
Georg Busse-Palma (1876 - 1915)
Letztes Glück
Leblos gleitet Blatt um Blatt Still und traurig von den Bäumen;
Seines Hoffens nimmer satt, Lebt das Herz in Frühlingsträumen.
Noch verweilt ein Sonnenblick
Bei den späten Hagerosen, Wie bei einem letzten Glück.
Einem süßen, hoffnungslosen.
Max Kalbeck (1850 - 1921)
Im Blätterfallend
Da nun die Blätter fallen, O weh, wie fahl,
Fühl' ich, wie alt ich worden bin. Das macht mir Qual.
Die Sonne scheint. Ach, Sonne,
Wie bist du kalt. Einst war der Herbst mir auch ein Lied.
Jetzt bin ich alt.
Otto Julius Bierbaum (1865 - 1910)
Abnehmende Tage
Nach langen sonnighellen Wochen Wie hat es heut mich überrascht,
Ich sah das Sonnlicht wie gebrochen, Schon von der Dämmrung Flug erhascht!
Es lag ein hold und sanft Verglimmen,
Welch eine Stille auf der Welt! Im Wald die letzten Vogelstimmen,
Die Flur vom Abendrot erhellt.
Noch war mit ihren Blumen allen Die Wiese bunt geschmückt und reich,
Doch wie der Sense schon verfallen Und wie von Ahnungsgrauen bleich!
Es klang ein Echo ferner Laute, Und ach, in diesem Abend lag
Ein Etwas, das mir still vertraute: Von heute nimmt nun ab der Tag!
Vergleichen mußt' ich's mit den Jahren,
Wo erstes Alter uns beschleicht, Wo staunend wir und ernst gewahren,
Daß uns ein kühler Hauch erreicht.
Ob auch noch stolze Freuden kommen Und alles uns noch glücken mag,
Doch wirklich hat schon abgenommen Das Licht von unserm Lebenstag.
Hermann Ritter von Lingg (1820 - 1905)
Herbstliche Liebe
Meine Seele spinnt dich ein; schimmernde Marienfäden
sollen ihre Häscher sein.
Ihre Schlingen fühlst du kaum. Eine rote Märtyrkrone
brech ich dir vom Eschenbaum.
Deine Stirne küß ich bleich – und so führ ich dich gefangen
mitten durch mein Schattenreich.
Du wirst ganz mein eigen sein, wirst verbluten und verblühen –
meine Seele spinnt dich ein.
Clara Müller-Jahnke (1860 - 1905)
Novembertag
Geht ein sonnenloser Tag wiederum zur Neige,
und der graue Nebel tropft durch die kahlen Zweige.
Leise atmend ruht die See,
müde, traumumsponnen . . . eine Woge, schaumgekrönt,
ist im Sand zerronnen.
Clara Müller-Jahnke (1860 - 1905)
Es saust der Baum
Es saust der Baum auf ödem Feld Die Wolken niederhangen; Das Blühen ist vergangen Das Hoffen aus der Welt.
Versunken ist manch treue Brust,
Die Winde drüber wehen; Das Glück darf nicht bestehen Nichts bleibt – als der Verlust.
Die Blätter rauschen ab vom Baum,
Im Thal die Nebel weben; Dahin ist Lust und Leben, Und alles ist ein Traum.
Ludwig Pfau (1831 - 1894)
Vom Abend
Vom Abend sprachen wir, und daß die goldnen Streifen
Am Horizont nun schon so früh verblassen Und daß die Dämmerungen mit den blassen Händen so sicher nach dem Lichte greifen.
Daß all das Sommerblühen und das Reifen
Des bunten Ernteherbstes so gelassen Des Sterbens harrt und daß die alten Gassen
Mit ihren hellen Fenstern und den steifen
Giebeln so traut ausschaun im Abenddämmern Und rings die Welt erfüllt sei von dem Schönen. Dies alles sagten wir – und mehr noch, um das
Hämmern
Des heißen Herzens ja zu übertönen – Und unsere scheuen Augen irrten weit
Ins Land und bangen vor der Dunkelheit.
Cornelia Kopp (19./20. Jhdt.)
An den Herbst
Mit dankbarem Gemüte Hier nehm ich deine Güte, Herbsttag, du milder Gast,
Der du mich reich beschenktest, Den Sinn in Klare lenktest
Und mich zum Abend fröhlich ausgerüstet hast.
Nun ist in mir kein Drängen Und bin doch nicht im Engen,
Bin ruhevoll bewegt. Was gilt es, mehr zu wollen,
Als so im Friedevollen Teilhaftig sein des Ganzen, das mütterlich uns hegt.
Otto Julius Bierbaum (1865 - 1910)
Herbststille
Lautlos schwebt das Wolkendach im Äther. Ist der Herbstwind schon zur Ruh' gegangen? Kein Gewild lauscht und kein Nachtanbeter In den Schatten, die von Bäumen hangen.
Wachte außer mir noch eine Seele, Ihre stillste Regung würd' ich hören.
Flög' ein Lichtstrahl nieder, ohne Fehle Würd' im Dorf sein Schwung die Ruhe stören.
Da, ein Schlag! ein zweiter, ihm verbündet, Mit den Händen mein' ich sie zu greifen. Birnen fallen und ihr Schlag verkündet,
Daß die Früchte in der Stille reifen.
Jakob Bosshart (1862 - 1924)
Herbstlich sonnige Tage
Herbstlich sonnige Tage, Mir beschieden zur Lust,
Euch mit leiserem Schlage Grüßt die atmende Brust.
O wie waltet die Stunde
Nun in seliger Ruh! Jede schmerzende Wunde
Schließet leise sich zu.
