Akute Schmerzen bei medizinischen Eingriffen · 5 Die Rolle der Eltern Verbale und non-verbale...

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Akute Schmerzen bei medizinischen Eingriffen Fall : Knochenmark- & Lumbalpunktion Alice Prchal ([email protected]) Thomas Erb ([email protected]) Recklinghausen 2017 KMP&LP Seite 2 Es besteht keinerlei Interessenskonflikt beim nachfolgend präsentierten Inhalt.

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Akute Schmerzen bei

medizinischen Eingriffen

Fall :

Knochenmark- & Lumbalpunktion

Alice Prchal ([email protected])

Thomas Erb ([email protected])

Recklinghausen 2017 KMP&LP Seite 2

Es besteht keinerlei Interessenskonflikt

beim nachfolgend präsentierten Inhalt.

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Inhalt

Linda :

KMP & Blutentnahme / Kleinkind 1j., nicht-kooperativ

1.  Beurteilung / Lösungsstrategien

2.  Methoden: - Pharmakologische Prämedikation (Midazolam)

- Inhalationseinleitung (Sevofluran)

3.  Monitoring / Dokumentation

Linda:

KMP & Blutentnahme / Kleinkind 1j., nicht-kooperativ

1.  Die Rolle der Eltern

2.  Aufklärung der Eltern und Aufgabenverteilung

3.  Ablenkung und Positionierung

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Einflussfaktoren auf das Schmerzerleben

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Kontext

Eltern

Kind

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Die Rolle der Eltern

Verbale und non-verbale Reaktionen der Eltern sind für das Schmerzerleben

(Schmerz, Angst, Stress) des Kindes bedeutsam!

Liossi et al. 2007; McMurty et al. 2006; Caes et al. 2013)

Hilfreiches Elternverhalten:

•  Kind ablenken •  Aktive Anleitungen geben •  Ruhig und klar bleiben •  Eigene Ängste und Sorgen im Griff

haben •  Dem Kind Sicherheit geben

Ungünstiges Elternverhalten:

•  Verbal beruhigen, beschwichtigen •  Sorgen und Ängste verbal oder mimisch

äussern •  Zu empathisch, entschuldigend

Aufklärung der Eltern

„The key to managing procedure-

related pain and distress ist

anticipation“. (AAP, 2001)

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Was vorher besprochen werden soll...

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1. Infos zur medizinischen Prozedur

2. Aufklärung über hilfreiches Elternverhalten

3. Sammeln von Strategien für das Kind

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– Hintergrundinfos (warum, wozu, Nebeneffekte, Risiken)

–  Infos zum Ablauf (wie, wann, wo, wer ist dabei, Material)

– Sensorische Informationen (mögliche Empfindungen, Reaktionen)

–  Lindas Eltern aufklären

–  Linda ev. Material in die Hand geben, z.B. Maske

– An einer Puppe Ablauf vorzeigen

1. Infos zur medizinischen Prozedur

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– Klare Aufgabenverteilung!

– Eltern: Das Kind ablenken und ihm Sicherheit geben

– Mutter nimmt das Kind nahe zu sich: Kind lehnt sitzend an sie an

–  spricht mit ruhiger Stimme und konzentriert sich ganz auf das Kind

– Mutter und Kind atmen zusammen

2. Aufklärung über hilfreiches Elternverhalten

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– Sicherheit

– Ablenkung

– Seifenblasen zur Ablenkung

– Sitzend bei der der Mutter anlehnen

3. Sammeln von Strategien für das Kind

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Positionierung und Ablenkung

Körperkontakt

zum Elternteil

o Sicherheit und Kontrolle

o Bessere Kooperation

Bewegungsspielraum kann eingeschränkt werden

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Bild: Universitätskinderkliniken Inselspital Bern

Linda :

Beurteilung / Lösungsstrategien

Facts:

!  Angst Kind / Eltern

!  Unkooperativ

!  Schmerzhafte Intervention

RISK BENEFIT

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Beurteilung / Lösungsstrategien

! Aufklärung Eltern

! Pharmakologische Prämedikation

! Atraumatische Sedationseinleitung

Recklinghausen 2017 KMP&LP Seite 13

Pharmakologische Prämedikation: Midazolam I

Benzodiazepin

-  Umfassend untersucht bei Kindern

-  Langjährige Erfahrung

- Dosis abhängige Sedation 0.3 – 1 mg/kg (max 15 mg)