Nur zu rasten, zu lieben, Still an sich selber zu baun,
Fühlt sich die Seele getrieben Und mit Liebe zu schaun.
Jedem leisen Verfärben
Lausch ich mit stillem Bemühn, Jedem Wachsen und Sterben,
Jedem Welken und Blühn.
Was da webet im Ringe, Was da blüht auf der Flur,
Sinnbild ewiger Dinge Ists dem Schauenden nur.
Jede sprossende Pflanze, Die mit Düften sich füllt,
Trägt im Kelche das Ganze Weltgeheimnis verhüllt.
Emanuel Geibel (1815 - 1884)
Vergänglichkeit
Nun spinnen sich die Tage ein, Nicht einer will mehr freundlich sein,
Sie müssen sich alle besinnen Auf eine Hand voll Sonnenschein Und gehen dürftig von hinnen,
Wie Wasser im Sande verrinnen.
Die Menschen wandern hinterdrein, Still einzeln, oder still zu zwein,
Und sehen die Blätter verfliegen In alle vier Wände hinein.
Sie möchten im Sonnenschein liegen Und müssen sich fröstelnd schmiegen.
So war es tausend Jahr und mehr,
Mit Blindheit kommt der Herbst daher. Gern will ihn keiner sehen, Er macht ja alle Wege leer.
Er muß zur Seite gehen Und muß um Mitleid flehen.
Und so geht's tausend Jahre fort. Vergänglichkeit, Du müdes Wort,
Du lösest ab die Tage, Du duldest weder Zeit noch Ort,
Machst Wirklichkeit zur Sage, Den Liebesrausch zur Klage.
Max Dauthendey (1867 - 1918)
Sinnenliebe
Ein Honigvöglein, weich und zart, Ist leichte Sinnenliebe;
Von Schmetterlings- und Bienenart Sind ihre Nahrungstriebe.
Nur für den Lenz hat die Natur
Dies Flatterkind geboren; Im Lenze lebt und webt sie nur,
Gehegt, gepflegt von Floren.
Kaum dürftest du im Sommer ihr Das Leben noch erhalten;
Doch untern Händen wird sie dir Gewiß im Herbst erkalten.
Autumnus' volles Segenshorn Wirst du umsonst ihr bieten;
Es nähret sie, statt Wein und Korn, Nur Duft und Thau der Blüten.
Gottfried August Bürger (1747 - 1794)
Herbst
Näher rückt die trübe Zeit Und ich fühl's mit Beben:
Schwinden muß die Herrlichkeit, Sterben junges Leben!
Waldesschmuck und Blütenpracht Sinken bald in Grabesnacht: Scheiden, das macht Leiden! Blumen auf der grünen Au' Still ihr Haupt schon neigen;
Sommerabendlüfte lau Rauhen Stürmen weichen;
Vöglein auf der Bergeshöh', Schmetterling am tiefen See
Müssen von uns scheiden! Blatt sinkt nieder in den Staub,
Wird ein Spiel der Winde; Traurig schüttelt ab ihr Laub
Auf den Weg die Linde; Wolke eilt, dem Pfeile gleich,
Stürmend durch der Lüfte Reich, Scheucht die trauten Sterne!
"Morgen muß ich fort von hier!" Singt der Fink mit Grämen Rosen schwindet ihre Zier,
Müssen Abschied nehmen. – Ach, es macht so bittern Schmerz
Wenn, die innig liebt das Herz, Alle uns verlassen! –
Johann Georg Daniel Arnold (1780 - 1829)
Fallt, ihr Blätter
Fallt, ihr Blätter, fallet Winter wird es wieder, Traumverloren wallet Sacht zur Erde nieder.
Schwindet, Blümlein, schwindet,
Sommer ist vergangen, Wenn der Frost euch findet, Ach, da sollt euch bangen.
Willst, mein Herz, du zagen
Ob des Winters Dräuen? Harre ohne Klagen,
Wirst dich dennoch freuen.
Frieren mags und tosen, Must geduldig warten: Bald erblühn die Rosen
In des Christkinds Garten.
Helene Most (1883 - 1913)
November
Grau verwirrt der leere Wald. Mit tausend blauglühenden Ätheraugen, Hoch durch schwarzen Fichtenbehang, Irren Heere blauer gigantischer Blüten.
Von fremden Dolden,
Niemand hat je sie belauscht, Blüht jeder Morgen im Grase
Eisiger Samen.
Graue Frauen, Die lautlos im Reigen kamen,
Sind lautlos gegangen. Der Bleichen Juwelen
Strahlende Fäden Irisgrün, irisgolden,
Hangen an allen Zweigen.
In nackten Kronen singen Wachszarte Ströme der Sonne.
Um bloße Säulen, Auf weißen Schwingen kreist
Einäugig ein Aar, Das Schweigen.
Max Dauthendey (1867 - 1918)
Herbst
... Und plötzlich sind die warmen Rosenmädchen Zu Georginen, hart und müd' verblaßt ... Die Sonne zündet ihre Märchenfackel
Noch einmal blendend an, und festlich schwebt Die lichte Sonnenlüge durch die Lüfte,
Und träufelt gold'nes Blut in jedes Blatt Und träufelt gold'nes Blut in meine Seele ...
Noch einmal liegt der grüne See verträumt
Und streut mir lächelnd klares Schaumgeschmeide ... Die Gletscher leuchten, wundersam entfacht, Entbrannt im Abend ... schöne Feenpaläste
Die aufwärts locken – aufwärts – – !
Und sie sind Aus bläulichem Krystall, und traumgewobenen
Opalen und aus flüssigem Rubin ... Die Sonne zündet ihre Märchenfackel
Noch einmal an, und freudeschluchzend ringt Das hohe Lied des reifen gold'nen Lebens
Sich noch einmal empor ...
Doch schwarz und schweigend Naht sich die Wolkennacht ... Und lautlos wird Von ihrem Hauch die Sonnenfackel sterben
Und rings wird Nacht sein – –.
Lisa Baumfeld (1877 - 1897)
Nun säume nicht
Nun säume nicht, die Gaben zu erhaschen Des scheidenden Gepränges vor der Wende. Die grauen Wolken sammeln sich behende.
Die Nebel können bald uns überraschen.
Ein schwaches Flöten von zerpflücktem Aste Verkündet dir, daß letzte Güte weise
Das Land (eh es im nahem Sturm vereise) Noch hülle mit beglänzendem Damaste.
Die Wespen mit den goldengrünen Schuppen Sind von verschlossnen Kelchen fortgeflogen.
Wir fahren mit dem Kahn im weiten Bogen Um bronzebraune Laubes Inselgruppen.
Stefan George (1868 - 1933)
Herbstentschluß
Trübe Wolken, Herbstestluft, Einsam wandl' ich meine Straßen,
Welkes Laub, kein Vogel ruft – Ach, wie stille! wie verlassen!
Todeskühl der Winter naht;
Wo sind, Wälder, eure Wonnen? Fluren, eurer voller Saat
Goldne Wellen sind verronnen!
Es ist worden kühl und spät, Nebel auf der Wiese weidet, Durch die öden Haine weht
Heimweh, – alles flieht und scheidet.
Herz, vernimmst du diesen Klang Von den felsentstürzten Bächen ?
Zeit gewesen wär' es lang, Daß wir ernsthaft uns besprächen!
Herz, du hast dir selber oft Weh getan und hast es andern,
Weil du hast geliebt, gehofft; Nun ist's aus, wir müssen wandern!
Auf die Reise will ich fest
Ein dich schließen und verwahren, Draussen mag ein linder West
Oder Sturm vorüberfahren;
Daß wir unserem letzten Gang Schweigsam wandeln und alleine,
Daß auf unserm Grabeshang Niemand als der Regen weine!
Nikolaus Lenau (1802 - 1850)
Herbstlied
Es liegt der Herbst auf allen Wegen, In hundert Farben prangt sein Kleid,
Wie seine Trauer, seinen Segen Er um sich streut zu gleicher Zeit.
Es rauscht der Fuß im welken Laube, Was blüht' und grünte, ward ein Traum –
Allein am Stocke winkt die Traube Und goldne Frucht schmückt rings den Baum.
So nimmt und gibt mit vollen Händen Der Herbst, ein Dieb und eine Fee; Erfüllung kann allein er spenden,
Doch sie umfängt ein tiefes Weh! – O, Herbst der Seele! deine Früchte, Sind auch Gewinn sie, oder Raub? Der Wünsche Blüthe ist zunichte,
Der Hoffnung Grün ein welkes Laub. Zu schwer erkauft, um zu beglücken,
O, Seelenherbst, ist deine Zier! Der Saft der Traube kann entzücken,
Doch keine Wonne strömt aus dir. Die Weisheit, wie die Frucht sie nennen,
Sie preßt mir bittre Thränen aus, Und ihres Kernes herbem Brennen Entkeimet nie ein Frühlingsstrauß!
Luise Büchner (1821 - 1877)
Herbst
Gärtner, laß die Blätter liegen, Die jetzt über die Erde rollen Und die müde von der Reise Sich zur Ruhe legen wollen.
Wie sie gelb und braun geworden -
Und der Reif an ihrem Rande - Ruhn sie, tote Sommervögel, Auf dem dunkelroten Sande.
Sieh, sie wollen deinem rauhen Besen sich nur ungern fügen;
Du vermagst des Winters Nahen Doch nicht recht hinwegzulügen.
Heinrich Lersch (1889 - 1936)
Herbstlese
Schon blicken rote Wipfel Aus fahlem Laub hervor, Leis' um der Berge Gipfel
Wallt lichter Nebelflor. Schon folgt dem Schnitterreigen
Des Jägers rascher Schuß – Doch reift's noch an den Zweigen
Im letzten Sonnenkuß. Bald nahen frohe Hände, Sie schütteln Ast um Ast,
Sie brechen vom Gelände Der Trauben süße Last. Denn so ist's allerwegen:
Daß für des Sommers Fleiß Mit köstlich reichem Segen Der Herbst zu lohnen weiß.
Doch was ist dir beschieden, Der du die Zeit verträumt, Der du, zu sä'n hienieden,
Zu pflanzen hast versäumt? Da du im Frühlingshauche Nach Rosen nur gesucht:
So pflück' vom dorn'gen Strauche Dir jetzt die herbe Frucht.
Ferdinand von Saar (1833 - 1906)
Novemberabend
Kein Licht am Himmel, Kein Laut auf den Gassen ...
In Dunkel und Stille, Wie bin ich verlassen.
Es rauschen die Bäume ... Der Wind hebt sich leise
Zu friedloser Irrfahrt, Zu freudloser Reise. Das Feuer im Ofen
Sinkt knisternd zusammen, Von Asche begraben,
Ersticken die Flammen. Die Lampe nur leuchtet Hinein in das Zimmer Und breitet um Alles
Den ruhigen Schimmer. Sie weckt an den Wänden
Die Bilder der Lieben Und segnet das Lied,
Das ich weinend geschrieben. Und weiß wie ein Freund Von vergangenen Tagen Mir tausend vergessene
Dinge zu sagen. Die tönen wie Märchen Voll Sonne und Freude
Hinein in das graue, Verlassene Heute.