-  Outcome ": - Angstreduktion präoperativ - Verbesserte Kooperation während Einleitung

perioperativ beste Einzelintervention

Ped Anesthesia 2009; 19:817

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Pharmakologische Prämedikation: Midazolam II

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Anwendung

- Oral: Sirup oder Tabletten - Rectal

- Intranasal

-  Intravenös

- Start des Effektes: ca. 20 min

- Eliminations – Halbzeit: 1-2 h (Klein- und Schulkinder)

Pharmakologische Prämedikation: Midazolam III

Probleme

- Paradoxe Reaktionen möglich (Hyperaktivität)

- Einnahme: - oral: bitterer Geschmack

- intranasal: stechen/brennen bei Applikation

-  Anterograde Amnesie: explizites #$ implizites Gedächtnis

CAVE: bei schmerzhaften Interventionen ist Analgesie essentiell!

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Masken - Einleitung mit Sevoflurane

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Monitoring / Dokumentation

Tools:

!  Pulsoxymetrie SpO2

!  EKG & Blutdruck

!  Respiration

(Capnographie CO2)

!  Dokumentation !

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Inhalt

Maximilian : KMP & intrathekale Therapie (ALL): Vorschulkind 5j., kooperativ ängstlich

1.  Port – Anstechen: EMLA - Creme

2.  Sedationseinleitung : Elternpräsenz

3.  Sedation mit Propofol / Kombination mit Opioiden

4.  Alternativen: - Ketamin

- Lachgas

Maximilian: KMP & intrathekale Therapie (ALL) / Vorschulkind 5j., kooperativ, ängstlich

1.  Aufklärung Patient: Wortwahl, Nocebo

2.  Ablenkung und Positionierung

3.  Bewältigungsplan

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Aufklärung Patient

Fokus der Aufklärung: Was das Kind erlebt

Aber Achtung: Wortwahl!

Unerwarteter Stress

Erwarteter Stress

Erhöht die Angst

Erhöht die Fähigkeit zur aktiven Bewältigung

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Worte als „Nocebos“

Es tut nicht WEH . . .

Mit der Nadel STECHEN wir...

Du brauchst keine ANGST zu haben...

u.a. Häuser, Hansen & Enck, 2012

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Alternative Formulierung / „Achtsame Sprache“

„Deine Aufgabe ist es nun, ganz

still zu halten“

„Es gibt Kinder, die sagen, dass

es sich so wie... anfühlt. Sag

mir später, wie es für dich war“

„Bewege dich nicht!“

„Das gibt jetzt einen kleinen Stich“

anstatt

anstatt

„Wir legen den kleinen

Schlauch wieder ein“ „Wir stechen jetzt den Port-a-Cath

an“ anstatt

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Ablenkung & Positionierung

Positionierung

Mutter hinter dem Kind

auf der Liege

Ablenkung

Wimmelbuch

Suchaufgabe, zählen

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Bild: Universitätskinderkliniken Inselspital Bern

Festgelegter Ablauf: „Bewältigungsplan“

Situation Strategien

Vorher •  Längere Zeit vorher: Prozedur ankünden und erklären

•  Wortwahl: „Schlauch legen“

•  Kurz vorher: Am iPad Lieblingsspiel neben Mama sitzend

Während •  Auf der Liege der Mutter auf dem Schoss sitzend

•  Mutter und Kind suchen alle Clowns im Spital-Wimmelbuch und zählen sie

•  Kind will nicht nicht zuschauen, Buch entsprechend halten

•  Pflege gibt Bescheid: Start und Ende. Sonst keine Infos!

Nachher •  Lob und Belohnungsperle gleich im Anschluss

•  Dann Beschäftigung mit anderem Thema

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Max :

Beurteilung / Lösungsstrategien

Facts:

!  venöser Zugang (port-a-cath) in situ

!  Wiederholte Exposition

!  Präsenz Eltern bei Einleitung Sedation / Anaesthesie

Recklinghausen 2017 KMP&LP Seite 25

www.cancer.gov

Vorbereitung: Anstechen mittels EMLA®

- 2.5% Lidocain / 2.5% Prilocain

- Creme oder Pflaster

- Zugelassen ab Neugeborenenalter

- NG 1 Pflaster für 1 h

- Sgl 2 Pflaster bis 4 h

- Methämoglobin Bildung

Anwendung:

- Port Anstechen

- Venenpunktion (Cave: Vasokonstriktion)

- Einwirkdauer: 1 - 1.5 h, ca. 15 min vor Venenpunktion entfernen

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Eutectic Mixture of Local Anesthetics