Anna Ritter (1865 - 1921)
Das ist nicht Sommer mehr
Das ist nicht Sommer mehr, das ist September ... Herbst:
diese großen weichen Wolken am Himmel, diese feinen weißen Spinnwebschleier in der Ferne
und hinter den Gärten mit den Sonnenblumen der ringelnde Rauch aufglimmender Krautfeuer ...
und diese süße weiche Müdigkeit und diese frohe ruhige Stille überall und trotzdem wieder diese frische, satte, erntefreudige, herbe Kraft ...
das ist nicht Sommer ... das ist Herbst.
Cäsar Flaischlen (1864 - 1920)
Herbstlied
Den Herbst durchzieht Das Sehnsuchtslied
Der Geigen Und zwingt mein Herz In bangem Schmerz
Zu schweigen.
Bleich und voll Leid, Dass die letzte Zeit
Erscheine, Gedenk' ich zurück
An fernes Glück, Und ich weine.
Und so muss ich gehn
Im Herbsteswehn Und Wetter,
Bald hier, bald dort, Verweht und verdorrt
Wie die Blätter.
Paul Verlaine (1844 - 1896)
Herbstlaub
Soll ich denn kommen, wenn das Herbstlaub sinkt und sanftes Gold in deinen Augen blinkt?
Soll Mandoline lernen, Arien lallen und Verse lesen, um dir zu gefallen?
Die andere Schwester treibt es gar so toll – es kommt ein Tag, da weiß ich, was ich soll,
ich sag zum Vater: "Höre meine Wahl: Gib mir die Blonde, Mann, den Sonnenstrahl!"
Erik Axel Karlfeldt (1864 - 1931)
Herbst
Nun kommen die letzten klaren Tage Einer müderen Sonne. Bunttaumelnde Pracht,
Blatt bei Blatt. So heimisch raschelt Der Fuß durchs Laub.
O du liebes, weitstilles Farbenlied! Du zarte, umrißreine Wonne!
Komm! Ein letztes Sonnenblickchen
Wärmt unser Heim. Da wollen wir sitzen,
Still im Stillen, Und in die müden Abendfarben sehn.
Da wollen wir beieinander sitzen In Herbstmonddämmer hinein
Und leise Verlorene Worte plaudern.
Johannes Schlaf (1892 - 1941)
Herbstlied
Hohler Ton, Violenton,
Bang im Herbste, Stöhnt mit ein- Töniger Pein
Lang im Herzen.
Ganz verstummt, Wenn Turm summt, Stunden schlagen, Bleich und wach Wein ich nach
Früheren Tagen.
Und ich geh Im Wehn und Weh
Hingetrieben, Da, dort,
Wie verdorrt Blätter stieben.
Paul Verlaine (1844 - 1896)
Herbstgefühl
Grünen, Blühen, Duften, Glänzen, Reichstes Leben ohne Grenzen,
Alles steigernd, nirgends stockend, Selbst die kühnsten Wünsche lockend;
Ja, da kann ich wohl zerfließen,
Aber nimmermehr genießen; Solche Flügel tragen weiter,
Als zur nächsten Kirschbaumleiter.
Doch, wenn rot die Blätter fallen, Kühl die Nebelhauche wallen,
Leis durchschauernd, nicht erfrischend, In den warmen Wind sich mischend:
Dann vom Endlos-Ungeheuren
Flücht' ich gern zum Menschlich-Teuren, Und in einer ersten Traube
Sieht die Frucht der Welt mein Glaube.
Friedrich Hebbel (1813 - 1863)
Musik im Mirabell
Ein Brunnen singt. Die Wolken stehn Im klaren Blau, die weißen, zarten.
Bedächtig stille Menschen gehn Am Abend durch den alten Garten.
Der Ahnen Marmor ist ergraut.
Ein Vogelzug streift in die Weiten. Ein Faun mit toten Augen schaut
Nach Schatten, die ins Dunkel gleiten.
Das Laub fällt rot vom alten Baum Und kreist herein durchs offne Fenster.
Ein Feuerschein glüht auf im Raum Und malet trübe Angstgespenster.
Ein weißer Fremdling tritt ins Haus.
Ein Hund stürzt durch verfallene Gänge. Die Magd löscht eine Lampe aus,
Das Ohr hört nachts Sonatenklänge.
Georg Trakl (1887 - 1914)
Blätterfall
Leise, windverwehte Lieder, mögt ihr fallen in den Sand!
Blätter seid ihr eines Baumes, welcher nie in Blüte stand.
Welke, windverwehte Blätter,
Boten, naher Winterruh, fallet sacht!… ihr deckt die Gräber
mancher toten Hoffnung zu.
Heinrich Leuthold (1827 - 1879)
Oktoberlied
Der Nebel steigt, es fällt das Laub; Schenk ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden! Und geht es draußen noch so toll,
Unchristlich oder christlich, Ist doch die Welt, die schöne Welt,
So gänzlich unverwüstlich!
Und wimmert auch einmal das Herz – Stoß an und laß es klingen!
Wir wissen's doch, ein rechtes Herz Ist gar nicht umzubringen.
Der Nebel steigt, es fällt das Laub; Schenk ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!
Wohl ist es Herbst; doch warte nur, Doch warte nur ein Weilchen!
Der Frühling kommt, der Himmel lacht, Es steht die Welt in Veilchen.
Die blauen Tage brechen an,
Und ehe sie verfließen, Wir wollen sie, mein wackrer Freund,
Genießen, ja genießen!
Theodor Storm (1817 - 1888)
Nun hat es sich gewendet
Nun hat es sich gewendet, das grüne Buchenblatt, nun hat es sich geendet, was mich erfreuet hat.
Die Rose hat verloren
die roten Blüten all, was du mir hast geschworen,
es war ein leerer Schall.
Das Blatt am Buchenbaume gibt keinen Schatten mehr,
dem allerschönsten Traume blüht keine Wiederkehr.