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Sedation / Analgesie

Induktion / Aufrechterhaltung

Propofol GABA Rezeptor Agonist

-  Eigenschaften:

- Sedativum / Hypnotikum

- keine analgetische Wirkung

- Lipophil: ( gelöst in Sojaöl / Eilecithin Emulsion )

-  Nebenwirkungen:

- Kreislauf depressiv (Herzfrequenz%, BD % )

- Atemdepressiv (Dosisabhängig)

- Injektionsschmerz ( reduziert mit Triglyceriden (MCT/LCT), Lidocain)

- Propofol Infusion Syndrom (PRIS)

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Sedation / Analgesie

Induktion / Aufrechterhaltung

Propofol - Kombination mit Opioiden (=Analgosedation)

Spezifische Opioide: - Fentanyl - Alfentanil

- Remifentanil

- Piritramid

- Nalbuphin

GENERELL:

Interaktion mit Opioiden potenziert den Effekt & Nebenwirkungen von Hypnotika

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Sedation / Analgesie

Sedations Kontinuum

Niveau Reaktionen Atemweg Atmung Kardiovaskulär

Minimal Normal Nicht

beeinträchtigt

Nicht

beeinträchtigt Unverändert

Moderat Zielgerichtet Offen Normal Unverändert

Tief Auf

Schmerzen

Benötigt

gelegentlich Unterstützung

Vermindert Aufrecht

erhalten

Anästhesie

Keine

Reaktion auslösbar

Benötigt

Unterstützung

Benötigt

Unterstützung

Möglicherweise

beeinträchtigt

Recklinghausen 2017 KMP&LP Seite 29

Sedationsverfahren bei invasiven diagnostischen Interventionen

Methode Erfolg Patienten

Komfort

Sicherheit

Propofol hoch hoch hoch

Opioid

Benzodiazepin

hoch Suboptimal

(festhalten)

hoch

Ketamin effektiv ? ?

Midazolam ineffektiv tief ?

Recklinghausen 2017 KMP&LP Seite 30

JPGN 2012; 54: 171

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Alternativen: Ketamin (NMDA Antagonist)

- „ Dissoziatives Anästhetikum “ Racemat oder S-Ketamin

- intravenös (intramuskulär)

- oral

- Sedierend - Amnestisch

- Analgetisch

- Lokalanästhetisch

- Antikonvulsiv

- Bronchodilatatorisch

- Antidepressiv

- Sympathomimetikum: - Herzfrequenz ", Blutdruck " , Atmung $ ,

- Hypersalivation / reflektorischer Atemwegsverschluss (Cave Dosis)

- Dissoziative Wahrnehmung

- Kombination mit - Benzodiazepinen

- Propofol

Recklinghausen 2017 KMP&LP Seite 31

Alternativen: Lachgas I

Vorteile

•  benötigt keinen vaskulären Zugang

•  Schmerzlos applizierbar

•  langjähriger Einsatz (seit 1884!)

•  An- & Abflutung sehr rasch

•  keine Exzitationen nach Einsatz

•  Hämodynamische Stabilität

•  Respiratorisch geringe Effekte

•  Toxizität gesamthaft gering

•  NMDA Antagonist

Recklinghausen 2017 KMP&LP Seite 32

Nachteile

•  schwaches Analgetikum

•  Inaktivierung Vitamin B12

Homocystein "

Chronische Exposition

$ neurologische Schäden

•  Treibhausgas (therapeutischer Einsatz < 0.05%)

•  Abhängigkeitspotential bei Personal

•  Abortrate erhöht ?

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Alternativen: Lachgas II

Aequimolare Mischung Lachgas / Sauerstoff (50% N2O & 50% O2)

Recklinghausen 2017 KMP&LP Seite 33

Alternativen: Lachgas III

Nebenwirkungen

Recklinghausen 2017 KMP&LP Seite 34

LANCET 2001: 358 1514-15

Leicht - Schwindel

- Uebelkeit

- Euphorie

Schwer -  Kontaktverlust -  Bradykardie

-  Atemwegsverlegung

-  Apnoe

!! Keine parallele Medikation mit Benzodiazepinen und/oder Opiaten !!

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Zusammenfassung

!  Diverse Lösungsansätze existieren

Indivualiserung für Patient

Abteilungsinterne «unité de Doctrine»

!  Interaktion: Gesprächsführung und konkrete Massnahmen beide von eminenter Bedeutung

Nocebo vermeiden

!  Arbeiten im Team

Recklinghausen 2017 KMP&LP Seite 35

Just DO IT !!