Hermann Löns (1866 - 1914)
Hab Dank, du lieber Wind
Ich bin in den Garten gegangen und mag nicht mehr hinaus. Die goldigen Äpfel prangen
mit ihren roten Wangen und laden ein zum Schmaus.
Wie ist es anzufangen?
Sie hängen mir zu hoch und zu fern. Ich sehe sie hangen und prangen
und kann sie nicht erlangen und hätte doch einen gern!
Da kommt der Wind aus dem Westen
und schüttelt den Baum geschwind und weht herab von den Ästen
den allerschönsten und besten - hab Dank, du lieber Wind!
Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874)
Nun ist das Korn geschnitten ...
Nun ist das Korn geschnitten, Die Felder leuchten fahl;
Ringsum ein tiefes Schweigen Im heißen Sonnenstrahl.
Verblüht ist und verklungen,
Was duftete und sang, Nur sanft tönt von den Triften
Der Herdeglockenklang.
Das ist, o Menschenseele, Des Sommers heil'ger Ernst, Daß du, noch eh' er scheidet,
Dich still besinnen lernst.
Ferdinand von Saar (1833 - 1906)
Herbstgefühl
Die ganze Schöpfung steht in Trauer; Das Laub der Bäume färbt sich gelber.
Und achl Mir ist, als fühlt' ich selber Im Herzen kalte Winterschauer.
Wie ringsum alles stirbt und endet! Bei diesem Welken und Verderben
Fleh ich: O Gott! laß mich nicht sterben, Eh ich ein schönes Werk vollendet.
Heinrich Leuthold (1827 - 1879)
Feldbeichte
Im Herbst, wenn sich der Baum entlaubt, Nachdenklich wird und schweigend, Mit Reif bestreut sein welkes Haupt, Fromm sich dem Sturme neigend: Da geht das Dichterjahr zu End',
Da wird mir ernst zu Mute; Im Herbst nehm' ich das Sakrament
In jungem Traubenblute. Da bin ich stets beim Abendrot
Allein im Feld zu finden, Da brech' ich zag mein Stücklein Brot
Und denk' an meine Sünden. Ich richte mir den Beichtstuhl ein
Auf ödem Haideplatze; Der Mond, der muß mein Pfaffe sein
Mit seiner Silberglatze. Und wenn er grämlich zögern will,
Der Last mich zu entheben, Dann ruf' ich: "Alter, schweig' nur still,
Es ist mir schon vergeben! Ich habe längst mit Not und Tod Ein Wörtlein schon gesprochen!"
Dann wird mein Pfaff vor Ärger rot Und hat sich bald verkrochen.
Gottfried Keller (1819 - 1890)
Herbstgefühl
Rot und gelbe Herbsteslehnen An der Berge blauem Joch,
Und wie Frühlingsgruss und Sehnen Astern blühen und Verbenen, Aber ach, wie lange noch?!
Und aus dunkeltiefer Stelle
Unter Schäumen und Gepoch An des Tages heitre Helle
Bricht hervor die Waldesquelle, Aber ach, wie lange noch?!
Und so schwindet hin das Leben, Schwindet, und du liebst es doch.
Wieder regt sich Stolz und Streben, Und der Wunsch kommt auf daneben
Aber ach, wie lange noch?!
Theodor Fontane (1819 - 1898)
Herbstblühte
Wie im Herbst zum zweiten Mal Manche Bäume blühen,
So beginnt mein altes Herz Jugendlich zu glühen.
Sei vernünftig, halte fest
Deine stolze Kühle; Daß nicht keimen aus dem Scherz
Innige Gefühle.
Spürst du nicht schon, wann sie kommt Wonniges Erschrecken?
Willst du, völlig hoffnungslos, Lieben, Liebe wecken?
Wilhelm Jordan (1819 - 1904)
Herbstabend
Herbstabende voll weicher Helligkeit Mit ihrem rührend rätselhaften Zauber…
Ein böser Glanz, der Bäume buntes Kleid, Purpurner Blätter matt und leicht Geplauder;
Die Bläue ist so neblig, still und kühl, Worunter die verwaiste Erde trauert,
Und – wie der nahen Stürme Vorgefühl Bisweil ein Windstoß jäh, der uns durchschauert;
Erschöpfung, Niedergang, doch überall Das Lächeln sanft des Welkens und des Scheidens,
Das wir in des Verstandes Widerhall Erkannt als die erhabne Scham des Leidens.
Fjodor Iwanowitsch Tjuttschew (1803 - 1873)
Sehnsucht im Herbst
O welch ein Lied mit süßen Heimatsklängen, Welch ein Akkord voll Glück und Schmerz,
Als ob die Nachtigallen alle sängen, Erregt aufs Neue mir das Herz!
Ihr Nachtigallen, könnt ich mit euch ziehn!
Mich zieht es hin zu jenen linden Lüften,
Wie es den Vogel nach dem Maimond zieht, Zu Lorbeerhainen, ach zu Sonnentriften! Mein Vaterland ist, wo der Frühling blüht,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht! Mein Sinn, mein – Trübsinn nach der Heimat steht!
O lockend Lied, wer ist wie du beredt?
Ludwig Eichrodt (1827 - 1892)
November
Bin heut im erstarrten Garten gewesen,
Wo ich in Deinem Auge einst Lieder gelesen; Wo die Biene den Tropfen Seligkeit sog,
Und wie ein Stückchen Himmel der Schmetterling flog. Wo der Mond aufstieg wie der Liebe Lob, Wie ein Herz das sich von der Erde hob,
Und wo jetzt die Wurzeln der Blumen verwesen, Hab ich in toten Blättern noch Lieder gelesen.
Max Dauthendey (1867 - 1918)
Der Herbsthund
Der Herbsthund, der im Walde lebt – Aus lauter dürrem Laub sein Fell –
Er füllt, wenn Blatt um Blatt verschwebt, Die Luft mit heiserem Gebell.
Er sitzt und kläfft die Bäume an, Bis jeder ihm sein Laub beläßt,
Und springt in seinem irren Wahn Von Nord nach Süd, von Ost nach West.
Der Herbsthund, der im Walde wohnt,
Er heult oft fort die ganze Nacht, Indeß sein bleicher Freund, der Mond, Durch immer kahlres Astwerk lacht.
Und wer den Herbsthund je gesehn,
Dem wird nicht wohl mehr auf der Welt: Er muß durch welke Blätter gehn, Bis ihm der Hund des Todes bellt.
Ludwig Scharf (1864 - 1938)
Zu spät
Hab' an die Dornen nicht gedacht, Als ich die Rose brach,
Die Blätter sanken über Nacht, Der Dorn mich blutig stach.
Hab' an den Winter nicht gedacht
Im Frühlings-Sonnenstrahl, Nun schwand die duft'ge Blumenpracht
Und öd' ist's allzumal.
Hab' an das Scheiden nicht gedacht, Als ich mein Lieb umfing,
Nun kommt der Trennung kalte Nacht, Die Rosenzeit verging.
Daß ich an's Ende nicht gedacht, Das macht mir bittern Schmerz,
Das Leid ist kommen über Nacht, Und bricht mir nun das Herz.
Auguste Kurs (1815 - 1892)
Ich lieb den Herbst
Ich lieb den Herbst, im Blicke Trauer. In stillen Nebeltagen geh
Ich oft durch Fichtenwald und seh Vor einem Himmel, bleich wie Schnee, Durch Wipfel wehen dunkle Schauer.
Ich lieb, ein herbes Blatt zu Brei Zu kauen, lächelnd zu zerstören
Den Traum, dem wir so gern gehören. Fern des Spechtes scharfer Schrei!
Das Gras schon welk … schon starr vor Kühle, Von hellen Schleiern überhaucht. In mir das Weben der Gefühle,
Das Herz in Bitternis getaucht … Soll ich Vergangenes nicht beschwören?
Soll, was da war, nie wieder sein? Die Fichten nicken dunkel, hören Gelassen zu und flüstern Nein.
Und da: ein ungeheures Lärmen, Ein Ineinanderwehn von Zweigen,
Ein Rauschen wie von Vogelschwärmen, Die, einem Ruf gehorchend, steigen.
Iwan Sergejewitsch Turgenjew (1818 - 1883)
Jetzt ist es Herbst
Jetzt ist es Herbst, Die Welt ward weit,
Die Berge öffnen ihre Arme Und reichen dir Unendlichkeit.
Kein Wunsch, kein Wuchs ist mehr im Laub, Die Bäume sehen in den Staub,
Sie lauschen auf den Schritt der Zeit.
Jetzt ist es Herbst, das Herz ward weit.
Das Herz, das viel gewandert ist, Das sich vergnügt mit Lust und List,
Das Herz muß gleich den Bäumen lauschen Und Blicke mit dem Staube tauschen.
Es hat geküßt, ahnt seine Frist, Das Laub fällt hin, das Herz vergißt.
Max Dauthendey (1867 - 1918)
Stille des Herbstes
Im Herbste kommen der Wiese die Herbstzeitlosen und mir die Lieder,
die lieben Kinder der Melancholie, die dämmernden Lampen im Nebel blühn wieder,
sanft dunkelt das tiefe Zuhause gebrochener Lüfte, die Landschaft am Lethe,
der Sommer verwelkt, und Verträumung füllt Gärten des Himmels, balsamische Beete.
Wie einer, der heimkehrt, nachdenksam verweilt
sich das Jahr in den Räumen der Stunden, in diesem Meer, dieser Stille von Schilf
voller Weite, in der sich die Wasser gefunden. Strömt alles zurück? Kommt die Kindheit noch einmal
mit Abend, mit Ängsten, mit ahnenden Wonnen
von Regen des Nachts? Du bist da, trübes Herz, an des Herbstes melodischem Bronnen!
Albin Zollinger (1895 - 1941)
November
Die Luft ist grau, das Feld steht kahl, Die dumpfen Nebel spinnen:
Kein Ton, kein Sang, kein Farbenstrahl: – Glück zog und Glanz von hinnen.
Rings Stille – matt starb selbst der Wind –
Ein Rabe huscht an den Steinen: Mir ist, ich hör' mein fernes Kind
Bitter, bitter weinen.
Felix Dahn
Zu meinen Füßen
Zu meinen Füßen sinkt ein Blatt, Der Sonne müd, des Regens satt; Als dieses Blatt war grün und neu, Hatt ich noch Eltern, lieb und treu.
O wie vergänglich ist ein Laub,
Des Frühlings Kind, des Herbstes Raub! Doch hat dies Laub, das niederbebt,
Mir so viel Liebes überlebt.
Ludwig Uhland (1787 - 1862)
Ein herbstlich Lied für Zweie
Auch diesem Stieglitz da im Blätterfall tickt wunderbar in seinem Federball
ein schüchtern schluchzend Herz, ein kleines, ein Herz wie meins und deines.
Der Vogel singt, weil ihn sein Herz bezwingt
und große Sonnenlust ihn frisch umschwingt, er muß von seinem Herzen zehren.
Und jedes Flüsterbäumchen uns vertraut
trägt unter seiner weichen Rindenhaut ein horchend Neugierherz, ein wachsend kleines,
ein Herz wie meins und deines.
Der Baum verzweigt, und weiter zweigt er still, weil frei sein Herz ins Blaue schauen will –
er muß von seinem Herzen zehren.
Wer spürt, wie bald das nächt'ge Schweigen naht. Du hast mich lieb und gehst denselben Pfad;
wir leben zueinander warm und still: Wie unser ruhlos wunschgroß Herz es will.
Gerrit Engelke (1890 - 1918)
Der späte Herbsttag
Wie lächelt im sonnigen Glanze Heut' alles dem trunkenen Blick!
Kehrt singend, mit Blumen im Kranze, Schon wieder der Frühling zurück?
Wie lieblich des Apfelbaums Äste
Im gelblichen Schmucke noch stehn: Im Kirschbaum die säuselnden Weste
Die rötelnden Blätter umwehn!
Noch zwitschert, so munter, die Meise, Noch locken die Finken so hell;
Noch starret das Gras nicht im Eise; Noch flimmert durch Wiesen der Quell.
Noch gurrt auf dem Dache die Taube;
Noch ziehen die Lerchen nicht fort; Noch sind, am Geländer der Laube,
Die Ranken nicht alle verdorrt.
Lang müss' euch, ihr bunten Gefilde, Kein Schnee und kein Nebel umziehn:
Es pflege der Winter euch milde, Um schöner im Frühling zu blühn!
Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762 - 1834)
Landschaft im Spätherbst
Ueber kahle, fahle Hügel Streicht der Dämm'rung kühler Flügel;
Dunkel, wie erstarrte Träume, Steh'n im Thal entlaubt die Bäume.
Tiefe Stille, tiefes Lauschen:
Keine Welle hörst du rauschen, Keine Stimme hörst du klingen, Dir des Lebens Gruß zu bringen.
Nur als stummes Bild der Gnade
Siehst du dort am stein'gen Pfade, Von des Kreuzes Holz getragen,
Durch die Nacht den Heiland ragen.
Ferdinand von Saar (1833 - 1906)
Herbstbeginn I.
Zu Herbst nun gehn die Tage Und schneller naht die Nacht, Ganz ohne Klang und Klage
Stirbt Laub und Gärtenpracht.
Scheu bebt ein Schlußverkünden Auch mir durch Sang und Sinn, Und nachts auf Wiesengründen
Schleicht schon die Moorfrau hin ...
II. So will sich rings auf all die Blüten betten
Herbstbraune Ruh, Wildgänse ziehn in langen weißen Ketten
Dem Süden zu.
Mir ist zu Sinn, als müßt' auch ich jetzt wandern Von Ort zu Ort,
Nach meiner Heimat, einer ewigen, andern, Weitfort, weitfort ...
Carl Hermann Busse (1872 - 1918)
Sinkender Himmel
Du Herz, das immer die Sterne begehrte, Für jeden Wunsch verschenkt sich ein Traum.
Sieh, schon neigt sich der abendverklärte Himmel zu dir, und du faßt es kaum.
Neigt sich und neigt sich. Und in sein Sinken
Hebt die Erde verschreckt ihr Gesicht, Und wie mit purpurnen Lippen trinken Die Höhen das letzte löschende Licht.
Alle Bäume schon müssen ihn fühlen,
Steil greift ihr Schmerz in den Abend empor, Und mit den zitternden Armen wühlen Sie sich in den samtenen Sternenflor.
Und tiefer rauschen die Wolkenfernen.
Schon streifen sie dich, wie ein Kuß, wie ein Kleid, Und wiegen nun sanft mit den silbernen Sternen
Dein Herz in die nahe Unendlichkeit.
Stefan Zweig (1881 - 1942, Freitod)
Landschaft
Septemberabend; traurig tönen die dunklen Rufe der Hirten
Durch das dämmernde Dorf; Feuer sprüht in der Schmiede.
Gewaltig bäumt sich ein schwarzes Pferd; die hyazinthenen
Locken der Magd Haschen nach der Inbrunst seiner purpurnen Nüstern.
Leise erstarrt am Saum des Waldes der Schrei der Hirschkuh
Und die gelben Blumen des Herbstes Neigen sich sprachlos über das blaue Antlitz des
Teichs. In roter Flamme verbrannte ein Baum; aufflattern mit
dunklen Gesichtern die Fledermäuse.
Georg Trakl (1887 - 1914)
Herbstfrühlingslied
So oft der Herbst die Rosen stahl, Ich weiß nicht, wie's entsprungen, Doch ist mir hell noch jedesmal
Ein Frühlingslied entklungen.
Der Frühling, der vorüberfuhr, Und der aus Zukunft winket, Die beiden werden einer nur,
Des Glanz mein Herz durchblinket.
So hoff' ich, wenn den Lebensbaum Des Alters Hauch entlaubet,
Nicht soll ein goldner Jugendtraum Dem Herzen sein geraubet.
Die Jugend, die vorüberfuhr, Wird sich im Liede paaren
Mit jener, die auf Edens Flur Nicht wird vorüberfahren.
Friedrich Rückert (1788 - 1866)
Herbstklage
Holder Lenz, du bist dahin! Nirgends, nirgends darfst du bleiben!
Wo ich sah dein frohes Blühn, Braust des Herbstes banges Treiben.
Wie der Wind so traurig fuhr
Durch den Strauch, als ob er weine; Sterbeseufzer der Natur
Schauern durch die welken Haine.
Wieder ist, wie bald! wie bald! Mir ein Jahr dahingeschwunden.
Fragend rauscht es aus dem Wald: "Hat dein Herz sein Glück gefunden?"
Waldesrauschen, wunderbar
Hast du mir das Herz getroffen! Treulich bringt ein jedes Jahr
Welkes Laub und welkes Hoffen.
Nikolaus Lenau (1802 - 1850)
Herbstlied
Geigen des Herbstes,
Wie schluchzet ihr tief! Brecht mir das Herz,
Das voll Sehnsucht rief!
Weinend steh' ich …
Die Stunde verrinnt … Einstiger
Tage Gedenkend, wie taub …
Frierend
treibt mich Ein kalter Wind,
Hierhin und dorthin –
Wie totes Laub!
Paul Verlaine (1844 - 1896)
Blätterfall
Will's dir in die Seele schneiden, Daß der Sommer kommt zum Scheiden
Und der Blätterfall beginnt: – Alter Knabe, sei kein Kind!
Wenn der Morgen, grau und rieslich,
Nebeldünste kocht verdrießlich, Fröstelnd dein Gebein umspinnt: –
Alter Knabe, sei kein Kind!
Wenn die Kraft der Jugendtage, Die nichts weiß von Jahrzeitplage,
Mählich dir im All zerrinnt: – Alter Knabe, sei kein Kind!
Wenn im Auf und Ab von Hoffen
Plötzlich dir dein Grab steht offen, Drüber stöbert Schnee und Wind: –
Alter Knabe, sei kein Kind!
Ludwig Scharf (1864 - 1938)
Herbst
Ich pflücke mir am Weg das letzte Tausendschön ... Es kam ein Engel mir mein Totenkleid zu nähen –
Denn ich muß andere Welten weiter tragen.
Das ewige Leben dem, der viel von Liebe weiß zu sagen.
Ein Mensch der Liebe kann nur auferstehen! Haß schachtelt ein! wie hoch die Fackel auch mag
schlagen.
Ich will dir viel viel Liebe sagen – Wenn auch schon kühle Winde wehen,
In Wirbeln sich um Bäume drehen, Um Herzen, die in ihren Wiegen lagen.
Mir ist auf Erden weh geschehen ...
Der Mond gibt Antwort dir auf deine Fragen. Er sah verhängt mich auch an Tagen,
Die zaghaft ich beging auf Zehen.
Else Lasker-Schüler (1869 - 1945)
Baum und Herz
Wenn die Blätter fallen Trauert nicht der Baum, Neue schon durchwallen
Seinen Lebenstraum
Ganz vom Loos umsponnen, Das Natur bestimmt,
Fühlt er gleiche Wonnen, Ob sie giebt, ob nimmt.
Sicherheit wird Allen,
Die sie trägt im Schooß; Menschen nur verfallen
Wandelbarem Loos.
Menschen nur umfluthet Kein so treu' Geschick, Und ein Herz verblutet
Jeden Augenblick.
Hieronymus Lorm (1821 - 1902)
Herbstbacchanal
Die stolze Fülle verstümmelt, gebrochen. Die reiche Erde verknöchert, bestaubt.
Fäule kommt auf trägem Leib gekrochen Und reckt voll Gier das graue Moderhaupt. Doch trotzig sträuben sich die zähen Pulse,
Die Todesangst fliegt auf, taumelt, rafft Aus dem zermorschten Siechen
Die letzte, ringende Kraft.
Zitternde Bläße schminkt sich Mit stierem grinsenden Blut,
Mühsames Leben lodert Leere, erheuchelte Glut.
Flammenjauchzen durchgellt In grassem Echo die Welt,
Betäubende Feuer schäumen, Farben tollen, bäumen
Schrille, kreischende Funken, Lachen rast, wahnsinntrunken.
Doch unter all dem blinden Tosen,
Durch den verzweifelten Sturm, Pocht an die flackernden Rosen –
Der Totenwurm.
Max Dauthendey (1867 - 1918)
Herbstesahnung
Es ziehet Herbstesahnung Durch Sommers schönste Tage, Wie eine stille, trübe Mahnung,
Dass Glück vergänglich ist.
Doch mitten durch des Winters Eis Verkündet, hold zu trösten,
Ein lindes Lüftchen leis, Dass Liebe ewig ist.
Thekla Skorra (1866 - 1943)
Herbst
September sitzt auf einer hohlen Weide, Spritzt Seifenblasen in die laue Luft; Die Sonne sinkt; aus brauner Heide
steigt Ambraduft
Als triebe Wind sie, ziehn die leichten Bälle Im goldnen Schaum wie Segel von Opal,
Darüber schwebt in seidener Helle Der Himmelssaal.
Auf fernen Tennen stampft der Erntereigen,
Im Takt der Drescher schwingt der starre Saum. Handörgelein und Baß der Geigen
Summt süß im Raum.
Ricarda Huch (1864 - 1947)
Vier Kastanienbäume
Vier Kastanienbäume Stehn' vor meiner Tür, Viele goldene Träume
Dichtete ich hier.
Büchlein von der Menschheit, Ihrer "Trefflichkeit"
Ach, vergebt dem Dichter Solche Albernheit.
Friederike Kempner (1836 - 1904)
Lust'ge Vögel in dem Wald
Lust'ge Vögel in dem Wald, singt, solang es grün,
ach wer weiß, wie bald, wie bald alles muß verblühn!
Sah ich's doch vom Berge einst
glänzen überall, wußte kaum, warum du weinst,
fromme Nachtigall.
Und kaum ging ich über Land frisch durch Lust und Not.
wandelt' alles, und ich stand müd im Abendrot.
Joseph von Eichendorff (1788 - 1857)
Herbsttag
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
Und auf den Fluren laß die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein; gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Septembermorgen
Im Nebel ruhet noch die Welt, noch träumen Wald und Wiesen;
bald siehst du, wenn der Schleier fällt, den blauen Himmel unverstellt,
herbstkräftig die gedämpfte Welt in warmem Golde fließen.
Eduard Mörike (1804 - 1875)
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